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Kölner Philharmonie | Das Magazin NR. 1 FEB / MÄR / APR 2025

Die Ausgabe 1/2025 des Magazins der Kölner Philharmonie – auf dem Titel: Anna Vinnitskaya. Mehr über die Pianistin, die u. a. mit dem 2. Klavierkonzert von Schostakowitsch zu erleben ist, erfahren Sie im Gespräch mit dem Magazin. Außerdem erhalten Sie einen Einblick in Kent Naganos detektivische Recherche in Bezug auf die anstehende Aufführung von Wagners »Siegfried« und erfahren mehr über die brillante Mezzosopranistin Hongni Wu sowie über die zahlreichen Jazz- und Weltmusikkonzerte in der Kölner Philharmonie.

Die Ausgabe 1/2025 des Magazins der Kölner Philharmonie – auf dem Titel: Anna Vinnitskaya. Mehr über die Pianistin, die u. a. mit dem 2. Klavierkonzert von Schostakowitsch zu erleben ist, erfahren Sie im Gespräch mit dem Magazin. Außerdem erhalten Sie einen Einblick in Kent Naganos detektivische Recherche in Bezug auf die anstehende Aufführung von Wagners »Siegfried« und erfahren mehr über die brillante Mezzosopranistin Hongni Wu sowie über die zahlreichen Jazz- und Weltmusikkonzerte in der Kölner Philharmonie.

