RA 11/2024 - Entscheidung des Monats
Diese Entscheidung knüpft an die neue Rechtsprechung des VII. Zivilsenats des BGH zum „fiktiven Abrechnen“ beim so genannten „kleinen Schadensersatz statt der Leistung“ an. Sie finden diese Entscheidung (BGH, Urteil vom 22.02.2018, VII ZR 46/17) in der RA 06/2018, 293, eine Fundstellenübersicht über die anschließende Kontroverse mit dem V. Zivilsenat des BGH in RA 05/2021, 229. Im Urteil vom 22.02.2018 hatte der VII. Zivilsenat über das konkrete Problem hinaus auch sehr grundsätzliche Aussagen zum Verhältnis der zur Verfügung stehenden Mängelgewährleistungsrechte im Werkvertragsrecht getroffen. Naturgemäß wirft eine Neuorientierung Folgefragen auf. Vorliegend geht es um die spannende Frage, ob ein Besteller nach bereits erklärter Minderung wegen aufgetretener Werkmängel seinen Kostenvorschussanspruch geltend machen kann, um sodann eine Selbstvornahme durchzuführen.
Diese Entscheidung knüpft an die neue Rechtsprechung des VII. Zivilsenats des BGH zum „fiktiven Abrechnen“ beim so genannten „kleinen Schadensersatz statt der Leistung“ an. Sie finden diese Entscheidung (BGH, Urteil vom 22.02.2018, VII ZR 46/17) in der RA 06/2018, 293, eine Fundstellenübersicht über die anschließende Kontroverse mit dem V. Zivilsenat des BGH in RA 05/2021, 229. Im Urteil vom 22.02.2018 hatte der VII. Zivilsenat über das konkrete Problem hinaus auch sehr grundsätzliche Aussagen zum Verhältnis der zur Verfügung stehenden Mängelgewährleistungsrechte im Werkvertragsrecht getroffen. Naturgemäß wirft eine Neuorientierung Folgefragen auf. Vorliegend geht es um die spannende Frage, ob ein Besteller nach bereits erklärter Minderung wegen aufgetretener Werkmängel seinen Kostenvorschussanspruch geltend machen kann, um sodann eine Selbstvornahme durchzuführen.
Verwandeln Sie Ihre PDFs in ePaper und steigern Sie Ihre Umsätze!
Nutzen Sie SEO-optimierte ePaper, starke Backlinks und multimediale Inhalte, um Ihre Produkte professionell zu präsentieren und Ihre Reichweite signifikant zu maximieren.
<strong>11</strong>/<strong>2024</strong><br />
ENTSCHEIDUNGDESMONATS<br />
ZIVILRECHT<br />
KostenvorschussanspruchnachMinderungserklärung
In Berlin, Düsseldorf,<br />
Frankfurt und München!<br />
Where talent meets opportunity<br />
P<strong>RA</strong>KTIKUM<br />
Bereit für einen<br />
großartigen Start.<br />
Als Jurastudierende oder als Studierende der BWL mit Schwerpunkt<br />
Steuern erhalten Sie während unseres Praktikantenprogramms<br />
Experience@Linklaters einen Vorgeschmack auf das, was Sie im Kanzleialltag<br />
bei uns erwartet. An der Seite erfahrener Kolleginnen und Kollegen<br />
sowie durch persönliches Mentoring sind Sie bei uns ein vollwertiges<br />
Teammitglied und sammeln Erfahrungen während der täglichen<br />
Mandatsarbeit, in den Morning Lectures sowie bei Soft-Skill-Trainings.<br />
Linklaters LLP /<br />
Recruitment Germany<br />
+49 69 71003 495<br />
recruitment.germany@linklaters.com<br />
Weitere Informationen sowie<br />
die aktuellen Praktikumszeiträume<br />
finden Sie hier:<br />
Bewerben Sie sich jetzt und beginnen Sie Ihren Karriereweg bei uns!<br />
Follow us on Instagram @Linklaters_germany
<strong>RA</strong> <strong>11</strong>/<strong>2024</strong><br />
Zivilrecht<br />
561<br />
ZIVILRECHT<br />
Problem: Kostenvorschussanspruch nach<br />
Minderungserklärung<br />
