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Sighard-Gille-Zeichnungen

9783865025371

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SIGHARD<br />

GILLE<br />

ZEICHNUNGEN<br />

E. A. SEEMANN


SIGHARD GILLE ZEICHNUNGEN<br />

Gewidmet meiner Frau Ina,<br />

die leider an diesem Buch nicht mitarbeiten konnte.


2015<br />

Die Malmaschine<br />

97 × 67<br />

Grafit, Tusche auf Karton


SIGHARD GILLE<br />

ZEICHNUNGEN<br />

Tausend ausgewählte Handzeichnungen<br />

Mit einem Vorwort<br />

von Peter Gosse<br />

und Texten von <strong>Sighard</strong> <strong>Gille</strong><br />

E. A. SEEMANN


2003<br />

Conny, 2201032200<br />

50 × 70<br />

Farbige Kreide auf grauem Papier<br />

4


Isaak Babel, der von <strong>Sighard</strong> <strong>Gille</strong> hoch geschätzte Erzähler, schildert ein Gespräch<br />

mit Ministerpräsident Kerenski. Der (anders als der neben ihm Spazierende,<br />

der die Linie lobpreist) huldigt der Farbe: sie sei ein einziger Rausch!<br />

Seltsam, mich dem Menschewiken zur Seite zu stellen; indes, ein Rausch überkommt<br />

mich angesichts <strong>Gille</strong>scher Malerei.<br />

Welch Farbe-Völlern, welch genussstiftende Narkotisierung! Welch fauchender<br />

Frohsinn! Womöglich sucht Dich, <strong>Sighard</strong>, zuweilen die Gier heim, Deine<br />

Malstoffe zu essen?<br />

Aber ist hier nicht doch von Linien zu sprechen, von ZEICHNUNGEN eben,<br />

linearen Gebilden? Ja. Freilich sind die von eminenter Artung. Mich lassen sie<br />

denken an die Linie, jenen norwegischen Alkohol, der, zwecks Reifung über den<br />

Atlantik geschippert, zu fulminanten Eingebungen zu verhelfen pflegt!<br />

Nun, der Vollblut-Zeichner bedarf dessen nicht; die Feier des Daseins stellt<br />

sich gewiss wie von selbst her, indem der weibliche Körper (siehe die Blätter<br />

S. 184 unten und S. 203) unter Stift oder Feder saugend Gestalt annimmt. Noch<br />

dem Vegetabilen findet sich eine Begabung zur Lust zugebilligt: dies sehnsüchtige<br />

Verzehren (oder Verzagen?) der Tulpe in Blatt S. 4. Hie die Verstoßung des<br />

Mannes durch die dominante Frau (S. 624), dort die ekstatische Verschmelzung<br />

hinein ins Pflanzliche (S. 513) – keine Minderen als die Herren Eros und<br />

Thana tos hintergreifen das zeichnerische Geschehen. Welch Leistung!<br />

Über allem, auf dem Umschlag, das statthafte Selbst: souverän, unbestochen,<br />

moralinfrei, beseelt, erfreulicherweise noch hinreichend juvenil.<br />

Peter Gosse, Leipzig, 2024<br />

5


2015<br />

G., Mo., 9. 2. 2015<br />

63 × 44<br />

Bleistift auf Papier<br />

6


Warnung! Es sind sehr unterschiedliche Arbeiten in diesem Buch, die Welt ist<br />

vielschichtig. Was mich „erwischt“, das will ich festhalten, notieren, zeichnen,<br />

malen. So arbeite ich, ich kann nicht anders.<br />

Zeichnen. Mit geringsten Mitteln – Bleistift und Papier – lässt sich Wesent liches<br />

aussagen. Hockney nannte es Auge = Herz = Hand …<br />

Zeichnen kann Basis für jede Kunstausübung sein, dient der Selbstverständigung,<br />

schafft Klärung, fördert und fordert Intuition. Meine <strong>Zeichnungen</strong> sind<br />

auch Fundus für meine Malerei.<br />

Eisenstein zeichnete sich Filmszenen vor dem Dreh auf. Werner Tübke äußerte,<br />

vor schwacher Malerei stehend: Kann nicht zeichnen!<br />

Dies ist eine Auswahl meiner <strong>Zeichnungen</strong>, zahlenmäßig etwa ein Fünftel, die<br />

