Kölner Philharmonie | Das Magazin NR. 1 FEB / MÄR / APR 2025
Die Ausgabe 1/2025 des Magazins der Kölner Philharmonie – auf dem Titel: Anna Vinnitskaya. Mehr über die Pianistin, die u. a. mit dem 2. Klavierkonzert von Schostakowitsch zu erleben ist, erfahren Sie im Gespräch mit dem Magazin. Außerdem erhalten Sie einen Einblick in Kent Naganos detektivische Recherche in Bezug auf die anstehende Aufführung von Wagners »Siegfried« und erfahren mehr über die brillante Mezzosopranistin Hongni Wu sowie über die zahlreichen Jazz- und Weltmusikkonzerte in der Kölner Philharmonie.
Die Ausgabe 1/2025 des Magazins der Kölner Philharmonie – auf dem Titel: Anna Vinnitskaya. Mehr über die Pianistin, die u. a. mit dem 2. Klavierkonzert von Schostakowitsch zu erleben ist, erfahren Sie im Gespräch mit dem Magazin. Außerdem erhalten Sie einen Einblick in Kent Naganos detektivische Recherche in Bezug auf die anstehende Aufführung von Wagners »Siegfried« und erfahren mehr über die brillante Mezzosopranistin Hongni Wu sowie über die zahlreichen Jazz- und Weltmusikkonzerte in der Kölner Philharmonie.
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<strong>Philharmonie</strong>.7: Kurzkonzert<br />
mit Abel Selaocoe,<br />
dem Aurora Orchestra und<br />
Beethovens Siebter<br />
Panafrikanische<br />
Musik<br />
Abel Selaocoe<br />
Dobet Gnahoré<br />
Sie sind ein Glücksfall nicht nur für Klassikfans, sondern für die<br />
Musik überhaupt. Denn mit ihrem funkensprühenden Spiel und<br />
ihrer musikalischen Vielsprachigkeit garantieren der gefeierte<br />
südafrikanische Cellist Abel Selaocoe und das englische Aurora<br />
Orchestra mitreißende Live-Erlebnisse. Zumal sie dabei<br />
aufführungspraktisch die gängigen Schubladen ignorieren, die<br />
sich im Laufe der Zeit etabliert haben. <strong>Das</strong> Aurora Orchestra ist<br />
das weltweit erste Orchester, das im Konzert komplett ohne die<br />
üblichen Notenblätter und Notenständer die großen Orchesterwerke<br />
von Mozart über Berlioz bis hin zu Strawinsky spielt.<br />
Und Abel Selaocoe bewegt sich auf seinem Cello mit ungeheuerer<br />
Leichtigkeit und Virtuosität durch alle musikalischen<br />
Genres – von Bach über den Soul bis hin zur Weltmusik. Als<br />
»Ein-Mann-Band« wurde der 2023 mit dem Opus Klassik in<br />
der Kategorie »Klassik ohne Grenzen« ausgezeichnete Musiker<br />
einmal zu Recht von der britischen Zeitung The Telegraph<br />
gefeiert.<br />
Was für ein Ereignis der in einem südafrikanischen Township<br />
geborene Musiker ist, hat Abel Selaocoe bereits beim ersten<br />
Konzert der Porträtreihe bewiesen, mit der ihn die <strong>Philharmonie</strong><br />
und das Publikum eine Saison lang feiert. Bei seinem zweiten<br />
Auftritt in dem Kurzkonzert der Reihe <strong>Philharmonie</strong>.7 trifft er<br />
nun auf das befreundete Aurora Orchestra. Im Gepäck haben<br />
sie sein Cellokonzert Four Spirits, mit dem er Geschichten aus<br />
dem Leben in einem Township erzählt. »Der erste Satz beginnt<br />
mit einem Dank an die traditionellen Heiler, die die Kluft zwischen<br />
der modernen Welt und den Ratschlägen unserer Vorfahren<br />
überbrücken«, so Abel Selaocoe über sein viersätziges<br />
Konzert, bei dem auch Stimme und Schlagzeug eine wichtige<br />
Rolle spielen. »Der zweite Satz spricht von Kindern als einer<br />
großen Inspiration.« Und im Finalsatz lädt Selaocoe das<br />
Publikum zum Mitfeiern ein, indem er es mit einem Segen zu<br />
Gemeinschaft und Solidarität anleitet. Dieser Satz bringt die<br />
musikalische Vision von Selaocoe auf den Punkt: die Schaffung<br />
eines »kraftvollen und inspirierenden Raums der Einheit<br />
und des Ziels«.<br />
Darauf folgt dann eine weitere Feier des Lebens. Ludwig van<br />
Beethoven hat sie komponiert. 1813 hatte er eine Sinfonie als<br />
Zeichen des Sieges über den verhassten Napoleon geschrieben.<br />
Um diesen Sieg sattsam zu würdigen, schrieb Beethoven<br />
seine heroische Sinfonie Nr. 7, mit der er allein formal Neuland<br />
betrat. Keine gedankenvolle, dialektisch geschärfte Thematik<br />
dominierte jetzt das Geschehen. Vielmehr wird der Rhythmus<br />