Einordnung: Werkvertragsrecht<br />
BGH, Urteil vom 22.08.<strong>2024</strong><br />
VII ZR 68/22<br />
EINLEITUNG<br />
Diese <strong>Entscheidung</strong> knüpft an die neue Rechtsprechung <strong>des</strong> VII. Zivilsenats<br />
<strong>des</strong> BGH zum „fiktiven Abrechnen“ beim so genannten „kleinen Schadensersatz<br />
statt der Leistung“ an. Sie finden diese <strong>Entscheidung</strong> (BGH, Urteil vom<br />
22.02.2018, VII ZR 46/17) in der <strong>RA</strong> 06/2018, 293, eine Fundstellenübersicht<br />
über die anschließende Kontroverse mit dem V. Zivilsenat <strong>des</strong> BGH in<br />
<strong>RA</strong> 05/2021, 229. Im Urteil vom 22.02.2018 hatte der VII. Zivilsenat über das<br />
konkrete Problem hinaus auch sehr grundsätzliche Aussagen zum Verhältnis<br />
der zur Verfügung stehenden Mängelgewährleistungsrechte im Werkvertragsrecht<br />
getroffen. Naturgemäß wirft eine Neuorientierung Folgefragen<br />
auf. Vorliegend geht es um die spannende Frage, ob ein Besteller nach bereits<br />
erklärter Minderung wegen aufgetretener Werkmängel seinen Kostenvorschussanspruch<br />
geltend machen kann, um sodann eine Selbstvornahme<br />
durchzuführen.<br />
SACHVERHALT<br />
Die K-GmbH (K) und die B hatten im Jahr 2012 einen Bauvertrag über die<br />
Errichtung eines Einfamilienhauses geschlossen. Nach Beendigung der<br />
Arbeiten erstellte K den B unter dem 21.02.2014 eine Schlussrechnung, aus<br />
der sich zu ihren Gunsten eine Restforderung von 102.100,37 € ergab. Diese<br />
klagte K gegen die B erfolgreich ein. Die B erklärten im Verfahren die Minderung<br />
und verlangten die Rückzahlung überzahlter Vergütung. Hierzu<br />
machten sie merkantile Minderwerte geltend, die auf einer Reihe behaupteter<br />
Mängel beruhten. Dazu gehörten tatsächlich bestehende Schallschutzmängel<br />
betreffend „Lüfter“, „Abwasseranlage“ und „Trittschall“. Nach der Weigerung<br />
der K verlangen die B 16.730,36 € als Kostenvorschuss zur Durchführung<br />
einer Selbstvornahme. K ist der Meinung, die B dürften keinen Kostenvorschuss<br />
verlangen, weil sie für die Schallschutzmängel zuvor die<br />
Minderung nach § 634 Nr. 3 BGB erklärt hätten. Zu Recht?<br />
LEITSATZ<br />
Die Minderung <strong>des</strong> Vergütungsanspruchs<br />
nach § 634 Nr. 3, Fall 2, § 638<br />
BGB schließt einen Kostenvorschussanspruch<br />
nach § 634 Nr. 2, § 637 III<br />
BGB wegen <strong>des</strong> Mangels, auf den die<br />
Minderung gestützt wird, nicht aus.<br />
Zur Geltendmachung von Ansprüchen<br />
in der werkvertraglichen Leistungskette<br />
traf der BGH zuletzt eine<br />
<strong>Entscheidung</strong> in <strong>RA</strong> 06/<strong>2024</strong>, 290<br />
(VII ZR 92/20).<br />
Die Regelungen <strong>des</strong> Bauvertragsrechts,<br />
wie sie sich aktuell aus den<br />
§§ 650a ff. BGB ergeben, gelten erst<br />
seit dem 01.01.2018.<br />
Das ist die im Urteil aufgeworfene<br />
eigentliche Rechtsfrage, die der VII.<br />
Zivilsenat <strong>des</strong> BGH beantwortet hat.<br />
LÖSUNG<br />
A. Anspruch der B gegen K auf Zahlung von Kostenvorschuss aus §§ 634<br />
Nr. 2, 637 I, III BGB<br />
Die B könnten gegen K einen Anspruch auf Zahlung von Kostenvorschuss in<br />
Höhe von 16.370,36 € gem. §§ 634 Nr. 2, 637 I, III BGB haben.<br />
I. Werkvertrag<br />
