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Pro Velo Magazin 4 / 2024

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pro-velo.ch<br />

Dossier<br />

Vielfältige<br />

<strong>Velo</strong>berufe<br />

#4<br />

Winter <strong>2024</strong><br />

Im Fokus<br />

Daniel Freitag<br />

erfindet sich neu<br />

Technik<br />

Tipps fürs winterliche<br />

<strong>Velo</strong>fahren<br />

MAGAZ IN


ABSTIMMEN<br />

NICHT<br />

VERGESSEN:<br />

Nein zum Autobahnausbau<br />

Am 24. November stimmen wir über 4.9 Milliarden Franken für den Autobahn-<br />

Ausbau ab. Das <strong>Pro</strong>jekt würde bei einer Annahme zu mehr Autoverkehr führen<br />

und die Städte und Dörfer noch mehr belasten.<br />

<strong>Pro</strong> <strong>Velo</strong> findet: Statt in eine Verkehrsinfrastruktur von gestern zu investieren,<br />

sollte mehr Geld in einer besseren <strong>Velo</strong>infrastruktur angelegt werden.<br />

Stimmen Sie deshalb am 24. November mit <strong>Pro</strong> <strong>Velo</strong> «NEIN» zur Vorlage und<br />

für eine klimafreundliche Mobilität!


Vorteile<br />

PRO VELO SCHWEIZ BIETET MITGLIEDERN VERSCHIEDENE<br />

VERGÜNSTIGUNGEN: BEISPIELSWEISE FÜR VELOFAHRKURSE,<br />

BEKLEIDUNG, VELOAUSRÜSTUNG, BIKESHARING, REISEN UND<br />

VERSICHERUNGEN. LUST AUF MEHR? DAS PASSWORT FÜR DIE<br />

VERSCHIEDENEN ANGEBOTE FINDEN SIE IM IMPRESSUM.<br />

<strong>Velo</strong>plus<br />

<strong>Pro</strong>-<strong>Velo</strong>-Mitglieder profitieren von folgenden Ermässigungen:<br />

5 <strong>Pro</strong>zent Mitgliederrabatt<br />

Gegen Vorweisen des Mitgliederausweises erhalten <strong>Pro</strong>-<strong>Velo</strong>-Mitglieder<br />

5 <strong>Pro</strong>zent Rabatt in den <strong>Velo</strong>plus-Läden auf das gesamte<br />

Sortiment (gilt nicht für <strong>Velo</strong>s, GPS-Geräte, Reparaturen und Gutscheinkauf).<br />

Die Geschäfte von <strong>Velo</strong>plus befinden sich in Basel,<br />

Bern, Biel, Emmenbrücke, Ostermundigen, St. Gallen, Steinhausen,<br />

Wetzikon, Winterthur, Zürich HB und Zürich Oerlikon.<br />

<strong>Velo</strong>finder<br />

<strong>Pro</strong>-<strong>Velo</strong>-Mitglieder erhalten die <strong>Velo</strong>finder-Vignette in den<br />

<strong>Velo</strong>plus-Läden zum Vorzugspreis von CHF 3.– statt CHF 9.–.<br />

Marktplatz<br />

SCHUTZHÜLLE FÜR JEDEN<br />

VELOSATTEL<br />

Einst zogen die Gleitschirme<br />

ihre Kreise über Zürich. Dann<br />

wurden sie nach exklusivem<br />

Design von Enzian Textil in<br />

Oerlikon zu <strong>Velo</strong>sattel-<br />

Schutzhüllen verarbeitet. Diese<br />

bestehen aus recyceltem Nylon<br />

und sind ultraleicht sowie<br />

robust. Die Farben sowie die<br />

Nylonstärke variieren je nach<br />

Gleitschirm. Jedes Stück ist ein<br />

Unikat und ein echtes<br />

Kreislaufprodukt!<br />

Preis im Shop: CHF 19.–, Preis<br />

für Mitglieder: CHF 17.10<br />

velokiosk.ch<br />

Gutschein bei Abschluss eines <strong>Velo</strong>plus-Abos<br />

Das <strong>Velo</strong>plus-Abo ist ein modernes, flexibles und nachhaltiges<br />

Mobilitätsangebot für E-Bikes. Mitglieder von <strong>Pro</strong> <strong>Velo</strong> erhalten<br />

beim Abschluss eines <strong>Velo</strong>plus-Abos einen <strong>Velo</strong>plus-Gutschein<br />

im Wert von CHF 100.–. Dieser Gutschein ist an allen <strong>Velo</strong>plus-<br />

Standorten und im Onlineshop einlösbar. Dafür muss beim Abschluss<br />

eines <strong>Velo</strong>plus-Abos die <strong>Pro</strong>-<strong>Velo</strong>-Mitgliedernummer im<br />

Fenster für den Rabattcode eingetragen werden.<br />

Mitgliedervorteile<br />

Mitmachen<br />

Helfen Sie mit, die Schweiz und Ihren Wohnort velofreundlicher<br />

zu machen, und unterstützen Sie <strong>Pro</strong> <strong>Velo</strong> mit einer Spende.<br />

Impressum «<strong>Pro</strong> <strong>Velo</strong> <strong>Magazin</strong>» 4/<strong>2024</strong>, Erster Jahrgang<br />

Impressum «<strong>Pro</strong> <strong>Velo</strong> <strong>Magazin</strong>» 4/<strong>2024</strong>, Erster Jahrgang. Das Mitgliedermagazin von<br />

<strong>Pro</strong> <strong>Velo</strong> erscheint viermal im Jahr.<br />

Herausgeberin: <strong>Pro</strong> <strong>Velo</strong> Schweiz, Birkenweg 61, 3013 Bern, Tel. 031 318 54 11, info@pro-velo.ch.<br />

Gesamtredaktion: Ariane Gigon, Westschweiz, Corinne Päper, Deutschschweiz.<br />

Autorinnen und Autoren: Silvie Asler, Fabian Baumann, Raffaela Hanauer, Christoph Merkli,<br />

Michael van Eggermond.<br />

Grafik: La Mine, Genf, und Duplex, Bern. Kinderseite: Gilles Gonin. Satz, Postproduktion,<br />

Druck und Vertrieb: Stämpfli Kommunikation, Postfach, 3001 Bern.<br />

Auflage: 28 000 Exemplare, Deutsch und Französisch.<br />

Gedruckt in der Schweiz: 100 <strong>Pro</strong>zent Altpapier, FSC Recycled.<br />

ISSN: 2813-9968, Mitgliedervorteile: www.pro-velo.ch/de/mitgliedwerden/mitgliedervorteile<br />

Zugangscode für Ermässigung bei Publibike und Carvelo: velorution<br />

Nächste Ausgabe: 1/2025, 20. März<br />

Winter <strong>2024</strong><br />

Mitgliedervorteile<br />

27


Editorial<br />

4 Aktuell<br />

5 Im Fokus<br />

Matthias<br />

Aebischer,<br />

Präsident <strong>Pro</strong><br />

<strong>Velo</strong> Schweiz<br />

DER BUNDESRAT hat sich<br />

klare Klimaziele gesteckt. Bis 2030<br />

soll die Schweiz ihre Emissionen<br />

gegenüber 1990 halbieren und bis<br />

2050 klimaneutral werden. Parlament<br />

und auch das Volk haben<br />

diese Ziele klar gutgeheissen.<br />

Doch was macht der Bundesrat?<br />

Er macht zurzeit alles, damit diese<br />

Ziele nicht erreicht werden. Mit<br />

4,9 Milliarden Franken will er<br />

mehrere Autobahnabschnitte in<br />

der Schweiz verbreitern. Das<br />

Parlament hat sogar noch zusätzliche<br />

Ausgaben bewilligt. Dies obschon alle Studien in<br />

diesem Bereich beweisen, dass der Ausbau von Autobahnen<br />

zu mehr Verkehr führt. Diesen Unsinn können<br />

wir am 24. November mit einem NEIN an der Urne<br />

verhindern.<br />

Ein NEIN wäre denn auch ein schönes Abschiedsgeschenk<br />

für mich. Als passionierter <strong>Velo</strong>fahrer bin ich<br />

vor acht Jahren mit viel Vorfreude in mein Amt als<br />

Präsident von <strong>Pro</strong> <strong>Velo</strong> Schweiz gestartet. Im Parlament<br />

haben wir einen Gegenvorschlag zur <strong>Velo</strong>-Initia tive, die<br />

Grundlage für das spätere <strong>Velo</strong>weggesetz, gezimmert,<br />

der mit 74 <strong>Pro</strong>zent der Stimmen von der Bevölkerung<br />

gutgeheissen wurde. Ein Meilenstein in der Schweizer<br />

<strong>Velo</strong>geschichte. Mit den Supporterinnen und Supportern<br />

aus der Wirtschaft gründeten wir anschliessend<br />

die <strong>Velo</strong>allianz Cycla, die das politische Feld stark<br />

erweiterte. Aber auch verbandsintern lief einiges. So<br />

konnten wir unsere politische Arbeit stärken und in eine<br />

integrierte Verbandskommunikation mit neuem nationalem<br />

Verbandsmagazin aufbrechen. Und dies alles<br />

immer mit euch allen zusammen. Ich danke herzlichst!<br />

Dem noch zu wählenden neuen <strong>Pro</strong>-<strong>Velo</strong>-Schweiz-<br />

Präsidium wünsche ich alles Gute. Das Amt ist eine<br />

Freude.<br />

Herzlich, Matthias Aebischer<br />

PS: Im aktuellen <strong>Magazin</strong> erfahren Sie, wie man zu<br />

Berufen, die mit <strong>Velo</strong> zu tun haben, gelangt und<br />

weshalb auch Quereinsteigende intakte Chancen auf<br />

eine <strong>Velo</strong>karriere haben.<br />

Daniel Freitag ist nicht nur<br />

Mitgründer des gleichnamigen<br />

Taschenherstellers, sondern<br />

auch ein <strong>Velo</strong>fan.<br />

8 Dossier<br />

Ein-, auf- und quereinsteigen:<br />

Die Arbeitswelt rund um das<br />

<strong>Velo</strong> ist bunt, vielseitig und steht<br />

allen offen.<br />

Verband<br />

13 Mitglieder im Gespräch<br />

14 Politik und Infrastruktur<br />

16 Regionen<br />

18 Rad und Recht<br />

19 Forschung<br />

Cycle-Life<br />

20 Kinotipp / Cyclomania<br />

21 Buchtipps<br />

22 <strong>Velo</strong>tour: Dem Nebel entkommen<br />

24 <strong>Velo</strong>fahren im Winter<br />

26 Rätsel-Seite<br />

Foto: Sylvain Smykla<br />

Foto: <strong>Velo</strong>plus<br />

Winter <strong>2024</strong><br />

<strong>Pro</strong> <strong>Velo</strong> <strong>Magazin</strong><br />

3


Aktuell<br />

VELOFAHREN<br />

GEGEN<br />

DEPRESSIONEN<br />

<strong>Velo</strong>fahren ist nicht nur eine umweltfreundliche<br />

Art der Fortbewegung,<br />

sondern hilft auch bei der Bekämpfung<br />

von Depressionen. Laut einer australischen<br />

Metastudie, in der die Ergebnisse<br />

von 218 Untersuchungen zusammengefasst<br />

wurden, sind <strong>Velo</strong>fahren, Tai-Chi<br />

und Schwimmen besonders geeignet,<br />

da sie grosse Muskelgruppen in<br />

Bewegung setzen. Aber warum<br />

eigentlich hilft Sport bei der Bekämpfung<br />

von Depressionen? Wenn Muskeln<br />

aktiv sind, produzieren sie Eiweissverbindungen,<br />

die Myokine (von «mys»,<br />

Muskel, und «kinesis», Bewegung)<br />

genannt werden. Einige dieser <strong>Pro</strong>teine<br />

vergrössern das Volumen des Hippocampus,<br />

der für die Verarbeitung von<br />

Emotionen zuständig ist.<br />

Aus der<br />

<strong>Velo</strong> Welt<br />

3,6 MILLIONEN<br />

Menschen pendeln in der<br />

Schweiz täglich zur Arbeit.<br />

71 <strong>Pro</strong>zent von ihnen<br />

verlassen dafür ihre<br />

Wohngemeinde. Das sind<br />

deutlich mehr als noch<br />

1990, wie die Zahlen des<br />

Bundesamts für Statistik<br />

(BFS) darlegen. Damals<br />

taten dies gerade 58<br />

<strong>Pro</strong>zent. Ein durchschnittlicher<br />

Arbeitsweg beträgt<br />

gemäss BFS rund 14<br />

Kilometer, die in ungefähr<br />

30 Minuten zurückgelegt<br />

werden. 18 <strong>Pro</strong>zent der<br />

Pendelnden nutzen dafür<br />

das <strong>Velo</strong> oder gehen zu<br />

Fuss.<br />

UMFRAGEERGEBNISSE:<br />

Das sagen «<strong>Pro</strong> <strong>Velo</strong><br />

<strong>Magazin</strong>»-Lesende<br />

Exakt 230 Personen haben die «<strong>Pro</strong> <strong>Velo</strong><br />

<strong>Magazin</strong>»-Umfrage ausgefüllt und uns dabei<br />

spannende Einblicke geliefert. 70 <strong>Pro</strong>zent der<br />

Antwortenden waren zwischen 40 und 70 Jahre<br />

alt, 16 <strong>Pro</strong>zent zwischen 20 und 39 und 6<br />

<strong>Pro</strong>zent über 70 Jahre, 8 <strong>Pro</strong>zent machten keine<br />

