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Leseprobe_Constanze Geiger

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Raimund Lissy<br />

„Es liegt<br />

ein eigener<br />

Zauber<br />

in diesem<br />

Wunderkinde!“<br />

<strong>Constanze</strong> <strong>Geiger</strong><br />

Komponistin, Pianistin, Schauspielerin aus Wien


<strong>Constanze</strong> <strong>Geiger</strong><br />

Komponistin, Pianistin, Schauspielerin aus Wien


Raimund Lissy<br />

„Es liegt ein eigener Zauber in diesem Wunderkinde!“<br />

<strong>Constanze</strong> <strong>Geiger</strong> – Komponistin, Pianistin,<br />

Schauspielerin aus Wien


Gedruckt mit freundlicher Unterstützung von:<br />

MA 7 – Kulturabteilung der Stadt Wien, Wissenschafts- und Forschungsförderung<br />

Raimund Lissy: „Es liegt ein eigener Zauber in diesem Wunderkinde!“<br />

<strong>Constanze</strong> <strong>Geiger</strong> – Komponistin, Pianistin, Schauspielerin aus Wien<br />

© Hollitzer Verlag, Wien 2024<br />

Abbildung auf dem Umschlag:<br />

<strong>Constanze</strong> <strong>Geiger</strong>, Lithographie von Gabriel Decker (Ausschnitt), 1849,<br />

gedruckt bei Johann Höfelich<br />

Lektorat und Register: Marion Linhardt<br />

Umschlaggestaltung und Satz: Nikola Stevanović<br />

Hergestellt in der EU<br />

www.hollitzer.at<br />

Alle Rechte vorbehalten<br />

ISBN 978-3-99094-230-7


Inhalt<br />

VII<br />

IX<br />

Grußwort. Von Daniel Froschauer<br />

Vorwort und Dank<br />

XIII Bibliothekssiglen<br />

XV Abgekürzt zitierte Literatur<br />

1 Zur Biographie<br />

1 <strong>Constanze</strong> <strong>Geiger</strong><br />

71 <strong>Constanze</strong> von Ruttenstein<br />

143 Briefe<br />

185 Werkverzeichnis<br />

185 Übersicht<br />

188 Werke mit Opuszahl<br />

232 Werke ohne Opuszahl – <strong>Geiger</strong>-Ruttenstein-Verzeichnis (GR)<br />

259 <strong>Constanze</strong> <strong>Geiger</strong> – Komponistin, Pianistin und Schauspielerin.<br />

Aufführungsdokumentation<br />

377 Das Herz vergessen... Am Clavier. Die Rollen der <strong>Constanze</strong> <strong>Geiger</strong>.<br />

Von Marion Linhardt<br />

395 Bildnachweis<br />

397 Register<br />

404 Über den Autor


<strong>Constanze</strong> <strong>Geiger</strong><br />

GruSSwort<br />

Das vorliegende Buch unseres Orchestermitgliedes und geschätzten Kollegen Raimund<br />

Lissy bietet einen einzigartigen Einblick in eine bedeutende Epoche der<br />

Wiener Kultur- und Mentalitätsgeschichte. Mit einer vielseitigen, mit zahlreichen<br />

Originaldokumenten und Abbildungen ausgestatteten Biographie gelingt es, das<br />

Leben der „Universalkünstlerin“ <strong>Constanze</strong> <strong>Geiger</strong> (später <strong>Constanze</strong> von Ruttenstein)<br />

im Wien des 19. Jahrhunderts auf besonders eindrucksvolle Weise darzustellen.<br />

Erstmals werden auch eine detaillierte Dokumentation ihres künstlerischen<br />

Wirkens, ihr Briefwechsel sowie ein Verzeichnis ihrer Kompositionen veröffentlicht.<br />

Das Buch ist nicht nur ein bedeutender Beitrag zur Musikgeschichte Wiens, sondern<br />

auch ein willkommener Anlass, den Blick auf eine ungewöhnliche Künstlerin<br />

zu richten, die als junge Komponistin das Interesse zahlreicher Musikgrößen ihrer<br />

Zeit, etwa der Mitglieder der Walzer-Dynastie Strauß, weckte, jedoch wie viele<br />

ihrer Zeitgenossinnen – aus heutiger Sicht zu Unrecht – in Vergessenheit geriet.<br />

So begleitet uns die Biographie auf <strong>Constanze</strong> <strong>Geiger</strong>s Weg vom Wunderkind,<br />

das unter den Fittichen des bedeutenden Wiener Musikpädagogen Simon Sechter<br />

stand und schon in sehr jungen Jahren zu komponieren begann, hin zu einer äußerst<br />

vielseitigen Künstlerpersönlichkeit, die auch als Pianistin und Schauspielerin<br />

auf verschiedenen Bühnen Wiens und anderer bedeutender Musikmetropolen Europas<br />

auftrat. Sie hatte als Wunderkind zahlreiche Bewunderer, ebenso aber auch<br />

Kritiker, die man letztlich durch Prozesse zum Schweigen zu bringen versuchte.<br />

Eine gewisse Zäsur ihrer künstlerischen Tätigkeiten brachte die Eheschließung mit<br />

Prinz Leopold von Sachsen-Coburg und Gotha, nach der sie weniger als Künstlerin<br />

denn als Wohltäterin in Erscheinung trat.<br />

Dem Leser und der Leserin werden sodann anhand der Biographie <strong>Constanze</strong> <strong>Geiger</strong>s<br />

zahlreiche weiterführende Informationen zu bedeutenden Ereignissen und<br />

Künstlerpersönlichkeiten der damaligen Zeit geboten, die in engem Zusammenhang<br />

mit ihrem Wirken standen: besonders bewegend etwa die Erzählung vom<br />

Besuch der Familie <strong>Geiger</strong> beim schwer erkrankten Gaetano Donizetti in Paris,<br />

höchst aufschlussreich die Biographie von Josephine Weinlich, die 1869 das erste<br />

Damenorchester gründete, ein Projekt, das <strong>Geiger</strong> schon ein Jahrzehnt zuvor angedacht<br />

hatte, das jedoch erst durch Weinlich verwirklicht wurde.<br />

VII


Grußwort<br />

Im Namen der Wiener Philharmoniker möchte ich Raimund Lissy für diese großartige<br />

Publikation sehr herzlich danken, nicht zuletzt, da diese auch im Zusammenhang<br />

mit der Geschichte unseres Neujahrskonzertes steht. So erklingt am 1. Jänner<br />

2025 zum ersten Mal das Werk einer Komponistin: Es ist der Ferdinandus-Walzer<br />

op. 10, komponiert von der 12-jährigen <strong>Constanze</strong> <strong>Geiger</strong>, der im März 1848 unter<br />

dem Dirigat von Johann Strauß Vater bei einem Ball im Sophienbadsaal seine<br />

Uraufführung erlebte.<br />

Prof. Daniel Froschauer, Vorstand der Wiener Philharmoniker<br />

VIII


<strong>Constanze</strong> <strong>Geiger</strong><br />

Vorwort und Dank<br />

<strong>Constanze</strong> <strong>Geiger</strong> – mehr als 400 Seiten umfasst dieses Buch zu einer Künstlerin<br />

und besonderen Persönlichkeit, die in den meisten Lexika nicht einmal genannt<br />

wird. Wer so manchem Treffer bei einer raschen Suche zu <strong>Constanze</strong> <strong>Geiger</strong> im<br />

Internet glaubt, ohne die Ergebnisse zu hinterfragen, kann leicht irregeführt<br />

werden. Dies betrifft nicht nur ihren Geburtstag oder die Tatsache, dass sie keine<br />

Sopranistin war (zumindest keine Sängerin), sondern auch vieles mehr.<br />

Ein medial sehr beachtetes „1. Wiener Neujahrskonzert der Komponistinnen“ am<br />

1. Jänner 2024 im Ehrbar Saal in Wien, mit Moderation und Dramaturgie von Irene<br />

Suchy, machte mich neugierig, welche Walzerkomponistinnen zur Aufführung<br />

kamen. Da mir die Namen <strong>Constanze</strong> <strong>Geiger</strong> und Josephine Weinlich unbekannt<br />

waren, begann ich zu recherchieren und war bereits nach wenigen Tagen von Details<br />

aus den Lebensläufen der beiden Künstlerinnen begeistert. Besonders haben<br />

mich bei <strong>Constanze</strong> <strong>Geiger</strong> die zahlreichen Berührungspunkte mit der Strauß-Familie<br />

fasziniert und die Tatsache, dass zu einer Zeit, als <strong>Constanze</strong> noch ein Kind<br />

war, ihre Walzer sowohl von Johann Strauß Vater als auch von Johann Strauß Sohn<br />

aufgeführt wurden, und dies mit großem Erfolg auch für die Komponistin.<br />

Ich konnte über das Wunderkind und die in der Folge heranwachsende junge<br />

Künstlerin so viel biographisch Interessantes finden, dass mein Vorhaben, dieses<br />

Buch zu schreiben, rasch gefasst war. Auch wenn der Schwerpunkt meiner Recherche<br />

auf der Wiener Zeit von <strong>Constanze</strong> <strong>Geiger</strong> bis zu ihrem 25. Lebensjahr<br />

(der Geburt ihres Sohnes) liegt, in der sie auch den Großteil ihrer Kompositionen<br />

verfasst hat, konnte ich zusätzlich – nicht zuletzt durch eine Studienreise nach<br />

Coburg – zahlreiche Details aus ihrer Zeit in Gotha zusammenführen und auch zu<br />

ihrer Pariser Zeit einiges Biographisches finden (Dank in diesem Zusammenhang<br />

an meine Schwestern Marianne und Susanne für den Lokalaugenschein auf dem<br />

Friedhof Montmartre).<br />

Mich als Musiker begann nach einiger Zeit der Recherche natürlich zu interessieren,<br />

wie die Kompositionen von <strong>Constanze</strong> <strong>Geiger</strong> klingen. Da nahezu ausschließlich<br />

Klavierwerke und quasi Klavierauszüge vorliegen, erfolgte mein erstes Kennenlernen<br />

von Kompositionen durch das Vom-Blatt-Vortragen einiger Werke durch eine<br />

Pianistin – Dank an Sina Kloke dafür. Die angespielten Werke gefielen uns alle,<br />

einige davon besonders gut. Die nächste Erfahrung mit vier Walzern, zwei Polkas<br />

und zwei Märschen machte ich zu einem Zeitpunkt, an dem bereits die Druckfahne<br />

IX


Grußwort<br />

zu dem Buch vorlag, also kurz vor der Formulierung dieses Vorworts. Um es vorwegzunehmen:<br />

Die Melodienfülle, die Lieblichkeit und die originellen Eigenheiten<br />

der Kompositionen machten das Musizieren der Werke zu einem großen Vergnügen<br />

und brachten zum Bewusstsein, dass ich hier musikalische Schätze entdeckt hatte.<br />

Bis zum Jänner 2025 werden die Aufnahmen auf meinem Youtube-Kanal hochgeladen<br />

sein, und es würde mich freuen, wenn Sie als Leser dieses Buchs beim Anschauen<br />

der acht Filme ebenso viel Freude mit der Musik haben wie meine Kollegen und<br />

ich bei der Aufnahme. In diesem Zusammenhang möchte ich mich herzlich bei Lara<br />

Kusztrich, Raphael Flieder und Christoph Hammer für ihre Mitwirkung bei diesem<br />

Youtube-Projekt bedanken. Folgende Werke werden in Streichquartett-Arrangements<br />

auf Youtube zu sehen sein: Frühlingsträume, Walzer op. 8 [a], Radetzky-Marsch<br />

op. 14/1, Ein Volkswalzer op. 22 [a], Nandl-Polka op. 22 [b], Lanckoronsky-Marsch<br />

op. 24, Herzensstürme, Walzer op. 25, Chinesen-Polka op. 26 und Herzklopfer, Walzer<br />

op. 29. Passend zum Thema besondere Komponistin spielte ich diese Aufnahmen auf einer<br />

Violine einer Geigenbauerin und mit einem Geigenbogen einer Bogenbauerin.<br />

Zurück zum Buch und zu seinem Aufbau. Dem biographischen Teil über <strong>Constanze</strong><br />

<strong>Geiger</strong> von ihrer Geburt 1835 bis 1859, dem Jahr ihres letzten belegten<br />

öffentlichen Auftritts, folgt der biographische Teil über Baronin <strong>Constanze</strong> von<br />

Ruttenstein. Diesen Titel erhielt sie im Juli 1862. Die davor liegende Geburt ihres<br />

Sohnes Franz 1860 sowie die Heirat mit Prinz Leopold von Sachsen-Coburg und<br />

Gotha 1861 habe ich bereits diesem späteren Kapitel zugeordnet, das mit dem Tod<br />

von Baronin von Ruttenstein 1890 schließt. Es folgt ein Bildteil. Anschließend<br />

werden teils ausschnittsweise, teils zur Gänze transkribierte Briefe wiedergegeben,<br />

die die Persönlichkeit von <strong>Constanze</strong> <strong>Geiger</strong> / Baronin <strong>Constanze</strong> von Ruttenstein<br />

unmittelbar nachvollziehbar machen. Das nachfolgende Werkverzeichnis ist<br />

in zwei Teile gegliedert: Zunächst werden die Werke mit Opuszahl verzeichnet,<br />

wobei interessanterweise nicht jede Opuszahl vergeben wurde, andere dafür doppelt;<br />

sodann werden die Werke ohne Opuszahl in einem von mir chronologisch<br />

geordneten GR (<strong>Geiger</strong>/Ruttenstein)-Verzeichnis dargestellt. Das Werkverzeichnis<br />

umfasst sowohl die Entstehungs- und Erscheinungsdaten der Werke als auch, soweit<br />

vorhanden, zeitgenössische Besprechungen zu den Kompositionen sowie zahlreiche<br />

Incipits. Eine Aufführungsdokumentation zu <strong>Constanze</strong> <strong>Geiger</strong>s Laufbahn als<br />

Komponistin, Pianistin und Schauspielerin beschließt das Buch. Aber nicht ganz:<br />

Ein wertvoller Essay meiner wunderbaren Lektorin Marion Linhardt ist für das<br />

Buch eine besondere Ergänzung. Für alle Fans eines Registers (so wie ich einer bin):<br />

ja, es gibt ein umfangreiches Register, auch dafür Dank an Marion Linhardt.<br />

Eine Besonderheit der biographischen Teile stellen die „Apropos“ dar. Diese sind in<br />

die entsprechenden Kapitel eingestreut und beleuchten ausschnittsweise Themen,<br />

die im Zusammenhang mit <strong>Constanze</strong> <strong>Geiger</strong> stehen. Dabei geht es zum Beispiel<br />

um Frauen, die Geschichte geschrieben haben, Platz wird aber etwa auch Constan-<br />

X


<strong>Constanze</strong> <strong>Geiger</strong><br />

zes Bruder und ihrem Sohn eingeräumt; die Lebenswege der beiden, insbesondere<br />

in Anbetracht der starken Persönlichkeit <strong>Constanze</strong>s, lassen Fragen offen. Vieles<br />

gibt es in den „Apropos“ zu entdecken, so unter anderem die Kontroverse mit<br />

Moritz Gottlieb Saphir, dessen Berichterstattung das Kind beziehungsweise die<br />

jugendliche <strong>Constanze</strong> <strong>Geiger</strong> über Jahre ins Lächerliche gezogen hat. Oder auch<br />

die ältere <strong>Constanze</strong> von Ruttenstein, die nach dem Tod ihres Gemahls Prinz Leopold<br />

nicht nur unglaubliche Trauer zeigte, sondern auch finanzielle Forderungen<br />

an die Familie ihres Mannes stellte, auf Grund derer es nun einen ganzen Akt im<br />

Staatsarchiv in Coburg zu diesem Thema gibt. Ich als Autor ergreife hier keine<br />

Partei, sondern versuche, die Fakten korrekt darzustellen.<br />

Zurück zur Jetztzeit und zu Coburg: Der wohl durch eine Fügung bei meiner<br />

Ankunft am Bahnhof an erster Stelle stehende Taxifahrer Herr Herbert Raab „entpuppte“<br />

sich in der Folge nicht nur als hervorragender Chauffeur, sondern auch als<br />

besonderer Gästeführer und Kenner der Geschichte von Coburg – danke für alle<br />