Die Parteien schlossen am 10.12.2012 einen Werkvertrag.<br />
II. Werkmangel<br />
Es müssten Werkmängel i.S.d. § 633 BGB vorhanden sein.<br />
Im Rechtsstreit hatte K seinen Werklohn<br />
eingeklagt. Im Prozess erhoben<br />
die B die Widerklage gegen K. Nur<br />
sie war noch Gegenstand der Revisionsentscheidung.<br />
Deshalb sind hier<br />
die B die Anspruchssteller.<br />
Nach dem aktuell geltenden Bauvertragsrecht<br />
würde man die einschlägigen<br />
Rechtsnormen so zitieren:<br />
§§ 650a, 634 Nr. 2, 637 I, III BGB.<br />
© Jura Intensiv Verlags UG & Co. KG
562 Zivilrecht <strong>RA</strong> <strong>11</strong>/<strong>2024</strong><br />
Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme<br />
<strong>des</strong> Berufungsgerichts lagen<br />
diese Mängel vor.<br />
[16] Der Schallschutz der „Lüfter“, der „Abwasseranlage“ und <strong>des</strong> „Trittschalls“<br />
entspricht nach den Feststellungen <strong>des</strong> Berufungsgerichts nicht<br />
der vereinbarten Beschaffenheit, so dass drei Sachmängel gegeben sind.<br />
Folglich liegt ein Werkmangel gem. § 633 II 1 BGB vor.<br />
III. Kein Ausschluss<br />
Fraglich ist, ob der Anspruch auf den Kostenvorschuss <strong>des</strong>halb ausgeschlossen<br />
ist, weil die B zuvor gem. §§ 634 Nr. 3 Fall 2, § 638 I 1 BGB die Minderung erklärt<br />
hatten.<br />
Auslegung <strong>des</strong> Wortlauts: Der Wortlaut<br />
verbietet nicht, erst die Minderung<br />
zu erklären und anschließend<br />
einen Kostenvorschuss zu verlangen.<br />
Vielmehr bieten die §§ 633 ff. BGB<br />
dem Besteller viel Flexibilität.<br />
Historische Auslegung: Auch der<br />
Gesetzgeber wollte mit der Neuregelung<br />
der Gewährleistung im<br />
Werkvertragsrecht die Rechte <strong>des</strong><br />
Bestellers stärken und gerade nicht<br />
einschränken.<br />
§ 281 IV BGB ist eine Ausnahme,<br />
welche die Regel bestätigt. Wenn der<br />
Besteller gem. § 281 IV BGB Schadensersatz<br />
statt der Leistung verlangt,<br />
erlischt sein nach §§ 634 Nr. 1, 635 I<br />
BGB bestehender Anspruch auf Nacherfüllung.<br />
Der Sinn der Regelung<br />
besteht im Schutz der Unternehmer,<br />
die Planungssicherheit benötigen.<br />
Der Senat nimmt nun Bezug auf seine<br />
im Urteil vom 22.02.2018, VII ZR 46/17,<br />
in der <strong>RA</strong> 06/2018, 293 besprochene,<br />
<strong>Entscheidung</strong>, in der er das Verhältnis<br />
zwischen dem kleinen Schadensersatz<br />
statt der Leistung und dem<br />
Recht zur Selbstvornahme in § 637<br />
BGB rechtsdogmatisch eingeordnet<br />
hat. Besteller, die Schadensersatz<br />
statt der Leistung wählten, sollen<br />
nicht schlechter stehen als Besteller,<br />
die sich für die Selbstvornahme entschieden<br />
haben.<br />
[24] Eine gesetzliche Regelung, wonach die Geltendmachung eines<br />
Kostenvorschussanspruchs ausgeschlossen ist, wenn der Besteller die<br />
Minderung <strong>des</strong> Werklohns erklärt hat, existiert nicht. Weder § 634 BGB<br />
noch §§ 637, 638 BGB regeln, in welchem Verhältnis das Recht <strong>des</strong><br />
Bestellers auf Minderung der Vergütung (§ 634 Nr. 3 Fall 2, § 638 BGB)<br />
und die ihm zustehende Befugnis zur Selbstvornahme sowie sein<br />
Anspruch auf Zahlung eines Kostenvorschusses (§ 634 Nr. 2, § 637 BGB)<br />
stehen. Nach dem Gesetzeswortlaut ist vielmehr davon auszugehen,<br />
