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Frankfurt in Takt - HfMDK Frankfurt

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<strong>Frankfurt</strong> <strong>in</strong> <strong>Takt</strong><br />

Magaz<strong>in</strong> der Hochschule für Musik und Darstellende Kunst <strong>Frankfurt</strong> am Ma<strong>in</strong><br />

Schwerpunktthema:<br />

Nachdenken über die Lehre<br />

Lernen und Institution<br />

Chancen und Konflikte im Spannungsfeld von<br />

Hochschule und Individuum<br />

Vom Kampf gegen die „<strong>in</strong>neren Kle<strong>in</strong>macher“<br />

Mentales Tra<strong>in</strong><strong>in</strong>g gew<strong>in</strong>nt im Musikstudium an Bedeutung<br />

Neumodischer Kram oder s<strong>in</strong>nvoller Weg<br />

<strong>in</strong> e<strong>in</strong>e ausgezeichnete Lehre?<br />

Team Teach<strong>in</strong>g für Gesangsstudierende<br />

Hilfreicher Dialog statt sturen Diktierens<br />

Zur Verbesserung der Hörvorstellung haben sich neue<br />

methodische Konzepte etabliert<br />

Auf den Spuren der Körpersprache<br />

Physiodrama ist neues Lehrfach im Schauspiel –<br />

deutschlandweit erste Professur dieser Art<br />

Gesunde Hochleistung bis zur Rente<br />

E<strong>in</strong> Mediz<strong>in</strong>er und e<strong>in</strong>e Physiotherapeut<strong>in</strong> beraten Lehrende und<br />

Studierende zum gesunden Umgang mit ihrem Instrument<br />

9. Jahrgang, Nr. 1 Sommersemester 2009<br />

www.hfmdk-frankfurt.de


<strong>Frankfurt</strong> <strong>in</strong> <strong>Takt</strong> 09/1<br />

Inhalt<br />

2 Editorial - Nachdenken über die Lehre<br />

Dozenten der <strong>HfMDK</strong> gehen neue Wege <strong>in</strong> der Lehre<br />

4 Lernen und Institution<br />

Über Chancen und Konflikte im Spannungsfeld von<br />

Hochschulstrukturen und lernendem Individuum<br />

8 Gesunde Hochleistung bis zur Rente<br />

E<strong>in</strong> Mediz<strong>in</strong>er und e<strong>in</strong>e Physiotherapeut<strong>in</strong> beraten Lehrende<br />

und Studierende an der <strong>HfMDK</strong> zum gesunden Umgang mit<br />

ihrem Instrument<br />

10 Vom Kampf gegen die „<strong>in</strong>neren Kle<strong>in</strong>macher“<br />

Mentales Tra<strong>in</strong><strong>in</strong>g, im Sport seit Jahrzehnten üblich, gew<strong>in</strong>nt<br />

im Musikstudium an Bedeutung<br />

11 Von der Kraft der guten Gedanken<br />

Sänger und ihre Lehrenden entdecken den Chancenreichtum<br />

durch mentales Tra<strong>in</strong><strong>in</strong>g<br />

12 Auch <strong>in</strong> der Vermittlung macht der Ton die Musik<br />

Die Qualität der Kommunikation entscheidet mit<br />

über den Lehrerfolg<br />

16 Neumodischer Kram oder s<strong>in</strong>nvoller Weg<br />

<strong>in</strong> e<strong>in</strong>e ausgezeichnete Lehre?<br />

Team Teach<strong>in</strong>g für Gesangsstudierende<br />

17 Lernen unter Produktionsbed<strong>in</strong>gungen<br />

Angehende Opernsänger kommen an der <strong>HfMDK</strong> mit e<strong>in</strong>er Fülle<br />

von Kompetenzen rund um den Bühnenauftritt <strong>in</strong> Kontakt<br />

18 Rückmeldung erwünscht<br />

Feedback, Supervision und Kommunikation<br />

Im Projekt „Qualität <strong>in</strong> der Lehre“ erarbeiten Lehrende und Studierende<br />

des Fachbereichs 2 geme<strong>in</strong>sam Angebote, die die Kommunikation<br />

und Vermittlung <strong>in</strong> der Lehre verbessern sollen<br />

20 Hilfreicher Dialog statt sturen Diktierens<br />

Von der „Gehörbildung“ zur „Hörschulung“<br />

22 „Unterricht ist Vertrauenssache <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er<br />

geme<strong>in</strong>samen Unternehmung“<br />

Klavierprofessor em. Herbert Seidel und Geigenprofessor Walter<br />

Forchert bilanzieren ihre Lehrerfahrung an der <strong>HfMDK</strong><br />

24 Auf den Spuren der Körpersprache<br />

Physiodrama ist neues Lehrfach im Schauspiel –<br />

deutschlandweit erste Professur dieser Art<br />

28 Verpflichtung über das Jahr 2009 h<strong>in</strong>aus<br />

Neue Projekte der Gesellschaft der Freunde und Förderer<br />

28 Stephan Kimmig ist Gastprofessor für Schauspiel und Regie<br />

29 Rotary meets <strong>HfMDK</strong><br />

Rotarier erlebten Wandelkonzert an ungewöhnlichen Orten<br />

der Hochschule<br />

29 US-amerikanischer Opernstar wird Ehrenmitglied <strong>in</strong> der<br />

Gesellschaft der Freunde und Förderer<br />

30 Mit russischem Temperament und kantablem Klangs<strong>in</strong>n<br />

Klavierprofessor<strong>in</strong> Ir<strong>in</strong>a Edelste<strong>in</strong> geht <strong>in</strong> den Ruhestand,<br />

behält aber e<strong>in</strong>en Lehrauftrag<br />

31 Metrisch elastisch statt mechanisch virtuos<br />

Mit se<strong>in</strong>er Pensionierung endet für Klavierprofessor Bernd<br />

Ickert auch se<strong>in</strong> Engagement als Ausbildungsdirektor<br />

32 Ästhetische Erfahrungen statt „fester Rezepte“<br />

Dr. Maria Spychiger ist neue Professor<strong>in</strong> für Musikpädagogik<br />

mit dem Schwerpunkt empirische Forschung<br />

33 „Man s<strong>in</strong>gt nur mit dem Herzen gut“<br />

Tenor Thomas Heyer ist seit Oktober Professor für Gesang<br />

an der <strong>HfMDK</strong><br />

34 E<strong>in</strong> Experte von der Vihuela da Mano bis zur E-Gitarre<br />

Christopher Brandt ist neuer Professor für Gitarre und Methodik<br />

36 Erfolge unserer Studierenden<br />

36 Impressum<br />

Im Innenteil des Heftes bef<strong>in</strong>det sich der<br />

heraustrennbare Veranstaltungskalender der <strong>HfMDK</strong><br />

für das Sommersemester 2009.


Dozenten der <strong>HfMDK</strong> gehen neue Wege <strong>in</strong> der Lehre<br />

„Nachdenken über die Lehre“, das ist das Schwerpunktthema der vorliegenden Ausgabe der „<strong>Frankfurt</strong> <strong>in</strong><strong>Takt</strong>“.<br />

Die Vermittlung handwerklicher Grundlagen sowie die Entwick-<br />

lung der künstlerischen Persönlichkeit ihrer Studierenden s<strong>in</strong>d<br />

zentrale Aufgaben der Hochschule für Musik und Darstellende<br />

Kunst <strong>Frankfurt</strong> am Ma<strong>in</strong> (<strong>HfMDK</strong>). Jedoch auch die Vermittlung<br />

von künstlerisch-kreativen, wissenschaftlichen, pädagogischen,<br />

<strong>in</strong>terpretatorischen und <strong>in</strong>terdiszipl<strong>in</strong>ären Kenntnissen und Kom-<br />

petenzen ist als Bestandteil e<strong>in</strong>er zeitgemäßen künstlerischen<br />

Ausbildung wichtige Voraussetzung für e<strong>in</strong>e erfolgversprechende<br />

Berufsperspektive als Künstler.<br />

Viele Dozenten der <strong>HfMDK</strong> denken <strong>in</strong>tensiv darüber nach, ob sie<br />

„richtig“ lehren und wie sie ihre Lehre verbessern können. So reflektiert<br />

der renommierte Cellist und Musiktheoretiker Prof. Gerhard<br />

Mantel <strong>in</strong> se<strong>in</strong>em Leitartikel die besondere Lehrsituation an e<strong>in</strong>er<br />

Kunsthochschule, für die es eigentlich ke<strong>in</strong> starres Raster geben<br />

dürfte, da jeder künstlerische Entwicklungsprozess bei Studierenden<br />

<strong>in</strong>dividuell und e<strong>in</strong>zigartig ist. Natürlich s<strong>in</strong>d se<strong>in</strong>e Überlegungen<br />

aus der Sicht des Musikers geschrieben, aber auch die Darstellende<br />

Kunst wird Anregungen aus se<strong>in</strong>en Vorschlägen ziehen können.<br />

Ich freue mich sehr, dass viele der Überlegungen von Gerhard<br />

Mantel an unserer Hochschule bereits aufgegriffen werden. Über<br />

e<strong>in</strong>ige Beispiele und Initiativen <strong>in</strong> der Lehre wollen wir <strong>in</strong> diesem<br />

Heft berichten. So berichtet die Gesangsprofessor<strong>in</strong> Hedwig Fassbender<br />

über die ersten Team Teach<strong>in</strong>g-Erfahrungen im Fachbereich<br />

3. Frank Rosenberger, Geschäftsführer des Fachbereichs 2, schildert<br />

die positiven Auswirkungen auf die Lehre durch das Supervisionsprojekt<br />

se<strong>in</strong>es Fachbereichs. Mit Sibylle Cada (Klavier), Herbert<br />

Seidel (Klavier) und Walter Forchert (Viol<strong>in</strong>e) steuern drei erfahrene<br />

Instrumentalprofessoren zentrale Erkenntnisse aus ihrem<br />

langjährigen Unterrichtserleben bei.<br />

Um die Wirkung der Physioprophylaxe geht es <strong>in</strong> dem Gespräch<br />

mit der Flötist<strong>in</strong> und Physiotherapeut<strong>in</strong> Alexandra Türk-Espitalier<br />

und den beiden Professoren Dr. med. Jürgen Blum und Henner<br />

Eppel (Flöte), während Gesangsprofessor<strong>in</strong> Heidrun Kordes und<br />

Prof. Henrik Rabien (Fagott) von der erfolgreichen Zusammenarbeit<br />

mit externen Profis für mentales Tra<strong>in</strong><strong>in</strong>g berichten. Außer-<br />

dem hat die <strong>HfMDK</strong> mit der Professur von Yurgen Schoora für<br />

Physiodrama als bislang e<strong>in</strong>zige Kunsthochschule <strong>in</strong> Deutschland<br />

die <strong>in</strong>terdiszipl<strong>in</strong>äre Körperarbeit <strong>in</strong> ihrem Curriculum verankert.<br />

Und schließlich kommen die Studierenden zu Wort – <strong>in</strong> O-Tönen<br />

zu den erlebten Lehrformen.<br />

Auch die Gesellschaft der Freunde und Förderer der <strong>HfMDK</strong> unterstützt<br />

im Jahr 2009 Projekte, die die Lehre bereichern. So ermöglichen<br />

die Freunde und Förderer erstmals e<strong>in</strong>e Gastprofessur: Stephan<br />

Kimmig, Hausregisseur des Thalia Theater Hamburg, verstärkt den<br />

Ausbildungsbereich Theater und Regie. Dazu kommt ab 2009 jährlich<br />

für e<strong>in</strong>e Arbeitsphase mit dem Hochschulorchester e<strong>in</strong> renommierter<br />

Gastdirigent ans Haus. Den Anfang macht Lothar Zagrosek,<br />

Chefdirigent des Konzerthausorchesters Berl<strong>in</strong>, im November.<br />

E<strong>in</strong> weiteres Anliegen des Freundevere<strong>in</strong>s ist die Förderung Hochbegabter<br />

durch Stipendien. Doch nicht nur Hochbegabung, auch<br />

die Lebens- und Lernbed<strong>in</strong>gungen der Studierenden <strong>in</strong> entscheidenden<br />

Phasen des Studiums sollen erleichtert werden. Förderer,<br />

die uns hierbei unterstützen wollen, s<strong>in</strong>d herzlich willkommen.<br />

E<strong>in</strong> starkes Stipendienprogramm hat darüberh<strong>in</strong>aus e<strong>in</strong>en weiteren<br />

guten Effekt: Es stärkt die Position der <strong>Frankfurt</strong>er Hochschule<br />

im <strong>in</strong>ternationalen Wettbewerb.<br />

Ich lade Sie herzlich e<strong>in</strong>, recht oft die Hochschule zu besuchen<br />

und die vielfältigen Ergebnisse der Arbeiten unserer Studierenden<br />

und Lehrenden zu erleben. Unseren Semesterveranstaltungsüberblick<br />

f<strong>in</strong>den Sie ab sofort <strong>in</strong> der Mitte des Heftes – zum Heraustrennen<br />

nach Bedarf.<br />

Ich wünsche Ihnen nun viel Spaß und Anregungen beim Lesen!<br />

Ihr Thomas Rietschel<br />

Präsident der Hochschule für Musik und<br />

Darstellende Kunst <strong>Frankfurt</strong> am Ma<strong>in</strong><br />

<strong>Frankfurt</strong> <strong>in</strong> <strong>Takt</strong> 09/1


Lernen und Institution<br />

Über Chancen und Konflikte im Spannungsfeld von Hochschulstrukturen<br />

und lernendem Individuum<br />

Seit Jahrzehnten hat sich Prof. em. Gerhard Mantel <strong>in</strong>tensiv mit<br />

den Fragen der Optimierung von Lehre <strong>in</strong> der Musikausbildung<br />

beschäftigt, Bücher dazu verfasst und zu diesem Thema <strong>in</strong>ternational<br />

referiert – e<strong>in</strong> guter Grund, den e<strong>in</strong>stigen Celloprofessor der<br />

<strong>HfMDK</strong> um e<strong>in</strong>en Leitartikel für diese Ausgabe zu bitten. Was Gerhard<br />

Mantel nachfolgend beschreibt, entstammt der Perspektive<br />

e<strong>in</strong>es Musikers, der lange Jahre an unserer Hochschule unterrichtet<br />

hat. E<strong>in</strong>ige se<strong>in</strong>er Ausführungen s<strong>in</strong>d sicherlich auch <strong>in</strong> die Ausbildung<br />

der Darstellenden Kunst übertragbar. Und natürlich freuen<br />

wir uns, dass e<strong>in</strong>ige se<strong>in</strong>er Vorschläge bereits E<strong>in</strong>gang <strong>in</strong> die Lehre<br />

an der <strong>HfMDK</strong> gefunden haben – e<strong>in</strong> Zeichen dafür, dass sich<br />

unsere Hochschule weiterentwickelt.<br />

Die Redaktion<br />

Die Organisation des Studiums an e<strong>in</strong>er Musikhochschule trifft<br />

auf e<strong>in</strong> grundsätzliches Problem. E<strong>in</strong>erseits muss für e<strong>in</strong>e optimale<br />

Verwaltung das Pr<strong>in</strong>zip gelten, dass alle Vorgänge so glatt und reibungslos<br />

wie möglich ablaufen. Dem steht diametral die Tatsache<br />

gegenüber, dass Lernprozesse sich pr<strong>in</strong>zipiell ungleichmäßig, nichtl<strong>in</strong>ear,<br />

<strong>in</strong> Schüben entwickeln; darüber h<strong>in</strong>aus weisen sie <strong>in</strong>dividuell<br />

gänzlich verschiedene Profile auf.<br />

Dieser Spagat fällt e<strong>in</strong>er Hochschule schwer. Oft hat die Frage,<br />

wie „der Laden am besten läuft“, Vorrang vor der Frage, wie „e<strong>in</strong><br />

junger Mensch am besten lernt“. Der Studierende kann sie meist<br />

nicht selbst beantworten; er vertraut auf die Erfahrung der Institution.<br />

So ergibt sich, dass Innovationen es schwer haben, realisiert<br />

zu werden, da sie ja außer an f<strong>in</strong>anzielle Grenzen auch an solche<br />

menschlichen Beharrungswillens stoßen.<br />

Lernphasen<br />

Die Hochschulausbildung e<strong>in</strong>es Studenten beg<strong>in</strong>nt <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Phase<br />

se<strong>in</strong>er Lernbiographie, <strong>in</strong> der die wichtigsten Grundzüge <strong>in</strong>strumentalen<br />

Könnens eigentlich schon abgeschlossen se<strong>in</strong> sollten.<br />

E<strong>in</strong> K<strong>in</strong>d braucht die Anleitung durch feste Bezugspersonen. Mit<br />

elf Jahren braucht es die Führung, mit neunzehn h<strong>in</strong>gegen die Anregung,<br />

ja die Herausforderung. Stattdessen bekommt e<strong>in</strong> junger<br />

<strong>Frankfurt</strong> <strong>in</strong> <strong>Takt</strong> 09/1<br />

l<strong>in</strong>ks: Autor Gerhard Mantel<br />

rechts: E<strong>in</strong>zelunterricht als Spagat<br />

(im Bild der Viol<strong>in</strong>unterricht von<br />

Prof. Walter Forchert): E<strong>in</strong>erseits soll<br />

der Studierende die fachliche Autorität<br />

des Lehrers schätzen, andererseits<br />

muss er genügend Freiraum spüren,<br />

um se<strong>in</strong>e eigene Künstlerpersönlichkeit<br />

zu entfalten.<br />

Erwachsener oft die Führung, als wäre er e<strong>in</strong> K<strong>in</strong>d. So wird die<br />

Entwicklung h<strong>in</strong> zur Autonomie durch zu große Abhängigkeit vom<br />

Lehrer (von beiden Seiten gewollt) sogar oft gebremst. Eigenverantwortliches<br />

Handeln, autodidaktisches Experimentieren (dazu<br />

gehört auch „produktives partielles Scheitern“) wird beh<strong>in</strong>dert.<br />

Das Kommunikations-Muster „K<strong>in</strong>d – Erwachsener“ (als Verhältnis<br />

zwischen Schüler und Lehrer) wird um acht bis zehn Lebensjahre<br />

„nach oben“ verschoben. In der Lernphase des Studiums müssten<br />

Bewusstse<strong>in</strong>sprozesse mehr im Vordergrund stehen gegenüber<br />

e<strong>in</strong>er früheren k<strong>in</strong>dlichen Phase, wo unbewusste, „implizite“ Lernkanäle<br />

(Imitation, Bilder, Assoziationen, Ausprobieren durch re<strong>in</strong>e<br />

Wiederholung) die dom<strong>in</strong>ierende Rolle spielen. Oft fehlt dann das<br />

Gleichgewicht zwischen Intuition und Reflexion (wir s<strong>in</strong>d e<strong>in</strong>e<br />

künstlerisch-wissenschaftliche Hochschule!).<br />

Zur „Reflexion“ gehören fünf Felder:<br />

1. Kenntnisse lernpsychologischer Bed<strong>in</strong>gungen („Üben“)<br />

im spezifischen <strong>in</strong>strumentalen Bereich,<br />

2. grundsätzliche physiologische Kenntnisse der<br />

vernetzten <strong>in</strong>strumentalen Bewegungsabläufe,<br />

3. ästhetisches Wissen über die Wirkung von Musik<br />

(„wie entsteht Ausdruck?“),<br />

4. physikalisches Wissen über das Instrument,<br />

5. kommunikatives Wissen über die Wirkung von Unterricht.<br />

Wir sehen: Der Musikhochschule fällt e<strong>in</strong>e Verantwortung zu,<br />

die über die „Pflege” von Hochbegabungen weit h<strong>in</strong>ausgeht!<br />

Aufnahmeprüfungen<br />

Wie aussagekräftig s<strong>in</strong>d Aufnahmeprüfungen? Sie stellen e<strong>in</strong>e<br />

Querschnittsbeurteilung für den Moment der Prüfung dar. Für den<br />

großen Bereich der Instrumental- und Gesangspädagogik sowie für<br />

den Bereich der Schulmusik jedoch gibt e<strong>in</strong> kurzes Vorspiel kaum<br />

H<strong>in</strong>weise auf die notwendige methodische und kommunikative<br />

Eignung e<strong>in</strong>es Kandidaten für das Studienziel der Lehrtätigkeit.