Informationen und die Leidenschaft in Bezug auf die Geschichte Coburgs! Herrn<br />

Raabs Sachkenntnis ist auch in dieses Buch eingeflossen.<br />

Und noch ein Dankeswort: Dank gebührt allen Bibliotheken und Archiven, mit<br />

denen ich für dieses Buch in Kontakt getreten bin!<br />

Zur soeben angesprochenen Jetztzeit: wann wird die Musik von <strong>Constanze</strong> <strong>Geiger</strong><br />

zu hören sein?<br />

Am 8. Dezember 2024 wird im Rahmen der Heiligen Messe, gespielt von der Wiener<br />

Hofmusikkapelle, das Ave Maria op. 4 von <strong>Constanze</strong> <strong>Geiger</strong> zur Aufführung<br />

gelangen. Dieses Werk erklang in der Wiener Hofkapelle zwischen 1846 und 1851<br />

bereits 7-mal. Dieses Mal wird die Begleitung in einer Fassung für Streichorchester<br />

gespielt, die auf den beiden in Handschrift von Anton Bruckner vorliegenden<br />

Violinstimmen basiert (WAB add 324).<br />

<strong>Constanze</strong> <strong>Geiger</strong> wird auch in einigen von Irene Suchy moderierten Konzerten<br />

zu hören sein, wie zum Beispiel am 30. November 2024 im Rahmen des Konzerts<br />

„Johann Strauss und (seine) Zeitgenossinnen“ im Radiokulturhaus in Wien.<br />

Die Wiener Philharmoniker führen den Ferdinandus-Walzer op. 10 im Silvesterkonzert<br />

am 31. Dezember 2024 sowie im Neujahrskonzert am 1. Jänner 2025 auf.<br />

Dirigent ist Riccardo Muti. Die Tatsache, dass erstmals das Werk einer Komponistin<br />

im Neujahrskonzert aufgeführt wird, stieß schon bei der Ankündigung des<br />

Programms auf großes mediales Interesse.<br />

Weiters ist eine temporäre kleine Ausstellung zu den Komponistinnen <strong>Constanze</strong><br />

<strong>Geiger</strong> und Josephine Weinlich im Dezember 2024 und Jänner 2025 im Museum<br />

der Wiener Philharmoniker im Haus der Musik projektiert.<br />

Jetzt bleibt mir noch zu sagen: Viel Vergnügen mit der Musik von <strong>Constanze</strong><br />

<strong>Geiger</strong> – und hoffentlich haben Sie viele interessante Stunden beim Lesen oder<br />

Nachschlagen in diesem Buch.<br />

XI


XII<br />

Grußwort


<strong>Constanze</strong> <strong>Geiger</strong><br />

Bibliothekssiglen<br />

A-Sd<br />

A-SF<br />

A-SP<br />

A-TU<br />

A-VOR<br />

A-Wbb<br />

A-Wgm<br />

A-Wm<br />

A-Wn<br />

A-Wsfl<br />

A-Wsjm<br />

A-Wst<br />

A-SWp<br />

CZ-Bu<br />

CZ-Pu<br />

D-B<br />

D-Cl<br />

D-CO<br />

D-Cs<br />

D-F<br />

D-Fafm<br />

D-KA<br />

D-Ru<br />

HHStA<br />

P-La<br />

RUS-Mrg<br />

SI-Ls<br />

Salzburg, Dom-Musikarchiv<br />

St. Florian (Linz-Land), Augustiner-Chorherrenstift, Bibliothek und<br />

Musikarchiv<br />

St. Pölten, Diözesanarchiv<br />

Tulln, Katholisches Pfarramt, Musikarchiv<br />

Vorau, Chorherrenstift<br />

Wien, Klosterkirche der Barmherzigen Brüder<br />

Wien, Gesellschaft der Musikfreunde in Wien, Archiv<br />

Wien, Zentralbibliothek der österreichischen Minoritenprovinz<br />

Wien, Österreichische Nationalbibliothek<br />

Wien, St. Laurenz am Schottenfeld, Pfarrarchiv und Bibliothek<br />

Wien, St. Josef zu Margareten, Pfarrarchiv<br />

Wien, Wienbibliothek im Rathaus, Musiksammlung<br />

Schwaz, Franziskanerkloster, Provinzarchiv<br />

Brno, Moravská zemská knihovna v Brně<br />

Praha, Národní knihovna České republiky<br />

Berlin, Staatsbibliothek zu Berlin, Preußischer Kulturbesitz<br />

Coburg, Landesbibliothek<br />

Höxter, Fürstliche Bibliothek Corvey<br />

Coburg, Staatsarchiv<br />

Frankfurt am Main, Universitätsbibliothek Johann Christian Senckenberg<br />

Frankfurt am Main, Archiv Frau und Musik<br />

Karlsruhe, Badische Landesbibliothek, Musikabteilung<br />

Regensburg, Universitätsbibliothek<br />

Wien, Haus-, Hof- und Staatsarchiv<br />

Lisboa, Biblioteca do Palácio Nacional da Ajuda, Calçada da Ajuda<br />

Moskva, Rossijskaja Gosudarstvennaja biblioteka<br />

Ljubljana, Stolnica, Arhiv stolnega kora<br />

XIII


XIV<br />

Vorwort


<strong>Constanze</strong> <strong>Geiger</strong><br />

AbgeküRzt zitieRte LiteRatuR<br />

Allgemeine Theater-Chronik<br />

AmZ<br />

AWMZ<br />

AWT<br />

Didaskalia<br />

Figaro<br />

Die Gegenwart<br />

Die Geißel<br />

Jörgel-Briefe<br />

Humorist<br />

Morgenblatt<br />

NWMZ<br />

Oesterreichisches Theaterund<br />

Musik-Album<br />

Allgemeine Theater-Chronik. Organ für das<br />

Gesamtinteresse der deutschen Bühnen und<br />

ihrer Mitglieder<br />

Allgemeine musikalische Zeitung<br />

Wiener allgemeine Musik-Zeitung;<br />

Allgemeine Wiener Musik-Zeitung<br />

Allgemeine Wiener Theaterzeitung;<br />

Theaterzeitung; Allgemeine Theaterzeitung<br />

(Bäuerles Theaterzeitung)<br />

Didaskalia. Blätter für Geist, Gemüth und<br />

Publicität<br />

Figaro. Humoristisches Wochenblatt<br />

Die Gegenwart. Politisch-Literarisches<br />

Tagblatt<br />

Die Geißel. Tagblatt aller Tagblätter<br />

Komische Briefe des Hans-Jörgels von<br />

Gumpoldskirchen […] über Wien und seine<br />

Tagesbegebenheiten<br />

Der Humorist<br />

Österreichisches Morgenblatt<br />

Neue Wiener Musik-Zeitung<br />

Oesterreichisches Theater- und Musik-<br />

Album zur Förderung dramaturgischer und<br />

musikalischer Interessen<br />

XV


Vorwort<br />

Presse<br />

Revue et Gazette Musicale<br />

Rheinische Musik-Zeitung<br />

Sammler<br />

Signale<br />

Sonntagsblätter<br />

Über Land und Meer<br />

Das Vaterland<br />

Wanderer<br />

Wiener Katzenmusik<br />

Wiener Zeitschrift<br />

WZ<br />

Zuschauer<br />

Die Presse<br />

Revue et Gazette Musicale de Paris<br />

Rheinische Musik-Zeitung für Kunstfreunde<br />

und Künstler<br />

Der Sammler<br />

Signale für die musikalische Welt<br />

Sonntags-Blätter für heimathliche Interessen<br />

Über Land und Meer. Allgemeine Illustrirte<br />

Zeitung<br />

Das Vaterland. Zeitung für die<br />

österreichische Monarchie<br />

Der Wanderer<br />

Wiener Katzenmusik. (Charivari).<br />

Politisches Tagsblatt für Spott und Ernst mit<br />

Karikaturen<br />

Wiener Zeitschrift für Kunst, Eleganz und<br />

Mode<br />

Wiener Zeitung<br />

Wiener Zuschauer; Österreichischer<br />

Zuschauer<br />

XVI


<strong>Constanze</strong> <strong>Geiger</strong><br />

Zur Biographie<br />

<strong>Constanze</strong> <strong>Geiger</strong><br />

<strong>Constanze</strong> Adelheid Therese <strong>Geiger</strong> (Eintrag im Taufbuch: Konstantine Adelheid<br />

Theresie) wurde am 16.10.1835 in Wien geboren 1 . Am selben Tag fand die Taufe in<br />

St. Peter statt. Taufpatin war Adelheid von Heß, geborene Freiin von Münch-Bellinghausen.<br />

Die Mutter <strong>Constanze</strong>s, Theresia <strong>Geiger</strong>, geborene Rziha, war bereits<br />

31 Jahre alt (geboren am 5.4.1804 in Wien), der Vater Joseph 25 Jahre alt (geboren<br />

am 23.3.1810 in Fischamend). Die Wohnung der Familie <strong>Geiger</strong> befand sich in<br />

der Stadt, Haus 575 (heute: 1., Petersplatz 9) 2 . <strong>Constanze</strong> <strong>Geiger</strong>s Eltern wurden<br />

am 10.2.1833 in St. Peter getraut 3 , die Berufsbezeichnung von Theresia Rziha ist<br />

im Traubuch mit Putzarbeiterin[n] (= Putzmacherin, Modistin) angegeben, beim<br />

22-jährigen Joseph <strong>Geiger</strong> ist „geprüfter Tonkünstler und Organist“ vermerkt. Zu<br />

den ersten Lebensjahren von <strong>Constanze</strong> <strong>Geiger</strong> liegen keine Überlieferungen vor,<br />

sie werden allerdings von Todesfällen unter ihren Geschwistern geprägt gewesen<br />

sein. <strong>Constanze</strong>s am 13.4.1837 geborene 4 Schwester Adelheid verstarb bereits<br />

am 9.5.1837 5 , die wohl im Jahr 1839 geborene Schwester Henriette verstarb am<br />

5.3.1843 6 am inneren Brand. <strong>Constanze</strong>s erster Bruder, Friedrich Ludwig Honorius<br />

Joseph, geboren am 26.4.1841 7 , starb mit 11 Jahren, ein weiterer Bruder, Joseph<br />

Maria, geboren am 1.12.1842 8 , überlebte <strong>Constanze</strong> <strong>Geiger</strong>. Die am 18.7.1844 9 geborene<br />

Schwester Malvina Konstantia verstarb bereits am 24.10.1845 10 an Fraisen.<br />

Die Familie <strong>Geiger</strong> wechselte in den ersten Lebensjahren <strong>Constanze</strong>s mehrmals<br />

den Wohnsitz, etwa 1836 in das Haus Stadt 579 (heute: 1., Bauernmarkt 5–7), später<br />

in die Schauflergasse 24 (heute: 1., Schauflergasse 6).<br />

Zur frühen musikalischen Ausbildung <strong>Constanze</strong> <strong>Geiger</strong>s findet man einen Hinweis<br />

in Ludwig Eisenbergs Biographischem Lexikon: „Sie hatte das musikalische Talent<br />

ihres Vaters geerbt, das sich schon frühzeitig bemerkbar machte, und nachdem<br />

1 Taufbuch 1., St. Peter, Signatur 01-03, S. 249.<br />

2 Die genaue Angabe lautet im Taufbuch beim Eintrag zu <strong>Constanze</strong> <strong>Geiger</strong>: Bauernmarkt. Tatsächlich<br />

befand sich das Haus 575 Am Peter. Möglicherweise handelt es sich bei der Hausnummer<br />

575 aber auch um einen Schreibfehler und die Familie wohnte am Bauernmarkt im Haus 579.<br />

3 Trauungsbuch 1., St. Peter, Signatur 02-03, Fol. 114.<br />

4 Taufbuch 1., St. Peter, Signatur 01-03, S. 294.<br />

5 Sterbebuch 1., St. Peter, Signatur 03-03, S. 161.<br />

6 WZ, 9.3.1843 (68/1843), S. 519; Sterbebuch 1., St. Michael, Signatur 03-12, S. 216.<br />

7 Taufbuch 1., St. Michael, Signatur 01-21, S. 141.<br />

8 Taufbuch 1., St. Michael, Signatur 01-21, S. 178.<br />

9 Taufbuch 1., St. Michael, Signatur 01-21, S. 222.<br />

10 WZ, 28.10.1845 (298/1845), S. 2285; Sterbebuch 1., St. Peter, Signatur 03-03, S. 362.<br />

1


Zur Biographie<br />

sie von demselben den ersten Musikunterricht erhalten hatte, wurde sie von J. W.<br />

Tomaschek weiter ausgebildet, bis sie es zu einer fertigen Klavierspielerin brachte.“<br />

11 Wenzel Johann Tomaschek (1774–1850) wird als <strong>Constanze</strong>s Lehrer schon<br />

1871 im Musikalischen Wochenblatt 12 genannt, und natürlich ist ein entsprechendes<br />

Verhältnis Tomascheks zu <strong>Constanze</strong> <strong>Geiger</strong> nicht grundsätzlich auszuschließen,<br />

allerdings fehlen dazu jegliche weiteren Anhaltspunkte: <strong>Constanze</strong> hielt sich lediglich<br />

1847 für einige Tage in Prag auf, und Tomaschek war in seinen letzten Lebensjahren<br />

nicht in Wien, die von ihm 1824 begründete Musiklehranstalt befand<br />

sich in Prag 13 . Auch finden sich keine Belege dafür, dass <strong>Constanze</strong> bereits ab ihrem<br />

6. Lebensjahr in Wien und auf Tourneen im Ausland Aufsehen erregte, wie es an<br />

anderer Stelle heißt 14 .<br />

Während der Kindheit <strong>Constanze</strong>s gab es bedeutsame berufliche Entwicklungen<br />

bei ihren Eltern. Ihrer Mutter Theresia <strong>Geiger</strong> wurde am 23.11.1844 der Titel einer<br />

k. k. Hofmodistin verliehen 15 . Neben seiner Beschäftigung am kaiserlichen Hof,<br />

wo er als Musiklehrer von Erzherzog Carl Ludwig 16 , Erzherzog Franz Joseph 17 und<br />

Erzherzog Franz Karl 18 wirkte, brachte der Vater Joseph <strong>Geiger</strong> wichtige Kompositionen<br />

zur Aufführung. Seine Oper Wlasta wurde zwischen 1840 und 1842 am<br />

Kärntnerthortheater 8-mal gegeben, seine Messe in B 1842 2-mal in der Wiener<br />

Hofkapelle. Bei Diabelli und Haslinger erschienen von 1841 bis August 1844 sechs<br />

seiner Kompositionen im Druck: Klavierwerke, zwei Arien aus Wlasta sowie ein<br />

Graduale für 4 Singstimmen und Orgelbegleitung. Im Dezember 1843 erlangte<br />

Joseph <strong>Geiger</strong> die Ehrenmitgliedschaft der Accademia di Santa Cecilia in Rom 19 .<br />

Apropos: Uraufführungsfeier der Oper Wlasta von Joseph<br />

<strong>Geiger</strong><br />

Eine nette Anekdote über die Einladung der Musiker des Hofopernorchesters<br />

nach der Uraufführung der Oper Wlasta im Kärntnerthortheater<br />

am 2.12.1840 in die Wohnung von Joseph <strong>Geiger</strong> soll<br />

11 Ludwig Eisenberg. Großes Biographisches Lexikon der Deutschen Bühne im XIX. Jahrhundert. Verlagsbuchhandlung<br />

Paul List. Leipzig 1903, S. 310.<br />

12 Musikalisches Wochenblatt, 22.12.1871 (52/1871), S. 830.<br />

13 Gerlinde Haas. „Un Instant de Bonheur“. Studien zur Musikwissenschaft, 43 (1994), S. 341–354, hier<br />

S. 342.<br />

14 Österreichisches Biographisches Lexikon 1815–1950, Bd. 9 (Lfg. 44, 1987), S. 339f.<br />