hundertdreißig Skizzenbücher sind angedeutet, es ist kein Werkverzeichnis.<br />

<strong>Sighard</strong> <strong>Gille</strong>, Leipzig, 2024<br />

7


8


9<br />

1962<br />

Am Schlossberg<br />

30 × 42<br />

Tusche, Rohrfeder auf Papier


1966<br />

Altenburg, Schloss<br />

50 × 32<br />

Buntstift, Kohle, Bleistift,<br />

Tusche auf Papier<br />

10


1963<br />

Mecklenburg, Gädebehn<br />

30 × 42<br />

Tusche, Rohrfeder auf Papier<br />

11<br />

1964<br />

Öffnung<br />

30 × 42<br />

Feder, Sepiatusche auf Papier


1967<br />

Bei Altenburg<br />

41 × 57<br />

Bleistift auf Papier<br />

1967<br />

Dorfstraße<br />

31 × 43,5<br />

Feder, Tusche, Tinte auf Papier<br />

1967<br />

Vitte, Hafen<br />

30 × 42<br />

Bleistift auf Papier<br />

1968<br />

Harzvorland<br />

30 × 42<br />

Feder, Tusche auf Papier<br />

1967<br />

In Tallin<br />

30 × 42<br />

Bleistift auf Papier<br />

12


13<br />

1967<br />

Bianca<br />

57 × 41<br />

Bleistift auf Papier


1968<br />

Thale, Harz<br />

41 × 47<br />

Bleistift, Tusche, Deckweiß<br />

auf braunem Büttenpapier<br />

14


15<br />

1967<br />

Waldstück, Harz<br />

37 × 50<br />

Bleistift auf Papier


1968<br />

Saskia mit Markus<br />

60 × 42<br />

Bleistift auf Bütten<br />

16


1968<br />

Moskau, Eiskaffee<br />

21 × 30<br />

Feder auf Papier<br />

17<br />

1968<br />

Moskauer<br />

20,5 × 30<br />

Bleistift auf Papier


18


1968<br />

Versuch Lenin<br />

39 × 25<br />

Kreide auf Papier<br />

1968<br />

Moskau, Zentrum<br />

20,5 × 29<br />

Bleistift auf Papier<br />

1968<br />

Moskau, Moskwa<br />

20 × 29<br />

Bleistift auf Papier<br />

19<br />

1967<br />

Rudolph Fickweiler<br />

75 × 47<br />

Bleistift auf Karton<br />

Malerei WVZ Nr. 30<br />

„Rudolph Fickweiler” 1967


1968<br />

Larissa<br />

83 × 41<br />

Bleistift auf Papier<br />

20


21<br />

1968<br />

Galina<br />

59 × 42<br />

Bleistift, Farbstift<br />

auf Papier<br />

Malerei WVZ Nr. 60


22


1968<br />

Frau Sylvester<br />

44 × 38<br />

Bleistift auf Papier<br />

1969<br />

Harzland<br />

37 × 59<br />

Kreide auf Papier<br />

23<br />

1969<br />

Thale<br />

42 × 59<br />

Kreide, Tusche<br />

auf Papier<br />

Malerei WVZ Nr. 56<br />

„Thale” 1969


2000<br />

Wahlparty<br />

53 × 37<br />

Grafit, Acryl<br />

auf Karton<br />

328


329<br />

2000<br />

Talkshow<br />

(Busch liegt hauchdünn vorn)<br />

37 × 53<br />

Tusche, Acryl auf Karton


SIGHARD GILLE / ZEICHNUNGEN<br />

1962, Am Schlossberg 9<br />

1963, Mecklenburg, Gödelehn 11<br />

1964, Öffnung 11<br />

1966, Altenburg, Schloss 10<br />

1967, Bei Altenburg 12<br />

1967, Bianca 13<br />

1967, Dorfstraße 12<br />

1967, In Tallin 12<br />

1967, Rudolph Fickweiler 19<br />

1967, Studien 24<br />

1967, Vitte, Hafen 12<br />

1967, Waldstück, Harz 15<br />

1968, Frau Sylvester 23<br />

1968, Galina 21<br />

1968, Harzvorland 12<br />

1968, Larissa 20<br />

1968, Moskau, Eiskaffee 17<br />

1968, Moskauer 17<br />

1968, Moskau, Moskwa 19<br />

1968, Moskau, Zentrum 19<br />

1968, Saskia mit Markus 16<br />

1968, Thale, Harz 14<br />

1968, Versuch Lenin 19<br />

1969, Harzland 23<br />

1969, Thale 23<br />

1970, Adolf Schran und Bruno 33<br />

1970, Brigade Heinrich Rau 26<br />

1970, Brigadier Heuschkel 36<br />

1970, Engelmann 35<br />

1970, Engelmann, sitzend 32<br />

1970, Grimmer 31<br />

1970, Herbert Bruckner 37<br />

1970, Herbert Knötsch 29<br />