<strong>Frankfurt</strong> <strong>in</strong> <strong>Takt</strong> 09/1<br />

Bei solchen Aufnahmeprüfungen sollte man deshalb vielleicht e<strong>in</strong><br />

Klausurstück, e<strong>in</strong> Kolloquium, vielleicht e<strong>in</strong>e Volkslieddarstellung,<br />

e<strong>in</strong>e kle<strong>in</strong>e Improvisation, sogar e<strong>in</strong>e Transposition als Aufgabe<br />

stellen – man muss jedenfalls e<strong>in</strong>e andere Prüfungsmodalität suchen<br />

als die der re<strong>in</strong> <strong>in</strong>strumentalen Virtuosität (wobei dann oft<br />

die „zweite Wahl“ den zukünftigen Lehrern zugebilligt wird).<br />

Abschlussprüfungen<br />

Es ist fast unvermeidlich, dass das System der Abschlussprüfungen<br />

im künstlerischen Hauptfach e<strong>in</strong>em schematischen Denken <strong>in</strong> den<br />

Kategorien von „richtig“ oder „falsch“ Vorschub leistet. E<strong>in</strong> künstlerisches<br />

Studium erfordert aber e<strong>in</strong> anderes System der Erfolgsbewertung.<br />

Die Aussagekraft e<strong>in</strong>er künstlerischen Prüfungsnote ist erwiesenermaßen<br />

zweifelhaft. Daher wäre es im Grunde s<strong>in</strong>nvoll, auf Noten<br />

für Abschlussprüfungen <strong>in</strong> den künstlerischen Studiengängen im<br />

Hauptfach überhaupt zu verzichten. Beim Konzertexamen gibt es<br />

auch ke<strong>in</strong>e Noten.<br />

E<strong>in</strong> Grund, ke<strong>in</strong>e Hauptfachprüfungsnoten zu vergeben, ist auch<br />

die nicht ganz zu vermeidende Konkurrenz zwischen den Lehrenden,<br />

die sich bewusst oder unbewusst per Prüfungsnoten mite<strong>in</strong>ander<br />

vergleichen. E<strong>in</strong> solches Verhalten ist nicht böswillig, sondern<br />

systemimmanent. Würden diese Noten wegfallen, ergäbe sich viel<br />

leichter e<strong>in</strong>e geme<strong>in</strong>same Arbeit von verschiedenen Lehrenden mit<br />

e<strong>in</strong>zelnen Studierenden. Wenn unterschiedliche Blickw<strong>in</strong>kel sich<br />

ergänzen, erwachsen die wertvollsten E<strong>in</strong>sichten, denn auch der<br />

beste Lehrer kann niemals alle verschiedenen, dazu auch noch<br />

wechselnden Bedürfnisse <strong>in</strong> der Lernbiographie e<strong>in</strong>es Studenten<br />

abdecken.<br />

Bei e<strong>in</strong>er künstlerischen Leistung, die sich durch so viele unterschiedliche<br />

Parameter def<strong>in</strong>iert, ist die e<strong>in</strong>dimensionale Differenzierung<br />

e<strong>in</strong>er Note mit Dezimalstellen h<strong>in</strong>ter dem Komma eigentlich<br />

e<strong>in</strong> Und<strong>in</strong>g. Wichtiger s<strong>in</strong>d Auftrittsmöglichkeiten für die<br />

Studierenden. Auf der Bühne, vor dem Publikum, nicht vor der<br />

Prüfungskommission f<strong>in</strong>den die echten Prüfungen statt.<br />

Pflichtfächer<br />

Die Identifikation der Studierenden mit ihrer Hochschule bezieht<br />

sich auf das Hauptfach und ihren Hauptfachlehrer. Pflichtfächer<br />

werden für das angestrebte kurzfristige Prüfungsprofil vom Studenten<br />

als von untergeordneter Bedeutung wahrgenommen. Dies<br />

ist nicht e<strong>in</strong>e Frage der Kompetenz der Pflichtfachlehrer! Für das<br />

langfristige künstlerische und pädagogische Profil haben diese<br />

Fächer allerd<strong>in</strong>gs e<strong>in</strong>e weith<strong>in</strong> unterschätzte Bedeutung.<br />

An dieser Fehle<strong>in</strong>schätzung ließe sich etwas ändern, wenn die<br />

Pflichtfächer erkennbar auf das Hauptfach bezogen wären. Tonsatz,<br />

Formenlehre, Gehörbildung, Musikgeschichte, bei Nicht-Pianisten<br />

das Nebenfach Klavier sollten soweit wie irgend möglich auf das<br />

Hauptfach bezogen werden. E<strong>in</strong>e Möglichkeit, dies zu erreichen,<br />

wäre die Durchführung geme<strong>in</strong>samer Projektaufgaben, an denen<br />

mehrere Lehrende sich beteiligen. Hierfür wäre e<strong>in</strong> Umdenken <strong>in</strong><br />

Richtung gesteigerter organisatorischer Flexibilität nötig.<br />

E<strong>in</strong> Musikstudium soll dazu befähigen,<br />

sich selbst e<strong>in</strong> guter Zuhörer und Beobachter<br />

zu se<strong>in</strong>. Auch der Spiegel beim<br />

Üben offenbart so manche Entdeckung<br />

am eigenen Musizieren.<br />

E<strong>in</strong>zelunterricht<br />

Der E<strong>in</strong>zelunterricht ist die Kernform des Instrumentalunterrichts<br />

an der Hochschule. Die Anerkennung des Lehrers durch den Schüler<br />

als unbezweifelte Autorität birgt allerd<strong>in</strong>gs auch e<strong>in</strong>e Gefahr <strong>in</strong><br />

sich, denn um e<strong>in</strong>e eigenständige Persönlichkeit zu werden, wenn<br />

Informationen an den Schüler herankommen, die ihm eigene, unabhängige<br />

künstlerische Urteile ermöglichen. E<strong>in</strong>zelunterricht sollte<br />

auch „öffentlich“ se<strong>in</strong>: Studenten lernen auch durch Zuhören beim<br />

Unterricht des Kommilitonen und des „fremden“ Lehrers!<br />

Lernen ist Vergleichen<br />

Ästhetisches Lernen geschieht immer im kreativen Vergleich.<br />

1. Beim Üben vergleichen wir zwei verschiedene Versionen<br />

e<strong>in</strong>es Tons, e<strong>in</strong>er Phrase, e<strong>in</strong>es Ausdrucks, e<strong>in</strong>er technischen<br />

oder musikalischen E<strong>in</strong>heit, e<strong>in</strong>er Bewegung, e<strong>in</strong>er körperlichen<br />

Empf<strong>in</strong>dung.<br />

2. Der Vergleich zwischen dem eigenen Leistungsprofil<br />

und dem von anderen (Künstlern, Kommilitonen) br<strong>in</strong>gt ganz<br />

wesentliche Informationen über den eigenen Stand und<br />

den eigenen Fortschritt.<br />

3. Auch der Vergleich zwischen verschiedenen methodischen<br />

Blickw<strong>in</strong>keln ist unverzichtbar. Der E<strong>in</strong>zelunterricht sollte<br />

deshalb durch „Querverb<strong>in</strong>dungen“ zu anderen Kollegen<br />

ergänzt werden.<br />

4. Oft noch e<strong>in</strong>drucksvoller ist der kreative Vergleich durch<br />

Hospitation bei Lehrern anderer Fächer. Dies kann bis h<strong>in</strong><br />

zum gelegentlichen Klassentausch gehen – zwei Professoren<br />

tauschen e<strong>in</strong>fach e<strong>in</strong>mal ihre Klassen!


Korrepetition<br />

Das Ziel von m<strong>in</strong>destens e<strong>in</strong>er Wochenstunde für jeden Studenten<br />

e<strong>in</strong>es Streich- oder Blas<strong>in</strong>struments ist bei uns noch lange nicht<br />

erreicht. Korrepetition sollte e<strong>in</strong> allgeme<strong>in</strong>es „Musikalisierungsfach“<br />

se<strong>in</strong>, das weit über e<strong>in</strong>e re<strong>in</strong>e „Serviceleistung“ h<strong>in</strong>ausgeht, nämlich<br />

gerade e<strong>in</strong>mal „dem Ohr e<strong>in</strong>e Begleitung zur musikalischen<br />

Gewöhnung“ anzubieten.<br />

Dabei kann auch die Klavierkammermusik für die Klavier-Hauptfachstudenten<br />

noch stärker <strong>in</strong>s Blickfeld rücken. E<strong>in</strong>e Erweiterung der<br />

schmalen Literaturkenntnis vieler Studenten außerhalb ihres engsten<br />

Repertoirebereichs strahlt immer zurück auf das eigene Spiel.<br />

E<strong>in</strong>e so verstandene Korrepetition könnte e<strong>in</strong> anderes fehlendes<br />

Fach zum<strong>in</strong>dest teilweise ersetzen, nämlich das Fach „Ästhetik“,<br />

die Lehre von der Wahrnehmung von Musik und ihrer emotionalen<br />

Wirkung – eigentlich ihr zentrales Anliegen, das aber oft vom Streben<br />

nach der re<strong>in</strong> technischen, prüfungstauglichen Spielperfektion<br />

überstrahlt wird.<br />

<strong>Frankfurt</strong> <strong>in</strong> <strong>Takt</strong> 09/1<br />

Gastsem<strong>in</strong>are<br />

E<strong>in</strong>e wichtige Gelegenheit, die Internationalität der Hochschule<br />

nach außen darzustellen und nach <strong>in</strong>nen zu verwirklichen, ist die<br />

E<strong>in</strong>ladung von <strong>in</strong>ternationalen Spitzenmusikern zu „Meisterkursen“<br />

– e<strong>in</strong>e Möglichkeit, die e<strong>in</strong>e Musikhochschule f<strong>in</strong>anziell vergleichsweise<br />

wenig belastet.<br />

Nicht nur macht es sich gut im Lebenslauf e<strong>in</strong>es Cellisten, damals<br />

e<strong>in</strong> Sem<strong>in</strong>ar bei Rostropowitsch besucht zu haben, um e<strong>in</strong> Beispiel<br />

aus Essen zu nennen. An vielen nationalen und <strong>in</strong>ternationalen<br />

Hochschulen gibt es derzeit Überlegungen und Initiativen <strong>in</strong> diese<br />

Richtung. Zu wünschen wäre dabei e<strong>in</strong>e verstärkende Kooperation<br />

der Hauptfachlehrer: E<strong>in</strong> fremder E<strong>in</strong>fluss wird eben doch noch<br />

manchmal als e<strong>in</strong>e Gefährdung der eigenen „corporate identity“<br />

angesehen.<br />

Solche Kurse entsprechen übrigens <strong>in</strong> hohem Maße der „Nicht-<br />

L<strong>in</strong>earität“ des Lernens. Gewiss, nicht jeder Kurs passt für jeden<br />

Studenten zu jedem Zeitpunkt se<strong>in</strong>er Entwicklung, aber darüber<br />

kann man ja <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em guten Vertrauensverhältnis zwischen<br />

Lehrer und Student sprechen.


<strong>Frankfurt</strong> <strong>in</strong> <strong>Takt</strong> 09/1<br />

Unterrichtslehre<br />

Kommunikationspsychologische Untersuchungen haben längst<br />

gezeigt, dass im Dreieck Sender – sachlicher Inhalt – Empfänger<br />

die Qualität des Senders, also das <strong>in</strong> der Kommunikation übertra-<br />

gene Menschenbild, die Hauptrolle spielt, noch deutlich vor der<br />

Qualität des gesendeten Inhalts. Wenn e<strong>in</strong> Lehrer noch so klare und<br />

wertvolle Vorstellungen über künstlerische Inhalte und Methoden<br />

besitzt, aber auf dem Feld der Kommunikation versagt, dann kann<br />

dies sehr wohl auch auf e<strong>in</strong>e fehlende Ausbildung auf diesem<br />

Sektor zurückgehen.<br />

Das Fach Methodik muss auch für alle Studenten der Künstlerischen<br />

Ausbildung (KA) verpflichtend se<strong>in</strong>, denn jeder KA-Student unter-<br />

richtet später – und er unterrichtet vor allem immer sich selbst!<br />

E<strong>in</strong> guter Unterricht ist deshalb immer auch e<strong>in</strong>e Anleitung zu auto-<br />

didaktischem Handeln und Experimentieren. Die Hochschule muss<br />

für alle Studenten e<strong>in</strong>en Spielraum für solches Handeln zur<br />

Verfügung stellen.<br />

Der Gedankenaustausch zwischen Kollegen<br />

Jeder Lehrer hat auch se<strong>in</strong>e Probleme, und sei es nur bei e<strong>in</strong>em<br />

bestimmten Studenten, für dessen Entwicklung er vielleicht ke<strong>in</strong>e<br />

weiteren Ideen zur Verfügung hat. S<strong>in</strong>nvoll wäre es daher, Fachkolloquien,<br />

auch mit Gästen von außerhalb als Teilnehmer oder<br />

Moderatoren, e<strong>in</strong>zurichten, <strong>in</strong> denen auch solche Probleme geme<strong>in</strong>sam<br />

diskutiert werden können, die unter Kollegen aus Furcht, sich<br />

e<strong>in</strong>e Blöße zu geben, nicht angesprochen werden. Außerdem: Der<br />

lernende Lehrer ist e<strong>in</strong> ideales Vorbild für den lernenden Schüler!<br />

Zu denken ist auch an e<strong>in</strong>ige Team Teach<strong>in</strong>g-Sitzungen pro<br />

Semester. Verschiedene Dozenten des Fachs äußern sich dabei<br />

jeweils über die Darbietung e<strong>in</strong>es Studenten, und jeder Kollege soll<br />

e<strong>in</strong> Lob und e<strong>in</strong>e Kritik aussprechen und, als Wichtigstes, e<strong>in</strong>en<br />

methodischen Vorschlag machen. Dadurch entsteht neben der<br />

dichten Information für die Studenten implizit auch e<strong>in</strong> lebendiger<br />

Me<strong>in</strong>ungsaustausch zwischen Kollegen, ja sogar e<strong>in</strong>e Art gegenseitiger<br />

konstruktiver „Supervision“ ohne den beunruhigenden Beigeschmack<br />

von Kontrolle durch Kollegen. Denn der E<strong>in</strong>zelunterricht<br />

bleibt ja immer unbeobachtet ...<br />

Freiräume organisieren<br />

Anstatt das gesamte Deputat e<strong>in</strong>es Instrumentallehrers mit E<strong>in</strong>zelstunden<br />

auszuschöpfen, wäre e<strong>in</strong>e zeitliche Freisetzung e<strong>in</strong>es<br />

kle<strong>in</strong>en Teils davon zu fordern, der zur Organisation von Veranstaltungen<br />

außerhalb des E<strong>in</strong>zelunterrichts zur Verfügung steht: Gruppenunterricht<br />

(z. B. Thematisierung e<strong>in</strong>es bestimmten Spielproblems,<br />

Interpretationsvergleiche, Stilfragen, Literaturangebote),<br />

Klassenvorspiele, Hospitationen der Klasse bei e<strong>in</strong>em Kollegen<br />

und Ähnliches. Für solche Ziele müssen, trotz Bologna, Rituale<br />

aufgebrochen werden. Hierzu e<strong>in</strong>ige Beispiele:<br />

1. Jeder Student hat e<strong>in</strong> eigenes Begabungsprofil. Müssen<br />

alle Studenten <strong>in</strong> allen Fächern immer die gleiche Anzahl von<br />

Semestern, von Sche<strong>in</strong>en, von „Credits“ vorweisen?<br />

2. Gibt es die Möglichkeit, „extracurriculare“ Leistungen der<br />

Studenten (Konzerte, Projekte, Orchesterpraktika), die im<br />

Die Teilnahme an Chor- und Orchesterprojekten<br />

gehört ebenso zum Studienalltag<br />

von angehenden Musikern wie<br />

regelmäßiger E<strong>in</strong>zelunterricht.<br />

Lehrplan nicht vorgesehen s<strong>in</strong>d, <strong>in</strong> irgende<strong>in</strong>er Form auch<br />

als studienrelevant anzuerkennen?<br />

3. Müssen alle Studienleistungen immer auf Prüfbarkeit<br />

h<strong>in</strong> angelegt se<strong>in</strong>?<br />

4. Muss jeder Student jede Woche die gleiche M<strong>in</strong>utenzahl<br />

Unterricht bekommen? Je nach Lernphase müsste<br />

er vielleicht am Anfang des Studiums jeden Tag 10 oder<br />

15 M<strong>in</strong>uten, später sogar <strong>in</strong> unregelmäßigen Abständen<br />

e<strong>in</strong>en halben oder ganzen Tag mit dem Hauptfachlehrer<br />

arbeiten.<br />

Lehrbeauftragte<br />

E<strong>in</strong>e solche umfassende Lern-Integration aller Lehrenden ist aber<br />

nur <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Institution möglich, die nicht zum überwiegenden Teil<br />

aus Lehrbeauftragten besteht. Da sie noch andere Beschäftigungen<br />

zur Sicherung ihres Lebensunterhalts haben, können sie sich für<br />

das Haus sowohl zeitlich als auch gedanklich weniger <strong>in</strong>tensiv e<strong>in</strong>br<strong>in</strong>gen<br />

als sie dies vielleicht gerne würden. H<strong>in</strong>zu kommt, dass die<br />

gleiche Arbeit und die gleiche Qualität dieser Arbeit nur zu e<strong>in</strong>em<br />

Drittel von der e<strong>in</strong>es Professors vergütet werden!<br />

Um etwas zu verändern, reicht es freilich nicht, an den guten<br />

Willen der Beteiligten zu appellieren. Vieles müsste kont<strong>in</strong>uierlich<br />

neu durchdacht und dementsprechend flexibilisiert werden. Und<br />

es ist klar, dass nicht nur für die Lehrenden, sondern auch für die<br />

Studierenden die hier formulierten Vorschläge <strong>in</strong> mancher H<strong>in</strong>sicht<br />

unbequem s<strong>in</strong>d: Der junge erwachsene Student ist für se<strong>in</strong>e Ausbildung<br />

<strong>in</strong> viel höherem Maße selbst verantwortlich, als es ihm<br />

der „Nürnberger Trichter“ e<strong>in</strong>es streng geregelten Curriculums<br />

vorgaukelt! Prof. em. Gerhard Mantel


Gesunde Hochleistung bis zur Rente<br />

E<strong>in</strong> Mediz<strong>in</strong>er und e<strong>in</strong>e Physiotherapeut<strong>in</strong> beraten Lehrende und Studierende an der <strong>HfMDK</strong> zum<br />

gesunden Umgang mit ihrem Instrument – Erfolgreiches Team Teach<strong>in</strong>g <strong>in</strong> der Flötenklasse<br />

<strong>Frankfurt</strong> <strong>in</strong> <strong>Takt</strong> Musikphysiologie ist an der <strong>HfMDK</strong> ke<strong>in</strong> neues<br />

Thema. Wann begann damit an der <strong>Frankfurt</strong>er Hochschule die<br />

Beschäftigung?<br />

Prof. Dr. Jochen Blum Die Veranstaltung „Musikphysiologie“ biete ich<br />

an der Hochschule seit 1992 an. Was als Vorlesung begann, wurde<br />

dann teilweise <strong>in</strong> Sem<strong>in</strong>arform auf verschiedene Methodikkonzepte<br />

bezogen. Dies betraf beispielsweise die Dozenten und Studenten/<br />

<strong>in</strong>nen der Gitarrenklasse bezüglich ihrer eigenen Unterrichtspraxis:<br />

Wir verglichen geme<strong>in</strong>sam verschiedene Methodikkonzepte mite<strong>in</strong>-<br />

ander unter physiologischen Aspekten – auf der Suche nach physiologisch<br />

riskanten Anteilen. Dabei wurde deutlich, dass es nicht für<br />

jede Bewegungssequenz e<strong>in</strong> Patentrezept gibt, das für alle Spieler<br />

das Richtige ist. Aber wir haben uns geme<strong>in</strong>sam auf den Weg gemacht,<br />

methodisch fundiertes Gitarrespiel mit e<strong>in</strong>er wahrheitsgemäßen<br />

Anatomie zu verb<strong>in</strong>den.<br />

<strong>Frankfurt</strong> <strong>in</strong> <strong>Takt</strong> Herr Eppel, vor e<strong>in</strong>em Jahr haben Sie sich entschieden,<br />

e<strong>in</strong> Team Teach<strong>in</strong>g-Projekt mit e<strong>in</strong>em Mediz<strong>in</strong>er und e<strong>in</strong>er<br />

Physiotherapeut<strong>in</strong> für alle Flötenklassen zu unternehmen.<br />

Aus welchem Grund?<br />

Prof. Henner Eppel Man bedenke, dass Hochleistungssportlern heute<br />

wie selbstverständlich e<strong>in</strong> Physiotherapeut und e<strong>in</strong> Masseur zur Verfügung<br />

stehen, die helfen, die bestmöglichen Bed<strong>in</strong>gungen für körperliche<br />

Spitzenleistungen zu schaffen. In me<strong>in</strong>em Selbstverständnis<br />

s<strong>in</strong>d Berufsmusiker Menschen, die sogar bis <strong>in</strong>s Alter von 65<br />

Jahren <strong>in</strong> Berufsorchestern und Musikschulen Top-Leistungen abliefern<br />

sollen. Diese brauchen me<strong>in</strong>er Ansicht nach ebenfalls derartige<br />

Unterstützung. Die Kooperation im Team Teach<strong>in</strong>g diente vor allem<br />

der Physioprophylaxe. Und genau hier beg<strong>in</strong>nt der Aufgabenbereich<br />

der Physio-Therapeut<strong>in</strong> Alexandra Türk-Espitalier, die ja selbst<br />

diplomierte Flötist<strong>in</strong> ist – e<strong>in</strong>e ideale Komb<strong>in</strong>ation.<br />

<strong>Frankfurt</strong> <strong>in</strong> <strong>Takt</strong> Was bedeutet Physioprophylaxe?<br />

Alexandra Türk-Espitalier Die Physioprophylaxe <strong>in</strong> der Musik will mit<br />

Hilfe von körperlichen Übungen späteren Beschwerden vorbeugen.<br />

Es geht also um regelmäßiges und gezieltes Körpertra<strong>in</strong><strong>in</strong>g für Musiker,<br />

um e<strong>in</strong>en gesunden Ausgleich zu e<strong>in</strong>er oft e<strong>in</strong>seitigen Spielhal-<br />

<strong>Frankfurt</strong> <strong>in</strong> <strong>Takt</strong> 09/1<br />

Bereits seit 1992 steht der <strong>HfMDK</strong> mit Prof. Dr. Jochen Blum e<strong>in</strong> ausgewiesener Facharzt für Fragen der Musikphysiologie zur Seite.<br />

Seitdem lehrt und berät der Facharzt für Hand- und Unfallchirurgie, Professor an der Universitätskl<strong>in</strong>ik Ma<strong>in</strong>z, zugleich Bratschist und<br />

ausgebildeter Geigenbauer, wie Musiker <strong>in</strong> der täglichen Musizierpraxis anatomisch gesund mit ihrem Instrument arbeiten können.<br />

1995 ernannte ihn die <strong>HfMDK</strong> ebenfalls zum Professor. An se<strong>in</strong>er Seite unterstützt Alexandra Türk-Espitalier, selbst diplomierte Flötist<strong>in</strong><br />

sowie ausgebildete Physiotherapeut<strong>in</strong>, diese Arbeit und hat sich dabei auf das Gebiet der Physioprophylaxe spezialisiert. Beide Experten<br />

unternahmen geme<strong>in</strong>sam mit Flötenprofessor Henner Eppel und se<strong>in</strong>en Studierenden e<strong>in</strong> Team Teach<strong>in</strong>g-Projekt zu diesem Thema.<br />

Im nachfolgenden Interview schildern alle drei ihre dabei gesammelten Erfahrungen.<br />

tung beim Musizieren zu schaffen. E<strong>in</strong> weiterer Aspekt ist das Verstehen<br />

komplexerer Bewegungsabläufe und wie diese die musikalische<br />

Interpretation unterstützen oder auch erschweren können.<br />

<strong>Frankfurt</strong> <strong>in</strong> <strong>Takt</strong> Wie muss man sich e<strong>in</strong>e Stunde Team Teach<strong>in</strong>g<br />

vorstellen – e<strong>in</strong>e nicht ganz e<strong>in</strong>fache Situation für Studierende, von<br />

drei Experten beim Spiel beäugt zu werden … ?<br />

Prof. Dr. Jochen Blum Ganz und gar unverfänglich: Team Teach<strong>in</strong>g<br />

ist eher e<strong>in</strong> dynamisches Geschehen, an dem mehrere Studierende<br />

beteiligt s<strong>in</strong>d, von denen jeder vorspielt und bei dem alle mite<strong>in</strong>ander<br />

<strong>in</strong>s Gespräch kommen und physiologische wie auch biomechanische<br />

H<strong>in</strong>tergründe verstehen sollen. Es ist e<strong>in</strong>e Sensibilisierung<br />

für die körperlichen Aspekte des Musizierens, während sonst bei<br />

Musikern erfahrungsgemäß eher Parameter wie Klangbildung und<br />

Interpretation im Fokus der Arbeit stehen.<br />

Alexandra Türk-Espitalier Grundsätzlich f<strong>in</strong>de ich, dass angehende Berufsmusiker<br />

<strong>in</strong> der Lage se<strong>in</strong> sollten, offenen Unterricht, bei dem<br />

auch Dritte zuschauen dürfen, auszuhalten. Auf der fachlichen Ebene<br />

schauen wir uns beim Team Teach<strong>in</strong>g geme<strong>in</strong>sam aus der Perspektive<br />

des Fachlehrers, des Mediz<strong>in</strong>ers und der Physiotherapeut<strong>in</strong> die<br />

Haltungen und Bewegungsabläufe von Musikern an: Wo f<strong>in</strong>den beispielsweise<br />

beim Querflötespiel Rotationen <strong>in</strong> der Wirbelsäule statt?<br />

Auf welchen Ebenen können Haltungen korrigiert werden? Die Hilfestellungen,<br />

die wir Studierenden dabei geben, sollen sie übrigens<br />

nicht nur auf sich selbst beziehen. Die Meisten werden ja später<br />

selbst unterrichten und sollen auch im Bezug auf ihre Schüler<br />

e<strong>in</strong>en Blick für derlei Fragen entwickeln.<br />

Prof. Henner Eppel Se<strong>in</strong>e Schüler oder Studienkollegen beim Spielen<br />

zu beobachten, kann auch e<strong>in</strong>e Orientierungshilfe se<strong>in</strong>, durch die<br />

man se<strong>in</strong>e eigenen methodischen Leistungen zu verbessern lernt.<br />

Aus me<strong>in</strong>er Lehrerfahrung weiß ich, wie gefährlich es se<strong>in</strong> kann, nur<br />

e<strong>in</strong>e e<strong>in</strong>zige Idee und Blickrichtung zu kennen. So kann man sich nur<br />

schwer auf andere Körper e<strong>in</strong>stellen.<br />

<strong>Frankfurt</strong> <strong>in</strong> <strong>Takt</strong> Führen denn veränderte Haltungen und Bewegungsabläufe<br />

auch zu e<strong>in</strong>er klanglichen Veränderung?