Angaben. Bei den Geschlechtern überwog der<br />

Männeranteil: Rund zwei Drittel der Antworten<br />

kamen von ihnen. Das Design und der Inhalt des<br />

<strong>Magazin</strong>s gefielen den Lesenden: Auf einer<br />

Skala von 1 bis 4 bewerteten sie diese mit rund<br />

3,3, also einem «Gut plus». Der beliebteste<br />

Artikel? «Mit dem <strong>Velo</strong> zur Arbeit.» Die «<strong>Pro</strong> <strong>Velo</strong><br />

<strong>Magazin</strong>»-Lesenden vermissten vor allem<br />

technische Berichte, aber auch Reisereportagen,<br />

Artikel über <strong>Velo</strong>sicherheit, das richtige<br />

Verhalten im Verkehr sowie <strong>Velo</strong>transporte mit<br />

den SBB. Allgemein wünschten sich die Antwortgebenden<br />

weniger QR-Codes, dafür mehr<br />

Infografiken, Bilder und Illustrationen. Verbesserungsbedarf<br />

orteten sie auch bei der französischen<br />

Übersetzung und forderten eine vermehrte<br />

Einbindung der Lesenden. Wünsche, die wir<br />

gerne entgegennehmen, um das «<strong>Pro</strong> <strong>Velo</strong><br />

<strong>Magazin</strong>» noch besser zu machen.<br />

55 %<br />

beträgt der Anteil der Personen, die<br />

den Ausbau des öffentlichen Verkehrs<br />

und der <strong>Velo</strong>infrastruktur befürworten,<br />

um eine Überlastung des motorisierten<br />

Individualverkehrs zu verhindern. Das<br />

ergab eine Umfrage des Umfrage- und<br />

Forschungsinstituts Sotomo unter 2162<br />

Personen im Auftrag des Schweizerischen<br />

Verbands der Strassen- und<br />

Verkehrsfachleute (VSS). Die Verlagerung<br />

des Güterverkehrs auf die Schiene<br />

fand mit 79 <strong>Pro</strong>zent sogar noch mehr<br />

Befürwortende, während der Ausbau<br />

stark befahrener Autobahnen von<br />

52 <strong>Pro</strong>zent gefordert wurde.<br />

STADT-LAND-GRABEN<br />

37 Millionen <strong>Velo</strong>s<br />

rollten 2023 in der Schweiz über die Strassen, die von<br />

97 Schweiz-Mobil-Zählstellen erfasst wurden. Der <strong>Velo</strong>fieber-<br />

Hotspot? Die Wettsteinbrücke in Basel, die rund 2,9 Millionen<br />

<strong>Velo</strong>fahrende passierten. Ganz anders präsentiert sich das<br />

Bild im Tessin in der Region Dongio-Comprovasco: Hier<br />

wurden mit 13 090 <strong>Velo</strong>fahrenden schweizweit die wenigsten<br />

gezählt. Das überrascht<br />

kaum: Laut SchweizMobil<br />

zeigt sich beim <strong>Velo</strong>fahren<br />

ein deutlicher Stadt-Land-<br />

Graben. Während das <strong>Velo</strong> in<br />

der Stadt jeden Tag genutzt<br />

wird, treten <strong>Velo</strong>fahrende auf<br />

dem Land eher am Wochenende<br />

in die Pedale. So fahren<br />

am Zählpunkt Rheinfelden<br />

am Wochenende beispielsweise<br />

ganze 40 <strong>Pro</strong>zent mehr<br />

<strong>Velo</strong>fahrende vorbei als unter<br />

der Woche.<br />

4 Aktuell<br />

Text: Ariane Gigon, Corinne Päper<br />

Fotos: Pixabay<br />

<strong>Pro</strong> <strong>Velo</strong> <strong>Magazin</strong>


Winter <strong>2024</strong> Xxxxxxxxxxxxxxxxxxx 5


Vom Taschenhersteller zum<br />

Cargobike-Unternehmer<br />

Daniel Freitag ist Unternehmer und leidenschaftlicher <strong>Velo</strong>fahrer. Seine<br />

Begeisterung spiegelt sich auch in seiner beruflichen Laufbahn als Co-Gründer<br />

des Taschenherstellers Freitag sowie des Cargobike-<strong>Pro</strong>duzenten Toolbike.<br />

Das <strong>Velo</strong> ist für ihn nicht nur ein Alltagswerkzeug, sondern auch Zeichen eines<br />

nachhaltigen Lebensstils.<br />

Toolbike<br />

DANIEL FREITAG fährt schwungvoll<br />

heran. Er bremst ab und steigt im Toolbike-<br />

Flagshipstore elegant von seinem Monopole-<br />

Cargobike, das er neben anderen Transportvelos<br />

derselben Marke parkiert. Seine Hündin<br />

Hazel, die vorne im Korb sitzt, hat die rasante<br />

Fahrt sichtlich genossen. Der Treffpunkt ist<br />

nicht zufällig: Wir begegnen uns in Daniel<br />

Freitags neuem Unternehmen, das der<br />

Mitgründer des gleichnamigen Taschenherstellers<br />

zusammen mit Nicolas Stäubli, einem<br />

ehemaligen Freitag-Mitarbeitenden, ins<br />

Leben rief.<br />

Noch bevor das erste Wort fällt, ist klar:<br />

Daniel Freitag brennt fürs <strong>Velo</strong>fahren. Und das<br />

seit frühester Jugend. Schon zu Lehrzeiten<br />

pendelt der Teenager mit seinem Zweirad<br />

täglich 32 Kilometer vom heimischen Meilen<br />

nach Bubikon. Auch heute sitzt der im Kreis 4<br />

in Zürich wohnhafte 53-Jährige fast täglich<br />

auf dem <strong>Velo</strong>. Selbstredend auf einem<br />

Monopole, einem jener <strong>Velo</strong>s, die Freitag<br />

zusammen mit Stäubli in den französischen<br />

Pyrenäen produzieren lässt.<br />

2021 von Nicolas Stäubli und Daniel Freitag gegründet,<br />

produziert Toolbike handgeschweisste Cargobikes aus<br />

hochfestem Stahl – mit und ohne elektrischen Antrieb.<br />

Die Komponenten des Monopole-Cargobikes sind auf Langlebigkeit<br />

und Wartungsarmut ausgelegt. Das Monopole-<br />

Cargobike wurde an der Eurobike 2023 mit dem Newcomer<br />

Award ausgezeichnet. Zudem honorierte das britische<br />

<strong>Magazin</strong> «Monocle» <strong>2024</strong> das Monopole-Design mit dem Preis<br />

Best Two-Wheeler. Derzeit beschäftigt die Firma sechs<br />

Mitarbeitende, vier davon in Teilzeit.<br />

monopole.cc<br />

Von Freitag zu Toolbike<br />

Die Geschichte des Monopole und damit<br />

auch von Toolbike beginnt aufgrund eines<br />

Fahrradkonzepts von Nicolas Stäubli, das<br />

dieser bei Freitag ausarbeitet und seinen<br />

Chefs – Daniel und Markus Freitag – vorstellt.<br />

Eine Firmengründung zeichnet sich nach<br />

etlichen Vorstudien ab: «Wir wollten ein<br />

agiles, wartungsarmes Alltagsvelo für urbane<br />

Transportbedürfnisse bauen», erklärt Daniel<br />

Freitag. «Das <strong>Pro</strong>dukt unterschied sich jedoch<br />

deutlich vom Taschengeschäft von Freitag.<br />

Deshalb gründeten wir 2021 die Toolbike AG.»<br />

Mittlerweile ist Daniel Freitag beim Taschenhersteller<br />

nicht mehr operativ involviert, das<br />

<strong>Velo</strong> und das Bedürfnis, mehr Menschen zum<br />

<strong>Velo</strong>fahren zu bringen, begleiten ihn bei<br />

Toolbike aber weiterhin. Den Abschied vom<br />

Tagesgeschäft bei Freitag sieht er positiv:<br />

«Der gewonnene Freiraum ermöglicht mir<br />

nun, <strong>Pro</strong>jekte wie Monopole zu verfolgen.»<br />

Die <strong>Velo</strong>tasche und das<br />

Unternehmertum<br />

Die <strong>Velo</strong>begeisterung und das Umweltbewusstsein<br />

der Brüder Freitag führen eher<br />

zufällig zum eigenen Unternehmen. «Markus<br />

und ich waren auf der Suche nach einer<br />

regensicheren <strong>Velo</strong>tasche. Die gab es damals<br />

aber nicht», sagt Daniel Freitag. Grund genug,<br />

selbst Hand anzulegen: In Markus’ winziger<br />

Zürcher Wohnung nähen die beiden damals<br />

22- und 23-jährigen Geschwister Taschen aus<br />

Lkw-Planen und Materialien, die sonst im<br />

Müll gelandet wären. Beispielsweise aus alten<br />

Autogurten oder ausgedienten <strong>Velo</strong>schläuchen.<br />

Gehörten vornehmlich Freunde und<br />

Bekannte zu den ersten Abnehmenden der<br />

Taschen, stieg die Nachfrage bald durch<br />

Mund-zu-Mund-<strong>Pro</strong>paganda. Der Rest der<br />

Geschichte ist bekannt: 1993 gründen Markus<br />

und Daniel die Firma Freitag. Das erste<br />

kommerzielle <strong>Pro</strong>dukt? Eine <strong>Velo</strong>tasche für<br />

6 Im Fokus<br />

Text: Corinne Päper<br />

Foto: Sylvain Smykla<br />

<strong>Pro</strong> <strong>Velo</strong> <strong>Magazin</strong>


Die Firmengründer Nicolas<br />

Stäubli und Daniel Freitag<br />

im Monopole-Laden in der<br />

Nähe des Hauptbahnhofs<br />

in Zürich.<br />

<strong>Velo</strong>kuriere. Weniger bekannt ist hingegen,<br />

wie sehr sich Freitag von Anfang an dem <strong>Velo</strong><br />

verschrieb: «In der Garderobe der Freitag-Fabrik<br />

konnten sich die Mitarbeitenden nach<br />

einer <strong>Velo</strong>fahrt umziehen und dort nicht nur<br />

ihre Mäntel, sondern auch ihre Fahrräder<br />

aufhängen. So konnten sie abends auf einem<br />

trockenen Sattel nach Hause fahren», sagt<br />

Daniel Freitag. Der Umweltgedanke prägte<br />

auch die Unternehmensmobilität des Betriebs:<br />

Während viele Firmen immer noch auf<br />

Autos setzen und die Vorteile von <strong>Velo</strong>flotten<br />

erst jetzt entdecken, beschritt Freitag bereits<br />

in den 1990er-Jahren andere Wege: Seit der<br />

Gründung besitzt das Unternehmen kein<br />

einziges Auto. «Dafür aber unzählige Firmenvelos»,<br />

ergänzt Daniel Freitag. «Sie dienen<br />

heute noch dem Warentransport. Doch das ist<br />

nicht alles: Freitag-Kundinnen und -Kunden<br />

konnten in Europa und in Japan in den Läden<br />

eine Zeit lang <strong>Velo</strong>s und Taschen ausleihen,<br />

um die Stadt zu erkunden.»<br />

Freitag<br />

1993 gründen die damals 22- und 23-jährigen Brüder<br />

Daniel Markus Freitag die Firma Freitag lab AG. Heute<br />

beschäftigt das Unternehmen rund 250 Mitarbeitende, die<br />

30 verschiedene Taschenmodelle anfertigen und dafür<br />

jährlich 30 000 aus der <strong>Pro</strong>duktion ausgeschiedene<br />

<strong>Velo</strong>schläuche verwerten. Freitag handelt nicht nur<br />

mit Taschen: Sie können auch repariert oder zum Recycling<br />

retourniert werden. Ausserdem können Freitag-<br />

Kundinnen und -Kunden ihre Taschen auf einer Plattform<br />

untereinander tauschen.<br />

Freitag.ch<br />

Fürs <strong>Velo</strong> engagierte sich das Unternehmen<br />

Freitag und damit auch Daniel Freitag<br />

ausnahmsweise sogar politisch. Beispielsweise<br />

2021. Wochen, bevor die Stadtzürcherinnen<br />

und Stadtzürcher über die Volksini tiative<br />

«Für mehr sichere <strong>Velo</strong>routen» abstimmten,<br />

prangte ein übergrosses Banner am Freitag-<br />

Containerturm in Zürich. «Das <strong>Velo</strong>wegsystem<br />

in Zürich ist leider sehr unvollständig»,<br />

erklärt Daniel Freitag das Engagement für<br />

seine Stadt. «Es gibt viele Stellen, an denen<br />

<strong>Velo</strong>wege unvermittelt enden und man aufs<br />

Trottoir oder eine stark befahrene Strasse<br />

ausweichen muss.» Das überfordere ungeübte<br />

<strong>Velo</strong>fahrende und verhindere, dass in<br />

Zürich mehr Menschen vom Auto aufs<br />

Zweirad umsteigen. «Um diesen Umstieg zu<br />

erreichen, braucht es eine Critical Mass. Und<br />

zwar täglich!» Man merkt: Das <strong>Velo</strong>fahren in<br />

der Limmatstadt zu fördern, ist Daniel Freitag<br />

ein persönliches Anliegen: «Gäbe es in Zürich<br />

verhältnismässig so viele <strong>Velo</strong>fahrende wie in<br />

nördlich gelegenen Städten, wäre es hier<br />

noch lebenswerter.» OO<br />

Im Fokus<br />

Winter <strong>2024</strong> 7


Vielfältige<br />

<strong>Velo</strong>karrieren<br />

Viele möchten einen Beruf ausüben, der<br />

mit <strong>Velo</strong>s zu tun hat. Es muss nicht beim<br />

Wunsch bleiben. Auch Quereinsteigende<br />

finden ihren Weg in die <strong>Velo</strong>branche.<br />

Einblicke in die Bildungslandschaft der<br />

Schweizer <strong>Velo</strong>welt.<br />

EINE VELOWERKSTATT leiten, als <strong>Velo</strong> kurier,<br />

<strong>Velo</strong>mechanikerin, Verkehrs planerin oder als<br />

Mountainbike Guide in einem Touris musgebiet<br />

arbeiten, an einer Berufsschule angehende<br />

<strong>Velo</strong>mechaniker unterrichten, <strong>Velo</strong>s<br />

verkaufen oder Spitzenvelosport betreiben:<br />

Die Möglichkeiten, das <strong>Velo</strong> zum Beruf zu<br />

machen, sind vielfältig – so auch für Quereinsteigende.<br />

Das zeigt beispielsweise die<br />

Werkstattumfrage <strong>Velo</strong>handel Schweiz <strong>2024</strong><br />

von Dynamot und des Verbands 2Rad<br />

Schweiz, wonach 52 <strong>Pro</strong>zent aller <strong>Velo</strong>fachgeschäfte<br />