1970, Lindner 34<br />

1970, Maler mit Akt 24<br />

1970, Storm 30<br />

1970, Überdenken 25<br />

1972, Autopuppe 38<br />

1972, Muscheln, Pflaumen 39<br />

1972, Recht froh 45<br />

1972, Rhodopen 40<br />

1972, Selbst mit Friseuse 46<br />

1972, Selbst mit Matte 88<br />

1972, Weltall Erde Mensch 41<br />

1972, Witoscha Gebirge 40<br />

1973, Baltschik, Durchstich 43<br />

1973, Baltschik, Garten der rumänischen Königin 43<br />

1973, Erschrecken 47<br />

1973, Goliath 48<br />

1973, Jugend, Zu „Wessen Morgen ...“ 56<br />

1973, Pan, Archäologisches Museum Sofia 44<br />

1973, Pergamonaltar 44<br />

1973, Selbst, Gehörschutz 49<br />

1973, Versuch eines Selbstbildnisses mit Fleischwolf 50<br />

1974, Abend mit Samowar 66<br />

1974, An der Wolga 61<br />

1974, Baku, Mole 67<br />

1974, Baku, Rathaus 68<br />

1974, Borissoglebsk I 74<br />

1974, Borissoglebsk II 75<br />

1974, Brigadefeier 79<br />

1974, Brigadefeier, Angebot 83<br />

1974, Brigadefeier, Lampion 85<br />

1974, Brigadefeier, Würstchen 80<br />

1974, Erdölinsel, Baku 69<br />

1974, Fischsuppe an der Wolga 65<br />

1974, Fluss im Kaukasus 59<br />

1974, Frau B. und die „Post“ 78<br />

1974, Gerüstbauer I 84<br />

1974, Gerüstbauer II 84<br />

1974, Gerüstbauer III 84<br />

1974, Isa Klingner 78<br />

1974, Jaroslawl, Imbiss 70<br />

1974, Kobistanwüste 58<br />

1974, Mann mit Fisch 64<br />

1974, Mein Vater, 10. 11. 74 52<br />

1974, Mutter, von Maja (2 Jahre) verkrakelt 78<br />

1974, Rostow / Don 76<br />

1974, Schnitzer in Pereslawl 77<br />

1974, Sowjetunion, Busfahrt 73<br />

1974, Sowjetunion, im Bus 72<br />

1974, S. S. 51<br />

1974, Tanja 71<br />

1974, Trio 57<br />

1974, Vati, 10. 11. 74 52<br />

1974, Wolga 62<br />

1974, Wolgafische 60<br />

1975, Berliner Szene 94<br />

1975, Frau S. S. 87,<br />

1975, Junger Mann 93<br />

1975, Männlicher Akt, 12. 12. 75 91<br />

1975, Mit Narrenkappe 53<br />

1975, Nicht so! 62<br />

1975, Selbst mit Lärmschutz 55<br />

1975, Selbst mit Röntgengerippe 89<br />

1975, Steffi, aufgestützt 93<br />

1975, Steffi, frontal 93<br />

1975, Steffi im Sessel 93<br />

1975, Steffi, Rücken 93<br />

1975, Tänzerinnen mit Fischkörper 90<br />

1976, Angler 96<br />

1976, Boddenland 95<br />

1976, Fischfang 98<br />

1976, Fischzug 98<br />

1976, Im Sitzen 107<br />

1976, Laufrad 107<br />

1976, Schneidersitz 107<br />

1976, Wasser 97<br />

1976, Zu „Berliner Atelierfenster“ (Grenzstreifen) 95<br />

1977, <strong>Gille</strong>, 12. 3. 77 86<br />

1977, Stillleben mit Hasenschädel 102<br />

1977, Wölpern, mit Tante Änne, Mutti 100<br />

1978, Am Strand 99<br />

1978, Atelierfenster 104<br />

1978, E. Wild 118<br />

1978, Frankfurt 108<br />

1978, Frauen am Steinstrand 99<br />

1978, Ina, lesend 111<br />

1978, Ina mit Katze 110, 112, 113<br />

1978, Leipzig, Dösen 105<br />

1978, Ostsee 109<br />

1978, Uli H. 149<br />

1978, Wer ohne Sünde ist ... 107<br />

1979, Cousine Erdmuthe 111<br />

1979, Fähre 120<br />

1979, Frau H. 118<br />

1979, Gewandhaus, Erster Entwurf 126<br />

1979, Gewandhaus, Ideenskizze 127<br />

1979, Gewandhaus, Orchester, Musiker 126<br />

1979, Gewandhaus, Studien zu „Lied vom Glück“ 125<br />

1979, Gewandhaus, zu „Lied vom Glück“ 123<br />

1979, Ina 103<br />

1979, Mädchenporträt 111<br />

1979, Mutter 100<br />

1979, PGH Reifendienst, Hauptmannstraße 131<br />

1979, Zaunsetzen 112<br />

1979, Plaste & Elaste 62<br />

