Frankfurt in Takt - HfMDK Frankfurt
Frankfurt in Takt - HfMDK Frankfurt
Frankfurt in Takt - HfMDK Frankfurt
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<strong>Frankfurt</strong> <strong>in</strong> <strong>Takt</strong><br />
Magaz<strong>in</strong> der Hochschule für Musik und Darstellende Kunst <strong>Frankfurt</strong> am Ma<strong>in</strong><br />
Schwerpunktthema:<br />
Nachdenken über die Lehre<br />
Lernen und Institution<br />
Chancen und Konflikte im Spannungsfeld von<br />
Hochschule und Individuum<br />
Vom Kampf gegen die „<strong>in</strong>neren Kle<strong>in</strong>macher“<br />
Mentales Tra<strong>in</strong><strong>in</strong>g gew<strong>in</strong>nt im Musikstudium an Bedeutung<br />
Neumodischer Kram oder s<strong>in</strong>nvoller Weg<br />
<strong>in</strong> e<strong>in</strong>e ausgezeichnete Lehre?<br />
Team Teach<strong>in</strong>g für Gesangsstudierende<br />
Hilfreicher Dialog statt sturen Diktierens<br />
Zur Verbesserung der Hörvorstellung haben sich neue<br />
methodische Konzepte etabliert<br />
Auf den Spuren der Körpersprache<br />
Physiodrama ist neues Lehrfach im Schauspiel –<br />
deutschlandweit erste Professur dieser Art<br />
Gesunde Hochleistung bis zur Rente<br />
E<strong>in</strong> Mediz<strong>in</strong>er und e<strong>in</strong>e Physiotherapeut<strong>in</strong> beraten Lehrende und<br />
Studierende zum gesunden Umgang mit ihrem Instrument<br />
9. Jahrgang, Nr. 1 Sommersemester 2009<br />
www.hfmdk-frankfurt.de
<strong>Frankfurt</strong> <strong>in</strong> <strong>Takt</strong> 09/1<br />
Inhalt<br />
2 Editorial - Nachdenken über die Lehre<br />
Dozenten der <strong>HfMDK</strong> gehen neue Wege <strong>in</strong> der Lehre<br />
4 Lernen und Institution<br />
Über Chancen und Konflikte im Spannungsfeld von<br />
Hochschulstrukturen und lernendem Individuum<br />
8 Gesunde Hochleistung bis zur Rente<br />
E<strong>in</strong> Mediz<strong>in</strong>er und e<strong>in</strong>e Physiotherapeut<strong>in</strong> beraten Lehrende<br />
und Studierende an der <strong>HfMDK</strong> zum gesunden Umgang mit<br />
ihrem Instrument<br />
10 Vom Kampf gegen die „<strong>in</strong>neren Kle<strong>in</strong>macher“<br />
Mentales Tra<strong>in</strong><strong>in</strong>g, im Sport seit Jahrzehnten üblich, gew<strong>in</strong>nt<br />
im Musikstudium an Bedeutung<br />
11 Von der Kraft der guten Gedanken<br />
Sänger und ihre Lehrenden entdecken den Chancenreichtum<br />
durch mentales Tra<strong>in</strong><strong>in</strong>g<br />
12 Auch <strong>in</strong> der Vermittlung macht der Ton die Musik<br />
Die Qualität der Kommunikation entscheidet mit<br />
über den Lehrerfolg<br />
16 Neumodischer Kram oder s<strong>in</strong>nvoller Weg<br />
<strong>in</strong> e<strong>in</strong>e ausgezeichnete Lehre?<br />
Team Teach<strong>in</strong>g für Gesangsstudierende<br />
17 Lernen unter Produktionsbed<strong>in</strong>gungen<br />
Angehende Opernsänger kommen an der <strong>HfMDK</strong> mit e<strong>in</strong>er Fülle<br />
von Kompetenzen rund um den Bühnenauftritt <strong>in</strong> Kontakt<br />
18 Rückmeldung erwünscht<br />
Feedback, Supervision und Kommunikation<br />
Im Projekt „Qualität <strong>in</strong> der Lehre“ erarbeiten Lehrende und Studierende<br />
des Fachbereichs 2 geme<strong>in</strong>sam Angebote, die die Kommunikation<br />
und Vermittlung <strong>in</strong> der Lehre verbessern sollen<br />
20 Hilfreicher Dialog statt sturen Diktierens<br />
Von der „Gehörbildung“ zur „Hörschulung“<br />
22 „Unterricht ist Vertrauenssache <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er<br />
geme<strong>in</strong>samen Unternehmung“<br />
Klavierprofessor em. Herbert Seidel und Geigenprofessor Walter<br />
Forchert bilanzieren ihre Lehrerfahrung an der <strong>HfMDK</strong><br />
24 Auf den Spuren der Körpersprache<br />
Physiodrama ist neues Lehrfach im Schauspiel –<br />
deutschlandweit erste Professur dieser Art<br />
28 Verpflichtung über das Jahr 2009 h<strong>in</strong>aus<br />
Neue Projekte der Gesellschaft der Freunde und Förderer<br />
28 Stephan Kimmig ist Gastprofessor für Schauspiel und Regie<br />
29 Rotary meets <strong>HfMDK</strong><br />
Rotarier erlebten Wandelkonzert an ungewöhnlichen Orten<br />
der Hochschule<br />
29 US-amerikanischer Opernstar wird Ehrenmitglied <strong>in</strong> der<br />
Gesellschaft der Freunde und Förderer<br />
30 Mit russischem Temperament und kantablem Klangs<strong>in</strong>n<br />
Klavierprofessor<strong>in</strong> Ir<strong>in</strong>a Edelste<strong>in</strong> geht <strong>in</strong> den Ruhestand,<br />
behält aber e<strong>in</strong>en Lehrauftrag<br />
31 Metrisch elastisch statt mechanisch virtuos<br />
Mit se<strong>in</strong>er Pensionierung endet für Klavierprofessor Bernd<br />
Ickert auch se<strong>in</strong> Engagement als Ausbildungsdirektor<br />
32 Ästhetische Erfahrungen statt „fester Rezepte“<br />
Dr. Maria Spychiger ist neue Professor<strong>in</strong> für Musikpädagogik<br />
mit dem Schwerpunkt empirische Forschung<br />
33 „Man s<strong>in</strong>gt nur mit dem Herzen gut“<br />
Tenor Thomas Heyer ist seit Oktober Professor für Gesang<br />
an der <strong>HfMDK</strong><br />
34 E<strong>in</strong> Experte von der Vihuela da Mano bis zur E-Gitarre<br />
Christopher Brandt ist neuer Professor für Gitarre und Methodik<br />
36 Erfolge unserer Studierenden<br />
36 Impressum<br />
Im Innenteil des Heftes bef<strong>in</strong>det sich der<br />
heraustrennbare Veranstaltungskalender der <strong>HfMDK</strong><br />
für das Sommersemester 2009.
Dozenten der <strong>HfMDK</strong> gehen neue Wege <strong>in</strong> der Lehre<br />
„Nachdenken über die Lehre“, das ist das Schwerpunktthema der vorliegenden Ausgabe der „<strong>Frankfurt</strong> <strong>in</strong><strong>Takt</strong>“.<br />
Die Vermittlung handwerklicher Grundlagen sowie die Entwick-<br />
lung der künstlerischen Persönlichkeit ihrer Studierenden s<strong>in</strong>d<br />
zentrale Aufgaben der Hochschule für Musik und Darstellende<br />
Kunst <strong>Frankfurt</strong> am Ma<strong>in</strong> (<strong>HfMDK</strong>). Jedoch auch die Vermittlung<br />
von künstlerisch-kreativen, wissenschaftlichen, pädagogischen,<br />
<strong>in</strong>terpretatorischen und <strong>in</strong>terdiszipl<strong>in</strong>ären Kenntnissen und Kom-<br />
petenzen ist als Bestandteil e<strong>in</strong>er zeitgemäßen künstlerischen<br />
Ausbildung wichtige Voraussetzung für e<strong>in</strong>e erfolgversprechende<br />
Berufsperspektive als Künstler.<br />
Viele Dozenten der <strong>HfMDK</strong> denken <strong>in</strong>tensiv darüber nach, ob sie<br />
„richtig“ lehren und wie sie ihre Lehre verbessern können. So reflektiert<br />
der renommierte Cellist und Musiktheoretiker Prof. Gerhard<br />
Mantel <strong>in</strong> se<strong>in</strong>em Leitartikel die besondere Lehrsituation an e<strong>in</strong>er<br />
Kunsthochschule, für die es eigentlich ke<strong>in</strong> starres Raster geben<br />
dürfte, da jeder künstlerische Entwicklungsprozess bei Studierenden<br />
<strong>in</strong>dividuell und e<strong>in</strong>zigartig ist. Natürlich s<strong>in</strong>d se<strong>in</strong>e Überlegungen<br />
aus der Sicht des Musikers geschrieben, aber auch die Darstellende<br />
Kunst wird Anregungen aus se<strong>in</strong>en Vorschlägen ziehen können.<br />
Ich freue mich sehr, dass viele der Überlegungen von Gerhard<br />
Mantel an unserer Hochschule bereits aufgegriffen werden. Über<br />
e<strong>in</strong>ige Beispiele und Initiativen <strong>in</strong> der Lehre wollen wir <strong>in</strong> diesem<br />
Heft berichten. So berichtet die Gesangsprofessor<strong>in</strong> Hedwig Fassbender<br />
über die ersten Team Teach<strong>in</strong>g-Erfahrungen im Fachbereich<br />
3. Frank Rosenberger, Geschäftsführer des Fachbereichs 2, schildert<br />
die positiven Auswirkungen auf die Lehre durch das Supervisionsprojekt<br />
se<strong>in</strong>es Fachbereichs. Mit Sibylle Cada (Klavier), Herbert<br />
Seidel (Klavier) und Walter Forchert (Viol<strong>in</strong>e) steuern drei erfahrene<br />
Instrumentalprofessoren zentrale Erkenntnisse aus ihrem<br />
langjährigen Unterrichtserleben bei.<br />
Um die Wirkung der Physioprophylaxe geht es <strong>in</strong> dem Gespräch<br />
mit der Flötist<strong>in</strong> und Physiotherapeut<strong>in</strong> Alexandra Türk-Espitalier<br />
und den beiden Professoren Dr. med. Jürgen Blum und Henner<br />
Eppel (Flöte), während Gesangsprofessor<strong>in</strong> Heidrun Kordes und<br />
Prof. Henrik Rabien (Fagott) von der erfolgreichen Zusammenarbeit<br />
mit externen Profis für mentales Tra<strong>in</strong><strong>in</strong>g berichten. Außer-<br />
dem hat die <strong>HfMDK</strong> mit der Professur von Yurgen Schoora für<br />
Physiodrama als bislang e<strong>in</strong>zige Kunsthochschule <strong>in</strong> Deutschland<br />
die <strong>in</strong>terdiszipl<strong>in</strong>äre Körperarbeit <strong>in</strong> ihrem Curriculum verankert.<br />
Und schließlich kommen die Studierenden zu Wort – <strong>in</strong> O-Tönen<br />
zu den erlebten Lehrformen.<br />
Auch die Gesellschaft der Freunde und Förderer der <strong>HfMDK</strong> unterstützt<br />
im Jahr 2009 Projekte, die die Lehre bereichern. So ermöglichen<br />
die Freunde und Förderer erstmals e<strong>in</strong>e Gastprofessur: Stephan<br />
Kimmig, Hausregisseur des Thalia Theater Hamburg, verstärkt den<br />
Ausbildungsbereich Theater und Regie. Dazu kommt ab 2009 jährlich<br />
für e<strong>in</strong>e Arbeitsphase mit dem Hochschulorchester e<strong>in</strong> renommierter<br />
Gastdirigent ans Haus. Den Anfang macht Lothar Zagrosek,<br />
Chefdirigent des Konzerthausorchesters Berl<strong>in</strong>, im November.<br />
E<strong>in</strong> weiteres Anliegen des Freundevere<strong>in</strong>s ist die Förderung Hochbegabter<br />
durch Stipendien. Doch nicht nur Hochbegabung, auch<br />
die Lebens- und Lernbed<strong>in</strong>gungen der Studierenden <strong>in</strong> entscheidenden<br />
Phasen des Studiums sollen erleichtert werden. Förderer,<br />
die uns hierbei unterstützen wollen, s<strong>in</strong>d herzlich willkommen.<br />
E<strong>in</strong> starkes Stipendienprogramm hat darüberh<strong>in</strong>aus e<strong>in</strong>en weiteren<br />
guten Effekt: Es stärkt die Position der <strong>Frankfurt</strong>er Hochschule<br />
im <strong>in</strong>ternationalen Wettbewerb.<br />
Ich lade Sie herzlich e<strong>in</strong>, recht oft die Hochschule zu besuchen<br />
und die vielfältigen Ergebnisse der Arbeiten unserer Studierenden<br />
und Lehrenden zu erleben. Unseren Semesterveranstaltungsüberblick<br />
f<strong>in</strong>den Sie ab sofort <strong>in</strong> der Mitte des Heftes – zum Heraustrennen<br />
nach Bedarf.<br />
Ich wünsche Ihnen nun viel Spaß und Anregungen beim Lesen!<br />
Ihr Thomas Rietschel<br />
Präsident der Hochschule für Musik und<br />
Darstellende Kunst <strong>Frankfurt</strong> am Ma<strong>in</strong><br />
<strong>Frankfurt</strong> <strong>in</strong> <strong>Takt</strong> 09/1
Lernen und Institution<br />
Über Chancen und Konflikte im Spannungsfeld von Hochschulstrukturen<br />
und lernendem Individuum<br />
Seit Jahrzehnten hat sich Prof. em. Gerhard Mantel <strong>in</strong>tensiv mit<br />
den Fragen der Optimierung von Lehre <strong>in</strong> der Musikausbildung<br />
beschäftigt, Bücher dazu verfasst und zu diesem Thema <strong>in</strong>ternational<br />
referiert – e<strong>in</strong> guter Grund, den e<strong>in</strong>stigen Celloprofessor der<br />
<strong>HfMDK</strong> um e<strong>in</strong>en Leitartikel für diese Ausgabe zu bitten. Was Gerhard<br />
Mantel nachfolgend beschreibt, entstammt der Perspektive<br />
e<strong>in</strong>es Musikers, der lange Jahre an unserer Hochschule unterrichtet<br />
hat. E<strong>in</strong>ige se<strong>in</strong>er Ausführungen s<strong>in</strong>d sicherlich auch <strong>in</strong> die Ausbildung<br />
der Darstellenden Kunst übertragbar. Und natürlich freuen<br />
wir uns, dass e<strong>in</strong>ige se<strong>in</strong>er Vorschläge bereits E<strong>in</strong>gang <strong>in</strong> die Lehre<br />
an der <strong>HfMDK</strong> gefunden haben – e<strong>in</strong> Zeichen dafür, dass sich<br />
unsere Hochschule weiterentwickelt.<br />
Die Redaktion<br />
Die Organisation des Studiums an e<strong>in</strong>er Musikhochschule trifft<br />
auf e<strong>in</strong> grundsätzliches Problem. E<strong>in</strong>erseits muss für e<strong>in</strong>e optimale<br />
Verwaltung das Pr<strong>in</strong>zip gelten, dass alle Vorgänge so glatt und reibungslos<br />
wie möglich ablaufen. Dem steht diametral die Tatsache<br />
gegenüber, dass Lernprozesse sich pr<strong>in</strong>zipiell ungleichmäßig, nichtl<strong>in</strong>ear,<br />
<strong>in</strong> Schüben entwickeln; darüber h<strong>in</strong>aus weisen sie <strong>in</strong>dividuell<br />
gänzlich verschiedene Profile auf.<br />
Dieser Spagat fällt e<strong>in</strong>er Hochschule schwer. Oft hat die Frage,<br />
wie „der Laden am besten läuft“, Vorrang vor der Frage, wie „e<strong>in</strong><br />
junger Mensch am besten lernt“. Der Studierende kann sie meist<br />
nicht selbst beantworten; er vertraut auf die Erfahrung der Institution.<br />
So ergibt sich, dass Innovationen es schwer haben, realisiert<br />
zu werden, da sie ja außer an f<strong>in</strong>anzielle Grenzen auch an solche<br />
menschlichen Beharrungswillens stoßen.<br />
Lernphasen<br />
Die Hochschulausbildung e<strong>in</strong>es Studenten beg<strong>in</strong>nt <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Phase<br />
se<strong>in</strong>er Lernbiographie, <strong>in</strong> der die wichtigsten Grundzüge <strong>in</strong>strumentalen<br />
Könnens eigentlich schon abgeschlossen se<strong>in</strong> sollten.<br />
E<strong>in</strong> K<strong>in</strong>d braucht die Anleitung durch feste Bezugspersonen. Mit<br />
elf Jahren braucht es die Führung, mit neunzehn h<strong>in</strong>gegen die Anregung,<br />
ja die Herausforderung. Stattdessen bekommt e<strong>in</strong> junger<br />
<strong>Frankfurt</strong> <strong>in</strong> <strong>Takt</strong> 09/1<br />
l<strong>in</strong>ks: Autor Gerhard Mantel<br />
rechts: E<strong>in</strong>zelunterricht als Spagat<br />
(im Bild der Viol<strong>in</strong>unterricht von<br />
Prof. Walter Forchert): E<strong>in</strong>erseits soll<br />
der Studierende die fachliche Autorität<br />
des Lehrers schätzen, andererseits<br />
muss er genügend Freiraum spüren,<br />
um se<strong>in</strong>e eigene Künstlerpersönlichkeit<br />
zu entfalten.<br />
Erwachsener oft die Führung, als wäre er e<strong>in</strong> K<strong>in</strong>d. So wird die<br />
Entwicklung h<strong>in</strong> zur Autonomie durch zu große Abhängigkeit vom<br />
Lehrer (von beiden Seiten gewollt) sogar oft gebremst. Eigenverantwortliches<br />
Handeln, autodidaktisches Experimentieren (dazu<br />
gehört auch „produktives partielles Scheitern“) wird beh<strong>in</strong>dert.<br />
Das Kommunikations-Muster „K<strong>in</strong>d – Erwachsener“ (als Verhältnis<br />
zwischen Schüler und Lehrer) wird um acht bis zehn Lebensjahre<br />
„nach oben“ verschoben. In der Lernphase des Studiums müssten<br />
Bewusstse<strong>in</strong>sprozesse mehr im Vordergrund stehen gegenüber<br />
e<strong>in</strong>er früheren k<strong>in</strong>dlichen Phase, wo unbewusste, „implizite“ Lernkanäle<br />
(Imitation, Bilder, Assoziationen, Ausprobieren durch re<strong>in</strong>e<br />
Wiederholung) die dom<strong>in</strong>ierende Rolle spielen. Oft fehlt dann das<br />
Gleichgewicht zwischen Intuition und Reflexion (wir s<strong>in</strong>d e<strong>in</strong>e<br />
künstlerisch-wissenschaftliche Hochschule!).<br />
Zur „Reflexion“ gehören fünf Felder:<br />
1. Kenntnisse lernpsychologischer Bed<strong>in</strong>gungen („Üben“)<br />
im spezifischen <strong>in</strong>strumentalen Bereich,<br />
2. grundsätzliche physiologische Kenntnisse der<br />
vernetzten <strong>in</strong>strumentalen Bewegungsabläufe,<br />
3. ästhetisches Wissen über die Wirkung von Musik<br />
(„wie entsteht Ausdruck?“),<br />
4. physikalisches Wissen über das Instrument,<br />
5. kommunikatives Wissen über die Wirkung von Unterricht.<br />
Wir sehen: Der Musikhochschule fällt e<strong>in</strong>e Verantwortung zu,<br />
die über die „Pflege” von Hochbegabungen weit h<strong>in</strong>ausgeht!<br />
Aufnahmeprüfungen<br />
Wie aussagekräftig s<strong>in</strong>d Aufnahmeprüfungen? Sie stellen e<strong>in</strong>e<br />
Querschnittsbeurteilung für den Moment der Prüfung dar. Für den<br />
großen Bereich der Instrumental- und Gesangspädagogik sowie für<br />
den Bereich der Schulmusik jedoch gibt e<strong>in</strong> kurzes Vorspiel kaum<br />
H<strong>in</strong>weise auf die notwendige methodische und kommunikative<br />
Eignung e<strong>in</strong>es Kandidaten für das Studienziel der Lehrtätigkeit.
<strong>Frankfurt</strong> <strong>in</strong> <strong>Takt</strong> 09/1<br />
Bei solchen Aufnahmeprüfungen sollte man deshalb vielleicht e<strong>in</strong><br />
Klausurstück, e<strong>in</strong> Kolloquium, vielleicht e<strong>in</strong>e Volkslieddarstellung,<br />
e<strong>in</strong>e kle<strong>in</strong>e Improvisation, sogar e<strong>in</strong>e Transposition als Aufgabe<br />
stellen – man muss jedenfalls e<strong>in</strong>e andere Prüfungsmodalität suchen<br />
als die der re<strong>in</strong> <strong>in</strong>strumentalen Virtuosität (wobei dann oft<br />
die „zweite Wahl“ den zukünftigen Lehrern zugebilligt wird).<br />
Abschlussprüfungen<br />
Es ist fast unvermeidlich, dass das System der Abschlussprüfungen<br />
im künstlerischen Hauptfach e<strong>in</strong>em schematischen Denken <strong>in</strong> den<br />
Kategorien von „richtig“ oder „falsch“ Vorschub leistet. E<strong>in</strong> künstlerisches<br />
Studium erfordert aber e<strong>in</strong> anderes System der Erfolgsbewertung.<br />
Die Aussagekraft e<strong>in</strong>er künstlerischen Prüfungsnote ist erwiesenermaßen<br />
zweifelhaft. Daher wäre es im Grunde s<strong>in</strong>nvoll, auf Noten<br />
für Abschlussprüfungen <strong>in</strong> den künstlerischen Studiengängen im<br />
Hauptfach überhaupt zu verzichten. Beim Konzertexamen gibt es<br />
auch ke<strong>in</strong>e Noten.<br />
E<strong>in</strong> Grund, ke<strong>in</strong>e Hauptfachprüfungsnoten zu vergeben, ist auch<br />
die nicht ganz zu vermeidende Konkurrenz zwischen den Lehrenden,<br />
die sich bewusst oder unbewusst per Prüfungsnoten mite<strong>in</strong>ander<br />
vergleichen. E<strong>in</strong> solches Verhalten ist nicht böswillig, sondern<br />
systemimmanent. Würden diese Noten wegfallen, ergäbe sich viel<br />
leichter e<strong>in</strong>e geme<strong>in</strong>same Arbeit von verschiedenen Lehrenden mit<br />
e<strong>in</strong>zelnen Studierenden. Wenn unterschiedliche Blickw<strong>in</strong>kel sich<br />
ergänzen, erwachsen die wertvollsten E<strong>in</strong>sichten, denn auch der<br />
beste Lehrer kann niemals alle verschiedenen, dazu auch noch<br />
wechselnden Bedürfnisse <strong>in</strong> der Lernbiographie e<strong>in</strong>es Studenten<br />
abdecken.<br />
Bei e<strong>in</strong>er künstlerischen Leistung, die sich durch so viele unterschiedliche<br />
Parameter def<strong>in</strong>iert, ist die e<strong>in</strong>dimensionale Differenzierung<br />
e<strong>in</strong>er Note mit Dezimalstellen h<strong>in</strong>ter dem Komma eigentlich<br />
e<strong>in</strong> Und<strong>in</strong>g. Wichtiger s<strong>in</strong>d Auftrittsmöglichkeiten für die<br />
Studierenden. Auf der Bühne, vor dem Publikum, nicht vor der<br />
Prüfungskommission f<strong>in</strong>den die echten Prüfungen statt.<br />
Pflichtfächer<br />
Die Identifikation der Studierenden mit ihrer Hochschule bezieht<br />
sich auf das Hauptfach und ihren Hauptfachlehrer. Pflichtfächer<br />
werden für das angestrebte kurzfristige Prüfungsprofil vom Studenten<br />
als von untergeordneter Bedeutung wahrgenommen. Dies<br />
ist nicht e<strong>in</strong>e Frage der Kompetenz der Pflichtfachlehrer! Für das<br />
langfristige künstlerische und pädagogische Profil haben diese<br />
Fächer allerd<strong>in</strong>gs e<strong>in</strong>e weith<strong>in</strong> unterschätzte Bedeutung.<br />
An dieser Fehle<strong>in</strong>schätzung ließe sich etwas ändern, wenn die<br />
Pflichtfächer erkennbar auf das Hauptfach bezogen wären. Tonsatz,<br />
Formenlehre, Gehörbildung, Musikgeschichte, bei Nicht-Pianisten<br />
das Nebenfach Klavier sollten soweit wie irgend möglich auf das<br />
Hauptfach bezogen werden. E<strong>in</strong>e Möglichkeit, dies zu erreichen,<br />
wäre die Durchführung geme<strong>in</strong>samer Projektaufgaben, an denen<br />
mehrere Lehrende sich beteiligen. Hierfür wäre e<strong>in</strong> Umdenken <strong>in</strong><br />
Richtung gesteigerter organisatorischer Flexibilität nötig.<br />
E<strong>in</strong> Musikstudium soll dazu befähigen,<br />
sich selbst e<strong>in</strong> guter Zuhörer und Beobachter<br />
zu se<strong>in</strong>. Auch der Spiegel beim<br />
Üben offenbart so manche Entdeckung<br />
am eigenen Musizieren.<br />
E<strong>in</strong>zelunterricht<br />
Der E<strong>in</strong>zelunterricht ist die Kernform des Instrumentalunterrichts<br />
an der Hochschule. Die Anerkennung des Lehrers durch den Schüler<br />
als unbezweifelte Autorität birgt allerd<strong>in</strong>gs auch e<strong>in</strong>e Gefahr <strong>in</strong><br />
sich, denn um e<strong>in</strong>e eigenständige Persönlichkeit zu werden, wenn<br />
Informationen an den Schüler herankommen, die ihm eigene, unabhängige<br />
künstlerische Urteile ermöglichen. E<strong>in</strong>zelunterricht sollte<br />
auch „öffentlich“ se<strong>in</strong>: Studenten lernen auch durch Zuhören beim<br />
Unterricht des Kommilitonen und des „fremden“ Lehrers!<br />
Lernen ist Vergleichen<br />
Ästhetisches Lernen geschieht immer im kreativen Vergleich.<br />
1. Beim Üben vergleichen wir zwei verschiedene Versionen<br />
e<strong>in</strong>es Tons, e<strong>in</strong>er Phrase, e<strong>in</strong>es Ausdrucks, e<strong>in</strong>er technischen<br />
oder musikalischen E<strong>in</strong>heit, e<strong>in</strong>er Bewegung, e<strong>in</strong>er körperlichen<br />
Empf<strong>in</strong>dung.<br />
2. Der Vergleich zwischen dem eigenen Leistungsprofil<br />
und dem von anderen (Künstlern, Kommilitonen) br<strong>in</strong>gt ganz<br />
wesentliche Informationen über den eigenen Stand und<br />
den eigenen Fortschritt.<br />
3. Auch der Vergleich zwischen verschiedenen methodischen<br />
Blickw<strong>in</strong>keln ist unverzichtbar. Der E<strong>in</strong>zelunterricht sollte<br />
deshalb durch „Querverb<strong>in</strong>dungen“ zu anderen Kollegen<br />
ergänzt werden.<br />
4. Oft noch e<strong>in</strong>drucksvoller ist der kreative Vergleich durch<br />
Hospitation bei Lehrern anderer Fächer. Dies kann bis h<strong>in</strong><br />
zum gelegentlichen Klassentausch gehen – zwei Professoren<br />
tauschen e<strong>in</strong>fach e<strong>in</strong>mal ihre Klassen!