von Personen geführt werden, die<br />

keinen Beruf im Zweiradgewerbe erlernt haben.<br />

Auch die Zukunftsperspektiven sind gut:<br />

Die Verkehrswende sorgt für die Nachfrage<br />

an Fachkräften auf allen Stufen – von der gelernten<br />

<strong>Velo</strong>mechanikerin bis hin zum studierten<br />

Verkehrsplaner. Darüber hinaus gibt es<br />

immer mehr E-Bikes, deren Teile eher verschleissen<br />

und die sich deshalb öfter in der<br />

Werkstatt befinden. Das sorgt dort für mehr<br />

Arbeit. So erstaunt es kaum: Gelernte Fachleute<br />

finden rasch eine Stelle. «Es gibt keine<br />

arbeitslosen <strong>Velo</strong>mechanikerinnen», bestätigt<br />

René Horber, der an der Berufs bildungsschule<br />

(BBW) in Winterthur unterrichtet. Um den<br />

Bedarf nach qualifizierten <strong>Velo</strong>fachkräften in<br />

den Werkstätten abzudecken, reichen die<br />

jährlich 130 ausge bildeten <strong>Velo</strong>mechaniker<br />

jedoch nicht.<br />

Intakte Berufschancen<br />

Dass sich nicht mehr junge Menschen für den<br />

Beruf des Fahrradmechanikers oder der<br />

Fahrradmechanikerin entscheiden, hat für<br />

Dominique Metz, Verwaltungsratspräsident<br />

von <strong>Velo</strong>plus, vor allem damit zu tun, dass den<br />

Jugendlichen die Berufsperspektiven im<br />

Zweiradgewerbe zu wenig aufgezeigt würden.<br />

Doch wie könnte eine <strong>Velo</strong>karriere aussehen?<br />

«Über eine Anlehre kann man eine Berufslehre<br />

machen und mit Weiterbildungen zur Filialleiterin<br />

oder zum Filialleiter werden.» Daneben<br />

sei aber auch das Image der <strong>Velo</strong>branche teilweise<br />

ein Hindernis: «Die Menschen wollen<br />

8 Dossier<br />

Text: Corinne Päper<br />

Foto: <strong>Velo</strong>plus<br />

<strong>Pro</strong> <strong>Velo</strong> <strong>Magazin</strong>


stolz auf das sein, was sie beruflich<br />

tun. Deshalb ist es wichtig, das Ansehen<br />

der <strong>Velo</strong>branche zu stärken, damit<br />

das Zweiradgewerbe als Zukunftsbranche<br />

wahrgenommen wird.» Das<br />

müsse bei der <strong>Velo</strong>wende im Vordergrund<br />

stehen.<br />

Vermeintlich fehlende Perspektiven<br />

führen auch dazu, dass etwa ein Drittel<br />

der <strong>Velo</strong>enthusiasten nach einer Lehre<br />

als Fahrradmechanikerin bzw. -mechaniker<br />

den Beruf wieder verlässt. Dabei<br />

bildet das eidgenössische Fähigkeitszeugnis<br />

(EFZ) eine gute Grundlage für<br />

das Weiterkommen im <strong>Velo</strong>beruf.<br />

Beispielsweise über eine höhere Fachprüfung<br />

zur Betriebsleiterin/zum<br />

Betriebsleiter Fahrrad (ehemalige<br />

Meisterprüfung). Diese wiederum ermöglicht,<br />

einen Bildungsgang an einer<br />

höheren Fachschule (HF) zu belegen,<br />

über die sogenannte Passerelle an<br />

einer Fachhochschule zu studieren und<br />

so über die Berufsbildung einen Bachelor<br />

in Stadt-, Verkehrs- und Raumplanung<br />

zu erlangen oder ein Studium an<br />

einer Hochschule als <strong>Velo</strong>berufsbildner<br />

oder Berufsschullehrerin zu beginnen.<br />

Denselben Karrierepfad können wenig<br />

Technikaffine über eine dreijährige<br />

KV-Lehre oder über eine vierjährige<br />

KV-Lehre für Spitzensportlerinnen und<br />

-sportler beschreiten. Ebenso viele Berufschancen<br />

erschliessen sich mit einer<br />

lehrbegleitenden Berufsmaturität oder<br />

einer Matura an einem Gym nasium,<br />

um an einer Universität einen Bachelor<br />

oder einen Master abzulegen oder eine<br />

Weiterbildung zu machen. Etwa einen<br />

CAS (Certificate of advanced studies).<br />

Ganz am anderen Ende der Ausbildungsskala<br />

steht die vom Fachverband<br />

2Rad im Oktober <strong>2024</strong> lancierte zweijährige<br />

berufliche Grundausbildung mit<br />

eidgenössischem Berufsattest (EBA),<br />

die ab 2025 an neun Schulen in der<br />

Schweiz angeboten wird. «Es ist ein<br />

niederschwelliges Angebot für Jugendliche<br />

mit handwerklichem Geschick,<br />

die schulmüde sind oder Mühe in der<br />

Schule haben», sagt Daniel Schärer,<br />

Geschäftsführer des Verbands 2Rad.<br />

«Organisationen, die sich mit der<br />

Integration von Migrantinnen und<br />

Migranten auseinandersetzen, sind<br />

besonders daran interessiert.» In der<br />

Praxis entlasten die Zweiradassistenzen<br />

die <strong>Velo</strong>mechanikerinnen bei<br />

Aufgaben ohne Kundenkontakt. Sie<br />

entpacken Pakete, bewirtschaften das<br />

Lager, montieren neu gelieferte <strong>Velo</strong>s,<br />

richten Lenker und Sattel, putzen<br />

<strong>Velo</strong>s, wechseln Reifen und rüsten das<br />

Material für die <strong>Velo</strong>mechaniker. Nach<br />

Abschluss ihrer Ausbildung können sie<br />

ins zweite Jahr der Fahrradmechaniker -<br />

Berufslehre wechseln und eröffnen sich<br />

so alle Bildungschancen – bis auf Stufe<br />

Universität. OO<br />

Nebenberufliche <strong>Velo</strong>weiterbildungen<br />

Wer nebenberuflich Kinder und Erwachsene beim <strong>Velo</strong>fahren anleiten will, kann das bei <strong>Pro</strong> <strong>Velo</strong><br />

tun und sich dafür beim Regionalverband seiner Region melden. Bei <strong>Velo</strong>plus können Interessierte<br />

dagegen Reparatur- oder Technikkurse für Frauen belegen. Wer es sportlicher mag, bildet sich<br />

bei Swiss Cycling zum Mountainbike Guide aus, zur J+S-Leiterin im Bereich Policycle (Mountainbike,<br />

Bahn, Radquer) oder Hallensport (Einrad, Kunstrad, Radball, BMX). Auch beim internationalen<br />

Radverband UCI gibt es verschiedene Weiterbildungen im <strong>Velo</strong>bereich.<br />

<strong>Pro</strong>-<strong>Velo</strong>-Kurse<br />

Swiss Cycling – Weiterbildung für<br />

Sportleitende<br />

Swiss-Cycling-Weiterbildung zum<br />

Mountainbike-Guide<br />

<strong>Velo</strong>weiterbildungen des UCI<br />

Swiss Cycling – Weiterbildung zum<br />

Club Management<br />

<strong>Velo</strong>plus-Kurse<br />

Winter <strong>2024</strong> Dossier 9


VELO UND BERUF<br />

Von der <strong>Velo</strong>mechanikerin<br />

zur Geschäftsführerin<br />

Irene Senn fuhr als Jugendliche nicht gern <strong>Velo</strong>.<br />

Dennoch machte die Drittplatzierte am Europacup<br />

der Zweiradmechanikerinnen und -mechaniker eine<br />

<strong>Velo</strong>karriere. Heute führt sie ein <strong>Velo</strong>fachgeschäft in<br />

Dussnang.<br />

DIE LIEBE zum <strong>Velo</strong> wurde der<br />

29-jährigen Irene Senn nicht in die<br />

Kinderwiege gelegt. Ganz im Gegenteil:<br />

«Das <strong>Velo</strong>fahren war für<br />

mich eine einzige Mühsal. Mein<br />

Schulweg führte von der Au bei<br />

Fischingen bis nach Dussnang<br />

und war fünf Kilometer lang,<br />

mit fast 300 Metern Höhenunterschied.<br />

Diesen Weg legte<br />

ich täglich zweimal mit dem<br />

<strong>Velo</strong> zurück.» Wohlbemerkt mit<br />

einem ohne elektrische Tretunterstützung.<br />

Nach diesen Jugenderlebnissen<br />

steht das <strong>Velo</strong> bei<br />

Irene Senns Berufswahl deshalb<br />

nicht an oberster Stelle: «Ich schnupperte<br />

in vielen Berufen – als Sportartikelverkäuferin<br />

oder als Hochbauzeichnerin.»<br />

Doch nichts gefällt ihr wirklich.<br />

«Mein Opa brachte mich schliesslich<br />

darauf, mich als <strong>Velo</strong>mechanikerin zu<br />

bewerben.» Gesagt, getan: Nach<br />

einem <strong>Pro</strong>betag bei der 2Rad Schweizer<br />

AG in Kirchberg ist sie derart von<br />

Beruf und Firma angetan, dass sie dort<br />

flugs eine Lehrstelle als <strong>Velo</strong>mechanikerin<br />

beginnt. Nach Lehrabschluss<br />

nimmt die 19-Jährige 2014 am Europacup<br />

der Zweiradmechanikerinnen und<br />

-mechaniker teil und wird auf Anhieb<br />

Dritte. Der Teilnahme gehen jedoch<br />

etliche bei <strong>Velo</strong>importeuren und anderen<br />

Fachgeschäften verbrachte Feiertage<br />

voran, um Kurse zu belegen und<br />

<strong>Velo</strong>s unterschiedlichster Marken auseinander-<br />

und zusammenzubauen.<br />

Mit Durchhaltewillen zum Erfolg<br />

In einer <strong>Velo</strong>werkstatt zu arbeiten, genügt<br />

Irene Senn auf Dauer nicht. Sie<br />

möchte sich auch entwickeln. Nach<br />

einer Zwischenstation als Zweiradmechanikerin<br />

und Shopverantwortliche<br />

beim Sportferienanbieter Eitzinger<br />

Sports & Travel im thurgauischen<br />

Eschlikon wechselt sie 2016 deshalb in<br />

den Kundendienst zum <strong>Velo</strong>grosshändler<br />

Fuchs-Movesa AG im Kanton<br />

Aargau, wo sie inzwischen auch lebt.<br />

Wenig später beginnt Senn einen Berufsbildnerkurs,<br />

um künftig an einer<br />

Berufsbildungsschule zu unterrichten.<br />

Eine Gelegenheit dafür bietet sich<br />

Irene Senn 2017 an der Berufsschule in<br />

Winterthur. Dort steht die gerade<br />

22-Jährige erstmals vor einer Klasse<br />

angehender <strong>Velo</strong>mechanikerinnen<br />

und -mechaniker, die nur wenige<br />

Jahre jünger sind als sie selbst. Um<br />

nicht nur aushilfsweise, sondern auch<br />

in höherem Pensum zu dozieren, muss<br />

Irene Senn jedoch eine zweijährige<br />

Meisterprüfung nach altem Reglement<br />

zusammen mit den Motorradmechanikerinnen<br />

und -mechanikern<br />

ablegen. Bis zum Abschluss geht es<br />

nicht ohne Tiefs: «Ich war gezwungen,<br />

mich wöchentlich mit neuen Ver-<br />

brennermotoren auseinanderzusetzen.»<br />

Etwas, das sie nie brauchen<br />

würde – und ein Stoff, den sie nicht<br />

leicht verinnerlichte. «Ich stand kurz<br />

davor aufzugeben.» Trotz aller<br />

Schwierigkeiten: Irene Senn hält durch<br />

und beendet ihre Weiterbildung im<br />

Oktober 2017. Kurz danach nimmt ihr<br />

Leben eine Wende. Sie kommt mit<br />

ihrem Lebenspartner und dem Vater<br />

ihrer heute zwei- und dreijährigen<br />

Kinder zusammen. Noch im selben<br />

Jahr kehrt sie nach Dussnang<br />

zurück. Es ist eine Herzensangelegenheit:<br />

«Ich hatte<br />

sehr starkes Heimweh.» Das<br />

Pendeln vom Thurgau in den<br />

Aargau und den Kanton Zürich<br />

werden ihr bald zu viel: «Die<br />

Lebensqualität litt erheblich.»<br />

Im September 2018 kündigt<br />

Irene Senn deshalb ihren Job bei<br />

Fuchs-Movesa. Sie bleibt jedoch<br />

nicht untätig: Innert vier Monaten<br />

eröffnet sie in Dussnang das <strong>Velo</strong>fachgeschäft<br />

Bike by Irene.<br />

Zeitgleich unterrichtet sie zweimal<br />

wöchentlich an der Berufsfachschule<br />

in Winterthur und absolviert berufsbegleitend<br />

einige Didaktikmodule an<br />

der Eidgenössischen Hochschule für<br />

Berufsbildung (EHB). Mit der Geburt<br />

ihrer Kinder beendet sie das Unterrichten<br />

jedoch. Ganz ad acta legen<br />

möchte Irene Senn es aber nicht: «Ich<br />

kann mir vorstellen, es wieder aufzunehmen,<br />

wenn meine Kinder zur<br />

Schule gehen.» Statt des Unterrichts<br />

beschäftigt sie derzeit die Entwicklung<br />

ihres Geschäfts, das auf zwei<br />

Mitarbeitende und einen Lernenden<br />

angewachsen ist. Für den <strong>Velo</strong>mech-<br />

Nachwuchs engagiert sie sich immer<br />

noch: «Wir beteiligen uns beispielsweise<br />

am Ferienpass, um den <strong>Velo</strong>mech-Beruf<br />

vorzustellen. Ich habe<br />

auch Lernende übernommen, die an<br />

der Berufsschule Mühe hatten. Ausserdem<br />

amte ich als Prüfungsexpertin<br />

an der Berufsschule.» OO<br />

bikebyirene.ch<br />

10 Dossier<br />

Text und Foto: Corinne Päper<br />

<strong>Pro</strong> <strong>Velo</strong> <strong>Magazin</strong>


VELO UND BERUF<br />

Die Mobilitätsplanerin<br />

Auch wenn das Fahrrad jetzt einen grossen Platz in Virginie Kauffmanns Arbeit<br />

einnimmt, hat sie ihre Berufskarriere nicht damit begonnen. Heute plant,<br />

koordiniert und konkretisiert die Jurassierin Mobilitätskonzepte für zahlreiche<br />