15 Sammler, 13.1.1845 (7/1845), S. 26.<br />

16 Alfred von Lindheim. Erzherzog Carl Ludwig 1833–1896. Ein Lebensbild. K. k. Hof- und Staatsdruckerei.<br />

Wien 1897, S. 19.<br />

17 Haas. „Un Instant de Bonheur“, S. 341.<br />

18 AWMZ, 8.4.1845 (42/1845), S. 166.<br />

19 WZ, 14.12.1842 (345/1842), S. 2591.<br />

2


<strong>Constanze</strong> <strong>Geiger</strong><br />

hier Erwähnung finden, obwohl nicht überliefert ist, ob die 5-jährige<br />

<strong>Constanze</strong> bei der Opernaufführung und der nachfolgenden Einladung<br />

anwesend war. Die Episode soll Joseph <strong>Geiger</strong> im Freundeskreis<br />

gerne selbst erzählt haben:<br />

„Joseph <strong>Geiger</strong> war ein tüchtiger Pianist und geschätzter Musiklehrer,<br />

der sich in den Mußestunden auch mit Tondichtung befaßte. An<br />

einflußreichen Gönnern an hoher Seite fehlte es nicht, und so wurde<br />

das Erstlingswerk, ,Vlasta‘ [!] betitelt, im Operntheater angenommen.<br />

Bei der Generalprobe, welcher auch der Musikgraf Amadé[ 20 ]<br />

beiwohnte und die trefflich von statten ging, hielt der überglückliche<br />

Componist eine kleine Dankrede an das Orchester, die er mit den<br />

Worten schloß: ,Meine Herren, wenn meine Oper gefällt, ersuche<br />

ich das ganze Orchester, nach der Vorstellung mit mir in meiner<br />

Wohnung einen kleinen Taufschmaus abzuhalten und auf das jüngste<br />

Kind meiner Muse ein Glas Champagner zu leeren.‘ Aber im Rathe<br />

der Götter war es anders beschlossen. Bei der Aufführung war schon<br />

nach dem ersten Acte das Schicksal des Werkes besiegelt. Es wurde<br />

abgelehnt. Die Orchestermitglieder waren in einiger Verlegenheit.<br />

Da erhob sich der Violinspieler, ein tactfester Musiker und gewaltiger<br />

Trinker vor dem Herrn, um den salomonischen Ausspruch zu thun:<br />

,Mir hat die Oper gefallen, ich muß mein Versprechen halten und<br />

gehe hin.‘ Andere Collegen waren derselben Meinung, und so fand<br />

sich denn die Mehrzahl der Orchestermitglieder beim Taufschmause<br />

des musikalischen Kindes ein. Der Champagner war vorzüglich, die<br />

Stimmung anfangs etwas gedrückt, aber beim Dessert war vollkommene<br />

Aufheiterung eingetreten, und der tact- und trinkfeste <strong>Geiger</strong><br />

wiederholte fortwährend sein glückliches Wort: ,Mir hat die Oper<br />

gefallen!‘“ 21<br />

Joseph <strong>Geiger</strong>s Wohnung befand sich im Dezember 1840 wohl in der<br />

Schauflergasse 24, an der Stelle, an der heute das Haus Schauflergasse<br />

6 steht, etwa acht Gehminuten vom Kärntnerthortheater entfernt.<br />

Die Oper Wlasta wurde an der Hofoper insgesamt 8-mal gespielt.<br />

Die Folgeaufführungen fanden am 3.12.1840, 13.12.1840, 14.1.1841,<br />

29.1.1841, 29.3.1841, 28.1.1842 und 21.2.1842 statt. Ab der dritten<br />

Aufführung wurde die Oper mit Kürzungen des Komponisten gespielt,<br />

auch hat Joseph <strong>Geiger</strong> die Anzahl der Akte von 4 auf 3 reduziert.<br />

In dieser Fassung „war die Aufnahme von Seite des Publicums<br />

günstiger.“ 22<br />

20 Thaddäus Graf Amadé von Várkony, Hofmusikgraf in Wien seit 1831.<br />

21 Neue Freie Presse, Abendblatt, 9.9.1890 (9355/1890), S. 1f.<br />

22 WZ, 12.1.1841 (12/1841), S. 85.<br />

3


Zur Biographie<br />

<strong>Constanze</strong> <strong>Geiger</strong> gab im Oktober 1844, wenige Tage nach ihrem 9. Geburtstag,<br />

ein Privatvorspiel, bei dem sie ihre ersten beiden Werke präsentierte: Preghiera<br />

op. 2 und vermutlich Trois Valses für Pf op. 1 23 . Zu diesem Zeitpunkt war das<br />

Opus 1 bereits im Verlag Diabelli erschienen, das Opus 2 folgte im selben Verlag<br />

im Dezember 1844. Gleich drei Zeitungen lobten das Talent der beim Erscheinen<br />

von Opus 1 erst 8-jährigen <strong>Constanze</strong>. Die Preghiera op. 2 kam mehrmals zur Aufführung:<br />

im Dezember in der Kirche der Artillerie-Kaserne am Rennweg, gespielt<br />

vom Musikcorps des 2. k. k. Feld-Artillerie-Regiments, im April 1845 bei einer<br />

Benefizakademie am Kärntnerthortheater und im Juli 1845 in der Peterskirche,<br />

der Taufkirche der Komponistin.<br />

Wohltätigkeit durchzog das ganze Leben von <strong>Constanze</strong> <strong>Geiger</strong>. Die Theaterzeitung<br />

berichtete bereits im April 1845 von einer Spende von 20 fl. für die „durch Uiberschwemmung<br />

verunglückten Bewohner von Prag“ mit <strong>Constanze</strong>s Anmerkung:<br />

„Dies ist Alles, was ich habe“ 24 .<br />

Ein kurzer Schwenk zu den neuen Kompositionen und Aufführungen des Vaters<br />

Joseph <strong>Geiger</strong>: Das Hofopernorchester brachte am 20.4.1845 sein Tongemälde im<br />

Symphonie-Stil unter der Leitung von Heinrich Proch im Rahmen einer Benefizakademie<br />

im Kärntnerthortheater zur Aufführung. Dasselbe Werk wurde am<br />

14.5.1845 im Kärntnerthortheater kombiniert mit einem Ballett und bei einer<br />

Benefizakademie am 13.11.1846 im Kärntnerthortheater gespielt. Am 23.8.1845<br />

begaben sich Vater und Tochter <strong>Geiger</strong> auf eine Reise nach Paris und London 25 . In<br />

diesem Zusammenhang kam es zu Aufführungen der Preghiera op. 2 in der Kirche<br />

St. Roch in Paris unter Mitwirkung des renommierten Tenors Alexis Dupont.<br />

Die Revue et Gazette Musicale schrieb dazu: „Une charmante enfant de neuf ans,<br />

jeune pianiste qui quitte sa poupée pour se mettre au piano, vient d’arriver de<br />

Vienne. Nous avons entendu mademoiselle Constance <strong>Geiger</strong>; nous avons vu des<br />

valses et même un Ave Maria de sa composition, et il est juste et facile de prédire<br />

un très grand avenir à cette enfant merveilleusement douée par la nature.“ 26 Der<br />

über <strong>Constanze</strong> <strong>Geiger</strong> stets gut informierte Wanderer berichtete im Inland: „Der<br />

Componist Hr. <strong>Geiger</strong> verweilt schon einige Wochen mit seinem talentvollen<br />

Töchterlein <strong>Constanze</strong> in Paris, wo er der ehrenvollsten Aufnahme genießt[.]<br />

Einige kirchliche Compositionen der Letzteren wurden schon zur Aufführung<br />

gebracht und vereinigten alle Stimmen zum Lobe. […]“ 27 1845 widmeten gleich<br />

zwei Komponisten <strong>Constanze</strong> <strong>Geiger</strong> Werke: Johann Strauß Vater widmete ihr die<br />

Flora-Quadrille op. 177, erschienen bei Haslinger, und Joseph Heinrich Doppler die<br />

23 Die in der Folge zitierten Informationen, bei denen keine Quellenangabe vermerkt ist, sind im<br />

Aufführungs- bzw. Werkverzeichnis-Teil genau nachgewiesen.<br />

24 AWT, 9.4.1845 (85/1845), S. 4.<br />

25 AWT, 25.8.1845 (203/1845), S. 816.<br />

26 Revue et Gazette Musicale, 7.9.1845 (36/1845), S. 294.<br />

27 Wanderer, 9.10.1845 (242/1845), S. 967.<br />

4


<strong>Constanze</strong> <strong>Geiger</strong><br />

von ihm komponierte Quadrille über beliebte Motive aus der Oper Die vier Haimonskinder<br />

für Pf op. 91, erschienen bei Diabelli. Im selben Jahr übersiedelte die Familie <strong>Geiger</strong><br />

auf den Bauernmarkt Nr. 580 (heute: 1., Bauernmarkt 9).<br />

Im März 1846 machte die mittlerweile 10-jährige <strong>Constanze</strong> <strong>Geiger</strong> mit einer<br />

neuen Komposition auf sich aufmerksam, dem Lied Meine liebste Blume op. 5. Die<br />

berühmte Sopranistin Marie von Marra-Vollmer brachte es in einer Akademie im<br />

Saal der Gesellschaft der Musikfreunde zur Aufführung. Auch wenn eine Kritik<br />

anmerkte, dass das Werk nicht dem Rahmen entsprochen hätte, waren die übrigen<br />

Pressemeldungen sehr positiv – es wird „Innigkeit und Gefühl“ und „die einfach=liebliche<br />

Melodie“ hervorgehoben, die einen „erhebenden Eindruck“ ausübe<br />

und „einen ganz eigenen Reiz für den Zuhörer“ habe. Im April und Juli folgten<br />

zwei weitere Aufführungen des Liedes im Saal der Gesellschaft der Musikfreunde.<br />

Ebenfalls im Juli 1846 wurde in der Wiener Zeitung eine Auszeichnung bekannt<br />

gegeben: <strong>Constanze</strong> <strong>Geiger</strong> erhielt die Ehrenmitgliedschaft der Accademia di Santa<br />

Cecilia in Rom 28 . Am 2.8.1846 kam es zu einem weiteren wichtigen Ereignis:<br />

<strong>Constanze</strong>s Ave Maria op. 4 gelangte bei der Messe in der Wiener Hofkapelle zur<br />

Aufführung. Der berühmte Tenor Joseph Erl sang den Solopart, in einem Zeitungsbericht<br />

war über das Ave Maria zu lesen, dass es „durch seine einfache und<br />

kindlich-zarte Haltung das Ohr des Zuhörers gewiss leichter besticht, als manches<br />

neue Kirchentonwerk im bombastischen Style geschrieben.“ Ebenso ist den<br />

Zeitungen zu entnehmen, dass der Lehrer der Komponistin, Simon Sechter, den<br />

Orgelpart ausführte. <strong>Constanze</strong> <strong>Geiger</strong> hat demnach zu dieser Zeit Unterricht in<br />

Kontrapunkt und Komposition bei Simon Sechter, der auch der Lehrer von Franz<br />

Schubert und Anton Bruckner war, erhalten. Das Ave Maria gelangte im selben<br />

Jahr noch drei weitere Male in der Hofkapelle zur Aufführung.<br />

In der Ballsaison im Jahr 1847 trat die nun 11-jährige <strong>Constanze</strong> <strong>Geiger</strong> mit einem<br />

neuen Genre vor die Öffentlichkeit: mit dem Walzer. Gleich zwei Walzer 29 kamen<br />

mehrfach zur Aufführung: Frühlingsträume op. 8 [a] und Maiblümchen-Walzer,<br />

GR 01, beide noch im selben Jahr bei Diabelli verlegt. Die Walzer erklangen bei<br />

Dommayer und bei einem Ball im Sophienbadsaal, jeweils unter der Leitung von<br />

Johann Strauß Sohn, aber auch im Leopoldstädter Theater als Musik zwischen den<br />

zwei Akten einer Theateraufführung. Die Walzer wurden in den Zeitungen als<br />

„anmuthig und frisch“ und als „liebliche, artige“ Kompositionen beschrieben, in<br />

28 WZ, 15.7.1846 (193/1846), S. 1562.<br />

29 Dem aktuellen Sprachgebrauch folgend wird in der vorliegenden Publikation, soweit es sich nicht<br />

um Zitate aus historischen Quellen handelt, für Walzer-Kompositionen der Singular „der Walzer“<br />

verwendet und nicht die zur Zeit <strong>Constanze</strong> <strong>Geiger</strong>s und der berühmten Walzer-Komponisten<br />

des 19. Jahrhunderts gebräuchliche Plural-Form „die Walzer“.<br />

5


Zur Biographie<br />

denen das „gemüthliche Prinzip“ besonders vorwaltet. Bei dem Ball im Sophienbadsaal<br />

musste der Walzer mehrere Male wiederholt werden. Im März jenes Jahres<br />

brachten die Zeitungen zahlreiche Hinweise, dass <strong>Constanze</strong> <strong>Geiger</strong> nun eine Oper<br />

komponiere. Diese Oper ist allerdings nie entstanden.<br />

Apropos: Opernkomposition<br />

Als Kuriosität hier einige der Zeitungsmeldungen:<br />

Humorist, 10.3.1847 (59/1847), S. 236: „Kinderopern! d. h. nicht<br />

Opern, in welchen Kinder singen, sondern die von Kindern komponirt<br />

wurden, und im Grunde ist’s ja auch kindleicht, eine Oper zu<br />

schreiben. Der eilfjährige Benoni, ein vielversprechendes Talent, hat<br />

eine Oper geschrieben, um nun diesen Ruhm nicht dem männlichen<br />

Geschlechte allein zu lassen, hat die kleine Konstanze <strong>Geiger</strong> auch<br />

begonnen, eine Oper zu machen. Wenn sie fertig sein wird, wollen<br />

wir dann sehen, à qui l’honneur! Vielleicht beiden.“<br />

AWT, 11.3.1847 (60/1847), S. 239: „Dem Vernehmen nach componirt<br />

auch die kleine Constanzia <strong>Geiger</strong> eine Oper. Nach den<br />

lieblichen Compositionen, die man bisher von ihr in verschiedenen<br />

musikalischen Fächern gehört hat, läßt sich bei dem schönen Talente<br />

dieses lieblichen Kindes, etwas recht Ansprechendes erwarten.“<br />

Die Gegenwart, 12.3.1847 (59/1847), S. 276: „[…] Also à la Mozart?<br />

Bon!“<br />

Oesterreichisches Theater- und Musik-Album, 22.3.1847 (35/1847),<br />

S. 140: „Auch die kleine <strong>Constanze</strong> <strong>Geiger</strong> komponirt eine Oper. Ein<br />

Wikelkind [!] wird darin Variationen auf dem Lutschbeutl vortragen.“<br />

Wanderer, 19.1.1848 (16/1848), S. [3]: „Konstanze <strong>Geiger</strong>, die eifrigst<br />

an der Oper arbeitet, zu der ihr der Mailänder Impresario B[artolomeo].<br />

Merelli den Text geschrieben, hat schon fünf Nummern<br />

derselben vollendet.“ S.<br />

Ein Duettino für Tenor und Bass op. 6, im Druck bereits zu Jahresbeginn im Diabelli-Verlag<br />

erschienen, kam April 1847 im Großen Redoutensaal in der Hofburg im<br />

Rahmen einer Benefizakademie zur Aufführung. Mit Raffaele Mirate (Tenor) und<br />

Felice Varesi (Bariton) sangen zwei der berühmtesten italienischen Opernsänger.<br />

Es war dies das erste Konzert, bei dem eine Vorgehensweise einzelner Zeitungen zu<br />

beobachten ist, mit der <strong>Constanze</strong> <strong>Geiger</strong> in den folgenden Jahren konfrontiert sein<br />

sollte: Die Theaterzeitung und der Wanderer waren stets <strong>Constanze</strong>-<strong>Geiger</strong>-freundlich<br />

eingestellt, andere Blätter wie der Humorist und später die Illustrirte Zeitung,<br />

die Grazer Zeitung oder die Signale für die musikalische Welt berichteten tendenziell<br />

<strong>Geiger</strong>-feindlich und angriffig. So machte sich der Humorist über das genannte<br />