Korrepetition<br />
Das Ziel von m<strong>in</strong>destens e<strong>in</strong>er Wochenstunde für jeden Studenten<br />
e<strong>in</strong>es Streich- oder Blas<strong>in</strong>struments ist bei uns noch lange nicht<br />
erreicht. Korrepetition sollte e<strong>in</strong> allgeme<strong>in</strong>es „Musikalisierungsfach“<br />
se<strong>in</strong>, das weit über e<strong>in</strong>e re<strong>in</strong>e „Serviceleistung“ h<strong>in</strong>ausgeht, nämlich<br />
gerade e<strong>in</strong>mal „dem Ohr e<strong>in</strong>e Begleitung zur musikalischen<br />
Gewöhnung“ anzubieten.<br />
Dabei kann auch die Klavierkammermusik für die Klavier-Hauptfachstudenten<br />
noch stärker <strong>in</strong>s Blickfeld rücken. E<strong>in</strong>e Erweiterung der<br />
schmalen Literaturkenntnis vieler Studenten außerhalb ihres engsten<br />
Repertoirebereichs strahlt immer zurück auf das eigene Spiel.<br />
E<strong>in</strong>e so verstandene Korrepetition könnte e<strong>in</strong> anderes fehlendes<br />
Fach zum<strong>in</strong>dest teilweise ersetzen, nämlich das Fach „Ästhetik“,<br />
die Lehre von der Wahrnehmung von Musik und ihrer emotionalen<br />
Wirkung – eigentlich ihr zentrales Anliegen, das aber oft vom Streben<br />
nach der re<strong>in</strong> technischen, prüfungstauglichen Spielperfektion<br />
überstrahlt wird.<br />
<strong>Frankfurt</strong> <strong>in</strong> <strong>Takt</strong> 09/1<br />
Gastsem<strong>in</strong>are<br />
E<strong>in</strong>e wichtige Gelegenheit, die Internationalität der Hochschule<br />
nach außen darzustellen und nach <strong>in</strong>nen zu verwirklichen, ist die<br />
E<strong>in</strong>ladung von <strong>in</strong>ternationalen Spitzenmusikern zu „Meisterkursen“<br />
– e<strong>in</strong>e Möglichkeit, die e<strong>in</strong>e Musikhochschule f<strong>in</strong>anziell vergleichsweise<br />
wenig belastet.<br />
Nicht nur macht es sich gut im Lebenslauf e<strong>in</strong>es Cellisten, damals<br />
e<strong>in</strong> Sem<strong>in</strong>ar bei Rostropowitsch besucht zu haben, um e<strong>in</strong> Beispiel<br />
aus Essen zu nennen. An vielen nationalen und <strong>in</strong>ternationalen<br />
Hochschulen gibt es derzeit Überlegungen und Initiativen <strong>in</strong> diese<br />
Richtung. Zu wünschen wäre dabei e<strong>in</strong>e verstärkende Kooperation<br />
der Hauptfachlehrer: E<strong>in</strong> fremder E<strong>in</strong>fluss wird eben doch noch<br />
manchmal als e<strong>in</strong>e Gefährdung der eigenen „corporate identity“<br />
angesehen.<br />
Solche Kurse entsprechen übrigens <strong>in</strong> hohem Maße der „Nicht-<br />
L<strong>in</strong>earität“ des Lernens. Gewiss, nicht jeder Kurs passt für jeden<br />
Studenten zu jedem Zeitpunkt se<strong>in</strong>er Entwicklung, aber darüber<br />
kann man ja <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em guten Vertrauensverhältnis zwischen<br />
Lehrer und Student sprechen.
<strong>Frankfurt</strong> <strong>in</strong> <strong>Takt</strong> 09/1<br />
Unterrichtslehre<br />
Kommunikationspsychologische Untersuchungen haben längst<br />
gezeigt, dass im Dreieck Sender – sachlicher Inhalt – Empfänger<br />
die Qualität des Senders, also das <strong>in</strong> der Kommunikation übertra-<br />
gene Menschenbild, die Hauptrolle spielt, noch deutlich vor der<br />
Qualität des gesendeten Inhalts. Wenn e<strong>in</strong> Lehrer noch so klare und<br />
wertvolle Vorstellungen über künstlerische Inhalte und Methoden<br />
besitzt, aber auf dem Feld der Kommunikation versagt, dann kann<br />
dies sehr wohl auch auf e<strong>in</strong>e fehlende Ausbildung auf diesem<br />
Sektor zurückgehen.<br />
Das Fach Methodik muss auch für alle Studenten der Künstlerischen<br />
Ausbildung (KA) verpflichtend se<strong>in</strong>, denn jeder KA-Student unter-<br />
richtet später – und er unterrichtet vor allem immer sich selbst!<br />
E<strong>in</strong> guter Unterricht ist deshalb immer auch e<strong>in</strong>e Anleitung zu auto-<br />
didaktischem Handeln und Experimentieren. Die Hochschule muss<br />
für alle Studenten e<strong>in</strong>en Spielraum für solches Handeln zur<br />
Verfügung stellen.<br />
Der Gedankenaustausch zwischen Kollegen<br />
Jeder Lehrer hat auch se<strong>in</strong>e Probleme, und sei es nur bei e<strong>in</strong>em<br />
bestimmten Studenten, für dessen Entwicklung er vielleicht ke<strong>in</strong>e<br />
weiteren Ideen zur Verfügung hat. S<strong>in</strong>nvoll wäre es daher, Fachkolloquien,<br />
auch mit Gästen von außerhalb als Teilnehmer oder<br />
Moderatoren, e<strong>in</strong>zurichten, <strong>in</strong> denen auch solche Probleme geme<strong>in</strong>sam<br />
diskutiert werden können, die unter Kollegen aus Furcht, sich<br />
e<strong>in</strong>e Blöße zu geben, nicht angesprochen werden. Außerdem: Der<br />
lernende Lehrer ist e<strong>in</strong> ideales Vorbild für den lernenden Schüler!<br />
Zu denken ist auch an e<strong>in</strong>ige Team Teach<strong>in</strong>g-Sitzungen pro<br />
Semester. Verschiedene Dozenten des Fachs äußern sich dabei<br />
jeweils über die Darbietung e<strong>in</strong>es Studenten, und jeder Kollege soll<br />
e<strong>in</strong> Lob und e<strong>in</strong>e Kritik aussprechen und, als Wichtigstes, e<strong>in</strong>en<br />
methodischen Vorschlag machen. Dadurch entsteht neben der<br />
dichten Information für die Studenten implizit auch e<strong>in</strong> lebendiger<br />
Me<strong>in</strong>ungsaustausch zwischen Kollegen, ja sogar e<strong>in</strong>e Art gegenseitiger<br />
konstruktiver „Supervision“ ohne den beunruhigenden Beigeschmack<br />
von Kontrolle durch Kollegen. Denn der E<strong>in</strong>zelunterricht<br />
bleibt ja immer unbeobachtet ...<br />
Freiräume organisieren<br />
Anstatt das gesamte Deputat e<strong>in</strong>es Instrumentallehrers mit E<strong>in</strong>zelstunden<br />
auszuschöpfen, wäre e<strong>in</strong>e zeitliche Freisetzung e<strong>in</strong>es<br />
kle<strong>in</strong>en Teils davon zu fordern, der zur Organisation von Veranstaltungen<br />
außerhalb des E<strong>in</strong>zelunterrichts zur Verfügung steht: Gruppenunterricht<br />
(z. B. Thematisierung e<strong>in</strong>es bestimmten Spielproblems,<br />
Interpretationsvergleiche, Stilfragen, Literaturangebote),<br />
Klassenvorspiele, Hospitationen der Klasse bei e<strong>in</strong>em Kollegen<br />
und Ähnliches. Für solche Ziele müssen, trotz Bologna, Rituale<br />
aufgebrochen werden. Hierzu e<strong>in</strong>ige Beispiele:<br />
1. Jeder Student hat e<strong>in</strong> eigenes Begabungsprofil. Müssen<br />
alle Studenten <strong>in</strong> allen Fächern immer die gleiche Anzahl von<br />
Semestern, von Sche<strong>in</strong>en, von „Credits“ vorweisen?<br />
2. Gibt es die Möglichkeit, „extracurriculare“ Leistungen der<br />
Studenten (Konzerte, Projekte, Orchesterpraktika), die im<br />
Die Teilnahme an Chor- und Orchesterprojekten<br />
gehört ebenso zum Studienalltag<br />
von angehenden Musikern wie<br />
regelmäßiger E<strong>in</strong>zelunterricht.<br />
Lehrplan nicht vorgesehen s<strong>in</strong>d, <strong>in</strong> irgende<strong>in</strong>er Form auch<br />
als studienrelevant anzuerkennen?<br />
3. Müssen alle Studienleistungen immer auf Prüfbarkeit<br />
h<strong>in</strong> angelegt se<strong>in</strong>?<br />
4. Muss jeder Student jede Woche die gleiche M<strong>in</strong>utenzahl<br />
Unterricht bekommen? Je nach Lernphase müsste<br />
er vielleicht am Anfang des Studiums jeden Tag 10 oder<br />
15 M<strong>in</strong>uten, später sogar <strong>in</strong> unregelmäßigen Abständen<br />
e<strong>in</strong>en halben oder ganzen Tag mit dem Hauptfachlehrer<br />
arbeiten.<br />
Lehrbeauftragte<br />
E<strong>in</strong>e solche umfassende Lern-Integration aller Lehrenden ist aber<br />
nur <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Institution möglich, die nicht zum überwiegenden Teil<br />
aus Lehrbeauftragten besteht. Da sie noch andere Beschäftigungen<br />
zur Sicherung ihres Lebensunterhalts haben, können sie sich für<br />
das Haus sowohl zeitlich als auch gedanklich weniger <strong>in</strong>tensiv e<strong>in</strong>br<strong>in</strong>gen<br />
als sie dies vielleicht gerne würden. H<strong>in</strong>zu kommt, dass die<br />
gleiche Arbeit und die gleiche Qualität dieser Arbeit nur zu e<strong>in</strong>em<br />
Drittel von der e<strong>in</strong>es Professors vergütet werden!<br />
Um etwas zu verändern, reicht es freilich nicht, an den guten<br />
Willen der Beteiligten zu appellieren. Vieles müsste kont<strong>in</strong>uierlich<br />
neu durchdacht und dementsprechend flexibilisiert werden. Und<br />
es ist klar, dass nicht nur für die Lehrenden, sondern auch für die<br />
Studierenden die hier formulierten Vorschläge <strong>in</strong> mancher H<strong>in</strong>sicht<br />
unbequem s<strong>in</strong>d: Der junge erwachsene Student ist für se<strong>in</strong>e Ausbildung<br />
<strong>in</strong> viel höherem Maße selbst verantwortlich, als es ihm<br />
der „Nürnberger Trichter“ e<strong>in</strong>es streng geregelten Curriculums<br />
vorgaukelt! Prof. em. Gerhard Mantel
Gesunde Hochleistung bis zur Rente<br />
E<strong>in</strong> Mediz<strong>in</strong>er und e<strong>in</strong>e Physiotherapeut<strong>in</strong> beraten Lehrende und Studierende an der <strong>HfMDK</strong> zum<br />
gesunden Umgang mit ihrem Instrument – Erfolgreiches Team Teach<strong>in</strong>g <strong>in</strong> der Flötenklasse<br />
<strong>Frankfurt</strong> <strong>in</strong> <strong>Takt</strong> Musikphysiologie ist an der <strong>HfMDK</strong> ke<strong>in</strong> neues<br />
Thema. Wann begann damit an der <strong>Frankfurt</strong>er Hochschule die<br />
Beschäftigung?<br />
Prof. Dr. Jochen Blum Die Veranstaltung „Musikphysiologie“ biete ich<br />
an der Hochschule seit 1992 an. Was als Vorlesung begann, wurde<br />
dann teilweise <strong>in</strong> Sem<strong>in</strong>arform auf verschiedene Methodikkonzepte<br />
bezogen. Dies betraf beispielsweise die Dozenten und Studenten/<br />
<strong>in</strong>nen der Gitarrenklasse bezüglich ihrer eigenen Unterrichtspraxis:<br />
Wir verglichen geme<strong>in</strong>sam verschiedene Methodikkonzepte mite<strong>in</strong>-<br />
ander unter physiologischen Aspekten – auf der Suche nach physiologisch<br />
riskanten Anteilen. Dabei wurde deutlich, dass es nicht für<br />
jede Bewegungssequenz e<strong>in</strong> Patentrezept gibt, das für alle Spieler<br />
das Richtige ist. Aber wir haben uns geme<strong>in</strong>sam auf den Weg gemacht,<br />
methodisch fundiertes Gitarrespiel mit e<strong>in</strong>er wahrheitsgemäßen<br />
Anatomie zu verb<strong>in</strong>den.<br />
<strong>Frankfurt</strong> <strong>in</strong> <strong>Takt</strong> Herr Eppel, vor e<strong>in</strong>em Jahr haben Sie sich entschieden,<br />
e<strong>in</strong> Team Teach<strong>in</strong>g-Projekt mit e<strong>in</strong>em Mediz<strong>in</strong>er und e<strong>in</strong>er<br />
Physiotherapeut<strong>in</strong> für alle Flötenklassen zu unternehmen.<br />
Aus welchem Grund?<br />
Prof. Henner Eppel Man bedenke, dass Hochleistungssportlern heute<br />
wie selbstverständlich e<strong>in</strong> Physiotherapeut und e<strong>in</strong> Masseur zur Verfügung<br />
stehen, die helfen, die bestmöglichen Bed<strong>in</strong>gungen für körperliche<br />
Spitzenleistungen zu schaffen. In me<strong>in</strong>em Selbstverständnis<br />
s<strong>in</strong>d Berufsmusiker Menschen, die sogar bis <strong>in</strong>s Alter von 65<br />
Jahren <strong>in</strong> Berufsorchestern und Musikschulen Top-Leistungen abliefern<br />
sollen. Diese brauchen me<strong>in</strong>er Ansicht nach ebenfalls derartige<br />
Unterstützung. Die Kooperation im Team Teach<strong>in</strong>g diente vor allem<br />
der Physioprophylaxe. Und genau hier beg<strong>in</strong>nt der Aufgabenbereich<br />
der Physio-Therapeut<strong>in</strong> Alexandra Türk-Espitalier, die ja selbst<br />
diplomierte Flötist<strong>in</strong> ist – e<strong>in</strong>e ideale Komb<strong>in</strong>ation.<br />
<strong>Frankfurt</strong> <strong>in</strong> <strong>Takt</strong> Was bedeutet Physioprophylaxe?<br />
Alexandra Türk-Espitalier Die Physioprophylaxe <strong>in</strong> der Musik will mit<br />
Hilfe von körperlichen Übungen späteren Beschwerden vorbeugen.<br />
Es geht also um regelmäßiges und gezieltes Körpertra<strong>in</strong><strong>in</strong>g für Musiker,<br />
um e<strong>in</strong>en gesunden Ausgleich zu e<strong>in</strong>er oft e<strong>in</strong>seitigen Spielhal-<br />
<strong>Frankfurt</strong> <strong>in</strong> <strong>Takt</strong> 09/1<br />
Bereits seit 1992 steht der <strong>HfMDK</strong> mit Prof. Dr. Jochen Blum e<strong>in</strong> ausgewiesener Facharzt für Fragen der Musikphysiologie zur Seite.<br />
Seitdem lehrt und berät der Facharzt für Hand- und Unfallchirurgie, Professor an der Universitätskl<strong>in</strong>ik Ma<strong>in</strong>z, zugleich Bratschist und<br />
ausgebildeter Geigenbauer, wie Musiker <strong>in</strong> der täglichen Musizierpraxis anatomisch gesund mit ihrem Instrument arbeiten können.<br />
1995 ernannte ihn die <strong>HfMDK</strong> ebenfalls zum Professor. An se<strong>in</strong>er Seite unterstützt Alexandra Türk-Espitalier, selbst diplomierte Flötist<strong>in</strong><br />
sowie ausgebildete Physiotherapeut<strong>in</strong>, diese Arbeit und hat sich dabei auf das Gebiet der Physioprophylaxe spezialisiert. Beide Experten<br />
unternahmen geme<strong>in</strong>sam mit Flötenprofessor Henner Eppel und se<strong>in</strong>en Studierenden e<strong>in</strong> Team Teach<strong>in</strong>g-Projekt zu diesem Thema.<br />
Im nachfolgenden Interview schildern alle drei ihre dabei gesammelten Erfahrungen.<br />
tung beim Musizieren zu schaffen. E<strong>in</strong> weiterer Aspekt ist das Verstehen<br />
komplexerer Bewegungsabläufe und wie diese die musikalische<br />
Interpretation unterstützen oder auch erschweren können.<br />
<strong>Frankfurt</strong> <strong>in</strong> <strong>Takt</strong> Wie muss man sich e<strong>in</strong>e Stunde Team Teach<strong>in</strong>g<br />
vorstellen – e<strong>in</strong>e nicht ganz e<strong>in</strong>fache Situation für Studierende, von<br />
drei Experten beim Spiel beäugt zu werden … ?<br />
Prof. Dr. Jochen Blum Ganz und gar unverfänglich: Team Teach<strong>in</strong>g<br />
ist eher e<strong>in</strong> dynamisches Geschehen, an dem mehrere Studierende<br />
beteiligt s<strong>in</strong>d, von denen jeder vorspielt und bei dem alle mite<strong>in</strong>ander<br />
<strong>in</strong>s Gespräch kommen und physiologische wie auch biomechanische<br />
H<strong>in</strong>tergründe verstehen sollen. Es ist e<strong>in</strong>e Sensibilisierung<br />
für die körperlichen Aspekte des Musizierens, während sonst bei<br />
Musikern erfahrungsgemäß eher Parameter wie Klangbildung und<br />
Interpretation im Fokus der Arbeit stehen.<br />
Alexandra Türk-Espitalier Grundsätzlich f<strong>in</strong>de ich, dass angehende Berufsmusiker<br />
<strong>in</strong> der Lage se<strong>in</strong> sollten, offenen Unterricht, bei dem<br />
auch Dritte zuschauen dürfen, auszuhalten. Auf der fachlichen Ebene<br />
schauen wir uns beim Team Teach<strong>in</strong>g geme<strong>in</strong>sam aus der Perspektive<br />
des Fachlehrers, des Mediz<strong>in</strong>ers und der Physiotherapeut<strong>in</strong> die<br />
Haltungen und Bewegungsabläufe von Musikern an: Wo f<strong>in</strong>den beispielsweise<br />
beim Querflötespiel Rotationen <strong>in</strong> der Wirbelsäule statt?<br />
Auf welchen Ebenen können Haltungen korrigiert werden? Die Hilfestellungen,<br />
die wir Studierenden dabei geben, sollen sie übrigens<br />
nicht nur auf sich selbst beziehen. Die Meisten werden ja später<br />
selbst unterrichten und sollen auch im Bezug auf ihre Schüler<br />
e<strong>in</strong>en Blick für derlei Fragen entwickeln.<br />
Prof. Henner Eppel Se<strong>in</strong>e Schüler oder Studienkollegen beim Spielen<br />
zu beobachten, kann auch e<strong>in</strong>e Orientierungshilfe se<strong>in</strong>, durch die<br />
man se<strong>in</strong>e eigenen methodischen Leistungen zu verbessern lernt.<br />
Aus me<strong>in</strong>er Lehrerfahrung weiß ich, wie gefährlich es se<strong>in</strong> kann, nur<br />
e<strong>in</strong>e e<strong>in</strong>zige Idee und Blickrichtung zu kennen. So kann man sich nur<br />
schwer auf andere Körper e<strong>in</strong>stellen.<br />
<strong>Frankfurt</strong> <strong>in</strong> <strong>Takt</strong> Führen denn veränderte Haltungen und Bewegungsabläufe<br />
auch zu e<strong>in</strong>er klanglichen Veränderung?