Gemeinwesen.<br />

«ALS KIND war das <strong>Velo</strong>fahren<br />

für mich mit besonderen Momenten<br />

mit meinem Papa verbunden,<br />

wenn wir in seiner Freizeit eine<br />

<strong>Velo</strong>tour unternahmen», erinnert<br />

sich Virginie Kauffmann<br />

(47). «Dass das <strong>Velo</strong> ein<br />

perfektes Fortbewegungsmittel<br />

im Alltag ist, entdeckte<br />

ich jedoch erst vor<br />

etwa zwölf Jahren, als ich<br />

an der ‹bike to work›-<br />

Aktion teilnahm. Vor zwei<br />

Jahren erfüllte sich mein<br />

Traum, in derselben Stadt<br />

zu wohnen und zu arbeiten.<br />

Das hat mich auf den Geschmack<br />

gebracht, noch mehr<br />

<strong>Velo</strong> zu fahren. Das ist eine<br />

enorme Freiheit – ganz zu schweigen<br />

von der Effizienz, da ich mich<br />

sehr schnell von einem Punkt zu<br />

einem anderen bewege.»<br />

Westschweizer Beraterin für<br />

<strong>Velo</strong>stationen<br />

Den roten Faden ihrer Karriere beschreibt<br />

Virginie Kauffmann mit zwei<br />

Worten: nachhaltige Mobilität. Seit<br />

Studienabschluss arbeitet sie in diesem<br />

Bereich. Zunächst fünf Jahre<br />

beim Verkehrsclub der Schweiz (VCS),<br />

bevor sie zum Büro für Mobilität in<br />

Bern wechselte, wo sie zwölf Jahre<br />

blieb. Vor vier Jahren eröffnete sie in<br />

Biel ihr eigenes Mobilitätsbüro – die<br />

«Geografe» GmbH.<br />

Auf ihrer Erfolgsliste stehen die<br />

<strong>Velo</strong>strategien der Kantone Waadt,<br />

Wallis und Freiburg sowie die <strong>Velo</strong>stationen<br />

von Delsberg und Bulle.<br />

Virginie Kauffmann berät zudem das<br />

Forum <strong>Velo</strong>stationen Schweiz, begleitet<br />

seit bald zehn Jahren die Stadt<br />

Bulle und deren <strong>Velo</strong>aktionsplan und<br />

kooperiert mit Randregionen wie<br />

dem Val-de-Ruz oder dem Naturpark<br />

Gruyère Pays-d’Enhaut.<br />

Ein Rollenwandel<br />

«Der Stellenwert des <strong>Velo</strong>s hat sich in<br />

der Schweiz in den letzten 20 Jahren<br />

erheblich verändert», konstatiert<br />

Virginie Kauffmann: «Heute ist es<br />

eine feste Grösse in der Mobilitätspolitik.<br />

Vor 20 Jahren war noch viel<br />

mehr Lobbyarbeit nötig», so die<br />

Geografin. «Die technischen Aspekte<br />

der Mobilität beherrschen die Ingenieurbüros<br />

inzwischen recht gut. Es<br />

kommen jedoch weitere Aspekte<br />

hinzu. Deshalb verändert sich auch<br />

meine Rolle. Künftig werde ich mich<br />

vermehrt mit Verhaltens änderungen<br />

auseinandersetzen. Zum Glück habe<br />

ich auch Psychologie studiert.»<br />

Selbst wenn es die notwendige<br />

<strong>Velo</strong>infrastruktur schon gäbe, sei<br />

es nicht einfach, die Bevölkerung<br />

dazu zu bringen, sie auch zu nutzen.<br />

Mehr Raum für Menschen<br />

Virginie Kauffmann will das <strong>Velo</strong><br />

niemandem als allein selig machende<br />

Wahrheit aufdrängen, im Gegenteil:<br />

«Eine ideale Stadt ist für mich eine, in<br />

der sich alle Menschen wohlfühlen –<br />

egal ob Kind, Frau, älterer<br />

Mensch oder Person mit eingeschränkter<br />

Mobilität.» Denke<br />

man über Mobilität nach,<br />

bedeute das jedoch wahrscheinlich,<br />

Autos weniger<br />

Platz zu geben und sie zu<br />

kanalisieren, damit Menschen<br />

mehr Raum erhielten.<br />

Obschon die Vorteile<br />

des <strong>Velo</strong>s mittlerweile den<br />

meisten bekannt sind:<br />

Virginie Kauffmann wird die<br />

Überzeugungsarbeit so<br />

schnell nicht ausgehen. OO<br />

geografe.ch<br />

velostation.ch<br />

Text: Ariane Gigon<br />

Winter <strong>2024</strong> Foto: zVg<br />

11<br />

Dossier


Wir<br />

besitzen<br />

1030 Aber<br />

Bücher nur<br />

im Leben.<br />

1 <strong>Velo</strong>.<br />

Der Inbegriff von Freiheit und ein Statement für<br />

die Umwelt. Cumpan, das nachhaltige <strong>Velo</strong>,<br />

das sich dir und deinen Bedürfnissen anpasst.<br />

Entdecke die vier Modelle: cumpan.ch<br />

Dein <strong>Velo</strong> fürs Leben


MITGLIEDER IM GESPRÄCH<br />

Gaëtan Milliard:<br />

«Nie ohne mein <strong>Velo</strong>!»<br />

Für ihn ist <strong>Velo</strong>fahren mehr als nur ein Hobby – es ist<br />

eine Leidenschaft, die ihn schon lange begleitet.<br />

Mittlerweile verdient er damit seinen Lebensunterhalt,<br />

indem er <strong>Velo</strong>s bei seinen Kundinnen und<br />

Kunden zu Hause repariert. Daneben engagiert er<br />

sich im Vorstand von <strong>Pro</strong> <strong>Velo</strong> Neuenburg.<br />

WÄRE KEIN brabbelndes Baby<br />

im Hintergrund zu hören, könnte man<br />

meinen, dass sich im Leben von<br />

Gaëtan Milliard (39) alles ums <strong>Velo</strong><br />

dreht. Schon als Kind radelt er im ländlich<br />

gelegenen französischen Drôme,<br />

wo er auch aufwächst. Die zahlreichen<br />

und langen <strong>Velo</strong>touren, die er mit seiner<br />

Partnerin meist per Tandem quer<br />

durch Europa und Asien unternahm,<br />

machten ihn endgültig zum <strong>Velo</strong>enthusiasten.<br />

«Sich mit dem <strong>Velo</strong><br />

fortzubewegen ist eine Lebensphilosophie:<br />

ein Zustand völliger Freiheit,<br />

bei der Bewegung, Spass, Entdeckungen,<br />

Selbstüber windung und das<br />

Miteinander im Vordergrund stehen»,<br />

erklärt der Diplomingenieur für Materialtechnik<br />

und Nanotechnologie.<br />

«Sich mit dem <strong>Velo</strong><br />

fortzubewegen<br />

ist eine Lebensphilosophie:<br />

ein<br />

Zustand völliger<br />

Freiheit.»<br />

Auf Reisen kümmerte sich Gaëtan<br />

Milliard zunehmend selbst um die<br />

gesamte Mechanik seines Tandems.<br />

«Nicht nur theoretisch, sondern auch<br />

praktisch.» Das Wissen dazu erwirbt<br />

er sich durch das Lesen von E-Books<br />

und der handwerklichen Arbeit am<br />

<strong>Velo</strong>. Sein Know-how will Milliard<br />

auch mit anderen teilen. Deshalb<br />

gründete er 2013 mit Gleichgesinnten<br />

in Neuenburg eine <strong>Velo</strong>reparaturwerkstatt<br />

mit dem Namen Black<br />

Office. Dort finden Interessierte<br />

gebrauchte <strong>Velo</strong>teile und Werkzeuge<br />

und können sich von Freiwilligen<br />

handwerklich beraten lassen. Ein<br />

finanzieller Beitrag ist nicht obligatorisch<br />

und soll vor allem die Miete des<br />

Lokals decken, das sich die Werkstatt<br />

mit einer <strong>Velo</strong>kurier-Genossenschaft<br />

und <strong>Pro</strong> <strong>Velo</strong> Neuenburg teilt. 2013 ist<br />

nicht nur das Gründungsjahr von<br />

Black Office, es ist auch das Jahr, in<br />

dem Gaëtan Milliard <strong>Pro</strong> <strong>Velo</strong> Neuenburg<br />

beitritt. Der Grund? «Der Verein<br />

schafft Verbindungen zwischen den<br />

Menschen. Das motivierte mich, Mitglied<br />

zu werden», erklärt er. «Die Idee,<br />

gemeinsam eine <strong>Velo</strong>infrastruktur zu<br />

entwickeln, um das <strong>Velo</strong>fahren in der<br />

Innenstadt zu fördern und zu verbessern,<br />

hat mich begeistert.» Bald<br />

engagiert er sich auch im Vorstand<br />

und reduziert sein Arbeitspensum als<br />

Ingenieur, um mehr Zeit fürs <strong>Velo</strong> zu<br />

haben.<br />

Das <strong>Velo</strong> zu Hause reparieren<br />

lassen<br />

Der Bewegungsmangel am Arbeitsplatz<br />

und die Gründung der Plattform<br />

ByKarl, die nach dem Erfinder der<br />

Draisine, Karl Drais, benannt wurde,<br />

bewogen Gaëtan Milliard 2022, sich<br />

als Franchisenehmer dieses Angebots,<br />

das es in der Romandie von Genf über<br />

Lausanne bis Neuenburg gibt, selbstständig<br />

zu machen. Das Prinzip ist einfach:<br />

Die Kundschaft vereinbart über<br />

ByKarl einen Termin mit einer Fachkraft<br />

für Mechanik, die bei ihr zu<br />

Hause das <strong>Velo</strong> flickt. Das ist nicht nur<br />

praktisch bei schwer beweglichen<br />

<strong>Velo</strong>s, sondern auch für Familien, die<br />

gleich mehrere Zweiräder besitzen.<br />

Notfallhilfe kann Milliard derzeit noch<br />

nicht leisten. «Bei genügend Ressourcen<br />

schliesse ich das aber nicht aus.»<br />

Seine Dienstleistungen will er vor<br />

allem für Unternehmen ausbauen. Er<br />

träumt auch davon, sein <strong>Velo</strong> so zu<br />

optimieren, dass es sich an die Jahreszeiten<br />

anpasst und er es das ganze<br />

Jahr nutzen kann, um damit jederzeit<br />

und überall hinzufahren. OO<br />

Weitere Informationen:<br />

proveloneuchatel.ch<br />

bykarl.ch<br />

Mitglied von <strong>Pro</strong> <strong>Velo</strong><br />

seit 2013<br />

Sein grösster Traum<br />

Mit dem Fahrrad auf der autofreien<br />

Autobahn von La Chaux-de-Fonds nach<br />

Neuenburg zu fahren<br />

Eine Wunschreise mit dem <strong>Velo</strong><br />

Europa mit dem <strong>Velo</strong> erkunden<br />

Sein Lieblingsvelobuch<br />

«Le Tao du vélo: Petites méditations<br />

cyclopédiques» von Julien Leblay<br />

Sein Lieblingsvelofilm<br />

«Jour de fête» von Jacques Tati<br />

13 Verband<br />

Text: Ariane Gigon, Cynthia Khattar<br />

Foto: Krushot<br />

<strong>Pro</strong> <strong>Velo</strong> <strong>Magazin</strong>


POLITIK UND INFRASTRUKTUR<br />

Die Verdoppelung des<br />

<strong>Velo</strong>verkehrs ist nicht<br />

gratis zu haben<br />

Der Bund will den <strong>Velo</strong>verkehr mit der Roadmap <strong>Velo</strong> bis 2035 verdoppeln. Doch<br />

der Begriff Strassenkarte täuscht, denn es fehlen konkrete Hinweise, wie das Ziel<br />

zu erreichen ist. <strong>Pro</strong> <strong>Velo</strong> fordert eine Strategie nach dem Vorbild anderer Länder.<br />