zur Keimzelle der Sinfonie und ihrer vier Sätze. Gleich der erste<br />
Satz bildet die Grundlage für ein Werk, das sich in einen wahren<br />
Rhythmustaumel hineinsteigert. Kein Wunder, dass es das<br />
Wiener Uraufführungspublikum mit seiner irrwitzigen Impulsivität<br />
von den Sitzen riss.<br />
Guido Fischer<br />
KONZERTTERMIN<br />
Mittwoch, 5. März <strong>2025</strong>, 19:00<br />
<strong>Philharmonie</strong>.7 – In einer Stunde um die Welt<br />
Abel Selaocoe cello, vocals<br />
Aurora Orchestra<br />
Nicholas Collon Dirigent<br />
Abel Selaocoe Four Spirits<br />
Konzert für Violoncello und Orchester<br />
Ludwig van Beethoven Sinfonie Nr. 7 A-Dur op. 92<br />
1983 gründete Eddy-Njock N. Wetewete-Liking mit Gleichgesinnten<br />
in Abidjan in der Elfenbeinküste eine Künstlerkolonie,<br />
Ki-Yi M’Bock. Sie verstand sich von Anfang an als Gemeinschaft<br />
von Künstlern, die sich mit den verschiedenen Gattungen zeitgenössischer,<br />
moderner Kunst aus West- und Zentralafrika beschäftigten.<br />
Zugleich war Ki-Yi M’Bock auch eine Art Kommune,<br />
in der die Familien der Mitglieder in einer überaus kreativen Atmosphäre<br />
ein Zuhause fanden und zum Beispiel die Kinder wie<br />
selbstverständlich in den verschiedenen Künsten ausgebildet<br />
wurden.<br />
Gründungsmitglied dieser Kolonie war Bony Gnahoré, ein ivorischer<br />
Schlagzeuger und Perkussionist und Vater der 1982 geborenen<br />
Dobet. Die war zwölf Jahre alt, als ihr Vater nach einer<br />
Konzerttournee durch Europa in diese Künstlerkolonie zurückkehrte,<br />
wo er mit einer großen Party empfangen wurde, bei der<br />
getanzt, gesungen und Musik gemacht wurde. Die vielen Menschen<br />
strahlten eine friedfertige Stimmung aus, die das junge<br />
Mädchen geradezu elektrisierte. Sie ging daraufhin zu ihrem<br />
Vater und eröffnete ihm, dass sie sich hier, an diesem zauberhaften<br />
Ort, zur Künstlerin ausbilden lassen wolle. Gesagt, getan:<br />
Dobet Gnahoré bekam Unterricht in Gesang und Tanz, lernte<br />
dabei auch Bildhauerei, Malerei ebenso wie die Schauspielerei<br />
oder das literarische Schreiben. Und mehr noch: Als Teil dieser<br />
einmaligen Künstlergemeinschaft begriff sie, wie wichtig soziales<br />
Handeln für die Menschen ist und was es bedeutet, Ungerechtigkeiten<br />
zu erkennen.<br />
Diese Jahre, die sie als junges Mädchen in Ki-Yi M’Bock verbrachte,<br />
bilden auch heute noch eine Basis für Gnahoré als erwachsene<br />
Frau. Sowohl ihre Alben als auch ihre Konzerte sind<br />
in der Regel mehr als nur musikalische Performances. Ihre Texte<br />
schreibt sie in verschiedenen (west-)afrikanischen Sprachen.<br />
Wenn sie Persönliches behandeln will, singt sie in ihrer ivorischen<br />
Muttersprache Bété. Doch um international verstanden<br />
zu werden, greift sie gerne auf das Französische zurück, die<br />
Amtssprache der Elfenbeinküste.<br />
Auf der Bühne inszeniert sich Gnahoré als Gesamtkunstwerk.<br />
Im Tanz vereint sie viele Traditionen, sie ist dabei in ihren Bewegungen<br />
und Gesten direkt und emotional. Ihre Musik ist, wie sie<br />
selbst, polyglott und folgt einem panafrikanischen Ansatz, weil<br />
sich Gnahoré auf viele Gattungen und Genres West- und Zentralafrikas<br />
beruft. Aber auch hier mischt sie Elemente aus der<br />
westlichen Kultur hinein, wenn sie mit ihrer dunklen, gutturalen<br />
Altstimme Soul und Funk singt, wodurch ihre Songs wie zeitlos<br />
in der Zeit von heute klingen. Gnahoré lernte als junge Frau, was<br />
ein Leben im Exil bedeutet. Als das Militär in ihrer Heimat die<br />
Macht ergriffen hatte, flüchtete sie für einige Jahre nach Frankreich.<br />
Diese Zeit schärfte nicht nur ihr politisches Bewusstsein,<br />
sondern Gnahoré begann, sich sozial zu engagieren und ihren<br />
Landsleuten zu helfen, die Folgen von Kolonialismus und Rassismus<br />
zu reflektieren. Martin Laurentius<br />
KONZERTTERMIN<br />
Samstag, 15. März <strong>2025</strong>, 20:00<br />
»Zouzou«<br />
Dobet Gnahoré vocals<br />
Julien Pestre guitar, vocals<br />
Louis Haessler bass, keys, vocals<br />
Bodjo Dibo drums, vocals<br />
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