1979, Ulla W. 119<br />

1980, Gewandhaus, Ausschnitte zur Projektion 127<br />

1980, Gewandhaus, Lied vom Glück I 128<br />

1980, Gewandhaus, Lied vom Glück II 128<br />

1980, Gewandhaus, Orchester 129<br />

1980, <strong>Gille</strong> 7. 7. 80 133<br />

1980, Hauptmannstraße 1 131<br />

1980, Im Havelland 133<br />

1980, Mutter 133<br />

1980, Mutti 133<br />

1980, Tiezi, Konrad 133<br />

1980, Ute, aufgestützt 134<br />

1980, Ute, Hocker 135<br />

1980, Ute mit Umhang und Maske 134<br />

1980, Wir 130<br />

1980, Wolfgang P. 141<br />

1981, Gewandhaus, Lied der Stadt IV 128<br />

1981, Gewandhaus, Lied vom Glück, Bacchus 129<br />

1981, <strong>Gille</strong>s 1981, Amanda-Miez, Edmund (Kater),<br />

Ina, <strong>Sighard</strong>, Conrad („Bärchen“) 114<br />

1981, Micha Grünwald 139<br />

1982, Dachkammer mit Figuren I (22. 1. 82) 144<br />

1982, Dachkammer mit Figuren II 144<br />

1982, Dachkammer mit Figuren III,<br />

Wächter in der Dachkammer (27. 1. 82) 145<br />

1982, Die Schwiegereltern 139<br />

1982, Ed in der Küche 154<br />

1982, Esche 138<br />

1982, Gala & Dali 115<br />

1982, Herlef 139<br />

1982, Hrdlicka, Cremer III 141<br />

1982, Ina vor Beckmann 150<br />

1982, Jaacob und Bilha (1. Mose 30) 143<br />

1982, Joseph und Potiphars Weib 142<br />

1982, Nach Bosch 136<br />

1982, Neujahr mit Conrad im Zoo 116<br />

1982, Zu „Eisbombe“ 149<br />

1982, Zu R. W. Fassbinder 113<br />

1983, Am Havelufer 152<br />

1983, Der kranke kleine Konrad 146<br />

782


Im Atelier Wachsmuthstraße, 1997<br />

Im Havelland<br />

Stimmen über <strong>Gille</strong><br />

Ich liebe <strong>Sighard</strong> <strong>Gille</strong>s <strong>Zeichnungen</strong>. Mal nur Andeutung , lockere Impression, mal mit Details verdichtetes<br />

Bild. Mal Klärung einer Form, die später auf der Leinwand fortgesetzt wird. Oder die Zeichnung als Bild, die<br />

Linie angekommen in der Form, endgültig , vorerst. Nie nur Wiedergabe des Gesehenen. Immer Spiel, auch<br />

außerhalb der vielen Akte Erotik, immer Traum und Alptraum. Die Welt nicht wie sie ist, sondern die Welt<br />

als Vorstellung des Künstlers. <strong>Gille</strong> ist ein Tänzer mit der Linie: Kohle, Grafit, Pinsel. Die schiere Menge an<br />

<strong>Zeichnungen</strong> entspringt einem Temperament, das nicht abgeschaltet werden kann. Hand halt still!, geht<br />

nicht. Virtuosität ist das andere Wort für Meisterlichkeit. Ich nehme Zeichnung für Zeichnung in die Hand<br />

und staune über den Virtuosen.<br />

Michael Hametner, Journalist und Autor der Reihe „Gespräche mit bildenden Künstlern“<br />

(Mitteldeutscher Verlag), daraus 2015 „Einkreisen – ein Porträt des Malers <strong>Sighard</strong> <strong>Gille</strong>“<br />

<strong>Sighard</strong> <strong>Gille</strong> – mein Professor. Bei ihm habe ich nicht nur drei Jahre lang studiert – ich war auch seine Meisterschülerin.<br />

Das allein verweist auf seine Meisterschaft; doch seine <strong>Zeichnungen</strong> und Grafiken beweisen sie.<br />

Auch wenn das kleine Format nicht die Wucht und Farbmassen der Leinwände zulässt, die kraftvoll gesetzten<br />

Striche und die vehement in die Radierplatten gegrabenen Spuren zeigen seine Leidenschaft für das Bild. Doch<br />

die Papierblätter lassen uns auch seine Feinfühligkeit und sein Gespür für die ambige Welt der Zwischentöne<br />

merken. Und seine Striche, die sitzen! Prägnant, treffsicher, schmiegsam, schelmisch – meisterhaft eben.<br />