<strong>Frankfurt</strong> <strong>in</strong> <strong>Takt</strong> 09/1<br />

Prof. Dr. Jochen Blum Ich höre im Laufe des praktischen Sem<strong>in</strong>ars<br />

durchaus e<strong>in</strong>e Veränderung, im Idealfall Verbesserung. Der Spieler<br />

verfügt so über e<strong>in</strong>e größere Modulationsfähigkeit im Klang.<br />

Prof. Henner Eppel Wenn jemand verkrampft ist, kann sich beispiels-<br />

weise ke<strong>in</strong> natürliches Vibrato entwickeln – es kl<strong>in</strong>gt aufgesetzt und<br />

künstlich. Der freie, obertonreiche Klang mit viel Resonanz ist nur<br />

möglich, wenn der Flötist im E<strong>in</strong>klang mit se<strong>in</strong>em Körper ist.<br />

Prof. Dr. Jochen Blum Für e<strong>in</strong> virtuoses Spiel braucht man natürlich<br />

auch Kraft und Geschw<strong>in</strong>digkeit. Jemand, der kraftlos ist, kann auch<br />

ke<strong>in</strong>e schnellen Passagen spielen. Gesund ist e<strong>in</strong>e Komb<strong>in</strong>ation von<br />

konditionierter Muskulatur im S<strong>in</strong>ne von nicht vernachlässigtem Tra<strong>in</strong><strong>in</strong>g<br />

und e<strong>in</strong>em mentalen Verständnis, wie und an welcher Stelle<br />

Kraft und Beweglichkeit am besten e<strong>in</strong>zusetzen s<strong>in</strong>d, um die physischen<br />

Möglichkeiten optimal zu nutzen. Allerd<strong>in</strong>gs bedeuten hohe<br />

Kraftreserven alle<strong>in</strong> natürlich nicht, e<strong>in</strong>e besondere fe<strong>in</strong>motorische<br />

Fähigkeit zu besitzen.<br />

<strong>Frankfurt</strong> <strong>in</strong> <strong>Takt</strong> Frau Türk-Espitalier, was hat Ihnen Ihre fachliche<br />

Verb<strong>in</strong>dung von physiologischem Wissen und musikalischem<br />

Können für Ihr eigenes Musizieren gebracht?<br />

Alexandra Türk-Espitalier Me<strong>in</strong> Spiel hat von dem Wissen um die körperlichen<br />

Zusammenhänge absolut profitiert – das Bewusstse<strong>in</strong><br />

dafür ist mit früher nicht vergleichbar. Vor allem habe ich durch die<br />

Beschäftigung mit Physioprophylaxe noch e<strong>in</strong> ganz anderes Spektrum<br />

an Übungen kennengelernt, das mir vorher verschlossen war.<br />

<strong>Frankfurt</strong> <strong>in</strong> <strong>Takt</strong> Welche Möglichkeiten bietet die Hochschule<br />

Studierenden ansonsten, sich mit dem Thema Musikphysiologie<br />

zu beschäftigen?<br />

Alexandra Türk-Espitalier Dr. Blum und ich bieten dazu unser Sem<strong>in</strong>ar<br />

an, das sich mit Haltung und Bewegung am Instrument beschäftigt.<br />

Weiterh<strong>in</strong> besteht die Möglichkeit, Term<strong>in</strong>e zum E<strong>in</strong>zelgespräch<br />

zu vere<strong>in</strong>baren. Dort können dann <strong>in</strong>dividuelle Probleme gezielt<br />

besprochen werden. Außerdem ist e<strong>in</strong> Team Teach<strong>in</strong>g-Projekt <strong>in</strong><br />

der oben beschriebenen Art auch <strong>in</strong> anderen Instrumentalklassen<br />

denkbar. bjh<br />

l<strong>in</strong>ks: Drei Experten und e<strong>in</strong>e Frage: Wie sich gesundes Musizieren<br />

anfühlt und anhört, haben der (von l<strong>in</strong>ks) Mediz<strong>in</strong>er Dr.<br />

Jochen Blum, die Physiotherapeut<strong>in</strong> Alexandra Türk-Espitalier und<br />

Flötenprofessor Henner Eppel (rechts) <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Team Teach<strong>in</strong>g-<br />

Projekt geme<strong>in</strong>sam mit Studierenden erarbeitet.<br />

rechts: Physioprophylaxe <strong>in</strong> der Musik soll falschen Haltungen<br />

beim Musizieren und damit späteren anatomischen Beschwerden<br />

entgegenwirken.<br />

9


10 <strong>Frankfurt</strong> <strong>in</strong> <strong>Takt</strong> 09/1<br />

oben: Klopftechniken der energetischen<br />

Psychologie können helfen, Nervosität vor<br />

e<strong>in</strong>em Auftritt <strong>in</strong> den Griff zu bekommen.<br />

unten: Wer mit Selbstvertrauen und positiver<br />

Energie e<strong>in</strong>en Auftritt beg<strong>in</strong>nt, lässt sich<br />

nicht mehr von negativen Glaubenssätzen<br />

aus der Ruhe br<strong>in</strong>gen.<br />

Vom Kampf gegen die<br />

„<strong>in</strong>neren Kle<strong>in</strong>macher“<br />

Mentales Tra<strong>in</strong><strong>in</strong>g, im Sport seit Jahrzehnten üblich, gew<strong>in</strong>nt<br />

im Musikstudium an Bedeutung<br />

Nervosität bei Probespielen und Auftritten<br />

ist nichts grundsätzlich Schlimmes, sondern<br />

kann sich durchaus produktiv und im besten<br />

Falle leistungssteigernd auswirken. Wie bei<br />

so vielen D<strong>in</strong>gen ist es auch im Falle der<br />

Podiums-Aufregung vor allem e<strong>in</strong>e Frage der<br />

Dosis. Dies zu erkennen und kreativ anzuwenden,<br />

gehört zu den wichtigsten Hilfen,<br />

die die Studierenden im Laufe der letzten<br />

Jahre aus den Workshops mit der Mentaltra<strong>in</strong>er<strong>in</strong><br />

Ulrike Klees oder dem Auftrittscoach<br />

Dr. Michael Bohne (beide Workshopgäste der<br />

<strong>HfMDK</strong>-Fagottklassen) mitnehmen konnten.<br />

Erfreulich ist dabei vor allem die Erkenntnis,<br />

dass der Weg von lähmendem Lampenfieber<br />

h<strong>in</strong> zu e<strong>in</strong>er kreativen Nutzung dieser Energien<br />

häufig gar nicht weit ist.<br />

Die Überdosis Nervosität bei Vorspielen rührt<br />

zum e<strong>in</strong>en aus äußeren Umständen wie der<br />

Anwesenheit von Zuhörern, e<strong>in</strong>er Jury oder<br />

e<strong>in</strong>er scharfen Konkurrenzsituation (Probespiele<br />

und Wettbewerbe). Zum anderen s<strong>in</strong>d<br />

es die unsichtbaren „Kritiker im eigenen Kopf“,<br />

die e<strong>in</strong>em gelösten Auftritt häufig entgegenstehen.<br />

Die Workshops <strong>in</strong> mentalem Tra<strong>in</strong><strong>in</strong>g vermittelten<br />

gute Tipps, z. B. mit Hilfe von Klopftechniken<br />

der energetischen Psychologie die<br />

Nervosität zu bekämpfen und durch Bewusstmachung<br />

die „<strong>in</strong>neren Kle<strong>in</strong>macher“ auszuschalten.<br />

Dabei kann es darum gehen, die<br />

Suggestivkraft von stereotypen Glaubenssätzen<br />

auszuhebeln, sich vor sich selbst und<br />

damit auch vor anderen nicht kle<strong>in</strong>er zu machen,<br />

als man eigentlich ist, und sich se<strong>in</strong>es<br />

bereits Erreichten bewusst zu werden. Es<br />

gilt, die Gedanken und se<strong>in</strong>e Konzentration<br />

ganz auf den Auftritt, die meistens bewundernswert<br />

schöne Musik und auf das Musizieren<br />

zu fokussieren.<br />

Mit Rückenw<strong>in</strong>d zum Probespiel<br />

E<strong>in</strong>en besonderen Glücksfall erlebte zum<br />

Beispiel der Fagottstudent Stefan Kasper,<br />

der wenige Tage nach e<strong>in</strong>em Mentaltra<strong>in</strong><strong>in</strong>g-<br />

Workshop <strong>in</strong> unserer Klasse zum Probespiel<br />

bei der Orchesterakademie des Bayerischen<br />

Rundfunks antrat. Mit dem gerade taufrischen<br />

„Rückenw<strong>in</strong>d“ des <strong>in</strong>tensiven Auftrittstra<strong>in</strong><strong>in</strong>gs<br />

hatte er sich – selbstverständlich<br />

bei ebenso hervorragender musikalischer<br />

Vorbereitung – solch e<strong>in</strong>en Fundus an Selbstvertrauen<br />

und positiver Energie aufgebaut,<br />

dass er das Probespiel schließlich gewann.<br />

Im Workshop für mentales Tra<strong>in</strong><strong>in</strong>g simulierten<br />

die Teilnehmer auch allerhand Störfaktoren<br />

wie Lärm und störende Bewegungen<br />

im Raum, denen zum Trotz e<strong>in</strong> e<strong>in</strong>zelner Spieler<br />

se<strong>in</strong>en musikalischen Vortrag durchziehen<br />

musste. Auch die spezielle Auswertung<br />

von Videoaufnahmen des eigenen Auftretens<br />

offenbarte erstaunliche E<strong>in</strong>sichten. Überhaupt<br />

fördert mentales Tra<strong>in</strong><strong>in</strong>g mittelfristig<br />

die Fähigkeit, sich selbst beim aktiven Musizieren<br />

simultan besser wahrzunehmen –<br />

e<strong>in</strong>e weitaus komplexere, aber auch schöpferischere<br />

Fähigkeit als e<strong>in</strong>seitig rückwärtsgewandte<br />

Selbstreflexion, welche nur zu<br />

schnell auch <strong>in</strong> Selbstzerfleischung oder <strong>in</strong><br />

den „Notausgang“ Verdrängung umschlagen<br />

kann. Mentales Tra<strong>in</strong><strong>in</strong>g im Studium hat<br />

e<strong>in</strong>en besonders großen Effekt, wenn die<br />

Anregungen aus den Workshops (und der<br />

entsprechenden Literatur) mehr und mehr<br />

e<strong>in</strong>fließen <strong>in</strong> den Lern- und Lehralltag von<br />

Studierenden und Hauptfachlehrern, so dass<br />

zukünftige Workshops dann als Auffrischung<br />

jeweils zu e<strong>in</strong>er immer größeren <strong>in</strong>neren<br />

Sicherheit führen können.<br />

Arbeit am positiven Selbstwertgefühl<br />

Ganz wesentlich ist dabei die Erkenntnis,<br />

dass bei e<strong>in</strong>er so konstruktiv gearteten Arbeit<br />

am positiven Selbstwertgefühl nicht<br />

pathologisiert wird, man wird nicht zum<br />

„Patienten“. Im Gegenteil: Durch die geradezu<br />

methodisch-alltägliche Beschäftigung<br />

mit den eigenen <strong>in</strong>neren Baustellen durchläuft<br />

man auf e<strong>in</strong>mal so selbstverständlich


fühlbare <strong>in</strong>nere Lernprozesse wie sonst<br />

beim äußeren Erarbeiten schwerer tech-<br />

nischer Stellen am Instrument.<br />

Bemerkenswert bleibt für mich, dass mentales<br />

Tra<strong>in</strong><strong>in</strong>g für Musiker offenbar noch<br />

immer ke<strong>in</strong>e Selbstverständlichkeit darstellt.<br />

Aus dem Leistungssport ist es seit<br />

über 30 Jahren nicht mehr wegzudenken.<br />

Wir Musiker beg<strong>in</strong>nen ansche<strong>in</strong>end erst<br />

ganz allmählich, diese Form des Lernens<br />

<strong>in</strong> unseren Berufsalltag zu <strong>in</strong>tegrieren.<br />

Henrik Rabien, Professor für Fagott<br />

an der <strong>HfMDK</strong><br />

Von der Kraft der guten Gedanken<br />

Sänger und ihre Lehrenden entdecken den Chancenreichtum durch mentales Tra<strong>in</strong><strong>in</strong>g<br />

Sie kommen technisch bestens gerüstet aus<br />

e<strong>in</strong>em mehrjährigen Diplomstudium, beseelt<br />

von dem Wunsch, auf der Bühne Emotionen<br />

<strong>in</strong> Klang zu verwandeln. Und dann, kurz vor<br />

dem Auftritt, steigt das quälende Lampenfieber<br />

auf und unterbricht den künstlerischen<br />

Rausch der jungen Künstler womöglich zu<br />

Gunsten uralter Selbstzweifel. E<strong>in</strong>e bedauerliche<br />

Vorstellung, der die Gesangsabteilung<br />

der <strong>HfMDK</strong> mit e<strong>in</strong>em Workshop <strong>in</strong> mentalem<br />

Tra<strong>in</strong><strong>in</strong>g unter professioneller Anleitung<br />

von Petra Keßler begegnet ist: Die jungen<br />

Sänger<strong>in</strong>nen und Sänger befassten sich dabei<br />

mit mentalen Hilfsmöglichkeiten, die die<br />

studierte Flötist<strong>in</strong> und Mentaltra<strong>in</strong>er<strong>in</strong> den<br />

Studierenden zum täglichen Gebrauch anbot.<br />

Mehr noch: Auch die Lehrenden des Faches<br />

Gesang tauschten bereits im Beise<strong>in</strong> der<br />

Coacher<strong>in</strong> ihre Erfahrungen mit mentalen<br />

Blockaden und Hilfen, sie zu lösen, aus. Das<br />

E<strong>in</strong>geständnis von eigenem Lampenfieber<br />

schuf e<strong>in</strong>e vertrauensvolle Atmosphäre von<br />

Offenheit, aber auch e<strong>in</strong> enormes Bewusstse<strong>in</strong><br />

für die Verantwortung der Lehrenden:<br />

Der e<strong>in</strong>em Sänger im frühen Semester <strong>in</strong><br />

bester Absicht zugeworfene Satz „Die Arie<br />

ist zu schwer für Dich“ gehört beispielsweise<br />

zu jenen negativen Glaubenssätzen, die<br />

Lehrer ungewollt über Jahre im Selbstbild<br />

ihrer Schüler verankern können. Mentales<br />

Tra<strong>in</strong><strong>in</strong>g legt das Schadenspotenzial solcher<br />

pädagogischen Faux pas offen und setzt den<br />

Hebel <strong>in</strong> genau umgekehrter Richtung an:<br />

Eigene, konstruktiv formulierte Glaubenssätze,<br />

die ermutigen und sich den Blick auf<br />

„Petra Keßler hat gezeigt und<br />

bewiesen, wie existentiell das mentale<br />

Tra<strong>in</strong><strong>in</strong>g für jeden e<strong>in</strong>zelnen Musiker<br />

ist. Das hat mir e<strong>in</strong>e unglaubliche Ruhe<br />

und Zuversicht gegeben. Zu wissen, dass<br />

ich durch die Stärkung der positiven<br />

Gedanken me<strong>in</strong>e Ängste vor e<strong>in</strong>em Auftritt<br />

überw<strong>in</strong>den und vor e<strong>in</strong>em Vors<strong>in</strong>gen<br />

oder bei Krankheit me<strong>in</strong>en Stimmapparat<br />

re<strong>in</strong> gedanklich tra<strong>in</strong>ieren kann, ist<br />

fasz<strong>in</strong>ierend und wunderbar.“<br />

Nohad Becker,<br />

Gesangsstudent<strong>in</strong><br />

das bereits Erreichte nicht vom Horizont<br />

des noch nicht Erreichten verstellen lassen,<br />

können helfen, unterbewusst manifestierte<br />

Ängste zu entkräften, sie geradezu <strong>in</strong>s Gegenteil<br />

zu verkehren. Der Satz „Ich b<strong>in</strong> gut<br />

und schaffe das“, e<strong>in</strong>geklebt <strong>in</strong> die Notenmappe,<br />

mit der e<strong>in</strong> Sänger zum Vors<strong>in</strong>gen<br />

ersche<strong>in</strong>t, ist daher mehr als nur e<strong>in</strong>e naive<br />

Dosis e<strong>in</strong>es selbst verabreichten Placebos.<br />

Mentales Tra<strong>in</strong><strong>in</strong>g sollte gerade <strong>in</strong> der Gesangsausbildung<br />

zur Selbstverständlichkeit<br />

im Fächerkanon gehören, zumal Sänger ihr<br />

Instrument stets „bei sich tragen“ und ihr<br />

musikalischer Ausdruck unmittelbarer als<br />

bei Instrumentalisten von der körperlichen<br />

Verfassung des Augenblicks abhängig ist.<br />

E<strong>in</strong> durch Aufregung krampfender Atemapparat<br />

kann schlimmstenfalls den Tonansatz<br />

völlig vereiteln. Mentales Üben sollte für<br />

e<strong>in</strong>en Sänger ohneh<strong>in</strong> zum Übe-Repertoire<br />

gehören: Auch das gedankliche Repetieren<br />

e<strong>in</strong>er Arie nur im Kopf kann e<strong>in</strong>e Form des<br />

Lähmende Auftrittsangst kann bei Sängern die<br />

Atmung und damit unmittelbar den Klang bee<strong>in</strong>flussen.<br />

E<strong>in</strong> Workshop <strong>in</strong> der Gesangsabteilung<br />

hat geholfen, dem Lampenfieber nicht hilflos<br />

ausgeliefert zu se<strong>in</strong>.<br />

11<br />

„Ich f<strong>in</strong>de es gut, dass das Thema<br />

Auftrittsangst nicht totgeschwiegen<br />

wird. Mentales Tra<strong>in</strong><strong>in</strong>g ergänzt e<strong>in</strong>fach<br />

optimal den Unterricht. Erst, wenn man<br />

auf der Bühne sicher rüberkommt,<br />

kann man das, was man musikalisch<br />

gelernt hat, wirklich präsentieren.“<br />

Sarah Sachs,<br />

KE-Student<strong>in</strong> Fagott<br />

Lernens se<strong>in</strong>. Die Möglichkeiten, Erfolge als<br />

solche vor sich selbst anzuerkennen, mit<br />

Niederlagen selbstbewusst umzugehen und<br />

sich realistische Nah- und Fernziele zu stekken,<br />

lernen die Studierenden im mentalen<br />

Tra<strong>in</strong><strong>in</strong>g ebenfalls kennen. Und wer hätte<br />

gedacht, dass e<strong>in</strong>e lang geschwungene Brüstung<br />

im Konzertsaal e<strong>in</strong>e Hilfe beim Gesangsauftritt<br />

se<strong>in</strong> kann: An ihr während e<strong>in</strong>er ausgedehnten<br />

Legato-L<strong>in</strong>ie optisch entlangzufahren,<br />

kann e<strong>in</strong>e spürbare Hilfe se<strong>in</strong>, den<br />

Atem <strong>in</strong> souveräner Ruhe gestützt zu führen.<br />

Ob Lehrende lernen, beim Unterrichten die<br />

Kraft des Lobes e<strong>in</strong>zusetzen oder Studierende<br />

beg<strong>in</strong>nen, ihr eigenes „Erfolgstagebuch“<br />

zu schreiben: Alles, was hilft, e<strong>in</strong>en barrierefreien<br />

Weg zu den eigenen Potenzialen zu<br />

ebnen, ist e<strong>in</strong>e unbed<strong>in</strong>gte Voraussetzung<br />

zur Entfaltung der Künstlerpersönlichkeit.<br />

E<strong>in</strong> Kampf der Befreiung, bei dem es ke<strong>in</strong>e<br />

