Wohnen Plus Ausgabe Herbst 2024
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RESSORT<br />
4 WOHNSTORY<br />
Das Haus<br />
aus der<br />
Scheune<br />
Wohnstory Alexandra Kaiser, Bernd Grün<br />
und die Kinder Jakob und Johannes leben in<br />
einem ganz und gar außergewöhnlichen<br />
Haus in Gailenkirchen. Von Claudia Linz<br />
Alexandra und Jakob Kaiser auf dem Sofa<br />
vor der Fachwerkwand. Die Module lassen<br />
sich flexibel nutzen. Fotos: Ufuk Arslan<br />
Abenteuerlich war das<br />
wohl noch am positivsten<br />
besetzte Attribut,<br />
das Familie<br />
und Freunde dem<br />
Umbau zuschrieben. Alexandra<br />
Kaiser und Bernd Grün hatten<br />
sich in den Kopf gesetzt, eine<br />
Scheune aus dem 18. Jahrhundert<br />
in ein Wohnhaus zu verwandeln,<br />
das es so kein zweites Mal gibt.<br />
Wie abenteuerlich sich das Unterfangen<br />
dann gestaltete, wird<br />
klar, wenn man sich vorstellt,<br />
dass die instabile Balkenkonstruktion<br />
zwischenzeitlich von<br />
sogenannten Sprießen gestützt<br />
wurde, um das Fundament betonieren<br />
zu können. Das schiefe<br />
Gebälk hing also praktisch mehr<br />
oder weniger in der Luft, ehe es<br />
ausgerichtet und wieder auf den<br />
Boden gesetzt werden konnte.<br />
Tisch aus alten Heustadeln<br />
„Ja, viele hielten uns für ziemlich<br />
verrückt“, sagt Alexandra<br />
Kaiser schmunzelnd, während<br />
sie am Holztisch sitzt und vom<br />
Umbau erzählt. Für den Eichentisch,<br />
ein Unikat wie das ganze<br />
Haus, wurde Holz aus Jahrhunderte<br />
alten Hütten und österreichischen<br />
Heustadeln aufbereitet.<br />
„Wir mögen beide Möbel mit<br />
Geschichte“, ergänzt Bernd<br />
Grün (53). Daher sind auch die<br />
Kleiderschränke in den Kinderzimmern<br />
aus einem Antiquitätenladen<br />
in Crailsheim.<br />
Anspruch an Nachhaltigkeit<br />
Die 46-jährige Alexandra Kaiser<br />
ist in Gailenkirchen aufgewachsen,<br />
weggezogen und kehrte vor<br />
zwei Jahren in die Heimat zurück.<br />
Ihr war es wichtig, den Hof,<br />
der seit fünf Generationen in Familienbesitz<br />
ist, zu erhalten. Einen<br />
Bauernhof zu führen, kam<br />
für sie nicht infrage. Aber warum<br />
nicht in eine andere Richtung<br />
denken und in der Scheune<br />
wohnen, in der ihre Vorfahren<br />
Heu und landwirtschaftliches<br />
Gerät lagerten? Dort, wo<br />
vermutlich jeder der Balken eine<br />
Geschichte erzählen würde,<br />
könnte man ihn fragen, und wo<br />
man mit etwas Fantasie den Bauern<br />
und die Bäuerin, Knechte<br />
und Mägde die Tiere versorgen<br />
und die Ernte einbringen sieht.<br />
Ihr Mann Bernd Grün, ebenfalls<br />
mit Anspruch an Nachhaltigkeit<br />
und Wiederverwendbarkeit, war<br />
sofort begeistert von der Idee.<br />
Werden die<br />
alten Höfe<br />
durch Neubauten<br />
ersetzt, stirbt die<br />
dörfliche Struktur.<br />
Hansjörg Stein<br />
Architekt<br />
Eineinhalb Jahre Bauzeit<br />
Um abzuklopfen, ob sich die<br />
Hofstelle mit einem zweiten<br />
Wohnhaus in der Scheune in ihrer<br />
Erscheinung erhalten lässt,<br />
kam der Haller Architekt Hansjörg<br />
Stein ins Spiel. Seit Jahrzehnten<br />
nimmt er sich der Erhaltung<br />
historischer Bausubstanz<br />
an. „Wenn die alten, nicht<br />
mehr bewirtschaftbaren Höfe