6


<strong>Constanze</strong> <strong>Geiger</strong><br />

Werk lustig: „Große Komponisten schreiben ein Duetto, kleine Komponistinnen<br />

ein ,Duettino,‘ ganz kleine, z. B. zweijährige würden ein ,Duettinetto‘ schreiben,<br />

wenn sie schon die Feder halten könnten.“<br />

Nachdem im April und Mai 1847 das Ave Maria wieder zur Aufführung gekommen<br />

war (in Klosterneuburg und im Stephansdom, die Tenorpartie sang diesmal Raffaele<br />

Mirate), gab es von Juni bis August einige höchst erfolgreiche Aufführungen<br />

von Walzer-Kompositionen von <strong>Constanze</strong> <strong>Geiger</strong>, zwei davon bei Dommayer<br />

neuerlich unter der Leitung von Johann Strauß Sohn. Darunter war auch eine neue<br />

Komposition, der Abschieds-Walzer op. 9, der rauschenden Applaus erhielt und wiederholt<br />

wurde. Der Titel Abschieds-Walzer war anlassbezogen gewählt – Eltern und<br />

Tochter <strong>Geiger</strong> reisten am 14.8.1847 mit Ziel Paris und London ab 30 . Sie nahmen<br />

einige Tage Aufenthalt in Prag 31 , und möglicherweise nützte <strong>Constanze</strong> die Zeit<br />

für Kompositionsunterricht bei Wenzel Johann Tomaschek, wie oben erwähnt.<br />

Am 19.9.1847 berichtete die Revue et Gazette Musicale über die Ankunft der <strong>Geiger</strong>s<br />

in Paris: „M. <strong>Geiger</strong>, […] vient d’arriver à Paris, accompagné de sa fille. La jeune<br />

Constance, à peine âgée de douze ans, possède déjà un talent des plus remarquables;<br />

elle joue non seulement la musique des grands maîtres dans un style pur et élevé,<br />

et en excellente musicienne, mais elle ajoute à ces qualités précieuses un charmant<br />

talent d’improvisation. Douée d’un véritable sentiment et de bonnes connaissances<br />

musicales, cette charmante enfant promet le plus bel avenir, grâce à une éducation<br />

soignée sous la direction de son père.“ 32<br />

Am 15.9.1847 besuchte die Familie <strong>Geiger</strong> in Paris Gaetano Donizetti.<br />

Apropos: Familie <strong>Geiger</strong> zu Besuch bei Donizetti<br />

AWT, 25.9.1847 (230/1847), S. 919: „Ein Besuch bei Donizetti, von<br />

dem Tondichter Joseph <strong>Geiger</strong>. Der Compositeur Joseph <strong>Geiger</strong>,<br />

befindet sich gegenwärtig mit seiner Gattin und der talentvollen<br />

Tochter <strong>Constanze</strong>, in Paris, und hat bald nach seiner Ankunft dem<br />

hochverehrten Freunde Donizetti, dessen Geisteskraft wie von böser<br />

Zaubermacht gefesselt liegt, mit seinen Angehörigen einen Besuch<br />

abgestattet. Er schrieb hierüber am 15. September dieses Jahrs, an<br />

den Redacteur dieser Zeitschrift folgende Zeilen, welche gewiß allgemeines<br />

Interesse einflößen werden: ,Mit einem Gemische verschiedenartiger<br />

Gefühle betraten wir die Wohnung des musikalischen<br />

Dichterfürsten, der bei seiner Abreise aus Wien uns die Hoffnung<br />

auf ein glückliches Wiedersehen zurückgelassen. Wir fanden den<br />

Unglücklichen schlafend in einem Fauteuil, und der Kopf war durch<br />

30 AWMZ, 7.8.1847 (94/1847), S. 380.<br />

31 Die Gegenwart, 21.8.1847 (194/1847), S. 860.<br />

32 Revue et Gazette Musicale, 19.9.1847 (38/1847), S. 310.<br />

7


Zur Biographie<br />

eine am Stuhle angebrachte Lehne unterstützt. Seine äußere Erscheinung<br />

machte anfangs auf uns beinahe einen wohlthuenden Eindruck,<br />

denn er war auf das Sorgfältigste gekleidet, mit einem seiner Ordensbänder<br />

geschmückt, und sein ganzes Aussehen lieferte ein Zeugniß<br />

von körperlicher Gesundheit. An der Seite des Geisteskranken<br />

weilten sein Bruder aus Bergamo und sein Neffe. Als Donizetti aus<br />

dem Schlummer erwachte, ersuchte mich sein Neffe eine Piece auf<br />

dem Pianoforte vorzutragen. Ich spielte mit beklommenem Herzen<br />

das Duetto: ,Ah consolarmi affrettisi,‘ aus der Oper: ,Linda.‘ Mein<br />

Schmerz steigerte sich mit jeder Note, und ich war nicht im Stande,<br />

das Tonstück zu Ende zu bringen. Ich, meine Frau und <strong>Constanze</strong>,<br />

brachen in ein lautes Weinen aus. Donizetti blickte theilnahmslos auf<br />

uns, ohne ein Wort zu sprechen, denn, er hatte weder seine Verehrer<br />

noch seine Composition in der Erinnerung behalten. Nach einigen<br />

Minuten schien er von einem Traume sich loszuringen. Er ließ seine<br />

Augen starr unbeweglich und anhaltend auf mir ruhen, als wollte er<br />

ein dunkles Bild aus vergangenen Tagen entschleiern, dann wendete<br />

er den Blick in ähnlicher Weise auf meine Frau, und endlich auf meine<br />

Tochter <strong>Constanze</strong>, welche unaufhörlich weinten. Der Neffe gab<br />

uns die Versicherung, daß Donizetti seit seiner geistigen Lähmung<br />

noch Niemanden so anhaltend fixirt habe. Obwol nun die Aerzte keine<br />

Hoffnung für seine Wiederherstellung nähren, so dürften solche<br />

Symptome doch vielleicht noch ein geistiges Erwachen aus dunkler<br />

Umnachtung erwarten lassen. Sein Körper deutet auf vollkommene<br />

physische Gesundheit, und der Uneingeweihte vermeint, er habe nur<br />

aus irgend einem Beweggrund freiwillig die Rolle eines Stummen,<br />

Unbeweglichen übernommen. Nur das beständige Hängenlassen des<br />

Kopfes spricht zugleich wieder für die Ohnmacht der Willenskraft.<br />

Wir haben unserem unglücklichen Freunde zwei Stunden gewidmet,<br />

deren einzelne Bilder niemals aus unserem Gedächtnisse verschwinden<br />

werden, da sie der Schmerz mit scharfem Griffel in unsere Seele<br />

gegraben. Wir hatten auch Gelegenheit, bei seinem zweiten Dejeuner<br />

gegenwärtig zu sein, welches aus zwei Weintrauben, aus Bisquit und<br />

gewässertem Weine bestand. Er verzehrte das Gebotene mit einem seltenen<br />

Appetite, so daß wir bei dem Hinblicke auf geistige Krankheit<br />

und körperliches Wohlsein Schmerz und Freude zugleich empfanden.<br />

Donizetti wird am 21. September in Begleitung eines Arztes, dann<br />

seines Bruders und Neffen, und zweier Diener nach Bergamo abreisen,<br />

und ich, wie alle seine Verehrer, wünschen [!] aus ganzer Seele,<br />

daß die heimatliche Luft auf den Unglücklichen günstig einwirken,<br />

und die lähmenden Fesseln von seinem schöpferischen Genius wieder<br />

abgestreift werden möchten.‘“<br />

8


<strong>Constanze</strong> <strong>Geiger</strong><br />

In den „Correspondenz-Nachrichten“ vom 21.9. berichtete die Theaterzeitung von<br />

mehreren Aktivitäten Joseph <strong>Geiger</strong>s in Paris, unter anderem von einer geplanten<br />

Aufführung seiner Messe in St. Roche. Weiters erfuhr die Leserschaft: „Auch seine<br />

Tochter findet hier alle mögliche Aufmerksamkeit und Ermunterung; man will<br />

mehrere ihrer Compositionen zur Aufführung bringen. Der Tenorist der königl.<br />

französischen Oper Hr. Bettini wird ihr ,Schlummerlied‘ vortragen. Auch soll ein<br />

von ihr componirtes Duett hier gesungen werden. Am 10. October soll bei Gelegenheit<br />

des großen Festes in St. Denis das Ave Marie der kleinen <strong>Geiger</strong> executirt<br />

werden. Man bereitet der hoffnungsvollen Tondichterin auch noch eine Freude<br />

vor: die Herren Escudier werden nämlich binnen Kurzem ihre neuesten Compositionen<br />

im Stiche erscheinen lassen.“ 33<br />

Ob aus all diesen Plänen etwas wurde, bleibt fraglich. Nur wenige Tage später,<br />

am 24.9.1847, schrieb die Theaterzeitung über den Aufenthalt der <strong>Geiger</strong>s in London:<br />

„Die liebenswürdige Tonmuse, <strong>Constanze</strong> <strong>Geiger</strong>, hat bekanntlich mit ihrem<br />

Vater, dem Compositeur Joseph <strong>Geiger</strong>, eine Reise nach London und Paris unternommen.<br />

Englischen Blättern zufolge, wurde der hoffnungsvollen Tondichterin in<br />

der Weltstadt von musikalischen Notabilitäten etc., eine ehrende Anerkennung zu<br />

Theil. Gleich bei ihrer Ankunft sandte ihr der berühmte Clavierfabrikant Broadwood<br />

ein herrliches Pianoforte aus seinem Atelier zur Verfügung. Die Kunsthändler<br />

Cock und Comp., dann Wessel und Comp., werden ihre Compositionen in geschmackvoller<br />

Ausstattung erscheinen lass[e]n, wobei auch ihr letzteres Product:<br />

,Schlummerlied‘ betitelt, einen unterlegten englischen Text erhalten soll. Staudigl<br />

hat dieses wunderschöne Lied auf eine entzückende Weise bei einer Gelegenheit<br />

vorgetragen, und für sich, wie für die junge Tondichterin, stürmische Beifalls-<br />

Acclamationen geerntet.“ 34<br />

Am 6.10. war die Familie <strong>Geiger</strong> bereits auf der Heimreise. Die Neue Berliner Musikzeitung<br />

berichtete von der Ankunft der <strong>Geiger</strong>s in Berlin 35 , zehn Tage später das<br />

Morgenblatt von ihrer Ankunft in Wien: „(Der Compositeur Hr. <strong>Geiger</strong> und seine<br />

talentvolle Tochter) sind vor einigen Tagen von ihrer Reise nach Paris und London,<br />

wo letztere durch ihre [!] Compositionstalent sowohl als durch ihr schönes<br />

Clavierspiel viel Beifall erntete, wieder in unserer Residenz angekommen.“ 36<br />

<strong>Constanze</strong> <strong>Geiger</strong> war mittlerweile 12 Jahre alt geworden. Im November 1847<br />

gab die berühmte Altistin Marietta Alboni im Theater an der Wien ein Benefizkonzert,<br />

bei dem sie auch <strong>Constanze</strong>s Schlummerlied op. 8 [b] aufführte; die junge<br />

Komponistin begleitete selbst am Klavier. Die Meinung über das Werk war geteilt:<br />

33 AWT, 1.10.1847 (235/1847), S. 940.<br />

34 AWT, 24.9.1847 (229/1847), S. 915.<br />

35 Neue Berliner Musikzeitung, 6.10.1847 (40/1847), S. 335.<br />

36 Morgenblatt, 16.10.1847 (124/1847), S. 496.<br />

9


Zur Biographie<br />

drei Zeitungen, darunter wie immer der Humorist, zeigten sich ablehnend, zwei<br />

andere, davon natürlich eine die Theaterzeitung, äußerten sich sehr positiv. Der<br />

Zuschauer schrieb: „Grillparzer’s ,Schlummerlied‘, in Musik gesetzt und akkompagnirt<br />

von der kleinen lieblichen Konstanze <strong>Geiger</strong>, erregte schon um des zarten<br />

Alters der Tonsetzerin und ihres unläugbaren Talents willen die Theilnahme des<br />

Musikfreundes. Es liegt ein eigener Zauber in diesem Wunderkinde!“ Ebenfalls<br />

im Theater an der Wien und nur wenige Tage später wurde bei drei Vaudeville-<br />

Aufführungen jeweils nach dem 1. Akt der Abschieds-Walzer op. 9 gegeben. Im<br />

Dezember erklang 2-mal das Ave Maria op. 4, Aufführungsorte waren im Rahmen<br />

von Messen die Ruprechtskirche und die Hofkapelle.<br />

Zu Jahresbeginn 1848 gab es eine Reihe an Aufführungen von Frühlingsträume<br />

op. 8 [a], 2-mal als Zwischenaktmusik bei Theateraufführungen im Carltheater,<br />

darüber hinaus bei Bällen in der Hofburg und im Sophienbadsaal, hier unter der<br />

prominenten Leitung von Johann Strauß Vater. Im März 1848 gelangte bei einem<br />

Ball im Sophienbadsaal unter der Leitung von Strauß Vater ein neuer Walzer <strong>Constanze</strong>s<br />

zur Aufführung, der Ferdinandus-Walzer op. 10. Der Zuschauer schrieb, dass<br />

alle Anwesenden über die seelenvolle Weichheit und Zartheit der Motive erstaunt<br />

gewesen seien. Die Monate zuvor müssen für <strong>Constanze</strong> angesichts einer Reihe<br />

von Zeitungsartikeln sehr unangenehm gewesen sein. Moritz Gottlieb Saphir, der<br />

Gründer und Redakteur des Humoristen, veröffentlichte im Laufe des Kalenderjahres<br />

1847 regelmäßig (nicht selten satirisch gefärbte) Meldungen, die <strong>Constanze</strong><br />

<strong>Geiger</strong> und ihre Leistungen ins Lächerliche zogen. Demgegenüber gab es die auffallend<br />

kontinuierliche und ausschließlich positive Berichterstattung der Theaterzeitung<br />

mit dem Redakteur Adolf Bäuerle, aufgrund derer sich Mutmaßungen über<br />

einen guten Kontakt zur Familie <strong>Geiger</strong> anstellen lassen. Saphirs Motive für seine<br />

kritische, teils sogar extrem abwertende Berichterstattung waren wohl die aus seiner<br />

Sicht hinsichtlich Anzahl und inhaltlicher Ausrichtung übertriebenen Berichte<br />

über <strong>Constanze</strong>, aber auch das Verhalten der Eltern <strong>Geiger</strong>, die die Karriere der<br />

Tochter offenbar sehr forcierten und es nicht selten erreichten, dass die Werke der<br />

Tochter bei wichtigen Ereignissen von bedeutenden Künstlern aufgeführt wurden.<br />

Fairness gegenüber einem erst 11- bzw. 12-jährigen Mädchen lässt ein großer Teil<br />

der Berichterstattung jedoch zweifelsohne vermissen.<br />

Apropos: Wiener Theaterzeitung – Der Humorist:<br />

Meldungen des Jahres 1847 im Vergleich<br />

Im Apropos: Verurteilung von Moritz Gottlieb Saphir (siehe<br />

unten, S. 22–29) geht es im Wesentlichen um die Anklageschrift<br />

gegen Saphir aus dem Jahr 1848 bezüglich der Veröffentlichungen<br />

10


<strong>Constanze</strong> <strong>Geiger</strong><br />

der Zeitschrift Der Humorist über <strong>Constanze</strong> <strong>Geiger</strong>. Im Apropos:<br />

Publizistische Debatten um <strong>Constanze</strong> <strong>Geiger</strong> in den Jahren<br />

1848 und 1849 (siehe unten, S. 32–35) werden die Positionen des Humoristen<br />

denjenigen der Zeitschrift Die Geißel und der Komischen Briefe<br />

des Hans-Jörgels von Gumpoldskirchen gegenübergestellt. Im hier nun<br />

folgenden Teil steht die ganz unterschiedliche Berichterstattung des<br />

Humoristen einerseits und der Wiener Theaterzeitung andererseits im<br />

Mittelpunkt: Erstere publizierte äußerst kritische, teils abwertende<br />

Kommentare über <strong>Constanze</strong> <strong>Geiger</strong>, Letztere erweist sich durchgehend<br />

als für <strong>Constanze</strong> <strong>Geiger</strong> eingestellt. 37<br />

37 Anzumerken ist, dass die Wiener Theaterzeitung im Jahr 1847 weit mehr Berichte und Mitteilungen<br />

über <strong>Constanze</strong> <strong>Geiger</strong> veröffentlichte als die in dieser Gegenüberstellung angeführten.<br />