Verlierer gibt.<br />

Heidrun Kordes, Professor<strong>in</strong> für Gesang<br />

an der <strong>HfMDK</strong>


1 <strong>Frankfurt</strong> <strong>in</strong> <strong>Takt</strong> 09/1<br />

Auch <strong>in</strong> der Vermittlung<br />

macht der Ton die Musik<br />

Die Qualität der Kommunikation entscheidet mit<br />

über den Lehrerfolg<br />

Von Sibylle Cada, Honorarprofessor<strong>in</strong> für Klavier und Klaviermethodik<br />

Wenn Sie an Ihren eigenen früheren Unterricht und an Ihre Lehrer<br />

zurückdenken: An was er<strong>in</strong>nern Sie sich am stärksten? Er<strong>in</strong>nern Sie<br />

sich spontan an bestimmte konkrete Lern<strong>in</strong>halte und Informationen<br />

oder doch eher etwa an e<strong>in</strong>e charakteristische Art des Sprechens oder<br />

typische Gesten Ihrer Lehrer? Mit Sicherheit werden sich vor allem<br />

Emotionen e<strong>in</strong>stellen. Emotionen, die davon geprägt s<strong>in</strong>d, wie akzeptiert<br />

wir uns als Person gefühlt haben, wie viel Vertrauen <strong>in</strong> unsere<br />

Fähigkeiten wir empfunden und Unterstützung unserer Anstrengungen<br />

wir erlebt haben. Möglicherweise tauchen negative Gefühle auf, Er<strong>in</strong>nerungen<br />

an Des<strong>in</strong>teresse, Abhängigkeit oder Demütigungen. In unserem<br />

Gedächtnis s<strong>in</strong>d das Was des Lernens (die Inhalte) und das Wie<br />

des Lernens (der Beziehungsstil, die gelungene ebenso wie die misslungene<br />

Kommunikation) untrennbar mite<strong>in</strong>ander verbunden. Um es<br />

noch po<strong>in</strong>tierter auszudrücken: Die Qualität der Kommunikation ist<br />

Voraussetzung für e<strong>in</strong>en wirkungsvollen, also nachhaltigen Lehrprozess.<br />

Der bekannte Psychologe Paul Watzlawick formuliert: „Der Beziehungsaspekt<br />

def<strong>in</strong>iert den Sachaspekt.“ Wissenschaftliche Belege für diese<br />

Gesetzmäßigkeit f<strong>in</strong>den sich längst auch <strong>in</strong> den modernen Neurowissenschaften.<br />

Die <strong>in</strong>strumentalpädagogische Interaktion ruht auf drei Säulen: der<br />

künstlerisch-fachlichen, der didaktisch-methodischen und der kommunikativen<br />

Kompetenz. Der Vermittlungsaspekt gew<strong>in</strong>nt zunehmend an<br />

Bedeutung (Vom „Primat der Vermittlung“ sprach der Musikrat vor<br />

e<strong>in</strong>igen Jahren <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Resolution). Diese Fokussierung fand ihren Niederschlag<br />

<strong>in</strong> e<strong>in</strong>er großen Zahl (häufig vorzüglicher) Veröffentlichungen:<br />

mit kreativen (fach-) didaktischen Konzepten, mit Anregungen für e<strong>in</strong><br />

reichhaltigeres Methodenrepertoire sowie mit e<strong>in</strong>er Fülle an lernpsychologisch<br />

fundierten Übe- und Lernstrategien. Kaum etwas f<strong>in</strong>det sich<br />

allerd<strong>in</strong>gs zu der entscheidenden Frage: „Wie sag ich’s me<strong>in</strong>em K<strong>in</strong>de?“<br />

Man kann sicher davon ausgehen, dass erfahrene Lehrende z. B. <strong>in</strong><br />

ihren Didaktik-Sem<strong>in</strong>aren kommunikative Aspekte thematisieren; spezielle<br />

Sem<strong>in</strong>arangebote zu dieser Thematik s<strong>in</strong>d <strong>in</strong> Vorlesungsverzeichnissen<br />

jedoch nicht zu f<strong>in</strong>den. Angesichts der komplexen und subtilen<br />

psychologischen Struktur von Schüler-Lehrer-Beziehungen stellt sich<br />

schon die Frage, ob unser Alltagswissen über menschliche Interaktion,<br />

unser „gesunder Menschenverstand“, für e<strong>in</strong>e kompetente und<br />

wirkungsvolle dritte Säule ausreicht.<br />

Macht- und Kompetenzgefälle<br />

Das System Schüler-Lehrer ist im allgeme<strong>in</strong>en Bewusstse<strong>in</strong> – und<br />

somit auch im Bewusstse<strong>in</strong> der Beteiligten – durch e<strong>in</strong>e sozial def<strong>in</strong>ierte<br />

Rollenverteilung gekennzeichnet. Daraus kann e<strong>in</strong> hierarchisches<br />

Machtgefälle entstehen, das beide – Lehrer wie Schüler – oft<br />

nicht <strong>in</strong> Zweifel ziehen, ja es oft nicht e<strong>in</strong>mal bemerken und es gerade<br />

dadurch stabilisieren. E<strong>in</strong>e andere Balance kann entstehen, wenn wir


<strong>Frankfurt</strong> <strong>in</strong> <strong>Takt</strong> 09/1<br />

oben l<strong>in</strong>ks: Kommunikation ist kreisförmige<br />

Interaktion – Die <strong>Frankfurt</strong>er Geigenprofessor<strong>in</strong><br />

Julia Fischer bei e<strong>in</strong>em Kammermusikkurs<br />

an der <strong>HfMDK</strong>, bei dem sie selbst Teil des<br />

musizierenden Ensembles war.<br />

oben rechts: Angeregte musikalische<br />

Kommunikation im Kammermusikkurs von<br />

Prof. Angelika Merkle.<br />

unten: „Man kann nicht nicht kommunizieren“,<br />

behauptet der Kommunikationstheoretiker<br />

Paul Watzlawick. Für die<br />

Musik gilt dies genauso.<br />

stattdessen von e<strong>in</strong>em Kompetenzgefälle sprechen und Lehrende <strong>in</strong><br />

der Lage s<strong>in</strong>d, überkommene Rollenmuster zu reflektieren und e<strong>in</strong>e<br />

im besten S<strong>in</strong>ne partnerschaftliche Interaktion zu gestalten.<br />

13<br />

Im Sommer-Semester 2005 haben wir erstmals an unserer Hochschule<br />

– zunächst als Pilotprojekt – im Rahmen musikpädagogischer Veranstaltungen<br />

e<strong>in</strong> Sem<strong>in</strong>ar zum Thema „Unterrichtskommunikation“ angeboten.<br />

Interesse und Zuspruch seitens der Studierenden waren und<br />

s<strong>in</strong>d bis heute höchst erfreulich. Der folgende kurze Überblick über<br />

Arbeits<strong>in</strong>halte mag e<strong>in</strong>en E<strong>in</strong>druck von den komplexen psychologischen<br />

Bed<strong>in</strong>gungen menschlicher Interaktion vermitteln.<br />

Paul Watzlawicks erstes Axiom „Man kann nicht nicht kommunizieren“<br />

trifft für das Mite<strong>in</strong>ander von Lernenden und Lehrenden une<strong>in</strong>geschränkt<br />

zu. Dass dieses Mite<strong>in</strong>ander <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em def<strong>in</strong>ierten Kontext (Unterricht)<br />

mit def<strong>in</strong>ierten Rollen (Schüler und Lehrer) stattf<strong>in</strong>det, stellt zunächst<br />

e<strong>in</strong>en positiven Rahmen dar, kann dann jedoch für e<strong>in</strong>en erfolgreichen<br />

Interaktionsprozess h<strong>in</strong>derlich se<strong>in</strong>, wenn die Beteiligten <strong>in</strong> ihrem Rollenverhalten<br />

erstarren. Der bekannte Kommunikationspsychologe<br />

Friedemann Schulz von Thun spricht von stimmiger Kommunikation,<br />

wenn sie sowohl situationsadäquat als auch authentisch ist.<br />

Kreisförmige Interaktion<br />

Lehrende haben e<strong>in</strong> natürliches Interesse, ihr Wissen und Können an<br />

ihre Schüler weiterzugeben, ihnen ihre Sicht der D<strong>in</strong>ge nahezubr<strong>in</strong>gen.<br />

Wenn dies nicht recht gel<strong>in</strong>gt, wenn also Schwierigkeiten auftreten,<br />

stellen sich Lehrende meist zunächst die Frage danach, wie sie den<br />

Schüler, se<strong>in</strong> Verhalten verändern können. Wir alle wissen, dass wir<br />

mit e<strong>in</strong>em solchen Anliegen häufig scheitern. Die Psycholog<strong>in</strong> Ruth<br />

Cohn, deren Konzept der „Themenzentrierten Interaktion“ e<strong>in</strong> hervorragendes<br />

Instrument zu pädagogischer Reflexion darstellt, drückt es<br />

so aus: „Was mache ich mit mir, wenn der andere nicht so ist, wie<br />

ich ihn haben möchte?“ E<strong>in</strong>e Frage, die zunächst e<strong>in</strong>mal deutlich<br />

macht, dass menschliche Interaktion pr<strong>in</strong>zipiell ke<strong>in</strong>e „E<strong>in</strong>bahnstraße“<br />

darstellt, sondern „kreisförmig“ (Watzlawick) verläuft. Zudem br<strong>in</strong>gt<br />

sie den systemischen Gedanken zum Ausdruck, dass wir es bei<br />

jeglicher Kommunikation (auch der pädagogischen!) mit e<strong>in</strong>em<br />

lebendigen, auf Entwicklung und Veränderung ausgerichteten<br />

Wechselspiel zu tun haben. Das „S<strong>in</strong>nbild“ des Cohnschen Modells<br />

ist das Dreieck, <strong>in</strong> dem die Sache, das Ich und das Wir <strong>in</strong> produktiver<br />

Balance s<strong>in</strong>d: Schüler und Lehrer s<strong>in</strong>d auf e<strong>in</strong> geme<strong>in</strong>sames Interesse,<br />

auf e<strong>in</strong> geme<strong>in</strong>sames Ziel fokussiert, können sich mit ihren Stärken<br />

und Schwächen e<strong>in</strong>br<strong>in</strong>gen und sich mit gegenseitiger Wertschätzung<br />

begegnen. E<strong>in</strong> wirkungsvoller und Konsens-orientierter Lernprozess<br />

und die Zufriedenheit der Beteiligten s<strong>in</strong>d Faktoren<br />

gel<strong>in</strong>gender Unterrichtskommunikation.<br />

Jeder von uns kennt aus eigenem Erleben oder aus Beobachtungen,<br />

dass sich die Interaktion zwischen Schüler und Lehrer als problema


1 <strong>Frankfurt</strong> <strong>in</strong> <strong>Takt</strong> 09/1<br />

oben: Die Kommunikationsqualität wird durch die Fähigkeit<br />

der Kommunikationspartner zum Perspektivwechsel positiv<br />

bee<strong>in</strong>flusst.<br />

unten: Sibylle Cada, hier im Bild mit Studierenden <strong>in</strong><br />

ihrem Klavier-Methodikunterricht, hat sich <strong>in</strong>tensiv mit<br />

Fragen der Kommunikation zwischen Lehrer und<br />

Schüler ause<strong>in</strong>andergesetzt.<br />

tisch darstellen oder auch empf<strong>in</strong>dlich gestört se<strong>in</strong> kann. Möglicher-<br />

weise tauchen <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er bestimmten Phase Schwierigkeiten auf, die<br />

auf unterschiedlichste aktuelle E<strong>in</strong>flüsse und Faktoren zurückzuführen<br />

s<strong>in</strong>d. Andererseits können ernsthafte Störungen auch „system-immanent“<br />

se<strong>in</strong>. Dann benötigen wir Analyse-Instrumente – Erklärungsmodelle<br />

menschlicher Interaktion – um mögliche Ursachen und H<strong>in</strong>tergründe<br />

besser verstehen zu können. Dabei geht es ausschließlich<br />

darum, das Kommunikationsgeschehen zu betrachten. Menschen<br />

neigen dazu, das Verhalten anderer Menschen „psychologisch“ zu<br />

<strong>in</strong>terpretieren – Pädagogen s<strong>in</strong>d da möglicherweise besonders gefährdet.<br />

Solche Interpretationen s<strong>in</strong>d höchst problematisch: Sie „zementieren“<br />

E<strong>in</strong>schätzungen und Beurteilungen und stehen im Gegensatz<br />

zum eigentlich dynamischen Charakter von Entwicklung. Wir alle<br />

kennen das ungute Gefühl, uns nicht <strong>in</strong> unserem jeweiligen Verhalten,<br />

sondern als ganze Person bewertet zu fühlen. Da das Feedback, Rückmeldungen<br />

über Leistungen wie auch Fehler, e<strong>in</strong> zentraler Faktor von<br />

Unterrichten ist, sollten wir als Pädagogen <strong>in</strong> unserer Kommunikation<br />

hier besondere Achtsamkeit (Sachbezogenheit) walten lassen.<br />

„Wie me<strong>in</strong>e Botschaft angekommen ist, weiß ich erst, wenn ich die Antwort<br />

kenne.“ Es ist e<strong>in</strong>e Wesenseigenschaft, somit auch e<strong>in</strong>e naturgegebene<br />

Schwierigkeit von Kommunikation, dass wir Mitteilungen<br />

ausschließlich aus unserem eigenen Blickw<strong>in</strong>kel wahrnehmen können.<br />

Das beg<strong>in</strong>nt schon damit, dass wir ke<strong>in</strong>eswegs davon ausgehen können,<br />

dass unsere Kommunikationspartner Wörter und Begriffe verstehen<br />

wie wir. Insbesondere wissen wir zunächst nicht, wie diese beim<br />

anderen aus se<strong>in</strong>er Lebens- und Lernerfahrung emotional „besetzt“<br />

s<strong>in</strong>d.*) Wollen wir Missverständnisse <strong>in</strong> der Kommunikation vermeiden<br />

und uns vor allem <strong>in</strong> der pädagogischen Situation wirkungsvoll mitteilen,<br />

s<strong>in</strong>d Klärung und Verständigung notwendig.<br />

„Vier Münder und vier Ohren“<br />

In der Interaktion s<strong>in</strong>d wir als Kommunikationspartner pr<strong>in</strong>zipiell darauf<br />

angewiesen, Mitteilungen zu entschlüsseln (dekodieren).**) E<strong>in</strong>e<br />

Inkongruenz zwischen verbaler Äußerung und widersprüchlicher Körpersprache<br />

nehmen wir relativ schnell wahr. Schwieriger ist die Antwort<br />

auf die Frage: Was me<strong>in</strong>t jemand mit dem, was er sagt? Zu was


<strong>Frankfurt</strong> <strong>in</strong> <strong>Takt</strong> 09/1<br />

möchte mich me<strong>in</strong> Partner veranlassen? Was teilt mir jemand<br />

über sich selbst mit und darüber, wie er zu mir steht? Von<br />

Friedemann Schulz von Thun stammt die <strong>in</strong>zwischen wohl<br />

recht bekannte Denkfigur des „Nachrichtenquadrats“. Sie<br />

besagt: Jede sachliche Botschaft enthält auch e<strong>in</strong>en Anteil an<br />

Selbstkundgabe, an Mitteilung über die E<strong>in</strong>schätzung der<br />

Beziehungsqualität wie auch e<strong>in</strong>en Verhaltensappell. Dass wir<br />

nicht nur mit „vier Mündern“ reden, sondern auch mit „vier<br />

Ohren“ hören, vere<strong>in</strong>facht Kommunikationsstrukturen nicht<br />

gerade. Für e<strong>in</strong>e ausführlichere Darstellung ist hier nicht der<br />

Raum. Gleiches gilt für den für die Pädagogik <strong>in</strong>struktiven<br />

Ansatz, den die Transaktionsanalyse anbietet: Sie geht davon<br />

aus, dass wir aus unterschiedlichen, biografisch erworbenen<br />

Ich-Zuständen heraus <strong>in</strong>teragieren.<br />

Jede Kommunikation hat ihre eigene Wirklichkeit<br />

Fazit: Fachkompetenz vorausgesetzt, ist Kommunikation der<br />

eigentliche Träger des Unterrichtsgeschehens. Jede sachliche<br />

Mitteilung ist persönlich gefärbt. Jede Kommunikation zwischen<br />

Menschen hat ihre eigene Wirklichkeit und ist immer wieder neu<br />

zu gestalten. Kommunikation ist e<strong>in</strong> dynamisches Wechselspiel<br />

zwischen den Beteiligten. Die Kommunikationsqualität wird<br />

durch die Fähigkeit der Kommunikationspartner zum Perspektivwechsel<br />

positiv bee<strong>in</strong>flusst. Gel<strong>in</strong>gende Kommunikation ermöglicht<br />

Lehrenden wie Lernenden, im künstlerischen Lernprozess<br />

ihre Ressourcen zu entfalten. Die Qualität der Unterrichtskommunikation<br />

sollte nicht dem Zufall überlassen bleiben. Sie sollte<br />

Gegenstand e<strong>in</strong>er zeitgemäßen Ausbildung se<strong>in</strong> ebenso wie<br />

des <strong>in</strong>ternen kollegialen Austausches.<br />

*) Beim Begriff „Leistung“ beispielsweise sprechen Studierende im<br />

Sem<strong>in</strong>ar von Belastung, Druck und Angst e<strong>in</strong>erseits wie von Selbstbewusstse<strong>in</strong>,<br />

Befriedigung und Motivation andererseits.<br />

**) Wie e<strong>in</strong>e Mitteilung geme<strong>in</strong>t ist oder se<strong>in</strong> kann, wird durch Körpersprache<br />

(Mimik, Gestik, Tonfall) qualifiziert. Gerade im Unterrichtsprozess<br />

ist Körpersprache wesentliches Kommunikationsmittel. Jedoch s<strong>in</strong>d auch<br />

nonverbale Mitteilungen mehrdeutig. Wie deuten wir beispielsweise das<br />

Schweigen e<strong>in</strong>er Schüler<strong>in</strong>? Denkt sie gerade über e<strong>in</strong>e Problemlösung<br />

nach? Ist sie verunsichert? Ist sie im Moment nicht „ganz da“… ? Wie<br />

versteht e<strong>in</strong> Schüler me<strong>in</strong> Schweigen? Suche ich nach e<strong>in</strong>er Lösung für<br />

e<strong>in</strong> Problem? B<strong>in</strong> ich enttäuscht von se<strong>in</strong>em Spiel? S<strong>in</strong>d me<strong>in</strong>e Gedanken<br />

gerade bei etwas ganz Persönlichem … ? Hier s<strong>in</strong>d e<strong>in</strong>deutige „Ich-<br />

Botschaften“ geeignet, zur Klärung beizutragen.<br />

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1 <strong>Frankfurt</strong> <strong>in</strong> <strong>Takt</strong> 09/1<br />

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<strong>in</strong> e<strong>in</strong>e ausgezeichnete Lehre?<br />

Team Teach<strong>in</strong>g für Gesangsstudierende<br />

Als Enja Riegel 1997 die Helene-Lange-Schule<br />

<strong>in</strong> Wiesbaden als Direktor<strong>in</strong> übernahm, wurde<br />

sie von der Lehrerschaft <strong>in</strong> Trauerkleidern<br />

empfangen. Als sie im vergangenen Jahr <strong>in</strong><br />

den Ruhestand g<strong>in</strong>g, bereitete man der Direktor<strong>in</strong><br />

der <strong>in</strong> der Pisa-Studie als beste deutsche<br />

Schule ausgezeichneten Lehranstalt e<strong>in</strong> fünftägiges<br />

Abschiedsfest. Was war geschehen?<br />

Enja Riegel hatte neue Formen des Lehrens<br />

auf ihre Schule angewandt – Formen, von<br />

denen sie und ihre Kollegen sagen, sie unterrichteten<br />

nicht die Fächer, sondern die Schüler.<br />

Zu diesen neuen Formen gehörte auch<br />

das Team Teach<strong>in</strong>g.<br />

„Team Teach<strong>in</strong>g ist e<strong>in</strong>e kooperative Lehrmethode,<br />

bei der zwei oder auch mehr Personen<br />

geme<strong>in</strong>sam e<strong>in</strong>e Lerngruppe unterrichten. Die<br />

Methode sollte idealtypisch sowohl das Lehrerteam<br />

als auch die Lernenden mit e<strong>in</strong>beziehen.<br />

(…) Dabei können die unterschiedlichen<br />

didaktischen Erfahrungen den Nährboden für<br />

e<strong>in</strong> vielfältiges und lernzentriertes methodisches<br />

Vorgehen bilden. Zugleich wird der e<strong>in</strong>zelne<br />

Lehrende durch die Zusammenarbeit<br />

entlastet, aber auch stärker <strong>in</strong> se<strong>in</strong>en didaktischen<br />

Gewohnheiten und Verhaltensweisen<br />

kollegial supervidiert. (…) Damit lassen sich<br />

die Lernprozesse der Lerner gezielter fördern,<br />

es kann größere Unterstützung gewährt werden<br />

und der Unterricht kann vielgestaltiger<br />

und <strong>in</strong>teressanter werden. Insbesondere fördern<br />

sich aber auch die Lehrenden untere<strong>in</strong>ander,<br />

wenn sie es zu Teamwork br<strong>in</strong>gen,<br />

d.h. wenn beide oder mehrere ihre Kompetenzen<br />

<strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Mit- und nicht <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em<br />

Gegene<strong>in</strong>ander e<strong>in</strong>br<strong>in</strong>gen.“ *)<br />

Dieses Modell, welches für Schulen entwickelt<br />

wurde, ist sicher nicht e<strong>in</strong>s zu e<strong>in</strong>s<br />

auf e<strong>in</strong>e Hochschule übertragbar; aber der<br />

Gedanke des besseren Vernetzens von Unterrichten<br />

stand schon lange im Raum und<br />

wurde vor e<strong>in</strong>em Jahr an der <strong>HfMDK</strong> konkret<br />