MIT DEM <strong>Velo</strong>artikel in der<br />

Bundesverfassung und dem <strong>Velo</strong>weggesetz<br />

ist die <strong>Velo</strong>förderung in der<br />

Schweiz in Schwung gekommen.<br />

Viele Kantone sind aktiv geworden,<br />

und auch der Bund will auf den<br />

Nationalstrassen dritter Klasse eigene<br />

<strong>Velo</strong>wege mit hoher Qualität bauen.<br />

Vergangenen Mai hat er unter dem<br />

Namen Roadmap <strong>Velo</strong> eine Informationsplattform<br />

zur Förderung des<br />

Systems <strong>Velo</strong> lanciert. Mit ihr will der<br />

Bund die Verdoppelung des <strong>Velo</strong>verkehrs<br />

zwischen 2021 und 2035<br />

erreichen.<br />

Für <strong>Pro</strong> <strong>Velo</strong> genügt diese Roadmap<br />

jedoch nicht. Ihr fehlt die politische<br />

Verbindlichkeit, weil sie nicht mehr<br />

als eine Absichtserklärung ist. Es gibt<br />

auch keine Strategie, mit welchen<br />

Massnahmen das Ziel erreicht<br />

werden soll. Ein Blick über die<br />

Grenzen zeigt, dass viele Länder<br />

einen Vorgehensplan entwickelt<br />

haben. Etwa Deutschland mit dem<br />

Nationalen Radverkehrsplan, Österreich<br />

mit dem Masterplan Radfahren<br />

oder Frankreich mit dem Plan Vélo et<br />

marche. Während sich Regierungschefs<br />

oder Ministerinnen dort zur<br />

<strong>Velo</strong>förderung bekennen, erscheint<br />

der in der Schweiz zuständige<br />

Verkehrsminister in der Öffentlichkeit<br />

primär mit Argumenten zum Autobahnausbau.<br />

Selbst die Europäische<br />

Kommission und das EU-Parlament<br />

haben kürzlich eine <strong>Velo</strong>förderungserklärung<br />

verabschiedet.<br />

Konkret fordert <strong>Pro</strong> <strong>Velo</strong> Massnahmen<br />

in fünf Bereichen:<br />

• Bundesmittel: Heute geht rund ein<br />

<strong>Pro</strong>zent der Verkehrsinvestitionen<br />

an das <strong>Velo</strong>; es sollten aber mindestens<br />

fünf <strong>Pro</strong>zent sein.<br />

• Verkehrsrecht: Das Recht muss<br />

velofreundlicher werden. Hierzu<br />

gehören ein Überholabstand von<br />

mindestens 1,5 Metern und ein<br />

Überholverbot in Kreiseln.<br />

• Fachleute: Es gibt zu wenige<br />

Bau- und Planungsfachleute; eine<br />

Ausbildungsoffensive soll den<br />

Nachwuchs fördern.<br />

• Beratung: Gemeinden und Kantone<br />

sollen sich an eine Beratungsstelle<br />

wenden können, so wie in den<br />

Niederlanden.<br />

• Nationale Konferenz: Jährlich soll<br />

eine Veranstaltung mit Strahlkraft<br />

die <strong>Velo</strong>schweiz zusammenbringen.<br />

OO<br />

Weitere Informationen<br />

roadmapvelo.ch<br />

Foto: Pixabay<br />

14 Verband<br />

Text: Christoph Merkli<br />

<strong>Pro</strong> <strong>Velo</strong> <strong>Magazin</strong>


POLITIK UND INFRASTRUKTUR<br />

Mut zum <strong>Velo</strong>: <strong>Pro</strong><br />

<strong>Velo</strong> fordert Taten<br />

vom Bund<br />

Ob der Bund die Kette spannt oder ins Leere tritt –<br />

wir schauen genau hin. <strong>Pro</strong> <strong>Velo</strong> lobt, kritisiert und<br />

wird aktiv, wo es nötig ist.<br />

DER BUNDESRAT veröffentlichte<br />

im September einen Bericht zur<br />

Finanzierung ländlicher <strong>Velo</strong>infrastrukturen.<br />

Für <strong>Pro</strong> <strong>Velo</strong> ist dieser<br />

enttäuschend, da der Bundesrat die<br />

Kantone und Gemeinden weiterhin<br />

nicht stärker finanziell unterstützt,<br />

auch nicht dort, wo die heutigen<br />

Förderprogramme nicht greifen.<br />

Deshalb werden <strong>Velo</strong>wege und<br />

Abstellanlagen im ländlichen Raum<br />

weiterhin kaum mit Geldern gefördert.<br />

Doch <strong>Pro</strong> <strong>Velo</strong> lässt nicht locker<br />

und fordert eine aktivere Rolle des<br />

Bundes bei der Finanzierung von<br />

<strong>Velo</strong>infrastrukturen. Am Geld scheint<br />

es nicht zu mangeln – obschon der<br />

Bund fürs <strong>Velo</strong> keine zusätzlichen<br />

Finanzmittel vorsieht, sollen 4,9<br />

Milliarden Franken in neue Autobahnen<br />

fliessen. Am 24. November wird<br />

die Stimmbevölkerung darüber<br />

abstimmen. <strong>Pro</strong> <strong>Velo</strong> hat das Referendum<br />

gegen diese Ausgaben unterstützt<br />

und empfiehlt nun ein Nein, da<br />

dieses Geld besser in die <strong>Velo</strong>infrastruktur<br />

investiert wäre und neue<br />

Autobahnen zu mehr Autoverkehr<br />

führen.<br />

Für ein rotes <strong>Velo</strong>wegnetz<br />

<strong>Pro</strong> <strong>Velo</strong> will mehr und besser<br />

sichtbare <strong>Velo</strong>wege. Dazu soll der<br />

Bund ermöglichen, <strong>Velo</strong>flächen<br />

durchgängig rot einzufärben. Diese<br />

Forderungen hat <strong>Pro</strong> <strong>Velo</strong> beim Bund<br />

platziert, da der Bundesrat die<br />

betreffende Verordnung derzeit<br />

revidiert. Die Roteinfärbung von<br />

<strong>Velo</strong>flächen soll nicht mehr nur bei<br />

Gefahrenstellen möglich sein,<br />

sondern auf allen <strong>Velo</strong>flächen.<br />

Vorbild dazu sind die Niederlande,<br />

wo dem <strong>Velo</strong> schon seit Jahrzehnten<br />

So könnte eine echte <strong>Velo</strong>strasse in Zukunft aussehen, sofern der Bund es zulässt.<br />

der rote Teppich ausgelegt wird. Das<br />

trägt dazu bei, die <strong>Velo</strong>wege besser<br />

vom anderen Verkehr zu trennen, das<br />

Sicherheitsempfinden von <strong>Velo</strong>fahrenden<br />

zu steigern und den <strong>Velo</strong>verkehr<br />

bis 2035 zu verdoppeln – ein<br />

Ziel, das der Bund mit der Roadmap<br />

<strong>Velo</strong> selbst formuliert hat.<br />

Für eine echte <strong>Velo</strong>strasse und<br />

attraktive <strong>Velo</strong>bahnen<br />

Ebenfalls beim Bundesrat platziert<br />

hat <strong>Pro</strong> <strong>Velo</strong> die Forderung nach einer<br />

echten <strong>Velo</strong>strasse. Die vor allem in<br />

den Städten bereits mehrfach<br />

markierte <strong>Velo</strong>strasse wurde in der<br />

Schweiz vor einigen Jahren getestet,<br />

aber nicht genügend umfassend<br />

umgesetzt. Heute kann eine <strong>Velo</strong>strasse<br />

in Tempo-30-Zonen markiert<br />

werden, womit aber lediglich der<br />

Rechtsvortritt aufgehoben wird,<br />

sodass <strong>Velo</strong>fahrende zügig vorankommen.<br />

Die Markierung einer<br />

<strong>Velo</strong>strasse sollte jedoch auch mit<br />

einem Überholverbot für Autos<br />

verbunden sein und der Möglichkeit,<br />

auf dem <strong>Velo</strong> nebeneinander zu<br />

fahren. <strong>Pro</strong> <strong>Velo</strong> fordert deshalb die<br />

Einführung eines entsprechenden<br />

Signals in der Signalisationsverordnung.<br />

Der Bund hat ausser dem<br />

Entwurf für die neue Signalisationsverordnung<br />

im Juli auch ein Handbuch<br />

zu <strong>Velo</strong>bahnen erarbeitet. Auch<br />

hierzu bezog <strong>Pro</strong> <strong>Velo</strong> Stellung:<br />

<strong>Velo</strong>bahnen sind Teil der vom <strong>Velo</strong>weggesetz<br />

geforderten <strong>Velo</strong>wegnetze.<br />

Sie sollen ausserorts als eigenständige<br />

Infrastruktur und innerorts<br />

als ebensolche <strong>Velo</strong>strassen in<br />

Tempo-30-Zonen realisiert werden.<br />

<strong>Pro</strong> <strong>Velo</strong> wünscht sich jedoch mehr<br />

Fortschritt: Eine flächige Einfärbung,<br />

eine einheitliche Gestaltung sowie<br />

eine echte <strong>Velo</strong>strasse mit Überholverbot<br />

für Autos und dem Recht für<br />

<strong>Velo</strong>fahrende, nebeneinander zu<br />

fahren. OO<br />

Foto: <strong>Velo</strong>konferenz Schweiz / co.dex production ltd. & Julien Joliat<br />