Cornelia Renz, Malerin, Grafikerin, Zeichnerin, Meisterschülerin bei <strong>Gille</strong><br />

Der Eilenburger <strong>Sighard</strong> <strong>Gille</strong>, heute im achten Lebensjahrzehnt stehend, Leipziger Maler – Urge stein, ist<br />

ebenso und notwendig ein Zeichner von hohen Graden, und das von Anfang an.<br />

Sein zeichnerischer Furor, seine Sinnenlust am Sichtbaren, entzünden sich an der Erscheinung: Nichts dieser<br />

Außen- und Innenwelt ist ihm zu gering, zu hoch, zu nichtig, zu bizarr oder zu seltsam. Seine formende gestaltgebende<br />

Linie, auch die kluge Polyphonie der eingesetzten Mittel, ihr treffsicherer Rhythmus, die flackernde<br />

Schrift der Hand, schreiben das Fatum von Ding und Mensch und der Gravitation zwischen ihnen nieder.<br />

Der alte Corinth, der junge Ernst Ludwig Kirchner scheinen nah. Ganz sein ist die Ironie, die konzillante Lustbarkeit<br />

des gierigen Sehens, sein Sarkasmus, der sich schlussendlich doch hochgemut den Chiffren der Schönheit<br />

anvertraut. <strong>Gille</strong> lebt mit allen Sinnen. Der Zeichner <strong>Gille</strong> ist ihr Appreteur.<br />

Hubertus Giebe, Maler und Grafiker<br />

... Zum Beispiel Zeichnen? Ja, Zeichnen!<br />

Zwischen den Höhlen von Lascaux und einem Atelier in LasLeipzig liegen 1000de Jahre ...<br />

Die <strong>Zeichnungen</strong> aber der Künstler dort und <strong>Sighard</strong> <strong>Gille</strong> hier atmen Verwandtes,<br />

sie zeigen ihre Welten.<br />

Über Zeit und Raum steht das Abbild, ob Mensch, ob Tier ... ob, ob, ob<br />

Wir sind gemeint.<br />

<strong>Gille</strong> der Zeitzeuge, sein Strich, ein Spiegel des Inneren und Äußeren.<br />

Möge er lange auch uns ... und die Nächsten und Übernächsten begleiten ...<br />

Danke <strong>Sighard</strong>!<br />

Ulrich Forchner, Grafiker<br />

Die Zeichnung ist die Überwindung der Schwerkraft des abzubildenden Objekts. Oder anders: Wie bekomme<br />

ich das Metaphysische in die Kunst.<br />

Über die lang jährige Freundschaft hinaus, verbunden mit zahlreichen Besuchen in <strong>Sighard</strong> <strong>Gille</strong>s Atelier, die<br />

stets auch mit der Betrachtung von fertigen, wie auch erst entstehenden Bildern verbunden waren, hatte<br />

ich den Vorzug als Verleger, die zeichnerische Annäherung an das Thema, am Ende die Metamorphose der<br />

Eingangszeichnungen hin zum endgültigen Ergebnis beobachten und kommentieren zu dürfen. Und das<br />

waren so weit auseinanderliegende Stoffe wie Daniel Kehlmanns fulminanter Erstlingsroman „Beerholms<br />

Vorstellung“, über den „Don Quixote“ von Cervantes, der als große zweibändige Prachtausgabe erschien,<br />

bis zu Eichendorffs Romantikernovelle „Aus dem Leben eines Taugenichts“. Immer wurde ich überrascht mit<br />

zum Teil drei- bis vierfachen Versuchen, sich der jeweiligen Szene anzuverwandeln. In diesen Stunden formte<br />

sich der Satz: Das Richtige ist das Falsche.<br />

Damit man mich recht versteht: Das sog. „Falsche“ war die Einsicht der Unmöglichkeit einer puren<br />

Abbildung. Denn zahlreiche Varianten waren denkbar, aber am Ende ist eben die „e i n e auszuwählende<br />

Zeichnung“ das künstlerisch Lebendigste, was zum Zeitpunkt der zeichnerischen Niederschrift Gültigkeit<br />

erlangt. Auch daher ist das zeichnerische Werk von <strong>Sighard</strong> <strong>Gille</strong> so umfang- wie facettenreich. Ich bewundere<br />

das.<br />

Michael Faber, Verleger<br />

Ich kenne <strong>Sighard</strong> <strong>Gille</strong> seit über 35 Jahren. Anfangs als Schüler, später als Kollege in freundschaftlicher Verbundenheit.<br />

<strong>Gille</strong> ist ein unermüdlicher Arbeiter, ja fast getriebener im positiven Sinne.<br />