<strong>in</strong> Angriff genommen.<br />

Gesangsstudierende verbr<strong>in</strong>gen – wie Studierende<br />

aller Solofächer – e<strong>in</strong>en Großteil ihrer<br />

Hauptfach-Ausbildung im E<strong>in</strong>zel-Unterricht:<br />

E<strong>in</strong>zelstunden mit dem Gesangslehrer, E<strong>in</strong>zelstunden<br />

<strong>in</strong> der Korrepetition, der Sprech-<br />

Erziehung, E<strong>in</strong>zelstunden im szenischen<br />

Unterricht.<br />

Die Studierenden s<strong>in</strong>d E<strong>in</strong>zelunterrichten<br />

„ausgesetzt“, <strong>in</strong> denen Lehrende nicht wissen,<br />

was <strong>in</strong> den anderen Unterrichten geschieht<br />

und sich demzufolge auch nicht auf<br />

die Unterrichte ihrer Kollegen beziehen (können).<br />

Folglich erlangt der Studierende zum<br />

Teil sehr unterschiedliche Ansichten zu Tempo<br />

und Interpretation, ohne die Möglichkeit<br />

zu haben, die unterschiedlichen Ansichten<br />

geme<strong>in</strong>sam zu diskutieren, gegene<strong>in</strong>ander<br />

abzuwägen und zu e<strong>in</strong>em zusammenfassenden<br />

Ergebnis zu kommen.<br />

Wir haben im vergangenen Jahr e<strong>in</strong>en ersten<br />

Anfang gemacht, <strong>in</strong>dem sich <strong>in</strong> der ersten<br />

l<strong>in</strong>ks: Team Teach<strong>in</strong>g ist bei der<br />

Vorbereitung von szenischen<br />

Abenden und Opern<strong>in</strong>szenierungen<br />

an der <strong>HfMDK</strong> üblich: Gesangsprofessoren,<br />

Korrepetitoren, Dirigenten<br />

und Regisseure arbeiten mit den<br />

Studierenden geme<strong>in</strong>sam Hand <strong>in</strong><br />

Hand.<br />

rechts: Im Fachbereich 3 (Darstel-<br />

lende Kunst) gehören Treffen aller<br />

Dozenten mittlerweile fest zum<br />

Term<strong>in</strong>plan e<strong>in</strong>es Semesters.<br />

Woche vor Beg<strong>in</strong>n der Arbeit an e<strong>in</strong>er Szene<br />

alle Beteiligten, d.h. die Studierenden, der<br />

Lehrende für szenischen Unterricht, die Solorepetitoren,<br />

die Studierenden der Korrepetitionsklassen,<br />

die diese Szenen am Klavier<br />

begleiten, die Dirigenten bzw. musikalischen<br />

Verantwortlichen und die Gesangslehrer zusammensetzten,<br />

um Tempo, dramatische<br />

Grundausrichtung, sängerische Probleme<br />

etc. mite<strong>in</strong>ander zu besprechen. Danach war<br />

es jedem Lehrenden möglich, sich <strong>in</strong> se<strong>in</strong>em<br />

E<strong>in</strong>zelunterricht auf das geme<strong>in</strong>same Ziel<br />

zu beziehen.<br />

Solorepetitoren besuchen ab und zu die<br />

Gesangsunterrichte, um der Lösung der angemessenen<br />

Tempi, der technischen Probleme<br />

und der musikalischen Gestaltung<br />

geme<strong>in</strong>sam nachzugehen.<br />

Die Gesangslehrer nahmen an e<strong>in</strong>er Gruppenstunde<br />

im Fach „Atem und Bewegung“ teil,<br />

und die Dozent<strong>in</strong> für dieses Fach besuchte<br />

wiederum e<strong>in</strong>e Woche lang die E<strong>in</strong>zelunterrichte<br />

im Fach Gesang, um den Gesangsdozenten<br />

e<strong>in</strong>e Hilfestellung bei der Behebung<br />

von Verspannungen und Haltungsfehlern<br />

zu geben.<br />

Auch die Studierenden müssen bereit se<strong>in</strong>,<br />

dieses Modell mitzutragen: Ab und zu e<strong>in</strong>e<br />

Gesangsstunde zu „opfern“, damit der Gesangslehrer<br />

im szenischen Unterricht beobachten<br />

kann, ob das <strong>in</strong> der Gesangsstunde<br />

Erlernte auch <strong>in</strong> der szenischen Darstellung<br />

„funktioniert“, um es dann im Gesangsunterricht<br />

weiter zu verbessern, verlangt von<br />

Studierenden das Umdenken dah<strong>in</strong>, dass


<strong>Frankfurt</strong> <strong>in</strong> <strong>Takt</strong> 09/1<br />

„Den Drachen nicht töten, sondern reiten!“ –<br />

Aggressionstra<strong>in</strong><strong>in</strong>g trägt auf der Bühne<br />

e<strong>in</strong>drucksvolle Früchte.<br />

dies ke<strong>in</strong> Opfer ist, sondern der künstleri-<br />

schen Entwicklung dient, weil Dozenten auf-<br />

e<strong>in</strong>ander bezogen und nicht konkurrierend<br />

arbeiten.<br />

Seit dem W<strong>in</strong>tersemester 2008/2009 bieten<br />

die Gesangsdozenten „offene Klassenstunden“<br />

an: Ungefähr e<strong>in</strong>mal pro Monat<br />

unterrichtet e<strong>in</strong>e/r der Gesangsdozenten<br />

Studierende ihrer/se<strong>in</strong>er Klasse vor allen<br />

<strong>in</strong>teressierten Studierenden und Dozenten<br />

der Abteilung. Anschließend f<strong>in</strong>det e<strong>in</strong> Me<strong>in</strong>ungsaustausch<br />

der Dozenten untere<strong>in</strong>ander<br />

statt. Hier werden Unterrichtsmethoden<br />

kommentiert, Verbesserungsvorschläge gemacht,<br />

Ergebnisse diskutiert.<br />

Wir s<strong>in</strong>d überzeugt davon, dass dieses<br />

Modell, das neben viel F<strong>in</strong>gerspitzengefühl,<br />

e<strong>in</strong>em respektvollen Umgang und großer<br />

Offenheit mite<strong>in</strong>ander auch die Bereitschaft<br />

verlangt, sich selbst immer wieder <strong>in</strong> Frage<br />

zu stellen, uns zu besseren Lehrenden macht<br />

und der <strong>Frankfurt</strong>er Gesangsausbildung e<strong>in</strong>e<br />

ganz besondere Qualität verleiht, weil im<br />

Unterricht die Studierenden im Mittelpunkt<br />

stehen und nicht die Fächer.<br />

Hedwig Faßbender, Professor<strong>in</strong> für Gesang,<br />

Direktor<strong>in</strong> des Ausbildungsbereichs Gesang/<br />

Musiktheater, Dekan<strong>in</strong> für Darstellende Kunst<br />

*) www.methodenpool.uni-koeln.de/<br />

teamteach<strong>in</strong>g<br />

Lernen unter<br />

Produktionsbed<strong>in</strong>gungen<br />

Angehende Opernsänger kommen an der <strong>HfMDK</strong> mit e<strong>in</strong>er Fülle<br />

von Kompetenzen rund um den Bühnenauftritt <strong>in</strong> Kontakt<br />

Der Ausbildungsbereich Operngesang vere<strong>in</strong>t<br />

mannigfaltige Ansätze, se<strong>in</strong>e Studierenden<br />

auf die Bühnenwelt vorzubereiten. Stefan<br />

Bastians, Professor für Szenischen Unterricht<br />

an der <strong>HfMDK</strong>, stellt dar, welche Anforderungen<br />

e<strong>in</strong> Gesangsstudium se<strong>in</strong>er Ansicht<br />

nach erfüllen muss. Des weiteren erläutert<br />

er das von ihm angebotene Aggressionstra<strong>in</strong><strong>in</strong>g<br />

als <strong>in</strong>novative Möglichkeit, den jungen<br />

Darstellern e<strong>in</strong>en optimalen Zugang zu ihren<br />

Ausdrucksmöglichkeiten zu verschaffen.<br />

Künstlerische Arbeit ist gesellschaftliche<br />

Arbeit, und wenn Gesang öffentliche Kunst<br />

ist, trägt Aufführungserfahrung entscheidend<br />

zur Wirksamkeit bei. Der Umgang<br />

mit Publikum ist daher Teil des Unterrichts.<br />

Produktionen und Prüfungsarbeiten werden<br />

nicht nur <strong>in</strong>tern, sondern auch vor Publikum<br />

gezeigt.<br />

Der Vorbereitung auf die Praxis dienen auch<br />

Kenntnisse <strong>in</strong> Dramaturgie, Ausstattung, Bühnentechnik<br />

und Theaterorganisation, z.B. im<br />

Erstellen und Realisieren von konzeptionell<br />

<strong>in</strong>teressanten, kle<strong>in</strong>eren Projekten. Kompetenz<br />

<strong>in</strong> diesen Bereichen fördert die Selbständigkeit<br />

und Handlungsfähigkeit und bildet<br />

e<strong>in</strong>e wichtige Voraussetzung für die Lebensfähigkeit<br />

des Künstlers. Die wesentliche<br />

Vorbereitung auf die praktische Arbeit aber<br />

f<strong>in</strong>det im Unterricht selbst statt.<br />

Der Sänger soll sich nicht nur als Rezipient,<br />

sondern auch als kreierender, konzipierender<br />

Künstler verstehen; e<strong>in</strong>e Möglichkeit dazu<br />

bietet schon jetzt e<strong>in</strong> <strong>in</strong>terdiszipl<strong>in</strong>äres Arbeiten<br />

mit Tanz, Schauspiel und fächerübergreifenden<br />

Projekten. Neue Medien und vor<br />

allem Neue Musik könnten <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Studio<br />

für experimentelles Musiktheater zum E<strong>in</strong>satz<br />

kommen.<br />

1<br />

Aggressionstra<strong>in</strong><strong>in</strong>g<br />

Aggressionstra<strong>in</strong><strong>in</strong>g def<strong>in</strong>iert Aggression als<br />

e<strong>in</strong>e konstruktive Triebfeder künstlerischen<br />

Ausdrucks. Mit Aggression ist jedes Verhalten<br />

geme<strong>in</strong>t, das das Gegenteil von Passivität und<br />

Zurückhaltung darstellt. Sie ist e<strong>in</strong>e Kraft,<br />

die ohne moralische Wertung kennenzulernen<br />

ist, e<strong>in</strong>e uns <strong>in</strong>newohnende Kraft, die zielgerichtet<br />

etwas wählt, was man wirklich<br />

selbst tun will nach dem Motto: „Den Drachen<br />

nicht töten, sondern reiten!“<br />

In diesem Tra<strong>in</strong><strong>in</strong>g sollen die Studierenden<br />

das Bewusstse<strong>in</strong> für die eigene Mitte schulen<br />

und e<strong>in</strong>e sichere Unterscheidungsfähigkeit<br />

dieses Zustandes von der vertrauten Kopflastigkeit<br />

unserer Zeit erlernen. Außerdem<br />

muss der Sänger unterscheiden und sich<br />

positionieren können zwischen e<strong>in</strong>em Willen,<br />

der als Kraft aus der Mitte nach draußen<br />

stürmt, und dem versammelten Willen, der<br />

als e<strong>in</strong>e Art aktiver H<strong>in</strong>gabe gegenüber den<br />

Tönen wirkt. Dann erlebt der Sänger se<strong>in</strong>en<br />

Körper mehr und mehr als Instrument und<br />

se<strong>in</strong>e Stimme wie e<strong>in</strong> dazugehöriges Wesen.<br />

Bemerkenswert, dass Sänger meist unpersönlich<br />

von ihrer Stimme sprechen. Sie<br />

sagen nicht: „Ich b<strong>in</strong> heute schlecht drauf“,<br />

sondern: „Die Stimme ist <strong>in</strong>disponiert“. Im<br />

Aggressionstra<strong>in</strong><strong>in</strong>g setzt die Initiative den<br />

Inhalt: Der Sänger entdeckt e<strong>in</strong>e gewisse<br />

Wildheit <strong>in</strong> sich, um archetypische Muster<br />

und Konturen des persönlichen künstlerischen<br />

Ausdrucks aufzuspüren.<br />

Stefan Bastians, Professor für szenischen<br />

Unterricht


1 <strong>Frankfurt</strong> <strong>in</strong> <strong>Takt</strong> 09/1<br />

Rückmeldung erwünscht<br />

Feedback, Supervision und Kommunikation<br />

Im Projekt „Qualität <strong>in</strong> der Lehre“ erarbeiten Lehrende und Studierende des Fachbereichs 2<br />

geme<strong>in</strong>sam Angebote, die die Kommunikation und Vermittlung <strong>in</strong> der Lehre verbessern sollen<br />

Im Rahmen des vom Hessischen M<strong>in</strong>isterium für Wissenschaft und<br />

Kunst geförderten Projektes „Qualität <strong>in</strong> der Lehre“ werden im Fachbereich<br />

2 verschiedene Angebote zur Verbesserung des Lehr- und<br />

Lernklimas entwickelt und angewendet.<br />

Bereits seit Oktober 2006 hat sich e<strong>in</strong>e vom Fachbereichsrat des<br />

FB 2 e<strong>in</strong>gesetzte, aus Studierenden und Lehrenden bestehende<br />

Arbeitsgruppe regelmäßig getroffen, um sich mit dem Themenfeld<br />

„Lehrevaluation“ zu beschäftigen. Schnell zeigte sich im Laufe des<br />

Diskussionsprozesses, dass die üblichen Evaluationsformen zur Qualitätssicherung<br />

der Lehre an e<strong>in</strong>er Musikhochschule unzureichend<br />

s<strong>in</strong>d bzw. die wesentlichen Bereiche der Lehre (<strong>in</strong>sbesondere den<br />

künstlerischen E<strong>in</strong>zelunterricht) erst gar nicht erreichen. Im Verlauf<br />

der nächsten Sitzungen richteten sich die Überlegungen daher vor<br />

allem auf die Verbesserung der Kommunikation sowie die Entwicklung<br />

e<strong>in</strong>er offenen Feedbackkultur im Fachbereich.<br />

Aufbauend auf diesen Überlegungen, wurden Anfang 2007 von der<br />

Hochschulleitung Gelder aus dem Studienstrukturprogramm des<br />

Hessischen M<strong>in</strong>isteriums für Wissenschaft und Kunst beantragt, um<br />

im Rahmen e<strong>in</strong>es Projektes bis September 2009 im Fachbereich 2<br />

verschiedene musikhochschulspezifische Ansätze zur Qualitätssicherung<br />

<strong>in</strong> der Lehre zu entwickeln und anzuwenden. Hierbei werden<br />

die Maßnahmen zur Qualitätssicherung im Rahmen des Projektes<br />

nicht „von oben“ vorgegeben. Vielmehr entspr<strong>in</strong>gen sie e<strong>in</strong>em<br />

Bedürfnis der Studierenden und Lehrenden des Fachbereichs und<br />

werden entsprechend direkt von Mitgliedern des Fachbereichs –<br />

Lehrenden und Studierenden – entwickelt.<br />

Gefragte Befragung<br />

Der erste große Projektschritt war e<strong>in</strong>e <strong>in</strong> Kooperation mit dem<br />

AStA durchgeführte Befragung aller Studierenden der <strong>HfMDK</strong>, bei<br />

der sämtliche Bereiche des Studienalltags untersucht wurden (die<br />

Beteiligung lag mit 34 % weit über den üblichen Werten bei solchen<br />

Befragungen). Die Ergebnisse der Befragung wurden <strong>in</strong>zwischen<br />

veröffentlicht, Möglichkeiten zur Verbesserung der Studienbed<strong>in</strong>gungen<br />

wurden im Senat sowie <strong>in</strong> den Fachbereichsräten diskutiert.<br />

Zeitgleich wurde im Fachbereich 2 e<strong>in</strong>e Befragung aller Lehrenden<br />

durchgeführt. Hierbei wurde vor allem der Themenkomplex Arbeitszufriedenheit<br />

untersucht. 100 Lehrende, fast zwei Drittel aller Lehrenden<br />

im Fachbereich 2, haben an der Befragung teilgenommen,<br />

was zeigt, wie wichtig dieses Thema für Professoren und Lehrbeauftragte<br />

ist. Auch diese Ergebnisse und mögliche Konsequenzen<br />

hieraus wurden im Fachbereichsrat 2 diskutiert.<br />

Auf Grundlage der Befragungsergebnisse konnten auch die weitere<br />

s<strong>in</strong>nvolle Ausrichtung des Projektes genauer bestimmt und davon<br />

ausgehend verschiedene Angebote entwickelt werden:<br />

1. Wunsch nach Weiterbildung<br />

In der Lehrendenbefragung äußerte e<strong>in</strong> Großteil der Lehrenden den<br />

Wunsch nach Weiterbildungsangeboten. Daher wurden für verschiedene<br />

Dozentengruppen entsprechende Maßnahmen angeboten. Für<br />

Lehrende des Faches Musiktheorie gab es drei e<strong>in</strong>tägige Veranstaltungen<br />

zu dem Thema „Lebendige Lehre – Fortbildung zur E<strong>in</strong>führung<br />

<strong>in</strong> die Hochschuldidaktik“, für Dozenten und Studierende der<br />

Gesangs- und Bläserklassen wurde fachbereichsübergreifend e<strong>in</strong><br />

zweitägiger Kurs „typenspezifische Atemarbeit“ angeboten.<br />

2. Supervision mit Kollegen<br />

Für alle Dozenten des Fachbereichs 2 wird e<strong>in</strong>e „Anleitung zur kollegialen<br />

Fallsupervision“ angeboten. Hierbei arbeiten kle<strong>in</strong>e Gruppen<br />

von Lehrenden über e<strong>in</strong>en längeren Zeitraum mit e<strong>in</strong>em Supervisor<br />

zusammen, um Strukturen und Regeln für kollegiale Fallbesprechung<br />

<strong>in</strong> der Gruppe zu erarbeiten. Sie sollen e<strong>in</strong>er kollegialen Gruppe im<br />

Anschluss daran ermöglichen, mit gelegentlicher externer Begleitung<br />

eigenständig weiterzuarbeiten. Ziel der kollegialen Fallsupervision<br />

ist, Situationen aus der Praxis der Lehrenden zu reflektieren und die<br />

e<strong>in</strong>zelnen Lehrenden zu unterstützen, Problemlagen zu klären und<br />

neue Handlungsoptionen zu entwickeln. Da <strong>in</strong> den verschiedenen<br />

e<strong>in</strong>zelnen kollegialen Gruppen die gleichen Techniken erlernt werden,<br />

ist zudem e<strong>in</strong> fachbereichsweiter Austausch hierüber möglich.<br />

3. Anonymes Feedback möglich<br />

Vor dem H<strong>in</strong>tergrund, dass im Fachbereich e<strong>in</strong> Großteil der Lehre <strong>in</strong><br />

E<strong>in</strong>zel- oder Kle<strong>in</strong>gruppenunterricht erteilt wird und hierfür klassische<br />

qualitätssichernde Maßnahmen wie etwa Sem<strong>in</strong>arevaluation oder<br />

Ähnliches nicht geeignet s<strong>in</strong>d, wurde e<strong>in</strong> Feedbackbogen entwickelt,<br />

der e<strong>in</strong> direktes, anonymes Feedback der Studierenden an ihre Dozenten<br />

zu verschiedenen Themenbereichen (Unterrichtsorganisation,<br />

Unterrichtsqualität, Kommunikation) ermöglicht. Dieser Bogen wird<br />

seit dem W<strong>in</strong>tersemester 2007/08 regelmäßig e<strong>in</strong>gesetzt.<br />

Hierbei handelt es sich bewusst nicht um e<strong>in</strong>e Evaluationsmaßnahme<br />

mit Auswertung der Daten an zentraler Stelle; vielmehr ist<br />

der Feedbackbogen e<strong>in</strong> Instrument, welches Dozenten und Studierenden<br />

zur Verfügung gestellt wird, um e<strong>in</strong> direktes, anonymes<br />

und strukturiertes Feedback zu ermöglichen.<br />

Nach den bisherigen – meist <strong>in</strong>formellen – Rückmeldungen durch<br />

Dozenten des Fachbereichs war das so erhaltene Feedback zumeist<br />

sehr positiv und wurde im S<strong>in</strong>ne e<strong>in</strong>er positiven Bestätigung der<br />

eigenen Unterrichtsarbeit als wertvoll und hilfreich empfunden. In<br />

e<strong>in</strong>igen Fällen haben eher negative Bewertungen <strong>in</strong> e<strong>in</strong>zelnen


<strong>Frankfurt</strong> <strong>in</strong> <strong>Takt</strong> 09/1<br />

oben l<strong>in</strong>ks: Beratung <strong>in</strong>klusive: Prof. Ralph Abele<strong>in</strong> berät Studienaspiranten beim<br />

„Infotag der Schulmusik“.<br />

oben rechts: Kommunizieren hat sich im Fachbereich 2 mehr denn je zu e<strong>in</strong>em bewussten Merkmal<br />

der Qualitätssicherung entwickelt – auch unter Studierenden.<br />

unten: Auch körperlich e<strong>in</strong>e vermittelnde Stütze im Unterricht: Gesangsprofessor<strong>in</strong> Mel<strong>in</strong>da Paulsen,<br />

Dekan<strong>in</strong> im Fachbereich 2, bei Stimmübungen mit Gesangsstudent<strong>in</strong> Mareike W<strong>in</strong>kel.<br />

Bereichen dazu geführt, dass Dozenten ihr Lehrverhalten reflektieren<br />

wollten. Hier setzt die vierte Maßnahme im Rahmen des Projektes an.<br />

4. Supervision <strong>in</strong> Kooperation mit der Fachhochschule<br />

Im Rahmen der durchgeführten Befragungen wurde von Seiten der<br />

Studierenden wie der Lehrenden sehr deutlich der Wunsch nach<br />

e<strong>in</strong>em Angebot externer, hochschulunabhängiger Beratung geäußert.<br />