Verband<br />

Winter <strong>2024</strong> Text: Raffaela Hanauer<br />

15


REGION<br />

Vorfahrt für Kinder<br />

Kinder fahren immer<br />

weniger <strong>Velo</strong>. Das hat<br />

vor allem mit einer wenig<br />

kinderfreundlichen<br />

<strong>Velo</strong>infrastruktur zu tun.<br />

Um darauf aufmerksam<br />

zu machen, entstand die<br />

Kidical-Mass-Bewegung,<br />

die den Kindern freie<br />

Fahrt auf den Strassen<br />

zugesteht.<br />

4 – 3 – 2 – 1: Der Startschuss fällt.<br />

Pünktlich um 13 Uhr setzt sich die<br />

<strong>Velo</strong>kolonne in der Luzerner Innenstadt<br />

mit lautem <strong>Velo</strong>klingeln in<br />

Bewegung. Die Jüngsten fahren im<br />

Kindersitz auf dem <strong>Velo</strong> der Eltern,<br />

während einige Kleinkinder ein<br />

Laufrad nutzen und die grösseren Kids<br />

mit eigenem <strong>Velo</strong> mitrollen. Rund 1000<br />

Menschen zwischen 0 und 80 Jahren<br />

sind an diesem Septembertag gemeinsam<br />

eine Stunde lang auf der 4,5<br />

Kilometer langen, quer durch Luzern<br />

führenden Strecke unterwegs, die für<br />

diese Gelegenheit für den motorisierten<br />

Verkehr gesperrt wurde.<br />

Jede Kidical Mass in Luzern ist anders:<br />

Die <strong>Velo</strong>strecke variiert von Kindervelofahrt<br />

zu Kindervelofahrt, führt aber<br />

immer über die grosse Seebrücke, die<br />

von <strong>Velo</strong>fahrenden aller Altersklassen<br />

wegen des starken Verkehrs ansonsten<br />

eher gemieden wird. Am Zielort des<br />

<strong>Velo</strong>umzugs erwarten die Kids jeweils<br />

Spiel und Spass und gesunde Leckereien.<br />

Für Sicherheit sorgen die sogenannten<br />

Korkerinnen und Korker*<br />

sowie die mitfahrende <strong>Velo</strong>polizei und<br />

der Polizeiwagen am Ende der <strong>Velo</strong>ko-<br />

* Korken bedeutet, dass eine Fahrspur<br />

kurzzeitig gesperrt wird. Dazu stellen<br />

sich Korkerinnen und Korker mit ihrem<br />

<strong>Velo</strong> in die querende Fahrspur, die als<br />

Nächstes Grün bekommt. Bei Demos<br />

macht das meist die Polizei.<br />

lonne. «So können alle, die sich mit<br />

dem <strong>Velo</strong> unsicher auf der Strasse<br />

fühlen, einmal sicher durch Luzern<br />

fahren», sagt Mitorganisator Lukas von<br />

Wyl von <strong>Pro</strong> <strong>Velo</strong> Luzern. Doch bei<br />

Kidical Masses geht es nicht nur um<br />

den Spass, sondern auch darum, die<br />

Strassen zurückzuerobern. «Solange<br />

es an sicheren <strong>Velo</strong>wegen fehlt, die<br />

sich für Jung bis Alt eignen, braucht es<br />

eine Kidical Mass», sagt von Wyl.<br />

Eine Forderung, die für alle Regionen<br />

in der Schweiz ihre Gültigkeit hat,<br />

denn immer weniger Kinder fahren<br />

<strong>Velo</strong>. Dieser Trend liesse sich mit einer<br />

kinderfreundlichen <strong>Velo</strong>infrastruktur<br />

jedoch aufhalten, ist der SOPHYA-Studie<br />

des Bundesamts für Sport (BASPO)<br />

aus dem Jahr 2022 zu entnehmen, da<br />

besonders das bewegungsunfreundliche<br />

Wohnumfeld einen negativen<br />

Einfluss auf das Bewegungs- und<br />

Sportverhalten der Kinder habe. So<br />

bewegen sich jene, die im Vergleich<br />

zu anderen derselben Altersgruppe<br />

früh körperlich aktiv sind, auch im<br />

Erwachsenenalter vermehrt.<br />

Wenig kinderfreundliche Strassen<br />

Noch bleibt es vielerorts beim Wunsch<br />

nach einer kinderfreundlichen <strong>Velo</strong>infrastruktur:<br />

«In der Stadt und auf dem<br />

Land sind Kinder kaum mehr beim<br />

Spielen auf der Strasse anzutreffen»,<br />

sagt der Sozialwissenschaftler Marco<br />

Hüttenmoser, der sich mit ihrer<br />

Bewegungsfreiheit beschäftigt.<br />

«Kinder bleiben vermehrt zu Hause,<br />

bewegen sich weniger und konsumieren<br />

exzessiv Medieninhalte.» Diese<br />

Untätigkeit betreffe rund 20 bis 30<br />

<strong>Pro</strong>zent aller Fünfjährigen auf dem<br />

Land und in der Stadt. «Deshalb fahren<br />

sie auch weniger und weniger gut<br />

<strong>Velo</strong>.» Dass sich Kinder per Zweirad<br />

bewegen, sei jedoch wichtig für ihre<br />

motorische Entwicklung und Schulung<br />

der Umweltwahrnehmung. Hinzu<br />

käme: «Spielen Kinder vermehrt im<br />

Freien, knüpfen auch die Erwachsenen<br />

einfacher Kontakte – die Nachbarschaftshilfe<br />

wächst.»<br />

Dem Einsperren der Kinder entgegenwirken<br />

– das ist auch das Ziel der<br />

Kidical-Mass-Bewegung, zu der dieses<br />

Jahr zehn Regionen unter Mitwirkung<br />

von <strong>Pro</strong> <strong>Velo</strong> aufriefen und die ein<br />

Zeichen dafür ist, dass auch Kinder ein<br />

Recht darauf haben, sich allein im<br />

Strassenraum aufzuhalten. OO<br />

Buchtipp<br />

Kinder, die<br />

im Laufe der<br />

ersten fünf<br />

Lebensjahre<br />

das nahe Umfeld<br />

der Wohnung<br />

eigenständig<br />

erkunden und<br />

dort mit<br />

Gleichaltrigen<br />

spielen können, entwickeln<br />

gute motorische und soziale<br />

Fähigkeiten. Das Spielen in<br />

der Nachbarschaft fördert<br />

auch das Miteinander der<br />

Erwachsenen. Der Zwang,<br />

ständig mit den Eltern<br />

zusammen zu sein und<br />

immer begleitet werden zu<br />

müssen, führt dagegen zu<br />

umweltbelastenden Bring- und<br />

Holsituationen. Das Buch<br />

beleuchtet grundlegende<br />

Lösungen.<br />

Kindheit ohne Raum, Marco<br />

Hüttenmoser, Wien, <strong>2024</strong><br />

Kidical Masses<br />

Die Strasse ist für alle<br />

da, lautet die Forderung<br />

des internationalen<br />

Aktionsbündnisses Kidical<br />

Mass, das von <strong>Pro</strong> <strong>Velo</strong><br />

unterstützt wird und in über<br />

15 Ländern Kindervelofahrten<br />

wie in Luzern durchführt und<br />

so Zehntausende von Kindern<br />

aufs <strong>Velo</strong> und auf die Strassen<br />

bringt. Auch die verschiedenen<br />

<strong>Pro</strong>-<strong>Velo</strong>-Regionalverbände<br />

veranstalten jeweils im<br />

Frühling oder Herbst Kidical<br />

Masses.<br />

kinderaufsrad.org/aktionsbuendnis<br />

velorution.ch/kidical-mass<br />

16 Verband<br />

Text: Corinne Päper<br />

<strong>Pro</strong> <strong>Velo</strong> <strong>Magazin</strong>


REGION<br />

Old Up: <strong>Velo</strong>fahren ohne<br />

Altersgrenze<br />

<strong>Velo</strong>fahren ist ein treuer Begleiter im Alter. Man<br />

fährt in seinem eigenen Rhythmus, dosiert die<br />

Anstrengungen nach Belieben und kann jederzeit<br />

vom <strong>Velo</strong> absteigen oder eine Pause einlegen. Beim<br />

ersten «Old Up» traten alle Generationen in die<br />

Pedale.<br />

DIE GENFERINNEN und Genfer<br />

lagen goldrichtig: Am 29. September<br />

veranstalteten sie den ersten «Old Up»<br />

– ähnlich wie ein «SlowUp», aber mit<br />

dem englischen Wort für «alt». Organisiert<br />

wurde der Anlass vom Quartierverein<br />

Pré-en-Bulle zusammen mit<br />

dem VCS, <strong>Pro</strong> <strong>Velo</strong> Genf und Cité<br />

Seniors. Über 100 <strong>Velo</strong>fahrende zwischen<br />

3 und 90 Jahren begaben sich<br />

auf die festliche, generationenübergreifende<br />

und mit Musik begleitete<br />

Fahrt. Gemeinsam traten sie in die Pedale,<br />

um eine nachhaltige und seniorengerechte<br />

Mobilität zu fördern. Am<br />

Ende gab es zwei Höhepunkte: eine<br />

Führung durch die Ausstellung «Vélo:<br />

équilibres en mouvements» im Musée<br />

Rath und eine Podiumsdiskussion zum<br />

Thema <strong>Velo</strong> und Senioren.<br />

Lebhafte Gespräche<br />

An der Diskussionsrunde beteiligte<br />

sich unter der Leitung von Sarah<br />

Widmer (VCS) eine prominente<br />

Runde: Alfonso Gomez, Mitglied der<br />

Genfer Stadtregierung und ehemaliger<br />

Präsident von <strong>Pro</strong> <strong>Velo</strong> Genf,<br />

Alexandre Gagnaire von der Vereinigung<br />

«À Vélo Sans Âge» und Hans<br />

Peter Graf von der Stiftung FAAG. Für<br />

Alfonso Gomez war die Priorität klar:<br />

«Damit ältere Menschen mehr <strong>Velo</strong><br />

fahren, müssen die Strassen sicherer<br />

werden.» Noch sei die Infrastruktur<br />

zu sehr aufs Auto ausgerichtet. «Das<br />

Es gibt in jedem Alter viele Möglichkeiten, sich mit dem <strong>Velo</strong> fortzubewegen.<br />