Seine Vorliebe für die Figur, den weiblichen Körper, den Leib, ist unverkennbar. Vor allem in zahllosen <strong>Zeichnungen</strong><br />

zelebriert er das Thema, oft mit einer außerordentlichen Direktheit und Wucht, aber auch mit Subtilität<br />

und hintersinnigen Humor, mitunter Heiterkeit.<br />

Nicht nur seine Akte und oft großformatigen Figurenkompositionen, im besten beckmannschen Sinne, machen<br />

<strong>Gille</strong> zweifellos zu einem wichtigen gesamtdeutschen Maler seiner Generation. Sein Werk ist bis heute von unglaublicher<br />

Vitalität und Aktualität. Ich hoffe, dass <strong>Sighard</strong> <strong>Gille</strong> bald Würdigung erhält, in einem der renommierten<br />

nationalen oder internationalen Häusern. Es wäre längst überfällig.<br />

Henrik Pillwitz, Maler, Grafiker, Zeichner, Student Fachklasse <strong>Gille</strong><br />

<strong>Sighard</strong> <strong>Gille</strong> war für 5 Jahre mein Professor und ist seither ein guter Freund und geschätzter Kollege. Das<br />

Verbindende ist das Zeichnen und die Liebe zur Malerei. Ohne das wären wir uns vermutlich fremd. Wir<br />

schwärmen für die gleichen Maler und teilen Vorbilder, wir wissen beide, dass das Bewegen von Farbe ein<br />

lebenslanges Abenteuer ist und uns bis in die letzte Faser hinein elektrisieren kann und genauso verzweifeln<br />

lässt. Ich bin sehr dankbar, dass wir diese Leidenschaft teilen und wir uns dadurch nah sind – was für ein<br />

Geschenk!<br />

Matthias Weischer, Maler, Grafiker, Zeichner, Meisterschüler bei <strong>Gille</strong><br />

Kraft und Linien, Energie und Flächen – das Leben selbst fließt bei <strong>Sighard</strong> <strong>Gille</strong> durch jeden Strich. Seine<br />

Zeichenkunst ist äußerst intensiv, wie seine Wahrnehmung der Welt. Sein sprühender Blick bereichert, zeigt<br />

uns die bunte Palette aller Schatten und verhilft, sich einer tieferen Sensibilität zu öffnen.<br />

Annika Michalski, Kunsthistorikerin<br />

790


<strong>Gille</strong> beim Aktzeichnen Prof. <strong>Gille</strong> mit Studenten der Fachklasse, ca. 2000<br />

Im Atelier (v. l. <strong>Sighard</strong> <strong>Gille</strong>, Gerhard Polt und Sohn Martin), 2013<br />

791<br />

Es gibt Maler, die ihr malerisches von ihrem zeichnerischen Werk bewusst trennen.<br />

Bei Prof. <strong>Sighard</strong> <strong>Gille</strong> sollte man dies auf keinen Fall tun. Seine <strong>Zeichnungen</strong> sind so spontan,<br />

erzählerisch und voller Kraft, dass sie seiner Malerei in nichts nachstehen, sein Werk stattdessen komplettieren.<br />

Bei Prof. <strong>Sighard</strong> <strong>Gille</strong>s <strong>Zeichnungen</strong> kann man im wahrsten Sinne des Wortes von einer unverwechselbaren,<br />

einzigartigen „Hand-Schrift“ sprechen.<br />

Tobias Lehner, Maler, Grafiker, Zeichner, Meisterschüler bei <strong>Gille</strong><br />

Im digitalen Zeitalter scheinen wir Grafikdrucker einer aus der Zeit gefallenen Arbeit nachzugehen.<br />

Doch der Schein trügt. Noch kann keine KI die Gedanken eines Künstlers in zeichnerische Linien umsetzen.<br />

Diese ganz eigenen Ideen müssen per Hand aufs Papier oder für unseren Fall direkt aus dem<br />

Kopf des Künstlers auf die Druckplatte übertragen werden. Und wir können von Glück reden, mit solch<br />

einem Künstler, der das meisterhaft beherrscht, zusammenarbeiten zu dürfen.<br />

Was sprudelt da nicht alles aus ihm heraus: Tiefsinniges, Nachdenkliches, Kritisches und oft sehr<br />

Humor volles. Beispielhaft seien hier seine vielen unterschiedlichen, meist witzigen Motive genannt, die<br />

er mittels Kaltnadeltechnik in eine große Metallplatte gräbt. Die fertigen Drucke dienen ihm später,<br />

entsprechend beschnitten, als Neujahrsgruß. Jedes Jahr freuen wir uns auf diesen Druckauftrag.<br />