dass diese Rechte nebeneinander bestehen können.<br />
[25] Aus der Begründung <strong>des</strong> Gesetzentwurfs zur Modernisierung <strong>des</strong><br />
Schuldrechts (BT-Drucks. 14/6040) ergibt sich nichts Anderes. Es war dem<br />
Gesetzgeber in Abgrenzung zum alten Schuldrecht vielmehr ein Anliegen,<br />
die Wahrnehmung von Mängelrechten sowohl im Kauf- als auch im Werkvertragsrecht<br />
flexibler zu gestalten und Käufer sowie Besteller mehr Möglichkeiten<br />
zur Wahrnehmung ihrer berechtigten Interessen einzuräumen<br />
(vgl. BT-Drucks. 14/6040, S. 226, 263).<br />
[26] Diese gesetzgeberische Absicht spricht grundsätzlich dafür, dass<br />
die Geltendmachung eines Mängelrechts andere Mängelrechte nicht<br />
ausschließt. So hat der Gesetzgeber nur für den Fall <strong>des</strong> Schadensersatzes<br />
statt der Leistung (§ 634 Nr. 4, § 281 Abs. 1 BGB) ausdrücklich geregelt,<br />
dass der Anspruch auf Nacherfüllung (§ 634 Nr. 1 BGB) erlischt, sobald<br />
der Besteller Schadensersatz statt der Leistung verlangt (§ 634 Nr. 4,<br />
§ 281 Abs. 4 BGB). Diese Regelung dient nach der Absicht <strong>des</strong> Gesetzgebers<br />
dem Schutz <strong>des</strong> Unternehmers, der sich darauf einstellen können<br />
soll, nicht mehr einem Anspruch auf Nacherfüllung ausgesetzt zu sein,<br />
nachdem der Besteller Schadensersatz statt der Leistung verlangt hat (vgl.<br />
BT-Drucks. 14/6040, S. 140). Damit wird dem Unternehmer beispielsweise<br />
eine sicherere Einsatzplanung der von ihm vorgehaltenen und auf<br />
seinen Baustellen einzusetzenden Produktionsmittel gewährleistet,<br />
da er nicht parallel auf Schadensersatz und Nacherfüllung in Anspruch<br />
genommen werden kann.<br />
[27] Der Senat hat es aber abgelehnt, diese ausschließlich § 634 Nr. 1 BGB<br />
betreffende Rechtsfolge auf die Befugnis zur Selbstvornahme und<br />
damit den Anspruch auf Kostenvorschuss nach § 634 Nr. 2, § 637 BGB<br />
zu erstrecken. (...). Diese Rechtsprechung beruht auf dem Wortlaut von<br />
§ 281 Abs. 4 BGB, der gesetzgeberischen Absicht und dem Sinn und<br />
Zweck <strong>des</strong> Kostenvorschussanspruchs. Dieser dient dazu, dem Besteller<br />
die Nachteile und Risiken abzunehmen, die mit einer Vorfinanzierung der<br />
Mängelbeseitigung einhergehen. Wählt der Besteller Schadensersatz<br />
statt der Leistung in Form <strong>des</strong> kleinen Schadensersatzes, kann er<br />
den Mangel beseitigen und die damit verbundenen Aufwendungen<br />
als Schaden von dem Unternehmer erstattet verlangen. Durch die<br />
© Jura Intensiv Verlags UG & Co. KG
<strong>RA</strong> <strong>11</strong>/<strong>2024</strong><br />
Zivilrecht<br />
563<br />
Wahl <strong>des</strong> Schadensersatzes statt der Leistung anstelle der Selbstvornahme<br />
soll der Besteller aber nicht schlechter gestellt werden. Ein<br />
umfassender Ausgleich <strong>des</strong> verletzten Leistungsinteresses ist <strong>des</strong>halb nur<br />
gewährleistet, wenn der Besteller - auch nach Wahl <strong>des</strong> Schadensersatzes<br />
statt der Leistung in Form <strong>des</strong> kleinen Schadensersatzes - weiterhin Vorschuss<br />
verlangen kann. (...).<br />
[28] Der Besteller kann daher nach seiner Erklärung, Schadensersatz<br />
statt der Leistung in Form <strong>des</strong> kleinen Schadensersatzes zu verlangen,<br />