11


Zur Biographie<br />

Wiener Theaterzeitung<br />

Redakteur Adolf Bäuerle<br />

<strong>Constanze</strong> <strong>Geiger</strong>-freundlich<br />

Adolf Bäuerle (Lithographie von Josef Kriehuber, 1846. Gedruckt bei Johann Höfelich)<br />

12


<strong>Constanze</strong> <strong>Geiger</strong><br />

Der Humorist<br />

Redakteur Moritz Gottlieb Saphir<br />

<strong>Constanze</strong> <strong>Geiger</strong>-kritisch<br />

Moritz Gottlieb Saphir (Lithographie von Josef Kriehuber, 1841. Gedruckt bei Johann Höfelich)<br />

13


Zur Biographie<br />

11.3.1847 (60/1847), S. 239<br />

Geschwind, was gibt’s in Wien Neues?<br />

10.4.1847 (86/1847), S. 343<br />

Theater in der Leopoldstadt. Vorgestern, am 8. April, fand in diesem Theater wieder eine Reprise<br />

der bekannten und beliebten Posse: „Staberls Reise-Abenteuer,“ statt […].<br />

14.4.1847 (89/1847), S. 354<br />

Musikalische Akademie im k. k. großen Redoutensaale.<br />

14


<strong>Constanze</strong> <strong>Geiger</strong><br />

10.3.1847 (59/1847), S. 236<br />

Wiener Tags-Courier.<br />

12.4.1847 (87/1847), S. 348<br />

Wiener Tags-Courier.<br />

14.4.1847 (89/1847), S. 355<br />

Concert-Salon<br />

Concert zum Besten der […] Versorgungsanstalt für erwachsene Blinde.<br />

15


Zur Biographie<br />

1.7.1847 (156/1847), S. 623<br />

Ein Mittag bei Dommayer in Hietzing. […] Hier spielt der junge Strauß mit seinem wohleingeübten<br />

Orchester und trägt mit Feuer und Präcision die neuesten Musikstücke aus Opern, Ballets und<br />

zur Abwechslung auch die besten Tanzcompositionen vor. Vorgestern war dieser ausgezeichnete<br />

Unterhaltungsort abermals mit Gästen überfüllt. […]<br />

16


<strong>Constanze</strong> <strong>Geiger</strong><br />

30.8.1847 (207/1847), S. 825<br />

Die Gastronomie der Juden, oder: Vogls Garküche.<br />

Eine Jugend-Erinnerung, von M. G. Saphir.<br />

3.9.1847 (211/1847), S. 841<br />

Der raisonnirende Rothstift. Von M. G. Saphir.<br />

17


Zur Biographie<br />

15.10.1847 (247/1847), S. 986<br />

Geschwind, was gibt’s in Wien Neues?<br />

20.11.1847 (278/1847), S. 1111<br />

Theater an der Wien. Dem. Alboni.<br />

26.11.1847 (283/1847), S. 1131<br />

Geschwind, was gibt’s in Wien Neues?<br />

18


<strong>Constanze</strong> <strong>Geiger</strong><br />

1.10.1847 (235/1847), S. 937<br />

Wiener Blätter aus dem Album einer Wander-Heuschrecke.<br />

Mitgetheilt von M. G. Saphir<br />

20.11.1847 (278/1847), S. 1112<br />

Theater an der Wien. Vorgestern: Akademie der Dlle. Marietta Alboni, zum Vortheile des Kinderspitals<br />

auf der Wieden.<br />

25.11.1847 (282/1847), S. 1126<br />

Theater an der Wien.<br />

19


Zur Biographie<br />

24.12.1847 (307 u. 308/1847), S. 1228<br />

Geschwind, was gibt’s in Wien Neues?<br />

18.5.1847 (118/1847), S. 471<br />

Geschwind, was gibt’s in Wien Neues?<br />

20


<strong>Constanze</strong> <strong>Geiger</strong><br />

1. u. 2.12.1847 (287 u. 288/1847), S. 1146<br />

Der raisonnirende Rothstift. Von M. G. Saphir.<br />

11.12.1847 (296/1847), S. 1182<br />

Jokofes Probeblatt des „Humoristen“ für 1848. Von M. G. Saphir.<br />

21


Zur Biographie<br />

Apropos: Verurteilung von Moritz Gottlieb Saphir<br />

Moritz Gottlieb Saphir wurde wegen Ehrenbeleidigung der 12-jährigen<br />

<strong>Constanze</strong> <strong>Geiger</strong> am 6.3.1848 zu drei Monaten Arrest verurteilt.<br />

Die Beweggründe – das waren neun im Jahr 1847 im Humoristen<br />

publizierte Passagen – wurden von der Magistrats-Kanzlei am 13.3.<br />

protokolliert, an dem Tag, an dem die Revolution in Wien begann.<br />

Die Strafe wurde wegen „Mangel an Tatbestand“ am 31.3.1848<br />

verworfen. Der nachfolgende Bericht wurde publiziert in: Heinrich<br />

Reschauer. Das Jahr 1848. Geschichte der Wiener Revolution. 1. Band.<br />

Verlag von R. v. Waldheim. Wien 1872, S. 251–254.<br />

Dieser Beitrag ist von der Einleitung und vom Schluss abgesehen<br />

gleichlautend mit einem Bericht in Das Panier des Fortschrittes,<br />

12.4.1848 (6/1848), S. 41–44, und in Die Gegenwart, 14.4.1848 (87/1848),<br />

S. 346f.<br />

Das Panier des Fortschrittes, 12.4.1848 (6/1848), S. 41–44:<br />

Ein Preßfall der neuesten Zeit<br />

oder<br />

Wie weit kann man den Begriff von Schmähschriften ausdehnen?<br />

Nicht umsonst hat sich die gesammte Presse Österreichs über so viele<br />

Bestimmungen des Preßgesetzes aufgehalten, und namentlich wurde<br />

die Unbestimmtheit des Begriffs: „Schmähung, Verhöhnung“ von<br />

allen Blättern gerügt, besonders da er sowohl bei dem Strafansatze<br />

auf die Beleidigung Sr. Majestät, Seiner Familienmitglieder, auch der<br />

Constitution, der Staatsverwaltung und ihrer Diener vorkommt. Ich<br />

habe nun Gelegenheit in einem vorgekommenen individuellen Falle,<br />

den ich mir vom Herrn Redacteur des „Humoristen“ Moriz Saphir<br />

zu verschaffen wußte, zu zeigen, wie weit Ungeschicklichkeit, um<br />

nicht zu sagen Absichtlichkeit, das Wort „Schmähschrift“ ausdehnen<br />

kann, das im §. 237 des II. Theils unseres Strafgesetzbuches in folgender<br />

Fassung vorkommt: „Wenn Jemand durch Schmähschriften oder<br />

durch bildliche Schilderung, von was immer für einer Gattung, es<br />

sey namentlich oder durch auf ihn bestimmt und einzeln anwendbare<br />

Kennzeichen dem öffentlichen Spotte ausgesetzt wird. Die Strafe ist<br />

Arrest von einem bis drei Monaten.“ Als Subsumtion unter dieses<br />

Gesetz liegt nun folgender Thatbestand vor:<br />

Herr Saphir hatte in seinem vorjährigen Humoristen folgende Stellen<br />

nach und nach aufgenommen:<br />

Nr. 207 „und der erstaunten Welt erzählen“: <strong>Constanze</strong> spielt Clavier.<br />

Nr. 211. Von dem Weizen in Döbling und vom „lieben Constanzchen“<br />

haben wir schon so lange nichts gehört! Bitte, bitte! Etwas vom<br />

Weizen in Döbling!<br />

Nr. 235. Hier weint man so wenig darüber, daß ein Stanzchen aus<br />

dem Generalbasse eine Korporal-Composition zusammenzappelt?<br />

22


<strong>Constanze</strong> <strong>Geiger</strong><br />

Nr. 251. Die deutsche Sprache hat eine große Ehrenrettung erhalten,<br />

ihr zu Ehren wählen die unverschämten lobhudelnden Berichterstatter<br />

über musikalische Wechselbälge nicht mehr: Wunderkinder,<br />

sondern prodège musicale.<br />

Nr. 276. Im Theater an der Wien findet heute eine Wohlthätigkeits-Akademie<br />

Statt, welche Dlle. Alboni veranstaltet und in der sie<br />

selbst mitwirkt.<br />

Nr. 278. Dlle. Alboni sang aber auch noch ein deutsches „Schlummerlied“<br />

von C. G. Wer ist C. G.? fragte ich mich. Etwa „Christoph<br />

Gluck,“ oder „Capellmeister Gyrowetz,“ oder „Carl Gollmik?“ –<br />

„Curioses Geheimniß!“ Dieses große Räthsel wurde mir erst bei der<br />

Production von der kleinen Constantia <strong>Geiger</strong> gelöst, welche ihre<br />

Komposition selbst begleitete, und sich auch selbst überzeugen mochte,<br />

daß das Publikum noch lange zu warten die Absicht hat, bis es sich<br />

mit ihren Übungen in der Öffentlichkeit befreunden wird.<br />

Nr. 282. Auch die Walzer der <strong>Constanze</strong> <strong>Geiger</strong>, welche dem Publicum<br />

aufgenöthigt wurden, gingen spurlos vorüber.<br />

Nr. 288. Die Königin Pomara hat sich entschlossen – Hemden zu<br />

tragen, auch für ihre weitere Cultur wird gesorgt, sie soll auch schon<br />

die Walzer der <strong>Constanze</strong> <strong>Geiger</strong> vom Blatte spielen.<br />

Nr. 296. Hier fand sich folgendes<br />

Schlummerlied an ein Wunder-Walzer-Wutzerl.<br />

Eiapopeia, was gackert im Stall?<br />

Ganserl, das gackert für morgigen Ball!<br />

Schlumm’re, mein Wutzerl,<br />

O schlumm’re nur süß –<br />

Hier hast Du ein Sutzerl<br />

Wie alle Genies!<br />

Für Lind und für Lutzerl<br />

Komponiren wir dies!<br />

Denn in Dir, mein Stutzerl,<br />

Lebt Beethoven und Ries!<br />

D’rum schlumm’re, mein Plutzerl,<br />

Kriegst morgen Anis!<br />

Nun schritt der löbliche Magistrat als Gericht in schweren Polizeiübertretungen<br />

zur Untersuchung gegen Hrn. Saphir, welche vom<br />

Herrn Magistratsrathe Zeilner geleitet ward, und folgendes<br />

Urtheil<br />

zur Folge hatte:<br />

„Von dem Magistrate der k. k. Haupt- und Residenzstadt Wien als<br />

Behörde in schweren Polizei-Übertretungen wird über die mit dem<br />

Herrn Moriz Saphir am 15. Februar angefangene und am Heutigen<br />

geschlossene Untersuchung mit Vorbehalt des binnen 24 Stunden<br />

anzumeldenden Recurses (Gnadenweges) zu Recht erkannt:<br />

23


Zur Biographie<br />

Derselbe sey der Ehrenbeleidigung durch Verfassung und Verbreitung<br />

von Schmähschriften als schwere Polizei-Übertretung nach<br />

§§. 237 und 238. II. Th. schuldig und solle deßhalb durch drei Monate<br />

im Arreste angehalten werden.<br />

Wien den 6. März 1848.“<br />

Beweggründe.<br />

Nach dem gewöhnlichen Sprachgebrauche bedeutet Ehre, das vortheilhafte<br />

Urtheil Anderer, von dem Guten, welches wir an uns haben,<br />

– oder auch die Anerkennung desselben durch Andere. – Dieses Gute<br />

kann entweder bestehen in unserem Bestreben überhaupt, rücksichtlich<br />

der Lebens- und gesetzlichen Verhältnisse in Ordnung zu seyn<br />

– oder es kann in besonderen Eigenschaften und Geschicklichkeiten<br />

bestehen, die wir an uns nach dem Zeugnisse Anderer haben; – Derjenige,<br />

welcher gegen dieses Gute, das wir in einer oder der anderen<br />

Beziehung an uns haben, thätig auftritt, greift unsere Ehre an oder<br />

verletzt dieselbe.<br />

Diese Angriffe sind entweder 1. der Art, daß sie uns Unvollkommenheiten,<br />

welche in höherem oder geringerem Grade gegen die bürgerliche<br />

oder gesetzliche Ordnung streiten, geradezu beilegen, oder<br />

2. daß sie sich Mühe geben, gute Eigenschaften, welche wir an uns<br />

haben, entweder als Thorheiten, oder um sie wirklich zu bezweifeln,<br />

durch witzige, beißende Worte Andern bemerklich zu machen, mit<br />

dem Zwecke sich und Andere damit zu belustigen, d. h. uns damit<br />

lächerlich und zum Gegenstande des Spottes zu machen.<br />

Diese Begriffe von Ehre liegen den dießfälligen gesetzlichen Anordnungen<br />

im Strafgesetze zum Grunde – und die Ehre gegen solche Angriffe<br />

zu schützen, ist der Zweck der §§. 188 I. Th. St. G., dann 234,<br />

235 u. 236 II. Th. St. G. rücksichtlich der ersteren Art, des §. 237<br />

II. Th. St. G. rücksichtlich der letzteren Art.<br />

Daß die Angriffe Saphir’s gegen Joseph und <strong>Constanze</strong> <strong>Geiger</strong> zu<br />

dieser 2. Art gehören, liegt am Tage; – und da Saphir in der 11. Antwort<br />

seines Verhörsprotocolles angibt, daß er sich über das Talent<br />

der <strong>Constanze</strong> <strong>Geiger</strong> weder beifällig noch abfällig ausspreche,<br />

daß ihm aber die Masse der Artikel in den Journalen über dieselbe,<br />

unverhältmäßig gegen jene, über langjährig anerkannte Talente<br />

erscheinen, so ist unzweifelhaft, daß jene der oben angeführten Artikel,<br />

worin er die <strong>Constanze</strong> <strong>Geiger</strong> nennt, nicht den Zweck haben<br />

könne, sie zu loben, und daß dieß von den andern Artikeln, worin<br />

bloße Kennzeichen, welche auf sie Beziehung haben, vorkommen,<br />

noch weniger der Fall seyn kann; sondern daß Saphir’s Bestreben<br />

vielmehr in allen Artikeln dahin ging, durch witzige oder beißende<br />

Worte oder Wendungen bei jeder möglichen Gelegenheit, die von<br />

Andern als gut anerkannten Eigenschaften der <strong>Geiger</strong> auf solche Art<br />

darzustellen, daß sie ein Gegenstand der Belustigung und des Spottes<br />

werden, wodurch, wenn schon nicht gleich anfangs, doch sohin bei<br />

24


<strong>Constanze</strong> <strong>Geiger</strong><br />

fortwährender Wiederholung doch zum Theil die Meinung von einer<br />

thörichten Eitelkeit oder Eigendünkel dieses Kindes begründet, und<br />

zugleich weil die <strong>Geiger</strong> dießfalls ihr Wirken und ihre Handlungen<br />

nicht selbst bestimmen kann, sondern von ihren Ältern und insbesondere<br />

von ihrem als Compositeur bekannten Vater geleitet wird,<br />

– auch diesen von der öffentlichen Meinung wenigstens theilweise<br />

der Vorwurf einer thörichten Eigenliebe, einer Überschätzung des<br />

Talentes seines Kindes oder einer ärgerlichen Prahlsucht treffen muß.<br />

Die Behauptung Saphir’s, daß <strong>Constanze</strong> ein hier gewöhnlicher<br />