1986 verlegten wir unsere Werkstatt von Leipzig nach Hohenossig. <strong>Sighard</strong> <strong>Gille</strong> war der erste Künstler,<br />

der uns nach dem Umzug mit Druckaufträgen sein Vertrauen schenkte. Wunderbar, dass er noch immer<br />

zeichnet und radiert und wir, auch schon lange im Rentenalter, ihn mit guten Abzügen erfreuen dürfen.<br />

Jeanette & Reinhard Rössler, Steindrucker in Hohenossig<br />

... was für eine Freude und Ehre, auf diesem Wege dem großen Künstler und Freund Anerkennung und<br />

Dank aussprechen zu können und hoffentlich Viele daran Teil haben zu lassen. Nach Initiierung und<br />

Herausgabe der Broschüre „<strong>Sighard</strong> <strong>Gille</strong> Gesang vom Leben – Die Deckenmalerei im Gewandhaus zu Leipzig“<br />

im Jahre 2000 verbindet meine Frau Petra und mich eine enge Beziehung zu <strong>Sighard</strong> und Ina <strong>Gille</strong>.<br />

Die fehlende oder ungenügende literarische und illustrierende Begleitung hatten uns veranlasst, dieses<br />

außerordentliche Werk zu würdigen und dem interessierten Publikum eine erläuternde Broschüre an die<br />

Hand zu geben. Zahlreiche, gegenseitige Besuche folgten in den Jahren danach.<br />

Die expressive Malweise und die brennenden Farben seiner Ölbilder zu den unterschiedlichen Themen<br />

aus Geschichte, Literatur oder Problemen der Gegenwart oder Zukunft nehmen einen mit und rütteln<br />

auf. <strong>Sighard</strong> <strong>Gille</strong> hat unsere Kunstsammlung bereichert und Gäste unseres Hauses tief beeindruckt.<br />

Wir freuen uns, Freunde und Bekannte von seiner Kunst begeistert zu haben, hat er doch auch bei vielen<br />

von ihnen mit seinen Werken Einzug gefunden.<br />

Sein umfangreiches grafisches Werk, seine vielen Buchillustrationen und seine Objekte tragen ebenfalls<br />

seine ihm eigene Handschrift.<br />

Bei meinen jährlichen Kunstausstellungen im hiesigen historischen Kirchturm sorgte seine Kassette<br />

„Rosa Seide für R. W.“ mit acht Kaltnadelradierungen mit z. T. „respektlosen“ Darstellungen für<br />

Schmunzeln bis offenen Applaus.<br />

<strong>Sighard</strong> <strong>Gille</strong>s Oeuvre an erotischen Bildern ist kaum zu übertreffen und macht ihn als Mann und<br />

Menschen kenner noch sympathischer ...<br />

Wir hoffen, dass er bald wieder in sein großzügiges Atelier zurückkehren kann und sind gespannt auf<br />

weitere Arbeiten von ihm, sicher hat sich ein Stau von Themen angesammelt, der „abgearbeitet“ werden<br />

will. Wir wünschen ihm Muße und Muse dazu.<br />

Petra und Dr. Jörn Clamors, Kunstsammler<br />

Bonjour Monsieur <strong>Gille</strong> (eine Begegnung), „es wächst nichts im Schatten großer Bäume“, dachte sich<br />

Constantin Brancusi 1907 und kündigte nach einem Monat seine Assistenz bei Auguste Rodin.<br />

Sich aus dem „Schatten“ der „Großen“ zu bewegen und unbekannte Wege zu beschreiten, birgt neben<br />

der Abenteuerlust auch die Möglichkeit, am Unbekannten zu scheitern! Nichts für Hasenherzen!<br />

<strong>Sighard</strong> <strong>Gille</strong> hat das Herz eines Abenteurers und die Lust, das Unbekannte mit eigenen Augen zu sehen<br />

und am eigenen Leib zu spüren – frei nach dem Motto „Trau DEINEN Augen“ (Otto Dix). Den wilden,<br />

undurchsichtigen Dschungel betritt er lieber als einen botanischen Garten mit festen Wegen, abgesteckten<br />

Beten und Schildchen.<br />

Einen Guide für eine Reise ins Ungewisse gibt es nicht, außer dass der Blick stets offen und wach sein<br />

sollte, denn alles ist möglich – auch das Scheitern, na und? Was ist daran so schlimm?<br />

<strong>Sighard</strong> <strong>Gille</strong> ist es gelungen, aus dem Schatten seiner „Meisterbäume“ zu treten, sich von Konventionen<br />

zu lösen und dem eigenen inneren Kompass zu folgen.<br />

Jedes erlebte Abenteuer ist der Nährboden für sein kraftvolles und facettenreiches künstlerisches Werk.<br />