ist für <strong>Velo</strong>fahrende – ab einem gewissen<br />

Alter – ein grosses Hindernis.»<br />

Ausserdem brauche es geeignetere<br />

Fahrräder für ältere Menschen,<br />

Gomez befürwortete zudem eine<br />

Unterstützung bei ihrem Erwerb.<br />

Hans Peter Graf erinnerte daran, dass<br />

17 <strong>Pro</strong>zent der über 65-Jährigen in der<br />

Schweiz das <strong>Velo</strong> bereits nutzen. Eine<br />

Herausforderung lag für ihn in der<br />

ungenügenden Trennung von Zu-Fuss-<br />

Gehenden und <strong>Velo</strong>fahrenden. Um<br />

den gegenseitigen Respekt im<br />

Strassen verkehr zu fördern, wurde in<br />

Basel sogar eine Verhaltenscharta eingeführt.<br />

Alexandre Gagnaire berührte das<br />

Publikum mit seiner Geschichte: Mit<br />

seinem Dreirad ermöglicht er Senioren,<br />

die nicht mehr in die Pedale<br />

treten können, die Freuden des Radfahrens<br />

wiederzuentdecken und aus<br />

ihrem Alltag auszubrechen. Die Initiative<br />

der Schweizer Organisation «À<br />

Vélo Sans Âge» gibt damit denjenigen,<br />

die darauf angewiesen sind, ein<br />

Lächeln und Mobilität zurück. Zwischen<br />

Bewusstseinsbildung und praktischen<br />

Tipps hat «Old Up» jedoch vor<br />

allem eins gezeigt: Das <strong>Velo</strong> eignet<br />

sich nicht nur für junge Berufstätige,<br />

sondern ist auch ein Werkzeug, um<br />

die Freiheit und Gesundheit von älteren<br />

Menschen zu fördern. OO<br />

pro-velo-geneve.ch<br />

Foto: Pecorini.ch<br />

Verband<br />

Winter <strong>2024</strong> Text: Nataniel Mendoza<br />

17


RAD UND RECHT<br />

Wer ausrutscht, zahlt<br />

vielleicht doppelt<br />

Christoph<br />

Merkli, Leiter<br />

Infrastruktur<br />

und Politik<br />

VELOFAHREN IM Winter ist<br />

besonders gesund. Einerseits<br />

bewege und stärke ich mich<br />

in einer Jahreszeit, die eher<br />

zum Stubenhocken verlockt.<br />

Andererseits<br />

meide ich öffentliche<br />

Verkehrsmittel, wo so<br />

mancher Virus zirkuliert.<br />

Im Winterhalbjahr<br />

müssen <strong>Velo</strong>fahrende<br />

aber auch aufmerksamer<br />

sein. So ist aus<br />

der Statistik und aus<br />

Studien bekannt, dass<br />

über die Hälfte aller<br />

<strong>Velo</strong>verkehrsunglücke<br />

Allein unfälle sind. Gemäss<br />

Beratungsstelle für Unfallverhütung<br />

gilt das Ausrutschen als<br />

häufigster Unfallhergang bei dieser<br />

Art von Unfällen. Beispiels weise<br />

auf Strassenoberflächen, einer<br />

Markierung oder Schienen, die im<br />

Winter aufgrund nasser oder eisiger<br />

Witterung naturgemäss rutschiger<br />

sind.<br />

Selbstverständlich kann ich von<br />

einem Strasseneigentümer erwarten,<br />

dass eine Strasse frei von Laub,<br />

Schnee oder Eis ist. Allerdings nicht,<br />

dass alle Strassen gleichzeitig unterhalten<br />

und freigeräumt sind, umso<br />

weniger, je grösser das Strassen netz<br />

ist. Je wichtiger eine Strasse ist und<br />

je stärker sie befahren wird, desto<br />

eher muss sie geräumt und gesalzen<br />

werden. Eine sogenannte Werkeigentümerhaftung<br />

einzuklagen, ist daher<br />

nicht immer Erfolg versprechend.<br />

Die Rechtsprechung macht im Gegenteil<br />

deutlich, dass <strong>Velo</strong>fahrende<br />

nicht von der Einhaltung gewisser<br />

Vorsichtsmassnahmen entbunden<br />

sind. Nehmen <strong>Velo</strong>fahrerinnen und<br />

<strong>Velo</strong>fahrer diese Eigenverantwortung<br />

nicht wahr, droht ihnen eine Strafe<br />

wegen Nichtbeherrschen des Fahrzeugs.<br />

Zu allfälligen sturzbedingten<br />

Schmerzen kann dann noch eine<br />

schmerzhafte Geldstrafe hinzukommen.<br />

Es überrascht daher nicht, dass<br />

viele <strong>Velo</strong>fahrende bei einem Alleinunfall<br />

auf eine Anzeige bei der Polizei<br />

verzichten.<br />

Immerhin führt nicht jedes Nichtbeherrschen<br />

zu einer Strafe. Die<br />

Staatsanwaltschaft oder das Gericht<br />

kann davon absehen, wenn Schuld<br />

Foto: Pixabay<br />

und Tatfolgen geringfügig sind oder<br />

das Unfallopfer durch die Unfallfolgen<br />

genug bestraft ist. Sich<br />

also nach einem Sturz bei der<br />

Polizei zu melden, kann zwar<br />

kontraproduktiv sein, es<br />

kann sich aber lohnen, eine<br />

verhängte Busse anzufechten.<br />

OO<br />

Gefahrenstellen<br />

melden<br />

Wer eine gefährliche<br />

<strong>Velo</strong>stelle kennt, kann<br />

diese auf der Plattform<br />

bikeable eintragen. Dort<br />

können sich andere <strong>Velo</strong>fahrende<br />

informieren. Die<br />

Plattform dient Gemeinden<br />

und Städten aber auch<br />

dazu, Gefahrenstellen zu<br />

minimieren.<br />

bikeable.ch<br />

18 Verband<br />

<strong>Pro</strong> <strong>Velo</strong> <strong>Magazin</strong>


FORSCHUNG<br />

Tempo im <strong>Velo</strong>verkehr<br />

aus planerischer Sicht<br />

Lange Zeit spielte die Geschwindigkeit beim<br />

<strong>Velo</strong>fahren eine untergeordnete Rolle. Mit der<br />

zunehmenden Beliebtheit von Elektrovelos und<br />

S-Pedelecs rückt die Geschwindigkeitsmessung aber<br />

vermehrt in den Fokus von Forschung und Praxis.<br />

Michael van<br />

Eggermond,<br />

Mobilität und<br />

Verkehr, FHNW<br />

DIE GESCHWINDIGKEITS-<br />

MESSUNG ist auf verschiedenen<br />

Ebenen relevant: Aufgrund der gewünschten<br />

oder erwarteten Geschwindigkeiten<br />

hilft dies Planenden,<br />

die Art der Radanlagen und deren<br />

Breite zu bestimmen. So finden mit<br />

zunehmenden Geschwindigkeitsunterschieden<br />

etwa mehr Überholvorgänge<br />

statt, wodurch mehr Platz benötigt<br />

wird. Hinzu kommt: Damit<br />

Überholen ohne Interaktion mit dem<br />

Autoverkehr möglich ist, bedarf es<br />

ebenfalls mehr Fläche.<br />

Für <strong>Velo</strong>fahrende – vor allem für diejenigen,<br />

die konventionelle <strong>Velo</strong>s<br />

nutzen – erhöht die Beibehaltung der<br />

Geschwindigkeit den Fahrkomfort<br />

erheblich, beispielsweise dank des<br />

Vortritts entlang von <strong>Velo</strong>strassen.<br />

Um längere <strong>Velo</strong>routen zu bewerten,<br />

ist daher bei Kreuzungen die Messung<br />

der Brems- und Beschleunigungsvorgänge<br />

wichtig. Umwege, die<br />

man nehmen muss, spielen auch eine<br />

Rolle dabei, in welcher Fahrzeit ein<br />

bestimmtes Ziel erreicht werden<br />

kann, ob das <strong>Velo</strong> benutzt und entlang<br />

welcher Route gefahren wird.<br />

So schnell wird gefahren<br />

Punktuelle Messungen aus der<br />

Schweiz ergeben, dass E-Bikes normalerweise<br />

mit Geschwindigkeiten zwischen<br />

27 und 32 km/h unterwegs sind.<br />

Pedelecs fahren zwischen 22 und<br />

27 km/h, und <strong>Velo</strong>s erreichen Geschwindigkeiten<br />

von 16 bis 25 km/h.<br />

Diese Unterschiede zwischen E-Bikes<br />

und <strong>Velo</strong> ergeben sich hauptsächlich<br />

aufgrund von Steigungen: E-Bikes sind<br />

bergauf schneller (Renard et al., 2017).<br />

Auswertungen von GPS-Daten von<br />

<strong>Velo</strong>- und E-Bike-Fahrenden im Ausland<br />

zeigen ähnliche Geschwindigkeiten<br />

auf (Schleinitz et al., 2017;<br />

Twisk et al., 2021).<br />

Der Mikrozensus Mobilität und Verkehr<br />

2021 (MZMV) gibt darüber hinaus<br />

Einblicke in die Tür-zu-Tür-<br />

Geschwindigkeiten in der Schweiz.<br />

Auf Basis der erhobenen Reisezeiten<br />

und -distanzen wurden folgende<br />

Geschwindigkeiten ermittelt: <strong>Velo</strong>:<br />

10,9 km/h, E-Bike: 11,9 km/h,<br />

S-Pedelec: 18,8 km/h. Ausserdem:<br />

Im Schnitt ist der mit einem E-Bike<br />

oder einem S-Pedelec zurückgelegte<br />

Weg um 1,3 beziehungsweise 3 Kilometer<br />

länger als die durchschnittlich<br />

3,6 Kilometer lange Strecke, die mit<br />

einem normalen <strong>Velo</strong> zurückgelegt<br />

wird (BFS / ARE, 2023).<br />

Geschwindigkeitsplanung<br />

Einige Länder, darunter die Niederlande<br />

und Belgien, haben sich für Tempolimits<br />

auf Radwegen entschieden.<br />

So wurde die Geschwindigkeit von<br />

S-Pedelecs auf Radwegen in den<br />

Niederlanden innerorts auf 30 km/h<br />

begrenzt. Allerdings gibt es keine<br />

Pflicht für S-Pedelec-Fahrende, diese<br />

Wege auch zu benutzen. In Antwerpen,<br />

Belgien, wurde dagegen eine<br />

Richtgeschwindigkeit von 25 km/h<br />

auf Radwegen eingeführt, auf denen<br />

S-Pedelecs erlaubt sind und ein hohes<br />

Aufkommen an <strong>Velo</strong>fahrenden zu<br />

erwarten ist. In der Schweiz müssen<br />

S-Pedelecs derzeit auf Radwegen und<br />

-streifen fahren. Eine laufende Revision<br />

des Strassenverkehrsgesetzes<br />

sieht jedoch vor, dass S-Pedelec-Fahrende<br />

künftig sowohl die <strong>Velo</strong>flächen<br />

als auch die Strasse benutzen dürfen.<br />

Die <strong>Velo</strong>verkehrsplanung geht über<br />

die Verkürzung der Fahrzeiten durch<br />

höhere Geschwindigkeiten hinaus.<br />

Es geht vielmehr darum, ein positives<br />

<strong>Velo</strong>fahrerlebnis zu unterstützen,<br />

das Unfallrisiko zu verringern und die<br />

damit verbundenen Vorteile für<br />

Gesundheit und Lebensqualität zu<br />

berücksichtigen. Das Tempo ist<br />

dabei nur ein Teil des Ganzen. OO<br />

Quellen<br />

Bundesamt für Statistik / Bundesamt für<br />

Raumentwicklung (2023). Mobilitätsverhalten<br />

der Bevölkerung. Ergebnisse des<br />

Mikrozensus Mobilität und Verkehr 2021.<br />

Schweizerische Eidgenossenschaft.<br />

Renard, A., Fleury, J., Junod, L., Wyss, C.,<br />

Neuenschwander, R., und Delacrétaz, Y.<br />

(2017). Vélos électriques – Effets sur le<br />

système de transports (Forschungsauftrag<br />

SVI2014/003 auf Antrag der Vereinigung<br />

Schweizerischer Verkehrsingenieure (SVI)<br />

1603; S. 225). Bundesamt für Strassen.<br />

Schleinitz, K., Petzoldt, T., Franke-Bartholdt,<br />

L., Krems, J., und Gehlert, T. (2017). The<br />

German Naturalistic Cycling Study –<br />

Comparing cycling speed of riders of<br />

different e-bikes and conventional bicycles.<br />

Safety Science, 92, S. 290–297.<br />

doi.org/10.1016/j.ssci.2015.07.027<br />

Twisk, D., Stelling, A., Van Gent, P., De Groot,<br />

J., und Vlakveld, W. (2021). Speed characteristics<br />

of speed pedelecs, pedelecs and<br />

conventional bicycles in naturalistic urban<br />

and rural traffic conditions. Accident Analysis<br />

& Prevention, 150, 105940.<br />

doi.org/10.1016/j.aap.2020.105940<br />

Winter <strong>2024</strong> Verband 19


Cycle-Life<br />

Kinotipp – Automania – wie <strong>Velo</strong>fahrende ihren Platz zurückerobern<br />