Auf Grundlage dieser Befragungsergebnisse wurde für alle Mitglieder<br />

des Fachbereichs e<strong>in</strong> kostenloses Supervisionsangebot<br />

entwickelt, das Lehrenden wie Studierenden bei der Reflexion von<br />

Fragen, Problemfeldern, Konflikten und Fallbeispielen aus dem eigenen<br />

Hochschulalltag helfen soll. Bei der seit dem W<strong>in</strong>tersemester<br />

angebotenen E<strong>in</strong>zelsupervision handelt es sich um e<strong>in</strong>e Beratungsform,<br />

die zur Sicherung und Verbesserung der Qualität beruflicher<br />

Arbeit e<strong>in</strong>gesetzt wird. Hierbei kooperiert die <strong>HfMDK</strong> mit der Fachhochschule<br />

<strong>Frankfurt</strong> und dem dortigen Lehrstuhl für Coach<strong>in</strong>g und<br />

Beratung <strong>in</strong> der Arbeitswelt. Im Rahmen der Kooperation wird den<br />

Studierenden und Lehrenden e<strong>in</strong> kostenloses Beratungsangebot zur<br />

Verfügung gestellt; bis zu fünf E<strong>in</strong>zelterm<strong>in</strong>e bei e<strong>in</strong>em professionellen,<br />

unabhängigen Supervisor können <strong>in</strong> Anspruch genommen<br />

werden. Ziel ist die Kompetenzerweiterung und die persönliche<br />

Unterstützung bei der Gestaltung des Hochschulalltags sowie die<br />

Erweiterung der Handlungskompetenz zur emotionalen Entlastung<br />

und zur Erhöhung der Arbeitszufriedenheit.<br />

E<strong>in</strong>geschlagener Weg wird fortgesetzt<br />

Die im Fachbereich 2 <strong>in</strong> den letzten anderthalb Jahren angestoßenen<br />

Maßnahmen s<strong>in</strong>d e<strong>in</strong> erster Versuch, die Kommunikation und<br />

damit das Lehr- und Lernklima im Fachbereich nachhaltig zu verbessern.<br />

Die überwiegend positiven Rückmeldungen zu den im<br />

Rahmen des Projektes durchgeführten Maßnahmen geben bereits<br />

vor der abschließenden Projektauswertung Grund zu der Annahme,<br />

dass der e<strong>in</strong>geschlagene Weg e<strong>in</strong> richtiger und s<strong>in</strong>nvoller ist: Die<br />

verschiedenen Angebote werden von Studierenden wie Lehrenden<br />

wahrgenommen; darüber h<strong>in</strong>aus zeigt sich, dass, selbst wenn bei<br />

E<strong>in</strong>zelnen ke<strong>in</strong> konkretes Bedürfnis beispielsweise nach Supervision<br />

herrscht, bereits das Vorhandense<strong>in</strong> e<strong>in</strong>es solchen Angebots<br />

und die mögliche Inanspruchnahme als e<strong>in</strong> Qualitätsmerkmal<br />

gesehen werden.<br />

Die hier beschriebenen Maßnahmen sollen dauerhaft fortgesetzt<br />

und um weitere Angebote ergänzt werden – mit dem Ziel, das<br />

Lehr- und Lernklima im Fachbereich kont<strong>in</strong>uierlich zu verbessern.<br />

Frank Rosenberger, Geschäftsführer des Fachbereichs 2 der <strong>HfMDK</strong>,<br />

Koord<strong>in</strong>ator des Projekts „Qualität <strong>in</strong> der Lehre“<br />

19


0 <strong>Frankfurt</strong> <strong>in</strong> <strong>Takt</strong> 09/1<br />

Hilfreicher Dialog statt sturen Diktierens<br />

Von der „Gehörbildung“ zur „Hörschulung“: Zur Verbesserung der Hörvorstellung haben sich <strong>in</strong> der <strong>HfMDK</strong><br />

neue methodische und didaktische Konzepte etabliert<br />

Beim Studium älterer Prüfungsordnungen f<strong>in</strong>det man zum Fach<br />

Gehörbildung E<strong>in</strong>tragungen wie „e<strong>in</strong>stimmiges Diktat, zweistimmiges<br />

Diktat, vierstimmiges Diktat“. Was genau damit geme<strong>in</strong>t war, bleibt<br />

allerd<strong>in</strong>gs offen. Das Hauptziel der Hörschulung, wie sie heute praktiziert<br />

wird, ist die Ausbildung der <strong>in</strong>neren, verstehenden Hörvorstellung<br />

(Audiation nach Edw<strong>in</strong> Gordon). Die Fähigkeiten, die e<strong>in</strong><br />

Musiker dadurch für se<strong>in</strong>e tägliche Praxis erlangt, reichen vom sicheren<br />

Erkennen von Fehlern über das bewusste Wahrnehmen von klanglichen<br />

Situationen beim Musizieren bis zu der Fähigkeit, gedruckte<br />

Musik sich <strong>in</strong>nerlich klanglich vorzustellen oder vom Blatt zu s<strong>in</strong>gen.<br />

Ferner wird die Fähigkeit ausgebildet, Musik über das Hören alle<strong>in</strong><br />

zu analysieren und zu verstehen. Dieser Vorgang wird als<br />

Höranalyse bezeichnet.<br />

Im Hörtra<strong>in</strong><strong>in</strong>g beschäftigt man sich mit verschiedenen Teilbereichen<br />

der Musik, wobei das Hören selbstverständlich nicht auf die E<strong>in</strong>zelparameter<br />

Rhythmus, Intervalle und Akkorde beschränkt ist: Melodie,<br />

harmonischer Verlauf, Mehrstimmigkeit und musikalische Form<br />

s<strong>in</strong>d von Anfang an Gegenstand der Hörschulung. Unter den verwendeten<br />

Methoden wird den praktischen Übungen e<strong>in</strong> wichtiger<br />

Platz e<strong>in</strong>geräumt, wobei das S<strong>in</strong>gen e<strong>in</strong>e zentrale Rolle e<strong>in</strong>nimmt.<br />

Rhythmen werden durch Klopfen geübt; Tonstufen, Intervalle und<br />

Akkorde werden sowohl <strong>in</strong> der Gruppe als auch <strong>in</strong>dividuell unter Verwendung<br />

der Stimmgabel gesungen. Grundsätzlich wird alles, was<br />

<strong>in</strong> der Stunde gehört wird, sei es vom Klavier oder von der Stereoanlage,<br />

nachgesungen, analysiert und erklärt. Das musiktheoretische<br />

Verständnis ist dabei besonders wichtig. Das Übertragen <strong>in</strong> Notenschrift<br />

dient der <strong>in</strong>dividuellen Konkretisierung und der Kontrolle.<br />

Wechselspiel von Fragen und Antworten<br />

Em<strong>in</strong>ent wichtig für die heutige Hörschulung ist das Unterrichtsgespräch.<br />

Ältere Musiker werden sich noch an das „e<strong>in</strong>stimmige Diktat“<br />

er<strong>in</strong>nern, bei dem früher e<strong>in</strong>e Melodie am Klavier „diktiert“<br />

wurde, jedoch nicht <strong>in</strong> ihrer Gesamtheit, sondern <strong>in</strong> zweitaktige Abschnitte<br />

zerstückelt, welche endlos wiederholt wurden. Heute wird<br />

zur Erarbeitung z. B. e<strong>in</strong>es Themas aus e<strong>in</strong>er S<strong>in</strong>fonie von Haydn<br />

e<strong>in</strong>e CD-Aufnahme verwendet. Durch e<strong>in</strong> Wechselspiel von Fragen<br />

und Antworten entwickelt sich e<strong>in</strong> Gespräch, durch welches das<br />

gehörte Thema analysiert, verstanden und vollständig erfasst wird.<br />

Während dieses Gesprächs wird das Thema e<strong>in</strong>ige Male als Ganzes<br />

angehört und memoriert. Es wird dann aus dem Gedächtnis nachgesungen.<br />

Im Verlauf dieser höranalytischen Arbeit werden die charakteristischen<br />

Eigenschaften des Themas besprochen. Die Form<br />

und die Kompositionsweise werden beschrieben; auch die Instrumentation<br />

und die Harmonik s<strong>in</strong>d Bestandteile dieser Arbeit. Anschließend<br />

wird zur Konkretisierung der <strong>in</strong>neren Vorstellung und zur<br />

<strong>in</strong>dividuellen Überprüfung das Thema notiert. Zum Schluss wird das<br />

an die Wand projizierte Orchesterpartiturbild der entsprechenden<br />

Stelle mit der eigenen Notation verglichen und geme<strong>in</strong>sam kommentiert.<br />

H<strong>in</strong>zu kommt noch die Kritik der verwendeten Aufnahme.<br />

Diese höranalytische Schulung f<strong>in</strong>det ihre Fortsetzung <strong>in</strong> den Höranalysesem<strong>in</strong>aren<br />

des Hauptstudiums: In diesem Rahmen werden<br />

nun ke<strong>in</strong>e Fragmente mehr, sondern ganze Sätze durchgehört. Diese<br />

werden <strong>in</strong> der eben beschriebenen Weise alle<strong>in</strong> über das Hören analysiert<br />

mit dem Ziel des konkreten Durchdr<strong>in</strong>gens und des<br />

besseren Verstehens.<br />

In anderen Hörsem<strong>in</strong>aren des Hauptstudiums werden praktische<br />

Fähigkeiten wie Nachspielen gehörter Musik, Intonationshören oder<br />

Blatts<strong>in</strong>gen auf e<strong>in</strong>em höheren Niveau weitergeübt.<br />

Interdiszipl<strong>in</strong>äre Begegnungen<br />

Der Computer ist fester Bestandteil des heutigen Lebens. Im Zusammenhang<br />

mit der Hörschulung kann er als Tra<strong>in</strong><strong>in</strong>gsmasch<strong>in</strong>e für<br />

E<strong>in</strong>zelparameter e<strong>in</strong>gesetzt werden und für „Diktate“ dienlich se<strong>in</strong>.


<strong>Frankfurt</strong> <strong>in</strong> <strong>Takt</strong> 09/1<br />

Allerd<strong>in</strong>gs kann der Computer die Kurssituation mit der ihr eigenen<br />

Dynamik, das S<strong>in</strong>gen <strong>in</strong> der Gruppe, das gezielt moderierte Gespräch<br />

über die gehörte Musik sowie die konkreten Hilfestellungen und<br />

Erklärungen nicht ersetzen. Dennoch ist der E<strong>in</strong>satz e<strong>in</strong>es Computers<br />

<strong>in</strong> manchen Bereichen der Hörschulung durchaus s<strong>in</strong>nvoll: Mit e<strong>in</strong>em<br />

entsprechenden Intonationsprogramm z. B. ist das kontrollierte Üben<br />

des Intonierens möglich. Außerdem können akustische Phänomene<br />

mithilfe e<strong>in</strong>es Computers sichtbar gemacht werden, wie dies im<br />

Sommersemester 2008 <strong>in</strong> dem geme<strong>in</strong>sam mit der Kompositionsklasse<br />

gestalteten fächerübergreifenden Sem<strong>in</strong>ar „Spektrales Hören“<br />

praktiziert wurde.<br />

E<strong>in</strong> weiteres Beispiel <strong>in</strong>terdiszipl<strong>in</strong>ärer Aktivitäten: Im Sommersemester<br />

2007 wurde <strong>in</strong> Zusammenarbeit mit der Musikpädagogik das<br />

Sem<strong>in</strong>ar „Methoden der Analyse – mit und ohne Noten“ veranstaltet,<br />

<strong>in</strong> dessen Rahmen den Studierenden ermöglicht wurde, e<strong>in</strong>e eigene<br />

Höranalysestunde unter Anleitung e<strong>in</strong>es Professors zu entwickeln<br />

und zu halten.<br />

Hörschulung als Hauptfach<br />

Welche Möglichkeiten der Weiterentwicklung und Vertiefung ihrer<br />

Fähigkeiten haben Studierende, wenn sie ihre Begabung und Neigung<br />

zum Hören entdecken? Im Rahmen des modularisierten Lehramtsstudiums<br />

können sie Hörschulung als Schwerpunktfach studieren,<br />

was drei Student<strong>in</strong>nen seit dem W<strong>in</strong>tersemester 2008/2009<br />

bereits tun. Ferner wird an der E<strong>in</strong>richtung des Hauptfachstudiengangs<br />

Hörschulung an der <strong>HfMDK</strong> eifrig gearbeitet. Doch sche<strong>in</strong>t<br />

dies e<strong>in</strong> länger dauernder Prozess zu werden …<br />

Ohne regelmäßiges Tra<strong>in</strong><strong>in</strong>g ke<strong>in</strong> Erfolg<br />

Was auch immer im Rahmen der Hörschulungskurse erarbeitet wird<br />

– es handelt sich stets um e<strong>in</strong>e Auswahl, denn es ist schier unmöglich,<br />

<strong>in</strong> den wenigen Stunden, die im Rahmen des Studiums zur Verfügung<br />

stehen, das gesamte Spektrum dessen, was geübt werden<br />

könnte, abzudecken. Darüber h<strong>in</strong>aus ist Hörschulung e<strong>in</strong> Tra<strong>in</strong><strong>in</strong>gsfach:<br />

Wichtig s<strong>in</strong>d Fleiß, Regelmäßigkeit, Kont<strong>in</strong>uität, Ausdauer und<br />

nicht zuletzt e<strong>in</strong>e positive E<strong>in</strong>stellung. Daran hat sich trotz neuer Formen<br />

des Lehrens nichts geändert. Wer sporadisch arbeitet, Unterbrechungen<br />

e<strong>in</strong>plant oder me<strong>in</strong>t, <strong>in</strong> „Intensivphasen“ oder „kompakt“<br />

das „Fach belegen“ zu müssen, wird wohl kaum se<strong>in</strong>e Hörfähigkeit<br />

entwickeln. Hier soll also ermutigt werden, dranzubleiben – und<br />

den Spaß dabei zu entdecken!<br />

Sollte jemand aufgrund dieser knappen Ausführungen neugierig<br />

geworden se<strong>in</strong> und sich e<strong>in</strong> konkreteres Bild heutiger Hörschulung<br />

machen wollen, sei er hiermit zum Hospitieren herzlich e<strong>in</strong>geladen!<br />

Hervé Laclau, Professor für Hörschulung an der <strong>HfMDK</strong><br />

oben: Prof. Hervé Laclau ist der Dialog über das<br />

Gehörte ebenso wichtig wie das eigene S<strong>in</strong>gen der<br />

Studierenden im Hörschulungs-Unterricht.<br />

unten: Mit der Stimmgabel auf Intervallsuche.<br />

1


Mit Herbert Seidel und Walter Forchert berichten im folgenden<br />

Interview zwei gestandene Instrumentalprofessoren der <strong>HfMDK</strong> aus<br />

ihrer langjährigen Lehrerfahrung: Klavierprofessor Herbert Seidel ist<br />

seit 1978 am Haus tätig. Dem g<strong>in</strong>gen Lehraufträge <strong>in</strong> Saarbrücken<br />

und Stuttgart voraus. In den 90-er Jahren arbeitete er zwei Jahre<br />

als Gastprofessor an der Indiana University Bloom<strong>in</strong>gton, USA. Seit<br />

drei Jahren ist er an der <strong>HfMDK</strong> nach se<strong>in</strong>em Ausscheiden als Professor<br />

weiter als Lehrbeauftragter tätig. Walter Forchert leitet seit<br />

1992 als Professor e<strong>in</strong>e eigene Viol<strong>in</strong>klasse an der <strong>HfMDK</strong>. Se<strong>in</strong>er<br />

Professorentätigkeit g<strong>in</strong>gen Konzertmeister-Erfahrungen beim S<strong>in</strong>fonischen<br />

Orchester Berl<strong>in</strong> und bei den Bamberger Symphonikern voraus.<br />

Als Konzertmeister war er auch an der Gesamt-E<strong>in</strong>spielung der<br />

Bach-Kantaten unter Leitung von Helmuth Rill<strong>in</strong>g beteiligt.<br />

<strong>Frankfurt</strong> <strong>in</strong> <strong>Takt</strong> Wie lautet Ihr persönliches Lehr-Credo nach<br />

jeweils über 30 Jahren Unterrichtserfahrung?<br />

Prof. Herbert Seidel Me<strong>in</strong>e wesentliche Aufgabe als Lehrer sehe ich<br />

<strong>in</strong> der Erziehung zur Eigenständigkeit. Es gilt, dem Studierenden nicht<br />

nur die nötigen methodischen Arbeitspläne an die Hand zu geben,<br />

sondern auch se<strong>in</strong>en Mut, se<strong>in</strong> Stehvermögen und se<strong>in</strong>e Umsicht zu<br />

stärken, damit er den vielfältigen Anforderungen des Studiums genügen<br />

und den bisweilen korrumpierenden Anfechtungen der beruflichen<br />

Praxis widerstehen kann. Er soll zudem lernen, dass Spontaneität<br />

nicht heißt, sich bedenkenlos vom musikantischen Temperament<br />

h<strong>in</strong>reißen zu lassen, lernen, dass künstlerische Intuition fortwährend<br />

<strong>in</strong>tellektueller Kontrolle unterworfen und der Aufbau von<br />

Vertrauen <strong>in</strong> das eigene künstlerische Vermögen, der unabd<strong>in</strong>gbaren<br />

Grundvoraussetzung jeglichen Gel<strong>in</strong>gens, vom Respekt vor dem<br />

Kunstwerk als solchem getragen se<strong>in</strong> muss.<br />

<strong>Frankfurt</strong> <strong>in</strong> <strong>Takt</strong> 09/1<br />

Walter Forchert blickt auf jahrelange Konzertmeistererfahrung zurück<br />

und leitet seit 1992 e<strong>in</strong>e eigene Viol<strong>in</strong>klasse an der <strong>HfMDK</strong>.<br />

„Unterricht ist Vertrauenssache <strong>in</strong><br />

e<strong>in</strong>er geme<strong>in</strong>samen Unternehmung“<br />

Klavierprofessor em. Herbert Seidel und Geigenprofessor Walter Forchert bilanzieren ihre Lehrerfahrung an der <strong>HfMDK</strong><br />

Prof. Walter Forchert Diesem Credo kann ich nur beipflichten. Wichtig<br />

ersche<strong>in</strong>t mir, im Mite<strong>in</strong>ander von Lehrer und Schüler stets die Frage<br />

im Blick zu haben: Wo komme ich her, woher der Schüler? Jeder<br />

Mensch hat ja e<strong>in</strong>en persönlichen H<strong>in</strong>tergrund. Bei mir studierte beispielsweise<br />

e<strong>in</strong>e junge russische Geiger<strong>in</strong> aus Usbekistan – e<strong>in</strong> wahres<br />

Naturtalent mit e<strong>in</strong>er unglaublichen Aura. Schwierig war dabei,<br />

sie von e<strong>in</strong>er anderen Technik zu überzeugen, denn sie brachte zunächst<br />

selbstbewusst „ihr Russland“ mit und ihr Bewusstse<strong>in</strong> der<br />

Überlegenheit russischen Geigenspiels. Aber ihre Bogen-Technik<br />

zum Beispiel war ke<strong>in</strong>eswegs optimal (Anschlagen von Akkorden<br />

mit diversen Nebengeräuschen). Und zu Spannungen zwischen uns<br />

kam es, als sie ablehnte, den Beg<strong>in</strong>n des Sibelius-Viol<strong>in</strong>konzertes<br />

durchaus mal „senza vibrato“ zu probieren („Oistrach spielt das auch<br />

mit Vibrato!“ war ihr H<strong>in</strong>weis). Nun b<strong>in</strong> ich zwar der Auffassung,<br />

der Lernende sollte grundsätzlich se<strong>in</strong>e persönliche Auffassung e<strong>in</strong>br<strong>in</strong>gen.<br />

Er muss aber auch bereit se<strong>in</strong>, das Angebot des Lehrers<br />

zum<strong>in</strong>dest e<strong>in</strong>mal auszuprobieren. Das erweitert se<strong>in</strong>en Horizont.<br />

Und <strong>in</strong> der Ause<strong>in</strong>andersetzung mit verschiedenen Ansichten entsteht<br />

ja vielleicht sogar etwas Neues – so wie auch ich gelegentlich<br />

schon Interpretationsvorschläge me<strong>in</strong>er Studenten<br />

übernommen habe.<br />

<strong>Frankfurt</strong> <strong>in</strong> <strong>Takt</strong> Können Sie aus Ihrer Biografie e<strong>in</strong>e Art<br />

<strong>in</strong>dividueller Evolution des Lehrens beschreiben?<br />

Prof. Walter Forchert Zunächst ganz e<strong>in</strong>fach: Mit zunehmender Unterrichts-Erfahrung<br />

kommt man schneller auf den Punkt. Habe ich zum<br />

Beispiel e<strong>in</strong> Musikstück schon mehrmals unterrichtet, s<strong>in</strong>d mir auch<br />

die gängigen Problem-Stellen bekannt. Ich habe also beim nächsten<br />

Studenten schon erprobte Lösungen bereit. Und dass man sicherer


<strong>Frankfurt</strong> <strong>in</strong> <strong>Takt</strong> 09/1<br />

wird mit zunehmender Unterrichts-Erfahrung und Erfolg, ist auch<br />

nur logisch. Tatsächlich verändert habe ich <strong>in</strong> me<strong>in</strong>em Unterricht:<br />

mehr als früher auf die Bewegungen des Geigenspielers zu achten.<br />

Der E<strong>in</strong>fluss der Körper-Haltung und se<strong>in</strong>e Beweglichkeit auf den Ton<br />

des Spielers und auf die Ausdrucksstärke e<strong>in</strong>er Interpretation s<strong>in</strong>d ja<br />

enorm. In diesem Zusammenhang ist übrigens höchst erfreulich zu<br />

nennen das Angebot unserer Hochschule zum Thema Bewegung.<br />

Prof. Herbert Seidel Ich glaube schon, dass ich als Lehrer im Laufe<br />

der Zeit toleranter geworden b<strong>in</strong> und mehr gelten lasse als früher.<br />

Ich selbst habe ja me<strong>in</strong>e Ansichten auch immer wieder geändert.<br />

Aus dieser Erfahrung schließe ich, dass man <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er bestimmten<br />

