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Kölner Philharmonie | Das Magazin NR. 1 FEB / MÄR / APR 2025

Die Ausgabe 1/2025 des Magazins der Kölner Philharmonie – auf dem Titel: Anna Vinnitskaya. Mehr über die Pianistin, die u. a. mit dem 2. Klavierkonzert von Schostakowitsch zu erleben ist, erfahren Sie im Gespräch mit dem Magazin. Außerdem erhalten Sie einen Einblick in Kent Naganos detektivische Recherche in Bezug auf die anstehende Aufführung von Wagners »Siegfried« und erfahren mehr über die brillante Mezzosopranistin Hongni Wu sowie über die zahlreichen Jazz- und Weltmusikkonzerte in der Kölner Philharmonie.

Die Ausgabe 1/2025 des Magazins der Kölner Philharmonie – auf dem Titel: Anna Vinnitskaya. Mehr über die Pianistin, die u. a. mit dem 2. Klavierkonzert von Schostakowitsch zu erleben ist, erfahren Sie im Gespräch mit dem Magazin. Außerdem erhalten Sie einen Einblick in Kent Naganos detektivische Recherche in Bezug auf die anstehende Aufführung von Wagners »Siegfried« und erfahren mehr über die brillante Mezzosopranistin Hongni Wu sowie über die zahlreichen Jazz- und Weltmusikkonzerte in der Kölner Philharmonie.

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Kein Firlefanz<br />

am Pult<br />

Shootingstar Klaus Mäkelä kehrt<br />

mit seinem Orchestre de Paris – <strong>Philharmonie</strong> zurück<br />

KONZERTTERMIN<br />

Donnerstag, 6. März <strong>2025</strong>, 20:00<br />

Orchestre de Paris – <strong>Philharmonie</strong><br />

Klaus Mäkelä Dirigent<br />

Maurice Ravel Le Tombeau de Couperin für Klavier,<br />

Fassung für Orchester<br />

Igor Strawinsky Petrushka – Burleske Szenen (Ballett)<br />

in vier Bildern für Orchester, Szenarium von Alexandre<br />

Benois und Igor Strawinsky<br />

Igor Strawinsky Le Sacre du printemps – Bilder aus<br />

dem heidnischen Russland in zwei Teilen<br />

Klaus Mäkelä<br />

Er ist unbestritten der Shootingstar der internationalen Dirigentenszene.<br />

Als Chefdirigent des Oslo Philharmonic Orchestra und<br />

Musikdirektor des Orchestre de Paris – <strong>Philharmonie</strong> führt er<br />

bereits zwei vorzügliche Klangkörper, zur Saison 2027/28 kommen<br />

mit dem Concertgebouworkest aus Amsterdam und dem<br />

Chicago Symphony Orchestra zwei weitere dazu. Klaus Mäkelä<br />

legt ein enormes Tempo hin, was seine Karriere betrifft. Dabei<br />

bleibt er völlig entspannt und schlagfertig, wenn er mal wieder<br />

auf sein Alter angesprochen wird: »<strong>Das</strong> Alter ist ein Parameter,<br />

der misst, wie viele Jahre du auf dem Planeten warst, aber nicht,<br />

was du in diesen Jahren getan hast.« Zum Zeitpunkt des Konzerts<br />

wird er 29 Jahre alt sein.<br />

Sein Pensum, seine enormen Fähigkeiten und sein ausgeprägter<br />

Gestaltungswille kommen nicht von ungefähr. Er ist durch<br />

die harte Schule eines Meisters gegangen, der Dirigenten wie<br />

Esa-Pekka Salonen, Hannu Lintu und Mikko Franck geformt hat.<br />

Die Rede ist von Jorma Panula. Der Finne, Jahrgang 1930, hatte<br />

schon immer ein besonderes Auge für jene Talente, die die Fähigkeit<br />

besitzen, tatsächlich nach den Sternen zu greifen. Dabei<br />

hört sich Panulas Methodik erstaunlich zurückhaltend an: »Helfen,<br />

aber nicht im Weg stehen.« Den Weg von Mäkelä hat er so<br />

perfekt geöffnet. Bei einer Sache konnte der Altmeister jedoch<br />

ziemlich harsch sein: kein Firlefanz am Pult! Er selbst formulierte<br />

es so: »Wir sollten das Tanzen den Tänzern überlassen. Die machen<br />

es beruflich.« Panulas junger Schüler aus Helsinki hat das<br />

sichtlich verinnerlicht. Sparsam setzt Mäkelä seinen Körper ein,<br />

für Momente steht der schlaksige Shootingstar kerzengerade,<br />

ein schwarzer präziser Strich vor dem wogenden Orchester, oft<br />

schlägt er nur mit rechts und hält den linken Arm still. Fordernd<br />

wird er nur, wenn er merkt, dass dem sinfonischen Furor der<br />

Sauerstoff fehlt. Dann geht er fast in die Knie, was aussieht, als<br />

wolle er gerade zum Sprung ansetzen, mitten rein ins Orchester.<br />

Mittlerweile vier Mal war der Finne in den vergangenen Jahren<br />

in der <strong>Kölner</strong> <strong>Philharmonie</strong> zu erleben. Dabei betritt er nie als<br />