<strong>Frankfurt</strong> <strong>in</strong> <strong>Takt</strong> 09/1<br />
Prof. Dr. Jochen Blum Ich höre im Laufe des praktischen Sem<strong>in</strong>ars<br />
durchaus e<strong>in</strong>e Veränderung, im Idealfall Verbesserung. Der Spieler<br />
verfügt so über e<strong>in</strong>e größere Modulationsfähigkeit im Klang.<br />
Prof. Henner Eppel Wenn jemand verkrampft ist, kann sich beispiels-<br />
weise ke<strong>in</strong> natürliches Vibrato entwickeln – es kl<strong>in</strong>gt aufgesetzt und<br />
künstlich. Der freie, obertonreiche Klang mit viel Resonanz ist nur<br />
möglich, wenn der Flötist im E<strong>in</strong>klang mit se<strong>in</strong>em Körper ist.<br />
Prof. Dr. Jochen Blum Für e<strong>in</strong> virtuoses Spiel braucht man natürlich<br />
auch Kraft und Geschw<strong>in</strong>digkeit. Jemand, der kraftlos ist, kann auch<br />
ke<strong>in</strong>e schnellen Passagen spielen. Gesund ist e<strong>in</strong>e Komb<strong>in</strong>ation von<br />
konditionierter Muskulatur im S<strong>in</strong>ne von nicht vernachlässigtem Tra<strong>in</strong><strong>in</strong>g<br />
und e<strong>in</strong>em mentalen Verständnis, wie und an welcher Stelle<br />
Kraft und Beweglichkeit am besten e<strong>in</strong>zusetzen s<strong>in</strong>d, um die physischen<br />
Möglichkeiten optimal zu nutzen. Allerd<strong>in</strong>gs bedeuten hohe<br />
Kraftreserven alle<strong>in</strong> natürlich nicht, e<strong>in</strong>e besondere fe<strong>in</strong>motorische<br />
Fähigkeit zu besitzen.<br />
<strong>Frankfurt</strong> <strong>in</strong> <strong>Takt</strong> Frau Türk-Espitalier, was hat Ihnen Ihre fachliche<br />
Verb<strong>in</strong>dung von physiologischem Wissen und musikalischem<br />
Können für Ihr eigenes Musizieren gebracht?<br />
Alexandra Türk-Espitalier Me<strong>in</strong> Spiel hat von dem Wissen um die körperlichen<br />
Zusammenhänge absolut profitiert – das Bewusstse<strong>in</strong><br />
dafür ist mit früher nicht vergleichbar. Vor allem habe ich durch die<br />
Beschäftigung mit Physioprophylaxe noch e<strong>in</strong> ganz anderes Spektrum<br />
an Übungen kennengelernt, das mir vorher verschlossen war.<br />
<strong>Frankfurt</strong> <strong>in</strong> <strong>Takt</strong> Welche Möglichkeiten bietet die Hochschule<br />
Studierenden ansonsten, sich mit dem Thema Musikphysiologie<br />
zu beschäftigen?<br />
Alexandra Türk-Espitalier Dr. Blum und ich bieten dazu unser Sem<strong>in</strong>ar<br />
an, das sich mit Haltung und Bewegung am Instrument beschäftigt.<br />
Weiterh<strong>in</strong> besteht die Möglichkeit, Term<strong>in</strong>e zum E<strong>in</strong>zelgespräch<br />
zu vere<strong>in</strong>baren. Dort können dann <strong>in</strong>dividuelle Probleme gezielt<br />
besprochen werden. Außerdem ist e<strong>in</strong> Team Teach<strong>in</strong>g-Projekt <strong>in</strong><br />
der oben beschriebenen Art auch <strong>in</strong> anderen Instrumentalklassen<br />
denkbar. bjh<br />
l<strong>in</strong>ks: Drei Experten und e<strong>in</strong>e Frage: Wie sich gesundes Musizieren<br />
anfühlt und anhört, haben der (von l<strong>in</strong>ks) Mediz<strong>in</strong>er Dr.<br />
Jochen Blum, die Physiotherapeut<strong>in</strong> Alexandra Türk-Espitalier und<br />
Flötenprofessor Henner Eppel (rechts) <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Team Teach<strong>in</strong>g-<br />
Projekt geme<strong>in</strong>sam mit Studierenden erarbeitet.<br />
rechts: Physioprophylaxe <strong>in</strong> der Musik soll falschen Haltungen<br />
beim Musizieren und damit späteren anatomischen Beschwerden<br />
entgegenwirken.<br />
9
10 <strong>Frankfurt</strong> <strong>in</strong> <strong>Takt</strong> 09/1<br />
oben: Klopftechniken der energetischen<br />
Psychologie können helfen, Nervosität vor<br />
e<strong>in</strong>em Auftritt <strong>in</strong> den Griff zu bekommen.<br />
unten: Wer mit Selbstvertrauen und positiver<br />
Energie e<strong>in</strong>en Auftritt beg<strong>in</strong>nt, lässt sich<br />
nicht mehr von negativen Glaubenssätzen<br />
aus der Ruhe br<strong>in</strong>gen.<br />
Vom Kampf gegen die<br />
„<strong>in</strong>neren Kle<strong>in</strong>macher“<br />
Mentales Tra<strong>in</strong><strong>in</strong>g, im Sport seit Jahrzehnten üblich, gew<strong>in</strong>nt<br />
im Musikstudium an Bedeutung<br />
Nervosität bei Probespielen und Auftritten<br />
ist nichts grundsätzlich Schlimmes, sondern<br />
kann sich durchaus produktiv und im besten<br />
Falle leistungssteigernd auswirken. Wie bei<br />
so vielen D<strong>in</strong>gen ist es auch im Falle der<br />
Podiums-Aufregung vor allem e<strong>in</strong>e Frage der<br />
Dosis. Dies zu erkennen und kreativ anzuwenden,<br />
gehört zu den wichtigsten Hilfen,<br />
die die Studierenden im Laufe der letzten<br />
Jahre aus den Workshops mit der Mentaltra<strong>in</strong>er<strong>in</strong><br />
Ulrike Klees oder dem Auftrittscoach<br />
Dr. Michael Bohne (beide Workshopgäste der<br />
<strong>HfMDK</strong>-Fagottklassen) mitnehmen konnten.<br />
Erfreulich ist dabei vor allem die Erkenntnis,<br />
dass der Weg von lähmendem Lampenfieber<br />
h<strong>in</strong> zu e<strong>in</strong>er kreativen Nutzung dieser Energien<br />
häufig gar nicht weit ist.<br />
Die Überdosis Nervosität bei Vorspielen rührt<br />
zum e<strong>in</strong>en aus äußeren Umständen wie der<br />
Anwesenheit von Zuhörern, e<strong>in</strong>er Jury oder<br />
e<strong>in</strong>er scharfen Konkurrenzsituation (Probespiele<br />
und Wettbewerbe). Zum anderen s<strong>in</strong>d<br />
es die unsichtbaren „Kritiker im eigenen Kopf“,<br />
die e<strong>in</strong>em gelösten Auftritt häufig entgegenstehen.<br />
Die Workshops <strong>in</strong> mentalem Tra<strong>in</strong><strong>in</strong>g vermittelten<br />
gute Tipps, z. B. mit Hilfe von Klopftechniken<br />
der energetischen Psychologie die<br />
Nervosität zu bekämpfen und durch Bewusstmachung<br />
die „<strong>in</strong>neren Kle<strong>in</strong>macher“ auszuschalten.<br />
Dabei kann es darum gehen, die<br />
Suggestivkraft von stereotypen Glaubenssätzen<br />
auszuhebeln, sich vor sich selbst und<br />
damit auch vor anderen nicht kle<strong>in</strong>er zu machen,<br />
als man eigentlich ist, und sich se<strong>in</strong>es<br />
bereits Erreichten bewusst zu werden. Es<br />
gilt, die Gedanken und se<strong>in</strong>e Konzentration<br />
ganz auf den Auftritt, die meistens bewundernswert<br />
schöne Musik und auf das Musizieren<br />
zu fokussieren.<br />
Mit Rückenw<strong>in</strong>d zum Probespiel<br />
E<strong>in</strong>en besonderen Glücksfall erlebte zum<br />
Beispiel der Fagottstudent Stefan Kasper,<br />
der wenige Tage nach e<strong>in</strong>em Mentaltra<strong>in</strong><strong>in</strong>g-<br />
Workshop <strong>in</strong> unserer Klasse zum Probespiel<br />
bei der Orchesterakademie des Bayerischen<br />
Rundfunks antrat. Mit dem gerade taufrischen<br />
„Rückenw<strong>in</strong>d“ des <strong>in</strong>tensiven Auftrittstra<strong>in</strong><strong>in</strong>gs<br />
hatte er sich – selbstverständlich<br />
bei ebenso hervorragender musikalischer<br />
Vorbereitung – solch e<strong>in</strong>en Fundus an Selbstvertrauen<br />
und positiver Energie aufgebaut,<br />
dass er das Probespiel schließlich gewann.<br />
Im Workshop für mentales Tra<strong>in</strong><strong>in</strong>g simulierten<br />
die Teilnehmer auch allerhand Störfaktoren<br />
wie Lärm und störende Bewegungen<br />
im Raum, denen zum Trotz e<strong>in</strong> e<strong>in</strong>zelner Spieler<br />
se<strong>in</strong>en musikalischen Vortrag durchziehen<br />
musste. Auch die spezielle Auswertung<br />
von Videoaufnahmen des eigenen Auftretens<br />
offenbarte erstaunliche E<strong>in</strong>sichten. Überhaupt<br />
fördert mentales Tra<strong>in</strong><strong>in</strong>g mittelfristig<br />
die Fähigkeit, sich selbst beim aktiven Musizieren<br />
simultan besser wahrzunehmen –<br />
e<strong>in</strong>e weitaus komplexere, aber auch schöpferischere<br />
Fähigkeit als e<strong>in</strong>seitig rückwärtsgewandte<br />
Selbstreflexion, welche nur zu<br />
schnell auch <strong>in</strong> Selbstzerfleischung oder <strong>in</strong><br />
den „Notausgang“ Verdrängung umschlagen<br />
kann. Mentales Tra<strong>in</strong><strong>in</strong>g im Studium hat<br />
e<strong>in</strong>en besonders großen Effekt, wenn die<br />
Anregungen aus den Workshops (und der<br />
entsprechenden Literatur) mehr und mehr<br />
e<strong>in</strong>fließen <strong>in</strong> den Lern- und Lehralltag von<br />
Studierenden und Hauptfachlehrern, so dass<br />
zukünftige Workshops dann als Auffrischung<br />
jeweils zu e<strong>in</strong>er immer größeren <strong>in</strong>neren<br />
Sicherheit führen können.<br />
Arbeit am positiven Selbstwertgefühl<br />
Ganz wesentlich ist dabei die Erkenntnis,<br />
dass bei e<strong>in</strong>er so konstruktiv gearteten Arbeit<br />
am positiven Selbstwertgefühl nicht<br />
pathologisiert wird, man wird nicht zum<br />
„Patienten“. Im Gegenteil: Durch die geradezu<br />
methodisch-alltägliche Beschäftigung<br />
mit den eigenen <strong>in</strong>neren Baustellen durchläuft<br />
man auf e<strong>in</strong>mal so selbstverständlich
fühlbare <strong>in</strong>nere Lernprozesse wie sonst<br />
beim äußeren Erarbeiten schwerer tech-<br />
nischer Stellen am Instrument.<br />
Bemerkenswert bleibt für mich, dass mentales<br />
Tra<strong>in</strong><strong>in</strong>g für Musiker offenbar noch<br />
immer ke<strong>in</strong>e Selbstverständlichkeit darstellt.<br />
Aus dem Leistungssport ist es seit<br />
über 30 Jahren nicht mehr wegzudenken.<br />
Wir Musiker beg<strong>in</strong>nen ansche<strong>in</strong>end erst<br />
ganz allmählich, diese Form des Lernens<br />
<strong>in</strong> unseren Berufsalltag zu <strong>in</strong>tegrieren.<br />
Henrik Rabien, Professor für Fagott<br />
an der <strong>HfMDK</strong><br />
Von der Kraft der guten Gedanken<br />
Sänger und ihre Lehrenden entdecken den Chancenreichtum durch mentales Tra<strong>in</strong><strong>in</strong>g<br />
Sie kommen technisch bestens gerüstet aus<br />
e<strong>in</strong>em mehrjährigen Diplomstudium, beseelt<br />
von dem Wunsch, auf der Bühne Emotionen<br />
<strong>in</strong> Klang zu verwandeln. Und dann, kurz vor<br />
dem Auftritt, steigt das quälende Lampenfieber<br />
auf und unterbricht den künstlerischen<br />
Rausch der jungen Künstler womöglich zu<br />
Gunsten uralter Selbstzweifel. E<strong>in</strong>e bedauerliche<br />
Vorstellung, der die Gesangsabteilung<br />
der <strong>HfMDK</strong> mit e<strong>in</strong>em Workshop <strong>in</strong> mentalem<br />
Tra<strong>in</strong><strong>in</strong>g unter professioneller Anleitung<br />
von Petra Keßler begegnet ist: Die jungen<br />
Sänger<strong>in</strong>nen und Sänger befassten sich dabei<br />
mit mentalen Hilfsmöglichkeiten, die die<br />
studierte Flötist<strong>in</strong> und Mentaltra<strong>in</strong>er<strong>in</strong> den<br />
Studierenden zum täglichen Gebrauch anbot.<br />
Mehr noch: Auch die Lehrenden des Faches<br />
Gesang tauschten bereits im Beise<strong>in</strong> der<br />
Coacher<strong>in</strong> ihre Erfahrungen mit mentalen<br />
Blockaden und Hilfen, sie zu lösen, aus. Das<br />
E<strong>in</strong>geständnis von eigenem Lampenfieber<br />
schuf e<strong>in</strong>e vertrauensvolle Atmosphäre von<br />
Offenheit, aber auch e<strong>in</strong> enormes Bewusstse<strong>in</strong><br />
für die Verantwortung der Lehrenden:<br />
Der e<strong>in</strong>em Sänger im frühen Semester <strong>in</strong><br />
bester Absicht zugeworfene Satz „Die Arie<br />
ist zu schwer für Dich“ gehört beispielsweise<br />
zu jenen negativen Glaubenssätzen, die<br />
Lehrer ungewollt über Jahre im Selbstbild<br />
ihrer Schüler verankern können. Mentales<br />
Tra<strong>in</strong><strong>in</strong>g legt das Schadenspotenzial solcher<br />
pädagogischen Faux pas offen und setzt den<br />
Hebel <strong>in</strong> genau umgekehrter Richtung an:<br />
Eigene, konstruktiv formulierte Glaubenssätze,<br />
die ermutigen und sich den Blick auf<br />
„Petra Keßler hat gezeigt und<br />
bewiesen, wie existentiell das mentale<br />
Tra<strong>in</strong><strong>in</strong>g für jeden e<strong>in</strong>zelnen Musiker<br />
ist. Das hat mir e<strong>in</strong>e unglaubliche Ruhe<br />
und Zuversicht gegeben. Zu wissen, dass<br />
ich durch die Stärkung der positiven<br />
Gedanken me<strong>in</strong>e Ängste vor e<strong>in</strong>em Auftritt<br />
überw<strong>in</strong>den und vor e<strong>in</strong>em Vors<strong>in</strong>gen<br />
oder bei Krankheit me<strong>in</strong>en Stimmapparat<br />
re<strong>in</strong> gedanklich tra<strong>in</strong>ieren kann, ist<br />
fasz<strong>in</strong>ierend und wunderbar.“<br />
Nohad Becker,<br />
Gesangsstudent<strong>in</strong><br />
das bereits Erreichte nicht vom Horizont<br />
des noch nicht Erreichten verstellen lassen,<br />
können helfen, unterbewusst manifestierte<br />
Ängste zu entkräften, sie geradezu <strong>in</strong>s Gegenteil<br />
zu verkehren. Der Satz „Ich b<strong>in</strong> gut<br />
und schaffe das“, e<strong>in</strong>geklebt <strong>in</strong> die Notenmappe,<br />
mit der e<strong>in</strong> Sänger zum Vors<strong>in</strong>gen<br />
ersche<strong>in</strong>t, ist daher mehr als nur e<strong>in</strong>e naive<br />
Dosis e<strong>in</strong>es selbst verabreichten Placebos.<br />
Mentales Tra<strong>in</strong><strong>in</strong>g sollte gerade <strong>in</strong> der Gesangsausbildung<br />
zur Selbstverständlichkeit<br />
im Fächerkanon gehören, zumal Sänger ihr<br />
Instrument stets „bei sich tragen“ und ihr<br />
musikalischer Ausdruck unmittelbarer als<br />
bei Instrumentalisten von der körperlichen<br />
Verfassung des Augenblicks abhängig ist.<br />
E<strong>in</strong> durch Aufregung krampfender Atemapparat<br />
kann schlimmstenfalls den Tonansatz<br />
völlig vereiteln. Mentales Üben sollte für<br />
e<strong>in</strong>en Sänger ohneh<strong>in</strong> zum Übe-Repertoire<br />
gehören: Auch das gedankliche Repetieren<br />
e<strong>in</strong>er Arie nur im Kopf kann e<strong>in</strong>e Form des<br />
Lähmende Auftrittsangst kann bei Sängern die<br />
Atmung und damit unmittelbar den Klang bee<strong>in</strong>flussen.<br />
E<strong>in</strong> Workshop <strong>in</strong> der Gesangsabteilung<br />
hat geholfen, dem Lampenfieber nicht hilflos<br />
ausgeliefert zu se<strong>in</strong>.<br />
11<br />
„Ich f<strong>in</strong>de es gut, dass das Thema<br />
Auftrittsangst nicht totgeschwiegen<br />
wird. Mentales Tra<strong>in</strong><strong>in</strong>g ergänzt e<strong>in</strong>fach<br />
optimal den Unterricht. Erst, wenn man<br />
auf der Bühne sicher rüberkommt,<br />
kann man das, was man musikalisch<br />
gelernt hat, wirklich präsentieren.“<br />
Sarah Sachs,<br />
KE-Student<strong>in</strong> Fagott<br />
Lernens se<strong>in</strong>. Die Möglichkeiten, Erfolge als<br />
solche vor sich selbst anzuerkennen, mit<br />
Niederlagen selbstbewusst umzugehen und<br />
sich realistische Nah- und Fernziele zu stekken,<br />
lernen die Studierenden im mentalen<br />
Tra<strong>in</strong><strong>in</strong>g ebenfalls kennen. Und wer hätte<br />
gedacht, dass e<strong>in</strong>e lang geschwungene Brüstung<br />
im Konzertsaal e<strong>in</strong>e Hilfe beim Gesangsauftritt<br />
se<strong>in</strong> kann: An ihr während e<strong>in</strong>er ausgedehnten<br />
Legato-L<strong>in</strong>ie optisch entlangzufahren,<br />
kann e<strong>in</strong>e spürbare Hilfe se<strong>in</strong>, den<br />
Atem <strong>in</strong> souveräner Ruhe gestützt zu führen.<br />
Ob Lehrende lernen, beim Unterrichten die<br />
Kraft des Lobes e<strong>in</strong>zusetzen oder Studierende<br />
beg<strong>in</strong>nen, ihr eigenes „Erfolgstagebuch“<br />
zu schreiben: Alles, was hilft, e<strong>in</strong>en barrierefreien<br />
Weg zu den eigenen Potenzialen zu<br />
ebnen, ist e<strong>in</strong>e unbed<strong>in</strong>gte Voraussetzung<br />
zur Entfaltung der Künstlerpersönlichkeit.<br />
E<strong>in</strong> Kampf der Befreiung, bei dem es ke<strong>in</strong>e<br />
Verlierer gibt.<br />
Heidrun Kordes, Professor<strong>in</strong> für Gesang<br />
an der <strong>HfMDK</strong>
1 <strong>Frankfurt</strong> <strong>in</strong> <strong>Takt</strong> 09/1<br />
Auch <strong>in</strong> der Vermittlung<br />
macht der Ton die Musik<br />
Die Qualität der Kommunikation entscheidet mit<br />
über den Lehrerfolg<br />
Von Sibylle Cada, Honorarprofessor<strong>in</strong> für Klavier und Klaviermethodik<br />
Wenn Sie an Ihren eigenen früheren Unterricht und an Ihre Lehrer<br />
zurückdenken: An was er<strong>in</strong>nern Sie sich am stärksten? Er<strong>in</strong>nern Sie<br />
sich spontan an bestimmte konkrete Lern<strong>in</strong>halte und Informationen<br />
oder doch eher etwa an e<strong>in</strong>e charakteristische Art des Sprechens oder<br />
typische Gesten Ihrer Lehrer? Mit Sicherheit werden sich vor allem<br />
Emotionen e<strong>in</strong>stellen. Emotionen, die davon geprägt s<strong>in</strong>d, wie akzeptiert<br />
wir uns als Person gefühlt haben, wie viel Vertrauen <strong>in</strong> unsere<br />
Fähigkeiten wir empfunden und Unterstützung unserer Anstrengungen<br />
wir erlebt haben. Möglicherweise tauchen negative Gefühle auf, Er<strong>in</strong>nerungen<br />
an Des<strong>in</strong>teresse, Abhängigkeit oder Demütigungen. In unserem<br />
Gedächtnis s<strong>in</strong>d das Was des Lernens (die Inhalte) und das Wie<br />
des Lernens (der Beziehungsstil, die gelungene ebenso wie die misslungene<br />
Kommunikation) untrennbar mite<strong>in</strong>ander verbunden. Um es<br />
noch po<strong>in</strong>tierter auszudrücken: Die Qualität der Kommunikation ist<br />
Voraussetzung für e<strong>in</strong>en wirkungsvollen, also nachhaltigen Lehrprozess.<br />
Der bekannte Psychologe Paul Watzlawick formuliert: „Der Beziehungsaspekt<br />
def<strong>in</strong>iert den Sachaspekt.“ Wissenschaftliche Belege für diese<br />
Gesetzmäßigkeit f<strong>in</strong>den sich längst auch <strong>in</strong> den modernen Neurowissenschaften.<br />
Die <strong>in</strong>strumentalpädagogische Interaktion ruht auf drei Säulen: der<br />
künstlerisch-fachlichen, der didaktisch-methodischen und der kommunikativen<br />
Kompetenz. Der Vermittlungsaspekt gew<strong>in</strong>nt zunehmend an<br />
Bedeutung (Vom „Primat der Vermittlung“ sprach der Musikrat vor<br />
e<strong>in</strong>igen Jahren <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Resolution). Diese Fokussierung fand ihren Niederschlag<br />
<strong>in</strong> e<strong>in</strong>er großen Zahl (häufig vorzüglicher) Veröffentlichungen:<br />
mit kreativen (fach-) didaktischen Konzepten, mit Anregungen für e<strong>in</strong><br />
reichhaltigeres Methodenrepertoire sowie mit e<strong>in</strong>er Fülle an lernpsychologisch<br />
fundierten Übe- und Lernstrategien. Kaum etwas f<strong>in</strong>det sich<br />
allerd<strong>in</strong>gs zu der entscheidenden Frage: „Wie sag ich’s me<strong>in</strong>em K<strong>in</strong>de?“<br />
Man kann sicher davon ausgehen, dass erfahrene Lehrende z. B. <strong>in</strong><br />
ihren Didaktik-Sem<strong>in</strong>aren kommunikative Aspekte thematisieren; spezielle<br />
Sem<strong>in</strong>arangebote zu dieser Thematik s<strong>in</strong>d <strong>in</strong> Vorlesungsverzeichnissen<br />
jedoch nicht zu f<strong>in</strong>den. Angesichts der komplexen und subtilen<br />
psychologischen Struktur von Schüler-Lehrer-Beziehungen stellt sich<br />
schon die Frage, ob unser Alltagswissen über menschliche Interaktion,<br />
unser „gesunder Menschenverstand“, für e<strong>in</strong>e kompetente und<br />
wirkungsvolle dritte Säule ausreicht.<br />
Macht- und Kompetenzgefälle<br />
Das System Schüler-Lehrer ist im allgeme<strong>in</strong>en Bewusstse<strong>in</strong> – und<br />
somit auch im Bewusstse<strong>in</strong> der Beteiligten – durch e<strong>in</strong>e sozial def<strong>in</strong>ierte<br />
Rollenverteilung gekennzeichnet. Daraus kann e<strong>in</strong> hierarchisches<br />
Machtgefälle entstehen, das beide – Lehrer wie Schüler – oft<br />
nicht <strong>in</strong> Zweifel ziehen, ja es oft nicht e<strong>in</strong>mal bemerken und es gerade<br />
dadurch stabilisieren. E<strong>in</strong>e andere Balance kann entstehen, wenn wir
<strong>Frankfurt</strong> <strong>in</strong> <strong>Takt</strong> 09/1<br />
oben l<strong>in</strong>ks: Kommunikation ist kreisförmige<br />
Interaktion – Die <strong>Frankfurt</strong>er Geigenprofessor<strong>in</strong><br />
Julia Fischer bei e<strong>in</strong>em Kammermusikkurs<br />
an der <strong>HfMDK</strong>, bei dem sie selbst Teil des<br />
musizierenden Ensembles war.<br />
oben rechts: Angeregte musikalische<br />
Kommunikation im Kammermusikkurs von<br />
Prof. Angelika Merkle.<br />
unten: „Man kann nicht nicht kommunizieren“,<br />
behauptet der Kommunikationstheoretiker<br />
Paul Watzlawick. Für die<br />
Musik gilt dies genauso.<br />
stattdessen von e<strong>in</strong>em Kompetenzgefälle sprechen und Lehrende <strong>in</strong><br />
der Lage s<strong>in</strong>d, überkommene Rollenmuster zu reflektieren und e<strong>in</strong>e<br />
im besten S<strong>in</strong>ne partnerschaftliche Interaktion zu gestalten.<br />
13<br />
Im Sommer-Semester 2005 haben wir erstmals an unserer Hochschule<br />
– zunächst als Pilotprojekt – im Rahmen musikpädagogischer Veranstaltungen<br />
e<strong>in</strong> Sem<strong>in</strong>ar zum Thema „Unterrichtskommunikation“ angeboten.<br />
Interesse und Zuspruch seitens der Studierenden waren und<br />
s<strong>in</strong>d bis heute höchst erfreulich. Der folgende kurze Überblick über<br />
Arbeits<strong>in</strong>halte mag e<strong>in</strong>en E<strong>in</strong>druck von den komplexen psychologischen<br />
Bed<strong>in</strong>gungen menschlicher Interaktion vermitteln.<br />
Paul Watzlawicks erstes Axiom „Man kann nicht nicht kommunizieren“<br />
trifft für das Mite<strong>in</strong>ander von Lernenden und Lehrenden une<strong>in</strong>geschränkt<br />
zu. Dass dieses Mite<strong>in</strong>ander <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em def<strong>in</strong>ierten Kontext (Unterricht)<br />
mit def<strong>in</strong>ierten Rollen (Schüler und Lehrer) stattf<strong>in</strong>det, stellt zunächst<br />
e<strong>in</strong>en positiven Rahmen dar, kann dann jedoch für e<strong>in</strong>en erfolgreichen<br />
Interaktionsprozess h<strong>in</strong>derlich se<strong>in</strong>, wenn die Beteiligten <strong>in</strong> ihrem Rollenverhalten<br />
erstarren. Der bekannte Kommunikationspsychologe<br />
Friedemann Schulz von Thun spricht von stimmiger Kommunikation,<br />
wenn sie sowohl situationsadäquat als auch authentisch ist.<br />
Kreisförmige Interaktion<br />
Lehrende haben e<strong>in</strong> natürliches Interesse, ihr Wissen und Können an<br />
ihre Schüler weiterzugeben, ihnen ihre Sicht der D<strong>in</strong>ge nahezubr<strong>in</strong>gen.<br />
Wenn dies nicht recht gel<strong>in</strong>gt, wenn also Schwierigkeiten auftreten,<br />
stellen sich Lehrende meist zunächst die Frage danach, wie sie den<br />
Schüler, se<strong>in</strong> Verhalten verändern können. Wir alle wissen, dass wir<br />
mit e<strong>in</strong>em solchen Anliegen häufig scheitern. Die Psycholog<strong>in</strong> Ruth<br />
Cohn, deren Konzept der „Themenzentrierten Interaktion“ e<strong>in</strong> hervorragendes<br />
Instrument zu pädagogischer Reflexion darstellt, drückt es<br />
so aus: „Was mache ich mit mir, wenn der andere nicht so ist, wie<br />
ich ihn haben möchte?“ E<strong>in</strong>e Frage, die zunächst e<strong>in</strong>mal deutlich<br />
macht, dass menschliche Interaktion pr<strong>in</strong>zipiell ke<strong>in</strong>e „E<strong>in</strong>bahnstraße“<br />
darstellt, sondern „kreisförmig“ (Watzlawick) verläuft. Zudem br<strong>in</strong>gt<br />
sie den systemischen Gedanken zum Ausdruck, dass wir es bei<br />
jeglicher Kommunikation (auch der pädagogischen!) mit e<strong>in</strong>em<br />
lebendigen, auf Entwicklung und Veränderung ausgerichteten<br />
Wechselspiel zu tun haben. Das „S<strong>in</strong>nbild“ des Cohnschen Modells<br />
ist das Dreieck, <strong>in</strong> dem die Sache, das Ich und das Wir <strong>in</strong> produktiver<br />
Balance s<strong>in</strong>d: Schüler und Lehrer s<strong>in</strong>d auf e<strong>in</strong> geme<strong>in</strong>sames Interesse,<br />
auf e<strong>in</strong> geme<strong>in</strong>sames Ziel fokussiert, können sich mit ihren Stärken<br />
und Schwächen e<strong>in</strong>br<strong>in</strong>gen und sich mit gegenseitiger Wertschätzung<br />