Name sey, kann wohl als unrichtig bezeichnet werden, da derselbe<br />

hier gerade zu den selteneren gehört; wenn er, wie er sagt, ihn zufällig<br />

gewählt hat, warum wiederholt er denselben in drei Artikeln?<br />

– Nr. 207, 211, 235 – warum legt er ihn einem Mädchen bei, welches<br />

Clavier spielt, den Generalbaß lernt und componirt? warum spricht<br />

er nicht von einer <strong>Constanze</strong>, welche singt oder declamirt oder tanzt?<br />

– offenbar darum, weil das Clavierspiel und das Componiren nur<br />

auf die <strong>Constanze</strong> <strong>Geiger</strong> bezeichnend passen, und weil der Leser,<br />

da sonst öffentlich von keinem solchen Mädchen die Rede war, sie<br />

dadurch erkennen kann und soll.<br />

In der Recension über das Concert vom 18. November 1847, Nr. 278<br />

(deren Verantwortung Saphir auf sich nahm) will er nur schonend sagen,<br />

daß das Lied und das Auftreten der <strong>Geiger</strong> nicht gefallen habe. –<br />

Wenn dieß wirklich der Fall gewesen wäre, warum und wozu bedient<br />

sich der Referent der spöttischen Exposition wegen des Räthsels?<br />

Diese Darstellung und der Schluß kann wohl auch keinen andern<br />

Zweck haben, als um dieses öffentliche Auftreten der Constantia<br />

<strong>Geiger</strong> als eine thörichte Eitelkeit lächerlich zu machen. – Wenn Saphir<br />

seine Anekdote (Nr. 287) von der Königin Pomare ein Compliment<br />

für die <strong>Geiger</strong> nennt, so muß man wohl sagen, daß er selbst mit<br />

dem Gericht sich Scherz erlaubt, denn eine Lächerlichkeit würde es<br />

wohl seyn, wenn in der That eine in Jahren vorgerückte Australierin,<br />

welche nicht einmal Strümpfe trägt, in ihrem Lande das Clavierspiel<br />

lernen wollte, und insbesondere Wienertänze; – nun hat Saphir diese<br />

Lächerlichkeit erdichtet, aber gewiß nicht um Pomare, mit welcher<br />

er wohl in keiner Verbindung stehen wird, sondern um die <strong>Geiger</strong><br />

mit ihrer Composition lächerlich zu machen, was um so deutlicher<br />

wird, da Saphir zugesteht, daß er mit der Notiz von der Neu-Yorker<br />

Schnellpost (Nr. 12) eine Satyre auf die Journale deßhalb machen<br />

wollte, weil sie so viele Artikel über die <strong>Geiger</strong> bringen; diese seine<br />

Erklärung kann aber für den unbefangenen Leser wohl keinen andern<br />

Sinn haben, als daß er auf die <strong>Geiger</strong> selbst eine Satyre machen<br />

wollte, – denn hätte er wirklich nur die Journale darüber angreifen<br />

wollen, daß sie über minder bedeutende Gegenstände viel schreiben,<br />

so hätte er, wie im Blatte Nr. 207 vorkommt, eine Menge andere<br />

Beispiele, ohne alle persönliche Beziehung, anführen können, z. B.<br />

25


Zur Biographie<br />

von den Droschken, vom Waizen ec. ec. und nicht nöthig gehabt,<br />

die <strong>Geiger</strong> allein herauszuheben, und zwar um die Wendung desto<br />

beißender zu machen, nach seinem sowohl dem Redacteure als einem<br />

Blatte gespendeten Lobe, welches sich nur mit ernsten politischen Gegenständen<br />

befaßt, und welches in Neu-York wirklich sehr geschätzt<br />

war, wegen Mangels von Nachrichten über ein Kind aus Wien aber an<br />

seinem Werthe verloren hat.<br />

Was das Spottgedicht in Nr. 276 betrifft, so wird im Humoristen 278<br />

ausdrücklich angeführt, daß Const. <strong>Geiger</strong> auf Grillparzer’s Text ein<br />

Schlummerlied componirt, welches Alboni vortrug und sowohl im<br />

Humoristen Nr. 282–287 als in anderen Blättern wurden gleichzeitig<br />

die Walzer der <strong>Geiger</strong> besprochen, und im Wanderer insbesondere<br />

erwähnt, daß sich ein französisches Blatt über die <strong>Geiger</strong> des Ausdruckes<br />

prodége musicale bediente, – worauf 4 Tage später der Humorist<br />

Nr. 251 bemerkt, daß man musikalische Wechselbälge (worunter in der<br />

Volkssprache ein ungerathenes Kind verstanden wird) nun schon der<br />

deutschen Sprache zum Hohn prodége musicale nenne. – Weil nun das<br />

Wort „Wutzerl“ im österreichischen Provinzialismus nur von einem<br />

Mädchen gebraucht wird, und Saphir selbst gesteht, daß dieß Gedicht<br />

ein Spottgedicht auf die Wunderkinder im Allgemeinen seyn soll,<br />

so erhellet hieraus schon, daß mit dem Titel: „An ein Wunder-Walzer-Wutzerl“<br />

allein die <strong>Geiger</strong> unverkennbar bezeichnet ist; – diese<br />

Bezeichnung wird aber durch den Inhalt selbst noch schärfer markirt.<br />

Die zwei ersten Verse sagen, daß das Ganserl Eier legen will für den<br />

Ball, d. i. ein junges Geschöpf weiblichen Geschlechts will etwas zur<br />

Welt bringen für den Ball (Walzer componiren); die Verse 3 – 6 deuten<br />

hin auf die Wohlthat des Schlummers, wovon auch in Grillparzer’s<br />

Gedicht die Rede ist; im 7. – 10. Vers sagt Saphir mit poetischer<br />

Kürze, daß er dieses Gedicht mache, damit das Wutzerl, welches<br />

den Compositionsgeist z. B. des berühmten Beethoven und seines<br />

Schülers Ries besitze, Gelegenheit finde, für eine der berühmtesten<br />

Sängerinnen ein Lied zu componiren, als welche er beispielweise die<br />

Lind und Lutzer anführt.<br />

Wenn nun Saphir rücksichtlich dieses Gedichtes im Gegenhalt der<br />

eben angeführten Bemerkungen zu behaupten sucht, daß er kleine<br />

Kinder meine, mit denen man herumtanze, – daß darin nicht ausgedrückt<br />

sey, daß das Wutzerl Walzer spiele oder componire, – daß<br />

er mit der Anspielung auf Beethoven und Ries nur sagen wolle, daß<br />

er jedes Wunderkind für einen Beethoven oder Mozart halte – und<br />

wenn er ein Mädchen oder die <strong>Geiger</strong> gemeint hätte, nicht von<br />

Beethoven, sondern von einer weiblichen Tonsetzerin, z. B. von der<br />

Malibran hätte sprechen, und der Alboni, welche ihr Lied sang, hätte<br />

erwähnen müssen; – so zeigt sich doch klar, daß Saphir nur zu leeren<br />

Ausflüchten, zu Beschönigungen, gegen allen Sprachgebrauch laufende<br />

Anwendung des Sinnes seiner Worte, und sogar zu Widersprü-<br />

26


<strong>Constanze</strong> <strong>Geiger</strong><br />

chen seine Zuflucht nehmen muß, um das Bezeichnen der <strong>Geiger</strong> in<br />

Abrede stellen zu können; indem er einmal sagt, es sey von tanzenden<br />

Kindern die Rede, und sohin angibt, jedes solche Wunderkind halte<br />

er ironisch für ein großes musikalisches Talent (ohne Zweifel in der<br />

Composition, weil er es für einen Beethoven oder Mozart, die zwei<br />

größten Componisten des Jahrhunderts a priori halte); – und ferner<br />

indem er sagt, dieß Gedicht sey eine Satyre auf Wunderkinder im Allgemeinen,<br />

also ohne Unterschied des Geschlechts, und dann angibt,<br />

es sey damit kein Mädchen gemeint, es könne unter Wutzerl, Ganserl<br />

auch ein Geschöpf männlichen Geschlechts verstanden werden; – ferner<br />

einmal angibt, es sey ein Wischiwaschi ohne alle Beziehung, und<br />

um ein weibliches Compositionstalent zu bezeichnen, hätte er z. B.<br />

die Malibran anführen müssen, – da doch diese bekanntlich nur als<br />

Sängerin berühmt ist! – Wird ferner erwogen, daß die vernommenen<br />

Zeugen einstimmig angeben, daß sie bei Lesung dieser Artikel des<br />

Humoristen, auch wenn bloß der Name <strong>Constanze</strong> erschien, die Beziehung<br />

auf die <strong>Constanze</strong> <strong>Geiger</strong> augenblicklich erkannten, daß dieß<br />

insbesondere bei dem Spottgedichte in Nr. 296 der Fall gewesen wäre;<br />

– weil in jener Zeit in den öffentlichen Blättern immer nur von den<br />

Compositionen ec. der Const. <strong>Geiger</strong> die Rede gewesen wäre; – daß<br />

sie [!] Zeugen selbst den Jos. <strong>Geiger</strong> auf einen oder den andern dieser<br />

Artikel aufmerksam gemacht hätten, und daß sogar an öffentlichen<br />

Orten häufig diese Artikel und die von Saphir darin gegen <strong>Geiger</strong><br />

an den Tag gelegte Gehässigkeit besprochen worden wäre: so dürfte<br />

wohl an seiner Absicht durch alle diese bezeichneten Artikel, den<br />

<strong>Geiger</strong> und seine Tochter dem öffentlichen Spotte preiszugeben, um<br />

so weniger gezweifelt werden, als Saphir die Veranlassung zu diesen<br />

Gehässigkeiten (nämlich wie <strong>Geiger</strong> meint), die nicht vorhinein geschehene<br />

Honorirung eines ihm, <strong>Geiger</strong>, versprochenen anerkennenden<br />

Artikels über seine Oper – ebenfalls nur mit einer Entschuldigung<br />

zu beschönigen sucht, welche mit Rücksicht auf seinen gerade jetzt<br />

mit dem Redacteur des „Zuschauers“ Ebersberg angefangenen Streit<br />

(s. Nr. 28 des Zuschauers ddo. 1848) eine leere Ausflucht genannt<br />

werden kann, weil gerade in diesem Falle von Ebersberg bewiesen<br />

wird, daß Saphir seine Meinung je nach Umständen in seinem Interesse<br />

ändere und heute in seinem Blatte diejenigen angreife, welche er<br />

gestern gelobt habe, und Saphir daher deßhalb und mit Rücksicht auf<br />

die Aussagen der Zeugen und auf seinen mit Theater-Director Pokorny<br />

im Frühjahre 1846 gehabten, in in- und ausländischen Blättern<br />

besprochenen scandalösen, von ihm selbst veranlaßten Streit, welcher<br />

wegen der dabei gegen ihn zur Sprache gekommenen Umstände in<br />

dem Publicum eine allgemeine Indignation über Saphir gegenüber<br />

des von ihm angegriffenen geachteten Pokorny hervorgerufen, und<br />

besonders in einem Aufsatze der allgemeinen Zeitung vom 16. Februar<br />

1846 eine scandalöse Schilderung seines Characters zugezogen<br />

27


Zur Biographie<br />

hat – allerdings sich als einen Mann darstellet, welchen die Ausübung<br />

einer solchen Gehässigkeit gegen <strong>Geiger</strong> wegen einer in pecuniärer<br />

Hinsicht getäuschten Hoffnung zugemuthet werden kann.<br />

In Würdigung aller dieser Umstände und der Verantwortungen Saphir’s<br />

zeigt sich auch, wie wenig Rücksicht seine Angabe verdient,<br />

daß er in dem Aufsatze Engel’s in Nr. 260 keine Beziehung auf die<br />

Familie <strong>Geiger</strong> erkannt habe, und zwar um so mehr, als er zugesteht,<br />

daß er darin eine Satyre auf die musikalischen Wunderkinder erkannte;<br />

als er selbst um diese Zeit kurz vorher und nachher namentliche<br />

und sonst bezeichnende Ausfälle auf die <strong>Constanze</strong> <strong>Geiger</strong> schrieb<br />

und zum Erstaunen Engel’s selbst – diesen Aufsatz sogleich in Druck<br />

legen ließ, offenbar deßhalb um jede Gelegenheit, diese Familie öffentlich<br />

zu verspotten, schnell zu ergreifen, wozu noch kommt, daß<br />

auch dieser Aufsatz dem <strong>Geiger</strong> von einer dritten Person zugesendet<br />

wurde, um ihn von der Beleidigung in Kenntniß zu setzen und zu<br />

gerichtlichen Schritten aufzufordern. – Hier kann nicht unbemerkt<br />

bleiben, daß einerseits die Ehre eines Andern auch durch Leichtsinn<br />

und Unüberlegtheit angegriffen werden kann, worauf die §§. 237, 241,<br />

242, 243, 244, II. Th. St. G. B. hindeuten, daß mithin gegenüber der<br />

§§. 234 – 236 und insbesondere des §. 188, I. Th. des St. G. die Absicht<br />

des Angreifenden bei Handlungen in Beziehung auf diese letztern Paragraphe<br />

wohl von einer ganz andern Beschaffenheit sein kann als bei<br />

den §§. 237, 241 ec. – daß aber auch dem rechtlichen Manne, welcher<br />

sich im Kreise seiner Mitbürger einer gewissen Achtung erfreut, es<br />

jedenfalls schon eine bittere Kränkung seyn muß, wenn er, oder ein<br />

Glied seiner unbescholtenen Familie in einem öffentlichen Blatte wiederholt<br />

auf eine solche Art besprochen wird, welche ihn mindestens<br />

zum stehenden Gegenstande der allgemeinen Belustigung oder zum<br />

Stichblatte der witzigen Laune eines Andern stämpelt, er dadurch in<br />

die Lage versetzt wird, daß selbst ganz unbefangene Personen, wenn<br />

sie nach der Hand mit ihm in persönliche Berührung kommen, mit<br />

zuckenden Gesichtsmuskeln sich daran erinnern, daß dieß derjenige<br />

sey, über welchen sie unbekannter Weise schon so viel gelacht haben!<br />

Nachdem nun dem Angeführten zufolge diese Artikel, in welchen<br />

theils der Name <strong>Geiger</strong> erscheint, theils solche Kennzeichen angegeben<br />

werden, welche einzeln und bestimmt nur auf <strong>Constanze</strong> <strong>Geiger</strong><br />

passen, offenbar den Zweck haben, diese Personen öffentlich lächerlich<br />

zu machen, – Saphir diesen Zweck theilweise selbst zugesteht,<br />

theils aber bloß durch beschönigende Auslegungen zu verdrehen<br />

sucht, und zur Widerlegung der, aus den einzelnen, bestimmten und<br />

auf die <strong>Constanze</strong> <strong>Geiger</strong> passenden Kennzeichen, deutlich erhellenden<br />