»König« die Bühne. Bescheidenheit und Demut vor der Musik<br />

bei gleichzeitiger Wachsamkeit und Präzision am Pult kennzeichnen<br />

Mäkeläs Arbeit. Zum Repertoire, das er dieses Mal<br />

ausgewählt hat, sagt er: »Insbesondere wenn ich auf Tour gehe,<br />

suche ich nach Programmen, die dem Orchester etwas bedeuten.<br />

Bei denen es Sinn macht, dass ich sie mit diesem Orchester<br />

in einer anderen Stadt, einer anderen Akustik präsentiere.«<br />

Mit Ravel und zweimal Strawinsky hat er eine Kombination aus<br />

französischen und russischen Werken mitgebracht, die in ihrer<br />

Entstehungszeit nur wenige Jahre auseinander liegen. »<strong>Das</strong><br />

kann ich mir mit keinem anderen Orchester vorstellen als mit<br />

dem Orchestre de Paris – <strong>Philharmonie</strong>, das diese Musik im Blut<br />

hat. Sie fließt durch seine Adern: die Transparenz, der Charakter<br />

des Orchesters ist wie gemacht für diese Stücke.«<br />

Hatte Strawinsky, als er 1911 die Musik zum Ballett Petrushka<br />

schrieb – ein Stoff, der die russische Variante der höhnischen<br />

Kasperpuppe auf einem Jahrmarkt des Jahres 1830 zum Leben<br />

erweckt – gar ein dezidiert französisches Klangbild im Kopf?<br />

»Gerade in Petrushka spielen beide Seiten eine wichtige Rolle«,<br />

erklärt Mäkelä. »Wenn man zum Beispiel an L’Oiseau de feu<br />

denkt – das ist eine großartige Kombination der wunderbaren<br />

russischen Schule und der Folklore, die zu dieser Zeit eigentlich<br />

alle russischen Komponisten inspirierte. Aber Strawinsky brach<br />

irgendwann aus: L’Oiseau de feu ist genauso von Debussy, vom<br />

Impressionismus beeinflusst wie von der russischen Schule.<br />

Und mit Petrushka ist er dann noch einen Schritt weitergegangen.<br />

Natürlich ist die russische Folklore hier immer noch sehr,<br />

sehr wichtig. Aber gleichzeitig ist da diese Harmonik, die Bitonalität<br />

an vielen Stellen, dieser Charakter von etwas komplett<br />

Neuem.«<br />

Noch neuer war das, was Strawinsky zwei Jahre später auf<br />

das erstaunte Publikum losließ. Es sollte zu einem der größten<br />

Skandale der Musikgeschichte werden, als am 29. Mai 1913 Le<br />

Sacre du printemps im Théâtre des Champs-Élysées Premiere<br />

feierte. Ein Zeitzeuge berichtete: »Eine gut gekleidete Dame in<br />

einer Orchesterloge stand auf und schlug einem jungen Mann,<br />

der in der nächsten Loge zischte, ins Gesicht. Ihr Begleiter erhob<br />

sich, und die Männer tauschten ihre Visitenkarten aus. Ein Duell<br />

folgte am nächsten Tag.« Die Polizei vermeldete insgesamt<br />

27 Verletzte. Was war passiert? <strong>Das</strong> Frühlingsopfer, angesiedelt<br />

im »heidnischen Russland«, stampfte so archaisch-grob, dabei<br />

modern-dissonant durch den Saal, dass manchem Zuhörer<br />

die Ohren schmerzten. Sie fühlten sich persönlich angegriffen.<br />

Vorbei war’s mit der Tradition. Die Wirkung ist auch heute noch<br />

enorm. Klaus Mäkelä und das Orchestre de Paris führten das<br />

Stück im März 2024 in der Carnegie Hall auf. Der Kritiker war<br />

völlig von den Socken: »Einige der Texturen waren so massiv,<br />

dass ich an den Begriff ›Wall of Sound‹ dachte, der häufiger mit<br />

der Rockmusik der 1960er-Jahre in Verbindung gebracht wird.<br />

Der größte Teil der zweiten Hälfte des Sacre ist Gewalt, und das<br />

Orchestre de Paris zeigte eine erschreckende Hingabe dafür,<br />

die mir den Atem raubte.«<br />

Etwas sittsamer geht es zu Beginn des Abends zu, wenn<br />

Maurice Ravels Le Tombeau de Couperin erklingt.<br />

Helge Birkelbach<br />

<strong>Das</strong> <strong>Magazin</strong><br />

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