begegnen. E<strong>in</strong> wirkungsvoller und Konsens-orientierter Lernprozess<br />
und die Zufriedenheit der Beteiligten s<strong>in</strong>d Faktoren<br />
gel<strong>in</strong>gender Unterrichtskommunikation.<br />
Jeder von uns kennt aus eigenem Erleben oder aus Beobachtungen,<br />
dass sich die Interaktion zwischen Schüler und Lehrer als problema
1 <strong>Frankfurt</strong> <strong>in</strong> <strong>Takt</strong> 09/1<br />
oben: Die Kommunikationsqualität wird durch die Fähigkeit<br />
der Kommunikationspartner zum Perspektivwechsel positiv<br />
bee<strong>in</strong>flusst.<br />
unten: Sibylle Cada, hier im Bild mit Studierenden <strong>in</strong><br />
ihrem Klavier-Methodikunterricht, hat sich <strong>in</strong>tensiv mit<br />
Fragen der Kommunikation zwischen Lehrer und<br />
Schüler ause<strong>in</strong>andergesetzt.<br />
tisch darstellen oder auch empf<strong>in</strong>dlich gestört se<strong>in</strong> kann. Möglicher-<br />
weise tauchen <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er bestimmten Phase Schwierigkeiten auf, die<br />
auf unterschiedlichste aktuelle E<strong>in</strong>flüsse und Faktoren zurückzuführen<br />
s<strong>in</strong>d. Andererseits können ernsthafte Störungen auch „system-immanent“<br />
se<strong>in</strong>. Dann benötigen wir Analyse-Instrumente – Erklärungsmodelle<br />
menschlicher Interaktion – um mögliche Ursachen und H<strong>in</strong>tergründe<br />
besser verstehen zu können. Dabei geht es ausschließlich<br />
darum, das Kommunikationsgeschehen zu betrachten. Menschen<br />
neigen dazu, das Verhalten anderer Menschen „psychologisch“ zu<br />
<strong>in</strong>terpretieren – Pädagogen s<strong>in</strong>d da möglicherweise besonders gefährdet.<br />
Solche Interpretationen s<strong>in</strong>d höchst problematisch: Sie „zementieren“<br />
E<strong>in</strong>schätzungen und Beurteilungen und stehen im Gegensatz<br />
zum eigentlich dynamischen Charakter von Entwicklung. Wir alle<br />
kennen das ungute Gefühl, uns nicht <strong>in</strong> unserem jeweiligen Verhalten,<br />
sondern als ganze Person bewertet zu fühlen. Da das Feedback, Rückmeldungen<br />
über Leistungen wie auch Fehler, e<strong>in</strong> zentraler Faktor von<br />
Unterrichten ist, sollten wir als Pädagogen <strong>in</strong> unserer Kommunikation<br />
hier besondere Achtsamkeit (Sachbezogenheit) walten lassen.<br />
„Wie me<strong>in</strong>e Botschaft angekommen ist, weiß ich erst, wenn ich die Antwort<br />
kenne.“ Es ist e<strong>in</strong>e Wesenseigenschaft, somit auch e<strong>in</strong>e naturgegebene<br />
Schwierigkeit von Kommunikation, dass wir Mitteilungen<br />
ausschließlich aus unserem eigenen Blickw<strong>in</strong>kel wahrnehmen können.<br />
Das beg<strong>in</strong>nt schon damit, dass wir ke<strong>in</strong>eswegs davon ausgehen können,<br />
dass unsere Kommunikationspartner Wörter und Begriffe verstehen<br />
wie wir. Insbesondere wissen wir zunächst nicht, wie diese beim<br />
anderen aus se<strong>in</strong>er Lebens- und Lernerfahrung emotional „besetzt“<br />
s<strong>in</strong>d.*) Wollen wir Missverständnisse <strong>in</strong> der Kommunikation vermeiden<br />
und uns vor allem <strong>in</strong> der pädagogischen Situation wirkungsvoll mitteilen,<br />
s<strong>in</strong>d Klärung und Verständigung notwendig.<br />
„Vier Münder und vier Ohren“<br />
In der Interaktion s<strong>in</strong>d wir als Kommunikationspartner pr<strong>in</strong>zipiell darauf<br />
angewiesen, Mitteilungen zu entschlüsseln (dekodieren).**) E<strong>in</strong>e<br />
Inkongruenz zwischen verbaler Äußerung und widersprüchlicher Körpersprache<br />
nehmen wir relativ schnell wahr. Schwieriger ist die Antwort<br />
auf die Frage: Was me<strong>in</strong>t jemand mit dem, was er sagt? Zu was
<strong>Frankfurt</strong> <strong>in</strong> <strong>Takt</strong> 09/1<br />
möchte mich me<strong>in</strong> Partner veranlassen? Was teilt mir jemand<br />
über sich selbst mit und darüber, wie er zu mir steht? Von<br />
Friedemann Schulz von Thun stammt die <strong>in</strong>zwischen wohl<br />
recht bekannte Denkfigur des „Nachrichtenquadrats“. Sie<br />
besagt: Jede sachliche Botschaft enthält auch e<strong>in</strong>en Anteil an<br />
Selbstkundgabe, an Mitteilung über die E<strong>in</strong>schätzung der<br />
Beziehungsqualität wie auch e<strong>in</strong>en Verhaltensappell. Dass wir<br />
nicht nur mit „vier Mündern“ reden, sondern auch mit „vier<br />
Ohren“ hören, vere<strong>in</strong>facht Kommunikationsstrukturen nicht<br />
gerade. Für e<strong>in</strong>e ausführlichere Darstellung ist hier nicht der<br />
Raum. Gleiches gilt für den für die Pädagogik <strong>in</strong>struktiven<br />
Ansatz, den die Transaktionsanalyse anbietet: Sie geht davon<br />
aus, dass wir aus unterschiedlichen, biografisch erworbenen<br />
Ich-Zuständen heraus <strong>in</strong>teragieren.<br />
Jede Kommunikation hat ihre eigene Wirklichkeit<br />
Fazit: Fachkompetenz vorausgesetzt, ist Kommunikation der<br />
eigentliche Träger des Unterrichtsgeschehens. Jede sachliche<br />
Mitteilung ist persönlich gefärbt. Jede Kommunikation zwischen<br />
Menschen hat ihre eigene Wirklichkeit und ist immer wieder neu<br />
zu gestalten. Kommunikation ist e<strong>in</strong> dynamisches Wechselspiel<br />
zwischen den Beteiligten. Die Kommunikationsqualität wird<br />
durch die Fähigkeit der Kommunikationspartner zum Perspektivwechsel<br />
positiv bee<strong>in</strong>flusst. Gel<strong>in</strong>gende Kommunikation ermöglicht<br />
Lehrenden wie Lernenden, im künstlerischen Lernprozess<br />
ihre Ressourcen zu entfalten. Die Qualität der Unterrichtskommunikation<br />
sollte nicht dem Zufall überlassen bleiben. Sie sollte<br />
Gegenstand e<strong>in</strong>er zeitgemäßen Ausbildung se<strong>in</strong> ebenso wie<br />
des <strong>in</strong>ternen kollegialen Austausches.<br />
*) Beim Begriff „Leistung“ beispielsweise sprechen Studierende im<br />
Sem<strong>in</strong>ar von Belastung, Druck und Angst e<strong>in</strong>erseits wie von Selbstbewusstse<strong>in</strong>,<br />
Befriedigung und Motivation andererseits.<br />
**) Wie e<strong>in</strong>e Mitteilung geme<strong>in</strong>t ist oder se<strong>in</strong> kann, wird durch Körpersprache<br />
(Mimik, Gestik, Tonfall) qualifiziert. Gerade im Unterrichtsprozess<br />
ist Körpersprache wesentliches Kommunikationsmittel. Jedoch s<strong>in</strong>d auch<br />
nonverbale Mitteilungen mehrdeutig. Wie deuten wir beispielsweise das<br />
Schweigen e<strong>in</strong>er Schüler<strong>in</strong>? Denkt sie gerade über e<strong>in</strong>e Problemlösung<br />
nach? Ist sie verunsichert? Ist sie im Moment nicht „ganz da“… ? Wie<br />
versteht e<strong>in</strong> Schüler me<strong>in</strong> Schweigen? Suche ich nach e<strong>in</strong>er Lösung für<br />
e<strong>in</strong> Problem? B<strong>in</strong> ich enttäuscht von se<strong>in</strong>em Spiel? S<strong>in</strong>d me<strong>in</strong>e Gedanken<br />
gerade bei etwas ganz Persönlichem … ? Hier s<strong>in</strong>d e<strong>in</strong>deutige „Ich-<br />
Botschaften“ geeignet, zur Klärung beizutragen.<br />
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Team Teach<strong>in</strong>g für Gesangsstudierende<br />
Als Enja Riegel 1997 die Helene-Lange-Schule<br />
<strong>in</strong> Wiesbaden als Direktor<strong>in</strong> übernahm, wurde<br />
sie von der Lehrerschaft <strong>in</strong> Trauerkleidern<br />
empfangen. Als sie im vergangenen Jahr <strong>in</strong><br />
den Ruhestand g<strong>in</strong>g, bereitete man der Direktor<strong>in</strong><br />
der <strong>in</strong> der Pisa-Studie als beste deutsche<br />
Schule ausgezeichneten Lehranstalt e<strong>in</strong> fünftägiges<br />
Abschiedsfest. Was war geschehen?<br />
Enja Riegel hatte neue Formen des Lehrens<br />
auf ihre Schule angewandt – Formen, von<br />
denen sie und ihre Kollegen sagen, sie unterrichteten<br />
nicht die Fächer, sondern die Schüler.<br />
Zu diesen neuen Formen gehörte auch<br />
das Team Teach<strong>in</strong>g.<br />
„Team Teach<strong>in</strong>g ist e<strong>in</strong>e kooperative Lehrmethode,<br />
bei der zwei oder auch mehr Personen<br />
geme<strong>in</strong>sam e<strong>in</strong>e Lerngruppe unterrichten. Die<br />
Methode sollte idealtypisch sowohl das Lehrerteam<br />
als auch die Lernenden mit e<strong>in</strong>beziehen.<br />
(…) Dabei können die unterschiedlichen<br />
didaktischen Erfahrungen den Nährboden für<br />
e<strong>in</strong> vielfältiges und lernzentriertes methodisches<br />
Vorgehen bilden. Zugleich wird der e<strong>in</strong>zelne<br />
Lehrende durch die Zusammenarbeit<br />
entlastet, aber auch stärker <strong>in</strong> se<strong>in</strong>en didaktischen<br />
Gewohnheiten und Verhaltensweisen<br />
kollegial supervidiert. (…) Damit lassen sich<br />
die Lernprozesse der Lerner gezielter fördern,<br />
es kann größere Unterstützung gewährt werden<br />
und der Unterricht kann vielgestaltiger<br />
und <strong>in</strong>teressanter werden. Insbesondere fördern<br />
sich aber auch die Lehrenden untere<strong>in</strong>ander,<br />
wenn sie es zu Teamwork br<strong>in</strong>gen,<br />
d.h. wenn beide oder mehrere ihre Kompetenzen<br />
<strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Mit- und nicht <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em<br />
Gegene<strong>in</strong>ander e<strong>in</strong>br<strong>in</strong>gen.“ *)<br />
Dieses Modell, welches für Schulen entwickelt<br />
wurde, ist sicher nicht e<strong>in</strong>s zu e<strong>in</strong>s<br />
auf e<strong>in</strong>e Hochschule übertragbar; aber der<br />
Gedanke des besseren Vernetzens von Unterrichten<br />
stand schon lange im Raum und<br />
wurde vor e<strong>in</strong>em Jahr an der <strong>HfMDK</strong> konkret<br />
<strong>in</strong> Angriff genommen.<br />
Gesangsstudierende verbr<strong>in</strong>gen – wie Studierende<br />
aller Solofächer – e<strong>in</strong>en Großteil ihrer<br />
Hauptfach-Ausbildung im E<strong>in</strong>zel-Unterricht:<br />
E<strong>in</strong>zelstunden mit dem Gesangslehrer, E<strong>in</strong>zelstunden<br />
<strong>in</strong> der Korrepetition, der Sprech-<br />
Erziehung, E<strong>in</strong>zelstunden im szenischen<br />
Unterricht.<br />
Die Studierenden s<strong>in</strong>d E<strong>in</strong>zelunterrichten<br />
„ausgesetzt“, <strong>in</strong> denen Lehrende nicht wissen,<br />
was <strong>in</strong> den anderen Unterrichten geschieht<br />
und sich demzufolge auch nicht auf<br />
die Unterrichte ihrer Kollegen beziehen (können).<br />
Folglich erlangt der Studierende zum<br />
Teil sehr unterschiedliche Ansichten zu Tempo<br />
und Interpretation, ohne die Möglichkeit<br />
zu haben, die unterschiedlichen Ansichten<br />
geme<strong>in</strong>sam zu diskutieren, gegene<strong>in</strong>ander<br />
abzuwägen und zu e<strong>in</strong>em zusammenfassenden<br />
Ergebnis zu kommen.<br />
Wir haben im vergangenen Jahr e<strong>in</strong>en ersten<br />
Anfang gemacht, <strong>in</strong>dem sich <strong>in</strong> der ersten<br />
l<strong>in</strong>ks: Team Teach<strong>in</strong>g ist bei der<br />
Vorbereitung von szenischen<br />
Abenden und Opern<strong>in</strong>szenierungen<br />
an der <strong>HfMDK</strong> üblich: Gesangsprofessoren,<br />
Korrepetitoren, Dirigenten<br />
und Regisseure arbeiten mit den<br />
Studierenden geme<strong>in</strong>sam Hand <strong>in</strong><br />
Hand.<br />
rechts: Im Fachbereich 3 (Darstel-<br />
lende Kunst) gehören Treffen aller<br />
Dozenten mittlerweile fest zum<br />
Term<strong>in</strong>plan e<strong>in</strong>es Semesters.<br />
Woche vor Beg<strong>in</strong>n der Arbeit an e<strong>in</strong>er Szene<br />
alle Beteiligten, d.h. die Studierenden, der<br />
Lehrende für szenischen Unterricht, die Solorepetitoren,<br />
die Studierenden der Korrepetitionsklassen,<br />
die diese Szenen am Klavier<br />
begleiten, die Dirigenten bzw. musikalischen<br />
Verantwortlichen und die Gesangslehrer zusammensetzten,<br />
um Tempo, dramatische<br />
Grundausrichtung, sängerische Probleme<br />
etc. mite<strong>in</strong>ander zu besprechen. Danach war<br />
es jedem Lehrenden möglich, sich <strong>in</strong> se<strong>in</strong>em<br />
E<strong>in</strong>zelunterricht auf das geme<strong>in</strong>same Ziel<br />
zu beziehen.<br />
Solorepetitoren besuchen ab und zu die<br />
Gesangsunterrichte, um der Lösung der angemessenen<br />
Tempi, der technischen Probleme<br />
und der musikalischen Gestaltung<br />
geme<strong>in</strong>sam nachzugehen.<br />
Die Gesangslehrer nahmen an e<strong>in</strong>er Gruppenstunde<br />
im Fach „Atem und Bewegung“ teil,<br />
und die Dozent<strong>in</strong> für dieses Fach besuchte<br />
wiederum e<strong>in</strong>e Woche lang die E<strong>in</strong>zelunterrichte<br />
im Fach Gesang, um den Gesangsdozenten<br />
e<strong>in</strong>e Hilfestellung bei der Behebung<br />
von Verspannungen und Haltungsfehlern<br />
zu geben.<br />
Auch die Studierenden müssen bereit se<strong>in</strong>,<br />
dieses Modell mitzutragen: Ab und zu e<strong>in</strong>e<br />
Gesangsstunde zu „opfern“, damit der Gesangslehrer<br />
im szenischen Unterricht beobachten<br />
kann, ob das <strong>in</strong> der Gesangsstunde<br />
Erlernte auch <strong>in</strong> der szenischen Darstellung<br />
„funktioniert“, um es dann im Gesangsunterricht<br />
weiter zu verbessern, verlangt von<br />
Studierenden das Umdenken dah<strong>in</strong>, dass
<strong>Frankfurt</strong> <strong>in</strong> <strong>Takt</strong> 09/1<br />
„Den Drachen nicht töten, sondern reiten!“ –<br />
Aggressionstra<strong>in</strong><strong>in</strong>g trägt auf der Bühne<br />
e<strong>in</strong>drucksvolle Früchte.<br />
dies ke<strong>in</strong> Opfer ist, sondern der künstleri-<br />
schen Entwicklung dient, weil Dozenten auf-<br />
e<strong>in</strong>ander bezogen und nicht konkurrierend<br />
arbeiten.<br />
Seit dem W<strong>in</strong>tersemester 2008/2009 bieten<br />
die Gesangsdozenten „offene Klassenstunden“<br />
an: Ungefähr e<strong>in</strong>mal pro Monat<br />
unterrichtet e<strong>in</strong>e/r der Gesangsdozenten<br />
Studierende ihrer/se<strong>in</strong>er Klasse vor allen<br />
<strong>in</strong>teressierten Studierenden und Dozenten<br />
der Abteilung. Anschließend f<strong>in</strong>det e<strong>in</strong> Me<strong>in</strong>ungsaustausch<br />
der Dozenten untere<strong>in</strong>ander<br />
statt. Hier werden Unterrichtsmethoden<br />
kommentiert, Verbesserungsvorschläge gemacht,<br />
Ergebnisse diskutiert.<br />
Wir s<strong>in</strong>d überzeugt davon, dass dieses<br />
Modell, das neben viel F<strong>in</strong>gerspitzengefühl,<br />
e<strong>in</strong>em respektvollen Umgang und großer<br />
Offenheit mite<strong>in</strong>ander auch die Bereitschaft<br />
verlangt, sich selbst immer wieder <strong>in</strong> Frage<br />
zu stellen, uns zu besseren Lehrenden macht<br />
und der <strong>Frankfurt</strong>er Gesangsausbildung e<strong>in</strong>e<br />
ganz besondere Qualität verleiht, weil im<br />
Unterricht die Studierenden im Mittelpunkt<br />
stehen und nicht die Fächer.<br />
Hedwig Faßbender, Professor<strong>in</strong> für Gesang,<br />
Direktor<strong>in</strong> des Ausbildungsbereichs Gesang/<br />
Musiktheater, Dekan<strong>in</strong> für Darstellende Kunst<br />
*) www.methodenpool.uni-koeln.de/<br />
teamteach<strong>in</strong>g<br />
Lernen unter<br />
Produktionsbed<strong>in</strong>gungen<br />
Angehende Opernsänger kommen an der <strong>HfMDK</strong> mit e<strong>in</strong>er Fülle<br />
von Kompetenzen rund um den Bühnenauftritt <strong>in</strong> Kontakt<br />
Der Ausbildungsbereich Operngesang vere<strong>in</strong>t<br />
mannigfaltige Ansätze, se<strong>in</strong>e Studierenden<br />
auf die Bühnenwelt vorzubereiten. Stefan<br />
Bastians, Professor für Szenischen Unterricht<br />
an der <strong>HfMDK</strong>, stellt dar, welche Anforderungen<br />
e<strong>in</strong> Gesangsstudium se<strong>in</strong>er Ansicht<br />
nach erfüllen muss. Des weiteren erläutert<br />
er das von ihm angebotene Aggressionstra<strong>in</strong><strong>in</strong>g<br />
als <strong>in</strong>novative Möglichkeit, den jungen<br />
Darstellern e<strong>in</strong>en optimalen Zugang zu ihren<br />
Ausdrucksmöglichkeiten zu verschaffen.<br />
Künstlerische Arbeit ist gesellschaftliche<br />
Arbeit, und wenn Gesang öffentliche Kunst<br />
ist, trägt Aufführungserfahrung entscheidend<br />
zur Wirksamkeit bei. Der Umgang<br />
mit Publikum ist daher Teil des Unterrichts.<br />
Produktionen und Prüfungsarbeiten werden<br />
nicht nur <strong>in</strong>tern, sondern auch vor Publikum<br />
gezeigt.<br />
Der Vorbereitung auf die Praxis dienen auch<br />
Kenntnisse <strong>in</strong> Dramaturgie, Ausstattung, Bühnentechnik<br />
und Theaterorganisation, z.B. im<br />
Erstellen und Realisieren von konzeptionell<br />
<strong>in</strong>teressanten, kle<strong>in</strong>eren Projekten. Kompetenz<br />
<strong>in</strong> diesen Bereichen fördert die Selbständigkeit<br />
und Handlungsfähigkeit und bildet<br />
e<strong>in</strong>e wichtige Voraussetzung für die Lebensfähigkeit<br />
des Künstlers. Die wesentliche<br />
Vorbereitung auf die praktische Arbeit aber<br />
f<strong>in</strong>det im Unterricht selbst statt.<br />
Der Sänger soll sich nicht nur als Rezipient,<br />
sondern auch als kreierender, konzipierender<br />
Künstler verstehen; e<strong>in</strong>e Möglichkeit dazu<br />
bietet schon jetzt e<strong>in</strong> <strong>in</strong>terdiszipl<strong>in</strong>äres Arbeiten<br />
mit Tanz, Schauspiel und fächerübergreifenden<br />
Projekten. Neue Medien und vor<br />
allem Neue Musik könnten <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Studio<br />
für experimentelles Musiktheater zum E<strong>in</strong>satz<br />
kommen.<br />
1<br />
Aggressionstra<strong>in</strong><strong>in</strong>g<br />
Aggressionstra<strong>in</strong><strong>in</strong>g def<strong>in</strong>iert Aggression als<br />
e<strong>in</strong>e konstruktive Triebfeder künstlerischen<br />
Ausdrucks. Mit Aggression ist jedes Verhalten<br />
geme<strong>in</strong>t, das das Gegenteil von Passivität und<br />
Zurückhaltung darstellt. Sie ist e<strong>in</strong>e Kraft,<br />
die ohne moralische Wertung kennenzulernen<br />
ist, e<strong>in</strong>e uns <strong>in</strong>newohnende Kraft, die zielgerichtet<br />
etwas wählt, was man wirklich<br />
selbst tun will nach dem Motto: „Den Drachen<br />
nicht töten, sondern reiten!“<br />
In diesem Tra<strong>in</strong><strong>in</strong>g sollen die Studierenden<br />
das Bewusstse<strong>in</strong> für die eigene Mitte schulen<br />
und e<strong>in</strong>e sichere Unterscheidungsfähigkeit<br />
dieses Zustandes von der vertrauten Kopflastigkeit<br />
unserer Zeit erlernen. Außerdem<br />
muss der Sänger unterscheiden und sich<br />
positionieren können zwischen e<strong>in</strong>em Willen,<br />
der als Kraft aus der Mitte nach draußen<br />
stürmt, und dem versammelten Willen, der<br />
als e<strong>in</strong>e Art aktiver H<strong>in</strong>gabe gegenüber den<br />
Tönen wirkt. Dann erlebt der Sänger se<strong>in</strong>en<br />
Körper mehr und mehr als Instrument und<br />
se<strong>in</strong>e Stimme wie e<strong>in</strong> dazugehöriges Wesen.<br />
Bemerkenswert, dass Sänger meist unpersönlich<br />
von ihrer Stimme sprechen. Sie<br />
sagen nicht: „Ich b<strong>in</strong> heute schlecht drauf“,<br />
sondern: „Die Stimme ist <strong>in</strong>disponiert“. Im<br />
Aggressionstra<strong>in</strong><strong>in</strong>g setzt die Initiative den<br />
Inhalt: Der Sänger entdeckt e<strong>in</strong>e gewisse<br />
Wildheit <strong>in</strong> sich, um archetypische Muster<br />
und Konturen des persönlichen künstlerischen<br />
Ausdrucks aufzuspüren.<br />
Stefan Bastians, Professor für szenischen<br />
Unterricht
1 <strong>Frankfurt</strong> <strong>in</strong> <strong>Takt</strong> 09/1<br />
Rückmeldung erwünscht<br />
Feedback, Supervision und Kommunikation<br />
Im Projekt „Qualität <strong>in</strong> der Lehre“ erarbeiten Lehrende und Studierende des Fachbereichs 2<br />
geme<strong>in</strong>sam Angebote, die die Kommunikation und Vermittlung <strong>in</strong> der Lehre verbessern sollen<br />
Im Rahmen des vom Hessischen M<strong>in</strong>isterium für Wissenschaft und<br />
Kunst geförderten Projektes „Qualität <strong>in</strong> der Lehre“ werden im Fachbereich<br />
2 verschiedene Angebote zur Verbesserung des Lehr- und<br />
Lernklimas entwickelt und angewendet.<br />
Bereits seit Oktober 2006 hat sich e<strong>in</strong>e vom Fachbereichsrat des<br />
FB 2 e<strong>in</strong>gesetzte, aus Studierenden und Lehrenden bestehende<br />
Arbeitsgruppe regelmäßig getroffen, um sich mit dem Themenfeld<br />
„Lehrevaluation“ zu beschäftigen. Schnell zeigte sich im Laufe des<br />
Diskussionsprozesses, dass die üblichen Evaluationsformen zur Qualitätssicherung<br />
der Lehre an e<strong>in</strong>er Musikhochschule unzureichend<br />
s<strong>in</strong>d bzw. die wesentlichen Bereiche der Lehre (<strong>in</strong>sbesondere den<br />
künstlerischen E<strong>in</strong>zelunterricht) erst gar nicht erreichen. Im Verlauf<br />
der nächsten Sitzungen richteten sich die Überlegungen daher vor<br />
allem auf die Verbesserung der Kommunikation sowie die Entwicklung<br />
e<strong>in</strong>er offenen Feedbackkultur im Fachbereich.<br />
Aufbauend auf diesen Überlegungen, wurden Anfang 2007 von der<br />
Hochschulleitung Gelder aus dem Studienstrukturprogramm des<br />
Hessischen M<strong>in</strong>isteriums für Wissenschaft und Kunst beantragt, um<br />
im Rahmen e<strong>in</strong>es Projektes bis September 2009 im Fachbereich 2<br />
verschiedene musikhochschulspezifische Ansätze zur Qualitätssicherung<br />
<strong>in</strong> der Lehre zu entwickeln und anzuwenden. Hierbei werden<br />
die Maßnahmen zur Qualitätssicherung im Rahmen des Projektes<br />
nicht „von oben“ vorgegeben. Vielmehr entspr<strong>in</strong>gen sie e<strong>in</strong>em<br />
Bedürfnis der Studierenden und Lehrenden des Fachbereichs und<br />
werden entsprechend direkt von Mitgliedern des Fachbereichs –<br />
Lehrenden und Studierenden – entwickelt.<br />
Gefragte Befragung<br />
Der erste große Projektschritt war e<strong>in</strong>e <strong>in</strong> Kooperation mit dem<br />
AStA durchgeführte Befragung aller Studierenden der <strong>HfMDK</strong>, bei<br />
der sämtliche Bereiche des Studienalltags untersucht wurden (die<br />
Beteiligung lag mit 34 % weit über den üblichen Werten bei solchen<br />
Befragungen). Die Ergebnisse der Befragung wurden <strong>in</strong>zwischen<br />
veröffentlicht, Möglichkeiten zur Verbesserung der Studienbed<strong>in</strong>gungen<br />
wurden im Senat sowie <strong>in</strong> den Fachbereichsräten diskutiert.<br />
Zeitgleich wurde im Fachbereich 2 e<strong>in</strong>e Befragung aller Lehrenden<br />
durchgeführt. Hierbei wurde vor allem der Themenkomplex Arbeitszufriedenheit<br />
untersucht. 100 Lehrende, fast zwei Drittel aller Lehrenden<br />
im Fachbereich 2, haben an der Befragung teilgenommen,<br />
was zeigt, wie wichtig dieses Thema für Professoren und Lehrbeauftragte<br />
ist. Auch diese Ergebnisse und mögliche Konsequenzen<br />
hieraus wurden im Fachbereichsrat 2 diskutiert.<br />
Auf Grundlage der Befragungsergebnisse konnten auch die weitere<br />
s<strong>in</strong>nvolle Ausrichtung des Projektes genauer bestimmt und davon<br />
ausgehend verschiedene Angebote entwickelt werden:<br />
1. Wunsch nach Weiterbildung<br />
In der Lehrendenbefragung äußerte e<strong>in</strong> Großteil der Lehrenden den<br />
Wunsch nach Weiterbildungsangeboten. Daher wurden für verschiedene<br />
Dozentengruppen entsprechende Maßnahmen angeboten. Für<br />
Lehrende des Faches Musiktheorie gab es drei e<strong>in</strong>tägige Veranstaltungen<br />
zu dem Thema „Lebendige Lehre – Fortbildung zur E<strong>in</strong>führung<br />
<strong>in</strong> die Hochschuldidaktik“, für Dozenten und Studierende der<br />
Gesangs- und Bläserklassen wurde fachbereichsübergreifend e<strong>in</strong><br />
zweitägiger Kurs „typenspezifische Atemarbeit“ angeboten.<br />
2. Supervision mit Kollegen<br />
Für alle Dozenten des Fachbereichs 2 wird e<strong>in</strong>e „Anleitung zur kollegialen<br />
Fallsupervision“ angeboten. Hierbei arbeiten kle<strong>in</strong>e Gruppen<br />
von Lehrenden über e<strong>in</strong>en längeren Zeitraum mit e<strong>in</strong>em Supervisor<br />
zusammen, um Strukturen und Regeln für kollegiale Fallbesprechung<br />
<strong>in</strong> der Gruppe zu erarbeiten. Sie sollen e<strong>in</strong>er kollegialen Gruppe im<br />