den Mangel zunächst nicht beseitigen und den Schaden beispielsweise<br />
in Anlehnung an die in § 634 Nr. 3 Fall 2, § 638 BGB geregelte Minderung<br />
bemessen. (...). Das hindert ihn aber nicht, sich noch für eine<br />
Beseitigung <strong>des</strong> Mangels zu entscheiden und <strong>des</strong>halb einen Kostenvorschussanspruch<br />
hierfür geltend zu machen. (...).<br />
[29] Diese Erwägungen zum Verhältnis <strong>des</strong> Schadensersatzes statt der<br />
Leistung in Form <strong>des</strong> kleinen Schadensersatzes, § 634 Nr. 4, § 281 BGB,<br />
zum Kostenvorschussanspruch, § 634 Nr. 2, § 637 BGB, gelten entsprechend<br />
für das Verhältnis der Minderung, § 634 Nr. 3 Fall 2, § 638 BGB,<br />
zum Kostenvorschussanspruch. Wählt also der Besteller zunächst das<br />
Mängelrecht der Minderung, steht es ihm ebenfalls grundsätzlich frei,<br />
zu einem späteren Zeitpunkt den Mangel zu beseitigen und zur Finanzierung<br />
der Aufwendungen einen Kostenvorschussanspruch geltend<br />
zu machen. Die Rechtsnatur der Minderung steht dem nicht entgegen.<br />
[30] Mit der Erklärung, die Vergütung zu mindern, bringt der Besteller<br />
zum Ausdruck, keine Beseitigung <strong>des</strong> Mangels durch den Unternehmer<br />
zu wollen. Es entspricht <strong>des</strong>halb der Rechtsprechung <strong>des</strong><br />
Bun<strong>des</strong>gerichtshofs, dass mit der Erklärung der Minderung der Nacherfüllungsanspruch<br />
(§ 634 Nr. 1 BGB) ausgeschlossen ist. (...). Zudem<br />
bringt der Besteller zum Ausdruck, das Werk trotz <strong>des</strong> Mangels behalten<br />
zu wollen, so dass nach der Rechtsprechung <strong>des</strong> Bun<strong>des</strong>gerichtshofs ein<br />
Rücktritt vom Vertrag (§ 634 Nr. 3 Fall 1 BGB) wegen <strong>des</strong> Mangels, auf den<br />
die Minderung gestützt wird, grundsätzlich ausgeschlossen ist. (...). Das<br />
Gleiche gilt für den Schadensersatzanspruch statt der Leistung (§ 634<br />
Nr. 4, § 281 BGB) in Form <strong>des</strong> großen Schadensersatzes, mit dem die<br />
Rückgängigmachung <strong>des</strong> Vertrags verlangt wird. (...). Dagegen ist der<br />
Besteller nach erklärter Minderung der Vergütung nicht gehindert, Schadensersatz<br />
statt der Leistung in Form <strong>des</strong> kleinen Schadensersatzes (§ 634<br />
Nr. 4, § 281 BGB) geltend zu machen. (...).<br />
[31] Ausgehend von dieser Rechtsprechung kann der Besteller auch<br />
nach erklärter Minderung den Mangel beseitigen und die dafür getätigten<br />
Aufwendungen als Schadensersatz statt der Leistung (§ 634<br />
Nr. 4, § 281 BGB) von dem Unternehmer erstattet verlangen. Dies ist<br />
dem Besteller weder nach der Gesetzessystematik noch aufgrund der<br />
Gestaltungswirkung der Minderung verwehrt.<br />
[32] Denn sowohl Minderung als auch Schadensersatz statt der Leistung<br />
in Form <strong>des</strong> kleinen Schadensersatzes sind ihrem Inhalt nach<br />
darauf gerichtet, das verletzte Leistungsinteresse <strong>des</strong> Bestellers, der<br />
das mangelhafte Werk behält, auszugleichen. Diese Mängelrechte<br />
schließen sich nicht aus, sondern ergänzen sich. (...). Um einen möglichst<br />
umfassenden Ausgleich <strong>des</strong> Leistungsinteresses zu gewährleisten, ist<br />
es gerechtfertigt, dem Besteller ergänzend einen Schadensersatzanspruch<br />