Phase der eigenen Entwicklung zu E<strong>in</strong>sichten gelangen kann, die zu<br />

diesem Zeitpunkt ihre volle Berechtigung, ihre temporäre Wahrheit<br />

haben, e<strong>in</strong>er späteren Revision aber nicht standhalten. Diese Erkenntnis<br />

hat me<strong>in</strong> Urteilen zurückhaltender, umsichtiger gemacht. An<br />

e<strong>in</strong>er Hochschule haben wir aber gleichfalls die Verpflichtung, <strong>in</strong><br />

gewisser Weise „akademisch“ zu unterrichten, das heißt, zunächst<br />

e<strong>in</strong>mal der gestalterischen Freiheit klar def<strong>in</strong>ierte Grenzen zu setzen<br />

und den Studierenden Ordnungsmodelle zur eigenen Orientierung<br />

anzubieten. Selbstverständlich darf er diese Grenzen dann <strong>in</strong> eigener<br />

Verantwortung überschreiten, schließlich tue ich dies auch. Aber ich<br />

hüte mich, me<strong>in</strong>e stilistischen Grenzverletzungen und musikalischen<br />

Marotten als künstlerische Grundnahrungsmittel zu empfehlen.<br />

<strong>Frankfurt</strong> <strong>in</strong> <strong>Takt</strong> Wie hat sich Ihr Unterrichten im Laufe von rund<br />

drei Jahrzehnten durch sich wandelnde gesellschaftliche Strömungen<br />

und musikalische Stilpräferenzen geändert?<br />

Prof. Herbert Seidel Ich unterrichte ja e<strong>in</strong> Instrument, das relativ jung<br />

ist und auf dem wir zu e<strong>in</strong>em großen Teil Musik spielen, die ursprünglich<br />

gar nicht für dieses Instrument geschrieben wurde – das gilt<br />

zum<strong>in</strong>dest für die Klaviermusik bis e<strong>in</strong>schließlich Schumann. Daran<br />

f<strong>in</strong>de ich nichts Verwerfliches. Die mannigfaltigen Neuerungen <strong>in</strong><br />

der Geschichte des Klavierbaus resultierten sicherlich nicht aus der<br />

völligen Zufriedenheit der zeitgenössischen Protagonisten mit dem<br />

Herbert Seidel ist seit drei Jahren als Professor emeritiert, unterhält aber<br />

als Lehrbeauftragter weiterh<strong>in</strong> e<strong>in</strong>e Klavierklasse an der <strong>HfMDK</strong>.<br />

vorhandenen Instrumentarium. Sie waren auch nicht ausschließlich<br />

Vergröberungstendenzen und e<strong>in</strong>er Vulgarisierung des Geschmacks<br />

geschuldet (Im übrigen gäbe es auch am modernen Flügel<br />

Manches zu verbessern). All dies befreit aber nicht den Pianisten<br />

von der Pflicht, sich mit der Klanglichkeit historischer Klavier<strong>in</strong>strumente<br />

vertraut zu machen und diese Vertrautheit klangformend beim<br />

Spiel auf dem heutigen Klavier wirken zu lassen. Und selbstverständlich<br />

gibt es e<strong>in</strong>e legitime maßstabsetzende E<strong>in</strong>flussnahme der historisierenden<br />

Aufführungspraxis, die ich als höchst anregend und<br />

fruchtbar zu schätzen weiß. Me<strong>in</strong>e eigene Haltung ist allerd<strong>in</strong>gs eher<br />

e<strong>in</strong>e ahistorische. Ich fühle mich musikalisch ganz wohl als der, der<br />

ich b<strong>in</strong>, nämlich e<strong>in</strong> Mensch des 20. Jahrhunderts, der se<strong>in</strong>e Wurzeln<br />

im 19. Jahrhundert hat. Ideologisierung und Dogmatisierung<br />

e<strong>in</strong>es Interpretationsansatzes s<strong>in</strong>d mir e<strong>in</strong> Ärgernis. Es ersche<strong>in</strong>t mir<br />

vermessen, e<strong>in</strong>en rebellischen Geist wie Beethoven <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e von wem<br />

auch immer gefertigte Grammatik zu sperren. Mir ist eher am Austragen<br />

e<strong>in</strong>es bewussten Spannungsverhältnisses gelegen, nämlich<br />

zwischen e<strong>in</strong>em von uns immer präziser erkennbaren historischen<br />

Zeitstil und der Lebens- und Kulturerfahrung des heutigen Menschen,<br />

der diese Erfahrung <strong>in</strong> se<strong>in</strong>e Interpretation mit e<strong>in</strong>br<strong>in</strong>gt. Ich<br />

weigere mich, diese Erfahrung beiseite zu wischen und mich stilbewusst<br />

zu kostümieren. E<strong>in</strong> echtes Kunstwerk reicht weit über se<strong>in</strong>e<br />

Entstehungszeit h<strong>in</strong>aus, <strong>in</strong> die Vergangenheit wie <strong>in</strong> die Zukunft.<br />

Prof. Walter Forchert Der Zeitgeschmack verändert sich fließend (von<br />

Karajan zu Harnoncourt), und auch ich denke, man sollte bei der Interpretation<br />

von Werken aus vergangenen Jahrhunderten nicht nur<br />

<strong>in</strong> die Vergangenheit schauen. Es sche<strong>in</strong>t mir aber für den heutigen<br />

Musiker unabd<strong>in</strong>gbar, sich auch als „klassische Geiger“ mit barocker<br />

Spielweise ause<strong>in</strong>ander zu setzen. Ich selbst spiele seit langem bei<br />

der Bach-Akademie Stuttgart unter Helmuth Rill<strong>in</strong>g – <strong>in</strong> den Anfängen<br />

mit modernem Instrumentarium und dem damals üblichen<br />

„satten“ Vibrato. Über das Spielen auf e<strong>in</strong>er Viola d’amore , bei der<br />

mich das Mitschw<strong>in</strong>gen der Resonanz-Saiten fasz<strong>in</strong>ierte, habe ich<br />

den Reiz e<strong>in</strong>es vibratolos gespielten, dennoch lebendigen Tones<br />

entdeckt. Später wurde mir e<strong>in</strong> Barockbogen gebaut, durch dessen<br />

3


Gebrauch ich gelernt habe, für barocke Musik – auf klassischer Geige<br />

– e<strong>in</strong>en anderen Klang zu formen. Diese Erfahrung gebe ich seither<br />

auch an me<strong>in</strong>e Studierenden weiter.<br />

<strong>Frankfurt</strong> <strong>in</strong> <strong>Takt</strong> Hat sich aus Ihrer Sicht auch die Rolle des<br />

Instrumentalprofessors als Autorität verändert?<br />

Prof. Herbert Seidel E<strong>in</strong>en grundsätzlichen Wandel kann ich da nicht<br />

erkennen. Das hängt wohl auch damit zusammen, dass die Musikstudenten<br />

e<strong>in</strong>er besonderen Spezies anzugehören sche<strong>in</strong>en. Allerd<strong>in</strong>gs<br />

musste ich zur Kenntnis nehmen, dass die Wirkung me<strong>in</strong>es<br />

Verhaltens den Studierenden gegenüber ke<strong>in</strong>eswegs immer me<strong>in</strong>en<br />

guten Absichten entsprach. Ich hatte geglaubt, alles <strong>in</strong> allem als<br />

gemütlicher Zeitgenosse wahrgenommen zu werden – weit gefehlt.<br />

Natürlich will ich im Unterricht ke<strong>in</strong>e Atmosphäre e<strong>in</strong>es behaglichen<br />

„Laisser-faire“ schaffen, auch die Wahrung e<strong>in</strong>er gewissen Distanz<br />

ist mir wichtig (Ich habe niemals e<strong>in</strong>en Studenten geduzt), aber<br />

Musizieren unter Angst, ne<strong>in</strong> das geht nicht.<br />

Prof. Walter Forchert Unterricht ist e<strong>in</strong>e Vertrauenssache <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er<br />

geme<strong>in</strong>samen Unternehmung. Der Neu-Student erwartet, mit Hilfe<br />

des Lehrers <strong>in</strong>strumental möglichst komplett ausgebildet zu werden,<br />

und der Lehrer se<strong>in</strong>erseits versucht, diesen Studenten von den<br />

eigenen handwerklichen, klanglichen und stilistischen Idealen zu überzeugen.<br />

Mit Verbesserung des Spiels durch den Unterricht wächst<br />

das Vertrauen. Und wer vertraut, anerkennt die Autorität.<br />

<strong>Frankfurt</strong> <strong>in</strong> <strong>Takt</strong> Welche Voraussetzungen muss Ihrer Me<strong>in</strong>ung nach<br />

e<strong>in</strong>e Hochschule schaffen, um bestmögliche Lehr- und Lernbed<strong>in</strong>gungen<br />

zu bieten?<br />

Prof. Walter Forchert Musik hat immer mit Menschen zu tun. Deshalb<br />

sollte e<strong>in</strong>e Hochschule ihre Lehrkräfte nicht alle<strong>in</strong> nach <strong>in</strong>strumentalen<br />

Kriterien berufen. Achtung und Toleranz vor dem Lernenden<br />

gehören gleichberechtigt zum fachlichen Können. Für e<strong>in</strong>e grundsätzliche<br />

Änderung des E<strong>in</strong>zel-Unterrichts sehe ich ke<strong>in</strong>en Bedarf.<br />

Denn jeder von uns Lehrenden gibt auf <strong>in</strong>dividuelle Weise se<strong>in</strong> Bestes,<br />

um aus den Schülern eigenständige Persönlichkeiten werden zu<br />

lassen. Zu bestmöglichen Lernbed<strong>in</strong>gungen gehört aber nicht nur<br />

e<strong>in</strong>e ausreichende Anzahl von Übe-Räumen, sondern auch e<strong>in</strong>e akustisch<br />

optimale E<strong>in</strong>richtung dieser Räume. In diesen Räumen verbr<strong>in</strong>gt<br />

der Student die wichtigste Zeit se<strong>in</strong>es Studiums. Hier modelliert<br />

er an se<strong>in</strong>em Ton. Es geht um sensible Nuancen der Tonbildung.<br />

Denn schließlich macht der Ton die Musik!<br />

Prof. Herbert Seidel Es wäre gut, wenn die Hochschulen nicht immer<br />

danach schielen würden, was der Markt aktuell verlangt. Im Gegenteil:<br />

Die Schulen müssen mit ihrem an der Idealität ausgerichteten<br />

Programm versuchen, den Markt zu steuern. E<strong>in</strong>e andere Aufgabe<br />

sowohl der Hochschule als auch der Lehrenden sehe ich dar<strong>in</strong>, den<br />

Gedanken der <strong>in</strong>tr<strong>in</strong>sischen Motivation <strong>in</strong>s Zentrum aller Bemühungen<br />

zu stellen: Der Impetus zum Musizieren muss ausschließlich<br />

aus der Musik selbst kommen. bjh<br />

Auf den Spuren<br />

der Körpersprache<br />

<strong>HfMDK</strong> besetzt die deutschlandweit erste<br />

Professur für Physiodrama<br />

<strong>Frankfurt</strong> <strong>in</strong> <strong>Takt</strong> 09/1<br />

Seit dem W<strong>in</strong>tersemester 2008/2009 ist „Physiodrama“ als Lehrfach<br />

im Fachbereich 3 mit e<strong>in</strong>er Professur verankert. Damit hat die<br />

<strong>HfMDK</strong> als deutschlandweit erste Hochschule nicht nur e<strong>in</strong>e wichtige<br />

Basis zur Professionalisierung des Schauspielberufes ermöglicht,<br />

sondern zugleich e<strong>in</strong>e neue Positionierung des Körpers <strong>in</strong> der Kunst<br />

überhaupt eröffnet. Yurgen Schoora, der die Professur <strong>in</strong>nehat,<br />

erläutert <strong>in</strong> se<strong>in</strong>em nachfolgenden Text den Begriff „Physiodrama“,<br />

das daraus entwickelte Unterrichtsfach und dessen Bedeutsamkeit<br />

<strong>in</strong> der Ausbildung.<br />

Wir bef<strong>in</strong>den uns <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er spannenden Umbruchzeit: Durch die wissenschaftlichen<br />

Entwicklungen der letzten Jahre (Neurobiologie, Hirnphysiologie)<br />

erhielt das Bewusstse<strong>in</strong> für den Körper auf gesellschaftlicher<br />

Ebene e<strong>in</strong>e völlig neue Relevanz. Welche Bedeutung hat dies<br />

für Studierende an Hochschulen?<br />

Die Frage, welchen Anteil Anlage und Umwelt bei der Entwicklung<br />

des Menschen haben, konnte quasi ad acta gelegt werden. E<strong>in</strong>e<br />

starke Trennung von Körper und Geist wurde <strong>in</strong>zwischen aufgehoben.<br />

Felder, die mit der Entwicklung und Wahrnehmung des Menschen<br />

zu tun haben, wie z. B. die (Lern-) Psychologie, die Physiologie<br />

und die Pädagogik, def<strong>in</strong>ieren sich gegenwärtig neu und werden<br />

mite<strong>in</strong>ander verknüpft.<br />

Heutzutage hat Bildung weniger damit zu tun, „jemanden etwas<br />

zu lehren“. Es geht viel eher um lernmethodische Strategien, Selbständigkeit,<br />

Selbstreflexion und die Entwicklung von Kompetenzen.<br />

Dabei erarbeitet e<strong>in</strong>e Person ihr Wissen unter Impuls e<strong>in</strong>es so


<strong>Frankfurt</strong> <strong>in</strong> <strong>Takt</strong> 09/1<br />

Schauspielstudierende beim Physiodrama-Tra<strong>in</strong><strong>in</strong>g.<br />

genannten „Ermöglichers“ selbst und „konstruiert“ e<strong>in</strong>e <strong>in</strong>dividuelle<br />

Realität. Das Internet bee<strong>in</strong>flusst den Informationsfluss und die Be-<br />

ziehung zwischen Lehrenden und Lernenden maßgeblich. Der schnelle<br />

Wandel erfordert e<strong>in</strong>e <strong>in</strong>nere Beweglichkeit. Lernen vollzieht sich<br />

e<strong>in</strong> Leben lang. Die Frage wird angegangen, was die heutigen Kos-<br />

ten im Gesundheitssektor mit früheren Lernmethoden zu tun hatten.<br />

Dabei spielen zwischenmenschliche Beziehungen e<strong>in</strong>e große Rolle.<br />

Als Berater im Bereich von Bildungsentwicklung für die Verknüp-<br />

fung von Wahrnehmung, Bewegung, Logik und Sprachentwicklung<br />

konnte ich mich früh mit den aktuellen Qualitätsstandards, mit der<br />

sich Bildungsprozesse heute betrachten lassen, bekannt machen.<br />

In den Bildungsplänen des frühk<strong>in</strong>dlichen Bereiches s<strong>in</strong>d Wahrneh-<br />

mung und zwischenmenschliche Beziehung (B<strong>in</strong>dungstheorie) e<strong>in</strong>e<br />

wesentliche Grundlage. Lernen, Beziehung, Motivation, Emotion,<br />

Ausdruck und <strong>in</strong>nere Balance hängen hier selbstredend zusammen.<br />

Vor allem die eigene Körperstruktur kann heute direkt und sichtbar<br />

<strong>in</strong> Verb<strong>in</strong>dung gebracht werden mit dem E<strong>in</strong>fluss von Wahrnehmung<br />

und zwischenmenschlicher Beziehung. Sie s<strong>in</strong>d an der Entwicklung<br />

e<strong>in</strong>es Menschen viel maßgeblicher beteiligt als bisher gedacht. Die<br />

Wissenschaften fordern uns dazu heraus, sich nicht h<strong>in</strong>ter der eigenen<br />

Geschichte zu verstecken („Ich habe es immer so gemacht“),<br />

sondern sich aktiv mit ihr ause<strong>in</strong>ander zu setzen. Der Körper <strong>in</strong> den<br />

Künsten steht heute für die Selbstverständlichkeit e<strong>in</strong>er immer<br />

mehr nach Verknüpfung strebenden Suchhaltung.


Vorgeschichte und Möglichkeiten<br />

des Physiodrama-Tra<strong>in</strong><strong>in</strong>gs<br />

Die Studierenden im Fach Physiodrama zu begleiten, erfordert die<br />

nötige Erfahrung. Me<strong>in</strong>e eigene Ausbildung als Mimograph fand<br />

bereits Mitte der achtziger Jahre <strong>in</strong> Antwerpen statt. Tra<strong>in</strong><strong>in</strong>gse<strong>in</strong>heiten<br />

waren unter anderem:<br />

– Bewegungsanalytisches Tra<strong>in</strong><strong>in</strong>g nach dem so genannten<br />

„Großvater“ der modernen Mime, Étienne Decroux;<br />

– Bewegungsdynamisches Tra<strong>in</strong><strong>in</strong>g, e<strong>in</strong>e Weiterentwicklung<br />

des Tra<strong>in</strong><strong>in</strong>gs von Jerzy Grotowski;<br />

– Psychotechnik, e<strong>in</strong>e Weiterentwicklung nach Konstant<strong>in</strong><br />

Sergejwitsch Stanislawski und Lee Strassberg;<br />

– Bewegungs- und Objektimprovisation;<br />

– Stimmtra<strong>in</strong><strong>in</strong>g, komb<strong>in</strong>iert mit Bewegung;<br />

– Komposition und Inszenierung;<br />

– Akrobatik.<br />

Hierzulande ruft der Begriff Mime oft noch das e<strong>in</strong>seitige naive<br />

Bild des weiß geschm<strong>in</strong>kten Pantomimen mit hohler Gestik auf.<br />

Der oben benannte Tra<strong>in</strong><strong>in</strong>gskomplex führt zu e<strong>in</strong>em weitaus differenzierteren<br />

Begriffsverständnis, als wenn e<strong>in</strong> Darsteller auf e<strong>in</strong>er<br />

Bühne mal wütend se<strong>in</strong> Hemd auszieht bzw. e<strong>in</strong>e Kampfszene angeht,<br />

und hat nichts zu tun mit „Fitness für Schauspieler“. In der<br />

Hochschule für Bühnenkünste <strong>in</strong> Amsterdam gibt es seit mehr als<br />

20 Jahren e<strong>in</strong>e Abteilung „Mime“. Daraus kommen immer wieder<br />

Schauspieler, die Top-Positionen besetzen, hervor. Auch <strong>in</strong> me<strong>in</strong>er<br />

eigenen künstlerischen Arbeit reicht die Erfahrung von re<strong>in</strong> körperlicher<br />

Darstellung bis zur Zusammenarbeit mit Künstlern aus<br />

unterschiedlichen Bereichen.<br />

<strong>Frankfurt</strong> <strong>in</strong> <strong>Takt</strong> 09/1<br />

Nachdem sich mancher Student an der <strong>HfMDK</strong> am Anfang des letzten<br />

Semesters noch gewundert hat, was Physiodrama denn wohl<br />

se<strong>in</strong> könnte, formen die Tra<strong>in</strong><strong>in</strong>gse<strong>in</strong>heiten nach und nach neue praktische<br />

und verständliche Zugänge zur Erarbeitung und Verfe<strong>in</strong>erung<br />

von Rollen und Figuren, differenziertere Zugänge zur Eigenwahrnehmung<br />

und dienen als Basis für die Begegnung mit Menschen aus<br />

anderen Diszipl<strong>in</strong>en und Ländern.<br />

Für die Tra<strong>in</strong><strong>in</strong>gs von Physiodrama lassen sich heute eigentlich<br />

immer noch ähnliche Voraussetzungen formulieren, wie ich sie<br />

damals schon formuliert habe:<br />

– Du willst dich unbed<strong>in</strong>gt mit Drama beschäftigen,<br />

jedoch nicht nur literarisch oder verbal.<br />

– Du identifizierst dich künstlerisch nicht grundsätzlich als<br />

Tänzer, möchtest dich aber gern bewegen und e<strong>in</strong>en spieltechnischen<br />

und künstlerischen Umgang mit dem Körper<br />

und dem Raum entwickeln.<br />

– Manches kann oder will man nicht sagen oder tanzen. Die<br />

Arbeit soll re<strong>in</strong> aus dem Bereich des Visuellen und Körperlichen<br />

entstehen, e<strong>in</strong>e visuelle Wirkung haben und körperlich se<strong>in</strong>.<br />

– Es werden Möglichkeiten gesucht, wie Bewegung und Körper<br />

vor bzw. nach dem Tanzen und Sprechen aussehen würden,<br />

wenn der Körper nicht <strong>in</strong> der Lage ist zu tanzen oder<br />

zu sprechen.<br />

– Du möchtest z. B. mit der Auflösung der natürlichen Körperhierarchie<br />

(so genannte Defiguration, non-frontale Kommunikation)<br />

Handlungen <strong>in</strong> andere künstlerische und stilistische<br />

Dimensionen h<strong>in</strong>e<strong>in</strong> ziehen, mehr als „realistisch“ arbeiten<br />

und damit e<strong>in</strong>em e<strong>in</strong>seitigen Naturalismus auf der Bühne<br />

etwas entgegen setzen.