Ob Malerei, Grafik, Zeichnung , Fotografie oder Objekte und Installationen, seine Werke sind wahrhaftig<br />

, authentisch, witzig , ernst, erotisch ... sie sind voller Lust auf die Wundertüte „Leben“, kein Thema<br />

bleibt außen vor – ob gut oder schlecht, hell oder dunkel, schön oder hässlich, bestehen oder scheitern,<br />

alles ist Spiel ... alles ist möglich! Es lebe der offene Blick!<br />

Steve Viezens, Maler, Grafiker, Zeichner, Meisterschüler bei <strong>Gille</strong><br />

Das wäre doch ein gutes Modell, ich spreche sie an und einige Tage später klingelt es an der Tür. / Wir<br />

setzen uns an den kleinen Tisch. / Stifte, Kekse in einer Keramikschale, ein Granatapfel in Grün: / Einen<br />

Schluck Whiskey? / Die Wärmelampe surrt. / Das Modell zieht sich um, setzt sich.<br />

Wenn das Gespräch verebbt, das Modell ihren Gedanken nachhängt und sich uns überlässt, dann können<br />

sie entstehen, die <strong>Zeichnungen</strong>, die treffen./ Im Hintergrund Tom Waits. / Es ist der Strich übrig , /<br />

der entblößt, was man sieht, wenn man genau hinsieht, sich selbst und das Gegenüber.<br />

Er kann nicht zeichnen, / wenn es ihn langweilt / auch wenn er alles zeichnen kann. / Es muss anregend<br />

sein, / und man muss nach dem Stift greifen müssen.<br />

Johanna Berchthold, Malerin, Grafikerin, Zeichnerin, Sommerakademie bei <strong>Gille</strong><br />

Zeichnung als Bild, die Linie angekommen in der Form, endgültig , vorerst. Nie nur Wiedergabe des<br />

Gesehenen. Immer Spiel, auch außerhalb der vielen Akte Erotik, immer Traum und Alptraum. Die Welt<br />

nicht wie sie ist, sondern die Welt als Vorstellung des Künstlers. <strong>Gille</strong> ist ein Tänzer mit der Linie: Kohle,<br />

Graphit, Pinsel. Die schiere Menge an <strong>Zeichnungen</strong> entspringt einem Temperament, das nicht abgeschaltet<br />

werden kann. Hand halt still!, geht nicht. Virtuosität ist das andere Wort für Meisterlichkeit.<br />

Ich nehme Zeichnung für Zeichnung in die Hand und staune über den Virtuosen“<br />

Madeleine Heublein, Malerin, Grafikerin, Zeichnerin<br />

Punkt Punkt Komma Strich, fertig ist das Mondgesicht!<br />

Weiter hab ich’s nicht gebracht!<br />

Drum überlasse ich die Zeichenkunst meinem Freund <strong>Sighard</strong>, denn der kann’s!<br />

Gerhard Polt, Kaberettist, Autor, Fenseh- und Filmschauspieler


SIGHARD GILLE ZEICHNUNGEN<br />

TAU S E N D H A N D Z E I C H N U N G E N . AU S G EW Ä H LT VO N S I G H A R D G I L L E .<br />

M I T E I N E M VO RWO RT VO N P ET E R G O S S E U N D T E X T E N VO N S I G H A R D G I L L E .<br />

<strong>Sighard</strong> <strong>Gille</strong> gehört zu den führenden Künstlern, die seit den 1970er Jahren die Leipziger Malerei durch ihre<br />

eigenständige Bildsprache prägen. Er ist ein einfühlsamer, ironischer Kommentator alltäglicher Situationen und<br />

gesellschaftlicher Entwicklungen. Dieser Band gibt erstmals Einblick in einen Teil des mehr als 5 000 <strong>Zeichnungen</strong><br />

umfassenden Werks. In den <strong>Zeichnungen</strong>, etwa in vorbereitenden Studien zu seinem monumentalen<br />

Decken gemälde „Gesang vom Leben“, spiegelt sich <strong>Gille</strong>s küntlerische Entwicklung von 1963 bis heute.<br />

<strong>Sighard</strong> <strong>Gille</strong> (*1941) ist einer der bekanntesten Vertreter der Leipziger Schule. Er studierte bei Wolfgang<br />

Mattheuer und Bernhard Heisig, dessen Meisterschüler er an der Akademie der Künste in Berlin wurde. Im Foyer<br />

des Neuen Gewandhauses in Leipzig schuf er 1980/81 das größte zeitgenössische Deckengemälde Europas. Ab<br />

1992 war er Professor an der Hochschule für Grafik und Buchkunst in Leipzig und wurde zu einem prägenden<br />

Lehrer der Neuen Leipziger Schule.<br />

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