Beziehung auf diese Person nur zu leeren Ausflüchten, zu Beschönigungen,<br />

gegen allen Sprachgebrauch streitenden Anwendungen des<br />

Sinnes einzelner Worte – ja sogar dazu seine Zuflucht nehmen muß,<br />

das Schlummerlied, dessen Sinn doch ganz klar mit einfachen Worten,<br />

28


<strong>Constanze</strong> <strong>Geiger</strong><br />

wie oben gezeigt wurde, in Prosa gegeben werden kann, ein „Wischiwaschi“<br />

ohne Beziehung (was eben so viel wäre als einen „Unsinn“) zu<br />

nennen und sowohl hiebei als rücksichtlich anderer Artikel mit sich<br />

selbst in offenbare Widersprüche geräth, so muß derselbe der Schmähung<br />

<strong>Geiger</strong>’s und seiner Tochter im Sinne des §. 237 und in Betreff<br />

des Aufsatzes des L. Engel in Nr. 260 der Verbreitung einer Schmähschrift<br />

nach §. 238. II. Th. St. G. und zwar nach §. 359 für rechtlich<br />

überwiesen gehalten werden, und verfällt demnach in jeder dieser<br />

beiden Beziehungen in die Strafe des Arrestes von 1 – 3 Monaten.<br />

Als mildernd kann nur angeführt werden, daß dieß der erste Fall der<br />

hierortigen Abstrafung ist; –<br />

Erschwerend ist, daß er als Urheber und Verbreiter erscheint, daß er<br />

in erster Beziehung die Übertretung so oft wiederholte und sich bei<br />

seinen Verantwortungen Umtriebe erlaubte.<br />

Wien, den 13. März 1848<br />

Pr. Magistrats-Kanzlei.<br />

Merkwürdig ist, daß die Expedition der Abschrift des Urtheils an<br />

jenem Tage erfolgte, an welchem sich das Maß der Geistesunterdrückung<br />

vollgefüllt hatte und die schönere Sonne zu leuchten begann,<br />

die denn auch für Herrn Saphir eine frohere Zeit brachte, denn über<br />

seinen Recurs hat die hohe Landesstelle mit Decret vom 30. März<br />

Z. 15539 hieher eröffnet, daß den mit Bericht vom 20. März vorgelegten<br />

Recursen des M. G. Saphir und Ludwig Engl gegen die<br />

nach den §. 237 u. 238 II. Th. Str. G. geschöpften Strafurtheile vom<br />

6. März Folge gegeben und die letzteren wegen Mangels des Thatbestandes<br />

einer schweren Polizei-Übertretung aufgehoben wurden.<br />

* * *<br />

In Heinrich Reschauers Das Jahr 1848. Geschichte der Wiener Revolution<br />

endet der Bericht mit folgenden Worten: „Dieses Urtheil wurde<br />

Saphir schon um 4 Uhr Nachmittags, also gerade in der Stunde zugestellt,<br />

während welcher in der Herrengasse die ersten Schüsse gefallen<br />

waren. Der Amtsdiener, der es ihm in’s Haus brachte, theilte ihm mit,<br />

daß er beim Landhause sich aufgehalten, und in Gefahr war, erdrückt<br />

zu werden. ,Mir scheint‘, sagte der Diener zu Saphir, ,daß Sie Ihre<br />

drei Monate nicht werden absitzen müssen.‘ – ,Wir haben eine Menge<br />

hoher Herren in Wien,‘ erwiderte Saphir lachend, ,ich werde Einen<br />

davon bitten, daß er die drei Monate auf sich nimmt.‘ Ueber Saphir’s<br />

Rekurs gegen das magistratische Strafurtheil wurde, wohl in Folge<br />

der ,geänderten Zeitverhältnisse‘, unterm 30. März von der Landesstelle<br />

entschieden, daß dieses Urtheil wegen Mangel des Thatbestandes<br />

einer schweren Polizei-Uebertretung aufzuheben sei . . .“ 38<br />

38 Reschauer. Das Jahr 1848, S. 254.<br />

29


Zur Biographie<br />

Apropos: Theresia <strong>Geiger</strong>, <strong>Constanze</strong> <strong>Geiger</strong>s Mutter (I)<br />

Wiener Katzenmusik, 26.7.1848 (33/1848), S. 130: „<strong>Geiger</strong>iana. Wir<br />

hatten einige Karrikaturen auf <strong>Constanze</strong> <strong>Geiger</strong>, das weltberühmte<br />

Wunderkind gebracht, und haben dadurch den Zorn ihrer berühmten<br />

Mutter auf uns gezogen. Was thut das Racheglühende Heldenweib?<br />

Die neue Brunhilde berief meinen Bruder Carl Engländer, einen<br />

Wirth, zu sich und ersuchte ihn, mich [d. i. Sigmund Engländer] zu<br />

warnen, daß ich nichts mehr gegen sie aufnehme, sonst würde man<br />

ihm (!) eine Katzenmusik bringen (wobei gewiß die Compositonen<br />

[!] der <strong>Constanze</strong> <strong>Geiger</strong> aufgeführt würden) und mich würde man<br />

halbtodt prügeln. In ihrer Naivität gesteht sie ihm, daß schon einige<br />

Tage mehrere Ehrenmänner mir aufpassen, um mich durch diese<br />

wohlmeinende Züchtigung auf einen bessern Weg zu bringen. Frau<br />

<strong>Geiger</strong> ließ mir durch meinen Bruder noch sagen, daß ich jetzt noch<br />

Zeit habe, denn da sie mit den Verhältnissen in Inspruck und Ischl<br />

sehr bekannt sei, so wisse sie, daß es bald in Wien anders stehen werde.<br />

Die Carrikatur auf ihr Töchterlein möge aber von dem Wagen der<br />

Colporteure der Katzenmusik herabgenommen werden, sonst werde<br />

es mir so gehen, wie Herrn Gritzner. Zuletzt sagte sie zu meinem<br />

Bruder: wenn er mich bestimme, nichts mehr gegen ihr reactionäres<br />

Treiben zu schreiben, so könne sich seine Frau eine wunderschöne<br />

Haube oder was sie sonst wolle, bei ihr aussuchen. […]“<br />

Wiener Katzenmusik, 1.8.1848 (38/1848), S. 150: „Herr Gritzner,<br />

Mitredakteur der ,Constitution‘ fragt mich in einer der letzten Nummern<br />

seines Blattes, was seine Nahmensanführung bei Gelegenheit<br />

der ehrenwerthen Frau <strong>Geiger</strong> bedeute. Frau <strong>Geiger</strong> ließ mir die Drohung<br />

zukommen, nichts mehr gegen sie zu schreiben, ,sonst werde es<br />

mir so gehen, wie Herrn Gritzner.‘ Hr. Gritzner beliebe daher sich<br />

bei Mad. <strong>Geiger</strong> zu erkundigen, wie es ihm gegangen. Relata retuli.“<br />

Neben all dem brachte das Jahr 1848 dann doch auch ein paar erfreuliche Ereignisse für<br />

<strong>Constanze</strong> <strong>Geiger</strong>. Die Theaterzeitung berichtete im Mai, dass <strong>Constanze</strong> für die Widmung<br />

des Ave Maria von Kaiserin Maria Anna „ein herrliches Collier nebst Ohrgehängen<br />

in Opalen und Rubinen“ 39 zum Geschenk erhalten habe. Auch wurde <strong>Constanze</strong><br />

wieder Widmungsträgerin: Anton Komenda, der Organist von Stift Klosterneuburg,<br />

der auch als Komponist tätig war und ehemals Joseph <strong>Geiger</strong> unterrichtete, widmete<br />

ihr ein Stabat Mater, das am 13.8.1848 in der Peterskirche aufgeführt wurde 40 .<br />

Ende 1848 erschien eine neue Komposition von <strong>Constanze</strong> <strong>Geiger</strong> – mittlerweile<br />

13-jährig – unter dem Titel Das Fuchslied als Trauermarsch. Das „Fuchslied“ ist ein<br />

39 AWT, 6.5.1848 (109/1848), S. 439.<br />

40 Wanderer [Der Demokrat], 18.8.1848 (197/1848), S. 4.<br />

30


<strong>Constanze</strong> <strong>Geiger</strong><br />

seinerzeit bekanntes Studentenlied; die Komponistin verarbeitete es, geprägt von<br />

Eindrücken der Revolution, in Moll. Das Werk gelangte erstmals in der Alser<br />

Kaserne, gespielt von der Kapelle des Infanterie-Regiments Nr. 35 „Franz Graf<br />

Khevenhüller-Metsch“ unter der Leitung von Joseph Alscher, zur Aufführung. Ein<br />

„neuer Walzer“ <strong>Constanze</strong>s, der im Dezember 1848 zwischen den beiden Akten eines<br />

Theaterstücks im Carltheater aufgeführt wurde, war ein Misserfolg. Offenbar war<br />

die Stimmung im Haus durch die nicht ansprechende Theateraufführung derart gedrückt,<br />

dass auch der Walzer – obwohl in einigen Zeitungen danach mit positiven<br />

Worten bedacht – keinen Applaus bekam. Der wie immer bei <strong>Constanze</strong> <strong>Geiger</strong> negativ<br />

berichtende Humorist schrieb sogar, dass es ein einhelliges Zischen gegeben hätte.<br />

Im Februar 1849 trat <strong>Constanze</strong> erstmals öffentlich als Klaviersolistin auf. Sie<br />

spielte in einem von ihrem Vater veranstalteten Benefizkonzert in Olmütz, bei<br />

dem auch der Tenor Joseph Erl sowie der <strong>Geiger</strong> Georg Hellmesberger mitwirkten,<br />

zwei kurze Stücke. Der Wanderer und die Theaterzeitung berichteten von ihrem vollen<br />

und kräftigen Anschlag und davon, dass sie das Publikum durch die Schönheit,<br />

Zartheit und Poesie ihres Spieles entzückte; der Humorist schrieb demgegenüber<br />

von einem Fiasko. Auch ein weiterer Auftritt <strong>Constanze</strong>s als Pianistin, nur einen<br />

Monat später im Carltheater in Wien, wurde kontrovers diskutiert. Sie trat gemeinsam<br />

mit ihrem berühmten Klavierlehrer Carl Maria von Bocklet auf, beide<br />

spielten 4-händig ein Variationswerk von Henri Herz. Während die Geißel, die<br />

Theaterzeitung und der Zuschauer aus diesem Anlass über den vielversprechenden<br />

Fortschritt, den ausgezeichneten Anschlag sowie über die tiefe Gefühlsinnigkeit<br />

und herzgewinnende Anmuth von <strong>Constanze</strong>s Spiel berichteten, urteilten andere<br />

Blätter gegenteilig: der Humorist sprach von „Schülerhaftigkeit“, die ausgezischt<br />

wurde; im Journal des Österreichischen Lloyd war von „sich lächerlich machen“ die<br />

Rede; die Ost-Deutsche Post warf <strong>Constanze</strong> vor, „die Variationen grauenhaft herunterzuklimpern“.<br />

Auch stellte der Humorist die Frage, was den führenden Beethoven-Interpreten<br />

Bocklet bewogen haben könnte, einer Schülerin ein so schlechtes<br />

Werk „herunterleiern zu helfen“.<br />

Am 5.9.1849 wurde <strong>Constanze</strong> <strong>Geiger</strong>s Lied Das kranke Vöglein von der berühmten<br />

Sopranistin Anna Zerr als Einlage während der „Gesangsstunde“ im 1. Akt von<br />

Rossinis Der Barbier von Sevilla an der Hofoper, dem Kärntnerthortheater, gesungen.<br />

In dieser Zeit erschien im Verlag Haslinger eine Lithographie mit dem Porträt<br />

von <strong>Constanze</strong>, gezeichnet von Gabriel Decker. Der Wanderer schrieb darüber:<br />

„Hier kann man wohl sagen, daß Zeichnung und die Gezeichnete gleich schön<br />

seien.“ 41 Der Zuschauer kommentierte: „Die Tageblätter machen mit Recht auf<br />

eine der letzten Leistungen des berühmten Porträtmalers Decker: das sehr gelungene<br />

Bild der jugendlichen Künstlerin <strong>Constanze</strong> <strong>Geiger</strong>, aufmerksam. Frappante<br />

Aehnlichkeit ist nicht allein der Vorzug desselben; es ist dem Künstler gelungen,<br />

41 Wanderer, 23.8.1849 (220/1849), S. 1318.<br />

31


Zur Biographie<br />

Unschuld, Seelenfrieden und Kindlichkeit, von dem Lichte des Genius der Kunst<br />

übergossen, in den freundlichen Zügen, in der anspruchslosen Haltung unserer<br />

lieblichen <strong>Constanze</strong> wiederzugeben. Nicht bloß die Verehrer und Freunde der<br />

talentvollen Tonsetzerin und Pianistin, auch der Kenner und Freund der Kunst<br />

betrachtet dieses Bild mit Vergnügen. […]“ 42<br />

Die Familie <strong>Geiger</strong> hatte mittlerweile eine neue Adresse, diesmal für längere Zeit,<br />

und zwar im Haus Stadt Nr. 6 43 (heute: 1., Schauflergasse 3).<br />

Apropos: Publizistische Kontroversen um <strong>Constanze</strong><br />

<strong>Geiger</strong> in den Jahren 1848 und 1849<br />

In den Jahren 1848/49 trugen erneut einige Wiener Zeitungen und Zeitschriften<br />

unter anderem wegen <strong>Constanze</strong> <strong>Geiger</strong> Konflikte aus. Diesmal<br />

gab es eine Reihe satirischer Kommentare der Geißel über Moritz<br />

Gottlieb Saphir und dessen satirische Zeitschrift Der Humorist, in der<br />

laufend geringschätzende Kommentare über <strong>Constanze</strong> <strong>Geiger</strong>s Leistungen<br />

veröffentlicht wurden. Die überaus kritischen bzw. polemischen<br />

Kommentare Saphirs zu <strong>Constanze</strong> führten zu Gegenreaktionen nicht<br />

nur in der von Johann Franz Böhringer redigierten Geißel, sondern auch<br />

in den im betreffenden Zeitraum von Johann Baptist Weis bzw. Anton<br />

Langer redigierten Komischen Briefen des Hans-Jörgels von Gumpoldskirchen<br />

an seinen Schwager Maxel in Feselau. Beide Blätter bemühten sich teilweise<br />

um eine Verteidigung <strong>Constanze</strong> <strong>Geiger</strong>s gegen Saphirs Angriffe, teilweise<br />

setzten sie sich aber auch grundsätzlich mit Saphirs Auffassung<br />

von Kritik und von satirischem Schreiben auseinander.<br />

Humorist, 8.12.1848 (268/1848), S. 1102: „Der Papst soll deshalb aus<br />

Rom entflohen sein[ 44 ], weil man ihm berichtete, <strong>Constanze</strong> <strong>Geiger</strong><br />

wolle ihm ihre komponirte Messe dorthin senden.“<br />

Humorist, 21.12.1848 (279/1848), S. 1150: „<strong>Constanze</strong> <strong>Geiger</strong>, das<br />

,Wunderwalzerwutzerl,‘ hat einen ,Trauermarsch‘ komponirt, in<br />

welchem sie das ,Fuchslied‘ einwebte! Wenn eine betrunkene Steinforelle<br />

sich mit einem überschnappten Juftenstiefel vermählt, und<br />

dieses Paar einen wahnsinnigen Polentastrudel erzeugt, welcher sich<br />

wieder mit einer blödsinnigen Pudelmütze verbindet, und wieder<br />

eine gehirnverbrannte Schwarzwälder-Amsel zur Welt setzt, so kann<br />

diese in ihrer geistreichen Stunde nichts Genialeres hervorbringen,<br />

als in einen ,Trauermarsch‘ das ,Fuchslied‘ einzuweben! Daß aber das<br />

Zeugs doch gelobt wird, freut jeden Patrioten, denn man sieht daraus,<br />

daß der Geldmangel noch nicht so allgemein ist, wie man glaubt.“<br />

42 Zuschauer, 30.8.1849 (199/1849), S. 1592.<br />

43 WZ, 13.7.1849 (165/1849), S. 1945.<br />

44 Papst Pius IX. war im November 1848 wegen revolutionärer Erhebungen aus dem Vatikan geflohen.<br />

32


<strong>Constanze</strong> <strong>Geiger</strong><br />

Humorist, 13.3.1849 (61/1849), S. 248: „[…] der Rabenvater [läßt]<br />

den Ruhm seines Kindes in Journalen, die ihm willfähig sind, gleich<br />

den Goldberger’schen Rheumatismus-Ketten, ausposaunen. Thatsache<br />

ist, daß <strong>Constanze</strong> <strong>Geiger</strong> in Ollmütz Fiasko machte, […].“<br />

Humorist, 23.3.1849 (70/1849), S. 288: „[…] P. Er fürchtete, ,<strong>Constanze</strong><br />