Anschluss daran ermöglichen, mit gelegentlicher externer Begleitung<br />
eigenständig weiterzuarbeiten. Ziel der kollegialen Fallsupervision<br />
ist, Situationen aus der Praxis der Lehrenden zu reflektieren und die<br />
e<strong>in</strong>zelnen Lehrenden zu unterstützen, Problemlagen zu klären und<br />
neue Handlungsoptionen zu entwickeln. Da <strong>in</strong> den verschiedenen<br />
e<strong>in</strong>zelnen kollegialen Gruppen die gleichen Techniken erlernt werden,<br />
ist zudem e<strong>in</strong> fachbereichsweiter Austausch hierüber möglich.<br />
3. Anonymes Feedback möglich<br />
Vor dem H<strong>in</strong>tergrund, dass im Fachbereich e<strong>in</strong> Großteil der Lehre <strong>in</strong><br />
E<strong>in</strong>zel- oder Kle<strong>in</strong>gruppenunterricht erteilt wird und hierfür klassische<br />
qualitätssichernde Maßnahmen wie etwa Sem<strong>in</strong>arevaluation oder<br />
Ähnliches nicht geeignet s<strong>in</strong>d, wurde e<strong>in</strong> Feedbackbogen entwickelt,<br />
der e<strong>in</strong> direktes, anonymes Feedback der Studierenden an ihre Dozenten<br />
zu verschiedenen Themenbereichen (Unterrichtsorganisation,<br />
Unterrichtsqualität, Kommunikation) ermöglicht. Dieser Bogen wird<br />
seit dem W<strong>in</strong>tersemester 2007/08 regelmäßig e<strong>in</strong>gesetzt.<br />
Hierbei handelt es sich bewusst nicht um e<strong>in</strong>e Evaluationsmaßnahme<br />
mit Auswertung der Daten an zentraler Stelle; vielmehr ist<br />
der Feedbackbogen e<strong>in</strong> Instrument, welches Dozenten und Studierenden<br />
zur Verfügung gestellt wird, um e<strong>in</strong> direktes, anonymes<br />
und strukturiertes Feedback zu ermöglichen.<br />
Nach den bisherigen – meist <strong>in</strong>formellen – Rückmeldungen durch<br />
Dozenten des Fachbereichs war das so erhaltene Feedback zumeist<br />
sehr positiv und wurde im S<strong>in</strong>ne e<strong>in</strong>er positiven Bestätigung der<br />
eigenen Unterrichtsarbeit als wertvoll und hilfreich empfunden. In<br />
e<strong>in</strong>igen Fällen haben eher negative Bewertungen <strong>in</strong> e<strong>in</strong>zelnen
<strong>Frankfurt</strong> <strong>in</strong> <strong>Takt</strong> 09/1<br />
oben l<strong>in</strong>ks: Beratung <strong>in</strong>klusive: Prof. Ralph Abele<strong>in</strong> berät Studienaspiranten beim<br />
„Infotag der Schulmusik“.<br />
oben rechts: Kommunizieren hat sich im Fachbereich 2 mehr denn je zu e<strong>in</strong>em bewussten Merkmal<br />
der Qualitätssicherung entwickelt – auch unter Studierenden.<br />
unten: Auch körperlich e<strong>in</strong>e vermittelnde Stütze im Unterricht: Gesangsprofessor<strong>in</strong> Mel<strong>in</strong>da Paulsen,<br />
Dekan<strong>in</strong> im Fachbereich 2, bei Stimmübungen mit Gesangsstudent<strong>in</strong> Mareike W<strong>in</strong>kel.<br />
Bereichen dazu geführt, dass Dozenten ihr Lehrverhalten reflektieren<br />
wollten. Hier setzt die vierte Maßnahme im Rahmen des Projektes an.<br />
4. Supervision <strong>in</strong> Kooperation mit der Fachhochschule<br />
Im Rahmen der durchgeführten Befragungen wurde von Seiten der<br />
Studierenden wie der Lehrenden sehr deutlich der Wunsch nach<br />
e<strong>in</strong>em Angebot externer, hochschulunabhängiger Beratung geäußert.<br />
Auf Grundlage dieser Befragungsergebnisse wurde für alle Mitglieder<br />
des Fachbereichs e<strong>in</strong> kostenloses Supervisionsangebot<br />
entwickelt, das Lehrenden wie Studierenden bei der Reflexion von<br />
Fragen, Problemfeldern, Konflikten und Fallbeispielen aus dem eigenen<br />
Hochschulalltag helfen soll. Bei der seit dem W<strong>in</strong>tersemester<br />
angebotenen E<strong>in</strong>zelsupervision handelt es sich um e<strong>in</strong>e Beratungsform,<br />
die zur Sicherung und Verbesserung der Qualität beruflicher<br />
Arbeit e<strong>in</strong>gesetzt wird. Hierbei kooperiert die <strong>HfMDK</strong> mit der Fachhochschule<br />
<strong>Frankfurt</strong> und dem dortigen Lehrstuhl für Coach<strong>in</strong>g und<br />
Beratung <strong>in</strong> der Arbeitswelt. Im Rahmen der Kooperation wird den<br />
Studierenden und Lehrenden e<strong>in</strong> kostenloses Beratungsangebot zur<br />
Verfügung gestellt; bis zu fünf E<strong>in</strong>zelterm<strong>in</strong>e bei e<strong>in</strong>em professionellen,<br />
unabhängigen Supervisor können <strong>in</strong> Anspruch genommen<br />
werden. Ziel ist die Kompetenzerweiterung und die persönliche<br />
Unterstützung bei der Gestaltung des Hochschulalltags sowie die<br />
Erweiterung der Handlungskompetenz zur emotionalen Entlastung<br />
und zur Erhöhung der Arbeitszufriedenheit.<br />
E<strong>in</strong>geschlagener Weg wird fortgesetzt<br />
Die im Fachbereich 2 <strong>in</strong> den letzten anderthalb Jahren angestoßenen<br />
Maßnahmen s<strong>in</strong>d e<strong>in</strong> erster Versuch, die Kommunikation und<br />
damit das Lehr- und Lernklima im Fachbereich nachhaltig zu verbessern.<br />
Die überwiegend positiven Rückmeldungen zu den im<br />
Rahmen des Projektes durchgeführten Maßnahmen geben bereits<br />
vor der abschließenden Projektauswertung Grund zu der Annahme,<br />
dass der e<strong>in</strong>geschlagene Weg e<strong>in</strong> richtiger und s<strong>in</strong>nvoller ist: Die<br />
verschiedenen Angebote werden von Studierenden wie Lehrenden<br />
wahrgenommen; darüber h<strong>in</strong>aus zeigt sich, dass, selbst wenn bei<br />
E<strong>in</strong>zelnen ke<strong>in</strong> konkretes Bedürfnis beispielsweise nach Supervision<br />
herrscht, bereits das Vorhandense<strong>in</strong> e<strong>in</strong>es solchen Angebots<br />
und die mögliche Inanspruchnahme als e<strong>in</strong> Qualitätsmerkmal<br />
gesehen werden.<br />
Die hier beschriebenen Maßnahmen sollen dauerhaft fortgesetzt<br />
und um weitere Angebote ergänzt werden – mit dem Ziel, das<br />
Lehr- und Lernklima im Fachbereich kont<strong>in</strong>uierlich zu verbessern.<br />
Frank Rosenberger, Geschäftsführer des Fachbereichs 2 der <strong>HfMDK</strong>,<br />
Koord<strong>in</strong>ator des Projekts „Qualität <strong>in</strong> der Lehre“<br />
19
0 <strong>Frankfurt</strong> <strong>in</strong> <strong>Takt</strong> 09/1<br />
Hilfreicher Dialog statt sturen Diktierens<br />
Von der „Gehörbildung“ zur „Hörschulung“: Zur Verbesserung der Hörvorstellung haben sich <strong>in</strong> der <strong>HfMDK</strong><br />
neue methodische und didaktische Konzepte etabliert<br />
Beim Studium älterer Prüfungsordnungen f<strong>in</strong>det man zum Fach<br />
Gehörbildung E<strong>in</strong>tragungen wie „e<strong>in</strong>stimmiges Diktat, zweistimmiges<br />
Diktat, vierstimmiges Diktat“. Was genau damit geme<strong>in</strong>t war, bleibt<br />
allerd<strong>in</strong>gs offen. Das Hauptziel der Hörschulung, wie sie heute praktiziert<br />
wird, ist die Ausbildung der <strong>in</strong>neren, verstehenden Hörvorstellung<br />
(Audiation nach Edw<strong>in</strong> Gordon). Die Fähigkeiten, die e<strong>in</strong><br />
Musiker dadurch für se<strong>in</strong>e tägliche Praxis erlangt, reichen vom sicheren<br />
Erkennen von Fehlern über das bewusste Wahrnehmen von klanglichen<br />
Situationen beim Musizieren bis zu der Fähigkeit, gedruckte<br />
Musik sich <strong>in</strong>nerlich klanglich vorzustellen oder vom Blatt zu s<strong>in</strong>gen.<br />
Ferner wird die Fähigkeit ausgebildet, Musik über das Hören alle<strong>in</strong><br />
zu analysieren und zu verstehen. Dieser Vorgang wird als<br />
Höranalyse bezeichnet.<br />
Im Hörtra<strong>in</strong><strong>in</strong>g beschäftigt man sich mit verschiedenen Teilbereichen<br />
der Musik, wobei das Hören selbstverständlich nicht auf die E<strong>in</strong>zelparameter<br />
Rhythmus, Intervalle und Akkorde beschränkt ist: Melodie,<br />
harmonischer Verlauf, Mehrstimmigkeit und musikalische Form<br />
s<strong>in</strong>d von Anfang an Gegenstand der Hörschulung. Unter den verwendeten<br />
Methoden wird den praktischen Übungen e<strong>in</strong> wichtiger<br />
Platz e<strong>in</strong>geräumt, wobei das S<strong>in</strong>gen e<strong>in</strong>e zentrale Rolle e<strong>in</strong>nimmt.<br />
Rhythmen werden durch Klopfen geübt; Tonstufen, Intervalle und<br />
Akkorde werden sowohl <strong>in</strong> der Gruppe als auch <strong>in</strong>dividuell unter Verwendung<br />
der Stimmgabel gesungen. Grundsätzlich wird alles, was<br />
<strong>in</strong> der Stunde gehört wird, sei es vom Klavier oder von der Stereoanlage,<br />
nachgesungen, analysiert und erklärt. Das musiktheoretische<br />
Verständnis ist dabei besonders wichtig. Das Übertragen <strong>in</strong> Notenschrift<br />
dient der <strong>in</strong>dividuellen Konkretisierung und der Kontrolle.<br />
Wechselspiel von Fragen und Antworten<br />
Em<strong>in</strong>ent wichtig für die heutige Hörschulung ist das Unterrichtsgespräch.<br />
Ältere Musiker werden sich noch an das „e<strong>in</strong>stimmige Diktat“<br />
er<strong>in</strong>nern, bei dem früher e<strong>in</strong>e Melodie am Klavier „diktiert“<br />
wurde, jedoch nicht <strong>in</strong> ihrer Gesamtheit, sondern <strong>in</strong> zweitaktige Abschnitte<br />
zerstückelt, welche endlos wiederholt wurden. Heute wird<br />
zur Erarbeitung z. B. e<strong>in</strong>es Themas aus e<strong>in</strong>er S<strong>in</strong>fonie von Haydn<br />
e<strong>in</strong>e CD-Aufnahme verwendet. Durch e<strong>in</strong> Wechselspiel von Fragen<br />
und Antworten entwickelt sich e<strong>in</strong> Gespräch, durch welches das<br />
gehörte Thema analysiert, verstanden und vollständig erfasst wird.<br />
Während dieses Gesprächs wird das Thema e<strong>in</strong>ige Male als Ganzes<br />
angehört und memoriert. Es wird dann aus dem Gedächtnis nachgesungen.<br />
Im Verlauf dieser höranalytischen Arbeit werden die charakteristischen<br />
Eigenschaften des Themas besprochen. Die Form<br />
und die Kompositionsweise werden beschrieben; auch die Instrumentation<br />
und die Harmonik s<strong>in</strong>d Bestandteile dieser Arbeit. Anschließend<br />
wird zur Konkretisierung der <strong>in</strong>neren Vorstellung und zur<br />
<strong>in</strong>dividuellen Überprüfung das Thema notiert. Zum Schluss wird das<br />
an die Wand projizierte Orchesterpartiturbild der entsprechenden<br />
Stelle mit der eigenen Notation verglichen und geme<strong>in</strong>sam kommentiert.<br />
H<strong>in</strong>zu kommt noch die Kritik der verwendeten Aufnahme.<br />
Diese höranalytische Schulung f<strong>in</strong>det ihre Fortsetzung <strong>in</strong> den Höranalysesem<strong>in</strong>aren<br />
des Hauptstudiums: In diesem Rahmen werden<br />
nun ke<strong>in</strong>e Fragmente mehr, sondern ganze Sätze durchgehört. Diese<br />
werden <strong>in</strong> der eben beschriebenen Weise alle<strong>in</strong> über das Hören analysiert<br />
mit dem Ziel des konkreten Durchdr<strong>in</strong>gens und des<br />
besseren Verstehens.<br />
In anderen Hörsem<strong>in</strong>aren des Hauptstudiums werden praktische<br />
Fähigkeiten wie Nachspielen gehörter Musik, Intonationshören oder<br />
Blatts<strong>in</strong>gen auf e<strong>in</strong>em höheren Niveau weitergeübt.<br />
Interdiszipl<strong>in</strong>äre Begegnungen<br />
Der Computer ist fester Bestandteil des heutigen Lebens. Im Zusammenhang<br />
mit der Hörschulung kann er als Tra<strong>in</strong><strong>in</strong>gsmasch<strong>in</strong>e für<br />
E<strong>in</strong>zelparameter e<strong>in</strong>gesetzt werden und für „Diktate“ dienlich se<strong>in</strong>.
<strong>Frankfurt</strong> <strong>in</strong> <strong>Takt</strong> 09/1<br />
Allerd<strong>in</strong>gs kann der Computer die Kurssituation mit der ihr eigenen<br />
Dynamik, das S<strong>in</strong>gen <strong>in</strong> der Gruppe, das gezielt moderierte Gespräch<br />
über die gehörte Musik sowie die konkreten Hilfestellungen und<br />
Erklärungen nicht ersetzen. Dennoch ist der E<strong>in</strong>satz e<strong>in</strong>es Computers<br />
<strong>in</strong> manchen Bereichen der Hörschulung durchaus s<strong>in</strong>nvoll: Mit e<strong>in</strong>em<br />
entsprechenden Intonationsprogramm z. B. ist das kontrollierte Üben<br />
des Intonierens möglich. Außerdem können akustische Phänomene<br />
mithilfe e<strong>in</strong>es Computers sichtbar gemacht werden, wie dies im<br />
Sommersemester 2008 <strong>in</strong> dem geme<strong>in</strong>sam mit der Kompositionsklasse<br />
gestalteten fächerübergreifenden Sem<strong>in</strong>ar „Spektrales Hören“<br />
praktiziert wurde.<br />
E<strong>in</strong> weiteres Beispiel <strong>in</strong>terdiszipl<strong>in</strong>ärer Aktivitäten: Im Sommersemester<br />
2007 wurde <strong>in</strong> Zusammenarbeit mit der Musikpädagogik das<br />
Sem<strong>in</strong>ar „Methoden der Analyse – mit und ohne Noten“ veranstaltet,<br />
<strong>in</strong> dessen Rahmen den Studierenden ermöglicht wurde, e<strong>in</strong>e eigene<br />
Höranalysestunde unter Anleitung e<strong>in</strong>es Professors zu entwickeln<br />
und zu halten.<br />
Hörschulung als Hauptfach<br />
Welche Möglichkeiten der Weiterentwicklung und Vertiefung ihrer<br />
Fähigkeiten haben Studierende, wenn sie ihre Begabung und Neigung<br />
zum Hören entdecken? Im Rahmen des modularisierten Lehramtsstudiums<br />
können sie Hörschulung als Schwerpunktfach studieren,<br />
was drei Student<strong>in</strong>nen seit dem W<strong>in</strong>tersemester 2008/2009<br />
bereits tun. Ferner wird an der E<strong>in</strong>richtung des Hauptfachstudiengangs<br />
Hörschulung an der <strong>HfMDK</strong> eifrig gearbeitet. Doch sche<strong>in</strong>t<br />
dies e<strong>in</strong> länger dauernder Prozess zu werden …<br />
Ohne regelmäßiges Tra<strong>in</strong><strong>in</strong>g ke<strong>in</strong> Erfolg<br />
Was auch immer im Rahmen der Hörschulungskurse erarbeitet wird<br />
– es handelt sich stets um e<strong>in</strong>e Auswahl, denn es ist schier unmöglich,<br />
<strong>in</strong> den wenigen Stunden, die im Rahmen des Studiums zur Verfügung<br />
stehen, das gesamte Spektrum dessen, was geübt werden<br />
könnte, abzudecken. Darüber h<strong>in</strong>aus ist Hörschulung e<strong>in</strong> Tra<strong>in</strong><strong>in</strong>gsfach:<br />
Wichtig s<strong>in</strong>d Fleiß, Regelmäßigkeit, Kont<strong>in</strong>uität, Ausdauer und<br />
nicht zuletzt e<strong>in</strong>e positive E<strong>in</strong>stellung. Daran hat sich trotz neuer Formen<br />
des Lehrens nichts geändert. Wer sporadisch arbeitet, Unterbrechungen<br />
e<strong>in</strong>plant oder me<strong>in</strong>t, <strong>in</strong> „Intensivphasen“ oder „kompakt“<br />
das „Fach belegen“ zu müssen, wird wohl kaum se<strong>in</strong>e Hörfähigkeit<br />
entwickeln. Hier soll also ermutigt werden, dranzubleiben – und<br />
den Spaß dabei zu entdecken!<br />
Sollte jemand aufgrund dieser knappen Ausführungen neugierig<br />
geworden se<strong>in</strong> und sich e<strong>in</strong> konkreteres Bild heutiger Hörschulung<br />
machen wollen, sei er hiermit zum Hospitieren herzlich e<strong>in</strong>geladen!<br />
Hervé Laclau, Professor für Hörschulung an der <strong>HfMDK</strong><br />
oben: Prof. Hervé Laclau ist der Dialog über das<br />
Gehörte ebenso wichtig wie das eigene S<strong>in</strong>gen der<br />
Studierenden im Hörschulungs-Unterricht.<br />
unten: Mit der Stimmgabel auf Intervallsuche.<br />
1
Mit Herbert Seidel und Walter Forchert berichten im folgenden<br />
Interview zwei gestandene Instrumentalprofessoren der <strong>HfMDK</strong> aus<br />
ihrer langjährigen Lehrerfahrung: Klavierprofessor Herbert Seidel ist<br />
seit 1978 am Haus tätig. Dem g<strong>in</strong>gen Lehraufträge <strong>in</strong> Saarbrücken<br />
und Stuttgart voraus. In den 90-er Jahren arbeitete er zwei Jahre<br />
als Gastprofessor an der Indiana University Bloom<strong>in</strong>gton, USA. Seit<br />
drei Jahren ist er an der <strong>HfMDK</strong> nach se<strong>in</strong>em Ausscheiden als Professor<br />
weiter als Lehrbeauftragter tätig. Walter Forchert leitet seit<br />
1992 als Professor e<strong>in</strong>e eigene Viol<strong>in</strong>klasse an der <strong>HfMDK</strong>. Se<strong>in</strong>er<br />
Professorentätigkeit g<strong>in</strong>gen Konzertmeister-Erfahrungen beim S<strong>in</strong>fonischen<br />
Orchester Berl<strong>in</strong> und bei den Bamberger Symphonikern voraus.<br />
Als Konzertmeister war er auch an der Gesamt-E<strong>in</strong>spielung der<br />
Bach-Kantaten unter Leitung von Helmuth Rill<strong>in</strong>g beteiligt.<br />
<strong>Frankfurt</strong> <strong>in</strong> <strong>Takt</strong> Wie lautet Ihr persönliches Lehr-Credo nach<br />
jeweils über 30 Jahren Unterrichtserfahrung?<br />
Prof. Herbert Seidel Me<strong>in</strong>e wesentliche Aufgabe als Lehrer sehe ich<br />
<strong>in</strong> der Erziehung zur Eigenständigkeit. Es gilt, dem Studierenden nicht<br />
nur die nötigen methodischen Arbeitspläne an die Hand zu geben,<br />
sondern auch se<strong>in</strong>en Mut, se<strong>in</strong> Stehvermögen und se<strong>in</strong>e Umsicht zu<br />
stärken, damit er den vielfältigen Anforderungen des Studiums genügen<br />
und den bisweilen korrumpierenden Anfechtungen der beruflichen<br />
Praxis widerstehen kann. Er soll zudem lernen, dass Spontaneität<br />
nicht heißt, sich bedenkenlos vom musikantischen Temperament<br />
h<strong>in</strong>reißen zu lassen, lernen, dass künstlerische Intuition fortwährend<br />
<strong>in</strong>tellektueller Kontrolle unterworfen und der Aufbau von<br />
Vertrauen <strong>in</strong> das eigene künstlerische Vermögen, der unabd<strong>in</strong>gbaren<br />
Grundvoraussetzung jeglichen Gel<strong>in</strong>gens, vom Respekt vor dem<br />
Kunstwerk als solchem getragen se<strong>in</strong> muss.<br />
<strong>Frankfurt</strong> <strong>in</strong> <strong>Takt</strong> 09/1<br />
Walter Forchert blickt auf jahrelange Konzertmeistererfahrung zurück<br />
und leitet seit 1992 e<strong>in</strong>e eigene Viol<strong>in</strong>klasse an der <strong>HfMDK</strong>.<br />
„Unterricht ist Vertrauenssache <strong>in</strong><br />
e<strong>in</strong>er geme<strong>in</strong>samen Unternehmung“<br />
Klavierprofessor em. Herbert Seidel und Geigenprofessor Walter Forchert bilanzieren ihre Lehrerfahrung an der <strong>HfMDK</strong><br />
Prof. Walter Forchert Diesem Credo kann ich nur beipflichten. Wichtig<br />
ersche<strong>in</strong>t mir, im Mite<strong>in</strong>ander von Lehrer und Schüler stets die Frage<br />
im Blick zu haben: Wo komme ich her, woher der Schüler? Jeder<br />
Mensch hat ja e<strong>in</strong>en persönlichen H<strong>in</strong>tergrund. Bei mir studierte beispielsweise<br />
e<strong>in</strong>e junge russische Geiger<strong>in</strong> aus Usbekistan – e<strong>in</strong> wahres<br />
Naturtalent mit e<strong>in</strong>er unglaublichen Aura. Schwierig war dabei,<br />
sie von e<strong>in</strong>er anderen Technik zu überzeugen, denn sie brachte zunächst<br />
selbstbewusst „ihr Russland“ mit und ihr Bewusstse<strong>in</strong> der<br />
Überlegenheit russischen Geigenspiels. Aber ihre Bogen-Technik<br />
zum Beispiel war ke<strong>in</strong>eswegs optimal (Anschlagen von Akkorden<br />
mit diversen Nebengeräuschen). Und zu Spannungen zwischen uns<br />
kam es, als sie ablehnte, den Beg<strong>in</strong>n des Sibelius-Viol<strong>in</strong>konzertes<br />
durchaus mal „senza vibrato“ zu probieren („Oistrach spielt das auch<br />
mit Vibrato!“ war ihr H<strong>in</strong>weis). Nun b<strong>in</strong> ich zwar der Auffassung,<br />
der Lernende sollte grundsätzlich se<strong>in</strong>e persönliche Auffassung e<strong>in</strong>br<strong>in</strong>gen.<br />
Er muss aber auch bereit se<strong>in</strong>, das Angebot des Lehrers<br />
zum<strong>in</strong>dest e<strong>in</strong>mal auszuprobieren. Das erweitert se<strong>in</strong>en Horizont.<br />
Und <strong>in</strong> der Ause<strong>in</strong>andersetzung mit verschiedenen Ansichten entsteht<br />
ja vielleicht sogar etwas Neues – so wie auch ich gelegentlich<br />
schon Interpretationsvorschläge me<strong>in</strong>er Studenten<br />
übernommen habe.<br />
<strong>Frankfurt</strong> <strong>in</strong> <strong>Takt</strong> Können Sie aus Ihrer Biografie e<strong>in</strong>e Art<br />
<strong>in</strong>dividueller Evolution des Lehrens beschreiben?<br />
Prof. Walter Forchert Zunächst ganz e<strong>in</strong>fach: Mit zunehmender Unterrichts-Erfahrung<br />
kommt man schneller auf den Punkt. Habe ich zum<br />
Beispiel e<strong>in</strong> Musikstück schon mehrmals unterrichtet, s<strong>in</strong>d mir auch<br />
die gängigen Problem-Stellen bekannt. Ich habe also beim nächsten<br />
Studenten schon erprobte Lösungen bereit. Und dass man sicherer
<strong>Frankfurt</strong> <strong>in</strong> <strong>Takt</strong> 09/1<br />
wird mit zunehmender Unterrichts-Erfahrung und Erfolg, ist auch<br />
nur logisch. Tatsächlich verändert habe ich <strong>in</strong> me<strong>in</strong>em Unterricht:<br />
mehr als früher auf die Bewegungen des Geigenspielers zu achten.<br />
Der E<strong>in</strong>fluss der Körper-Haltung und se<strong>in</strong>e Beweglichkeit auf den Ton<br />
des Spielers und auf die Ausdrucksstärke e<strong>in</strong>er Interpretation s<strong>in</strong>d ja<br />
enorm. In diesem Zusammenhang ist übrigens höchst erfreulich zu<br />
nennen das Angebot unserer Hochschule zum Thema Bewegung.<br />
Prof. Herbert Seidel Ich glaube schon, dass ich als Lehrer im Laufe<br />
der Zeit toleranter geworden b<strong>in</strong> und mehr gelten lasse als früher.<br />
Ich selbst habe ja me<strong>in</strong>e Ansichten auch immer wieder geändert.<br />
Aus dieser Erfahrung schließe ich, dass man <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er bestimmten<br />
Phase der eigenen Entwicklung zu E<strong>in</strong>sichten gelangen kann, die zu<br />
diesem Zeitpunkt ihre volle Berechtigung, ihre temporäre Wahrheit<br />
haben, e<strong>in</strong>er späteren Revision aber nicht standhalten. Diese Erkenntnis<br />
hat me<strong>in</strong> Urteilen zurückhaltender, umsichtiger gemacht. An<br />
e<strong>in</strong>er Hochschule haben wir aber gleichfalls die Verpflichtung, <strong>in</strong><br />
gewisser Weise „akademisch“ zu unterrichten, das heißt, zunächst<br />
e<strong>in</strong>mal der gestalterischen Freiheit klar def<strong>in</strong>ierte Grenzen zu setzen<br />
und den Studierenden Ordnungsmodelle zur eigenen Orientierung<br />
anzubieten. Selbstverständlich darf er diese Grenzen dann <strong>in</strong> eigener<br />
Verantwortung überschreiten, schließlich tue ich dies auch. Aber ich<br />
hüte mich, me<strong>in</strong>e stilistischen Grenzverletzungen und musikalischen<br />
Marotten als künstlerische Grundnahrungsmittel zu empfehlen.<br />
<strong>Frankfurt</strong> <strong>in</strong> <strong>Takt</strong> Wie hat sich Ihr Unterrichten im Laufe von rund<br />
drei Jahrzehnten durch sich wandelnde gesellschaftliche Strömungen<br />
und musikalische Stilpräferenzen geändert?<br />
Prof. Herbert Seidel Ich unterrichte ja e<strong>in</strong> Instrument, das relativ jung<br />
ist und auf dem wir zu e<strong>in</strong>em großen Teil Musik spielen, die ursprünglich<br />
gar nicht für dieses Instrument geschrieben wurde – das gilt<br />
zum<strong>in</strong>dest für die Klaviermusik bis e<strong>in</strong>schließlich Schumann. Daran<br />
f<strong>in</strong>de ich nichts Verwerfliches. Die mannigfaltigen Neuerungen <strong>in</strong><br />
der Geschichte des Klavierbaus resultierten sicherlich nicht aus der<br />
völligen Zufriedenheit der zeitgenössischen Protagonisten mit dem<br />
Herbert Seidel ist seit drei Jahren als Professor emeritiert, unterhält aber<br />
als Lehrbeauftragter weiterh<strong>in</strong> e<strong>in</strong>e Klavierklasse an der <strong>HfMDK</strong>.<br />
vorhandenen Instrumentarium. Sie waren auch nicht ausschließlich<br />
Vergröberungstendenzen und e<strong>in</strong>er Vulgarisierung des Geschmacks<br />
geschuldet (Im übrigen gäbe es auch am modernen Flügel<br />
Manches zu verbessern). All dies befreit aber nicht den Pianisten<br />
von der Pflicht, sich mit der Klanglichkeit historischer Klavier<strong>in</strong>strumente<br />
vertraut zu machen und diese Vertrautheit klangformend beim<br />
Spiel auf dem heutigen Klavier wirken zu lassen. Und selbstverständlich<br />
gibt es e<strong>in</strong>e legitime maßstabsetzende E<strong>in</strong>flussnahme der historisierenden<br />
Aufführungspraxis, die ich als höchst anregend und<br />
fruchtbar zu schätzen weiß. Me<strong>in</strong>e eigene Haltung ist allerd<strong>in</strong>gs eher<br />