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Die<br />

Systemsprengerin<br />

KONZERTTERMIN<br />

Samstag, 5. April <strong>2025</strong>, 20:00<br />

Kinan Azmeh CityBand<br />

Kinan Azmeh clarinet<br />

Kyle Sanna guitar<br />

Josh Myers bass<br />

John Hadfield drums<br />

Lakecia Benjamin –<br />

Hoffnung einer ganzen Branche<br />

Lakecia Benjamin<br />

Darf man das, mit nahezu allen ungeschriebenen Gesetzen des<br />

Jazz brechen? Ihre Glitzeroutfits in einem Genre, das normalerweise<br />

überwiegend schwarz gekleidete Menschen repräsentieren,<br />

ihr ureigener Stilmix aus Improvisation, Swing und Groove,<br />

durchwoben mit ein bisschen Funk und Rap? Lakecia Benjamin<br />

fragt nicht, sie macht einfach. Bringt ihre Lesart der Musik, die<br />

sie liebt, als fulminantes Œuvre auf die Bühnen dieser Welt und<br />

erobert sich sukzessive einen Stammplatz im Reigen der angesagtesten<br />

Stars dieses Genres.<br />

Der exaltierte Shootingstar aus New York gilt als die Hoffnungsträgerin<br />

einer ganzen Branche, bläst ihr Altsaxofon wie weiland<br />

John Coltrane die etwas größere Tenor-Variante und erwies<br />

sich auf Festivals in Europa und Deutschland als die Attraktion<br />

schlechthin. Die Frau ist Systemsprengerin und Rampensau<br />

in Personalunion, charmant, selbstbewusst, mitnichten arrogant,<br />

gleichwohl durchgängig dominant. Alle Fäden laufen bei<br />

ihr zusammen, sie steuert ihre extrem präzise, höchst dienliche<br />

Combo um Pianist Oscar Perez, Bassist Elias Bailey und Drummer<br />

E. J. Strickland, zieht ihr nonkonformistisches Ding konsequent<br />

durch, lebt den inneren Widerstand zu jeder Sekunde,<br />

ohne dabei ihr Publikum zu brüskieren, und schaufelt einen<br />

Weg frei, auf dem sich der Jazz ohne Identitätsverlust in die<br />

Zukunft bewegen könnte. Gerade ihre Livekonzerte sind es, die<br />

das Besondere an Lakecia Benjamin ausmachen. Ihre unstillbare<br />

Lust, mit dem Publikum zu interagieren, ihre mitunter schwer<br />

kontrollierbare, unbändige Energie und das Gefühl, gerade mit<br />

Jazz einen Grad der Freiheit erlangt zu haben, den es so im Pop,<br />

Rock und in anderen Genres nicht gibt. Die sportliche Instrumentalistin<br />

und ihre akkurat aufeinander abgestimmte, perfekt<br />

funktionierende Band Phoenix legen pausenlos Flächenbrände,<br />

bei denen die Raumtemperatur in jedem Konzertsaal weit über<br />

klimaveränderte sommerliche Dimensionen hinausgeht. <strong>Das</strong><br />

Auditorium saugt dabei jeden Ton, jeden Groove, jede Bewegung<br />

begierig auf, und wieder einmal spüren die Menschen<br />

diese sagenhaften, kaum zu beschreibenden Vibes, die nur<br />

dann entstehen, wenn es im Jazz zu brodeln beginnt.<br />

Als Vehikel dienen Benjamin und Co. dabei die Harmonielandschaften,<br />

die ihr großes Vorbild John Coltrane einst elegant zum<br />

neuen Gütesiegel erhob. Mit dem Altsaxofon hat das vor ihr allerdings<br />

noch niemand probiert; diese heißeren Überblastricks,<br />

die elegischen Synkopen, diese retardierenden Patterns, die einen<br />

wie ein hypnotischer Kreisel immer tiefer in einen Sog hineinziehen.<br />

Eigens dafür hat die Frau mit der futuristischen Brille<br />

Trane komponiert, eine siedend heiße, lavaähnliche Masse aus<br />

Noten und Tönen. Schöne Idee, den großen Frauen des 20. und<br />

beginnenden 21. Jahrhunderts in Songs wie »Amerikkan Skin«<br />

zu Ehren der schwarzen Bürgerrechtlerin Angela Davis zu huldigen.<br />

Diese Stücke interpretiert Lakecia Benjamin mit Verve und<br />

unverstellter Freude, wobei ihrem starken Phoenix-Fundament<br />

ein gewaltiger Verdienst am Gesamtbild zufällt.<br />

Sie will eine Botschaft von globaler Freundschaft, Brüderlichkeit<br />

und Gleichheit aussenden, gleichzeitig aber auch ein Signal<br />

setzen, dass Frauen im Jazz weitaus mehr sein können als<br />

nur adrette Mikrofonhalterinnen. Benjamin, die im New Yorker<br />

Latino-Viertel Washington Heights aufwuchs, dort in Salsa- und<br />

Merengue-Bands spielte und nach ihrem Musikstudium unter<br />

anderem bei Stevie Wonder, Harry Belafonte, Alicia Keys und<br />

Missy Elliot auf Tournee ging, diese außergewöhnliche Frau fällt<br />

immer und überall auf. Sie ist ein Klang gewordenes Fanal gegen<br />

den zunehmenden Rassismus und die Armut, aber auch<br />

für das gewachsene Selbstbewusstsein schwarzer Frauen in ihrem<br />

Land. Nicht mehr, aber auch nicht weniger als ein Teil des<br />

Soundtracks zum aktuellen Zustand Amerikas.<br />

Reinhard Köchl<br />

KONZERTTERMIN<br />

Samstag, 26. April <strong>2025</strong>, 20:00<br />

Lakecia Benjamin alto saxophone<br />

Oscar Perez piano<br />

Elias Bailey doublebass<br />

E. J. Strickland drums<br />

Klarinettist Kinan Azmeh<br />

und CityBand<br />

Die Klarinette ist das Blasinstrument mit dem größten Tonumfang,<br />

sie umfasst vier Oktaven. Kinan Azmeh, Klarinettist und<br />

Komponist, nutzt dieses Spektrum allerdings nicht für ausgestellte<br />

Virtuosität. Im Gegenteil wirkt sein Musizieren nie<br />

angestrengt, sondern vielmehr verspielt, mitunter auch minimalistisch,<br />

dadurch aber nicht minder intensiv. Kinan Azmeh nutzt<br />

die Möglichkeiten des Instrumentes als große Spielwiese, auf<br />

der er alle möglichen musikalischen Einflüsse und Stimmungen<br />

zusammenführt.<br />

Urbaner Sound aus<br />

arabischen Elementen und Jazz<br />

Kinan Azmeh wird 1976 in der syrischen Hauptstatt Damaskus<br />

geboren. Seit dem sechsten Lebensjahr lernt er dort an der arabischen<br />

Akademie für Musik, danach absolviert er in der Hauptstadt<br />

ein Studium an der Hochschule für Musik, nicht ohne<br />

nebenher auch ein vollumfängliches Ingenieurstudium zu beenden,<br />

um zur Sicherheit einem Broterwerb nachgehen zu können,<br />

wenn die Musikkarriere nicht so gut läuft wie erhofft. Doch<br />

von solchen Sorgen kann bald keine Rede mehr sein. 1998 geht<br />

Azmeh für ein Studium an der renommierten Juilliard School<br />

bei Charles Neidich und an der City University nach New York …<br />

und bleibt. Der Nikolai-Rubinstein-Preis, den er ein Jahr zuvor<br />

als erster arabischer Musiker in Moskau erhält, ist nur ein<br />

erster von vielen in seiner Karriere. Als Solist hat er bereits mit<br />

dem New York Philharmonic sowie dem London Philharmonic<br />

Orchestra, Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks,<br />

dem West-Eastern Divan Orchestra, dem Syrischen Symphonieorchester<br />

und vielen weiteren Orchestern gespielt und stand<br />

bereits mit Größen wie Yo-Yo Ma, Daniel Barenboim, John<br />

McLaughlin gemeinsam auf der Bühne.<br />

Nach Aufnahmen mit seiner frühen arabischen Band Kulna<br />

Sawa und dem Trio Hewar ist die Filmmusik »Rigodon« Kinan<br />

Azmehs erste eigene Schallplattenveröffentlichung. Es folgen<br />

Platten mit der NDR Bigband, dem Silk Road Ensemble und der<br />

Morgenland All Star Band sowie andere Kooperationen. Kinan<br />

Azmeh bewegt sich souverän im klassischen Repertoire. Seine<br />

eigenen Kompositionen umfassen Solostücke, Kammermusik,<br />

Orchesterwerke, Filmmusik, elektro-akustische Werke sowie<br />

Verbindungen von arabischer Musik und Jazz mit seinem<br />

Hewar Trio und der CityBand. Im Jahr 2022 wurde in Deutschland<br />

zudem seine erste, komplett auf arabisch gesungene Oper<br />

uraufgeführt.<br />

Wie geschmeidig Kinan Azmeh Jazz mit seinen arabischen<br />

Wurzeln verbindet, demonstriert er auf seinem Soloalbum<br />

»Elastic City« aus dem Jahre 2013 eindrucksvoll. Dort erlebt man<br />

auch eine rhythmische Qualität seiner Musik, die er vor allem in<br />

seiner eigenen New Yorker CityBand auslebt, in der neben ihm<br />

an der Klarinette der Gitarrist Kyle Sanna, der Bassist Josh Myer<br />

und der Schlagzeug John Hadfield spielen. In den spielerischen<br />

Fusionen der CityBand aus arabischen Elementen und Jazz<br />

liegt der Fokus klar auf einem urbanen Sound, der ebenso mitreißend<br />

wie emotional berührend ist. Christian Meyer-Pröpstl<br />

36 <strong>Das</strong> <strong>Magazin</strong><br />

<strong>Das</strong> <strong>Magazin</strong><br />

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