statt der Leistung (kleinen Schadensersatz) zuzubilligen, wenn<br />
ein über den Minderungsbetrag hinausgehender Schaden entsteht.<br />
Dieser kann auch nach erklärter Minderung in - über den Betrag der durch<br />
Der VII. Zivilsenat nimmt Bezug<br />
auf seine eigene <strong>Entscheidung</strong>:<br />
Besteller, die sich für den kleinen<br />
Schadensersatz statt der Leistung<br />
entscheiden, dürfen sich im Nachhinein<br />
zur Beseitigung <strong>des</strong> Mangels<br />
entscheiden, die Selbstvornahme<br />
wählen und hierfür den Kostenvorschuss<br />
gem. § 637 III BGB verlangen.<br />
Dasselbe soll nun auch für das Verhältnis<br />
zwischen Minderung und<br />
Selbstvornahme, ergo auch für den<br />
Kostenvorschuss gelten.<br />
Wichtiges Argument: Wer die Minderung<br />
erklärt, will keine Nacherfüllung<br />
mehr – so ist es gem. § 281 IV<br />
BGB auch beim Schadensersatz statt<br />
der Leistung. Deshalb schadet es<br />
nicht, nach Erklärung der Minderung<br />
noch Schadensersatz statt der Leistung<br />
oder den Kostenvorschuss für<br />
die Selbstvornahme zu verlangen.<br />
Minderung und kleiner Schadensersatz<br />
statt der Leistung sollen das<br />
verletzte Leistungsinteresse <strong>des</strong><br />
Bestellers ausgleichen, wenn er ein<br />
mangelhaftes Werk behält.<br />
© Jura Intensiv Verlags UG & Co. KG
564 Zivilrecht <strong>RA</strong> <strong>11</strong>/<strong>2024</strong><br />
Weil sich diese Rechte ergänzen,<br />
dürfen Besteller auch nach der<br />
Minderungserklärung den kleinen<br />
Schadensersatz statt der Leistung<br />
verlangen, wenn ein Schaden über<br />
den Minderungsbetrag hinaus entsteht.<br />
Fortbestehen der Herausforderungslage<br />
Teleologische Auslegung: Der Unternehmer,<br />
der ein mangelhaftes<br />
Werk errichtet und dann nicht wie<br />
geschuldet nacherfüllt, muss nicht<br />
vor dem Wechsel auf den Kostenvorschussanspruch<br />
geschützt werden.<br />
Wer mindert, darf nicht zurücktreten<br />
oder „großen Schadensersatz“ verlangen,<br />
jedoch sehr wohl „kleinen<br />
Schadensersatz statt der Leistung“<br />
oder Kostenvorschuss zur Ermöglichung<br />
der Selbstvornahme verlangen.<br />
die Minderung ersparten Vergütung hinausgehenden - aufgewandten<br />
Mängelbeseitigungskosten, die der Besteller bei verständiger Würdigung<br />
für erforderlich halten durfte (...), bestehen. Er durfte sich zu diesen<br />
Aufwendungen aufgrund <strong>des</strong> Verhaltens <strong>des</strong> Unternehmers, der die<br />
ihm vom Gesetz eingeräumte Möglichkeit, sein mangelhaft abgeliefertes<br />
Werk nachzubessern (Nacherfüllung), nicht wahrgenommen hat, nach<br />
wie vor herausgefordert fühlen. (...).<br />
[33] Dem Unternehmer ist kein schützenswertes Interesse zuzubilligen,<br />
nach einer einmal erfolgten Minderung der Vergütung nicht mehr auf<br />
die Kosten einer Mängelbeseitigung in Anspruch genommen werden<br />
zu können. Es besteht nach der Konzeption der Mängelrechte durch<br />
die Schuldrechtsreform kein Grund, über das Erlöschen <strong>des</strong> Nacherfüllungsanspruchs<br />
hinaus die Dispositionsfreiheit <strong>des</strong> Bestellers<br />
zugunsten <strong>des</strong> Unternehmers einzuschränken. Es ist vielmehr der<br />
Unternehmer, der in doppelter Weise vertragswidrig gehandelt hat,<br />