e<strong>in</strong>e ahistorische. Ich fühle mich musikalisch ganz wohl als der, der<br />
ich b<strong>in</strong>, nämlich e<strong>in</strong> Mensch des 20. Jahrhunderts, der se<strong>in</strong>e Wurzeln<br />
im 19. Jahrhundert hat. Ideologisierung und Dogmatisierung<br />
e<strong>in</strong>es Interpretationsansatzes s<strong>in</strong>d mir e<strong>in</strong> Ärgernis. Es ersche<strong>in</strong>t mir<br />
vermessen, e<strong>in</strong>en rebellischen Geist wie Beethoven <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e von wem<br />
auch immer gefertigte Grammatik zu sperren. Mir ist eher am Austragen<br />
e<strong>in</strong>es bewussten Spannungsverhältnisses gelegen, nämlich<br />
zwischen e<strong>in</strong>em von uns immer präziser erkennbaren historischen<br />
Zeitstil und der Lebens- und Kulturerfahrung des heutigen Menschen,<br />
der diese Erfahrung <strong>in</strong> se<strong>in</strong>e Interpretation mit e<strong>in</strong>br<strong>in</strong>gt. Ich<br />
weigere mich, diese Erfahrung beiseite zu wischen und mich stilbewusst<br />
zu kostümieren. E<strong>in</strong> echtes Kunstwerk reicht weit über se<strong>in</strong>e<br />
Entstehungszeit h<strong>in</strong>aus, <strong>in</strong> die Vergangenheit wie <strong>in</strong> die Zukunft.<br />
Prof. Walter Forchert Der Zeitgeschmack verändert sich fließend (von<br />
Karajan zu Harnoncourt), und auch ich denke, man sollte bei der Interpretation<br />
von Werken aus vergangenen Jahrhunderten nicht nur<br />
<strong>in</strong> die Vergangenheit schauen. Es sche<strong>in</strong>t mir aber für den heutigen<br />
Musiker unabd<strong>in</strong>gbar, sich auch als „klassische Geiger“ mit barocker<br />
Spielweise ause<strong>in</strong>ander zu setzen. Ich selbst spiele seit langem bei<br />
der Bach-Akademie Stuttgart unter Helmuth Rill<strong>in</strong>g – <strong>in</strong> den Anfängen<br />
mit modernem Instrumentarium und dem damals üblichen<br />
„satten“ Vibrato. Über das Spielen auf e<strong>in</strong>er Viola d’amore , bei der<br />
mich das Mitschw<strong>in</strong>gen der Resonanz-Saiten fasz<strong>in</strong>ierte, habe ich<br />
den Reiz e<strong>in</strong>es vibratolos gespielten, dennoch lebendigen Tones<br />
entdeckt. Später wurde mir e<strong>in</strong> Barockbogen gebaut, durch dessen<br />
3
Gebrauch ich gelernt habe, für barocke Musik – auf klassischer Geige<br />
– e<strong>in</strong>en anderen Klang zu formen. Diese Erfahrung gebe ich seither<br />
auch an me<strong>in</strong>e Studierenden weiter.<br />
<strong>Frankfurt</strong> <strong>in</strong> <strong>Takt</strong> Hat sich aus Ihrer Sicht auch die Rolle des<br />
Instrumentalprofessors als Autorität verändert?<br />
Prof. Herbert Seidel E<strong>in</strong>en grundsätzlichen Wandel kann ich da nicht<br />
erkennen. Das hängt wohl auch damit zusammen, dass die Musikstudenten<br />
e<strong>in</strong>er besonderen Spezies anzugehören sche<strong>in</strong>en. Allerd<strong>in</strong>gs<br />
musste ich zur Kenntnis nehmen, dass die Wirkung me<strong>in</strong>es<br />
Verhaltens den Studierenden gegenüber ke<strong>in</strong>eswegs immer me<strong>in</strong>en<br />
guten Absichten entsprach. Ich hatte geglaubt, alles <strong>in</strong> allem als<br />
gemütlicher Zeitgenosse wahrgenommen zu werden – weit gefehlt.<br />
Natürlich will ich im Unterricht ke<strong>in</strong>e Atmosphäre e<strong>in</strong>es behaglichen<br />
„Laisser-faire“ schaffen, auch die Wahrung e<strong>in</strong>er gewissen Distanz<br />
ist mir wichtig (Ich habe niemals e<strong>in</strong>en Studenten geduzt), aber<br />
Musizieren unter Angst, ne<strong>in</strong> das geht nicht.<br />
Prof. Walter Forchert Unterricht ist e<strong>in</strong>e Vertrauenssache <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er<br />
geme<strong>in</strong>samen Unternehmung. Der Neu-Student erwartet, mit Hilfe<br />
des Lehrers <strong>in</strong>strumental möglichst komplett ausgebildet zu werden,<br />
und der Lehrer se<strong>in</strong>erseits versucht, diesen Studenten von den<br />
eigenen handwerklichen, klanglichen und stilistischen Idealen zu überzeugen.<br />
Mit Verbesserung des Spiels durch den Unterricht wächst<br />
das Vertrauen. Und wer vertraut, anerkennt die Autorität.<br />
<strong>Frankfurt</strong> <strong>in</strong> <strong>Takt</strong> Welche Voraussetzungen muss Ihrer Me<strong>in</strong>ung nach<br />
e<strong>in</strong>e Hochschule schaffen, um bestmögliche Lehr- und Lernbed<strong>in</strong>gungen<br />
zu bieten?<br />
Prof. Walter Forchert Musik hat immer mit Menschen zu tun. Deshalb<br />
sollte e<strong>in</strong>e Hochschule ihre Lehrkräfte nicht alle<strong>in</strong> nach <strong>in</strong>strumentalen<br />
Kriterien berufen. Achtung und Toleranz vor dem Lernenden<br />
gehören gleichberechtigt zum fachlichen Können. Für e<strong>in</strong>e grundsätzliche<br />
Änderung des E<strong>in</strong>zel-Unterrichts sehe ich ke<strong>in</strong>en Bedarf.<br />
Denn jeder von uns Lehrenden gibt auf <strong>in</strong>dividuelle Weise se<strong>in</strong> Bestes,<br />
um aus den Schülern eigenständige Persönlichkeiten werden zu<br />
lassen. Zu bestmöglichen Lernbed<strong>in</strong>gungen gehört aber nicht nur<br />
e<strong>in</strong>e ausreichende Anzahl von Übe-Räumen, sondern auch e<strong>in</strong>e akustisch<br />
optimale E<strong>in</strong>richtung dieser Räume. In diesen Räumen verbr<strong>in</strong>gt<br />
der Student die wichtigste Zeit se<strong>in</strong>es Studiums. Hier modelliert<br />
er an se<strong>in</strong>em Ton. Es geht um sensible Nuancen der Tonbildung.<br />
Denn schließlich macht der Ton die Musik!<br />
Prof. Herbert Seidel Es wäre gut, wenn die Hochschulen nicht immer<br />
danach schielen würden, was der Markt aktuell verlangt. Im Gegenteil:<br />
Die Schulen müssen mit ihrem an der Idealität ausgerichteten<br />
Programm versuchen, den Markt zu steuern. E<strong>in</strong>e andere Aufgabe<br />
sowohl der Hochschule als auch der Lehrenden sehe ich dar<strong>in</strong>, den<br />
Gedanken der <strong>in</strong>tr<strong>in</strong>sischen Motivation <strong>in</strong>s Zentrum aller Bemühungen<br />
zu stellen: Der Impetus zum Musizieren muss ausschließlich<br />
aus der Musik selbst kommen. bjh<br />
Auf den Spuren<br />
der Körpersprache<br />
<strong>HfMDK</strong> besetzt die deutschlandweit erste<br />
Professur für Physiodrama<br />
<strong>Frankfurt</strong> <strong>in</strong> <strong>Takt</strong> 09/1<br />
Seit dem W<strong>in</strong>tersemester 2008/2009 ist „Physiodrama“ als Lehrfach<br />
im Fachbereich 3 mit e<strong>in</strong>er Professur verankert. Damit hat die<br />
<strong>HfMDK</strong> als deutschlandweit erste Hochschule nicht nur e<strong>in</strong>e wichtige<br />
Basis zur Professionalisierung des Schauspielberufes ermöglicht,<br />
sondern zugleich e<strong>in</strong>e neue Positionierung des Körpers <strong>in</strong> der Kunst<br />
überhaupt eröffnet. Yurgen Schoora, der die Professur <strong>in</strong>nehat,<br />
erläutert <strong>in</strong> se<strong>in</strong>em nachfolgenden Text den Begriff „Physiodrama“,<br />
das daraus entwickelte Unterrichtsfach und dessen Bedeutsamkeit<br />
<strong>in</strong> der Ausbildung.<br />
Wir bef<strong>in</strong>den uns <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er spannenden Umbruchzeit: Durch die wissenschaftlichen<br />
Entwicklungen der letzten Jahre (Neurobiologie, Hirnphysiologie)<br />
erhielt das Bewusstse<strong>in</strong> für den Körper auf gesellschaftlicher<br />
Ebene e<strong>in</strong>e völlig neue Relevanz. Welche Bedeutung hat dies<br />
für Studierende an Hochschulen?<br />
Die Frage, welchen Anteil Anlage und Umwelt bei der Entwicklung<br />
des Menschen haben, konnte quasi ad acta gelegt werden. E<strong>in</strong>e<br />
starke Trennung von Körper und Geist wurde <strong>in</strong>zwischen aufgehoben.<br />
Felder, die mit der Entwicklung und Wahrnehmung des Menschen<br />
zu tun haben, wie z. B. die (Lern-) Psychologie, die Physiologie<br />
und die Pädagogik, def<strong>in</strong>ieren sich gegenwärtig neu und werden<br />
mite<strong>in</strong>ander verknüpft.<br />
Heutzutage hat Bildung weniger damit zu tun, „jemanden etwas<br />
zu lehren“. Es geht viel eher um lernmethodische Strategien, Selbständigkeit,<br />
Selbstreflexion und die Entwicklung von Kompetenzen.<br />
Dabei erarbeitet e<strong>in</strong>e Person ihr Wissen unter Impuls e<strong>in</strong>es so
<strong>Frankfurt</strong> <strong>in</strong> <strong>Takt</strong> 09/1<br />
Schauspielstudierende beim Physiodrama-Tra<strong>in</strong><strong>in</strong>g.<br />
genannten „Ermöglichers“ selbst und „konstruiert“ e<strong>in</strong>e <strong>in</strong>dividuelle<br />
Realität. Das Internet bee<strong>in</strong>flusst den Informationsfluss und die Be-<br />
ziehung zwischen Lehrenden und Lernenden maßgeblich. Der schnelle<br />
Wandel erfordert e<strong>in</strong>e <strong>in</strong>nere Beweglichkeit. Lernen vollzieht sich<br />
e<strong>in</strong> Leben lang. Die Frage wird angegangen, was die heutigen Kos-<br />
ten im Gesundheitssektor mit früheren Lernmethoden zu tun hatten.<br />
Dabei spielen zwischenmenschliche Beziehungen e<strong>in</strong>e große Rolle.<br />
Als Berater im Bereich von Bildungsentwicklung für die Verknüp-<br />
fung von Wahrnehmung, Bewegung, Logik und Sprachentwicklung<br />
konnte ich mich früh mit den aktuellen Qualitätsstandards, mit der<br />
sich Bildungsprozesse heute betrachten lassen, bekannt machen.<br />
In den Bildungsplänen des frühk<strong>in</strong>dlichen Bereiches s<strong>in</strong>d Wahrneh-<br />
mung und zwischenmenschliche Beziehung (B<strong>in</strong>dungstheorie) e<strong>in</strong>e<br />
wesentliche Grundlage. Lernen, Beziehung, Motivation, Emotion,<br />
Ausdruck und <strong>in</strong>nere Balance hängen hier selbstredend zusammen.<br />
Vor allem die eigene Körperstruktur kann heute direkt und sichtbar<br />
<strong>in</strong> Verb<strong>in</strong>dung gebracht werden mit dem E<strong>in</strong>fluss von Wahrnehmung<br />
und zwischenmenschlicher Beziehung. Sie s<strong>in</strong>d an der Entwicklung<br />
e<strong>in</strong>es Menschen viel maßgeblicher beteiligt als bisher gedacht. Die<br />
Wissenschaften fordern uns dazu heraus, sich nicht h<strong>in</strong>ter der eigenen<br />
Geschichte zu verstecken („Ich habe es immer so gemacht“),<br />
sondern sich aktiv mit ihr ause<strong>in</strong>ander zu setzen. Der Körper <strong>in</strong> den<br />
Künsten steht heute für die Selbstverständlichkeit e<strong>in</strong>er immer<br />
mehr nach Verknüpfung strebenden Suchhaltung.
Vorgeschichte und Möglichkeiten<br />
des Physiodrama-Tra<strong>in</strong><strong>in</strong>gs<br />
Die Studierenden im Fach Physiodrama zu begleiten, erfordert die<br />
nötige Erfahrung. Me<strong>in</strong>e eigene Ausbildung als Mimograph fand<br />
bereits Mitte der achtziger Jahre <strong>in</strong> Antwerpen statt. Tra<strong>in</strong><strong>in</strong>gse<strong>in</strong>heiten<br />
waren unter anderem:<br />
– Bewegungsanalytisches Tra<strong>in</strong><strong>in</strong>g nach dem so genannten<br />
„Großvater“ der modernen Mime, Étienne Decroux;<br />
– Bewegungsdynamisches Tra<strong>in</strong><strong>in</strong>g, e<strong>in</strong>e Weiterentwicklung<br />
des Tra<strong>in</strong><strong>in</strong>gs von Jerzy Grotowski;<br />
– Psychotechnik, e<strong>in</strong>e Weiterentwicklung nach Konstant<strong>in</strong><br />
Sergejwitsch Stanislawski und Lee Strassberg;<br />
– Bewegungs- und Objektimprovisation;<br />
– Stimmtra<strong>in</strong><strong>in</strong>g, komb<strong>in</strong>iert mit Bewegung;<br />
– Komposition und Inszenierung;<br />
– Akrobatik.<br />
Hierzulande ruft der Begriff Mime oft noch das e<strong>in</strong>seitige naive<br />
Bild des weiß geschm<strong>in</strong>kten Pantomimen mit hohler Gestik auf.<br />
Der oben benannte Tra<strong>in</strong><strong>in</strong>gskomplex führt zu e<strong>in</strong>em weitaus differenzierteren<br />
Begriffsverständnis, als wenn e<strong>in</strong> Darsteller auf e<strong>in</strong>er<br />
Bühne mal wütend se<strong>in</strong> Hemd auszieht bzw. e<strong>in</strong>e Kampfszene angeht,<br />
und hat nichts zu tun mit „Fitness für Schauspieler“. In der<br />
Hochschule für Bühnenkünste <strong>in</strong> Amsterdam gibt es seit mehr als<br />
20 Jahren e<strong>in</strong>e Abteilung „Mime“. Daraus kommen immer wieder<br />
Schauspieler, die Top-Positionen besetzen, hervor. Auch <strong>in</strong> me<strong>in</strong>er<br />
eigenen künstlerischen Arbeit reicht die Erfahrung von re<strong>in</strong> körperlicher<br />
Darstellung bis zur Zusammenarbeit mit Künstlern aus<br />
unterschiedlichen Bereichen.<br />
<strong>Frankfurt</strong> <strong>in</strong> <strong>Takt</strong> 09/1<br />
Nachdem sich mancher Student an der <strong>HfMDK</strong> am Anfang des letzten<br />
Semesters noch gewundert hat, was Physiodrama denn wohl<br />
se<strong>in</strong> könnte, formen die Tra<strong>in</strong><strong>in</strong>gse<strong>in</strong>heiten nach und nach neue praktische<br />
und verständliche Zugänge zur Erarbeitung und Verfe<strong>in</strong>erung<br />
von Rollen und Figuren, differenziertere Zugänge zur Eigenwahrnehmung<br />
und dienen als Basis für die Begegnung mit Menschen aus<br />
anderen Diszipl<strong>in</strong>en und Ländern.<br />
Für die Tra<strong>in</strong><strong>in</strong>gs von Physiodrama lassen sich heute eigentlich<br />
immer noch ähnliche Voraussetzungen formulieren, wie ich sie<br />
damals schon formuliert habe:<br />
– Du willst dich unbed<strong>in</strong>gt mit Drama beschäftigen,<br />
jedoch nicht nur literarisch oder verbal.<br />
– Du identifizierst dich künstlerisch nicht grundsätzlich als<br />
Tänzer, möchtest dich aber gern bewegen und e<strong>in</strong>en spieltechnischen<br />
und künstlerischen Umgang mit dem Körper<br />
und dem Raum entwickeln.<br />
– Manches kann oder will man nicht sagen oder tanzen. Die<br />
Arbeit soll re<strong>in</strong> aus dem Bereich des Visuellen und Körperlichen<br />
entstehen, e<strong>in</strong>e visuelle Wirkung haben und körperlich se<strong>in</strong>.<br />
– Es werden Möglichkeiten gesucht, wie Bewegung und Körper<br />
vor bzw. nach dem Tanzen und Sprechen aussehen würden,<br />
wenn der Körper nicht <strong>in</strong> der Lage ist zu tanzen oder<br />
zu sprechen.<br />
– Du möchtest z. B. mit der Auflösung der natürlichen Körperhierarchie<br />
(so genannte Defiguration, non-frontale Kommunikation)<br />
Handlungen <strong>in</strong> andere künstlerische und stilistische<br />
Dimensionen h<strong>in</strong>e<strong>in</strong> ziehen, mehr als „realistisch“ arbeiten<br />
und damit e<strong>in</strong>em e<strong>in</strong>seitigen Naturalismus auf der Bühne<br />
etwas entgegen setzen.
<strong>Frankfurt</strong> <strong>in</strong> <strong>Takt</strong> 09/1<br />
– Du willst e<strong>in</strong> selbst schaffender Künstler se<strong>in</strong>, <strong>in</strong>terdiszipl<strong>in</strong>är<br />
verknüpfende Arbeit machen und andere Bereiche als<br />
Zugang für Entwicklungen auf Körperebene entdecken.<br />
– Du siehst den Körper als Zugang, um auch auf<br />
<strong>in</strong>ternationaler Ebene zu arbeiten.<br />
Yurgen Schoora hat an der <strong>HfMDK</strong><br />
deutschlandweit die erste Professor für<br />
Physiodrama <strong>in</strong>ne.<br />
Durch spezialisierte Möglichkeiten, dramatische Konflikte visuell auf<br />
e<strong>in</strong>e Weise darzustellen, die sie nicht e<strong>in</strong>fach durch verbale oder<br />
tänzerische Techniken ersetzt, erweist sich das Mimisch-Gestische<br />
tatsächlich als Gebiet par excellence.<br />
Inzwischen s<strong>in</strong>d die oben genannten Tra<strong>in</strong><strong>in</strong>gs durch viele neue praktische<br />
Übungen zeitgenössisch verknüpft worden. Für die Bühnenpraxis<br />
lassen sich dementsprechend folgende Fragen stellen: Was<br />
ist das Schauspielerische <strong>in</strong> Tanz, Mime, Gesang, was das Körperlich-Mimische<br />
<strong>in</strong> Gesang, Schauspiel und Tanz, was das Tänzerische<br />
<strong>in</strong> Schauspiel und Mime und was das Musikalisch-Rhythmische <strong>in</strong><br />
Schauspiel und Mime? In der <strong>in</strong> Berl<strong>in</strong> zusammen mit me<strong>in</strong>er Frau<br />
organisierten Werkstatt „Planipedes“ (alt-römisch für barfuß) und<br />
<strong>in</strong> Kursen andernorts trafen sich Menschen aus den unterschiedlichsten<br />
Diszipl<strong>in</strong>en. Für uns war es immer selbstverständlich, an der<br />
Psychologie, Neurobiologie oder Quantenphysik anzuknüpfen. Unsere<br />
Erfahrungen verdichteten wir <strong>in</strong> der Entwicklung der „Methodischen<br />
Integration“ – der so genannten Lehre der E<strong>in</strong>flüsse – wo wir wichtige<br />
Erkenntnisse zusammenfassten und systematisierten. Dadurch<br />
entstanden völlig neue Zugänge, Herangehensweisen und Tra<strong>in</strong><strong>in</strong>gsformen.<br />
Der Aspekt der Begegnung und gegenseitigen Bee<strong>in</strong>flussung<br />
hat <strong>in</strong> den letzten zehn Jahren für uns an Bedeutung gewonnen.<br />
Für das Physiodrama sehe ich im Moment vier Aktivitätsfelder, die<br />
ich aus me<strong>in</strong>er Erfahrung und, an die heutigen Bildungsstandards<br />
anknüpfend, weiterentwickeln möchte:<br />
– Vermittlung von körperlichen Darstellungsmethoden<br />
und „Technologien“;<br />
– der Körper als besonderer Zugang für das Kreieren<br />
von Rollen und Figuren;<br />
– der Körper als „Begegnungszentrale“ für unterschiedliche<br />
Erfahrungen und Wege, e<strong>in</strong>e <strong>in</strong>terdiszipl<strong>in</strong>äre, künstlerische<br />
Begegnung und praktische Verknüpfung von Diszipl<strong>in</strong>en;<br />
– der grundsätzlich von Körperlichkeit geprägte heutige<br />
Lernbegriff (somatischer Bereich, ganzheitliche Betrachtung)<br />
und qualitativ fachlicher Zugang zur Entwicklung von persönlichen<br />
und zwischenmenschlichen Handlungskompetenzen.<br />
Der Unterricht der Studierenden verläuft stark prozessorientiert. Der<br />
Unterrichts<strong>in</strong>halt wird darauf abgestimmt, wer welchen strategischmethodischen<br />
„Schlüssel“ braucht. Die Entwicklung des verknüpfenden<br />
Denkens, das „Wandern“ von e<strong>in</strong>er Tra<strong>in</strong><strong>in</strong>gsart <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e<br />
andere, ist genauso wichtig wie die persönliche, mentale und künstlerische<br />
Konsequenz, die Entwicklung von Selbstverantwortung und<br />
Reflexionsfähigkeit sowie die Betrachtung von gesellschaftlichen<br />
und wissenschaftlichen Zusammenhängen. Verhaltenseigenschaften<br />
wie Eitelkeit und Kritiklosigkeit sollen überflüssig werden. Der sich<br />
entwickelnde Künstler hat e<strong>in</strong>e Verantwortung <strong>in</strong> alle Richtungen:<br />
gegenüber sich selbst und den anderen, allen Künsten und auch<br />
der Gesellschaft.<br />
Yurgen Schoora, Professor für Physiodrama im Fachbereich 3
Verpflichtung über<br />
das Jahr 009 h<strong>in</strong>aus<br />
Neue Projekte der Gesellschaft der Freunde<br />
und Förderer<br />
100 persönliche und 25 Unternehmensmitglieder zählt die Gesellschaft<br />
der Freunde und Förderer der Hochschule für Musik<br />
und Darstellende Kunst <strong>Frankfurt</strong> am Ma<strong>in</strong> e.V. (GdFuF) mittlerweile.<br />
Der Unterstützerkreis der <strong>Frankfurt</strong>er Hochschule wächst<br />
kont<strong>in</strong>uierlich, und die GdFuF ist erstmals <strong>in</strong> der Lage, ab 2009<br />
drei große mehrjährige Förderprojekte zu übernehmen.<br />
So ermöglichen die Freunde und Förderer e<strong>in</strong>e erste Gastprofessur:<br />
Stephan Kimmig, Hausregisseur des Thalia Theater Hamburg,<br />
verstärkt den Ausbildungsbereich Theater und Regie (siehe auch<br />
den Artikel „Stephan Kimmig ist Gastprofessor für Schauspiel<br />
und Regie“). Ebenfalls zum ersten Mal ermöglichen die Freunde<br />
und Förderer das Engagement e<strong>in</strong>es renommierten Gastdirigenten<br />
für e<strong>in</strong>e Arbeitsphase mit dem Hochschulorchester. Den<br />
Anfang im jährlichen Dirigentenzyklus macht Lothar Zagrosek,<br />
Chefdirigent des Konzerthausorchesters Berl<strong>in</strong>, im kommenden<br />
November. Mit dem Generalmusikdirektor der Oper <strong>Frankfurt</strong>,<br />
Sebastian Weigle, ist die Arbeitsphase im Jahr 2010 angedacht.<br />
Künstlerisch aufgewertet werden soll auch der höchste an Sänger<br />
oder Instrumentalisten zu vergebende Abschluss, das „Konzertexamen“.<br />
Dazu begleiten, f<strong>in</strong>anziert von den Freunden und Förderern,<br />
zukünftig hessische Landesorchester die Abschlusskonzerte,<br />
die so endlich zum hochklassigen Konzerterlebnis für<br />
die „KEler“ und ihre Zuhörer werden.<br />
Schon gute Tradition hat die Förderung e<strong>in</strong>er Opernproduktion<br />
der <strong>HfMDK</strong>. Nach dem Orfeo von 2007 im Kloster Eberbach<br />
beim Rhe<strong>in</strong>gau Musik Festival und der Fledermaus im Gallus<br />
Theater <strong>Frankfurt</strong> 2008 wird <strong>in</strong> diesem Jahr mit dem R<strong>in</strong>aldo<br />
von Georg Friedrich Händel erneut e<strong>in</strong>e von den Freunden der<br />
Hochschule unterstützte Opernproduktion aufgeführt. Die Premiere<br />
ist am 25. Oktober im Theater Rüsselsheim. Weitere Aufführungen<br />
<strong>in</strong> Bensheim und <strong>Frankfurt</strong> folgen.<br />
Bereits heute engagieren sich Freunde und Förderer mit eigenen<br />
Stipendien; dazu kommen die Starter-Stipendien der GdFuF,<br />
mit denen begabte Studierende am Anfang ihres Studiums gefördert<br />
werden. E<strong>in</strong> starkes Stipendienprogramm unterstützt die<br />
<strong>HfMDK</strong> im <strong>in</strong>ternationalen Wettbewerb um die begabtesten<br />
Studierenden; Stipendien nützen Hochbegabten und erleichtern<br />
die Lebens- und Lernbed<strong>in</strong>gungen der Studierenden <strong>in</strong> entscheidenden<br />
Phasen des Studiums. So möchte die Gesellschaft der<br />
Freunde 2009 verstärkt daran mitwirken, das Stipendienprogramm<br />
der Hochschule aufzubauen und so deren positive Entwicklung<br />
zu flankieren.<br />
<strong>Frankfurt</strong> <strong>in</strong> <strong>Takt</strong> 09/1<br />
Stephan Kimmig ist Gastprofessor<br />
für Schauspiel und Regie<br />
Spätestens mit dem Faust-Preis für se<strong>in</strong>e Inszenierung Maria<br />
Stuart als beste Regiearbeit des Jahres 2007 hat sich Stephan<br />
Kimmig an die Spitze der wichtigsten deutschsprachigen Regisseure<br />
gesetzt. In den letzten fünf Jahren arbeitete er kont<strong>in</strong>uierlich<br />
an den drei wichtigsten großen Häusern: am Wiener Burgtheater,<br />
an den Münchner Kammerspielen und am Hamburger<br />
Thalia Theater. Zur nächsten Spielzeit wird er als fester Hausregisseur<br />
an das Deutsche Theater Berl<strong>in</strong> wechseln. Er zeichnet<br />
sich durch e<strong>in</strong>e exzellente Schauspielarbeit aus. Stephan Kimmig<br />
genoss selber e<strong>in</strong>e Ausbildung als Schauspieler und lebte<br />
acht Jahre <strong>in</strong> Holland. Dort konnte er die aktuellen<br />
flämischen Entwicklungen verfolgen.<br />
Dank der großzügigen Unterstützung der Gesellschaft der<br />
Freunde und Förderer der Hochschule konnte er nun für das<br />
Sommersemester 2009 als Gastprofessor gewonnen werden –<br />
e<strong>in</strong> Novum an der Hochschule, was unmittelbar die Qualität der<br />
Lehre <strong>in</strong> Schauspiel und Regie auszeichnet. Kimmig wird <strong>in</strong><br />
<strong>Frankfurt</strong> und Hamburg mit den Studierenden des fünften Semesters<br />
Schauspiel arbeiten sowie Inszenierungen besuchen<br />
und auswerten, um so zugleich den Blick der Studierenden zu<br />
schulen. E<strong>in</strong>ige der Regiestudierenden s<strong>in</strong>d wiederum als kritische<br />
Beobachter dabei, um se<strong>in</strong>e Arbeitsweise zu verfolgen.<br />
Thema s<strong>in</strong>d die Liebesszenen der deutschen klassischen Literatur,<br />
mith<strong>in</strong> das Schwerste, was es überzeugend darzustellen<br />
gilt. Schon jetzt, nach den ersten Vorgesprächen, s<strong>in</strong>d die Studierenden<br />
begeistert, denn Kimmig gilt als Spezialist der Beziehungskatastrophen,<br />
die er mit se<strong>in</strong>em fe<strong>in</strong>s<strong>in</strong>nigen Gespür immer<br />
wieder neu und anders auslotet. Am 23. und 24. Mai wird das<br />
Ergebnis im Schauspielstudio der <strong>HfMDK</strong> zu sehen se<strong>in</strong>: als<br />
kle<strong>in</strong>e Aufführung zu e<strong>in</strong>em ganz großen Thema!