Foto: zVg<br />

Foto: zVg<br />

Regisseur Fabian Biasio steckt im Dilemma:<br />

Als städtischer <strong>Velo</strong>fahrer verspürt er einen<br />

latenten Autohass. Seine Verletzlichkeit<br />

im Strassenverkehr kompensiert er durch<br />

eine grosszügige Auslegung der Verkehrsregeln.<br />

Kaum sitzt er jedoch selbst hinter dem<br />

Steuer eines Autos, wird er zum Autofanatiker.<br />

Der Film «Automania» befasst<br />

sich mit den unterschiedlichen<br />

Lebenswelten diesseits und jenseits<br />

der Windschutzscheibe. Der Film zeigt,<br />

wie es so weit kam, dass wir dem Auto<br />

so viel Platz einräumen. Aber auch, wie<br />

wir diese Räume zurückerobern.<br />

automania-derfilm.ch<br />

Mit dem <strong>Velo</strong> um den Erdball<br />

In welcher Stadt, Gemeinde<br />

oder Region wird am meisten<br />

<strong>Velo</strong> gefahren? Diese Frage<br />

stellte sich auch an der<br />

fünften Cyclomania-Challenge<br />

im September, bei der<br />

fast 15 000 <strong>Velo</strong>begeisterte<br />

aus der ganzen Schweiz ihre<br />

Fahrten während vier Wochen<br />

mit der Cyclomania-App<br />

aufzeichneten. Insgesamt<br />

legten sie über eine<br />

Anita Wenger von <strong>Pro</strong> <strong>Velo</strong> Schweiz<br />

gratuliert dem Kreuzlinger Stadtpräsidenten<br />

Thomas Niederberger.<br />

Foto: <strong>Pro</strong> <strong>Velo</strong> Schweiz<br />

Million <strong>Velo</strong>kilometer zurück<br />

– 25 <strong>Pro</strong>zent mehr als<br />

im Vorjahr. Das ist nicht<br />

nur ein Rekord für Cyclomania,<br />

sondern auch für die<br />

Stadt Kreuzlingen: Sie<br />

gewann die Challenge zum<br />

vierten Mal in Folge und<br />

übertraf im Wettkampf<br />

um die prozen tuale Beteiligung<br />

der Bevölkerung und<br />

abgeschlossene Challenges<br />

20 Cycle-Life<br />

Texte: Ariane Gigon, Corinne Päper<br />

<strong>Pro</strong> <strong>Velo</strong> <strong>Magazin</strong>


Buchtipps<br />

Foto: zVg<br />

Hoffen bleibt erlaubt<br />

Plastikverschmutzte Flüsse und Seen, illegale<br />

Mülldeponien und schwermetallverseuchte<br />

Böden bei Aluminiumfabriken: Auf ihrer <strong>Velo</strong>reise<br />

von Bern nach Teheran sehen das <strong>Pro</strong>-<br />

<strong>Velo</strong>-Mitglied Martin Bichsel und der Journalist<br />

Florian Wüstholz immer wieder die Folgen<br />

von Umweltzerstörung durch <strong>Pro</strong>fitgier und<br />

fehlender Weitsicht. Dennoch bleiben sie zuversichtlich:<br />

Auf ihrer Reise begegnen ihnen<br />

ebenso Menschen, die Widerstand leisten<br />

und sich engagieren und die trotz allem an eine lebenswerte<br />

Zukunft glauben.<br />

Hoffen bleibt erlaubt, Florian Wüstholz,<br />

Martin Bichsel, Eigenverlag, <strong>2024</strong>, 324 Seiten<br />

Die Kunst des<br />

<strong>Velo</strong>fahrens<br />

In seinem Buch «L’art du vélo»<br />

erzählt der französische Soziologe<br />

David Le Breton die Geschichte<br />

des Zweirads.<br />

Seine oft poetischen Texte sind<br />

reich an literarischen und philosophischen<br />

Verweisen, darunter<br />

auf Persönlichkeiten wie David<br />

Byrne («Journal à bicyclette»),<br />

Bernard Chambaz («Petite philosophie<br />

du vélo») oder Claude<br />

Marthaler, der selbst zahlreiche<br />

Reiseberichte verfasste («Voyages<br />

sellestes»). Besonders bemerkenswert<br />

sind Geschichten<br />

wie die des Radrennfahrers<br />

Gino Bartali, der während des<br />

Zweiten Weltkriegs 800 Juden<br />

vor dem sicheren Tod rettete.<br />

David Le Breton,<br />

L’art du vélo,<br />

Petite Biblio Payot,<br />

Essais, <strong>2024</strong>,<br />

208 Seiten<br />

74 teilnehmende Städte,<br />

Gemein den und Regionen.<br />

«Gemeinsam um die Welt<br />

fahren», setzte sich Kreuzlingen<br />

vor vier Jahren zum<br />

Ziel. <strong>2024</strong> hat die Stadt es<br />

mit der aktuell 580 Köpfe<br />

zählenden <strong>Velo</strong>-Community<br />

auch erreicht. «Zusammen<br />

radelten wir fast 50 000<br />

Kilometer», freut sich die<br />

Kreuzlinger Stadtmarketingverantwortliche<br />

Martina<br />

Eggenberger. Dass die<br />

Cyclomania-Challenge bei der<br />

Bevölke rung so gut ankommt,<br />

liegt für sie vor allem an<br />

der vorbildlichen Haltung<br />

der Regierung. «Unser Stadtpräsident<br />

Thomas Niederberger<br />

nahm ebenfalls an der<br />

Challenge teil, und der<br />

Stadtrat kam regelmässig mit<br />

dem <strong>Velo</strong> zur Arbeit. Das<br />

blieb in der Öffentlichkeit<br />

nicht unbemerkt.»<br />

Cyclomania<br />

ist eine jährlich stattfindende<br />

<strong>Velo</strong>-Challenge,<br />

die das Alltagsvelofahren<br />

in Städten, Gemeinden und<br />

Regionen auf spielerische<br />

Weise fördert. Die nächste<br />

Cyclomania-Challenge<br />

findet im September 2025<br />

statt.<br />

cyclomania.ch<br />

Winter <strong>2024</strong> Cycle-Life 21


Tessiner Fluchten<br />

Wenn im Mittelland Nebel liegt, ruft die Seele nach Sonne und Wärme. Ennet<br />

dem Gotthard findet sie Nahrung. Die zwei Tourenvorschläge zeigen, dass es<br />

neben anspruchsvollen Touren auch gemütliche gibt.<br />

Weiter geht es durch das enge Tal, das sich<br />

hinter Cevio langsam öffnet. Hier wird der<br />

Blick frei auf die imposanten Berge und die<br />

immer grüner werdende Landschaft. Die<br />

Maggia fliesst hier noch ruhig und klar. Für<br />

eine längere Rast eignet sich der Ort Giumaglio.<br />

Dort befindet sich ein charmantes Grotto, wo<br />

man typische Tessiner Spezialitäten essen<br />

kann.<br />

Die <strong>Velo</strong>tour führt<br />

durchs Maggiatal<br />

und durch ein<br />

Naturschutzgebiet.<br />

Die «gemütliche» <strong>Velo</strong>tour durch das Maggiatal<br />

beginnt am Talende in Cavergno und führt<br />

an das Ufer des Lago Maggiore hinab nach<br />

Locarno. Auf dieser rund 35 Kilometer langen<br />

Strecke radelt man stets talabwärts entlang<br />

der Maggia. Die Route bietet alles, was das<br />

Herz von <strong>Velo</strong>fahrenden begehrt: idyllische<br />

Dörfer, dichte Wälder und beeindruckende<br />

Felsformationen.<br />

Der Ausgangsort ist mit dem Bus erreichbar,<br />

der jeweils zwei Fahrräder transportieren<br />

kann. Direkt nach dem Start umgeben einen<br />

die majestätischen Gipfel der Tessiner Alpen.<br />

Die Strasse ist sanft abschüssig, sodass die<br />

Tour gemütlich beginnt und man die Natur<br />

geniessen kann. <strong>Velo</strong>fahrende kommen an<br />

malerischen Ortschaften wie Bignasco und<br />

Cevio vorbei, wo es sich lohnt, eine kurze<br />

Pause einzulegen. Besonders Bignasco beeindruckt<br />

mit seiner alten Steinbrücke, die hoch<br />

über dem Fluss thront und ein beliebtes Fotomotiv<br />

ist.<br />

Die Strecke führt weiter flussabwärts, vorbei<br />

an Maggia und Tegna. Dort wird die Umgebung<br />

städtischer, denn bis nach Locarno ist es<br />

nicht mehr weit. Auf den letzten Kilometern<br />

der Tour wird das Flussbett der Maggia breiter<br />

und die Landschaft flacher. Man fährt nun<br />

durch Schwemmland, das sich vor Jahrtausenden<br />

durch den Fluss gebildet hat. Heute<br />

ist es ein Naturschutzgebiet mit beeindruckender<br />

Flora und Fauna.<br />

Kurz vor Locarno bietet die alte Steinbrücke<br />

von Ponte Brolla einen spektakulären Blick auf<br />

die tief in den Felsen eingegrabene Schlucht,<br />

durch die die Maggia rauscht. In Locarno erwarten<br />

einen das milde Klima des Lago Maggiore<br />

und das südliche Flair der Stadt. An der<br />

Seepromenade kann man die Tour gemütlich<br />

ausklingen und die Eindrücke Revue passieren<br />

lassen.<br />

Diese <strong>Velo</strong>tour eignet sich für Freizeitvelofahrende,<br />

die das Tessin von seiner schönsten<br />

Seite erleben möchten. Der Weg ist durchgehend<br />

asphaltiert und gut befahrbar und somit<br />

auch für Familien geeignet. Die 35 Kilometer<br />

mit einem Höhenunterschied von rund 400<br />

Metern sind eine angenehme Mischung aus<br />

Naturerlebnis und sportlicher Betätigung. OO<br />

Durchs Maggiatal<br />

Strecke: ca. 35 km, ca. 300 Hm abwärts<br />

Geeignet für: Genussradler und Familien<br />

Route auf SchweizMobil: Percorso Valle Maggia 31<br />

Ausgangsort: Locarno, Bus 315<br />

22 Cycle-Life<br />

Text und Foto: Silvie Asler<br />

<strong>Pro</strong> <strong>Velo</strong> <strong>Magazin</strong>


Wer bei der<br />

Monte-Bar-Hütte<br />

ankommt, kann die<br />

Aussicht auf die<br />

Umgebung von<br />

Lugano geniessen.<br />

Anspruchsvoller gehts per Mountain- oder<br />

Gravelbike zur Monte-Bar-Hütte auf dem<br />

Hausberg von Lugano. Die Tour startet in<br />

Bidogno und führt auf knapp 22 Kilometern<br />

zu einem der schönsten Tessiner Aussichtspunkte.<br />

Der Weg schlängelt sich sanft durch<br />

Wälder und über Maiensässe, wobei immer<br />

wieder fantastische Ausblicke auf das Tal und<br />

die Berge zu geniessen sind. Die asphaltierte<br />

Strasse führt in gleichmässigen Serpentinen<br />

bergauf und bietet zahlreiche Rastmöglichkeiten,<br />

ideal für kleine Pausen.<br />

Obwohl die Tour auch für Kinder machbar ist,<br />

erfordert der lange Anstieg Kondition und<br />

Durchhaltevermögen. Kurz vor der Monte-<br />

Bar-Hütte wird der Anstieg steiler, aber die<br />

Aussicht auf die Umgebung von Lugano und<br />

die umliegenden Gipfel belohnt alle Mühen.<br />

Die Hütte mit dem spektakulären Ausblick<br />

lädt zu einer wohlverdienten Rast mit Tessiner<br />

Spezialitäten ein.<br />

Der Rückweg verläuft über einen schmalen,<br />

abwechslungsreichen Singletrail. Dieser Pfad<br />

erfordert etwas technisches Können und<br />

macht die Abfahrt besonders spannend. Wer<br />

möchte, folgt der ausgeschilderten Tour 358<br />

Monte Bar Bike oder zweigt bei Grasso ab und<br />

fährt über Pian Sotto zurück nach Bidogno, um<br />

dort einige enge kleine, durch Schluchten führende<br />

Wege zu durchfahren. Ist beim Aufstieg<br />

Durchhaltewillen gefragt, ist der Singletrail<br />

sicherlich eines der Tour-Highlights. OO<br />

Hinauf zum Monte Bar<br />

Strecke: ca. 22 km, ca. 900 Hm<br />

Geeignet für: erfahrene Mountain- und<br />

Gravelbiker, ältere Kinder und Jugendliche<br />

Hinweis: Der lange Aufstieg fordert Ausdauer,<br />

die Abfahrt über den Singletrail etwas<br />

technisches Geschick.<br />

GPX-Track: bergwelten.com/t/m/26141<br />

Winter <strong>2024</strong> Cycle-Life 23


Foto: Pixabay<br />

Durch Winter und Kälte<br />

Im Herbst und im Winter brauchen <strong>Velo</strong> und E-Bike mehr Pflege als im Sommer.<br />

Wer einige Punkte beachtet, kommt ohne <strong>Pro</strong>bleme durch die kalte Jahreszeit.<br />

Die Blätter fallen, Nebelschwaden ziehen über<br />

den Boden, und die Temperaturen erreichen<br />

keine Höchstwerte mehr. Die kalte Jahreszeit<br />

hat Einzug gehalten. Damit <strong>Velo</strong>fahrende gut<br />

durch den Herbst und den Winter kommen,<br />

braucht es nicht viel. Es hilft jedoch, bei<br />

schlechtem Wetter und im Winter mehr Zeit<br />

für die <strong>Velo</strong>fahrt einzuplanen. Damit die Räder<br />

auf rutschigen Strassen nicht ins Schleudern<br />

geraten, kann man zudem auf Winterreifen<br />

zurückgreifen, die es mittlerweile von allen<br />

bekannten Herstellern gibt. Das Spezielle<br />

daran? Sie haben eine besonders wintertaugliche<br />

Gummimischung und ein griffiges <strong>Pro</strong>fil.<br />

Wer das <strong>Velo</strong> im Winter bei Minusgraden<br />

draussen parkiert, sollte darüber hinaus die<br />

Bremsen vor dem Losfahren kontrollieren.<br />

Denn sowohl Felgen- als auch Scheibenbremsen<br />

können einfrieren – was aber sehr selten<br />

ist. Das <strong>Pro</strong>blem ist das Wasser, das in die<br />

Kabelhüllen eindringen und dort gefrieren<br />

kann. Funktionieren die Bremsen nicht, hilft<br />

deshalb nur eins: das Wasser an der Wärme<br />

auftauen lassen.<br />

Warme und wasserdichte Kleidung<br />

Bewährt hat sich bei der Kleidung das Zwiebelprinzip.<br />

Mit mehreren dünnen Kleidungsschichten<br />

passt man sich dem Wetter, der<br />

Temperatur und der Bewegungsintensität<br />

besser an. Wichtig bei tiefen Temperaturen ist<br />

ein guter Windschutz, der den Fahrtwind und<br />

die Kälte abhält. Dann braucht es darunter<br />

auch gar nicht viel warme Kleidung. Als<br />

Windschutz eignen sich Regenjacke und<br />

Regenhose. Wer es besonders kuschlig mag,<br />

kann einen Regenoverall anziehen. Regenbekleidung<br />

mit wasserdichter Membran – etwa<br />

Goretex oder Sympatex – schützt zuverlässig<br />

vor Nässe, kostet aber auch mehr als solche,<br />

die nur über eine Wasser abweisende Beschichtung<br />

verfügt. Im Alltag reicht letztere<br />

aber oft aus.<br />

Tipp: Gamaschen für die Füsse. Sie eignen sich<br />

nicht nur für <strong>Velo</strong>schuhe, sondern lassen sich<br />

auch über normalen Strassenschuhen tragen.<br />

So bleiben die Füsse unterwegs schön trocken.<br />

Schutzbleche anbringen und <strong>Velo</strong> pflegen<br />

Mit breiten und tiefgezogenen Schutzblechen<br />

schützt man nicht nur sich selbst, sondern<br />

auch das Fahrrad. So verschont ein grosser<br />

Spritzschutzlappen am vorderen Schutzblech<br />

das Tretlager, die Kette und die Schuhe vor<br />

Spritzwasser.<br />

Tipp: Das <strong>Velo</strong> am Abend kurz mit warmem<br />

24 Cycle-Life<br />

Text: Fabian Baumann<br />

<strong>Pro</strong> <strong>Velo</strong> <strong>Magazin</strong>


Wasser abspülen.<br />

Überhaupt lohnt es sich, der Kette im Winter<br />

mehr Aufmerksamkeit und Pflege zu schenken.<br />

Schon nach vier bis fünf Fahrten kann es<br />

nötig werden, sie zu ölen. Hochwertige<br />

(vernickelte, rostfreie) Ketten und Zahnräder<br />

sind zudem besser gegen Rost geschützt und<br />

lassen sich mit wenig Aufwand vom Winterdreck<br />

befreien. Einfache, brünierte rosten<br />

dagegen schneller.<br />

Tipp: Auch Schrauben rosten. Diese lassen<br />

sich meist aber durch rostfreie ersetzen. Bei<br />

der Montage sollten die Schraubengewinde<br />

jedoch mit einem guten Montagefett bestrichen<br />

werden.<br />

Licht montieren<br />

Gute Front- und Rücklichter gehören im<br />

Winter an jedes <strong>Velo</strong>. Wer kein fest montiertes<br />

Licht hat, tut gut daran, am Morgen<br />

Anstecklichter einzupacken, denn auf dem<br />

abendlichen Heimweg ist es meist schon<br />

dunkel.<br />

Tipp: Egal ob Anstecklicht oder fix montiert;<br />

das Licht darf andere Verkehrsteilnehmende<br />

nicht blenden. Die Scheinwerfer müssen<br />

deshalb korrekt ausgerichtet werden.<br />

Mit dem E-Bike durch den Winter<br />

Elektrovelofahrende sollten im Winter einige<br />

zusätzliche Dinge beachten, denn Lithiumionenakkus<br />

mögen keine Kälte. Wird das E-Bike<br />

an kalten Wintertagen über längere Zeit<br />

draussen geparkt, sollte der Akku mitgenommen<br />

werden. Auch wenn das Elektrovelo im<br />

Winter im Keller versorgt wird, sollte der<br />

Akku ausgebaut und im Warmen gelagert<br />

werden. Dabei sollte dieser weder voll noch<br />

leer sein. Optimal ist eine Ladung zwischen<br />

50 und 60 <strong>Pro</strong>zent. Um eine Tiefenentladung<br />

des Stromspeichers zu vermeiden, ist es<br />

ratsam, den Ladestand regelmässig zu<br />

überprüfen und den Akku, falls nötig,<br />

aufzuladen.<br />

Tipp: Der Wirkungsgrad des Akkus sinkt bei<br />

fallenden Temperaturen. Die Reichweite ist im<br />

Winter deshalb oft tiefer als im Sommer. Auch<br />

die Tretunterstützung ist bei Steigungen<br />

schwächer als gewohnt.<br />

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ZUR BESTEN ZEIT DES TAGES.<br />

Winter <strong>2024</strong>


Lösungen : Die Werkzeuge : 1/b, 2/d, 3/a, 4/e, 5/c.<br />

Quiz : c. Pumpe, Pumpe, Pumpe ! : die rote Pumpe.<br />

Finde die 7 Unterschiede zwischen<br />

diesen beiden Zeichnungen und<br />

male sie dann aus.<br />

a. b.<br />

Hier sind Werkzeuge, die Sophie in<br />

ihrer Ausbildung zur <strong>Velo</strong>mechanikerin<br />

verwendet. Verbinde jedes Werkzeug<br />

mit seinem Namen.<br />

c.<br />

d.<br />

•<br />

• •<br />

•<br />

e.<br />

•<br />

•<br />

2.SCHIEBLEHRE<br />

•<br />

1.SCHRAUBENZIEHER<br />

•<br />

3.MAUL-<br />

SCHLÜSSEL<br />

•<br />

4.SCHNEIDZANGE<br />

•<br />

5.INNENSECHSKANT-<br />

SCHLÜSSEL<br />

Wie heißt der Ort, an dem Sophie arbeitet ?<br />

a. Ein Krankenhaus für gebrochene Räder<br />

b. Eine Fahrradklinik<br />

c. Eine Werkstatt<br />

d. Eine Garage<br />

Auszubildende<br />

<strong>Velo</strong>mechanikerin<br />

Auf welche Pumpe muss Sophie drücken,<br />

um den Reifen aufzupumpen?<br />

26<br />

Rätsel-Seite<br />

Illustration: Gilles Gonin<br />

<strong>Pro</strong> <strong>Velo</strong> <strong>Magazin</strong>


5 TIPPS<br />

<strong>Velo</strong>fahren bei Schnee<br />

und Glatteis<br />

* Bei fester Schneedecke und Glätte in Kurven möglichst nicht in die Pedale<br />

treten oder bremsen.<br />

* Keine grossen Eisflächen befahren. Ansonsten möglichst keine<br />

Lenkbewegungen machen und ohne zu bremsen ausrollen.<br />

* Die Vorderradbremse auf Schnee und Eis vorsichtig<br />

betätigen.<br />

* Vorausschauend fahren und genügend<br />

Abstand zu anderen<br />

Verkehrsteilnehmenden halten.<br />

* Bei Bodenmarkierungen und<br />

Kopfsteinpflaster aufpassen<br />

– diese sind bei Nässe<br />

besonders rutschig.<br />

Ausserdem:<br />

Winterreifen mit Spikes<br />

helfen <strong>Velo</strong>fahrenden<br />

bei Schnee und Eis<br />

die Bodenhaftung<br />

zu bewahren.<br />

<strong>Pro</strong> <strong>Velo</strong><br />

wünscht frohe<br />

Festtage und<br />

eine gute Fahrt<br />

ins neue Jahr.

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