<strong>Geiger</strong>‘ gibt noch eine ,Akademie!!‘“<br />

Die Geißel, 3.4.1849 (79/1849), S. 316: „(Unerklärlich!) Hr. Saphir<br />

bezeichnet im Sonntagsblatte seines Humoristen unser liebes Wien<br />

als eine große ,Armee-Colonie.‘ Für Leute, wie Hr. Saphir, die ihren<br />

Witz zu Gelde machen müssen, ist in einer Armee-Colonie wahrlich<br />

nichts zu holen; und ebendeßhalb ist es unerklärlich, warum Hr. Saphir<br />

mit seinem Witz nicht nach Californien geht. Dort würde man<br />

vielleicht jede Wortverrenkung, und jeden pöbelhaften Ausfall auf<br />

<strong>Constanze</strong> <strong>Geiger</strong> mit Gold aufwiegen.“<br />

Die Geißel, 10.4.1849 (84/1849), S. 336: „(Ein vollgiltiger Grund.)<br />

Man will aus guter Quelle wissen, daß eine große Anzahl von Zeitungslesern<br />

beschlossen habe, nach Amerika auszuwandern, und den<br />

Augenblick nicht erwarten könne, welcher sie aus Europa hinausführt.<br />

Als Ursache dieses Entschlusses wird angegeben, daß sie sich<br />

fürchteten, Hr. Saphir werde demnächst wieder einen ungenießbaren<br />

Witz über <strong>Constanze</strong> <strong>Geiger</strong> loslassen, […].“<br />

Humorist, 10.4.1849 (85/1849), S. 348: „[…] über die maßlose und<br />

zuwidere Aufdringlichkeit der talentlosen <strong>Constanze</strong> <strong>Geiger</strong> […].“<br />

Dr. W. —<br />

Die Geißel, 11.4.1849 (85/1849), S. 340: „[…] Oder ist Witz und Humor<br />

erst mit Hrn. Saphir nach Wien gekommen? – Aeltere Wiener<br />

behaupten das Gegentheil. Indeß – um gerecht zu sein – muß man das<br />

Originelle, das Hr. Saphir zu Tage fördert, nicht übersehen, und in<br />

dieser Beziehung anerkennen, daß seine Witze über <strong>Constanze</strong> <strong>Geiger</strong><br />

so originell sind, daß es Niemand wagt, ihm dieselben zu stehlen.<br />

Das wäre ein Diebstahl, den gewiß Jeder bitter bereuen würde, der<br />

ihn beginge.“<br />

Die Geißel, 14.4.1849 (88/1849), S. 352: „[…] Andere behaupten jedoch,<br />

daß es sehr zweckmäßig wäre, gewisse Freiheiten zu beschränken,<br />

z. B. die Freiheit, anstatt Witz und Humor ganz gewöhnliche<br />

Gemeinheit zu Markte bringen zu dürfen. […] die plumpen Ausfälle<br />

auf <strong>Constanze</strong> <strong>Geiger</strong> mit echten Kappelbuben-Schimpfworten (z. B.<br />

Walzer-Wuzerl u. s. w.) sollten denn doch die obige Beschränkung<br />

erleiden. Alle Gebildeten in Wien würden Herrn Saphir für eine Beschränkung<br />

seiner humoristischen (?) Freiheiten danken; davon mag<br />

sich Herr Saphir überzeugt halten!“<br />

Die Geißel, 15.4.1849 (89/1849), S. 356: „[…] Das Publikum würde<br />

Freudenthränen vergießen, wenn es nicht mehr erbärmliche Witze<br />

über <strong>Constanze</strong> <strong>Geiger</strong> [von Moritz Gottlieb Saphir im Humoristen]<br />

zu lesen bekäme, […].“<br />

33


Zur Biographie<br />

Humorist, 4.9.1849 (211/1849), S. 850: „[…] Man wird selbst<br />

dem Wiener Publikum nicht mehr mit dem alten vierzigjährigen<br />

,Schmarn‘ kommen können! […] Lobgesänge auf Jeden, der Stock<br />

oder Szepter, Richtschwert oder Taktirschwert in der Hand hat, werden<br />

nicht mehr ausreichen; Beweise, daß Direktor Carl ein Cato, das<br />

Hofburgtheater eine Muster-Anstalt, <strong>Constanze</strong> <strong>Geiger</strong> ein Génie<br />

und Saphir ein dummer Kerl ist, werden nicht mehr hinreichen, um<br />

ein Publikum zu haben; […]“<br />

Die Geißel, 12.10.1849 (240/1849), S. 960: „Kleine Geißelhiebe. (Saphiriana.)<br />

Nun zweifle Jemand an der Rückkehr des Friedens und der<br />

Ruhe! Saphir hat zum Troste seiner Leser, den Vorrath an Hof[-] und<br />

Nationaltheaterwitzen beinahe erschöpft und kommt auf ein neues<br />

Thema, welches die jugendliche <strong>Constanze</strong> <strong>Geiger</strong> ihm bietet. Ob es<br />

wohl eine possierlichere alte Klatschmirl geben kann, als unsern lieben<br />

Humoristen. Nichts thun ihm die Leute recht, <strong>Constanze</strong> gibt Conzerte<br />

und er schillt sie unbescheiden, sie bedankt sich in harmlosen Worten,<br />

bei einem freundlichen Verehrer ihres Talentes und nun schimpft er<br />

über ihre Bescheidenheit. Armes, junges Geschöpf diesem Witzgreißler<br />

entrinnst du nimmer und er braucht Makulatur, um seine ranzige<br />

Waare darein zu wickeln, deßhalb muß er täglich einen Humoristen<br />

verausgaben. Tröste dich mit dem Hoftheater holde <strong>Constanze</strong> – ohne<br />

Euch Beiden hätte der Humorist schon längst keinen Stoff mehr, um<br />

grobe Worte anzubringen, die er allein für seine Witze hält! –“ Weyl.<br />

Humorist, 9.10.1849 (241/1849), S. 969: „<strong>Constanze</strong> <strong>Geiger</strong> inserirt<br />

in der ,Geißel‘ eine ,Komposition:‘ ,an Herrn Chevalier de S—z,‘ in<br />

welcher sie bei jeder Gelegenheit dem Chevalier (?!) dankt, daß er sie<br />

oft lobt; und dabei sagt, daß sie Gott danke, daß er sie als ,bescheidene<br />

(!) Blume (!) im Stillen (!) duften lasse‘! Unser gute [!] Herrgott wird<br />

überrascht sein! und das Publikum!! <strong>Constanze</strong> <strong>Geiger</strong> eine ,bescheidene<br />

Blume,‘ die ,im Stillen duftet‘!! Ich bitte auszuräuchern!“<br />

Humorist, 21.10.1849 (252/1849), S. 1014: „Man hat gegründete<br />

Hoffnung, Fräulein <strong>Constanze</strong> <strong>Geiger</strong>, die bisher nur als ,aromatisches<br />

Genie‘ (nämlich ,still duftend‘) glänzte, nun auch als ,dramatisches<br />

Genie‘ und zwar als Darstellerin am ,Hoftheater‘ bewundern<br />

und lobpreisen zu können. Die Journalisten machen bereits Queue<br />

bei den Audienzen Ihrer Gestreng der ,Haubenmacherin Mutter.‘“<br />

Jörgel-Briefe, 1849, Heft 44, 2. Brief, S. 23: „[…] Ihr Witz mein lieber<br />

Herr Saphir steht jetzt wirklich schon auf der niedrigsten Stufen,<br />

tief unter den Schusterbuben, die in ihren Witzen viel mehr Politur<br />

habn, als wie Sie. I sag’s bei jeder Gelegenheit, nit allein in meinen<br />

Briefen sondern a mündlich, Sie dauern mi. Es is nix schrecklicher,<br />

als ein Mensch, aus dem die Verzweiflung redt und wann er in dieser<br />

Verzweiflung no Spaß machen muß. Ihr Magen muß a sehr schlecht,<br />

und Ihre Verdauung ganz gestört sein, denn wann’s was verkiefeln<br />

wolln, so müssen Sie’s immer sechs, acht Mal heraufwürgn und wie-<br />

34


<strong>Constanze</strong> <strong>Geiger</strong><br />

der zum nagn anfangen. Holbein, Ebersberg, Hans Jörgel, <strong>Constanze</strong><br />

<strong>Geiger</strong>, Bäuerle u. s. w. die liegn Ihnen immer im Magn, und es is<br />

eine Schand, daß ihr Geist keinen weitern Flug mehr nehmen kann,<br />

als wie das gemeine Falkl, dös seine bekannten Bauernhöf hat, wo<br />

es gewöhnlich niederstößt. Sie habn Witz, Sie haben Geist, dös wird<br />

ihnen ihr [!] Feind nit abstreiten; allein Sie habn keinen Charakter,<br />

und dös is Ihr Unglück. I hab’s Ihnen schon einmal g’sagt, Sie nehmen<br />

aber meinen guten Rath nit an: auf dem Weg, den Sie eing’schlagn<br />

habn, reibn Sie sich selber auf. Sie sein kein Humorist mehr, Sie<br />

gleichen einem Lebensüberdrüßigen, Einem den seine zerplatzende<br />

Gall erstickt, und der wie ein Ertrinkender, dös, was er erfaßt hat, nit<br />

mehr aus den Händen läßt. […]“<br />

Humorist, 8.11.1849 (267/1849), S. 1073: „Theater-Claqueure mit<br />

solchen [hier eingefügt die Karikatur eines Mannes mit übergroßen<br />

Händen] Händen werden zum nächsten Debut der Dlle. <strong>Constanze</strong><br />

<strong>Geiger</strong> im Hoftheater gesucht und honett salarirt. Wo? sagt die ,Weltgeschichte,‘<br />

Schauflergasse, Original-Ausgabe, Seite rechts.“ [Die<br />

Familie <strong>Geiger</strong> wohnte in der Schauflergasse.]<br />

Die Geißel, 13.11.1849 (266/1849), S. 1063: „Nächstens wird die bekannte<br />

jugendliche Compositrice, Fräulein <strong>Geiger</strong>, im Hof- und Nationaltheater<br />

als Czarin im netten Lustspiele: ,die Gefangenen der Czarin‘<br />

auftreten. […] Uebrigens bestimmen die Eltern ihre talentirte Tochter<br />

durchaus nicht für die Bühne; dies vorläufig um galligen Randglossen<br />

geigerfeindlicher Blätter eine vergebliche Mühe zu ersparen.“<br />

Jörgel-Briefe, 1849, Heft 49, 1. Brief, S. 8f: „[…] Der Saphir kummt<br />

mir vor als wie ein Stoßfalkl. Er ziegt seine Kreis und wann er Pränumeranten<br />

braucht, so stürzt er herab, holt sich den Herrn v. Holbein,<br />

die <strong>Constanze</strong> <strong>Geiger</strong>, den Hans Jörgel, den Ebersberg und der wird<br />

zur Ergötzlichkeit des verehrungswürdigen Publikums gerupft.<br />

Das verehrungswürdige Publikum hat halt eine Freud, wenn Einer<br />

g’rupft wird, […].“<br />

Humorist, 25. u. 26.12.1849 (307 u. 308/1849), S. 1235: „Staunend<br />

billig wird in mehreren Zeitungen Dlle. <strong>Constanze</strong> <strong>Geiger</strong> gelobt.“<br />

<strong>Constanze</strong> <strong>Geiger</strong> war im Oktober 1849 14 Jahre alt geworden, und im November<br />

gelangten drei neue Marsch-Kompositionen von ihr – alle unter op. 14 im Verlag<br />

Haslinger erschienen – im Theater in der Josefstadt bei einer Benefizakademie zur<br />

Aufführung. Es waren dies Radetzky-Marsch, Jellachich-Marsch und Welden-Marsch.<br />

Die Ausführung durch eine Regimentskapelle, wie hier geschehen, war wohl viel<br />

passender als die nachfolgende Aufführung im Dezember im Saal der Gesellschaft<br />

der Musikfreunde bei einem Benefizkonzert. Die Besetzung dieser Aufführung,<br />

zwei Klaviere 8-händig, klingt zwar spektakulär, zumal wenn man in Betracht<br />

zieht, dass mit <strong>Constanze</strong> <strong>Geiger</strong> und Nina Stollewerk gleich zwei Komponistin-<br />

35


Zur Biographie<br />

Amalie Haizinger (Lithographie von Josef<br />

Kriehuber, 1855. Gedruckt bei Joseph Stoufs)<br />

Therese Peche (Lithographie von Josef<br />

Kriehuber, 1836. Gedruckt bei Johann Höfelich)<br />

nen am Klavier mitwirkten, allerdings war die Kritik übereinstimmend der Meinung,<br />

dass Märsche nicht am Klavier interpretiert werden sollten. Anfang 1850<br />

kam in der Hofburg bei einem Hofball ein neuer Walzer <strong>Constanze</strong>s unter der<br />

Leitung von Johann Strauß Sohn zur Aufführung, genannt Fantasien-Spiele; die<br />

Theaterzeitung berichtete von viel Beifall.<br />

Am 21.5.1850 debütierte <strong>Constanze</strong> <strong>Geiger</strong> im Saal der Gesellschaft der Musikfreunde<br />

bei einer Theatralischen Benefizvorstellung als Schauspielerin. Sie spielte<br />

die Rolle der Elisabeth, Kaiserin von Rußland in Die Gefangenen der Czarin von<br />

W. Friedrich (d. i. Friedrich Wilhelm Riese). <strong>Constanze</strong> bereitete sich auf diese<br />

Aufgabe durch Unterricht bei den beiden berühmten Burgschauspielerinnen<br />

Amalie Haizinger und Therese Peche 45 vor. Die Theaterzeitung berichtete, dass<br />

<strong>Constanze</strong> als Schauspielerin „beachtenswerthes Talent gezeigt“ habe und „durch<br />

eine wirklich sehr gewählte Garderobe“ erfreute. Der Zuschauer schrieb, dass zwar<br />

ihre Stimme „nicht ganz den Anforderungen der Bühne“ entspreche, aber „die<br />

Richtigkeit der Deklamation, die würdevolle Haltung, jede ihrer Bewegungen<br />

[…] längeres Studium und wirkliches Talent für die Bühne verriethen“, das Fremden-Blatt<br />

war hingegen der Auffassung, <strong>Constanze</strong> hätte „gar keinen Beruf zur<br />

Darstellungskunst an den Tag gelegt.“<br />

45 Humorist, 15.6.1850 (143/1850), S. 569.<br />

36


<strong>Constanze</strong> <strong>Geiger</strong><br />

Apropos: Kommentare von Moritz Gottlieb Saphir in<br />

Der Humorist im Jahr 1850<br />

Vor und nach der erwähnten Theateraufführung erschienen wieder<br />

„satirische“ Kommentare über <strong>Constanze</strong> <strong>Geiger</strong> in der Zeitschrift<br />

Der Humorist.<br />

Humorist, 2.4.1850 (79/1850), S. 314: „Der Humorist beschickt die<br />

Londoner europäische Industrie-Ausstellung. […] 6) Eine ,Komposition‘<br />

von ,<strong>Constanze</strong> <strong>Geiger</strong>‘ halb Polka, halb Choral und halb<br />

Haubenbesatz; mit Begleitung von Piccolo-Journal-Lobhudel. […]“<br />

Humorist, 21.4.1850 (96/1850), S. [381]: „[…] Seitdem so viele<br />

,Wunderkinder‘ sich zu ganz alltäglichen Exekutions-Rangen ausgewachsen<br />

haben, seitdem selbst die alleinselig- und haubenmachende<br />

<strong>Constanze</strong> <strong>Geiger</strong> aus dem Grahams-Bette der Berwunderung [!] und<br />

Lobpreisung auf dem Strohsack gewöhnlicher Dilettanten-Strapaze<br />

herabgesunken ist, seitdem fürchtet sich die ,Kritik,‘ einem jugendlich<br />

aufleuchtenden wirklichen Extra-Talent ihr Diplom auszustellen,<br />

und wiegt bedächtig den Kopf und ist sehr reservirt. […]“<br />

Humorist, 16.5.1850 (117/1850), S. 468: „Der Himmel ist voll Geigen<br />

und die Erde voll <strong>Geiger</strong>, vom Baßgeiger im Carl-Theater bis zur<br />

<strong>Constanze</strong> <strong>Geiger</strong> im Musikvereinssaale. Wer kennt <strong>Constanze</strong> <strong>Geiger</strong><br />

nicht, das Wunderkind, oder besser gesagt, das wunderliche Kind,<br />

welches noch ungeboren Freiheitsmärsche adoptirend und kaum 14<br />

Jahre alt geworden, schon die kleine Stanzi genannt werdend? Wer hat<br />

Moritz Gottlieb<br />

Saphir (Lithographie<br />

von August<br />

Prinzhofer, 1845.<br />

Druck von August<br />

Kneisel)<br />

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