<strong>Frankfurt</strong> <strong>in</strong> <strong>Takt</strong> 09/1<br />
US-amerikanischer Opernstar<br />
wird Ehrenmitglied der Gesellschaft<br />
der Freunde und Förderer<br />
Die Sopranist<strong>in</strong> Renée Flem<strong>in</strong>g hat die erste Ehrenmitgliedschaft<br />
<strong>in</strong> der Gesellschaft der Freunde und Förderer der Hochschule angenommen.<br />
Flem<strong>in</strong>g ist Alumna, ehemalige Student<strong>in</strong> der <strong>Frankfurt</strong>er<br />
Hochschule; sie hatte <strong>in</strong> den 80er Jahren als Fulbright-Stipendiat<strong>in</strong><br />
bei Arleen Auger <strong>in</strong> <strong>Frankfurt</strong> studiert und <strong>in</strong> dieser Zeit auch mit<br />
Hartmut Höll und Ra<strong>in</strong>er Hoffmann im Bereich der Liedgestaltung<br />
gearbeitet. Renée Flem<strong>in</strong>g ist unter anderem an der Wiener Staatsoper,<br />
an der Bayerischen Staatsoper <strong>in</strong> München, am Royal Opera<br />
House Covent Garden <strong>in</strong> London, an der Mailänder Scala, an der<br />
Opéra Bastille <strong>in</strong> Paris und an der New Yorker Metropolitan Opera<br />
aufgetreten. Während ihres Auftritts als Marschall<strong>in</strong> im Rosenkavalier,<br />
der Ende Januar im Festspielhaus Baden-Baden e<strong>in</strong> großer<br />
Erfolg war, konnte Andreas Mölich-Zebhauser, Kuratoriumsmitglied<br />
der Gesellschaft der Freunde und Intendant des Festspielhauses,<br />
Renée Flem<strong>in</strong>g die Ehrenmitgliedschaft vorschlagen. Unter ihren<br />
Fans bef<strong>in</strong>det sich übrigens auch US-Präsident Barack Obama. Er<br />
bat sie, ihre Proben zum Rosenkavalier zu unterbrechen, um auf<br />
dem Konzert zu se<strong>in</strong>er Amtse<strong>in</strong>führung You‘ll never walk alone<br />
zu s<strong>in</strong>gen. be<br />
<strong>HfMDK</strong> JazzFest 2009<br />
Höhepunkt des wie im Vorjahr von der DZ BANK gesponserten<br />
<strong>HfMDK</strong> JazzFest 2009 waren die Auftritte der 80jährigen New Yorker<br />
Jazzlegende Sheila Jordan und der <strong>HfMDK</strong>-Bigband im ausverkauften<br />
Abendkonzert am 21. Januar. Konzipiert und geleitet wurde das<br />
Jazzfest von Allen Jacobson. Jacobson ließ neben Jordan und den<br />
Ensembles im Weiterbildungsstudiengang Jazz der <strong>HfMDK</strong> auch zwei<br />
Jazz-Gruppen der Musikkonservatorien Wien und Paris auftreten.<br />
Das zweitägige <strong>HfMDK</strong> JazzFest richtet sich an Studierende, Lehrende<br />
und Gastmusiker und ist für das <strong>Frankfurt</strong>er Publikum geöffnet.<br />
Rotary meets <strong>HfMDK</strong><br />
Rotarier kennen sich aus <strong>in</strong> ihrer Stadt und lassen sich nicht so<br />
leicht aus der Reserve locken. Umso überraschter erlebten viele der<br />
70 rotarischen Freunde, die am 18. Februar Gäste der Hochschule<br />
für Musik und Darstellende Kunst <strong>Frankfurt</strong> am Ma<strong>in</strong> waren, die<br />
Qualität und Orig<strong>in</strong>alität der künstlerischen Darbietungen der Studierenden<br />
der <strong>Frankfurt</strong>er Hochschule. Die Clubs <strong>Frankfurt</strong>/Ma<strong>in</strong>, <strong>Frankfurt</strong>/Ma<strong>in</strong><br />
Paulskirche und <strong>Frankfurt</strong>/Ma<strong>in</strong> Alte Oper waren e<strong>in</strong>er<br />
E<strong>in</strong>ladung zur musikalisch-künstlerischen Entdeckungstour durch<br />
die Hochschule gefolgt, wo Station gemacht wurde bei Posaunisten<br />
im Dachstuhl, <strong>in</strong> der von e<strong>in</strong>er Percussionist<strong>in</strong> bespielten Tiefgarage<br />
und <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em von Opernsängern e<strong>in</strong>genommenen Tanzsaal. Im Keller<br />
hatte sich e<strong>in</strong> Kontrabassquartett aufgebaut, und im Büro des Präsidenten<br />
gab es Alte Musik mit Blockflöte und Cembalo. Letzte Dest<strong>in</strong>ation<br />
für die fünf unterschiedlich gestarteten Reisegruppen war<br />
die „ROCKPARTY“ mit acht Tänzern im Foyer der Hochschule.<br />
Sich vor Publikum zu erproben und zu bewähren, ist für die Studierenden<br />
wichtiger Bestandteil ihres Studiums. Mit über 100 öffentlichen<br />
Konzerten und Aufführungen im Semester zählt die mitten <strong>in</strong><br />
<strong>Frankfurt</strong> gelegene Hochschule zu den größten Kulturveranstaltern<br />
der Stadt. be<br />
9
30 <strong>Frankfurt</strong> <strong>in</strong> <strong>Takt</strong> 09/1<br />
Mit russischem Temperament<br />
und kantablem Klangs<strong>in</strong>n<br />
Klavierprofessor<strong>in</strong> Ir<strong>in</strong>a Edelste<strong>in</strong> geht <strong>in</strong> den<br />
Ruhestand, behält aber e<strong>in</strong>en Lehrauftrag<br />
Der e<strong>in</strong>stige Hochschuldirektor Hans-Dieter Resch war es, der Ir<strong>in</strong>a<br />
Edelste<strong>in</strong> <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Konzert des <strong>Frankfurt</strong>er H<strong>in</strong>demith-Instituts im<br />
Duo mit dem Cellisten Viktor Yoran als pädagogisches Potenzial für<br />
die <strong>HfMDK</strong> entdeckte und sie 1980 als Lehrbeauftragte für Klavier<br />
engagierte. Er war es auch, der wenig später Post von der belgischen<br />
König<strong>in</strong> erhielt, die den Hochschulrektor dar<strong>in</strong> bat, e<strong>in</strong>e junge belgische<br />
Pianist<strong>in</strong> doch bei Ir<strong>in</strong>a Edelste<strong>in</strong> studieren zu lassen, obwohl<br />
diese zu dieser Zeit noch ke<strong>in</strong>e Professor<strong>in</strong>, sondern Dozent<strong>in</strong> sei.<br />
Dass es 1987 an der Zeit war, der russischen Pianist<strong>in</strong> <strong>in</strong> <strong>Frankfurt</strong><br />
e<strong>in</strong>e Klavierprofessur zuzusprechen, untermauerten Empfehlungsschreiben<br />
von August Leopolder, Vladimir Ashkenazy und Radu Lupu.<br />
Nach 27 Jahren Lehrtätigkeit an der <strong>HfMDK</strong> geht Ir<strong>in</strong>a Edelste<strong>in</strong> nun<br />
<strong>in</strong> den Ruhestand, bleibt aber mit e<strong>in</strong>em Lehrauftrag an der Hochschule<br />
präsent.<br />
„Als ich die Professur bekommen habe, habe ich zu kämpfen begonnen<br />
– für die Demokratie“, er<strong>in</strong>nert sich Ir<strong>in</strong>a Edelste<strong>in</strong>. Damit me<strong>in</strong>t<br />
sie vor allem ihren E<strong>in</strong>satz für die fachliche Gleichberechtigung von<br />
Lehrbeauftragten und Professoren <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Zeit, als noch ausschließlich<br />
Professoren <strong>in</strong> Prüfungskommissionen Platz nehmen durften.<br />
Doch auch jenseits dieses Kampfes um mehr Liberalität waren <strong>in</strong> der<br />
Hochschule ihre argumentative Offenheit und ihr wortreiches Temperament<br />
geschätzt. „Der damalige Klavierprofessor August Leopolder<br />
fand, dass ich e<strong>in</strong>en neuen W<strong>in</strong>d <strong>in</strong> die Hochschule gebracht<br />
habe“, er<strong>in</strong>nert sich Ir<strong>in</strong>a Edelste<strong>in</strong>. In der Fachgruppe Klavier setzte<br />
sie sich für e<strong>in</strong> kollegiales Mite<strong>in</strong>ander und den Austausch von Erfahrungen<br />
unter ihresgleichen e<strong>in</strong>. E<strong>in</strong>en familienähnlichen Kontakt<br />
untere<strong>in</strong>ander aufzubauen, gelang ihr <strong>in</strong> ihrer eigenen Klavierklasse.<br />
Die pädagogische Erfolgsgeschichte, die sie damit verb<strong>in</strong>den kann,<br />
besteht aus Namen vieler arrivierter Absolventen, darunter über 20<br />
<strong>in</strong>ternationale Preisträger – von Ohad Ben-Ari, der im ARD-Wettbewerb<br />
den 2. Preis errang, über den Ma<strong>in</strong>zer Chorleitungs-Professor<br />
Ralf Otto, Chantelle Elpida Nassiopulos (Grand Prix beim <strong>in</strong>ternationalen<br />
Klavierwettbewerb <strong>in</strong> Athen), Ekater<strong>in</strong>a und Alexander<br />
Kolodochka (Sieger als Klavierduo <strong>in</strong> Verona 2008) sowie die<br />
jetzigen <strong>HfMDK</strong>-Lehrbeauftragten Jan Polivka, Dietrich von Knebel,<br />
Thorsten Larbig, Lars Jönsson, Mart<strong>in</strong> Schmalz und Jean-Michel<br />
van Craenem.<br />
Ir<strong>in</strong>a Edelste<strong>in</strong> beschreibt sich selber als „sehr pedantisch <strong>in</strong> der<br />
Kenntnis der Notenliteratur“ – sicher e<strong>in</strong>e wichtige Voraussetzung<br />
für ihr erfolgreiches Arbeiten sowohl als Solist<strong>in</strong> als auch mit ihren<br />
Studierenden. Die hat sie stets gelehrt, „menschlich und musikalisch<br />
im guten S<strong>in</strong>ne professionell zu se<strong>in</strong>, ehrgeizig mit e<strong>in</strong>er gesunden<br />
Dosis solistischem Bewusstse<strong>in</strong>“. Die pädagogische Begabung dürfte<br />
ihr ihre Mutter, selbst e<strong>in</strong>stige Viol<strong>in</strong>-Professor<strong>in</strong> am Moskauer Konservatorium,<br />
<strong>in</strong> die Wiege gelegt haben. Am Moskauer Tschaikowsky-Konservatorium<br />
wurde Ir<strong>in</strong>a Edelste<strong>in</strong> als Student<strong>in</strong> vor allem von<br />
ihrem Lehrer Jacov Milste<strong>in</strong> musikalisch geprägt. Das damit e<strong>in</strong>hergehende<br />
Grundpr<strong>in</strong>zip, als Pianist das Klavier zum S<strong>in</strong>gen zu br<strong>in</strong>gen,<br />
bescherte ihr e<strong>in</strong>e beachtliche Konzertkarriere: zuerst <strong>in</strong> ihrer russischen<br />
Heimat, nach ihrer Emigration nach Israel auch <strong>in</strong> Jerusalem,<br />
Tel Aviv, Haifa und Beersheva. Bis <strong>in</strong> die 80-er Jahre erarbeitete der<br />
englische Sender BBC zahlreiche Rundfunk- und Fernsehaufnahmen<br />
mit Ir<strong>in</strong>a Edelste<strong>in</strong>. Seit 1979 produzierte der Hessische Rundfunk<br />
etliche Aufnahmen mit ihr, von denen es viele <strong>in</strong> den Katalog der<br />
besten HR-Musikproduktionen schafften. Konzerte als Solist<strong>in</strong> mit<br />
Orchester oder als Kammermusikpartner<strong>in</strong> führten die Pianist<strong>in</strong> nach<br />
Spanien, Frankreich, England, Korea, Litauen, Dänemark, Tschechien,<br />
Israel, Belgien, Holland und <strong>in</strong> die USA. 1986 gründete sie das Kammerorchester<br />
„Concerto Grosso <strong>Frankfurt</strong>“, das sie bis heute künstlerisch<br />
leitet und <strong>in</strong> dem sie mit renommierten <strong>Frankfurt</strong>er Berufsmusikern<br />
konzertiert.<br />
Die Zeit, die Ir<strong>in</strong>a Edelste<strong>in</strong> fortan durch ihren Ruhestand für andere<br />
D<strong>in</strong>ge als die Musik gew<strong>in</strong>nt, weiß sie gut zu <strong>in</strong>vestieren: Ihre Tochter<br />
Eliser Le<strong>in</strong>, Student<strong>in</strong> für Theater-, Film- und Medienwissenschaft,<br />
freut sich jedenfalls, wenn sie ihre Mutter ab und an und <strong>in</strong> aller<br />
Ruhe <strong>in</strong> Wien besuchen kann. bjh
<strong>Frankfurt</strong> <strong>in</strong> <strong>Takt</strong> 09/1<br />
Metrisch elastisch statt<br />
mechanisch virtuos<br />
Mit se<strong>in</strong>er Pensionierung endet für Klavierprofessor Bernd Ickert auch se<strong>in</strong><br />
Engagement als Ausbildungsdirektor – se<strong>in</strong>e Klavierklasse führt er weiter<br />
Die Regel, wonach das Milieu der frühen<br />
Jugend e<strong>in</strong>en Menschen musikalisch und<br />
sprachlich gleichermaßen e<strong>in</strong> für allemal<br />
prägt, sche<strong>in</strong>t Bernd Ickert nur zur Hälfte zu<br />
bestätigen. 1943 als Sohn musikliebender<br />
Eltern <strong>in</strong> Chemnitz geboren, erhielt er noch<br />
vor der E<strong>in</strong>schulung den ersten Klavierun-<br />
terricht, wurde bald von se<strong>in</strong>em Lehrer als<br />
Klavier- und Improvisationstalent gefördert<br />
und sammelte im Zusammenspiel mit sei-<br />
nem geigespielenden Vater erste Podiums-<br />
erfahrungen. Die sächsische Mundart jedoch,<br />
deren Bannkreis er erst im Alter von 16 Jah-<br />
ren durch Übersiedlung der Familie <strong>in</strong> den<br />
Westen entkam, hat er so gut wie ganz ab-<br />
gelegt und pflegt er nur noch <strong>in</strong> Ausnahme-<br />
situationen. Und auch der südhessische Dia-<br />
lekt, dem er im Westen ausgesetzt war, hat<br />
se<strong>in</strong>em standfesten Charakter wenig anhaben<br />
können.<br />
Wirklichen E<strong>in</strong>fluss auf Bernd Ickert aber<br />
hatte die Hochschule für Musik und Darstellende<br />
Kunst <strong>Frankfurt</strong> am Ma<strong>in</strong>. Hier studierte<br />
er zunächst Schulmusik und später<br />
Klavier, hier empf<strong>in</strong>g er entscheidende künstlerische<br />
Impulse von Lehrerpersönlichkeiten<br />
wie Karl Weiß, Gisela Sott und Kurt Hessenberg,<br />
und hier lernte er se<strong>in</strong>e Frau, die Flötist<strong>in</strong><br />
Heide Henrich, kennen. Ihr beider musikalisches<br />
Erbgut haben sie an drei K<strong>in</strong>der<br />
weitergegeben.<br />
Nach den pianistischen begannen 1971<br />
se<strong>in</strong>e pädagogischen Lehrjahre am Institut<br />
für Musikerziehung der Universität <strong>Frankfurt</strong>.<br />
Dort betreute Bernd Ickert Studierende<br />
mit höchst verschiedenen Voraussetzungen:<br />
zum Teil veritable Musiker mit künstlerischem<br />
Gestaltungswillen, zum Teil Anfänger, die<br />
weder Noten lesen noch e<strong>in</strong> Instrument spielen<br />
konnten. Die Erfahrungen und methodischen<br />
Herausforderungen dieser Zeit haben<br />
se<strong>in</strong>e E<strong>in</strong>stellung zum Unterrichten und zur<br />
Arbeit an der musikalischen Basis nachhaltig<br />
geprägt, so dass er es sich nach se<strong>in</strong>er<br />
Berufung an die Musikhochschule – 1976<br />
als Dozent, 1979 als Professor – weiterh<strong>in</strong><br />
zur Aufgabe machte, nicht nur für das pianistische<br />
Hauptfach, sondern auch für das<br />
Nebenfach Klavier auszubilden. Denn ihm<br />
g<strong>in</strong>g es um die Erziehung zur Musik: um das<br />
Erfassen von musikalischen Gestalten, um<br />
die gestische Wiedergabe kompositorischer<br />
Kontexte, um rhythmische und metrische<br />
Elastizität, aber nie um mechanische<br />
Virtuosität!<br />
Immer dem Werk verpflichtet<br />
Dass dem Konzertpianisten Bernd Ickert technische<br />
Effekthascherei und selbstzweckhafte<br />
Manierismen fremd s<strong>in</strong>d, versteht sich be<strong>in</strong>ahe<br />
von selbst; als Interpret ist er immer<br />
dem Werk verpflichtet geblieben. Se<strong>in</strong> vielseitiges<br />
Repertoire als versierter Solist und<br />
Kammermusiker hat se<strong>in</strong>en Schwerpunkt <strong>in</strong><br />
der Wiener Klassik und deutschen Romantik,<br />
umfasst jedoch auch Kompositionen von<br />
Janaček, Bartok, H<strong>in</strong>demith oder Messiaen.<br />
Unvergesslich bleibt se<strong>in</strong>e Wiedergabe der<br />
gesamten Klaviersonaten von Mozart, die er<br />
1991 an je vier Klavierabenden <strong>in</strong> <strong>Frankfurt</strong><br />
und Bad Homburg spielte.<br />
Ebenso bee<strong>in</strong>druckend aber ist die Selbstverständlichkeit,<br />
mit der er andere Genres<br />
des Metiers beherrscht: souverän im klassischen<br />
Stil improvisiert, vom Blatt spielt,<br />
transponiert und sogar, wenn Not am Mann<br />
ist, bei Aufnahmeprüfungen zur Verblüffung<br />
der Kollegen Popsongs korrepetiert! Die Zeit<br />
von 2002 bis heute bezeichnet Bernd Ickert<br />
selbst als se<strong>in</strong>e „sieben mageren Jahre“.<br />
Zum Ausbildungsdirektor für die Lehramtsstudiengänge<br />
gewählt, war ihm e<strong>in</strong> arbeits<strong>in</strong>tensives<br />
Amt zugefallen, das nur wenig<br />
Zeit zum Üben, geschweige denn zum Konzertieren<br />
ließ. Oft sah man spät abends <strong>in</strong><br />
se<strong>in</strong>em Büro noch Licht brennen, wenn es<br />
im Haus sonst schon überall dunkel war.<br />
Proben statt Sitzungen<br />
Mit dem Ende des W<strong>in</strong>tersemesters 2008/<br />
2009 geht Bernd Ickert <strong>in</strong> Pension. Es ist<br />
ke<strong>in</strong> totaler Abschied, da er dem Haus als<br />
Lehrbeauftragter noch erhalten bleiben wird.<br />
31<br />
Die Kollegen danken ihm und wünschen ihm<br />
nun e<strong>in</strong>e Zeit von m<strong>in</strong>destens sieben fetten<br />
Jahren mit dem Studium musikalischer Werke<br />
anstelle von Studienordnungen und mit<br />
Kammermusikproben anstelle von Senatsund<br />
Dekanatssitzungen.<br />
Eike Wernhard, Professor für Klavier<br />
an der <strong>HfMDK</strong>
3 <strong>Frankfurt</strong> <strong>in</strong> <strong>Takt</strong> 09/1<br />
Ästhetische Erfahrungen<br />
statt „fester Rezepte“<br />
Dr. Maria Spychiger ist neue Professor<strong>in</strong> für Musikpädagogik<br />
mit dem Schwerpunkt empirische Forschung<br />
„Die Musik kann bei Menschen die Kraft e<strong>in</strong>er chemischen Substanz<br />
entfalten und das bewirken, was sonst nur Medikamente vermögen.“<br />
Dr. Maria Spychiger sagt es ruhig, aber mit e<strong>in</strong>er unüberhörbaren E<strong>in</strong>dr<strong>in</strong>glichkeit.<br />
„E<strong>in</strong> enormes Instrument“ habe e<strong>in</strong> Musiklehrer also <strong>in</strong><br />
der Hand, wenn er vor se<strong>in</strong>en Schülern stehe. „Wir wissen darum“,<br />
fährt die Schweizer<strong>in</strong> im Gespräch über ihre Arbeit fort; „wir arbeiten<br />
aber zu wenig bewusst und systematisch damit.“ Dass sich dies ändern<br />
soll, versteht Maria Spychiger als e<strong>in</strong> wichtiges Ziel ihrer Arbeit an der<br />
<strong>HfMDK</strong>: Seit Oktober 2008 hat sie hier die Professur für Musikpädagogik<br />
mit dem Schwerpunkt empirische Forschung <strong>in</strong>ne. Mit ihr ist die<br />
erste von drei Professuren besetzt, die die Musikpädagogik an der<br />
Hochschule dauerhaft als bundesweites Kompetenzzentrum <strong>in</strong><br />
dieser Diszipl<strong>in</strong> etablieren sollen.<br />
Entscheidend ist für die promovierte und habilitierte Wissenschaftler<strong>in</strong>,<br />
die Musikpädagogik aus e<strong>in</strong>em „Modernitätsdefizit“ zu befreien.<br />
Als angewandte Wissenschaft dürfe sie nicht nur normative Aussagen<br />
treffen, denen „feste Rezepte“ für die Anwendung im Unterricht<br />
folgen. Vielmehr habe sie sich als moderne Diszipl<strong>in</strong> der empirischen<br />
Überprüfung zu stellen und selbst im Handwerk der sozialwissenschaftlichen<br />
Forschung mitzuarbeiten. Was die allgeme<strong>in</strong>e Pädagogik<br />
als Wissenschaft vor 30 Jahren als Identität stiftenden Aufbruch<br />
erlebte, habe die Musikpädagogik nun auch dr<strong>in</strong>gend <strong>in</strong><br />
Angriff zu nehmen: „In der Musikpädagogik ist dieser Zug jetzt<br />
auch angekommen.“ Entsprechend hat die Forscher<strong>in</strong> auch e<strong>in</strong><br />
Drittmittelprojekt zum Thema „Musikalische Selbstkonzepte“<br />
mit an die <strong>HfMDK</strong> gebracht, welches seit Februar läuft.<br />
Die von Maria Spychiger als notwendig beschriebene Wende sei<br />
alle<strong>in</strong> schon dafür erforderlich, die Musikpädagogik dauerhaft als<br />
akademische Diszipl<strong>in</strong> zu legitimieren. Um der spannenden Antwort<br />
näher zu kommen, wie musikalisches Lernen funktioniert,<br />
müssten Musiklehrer an die Erfahrungswelt der Schüler anknüpfen.<br />
Ästhetische Erfahrung als e<strong>in</strong> Bildungsziel erlebbar zu machen,<br />
„das sollten wir <strong>in</strong>s Klassenzimmer h<strong>in</strong>e<strong>in</strong>nehmen, ohne<br />
Angst davor zu haben“, f<strong>in</strong>det die Professor<strong>in</strong>.<br />
„Primacanta“, das Projekt des aufbauenden Musikunterrichts, mit<br />
dem die <strong>HfMDK</strong> dauerhaft alle <strong>Frankfurt</strong>er Grundschüler zum<br />