indem er weder ein mangelfreies Werk herstellte noch seiner Pflicht<br />
zur Nacherfüllung nachkam.<br />
[34] Die Gestaltungswirkung der Minderung beschränkt sich - wie dargestellt<br />
- auf die Mängelrechte der Nacherfüllung, <strong>des</strong> Rücktritts und <strong>des</strong><br />
großen Schadensersatzes in Form der Rückgängigmachung <strong>des</strong> Vertrags,<br />
nimmt dem Besteller, der das mangelhafte Werk behält, jedoch nicht das<br />
Recht, sein Leistungsinteresse durch Selbstvornahme mit Kostenerstattung<br />
im Wege <strong>des</strong> Schadensersatzes statt der Leistung (kleiner Schadensersatz),<br />
§ 634 Nr. 4, § 281 BGB, oder gemäß § 634 Nr. 2, § 637 Abs. 1 BGB in vollem<br />
Umfang durchzusetzen.<br />
[35] Steht dem Besteller danach die Befugnis zur Selbstvornahme auch<br />
nach erklärter Minderung weiterhin zu, kann er vom Unternehmer gemäß<br />
§ 634 Nr. 2, § 637 Abs. 3 BGB einen Kostenvorschuss für die für die Selbstvornahme<br />
benötigten Mittel verlangen, die über die durch die Minderung<br />
ersparte Vergütung hinausgehen.<br />
Damit steht fest, dass die Minderungserklärung nicht zum Erlöschen <strong>des</strong><br />
Anspruchs auf Kostenvorschuss geführt hat.<br />
III. Erfolgloser Ablauf einer angemessenen Frist zur Nacherfüllung<br />
Gem. § 637 II 1 BGB findet § 323 II BGB entsprechende Anwendung. Indem K<br />
i.S.d. § 323 II Nr. 1 BGB die Nacherfüllung endgültig verweigert hat, sind die<br />
Setzung einer Frist und ihr Ablauf entbehrlich.<br />
IV. Erklärung<br />
Indem die B den Kostenvorschuss verlangt haben, haben sie ihr Wahlrecht<br />
auch ausgeübt.<br />
B. Ergebnis<br />
Die B haben gegen K einen Anspruch auf Zahlung von 16.370,36 € aus einem<br />
Kostenvorschussanspruch gem. §§ 634 Nr. 2, 637 I, III BGB.<br />
FAZIT<br />
Der Besteller darf sich auch nach erklärter Minderung noch für eine Selbstvornahme<br />
entscheiden und gem. §§ 634 Nr. 2, 637 I, III BGB Kostenvorschuss für<br />
den über die Minderung hinausgehenden Kosten verlangen.<br />
© Jura Intensiv Verlags UG & Co. KG
Search<br />
Jura Intensiv - Social Media<br />
name, geschehen, datum<br />
name, geschehen, datum<br />
Instagram • juraintensiv<br />
Tauche ein in die Welt der Rechtswissenschaft! Erhalte fundierte Informationen zu<br />
aktuellen Gerichtsentscheidungen, Examensreporten, Kursen und spannenden<br />
Auszügen aus unseren Karteikarten. Bleibe am Puls der Rechtsprechung und<br />
bereite Dich optimal auf Deine Prüfungen vor.<br />
YouTube • Jura Intensiv<br />
Deine Fragen, unsere Antworten! In unseren FAQ-Videos beantworten wir Deine<br />
wichtigsten Fragen. Erkunde verschiedene Fachgebiete mit unseren Jura-Videos und<br />
erweitere Dein Verständnis der Rechtswissenschaft. Entdecke unser Kursangebot<br />
und finde das passende für Dich.
© bernardbodo - stock.adobe.com<br />
Geschmack auf mehr?<br />
Die VOLLVERSION<br />
gibt´s hier!<br />
<strong>RA</strong> <strong>11</strong>/<strong>2024</strong><br />
Unsere Zeitschrift<br />
ist als Print- &<br />
Digitalausgabe<br />
erhältlich.<br />
ZUM SHOP<br />
Direkt zum <strong>RA</strong>-Abo<br />
Ab<br />
4,99 €<br />
Weitere Informationen zu unseren <strong>RA</strong>-Optionen gibt es<br />
in unserem Online-Shop?<br />
https://verlag.jura-intensiv.de/ra-ausbildungszeitschrift