S<strong>in</strong>gen anleiten will, nutzt Maria Spychiger bereits für e<strong>in</strong>e empirische<br />
Datensammlung. Beispielhaft für ihre Forschungshaltung<br />
ist ihr aktuelles Hochschul-Sem<strong>in</strong>ar „Ästhetische Erfahrung und<br />
ästhetische Entwicklung“: Studierende lernen hier empirisches<br />
Arbeiten, <strong>in</strong>dem sie unter anderem Interviews über ästhetische<br />
Werte <strong>in</strong> ausgesuchten Familien führen und die Ergebnisse <strong>in</strong><br />
geme<strong>in</strong>samen Diskursen auswerten.<br />
Die neue Musikpädagogik-Professor<strong>in</strong> kann ihre wissenschaftlichen<br />
Erkenntnisse mit eigener praktischer Unterrichtserfahrung<br />
verb<strong>in</strong>den: Mit dem Schweizer Lehrpatent für die Klassen e<strong>in</strong>s<br />
bis sechs hat sie mehrere Jahre als Lehrer<strong>in</strong> gearbeitet und auch<br />
täglich Musik unterrichtet. E<strong>in</strong>ige Jahre lehrte sie außerdem an<br />
der Musikhochschule Luzern und war Forschungsbeauftragte der<br />
Pädagogischen Hochschule Bern sowie Leiter<strong>in</strong> des Nachdiplomstudiums<br />
„Didaktik der Musik“ der Universität Bern. Nach ihrem<br />
Doktoratsstudium <strong>in</strong> Deutschland und den USA erfolgte 1995 die<br />
Dissertation mit dem Titel „Mehr Musikunterricht an der öffentlichen<br />
Schule? Entwicklung e<strong>in</strong>es zeichentheoretischen Begründungsansatzes<br />
als Alternative zur außermusikalischen Argumentation“.<br />
Von 2002 bis 2007 arbeitete sie als Oberassistent<strong>in</strong> am Departement<br />
Erziehungswissenschaften der Universität Fribourg, zuletzt<br />
mit e<strong>in</strong>em Forschungsaufenthalt im Rahmen e<strong>in</strong>es Projektes<br />
„Zur Entwicklung des professionellen Selbst von Musiklehrer/<br />
<strong>in</strong>nen“ an der Universität Mozarteum <strong>in</strong> Salzburg im Sommersemester<br />
2007. Ihre Habilitationsschrift mit dem Thema „Musikalische<br />
Aktivität und Bildung. Beiträge zu deren pädagogischpsychologischen<br />
Grundlagen und Wirkungen“ wurde im Sommer<br />
2008 von der Universität Potsdam angenommen. Darauf erhielt<br />
Maria Spychiger die Doppelvenia Musikpädagogik / Musikpsychologie.<br />
E<strong>in</strong> anderes Spezialgebiet von ihr ist das Lernen aus<br />
Fehlern und die Entwicklung von Fehlerkultur, weitere Lehrgebiete<br />
die Pädagogische Kommunikation und Interaktion, die Psychologie<br />
des Person-Welt Bezugs sowie die Qualitative Forschungsmethodik.<br />
bjh
<strong>Frankfurt</strong> <strong>in</strong> <strong>Takt</strong> 09/1<br />
„Man s<strong>in</strong>gt nur mit dem Herzen gut“<br />
Tenor Thomas Heyer ist seit Oktober Professor für Gesang an der <strong>HfMDK</strong><br />
Thomas Heyer dürfte gerade neun Jahre alt<br />
gewesen se<strong>in</strong>, als man ihn im niederrhe<strong>in</strong>ischen<br />
Waldniel immer wieder auf Festen und Feiern<br />
entdeckte – mit e<strong>in</strong>em umgeschnallten Akkordeon<br />
und der Freude, zum eigenen Spiel nach<br />
Herzenslust zu s<strong>in</strong>gen. Sich musikalisch zu<br />
äußern, war für ihn schon damals „so selbstverständlich<br />
wie schwimmen oder Rad fahren“,<br />
sagt er. Diese Haltung ist ihm auch noch heute<br />
zu eigen. Seit Oktober 2008 ist der Tenor Thomas<br />
Heyer Professor für Gesang an der <strong>HfMDK</strong>.<br />
Sicher ist se<strong>in</strong>e musikalische Sozialisation mitverantwortlich<br />
für se<strong>in</strong>e Überzeugung, dass<br />
S<strong>in</strong>gen „ke<strong>in</strong> <strong>in</strong>tellektueller Zustand ist. Das<br />
Wesentliche beim S<strong>in</strong>gen ist, dass man es emotional<br />
macht. Sobald ich es wirklich emotional<br />
steuere, wird es Musik.“<br />
Schon <strong>in</strong> der Zeit se<strong>in</strong>es Kölner Studiums der<br />
Schulmusik war er von der Neugier getrieben,<br />
die physiologischen Zusammenhänge des<br />
Stimmapparates zu verstehen. Er hospitierte<br />
bei unzähligen Sängern, leitete mit 18 Jahren<br />
se<strong>in</strong>en eigenen Jugendchor und hatte sich als<br />
20-jähriger Student bereits se<strong>in</strong>e private Gesangsklasse<br />
aufgebaut. Mit 23 Jahren, noch<br />
während se<strong>in</strong>es Lehramtsstudiums, holte ihn<br />
die Hagener Oper zu se<strong>in</strong>em ersten Bühnenengagement<br />
als Solist. Mit Mitte 20 besang der<br />
Tenorsolist <strong>in</strong> der Kölner Philharmonie bereits<br />
Beethovens „Ode an die Freude“ und sammelte<br />
reichlich Erfahrung <strong>in</strong> der Oper und auf dem<br />
Konzertpodium. „Als Student habe ich mir me<strong>in</strong><br />
Studium selbst f<strong>in</strong>anziert“, er<strong>in</strong>nert er sich an<br />
se<strong>in</strong>e Studienzeit; „am Samstagabend b<strong>in</strong> ich<br />
mit `Love me tender` aufgetreten, am Sonntagnachmittag<br />
dann mit Haydns Schöpfung.“ Se<strong>in</strong>e<br />
Studien <strong>in</strong> Gesang und Gesangspädagogik<br />
komplettierte er bei Prof. Arthur Janzen, Judith<br />
L<strong>in</strong>denbaum sowie bei den Kammersängern Prof.<br />
Re<strong>in</strong>hard Leisenheimer und Kurt Moll. Internationale<br />
Engagements folgten.<br />
Die ersten Musikstudenten, die von Thomas<br />
Heyers pädagogischer Begabung profitierten,<br />
erlebten ihn als Lehrbeauftragten an der Universität<br />
Siegen. Die dort von ihm <strong>in</strong>itiierten Aufführungen<br />
von Humperd<strong>in</strong>cks Hänsel und Gretel<br />
und Figaros Hochzeit, besetzt mit Studierenden<br />
se<strong>in</strong>er Gesangsklasse, ließen erahnen, dass<br />
33<br />
Unterrichten für Thomas Heyer mehr mit Leidenschaft<br />
als mit Pflicht zu tun hat. Mehrere<br />
Semester unterrichtete er als Lehrbeauftragter<br />
an der <strong>HfMDK</strong>, bevor er schließlich auf die<br />
Professur von Karl Markus als se<strong>in</strong> Nachfolger<br />
berufen wurde.<br />
„Die Welt ist so, wie wir sie sehen“ und „Man<br />
s<strong>in</strong>gt nur mit dem Herzen gut“ lauten zwei wichtige<br />
Leitsätze von Thomas Heyer. Damit formuliert<br />
er se<strong>in</strong> pädagogisches Selbstverständnis,<br />
an stimmlichen Defiziten physiologisch – eher<br />
im S<strong>in</strong>ne e<strong>in</strong>es Tra<strong>in</strong><strong>in</strong>gs – zu arbeiten und gute<br />
Anlagen zu verstärken. „E<strong>in</strong>e Stimme kann das,<br />
was sie kann. Was sie nicht kann, muss man<br />
zunächst der Muskulatur im Unterricht zeigen.<br />
Eben e<strong>in</strong>e klare Kompetenzverteilung zwischen<br />
Schüler und Lehrer!“ Er ist sich sicher: „E<strong>in</strong><br />
Mensch, der sich für e<strong>in</strong> Musikstudium entschlossen<br />
hat, ist ja voll mit Musik. Wir müssen<br />
ihn nur noch öffnen.“<br />
Im Unterricht ist es dem Tenor wichtig, „als Lehrender<br />
selbst Lernender zu bleiben“. In den ersten<br />
Semestern e<strong>in</strong>es Gesangsstudiums möchte<br />
er für die Studierenden e<strong>in</strong>e Bezugsperson se<strong>in</strong>:<br />
Viermal pro Woche bekommt e<strong>in</strong> Gesangsstudent<br />
bei ihm Unterricht: technische E<strong>in</strong>heiten<br />
und jede Woche e<strong>in</strong>e Klassenstunde. Aus stimmphysiologischer<br />
Sicht sei e<strong>in</strong> junger Sänger anfangs<br />
nicht <strong>in</strong> der Lage, so Heyers Überzeugung,<br />
sich selbst zu unterrichten. Daher können <strong>in</strong><br />
se<strong>in</strong>em Unterricht so s<strong>in</strong>nfällige Sätze fallen wie:<br />
„Hör auf zu üben und fang an zu s<strong>in</strong>gen!“<br />
Für den mit e<strong>in</strong>er Musikpädagog<strong>in</strong> verheirateten<br />
Rhe<strong>in</strong>länder ist die Gesangsprofessur schlicht<br />
„se<strong>in</strong> Traumberuf“. Bis zu fünfmal im Jahr gibt<br />
er zusätzlich Masterclasses <strong>in</strong> Europa und USA;<br />
2010 folgt er e<strong>in</strong>er E<strong>in</strong>ladung zu e<strong>in</strong>em Meisterkurs<br />
<strong>in</strong> Kanada. Außerdem „gibt es für mich<br />
ke<strong>in</strong>en Tag, an dem ich nicht s<strong>in</strong>ge – das ist für<br />
mich schlichtweg e<strong>in</strong>e Lebensäußerung.“ Ganz<br />
privat kann er das Musizieren übrigens auch<br />
nicht lassen: Dann vertieft er sich am Klavier<br />
<strong>in</strong> e<strong>in</strong>en Band mit Schubert-Liedern. bjh
3 <strong>Frankfurt</strong> <strong>in</strong> <strong>Takt</strong> 09/1<br />
E<strong>in</strong> Experte von der<br />
Vihuela da Mano bis zur E-Gitarre<br />
Christopher Brandt ist neuer Professor für Gitarre und Methodik<br />
Internationale Konzerttätigkeit, e<strong>in</strong>e weitreichende, vom Anfängerbis<br />
zum Hochschulbereich sich erstreckende musikpädagogische<br />
Praxis, kompositorische Aktivitäten, Theaterarbeit und nicht zuletzt<br />
e<strong>in</strong>e Repertoirepflege von Renaissance bis Pop auf e<strong>in</strong>em der vielseitigsten<br />
Instrumente überhaupt: Das Beschäftigungsprofil von Christopher<br />
Brandt, seit 2001 der Hochschule als Dozent und Vertretungsprofessor<br />
verbunden und jetzt zum Professor für Gitarre und Methodik<br />
sowie zum stellvertretenden Ausbildungsdirektor IGP ernannt, ist<br />
vielfältig. „Man muss gut organisiert se<strong>in</strong> und sich Prioritäten setzen<br />
können”, antwortet Brandt auf die Frage, wie er se<strong>in</strong>e künstlerischen<br />
und pädagogischen Aktivitäten unter e<strong>in</strong>en Hut bekommt – „Eigenschaften,<br />
die ich auch <strong>in</strong> der studentischen Ausbildung für essentiell<br />
halte.” Gerade <strong>in</strong> der IGP sei es wichtig, sich möglichst vielfältig zu<br />
qualifizieren, ohne an künstlerischer Professionalität und pädagogischem<br />
Profil e<strong>in</strong>zubüßen.<br />
Dass Brandt selbst immer bemüht ist, dieser Prämisse zu folgen, lässt<br />
sich aus se<strong>in</strong>em Werdegang ablesen: Dem Schulmusik- und Germanistikstudium<br />
an der <strong>Frankfurt</strong>er Musikhochschule und der Johann<br />
Wolfgang Goethe-Universität schloss sich e<strong>in</strong> KA-Aufbaustudium<br />
bei Prof. Michael Teuchert, ebenfalls <strong>in</strong> <strong>Frankfurt</strong>, an; ergänzt wird<br />
es durch Musiktheoretische Studien bei Prof. Dr. Jürgen Blume<br />
e<strong>in</strong>erseits und E-Gitarrenunterricht bei Prof. Michael Sagmeister<br />
andererseits. Nach „mit Auszeichnung“ absolviertem Staatsexamen<br />
und Diplom schloss sich e<strong>in</strong> Konzertexamensstudium bei Prof.<br />
Jürgen Ruck an der Musikhochschule Würzburg und e<strong>in</strong> Kompositionstudium<br />
bei Toni Völker an der Akademie für Tonkunst <strong>in</strong> Darmstadt<br />
an. Brandt erhielt darüber h<strong>in</strong>aus Preise als Gitarrist und<br />
Komponist (u.a. Karl-Scheit-Gitarrenwettbewerb <strong>in</strong> Wien sowie<br />
Carl-v.-Ossietzky-Kompositionspreis) und nahm an den Darmstädter<br />
Ferienkursen und Meisterkursen unter anderen bei Karlhe<strong>in</strong>z<br />
Stockhausen teil.<br />
Mit Ende se<strong>in</strong>es Studiums setzte se<strong>in</strong>e rege Konzerttätigkeit e<strong>in</strong>:<br />
Vor allem bei den führenden Solistenensembles für Zeitgenössische<br />
Musik (Ensemble Modern, Klangforum Wien, Musikfabrik<br />
NRW) ist Brandt regelmäßig zu Gast, darüber h<strong>in</strong>aus bei vielen<br />
deutschen S<strong>in</strong>fonieorchestern und Opernhäusern. Brandt spielte<br />
Ur- und Erstaufführungen von Olga Neuwirth, Wolfgang Rihm,<br />
Helmut Lachenmann, Helmut Oehr<strong>in</strong>g, Moritz Eggert, Clemens<br />
Gadenstätter und anderen und war bei den Wiener Festwochen,<br />
der RuhrTriennale, dem New Yorker L<strong>in</strong>coln Center Festival und<br />
den Dresdner Tagen für zeitgenössische Musik zu Gast. „Wenn<br />
man kompetent zeitgenössische Musik spielt, gilt man natürlich<br />
schnell als ausschließlicher Neue Musik-Spezialist“, sagt Brandt<br />
schmunzelnd. Deshalb sei ihm die Pflege des traditionellen Repertoires,<br />
auch h<strong>in</strong>sichtlich se<strong>in</strong>er Unterrichtstätigkeit, ebenso<br />
wichtig. Vor allem die Alte Musik und dort die Vihuela da Mano<br />
haben es ihm angetan. Darüber h<strong>in</strong>aus ist Brandt seit langem im<br />
Bereich der Musikvermittlung tätig, beispielsweise als Stipendiat<br />
der Stiftung Live Music Now und im Rahmen des Projektes<br />
Response – Neue Musik macht Schule.<br />
„Me<strong>in</strong>e erste Unterrichtsstunde gab ich, als ich selber gerade<br />
erst zwei oder drei bekommen hatte. Seitdem ist das Unterrichten<br />
e<strong>in</strong>e Konstante <strong>in</strong> me<strong>in</strong>em Leben”, erklärt Christopher Brandt. Die<br />
langjährige obligatorische Musikschultätigkeit <strong>in</strong> den Fächern<br />
Gitarre, E-Gitarre und Theorie wurde ab 2001 ergänzt durch e<strong>in</strong>en<br />
Lehrauftrag an der <strong>Frankfurt</strong>er Musikhochschule, anfangs für Theorie<br />
und Musizierpraxis, bald natürlich vor allem für Gitarre. „Das<br />
Instrument ist – schon alle<strong>in</strong> des Übeaufwands wegen – immer<br />
Zentrum me<strong>in</strong>es Musikerlebens, und ich hoffe sehr, dass spätere<br />
Studentengenerationen im IGP- und IuD-Bereich weiterh<strong>in</strong> die<br />
Erfahrung machen, dass es wenig Beglückenderes gibt, als sich<br />
an e<strong>in</strong>em Instrument wirklich professionell auszubilden und die<br />
Freiräume, die es dafür braucht, <strong>in</strong> Anspruch nehmen zu können.”
<strong>Frankfurt</strong> <strong>in</strong> <strong>Takt</strong> 09/1<br />
Veranstaltungskalender 09 19.02.2009 11:49 Uhr Seite 1<br />
Bühnenbildner, Dirigenten,<br />
Dramaturgen, Komponisten,<br />
Kulturmanager, Regisseure<br />
BEWERBUNG<br />
BIS<br />
31. MAI 2009<br />
Wir bieten <strong>in</strong>terdiszipl<strong>in</strong>ären Austausch, Inszenierungsbesuche, Festival-<br />
besuche, e<strong>in</strong> breites Netzwerk Musiktheaterbegeisterter, Unterstützung bei<br />
praktischen Projekten<br />
Wir suchen musiktheaterbegeisterte, aufgeschlossene Persönlichkeiten,<br />
die an Teamarbeit <strong>in</strong>teressiert s<strong>in</strong>d, <strong>in</strong> der Oper Verantwortung übernehmen<br />
und Erfahrungen teilen möchten<br />
Information und Bewerbung unter: www.musiktheater-heute.org<br />
Altersgrenze: Jahrgang 1977<br />
Akademie Musiktheater<br />
heute<br />
Stipendium 2009 – 2011<br />
3
3 <strong>Frankfurt</strong> <strong>in</strong> <strong>Takt</strong> 09/1<br />
Erfolge unserer Studierenden<br />
Jan<strong>in</strong>e Neugebauer, Klar<strong>in</strong>ette (Klasse Anton<br />
Hollich), hat das Probespiel bei der Jungen<br />
Deutschen Philharmonie gewonnen und fährt<br />
im April auf ihre erste Probephase. Seit Januar<br />
2009 ist sie außerdem Volontär<strong>in</strong> im<br />
Staatstheater Darmstadt.<br />
Oliver Krenz, Trompete (Klasse Prof. Klaus<br />
Schuhwerk), ist <strong>in</strong> diesem Jahr Mitglied<br />
des Gustav Mahler Orchesters.<br />
Eva Haug, Harfe (Klasse Prof. Francoise<br />
Friedrich), hat im Pariser Wettbewerb Clé d`Or<br />
den ersten Preis mit Auszeichnung gewonnen.<br />
Luisa Hoberg, Jan<strong>in</strong>e Neugebauer, Thomas<br />
Sattel und Maxi Schulze, Klar<strong>in</strong>ette (alle Klasse<br />
Anton Hollich), wurden mit ihrem Klar<strong>in</strong>ettenquartett<br />
bei Live Music Now aufgenommen.<br />
Miljan Milovic, Bariton (Klasse Prof. Hedwig<br />
Fassbender), hat e<strong>in</strong> Festengagement <strong>in</strong><br />
Wuppertal erhalten.<br />
Impressum<br />
<strong>Frankfurt</strong> <strong>in</strong> <strong>Takt</strong> – Magaz<strong>in</strong> der Hochschule für Musik<br />
und Darstellende Kunst <strong>Frankfurt</strong> am Ma<strong>in</strong><br />
Eschersheimer Landstraße 29–39, 60322 <strong>Frankfurt</strong> am Ma<strong>in</strong>,<br />
www.hfmdk-frankfurt.de<br />
Herausgeber Thomas Rietschel, Präsident der <strong>HfMDK</strong><br />
Idee und Konzept Dr. Sylvia Dennerle<br />
sylvia.dennerle@hfmdk-frankfurt.de; Telefon 069/154 007 170<br />
Redaktion Björn Hadem (bjh) bhadem@arcor.de<br />
Redaktionsbeirat Dr. Sylvia Dennerle, Christ<strong>in</strong> Groß-Narten, Björn<br />
Hadem, Thomas Rietschel, Frank Rosenberger, Prof. Marion Tiedtke<br />
Autoren Prof. Stefan Bastians, Prof. Sibylle Cada, Dr. Julia Cloot,<br />
Dr. Sylvia Dennerle, Beate Eichenberg (be), Prof. Hedwig Fassbender,<br />
Björn Hadem, Lydia Hasselbach, Prof. Heidrun Kordes,<br />
Prof. Hervé Laclau, Jonas Löffler, Prof. em. Gerhard Mantel,<br />
Henrik Rabien, Frank Rosenberger, Thomas Rietschel,<br />
Any Sargsyan, Sopran, und Sören Richter,<br />
Tenor (beide Klasse Prof. Thomas Heyer),<br />
werden im Sommer im Rahmen der Schlossfestspiele<br />
Haldenste<strong>in</strong> die Partien der Micaela<br />
bzw. des Dan Cairo <strong>in</strong> der Neuproduktion<br />
der Carmen übernehmen.<br />
Victor Perchyk, Klar<strong>in</strong>ette (Klasse Anton Hollich),<br />
hat das Probespiel für die Aushilfsstelle<br />
der Soloklar<strong>in</strong>ette beim SWR Baden-Baden<br />
/ Freiburg gewonnen.<br />
Kathar<strong>in</strong>a Wildermuth, Viol<strong>in</strong>e (Jungstudent<strong>in</strong><br />
Klasse Prof. Susanne Stoodt), und Karol<strong>in</strong>a<br />
Weltrowska, Viol<strong>in</strong>e (Klasse Prof. Priya<br />
Mitchell), errangen je e<strong>in</strong>en zweiten Preis bei<br />
der Vergabe des Manfred-Grommek-Förderpreises<br />
mit e<strong>in</strong>em Preisgeld von je<br />
2.500 Euro.<br />
Karol<strong>in</strong>a Weltrowska gewann mit ihrem<br />
Quarrel Quartett den ersten Preis beim<br />
Joseph Joachim Kammermusikwettbewerb<br />
2008 <strong>in</strong> Weimar.<br />
Friederike Ott, Schauspiel, hat e<strong>in</strong> Festengagement<br />
am Staatstheater Wiesbaden erhalten.<br />
Sebastian Kle<strong>in</strong>, Schauspiel, hat e<strong>in</strong> Festengagement<br />
an der Landesbühne Essl<strong>in</strong>gen<br />
erhalten.<br />
Sebastian Kohlhepp, Gesang (Klasse Prof.<br />
Hedwig Fassbender), ist seit Januar Stipendiat<br />
der <strong>Frankfurt</strong>er ArteMusica-Stiftung für<br />
Kunst und Kultur. Die 2001 gegründete Stiftung<br />
fördert unter anderem junge Künstler<br />
wie Musiker/Innen und Sänger/Innen.<br />
Mart<strong>in</strong> Hiendl, Komposition (Klasse Prof.<br />
Gerhard Müller-Hornbach), erhält das zweite,<br />
mit 10.000 Euro ausgestattete Bernhard<br />
Scheuble-Stipendium der <strong>HfMDK</strong> für e<strong>in</strong><br />
Akademisches Auslandsjahr. Er studiert<br />
ab dem Herbst an der University of San<br />
Diego, USA.<br />
Prof. Yurgen Schoora, Prof. Eike Wernhard<br />
Titelmotiv Viol<strong>in</strong>student<strong>in</strong> Marianne Sohler im Unterricht<br />
bei Prof. Walter Forchert<br />
Fotos Björn Hadem (47), Andreas Kober (1)<br />
Layout Opak Werbeagentur GmbH, Münchener Str. 45,<br />
60329 <strong>Frankfurt</strong> am Ma<strong>in</strong><br />
Anzeigen Björn Hadem (es gilt die Preisliste 02/2009)<br />
Ersche<strong>in</strong>ungsweise jeweils zu Beg<strong>in</strong>n des Semesters<br />
Druck VARIO PLUS Druck GmbH, Fl<strong>in</strong>schstr. 61,<br />
60388 <strong>Frankfurt</strong> am Ma<strong>in</strong><br />
Spendenkonto 200 138 090, BLZ 500 502 01, Fraspa 1822<br />
Überweisungen aus dem Ausland International Payments<br />
IBAN: DE71 5005 0201 0200 1380 90;<br />
SWIFT-BIC: HELADEF1822
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uns der Pflege von We<strong>in</strong> und Erzeugnissen aus We<strong>in</strong>.<br />
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