<strong>Frankfurt</strong> <strong>in</strong> <strong>Takt</strong> 09/1<br />

– Du willst e<strong>in</strong> selbst schaffender Künstler se<strong>in</strong>, <strong>in</strong>terdiszipl<strong>in</strong>är<br />

verknüpfende Arbeit machen und andere Bereiche als<br />

Zugang für Entwicklungen auf Körperebene entdecken.<br />

– Du siehst den Körper als Zugang, um auch auf<br />

<strong>in</strong>ternationaler Ebene zu arbeiten.<br />

Yurgen Schoora hat an der <strong>HfMDK</strong><br />

deutschlandweit die erste Professor für<br />

Physiodrama <strong>in</strong>ne.<br />

Durch spezialisierte Möglichkeiten, dramatische Konflikte visuell auf<br />

e<strong>in</strong>e Weise darzustellen, die sie nicht e<strong>in</strong>fach durch verbale oder<br />

tänzerische Techniken ersetzt, erweist sich das Mimisch-Gestische<br />

tatsächlich als Gebiet par excellence.<br />

Inzwischen s<strong>in</strong>d die oben genannten Tra<strong>in</strong><strong>in</strong>gs durch viele neue praktische<br />

Übungen zeitgenössisch verknüpft worden. Für die Bühnenpraxis<br />

lassen sich dementsprechend folgende Fragen stellen: Was<br />

ist das Schauspielerische <strong>in</strong> Tanz, Mime, Gesang, was das Körperlich-Mimische<br />

<strong>in</strong> Gesang, Schauspiel und Tanz, was das Tänzerische<br />

<strong>in</strong> Schauspiel und Mime und was das Musikalisch-Rhythmische <strong>in</strong><br />

Schauspiel und Mime? In der <strong>in</strong> Berl<strong>in</strong> zusammen mit me<strong>in</strong>er Frau<br />

organisierten Werkstatt „Planipedes“ (alt-römisch für barfuß) und<br />

<strong>in</strong> Kursen andernorts trafen sich Menschen aus den unterschiedlichsten<br />

Diszipl<strong>in</strong>en. Für uns war es immer selbstverständlich, an der<br />

Psychologie, Neurobiologie oder Quantenphysik anzuknüpfen. Unsere<br />

Erfahrungen verdichteten wir <strong>in</strong> der Entwicklung der „Methodischen<br />

Integration“ – der so genannten Lehre der E<strong>in</strong>flüsse – wo wir wichtige<br />

Erkenntnisse zusammenfassten und systematisierten. Dadurch<br />

entstanden völlig neue Zugänge, Herangehensweisen und Tra<strong>in</strong><strong>in</strong>gsformen.<br />

Der Aspekt der Begegnung und gegenseitigen Bee<strong>in</strong>flussung<br />

hat <strong>in</strong> den letzten zehn Jahren für uns an Bedeutung gewonnen.<br />

Für das Physiodrama sehe ich im Moment vier Aktivitätsfelder, die<br />

ich aus me<strong>in</strong>er Erfahrung und, an die heutigen Bildungsstandards<br />

anknüpfend, weiterentwickeln möchte:<br />

– Vermittlung von körperlichen Darstellungsmethoden<br />

und „Technologien“;<br />

– der Körper als besonderer Zugang für das Kreieren<br />

von Rollen und Figuren;<br />

– der Körper als „Begegnungszentrale“ für unterschiedliche<br />

Erfahrungen und Wege, e<strong>in</strong>e <strong>in</strong>terdiszipl<strong>in</strong>äre, künstlerische<br />

Begegnung und praktische Verknüpfung von Diszipl<strong>in</strong>en;<br />

– der grundsätzlich von Körperlichkeit geprägte heutige<br />

Lernbegriff (somatischer Bereich, ganzheitliche Betrachtung)<br />

und qualitativ fachlicher Zugang zur Entwicklung von persönlichen<br />

und zwischenmenschlichen Handlungskompetenzen.<br />

Der Unterricht der Studierenden verläuft stark prozessorientiert. Der<br />

Unterrichts<strong>in</strong>halt wird darauf abgestimmt, wer welchen strategischmethodischen<br />

„Schlüssel“ braucht. Die Entwicklung des verknüpfenden<br />

Denkens, das „Wandern“ von e<strong>in</strong>er Tra<strong>in</strong><strong>in</strong>gsart <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e<br />

andere, ist genauso wichtig wie die persönliche, mentale und künstlerische<br />

Konsequenz, die Entwicklung von Selbstverantwortung und<br />

Reflexionsfähigkeit sowie die Betrachtung von gesellschaftlichen<br />

und wissenschaftlichen Zusammenhängen. Verhaltenseigenschaften<br />

wie Eitelkeit und Kritiklosigkeit sollen überflüssig werden. Der sich<br />

entwickelnde Künstler hat e<strong>in</strong>e Verantwortung <strong>in</strong> alle Richtungen:<br />

gegenüber sich selbst und den anderen, allen Künsten und auch<br />

der Gesellschaft.<br />

Yurgen Schoora, Professor für Physiodrama im Fachbereich 3


Verpflichtung über<br />

das Jahr 009 h<strong>in</strong>aus<br />

Neue Projekte der Gesellschaft der Freunde<br />

und Förderer<br />

100 persönliche und 25 Unternehmensmitglieder zählt die Gesellschaft<br />

der Freunde und Förderer der Hochschule für Musik<br />

und Darstellende Kunst <strong>Frankfurt</strong> am Ma<strong>in</strong> e.V. (GdFuF) mittlerweile.<br />

Der Unterstützerkreis der <strong>Frankfurt</strong>er Hochschule wächst<br />

kont<strong>in</strong>uierlich, und die GdFuF ist erstmals <strong>in</strong> der Lage, ab 2009<br />

drei große mehrjährige Förderprojekte zu übernehmen.<br />

So ermöglichen die Freunde und Förderer e<strong>in</strong>e erste Gastprofessur:<br />

Stephan Kimmig, Hausregisseur des Thalia Theater Hamburg,<br />

verstärkt den Ausbildungsbereich Theater und Regie (siehe auch<br />

den Artikel „Stephan Kimmig ist Gastprofessor für Schauspiel<br />

und Regie“). Ebenfalls zum ersten Mal ermöglichen die Freunde<br />

und Förderer das Engagement e<strong>in</strong>es renommierten Gastdirigenten<br />

für e<strong>in</strong>e Arbeitsphase mit dem Hochschulorchester. Den<br />

Anfang im jährlichen Dirigentenzyklus macht Lothar Zagrosek,<br />

Chefdirigent des Konzerthausorchesters Berl<strong>in</strong>, im kommenden<br />

November. Mit dem Generalmusikdirektor der Oper <strong>Frankfurt</strong>,<br />

Sebastian Weigle, ist die Arbeitsphase im Jahr 2010 angedacht.<br />

Künstlerisch aufgewertet werden soll auch der höchste an Sänger<br />

oder Instrumentalisten zu vergebende Abschluss, das „Konzertexamen“.<br />

Dazu begleiten, f<strong>in</strong>anziert von den Freunden und Förderern,<br />

zukünftig hessische Landesorchester die Abschlusskonzerte,<br />

die so endlich zum hochklassigen Konzerterlebnis für<br />

die „KEler“ und ihre Zuhörer werden.<br />

Schon gute Tradition hat die Förderung e<strong>in</strong>er Opernproduktion<br />

der <strong>HfMDK</strong>. Nach dem Orfeo von 2007 im Kloster Eberbach<br />

beim Rhe<strong>in</strong>gau Musik Festival und der Fledermaus im Gallus<br />

Theater <strong>Frankfurt</strong> 2008 wird <strong>in</strong> diesem Jahr mit dem R<strong>in</strong>aldo<br />

von Georg Friedrich Händel erneut e<strong>in</strong>e von den Freunden der<br />

Hochschule unterstützte Opernproduktion aufgeführt. Die Premiere<br />

ist am 25. Oktober im Theater Rüsselsheim. Weitere Aufführungen<br />

<strong>in</strong> Bensheim und <strong>Frankfurt</strong> folgen.<br />

Bereits heute engagieren sich Freunde und Förderer mit eigenen<br />

Stipendien; dazu kommen die Starter-Stipendien der GdFuF,<br />

mit denen begabte Studierende am Anfang ihres Studiums gefördert<br />

werden. E<strong>in</strong> starkes Stipendienprogramm unterstützt die<br />

<strong>HfMDK</strong> im <strong>in</strong>ternationalen Wettbewerb um die begabtesten<br />

Studierenden; Stipendien nützen Hochbegabten und erleichtern<br />

die Lebens- und Lernbed<strong>in</strong>gungen der Studierenden <strong>in</strong> entscheidenden<br />

Phasen des Studiums. So möchte die Gesellschaft der<br />

Freunde 2009 verstärkt daran mitwirken, das Stipendienprogramm<br />

der Hochschule aufzubauen und so deren positive Entwicklung<br />

zu flankieren.<br />

<strong>Frankfurt</strong> <strong>in</strong> <strong>Takt</strong> 09/1<br />

Stephan Kimmig ist Gastprofessor<br />

für Schauspiel und Regie<br />

Spätestens mit dem Faust-Preis für se<strong>in</strong>e Inszenierung Maria<br />

Stuart als beste Regiearbeit des Jahres 2007 hat sich Stephan<br />

Kimmig an die Spitze der wichtigsten deutschsprachigen Regisseure<br />

gesetzt. In den letzten fünf Jahren arbeitete er kont<strong>in</strong>uierlich<br />

an den drei wichtigsten großen Häusern: am Wiener Burgtheater,<br />

an den Münchner Kammerspielen und am Hamburger<br />

Thalia Theater. Zur nächsten Spielzeit wird er als fester Hausregisseur<br />

an das Deutsche Theater Berl<strong>in</strong> wechseln. Er zeichnet<br />

sich durch e<strong>in</strong>e exzellente Schauspielarbeit aus. Stephan Kimmig<br />

genoss selber e<strong>in</strong>e Ausbildung als Schauspieler und lebte<br />

acht Jahre <strong>in</strong> Holland. Dort konnte er die aktuellen<br />

flämischen Entwicklungen verfolgen.<br />

Dank der großzügigen Unterstützung der Gesellschaft der<br />

Freunde und Förderer der Hochschule konnte er nun für das<br />

Sommersemester 2009 als Gastprofessor gewonnen werden –<br />

e<strong>in</strong> Novum an der Hochschule, was unmittelbar die Qualität der<br />

Lehre <strong>in</strong> Schauspiel und Regie auszeichnet. Kimmig wird <strong>in</strong><br />

<strong>Frankfurt</strong> und Hamburg mit den Studierenden des fünften Semesters<br />

Schauspiel arbeiten sowie Inszenierungen besuchen<br />

und auswerten, um so zugleich den Blick der Studierenden zu<br />

schulen. E<strong>in</strong>ige der Regiestudierenden s<strong>in</strong>d wiederum als kritische<br />

Beobachter dabei, um se<strong>in</strong>e Arbeitsweise zu verfolgen.<br />

Thema s<strong>in</strong>d die Liebesszenen der deutschen klassischen Literatur,<br />

mith<strong>in</strong> das Schwerste, was es überzeugend darzustellen<br />

gilt. Schon jetzt, nach den ersten Vorgesprächen, s<strong>in</strong>d die Studierenden<br />

begeistert, denn Kimmig gilt als Spezialist der Beziehungskatastrophen,<br />

die er mit se<strong>in</strong>em fe<strong>in</strong>s<strong>in</strong>nigen Gespür immer<br />

wieder neu und anders auslotet. Am 23. und 24. Mai wird das<br />

Ergebnis im Schauspielstudio der <strong>HfMDK</strong> zu sehen se<strong>in</strong>: als<br />

kle<strong>in</strong>e Aufführung zu e<strong>in</strong>em ganz großen Thema!


<strong>Frankfurt</strong> <strong>in</strong> <strong>Takt</strong> 09/1<br />

US-amerikanischer Opernstar<br />

wird Ehrenmitglied der Gesellschaft<br />

der Freunde und Förderer<br />

Die Sopranist<strong>in</strong> Renée Flem<strong>in</strong>g hat die erste Ehrenmitgliedschaft<br />

<strong>in</strong> der Gesellschaft der Freunde und Förderer der Hochschule angenommen.<br />

Flem<strong>in</strong>g ist Alumna, ehemalige Student<strong>in</strong> der <strong>Frankfurt</strong>er<br />

Hochschule; sie hatte <strong>in</strong> den 80er Jahren als Fulbright-Stipendiat<strong>in</strong><br />

bei Arleen Auger <strong>in</strong> <strong>Frankfurt</strong> studiert und <strong>in</strong> dieser Zeit auch mit<br />

Hartmut Höll und Ra<strong>in</strong>er Hoffmann im Bereich der Liedgestaltung<br />

gearbeitet. Renée Flem<strong>in</strong>g ist unter anderem an der Wiener Staatsoper,<br />

an der Bayerischen Staatsoper <strong>in</strong> München, am Royal Opera<br />

House Covent Garden <strong>in</strong> London, an der Mailänder Scala, an der<br />

Opéra Bastille <strong>in</strong> Paris und an der New Yorker Metropolitan Opera<br />

aufgetreten. Während ihres Auftritts als Marschall<strong>in</strong> im Rosenkavalier,<br />

der Ende Januar im Festspielhaus Baden-Baden e<strong>in</strong> großer<br />

Erfolg war, konnte Andreas Mölich-Zebhauser, Kuratoriumsmitglied<br />

der Gesellschaft der Freunde und Intendant des Festspielhauses,<br />

Renée Flem<strong>in</strong>g die Ehrenmitgliedschaft vorschlagen. Unter ihren<br />

Fans bef<strong>in</strong>det sich übrigens auch US-Präsident Barack Obama. Er<br />

bat sie, ihre Proben zum Rosenkavalier zu unterbrechen, um auf<br />

dem Konzert zu se<strong>in</strong>er Amtse<strong>in</strong>führung You‘ll never walk alone<br />

zu s<strong>in</strong>gen. be<br />

<strong>HfMDK</strong> JazzFest 2009<br />

Höhepunkt des wie im Vorjahr von der DZ BANK gesponserten<br />

<strong>HfMDK</strong> JazzFest 2009 waren die Auftritte der 80jährigen New Yorker<br />

Jazzlegende Sheila Jordan und der <strong>HfMDK</strong>-Bigband im ausverkauften<br />

Abendkonzert am 21. Januar. Konzipiert und geleitet wurde das<br />

Jazzfest von Allen Jacobson. Jacobson ließ neben Jordan und den<br />

Ensembles im Weiterbildungsstudiengang Jazz der <strong>HfMDK</strong> auch zwei<br />

Jazz-Gruppen der Musikkonservatorien Wien und Paris auftreten.<br />

Das zweitägige <strong>HfMDK</strong> JazzFest richtet sich an Studierende, Lehrende<br />

und Gastmusiker und ist für das <strong>Frankfurt</strong>er Publikum geöffnet.<br />

Rotary meets <strong>HfMDK</strong><br />

Rotarier kennen sich aus <strong>in</strong> ihrer Stadt und lassen sich nicht so<br />

leicht aus der Reserve locken. Umso überraschter erlebten viele der<br />

70 rotarischen Freunde, die am 18. Februar Gäste der Hochschule<br />

für Musik und Darstellende Kunst <strong>Frankfurt</strong> am Ma<strong>in</strong> waren, die<br />

Qualität und Orig<strong>in</strong>alität der künstlerischen Darbietungen der Studierenden<br />

der <strong>Frankfurt</strong>er Hochschule. Die Clubs <strong>Frankfurt</strong>/Ma<strong>in</strong>, <strong>Frankfurt</strong>/Ma<strong>in</strong><br />

Paulskirche und <strong>Frankfurt</strong>/Ma<strong>in</strong> Alte Oper waren e<strong>in</strong>er<br />

E<strong>in</strong>ladung zur musikalisch-künstlerischen Entdeckungstour durch<br />

die Hochschule gefolgt, wo Station gemacht wurde bei Posaunisten<br />

im Dachstuhl, <strong>in</strong> der von e<strong>in</strong>er Percussionist<strong>in</strong> bespielten Tiefgarage<br />

und <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em von Opernsängern e<strong>in</strong>genommenen Tanzsaal. Im Keller<br />

hatte sich e<strong>in</strong> Kontrabassquartett aufgebaut, und im Büro des Präsidenten<br />

gab es Alte Musik mit Blockflöte und Cembalo. Letzte Dest<strong>in</strong>ation<br />

für die fünf unterschiedlich gestarteten Reisegruppen war<br />

die „ROCKPARTY“ mit acht Tänzern im Foyer der Hochschule.<br />

Sich vor Publikum zu erproben und zu bewähren, ist für die Studierenden<br />

wichtiger Bestandteil ihres Studiums. Mit über 100 öffentlichen<br />

Konzerten und Aufführungen im Semester zählt die mitten <strong>in</strong><br />

<strong>Frankfurt</strong> gelegene Hochschule zu den größten Kulturveranstaltern<br />

der Stadt. be<br />

9


30 <strong>Frankfurt</strong> <strong>in</strong> <strong>Takt</strong> 09/1<br />

Mit russischem Temperament<br />

und kantablem Klangs<strong>in</strong>n<br />

Klavierprofessor<strong>in</strong> Ir<strong>in</strong>a Edelste<strong>in</strong> geht <strong>in</strong> den<br />

Ruhestand, behält aber e<strong>in</strong>en Lehrauftrag<br />

Der e<strong>in</strong>stige Hochschuldirektor Hans-Dieter Resch war es, der Ir<strong>in</strong>a<br />

Edelste<strong>in</strong> <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Konzert des <strong>Frankfurt</strong>er H<strong>in</strong>demith-Instituts im<br />

Duo mit dem Cellisten Viktor Yoran als pädagogisches Potenzial für<br />

die <strong>HfMDK</strong> entdeckte und sie 1980 als Lehrbeauftragte für Klavier<br />

engagierte. Er war es auch, der wenig später Post von der belgischen<br />

König<strong>in</strong> erhielt, die den Hochschulrektor dar<strong>in</strong> bat, e<strong>in</strong>e junge belgische<br />

Pianist<strong>in</strong> doch bei Ir<strong>in</strong>a Edelste<strong>in</strong> studieren zu lassen, obwohl<br />

diese zu dieser Zeit noch ke<strong>in</strong>e Professor<strong>in</strong>, sondern Dozent<strong>in</strong> sei.<br />

Dass es 1987 an der Zeit war, der russischen Pianist<strong>in</strong> <strong>in</strong> <strong>Frankfurt</strong><br />

e<strong>in</strong>e Klavierprofessur zuzusprechen, untermauerten Empfehlungsschreiben<br />

von August Leopolder, Vladimir Ashkenazy und Radu Lupu.<br />

Nach 27 Jahren Lehrtätigkeit an der <strong>HfMDK</strong> geht Ir<strong>in</strong>a Edelste<strong>in</strong> nun<br />

<strong>in</strong> den Ruhestand, bleibt aber mit e<strong>in</strong>em Lehrauftrag an der Hochschule<br />

präsent.<br />

„Als ich die Professur bekommen habe, habe ich zu kämpfen begonnen<br />

– für die Demokratie“, er<strong>in</strong>nert sich Ir<strong>in</strong>a Edelste<strong>in</strong>. Damit me<strong>in</strong>t<br />

sie vor allem ihren E<strong>in</strong>satz für die fachliche Gleichberechtigung von<br />

Lehrbeauftragten und Professoren <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Zeit, als noch ausschließlich<br />

Professoren <strong>in</strong> Prüfungskommissionen Platz nehmen durften.<br />

Doch auch jenseits dieses Kampfes um mehr Liberalität waren <strong>in</strong> der<br />

Hochschule ihre argumentative Offenheit und ihr wortreiches Temperament<br />

geschätzt. „Der damalige Klavierprofessor August Leopolder<br />

fand, dass ich e<strong>in</strong>en neuen W<strong>in</strong>d <strong>in</strong> die Hochschule gebracht<br />

habe“, er<strong>in</strong>nert sich Ir<strong>in</strong>a Edelste<strong>in</strong>. In der Fachgruppe Klavier setzte<br />

sie sich für e<strong>in</strong> kollegiales Mite<strong>in</strong>ander und den Austausch von Erfahrungen<br />

unter ihresgleichen e<strong>in</strong>. E<strong>in</strong>en familienähnlichen Kontakt<br />

untere<strong>in</strong>ander aufzubauen, gelang ihr <strong>in</strong> ihrer eigenen Klavierklasse.<br />

Die pädagogische Erfolgsgeschichte, die sie damit verb<strong>in</strong>den kann,<br />

besteht aus Namen vieler arrivierter Absolventen, darunter über 20<br />

<strong>in</strong>ternationale Preisträger – von Ohad Ben-Ari, der im ARD-Wettbewerb<br />

den 2. Preis errang, über den Ma<strong>in</strong>zer Chorleitungs-Professor<br />

Ralf Otto, Chantelle Elpida Nassiopulos (Grand Prix beim <strong>in</strong>ternationalen<br />

Klavierwettbewerb <strong>in</strong> Athen), Ekater<strong>in</strong>a und Alexander<br />

Kolodochka (Sieger als Klavierduo <strong>in</strong> Verona 2008) sowie die<br />

jetzigen <strong>HfMDK</strong>-Lehrbeauftragten Jan Polivka, Dietrich von Knebel,<br />

Thorsten Larbig, Lars Jönsson, Mart<strong>in</strong> Schmalz und Jean-Michel<br />

van Craenem.<br />

Ir<strong>in</strong>a Edelste<strong>in</strong> beschreibt sich selber als „sehr pedantisch <strong>in</strong> der<br />

Kenntnis der Notenliteratur“ – sicher e<strong>in</strong>e wichtige Voraussetzung<br />

für ihr erfolgreiches Arbeiten sowohl als Solist<strong>in</strong> als auch mit ihren<br />

Studierenden. Die hat sie stets gelehrt, „menschlich und musikalisch<br />

im guten S<strong>in</strong>ne professionell zu se<strong>in</strong>, ehrgeizig mit e<strong>in</strong>er gesunden<br />

Dosis solistischem Bewusstse<strong>in</strong>“. Die pädagogische Begabung dürfte<br />

ihr ihre Mutter, selbst e<strong>in</strong>stige Viol<strong>in</strong>-Professor<strong>in</strong> am Moskauer Konservatorium,<br />

<strong>in</strong> die Wiege gelegt haben. Am Moskauer Tschaikowsky-Konservatorium<br />

wurde Ir<strong>in</strong>a Edelste<strong>in</strong> als Student<strong>in</strong> vor allem von<br />

ihrem Lehrer Jacov Milste<strong>in</strong> musikalisch geprägt. Das damit e<strong>in</strong>hergehende<br />

Grundpr<strong>in</strong>zip, als Pianist das Klavier zum S<strong>in</strong>gen zu br<strong>in</strong>gen,<br />

bescherte ihr e<strong>in</strong>e beachtliche Konzertkarriere: zuerst <strong>in</strong> ihrer russischen<br />

Heimat, nach ihrer Emigration nach Israel auch <strong>in</strong> Jerusalem,<br />

Tel Aviv, Haifa und Beersheva. Bis <strong>in</strong> die 80-er Jahre erarbeitete der<br />

englische Sender BBC zahlreiche Rundfunk- und Fernsehaufnahmen<br />

mit Ir<strong>in</strong>a Edelste<strong>in</strong>. Seit 1979 produzierte der Hessische Rundfunk<br />

etliche Aufnahmen mit ihr, von denen es viele <strong>in</strong> den Katalog der<br />

besten HR-Musikproduktionen schafften. Konzerte als Solist<strong>in</strong> mit<br />

Orchester oder als Kammermusikpartner<strong>in</strong> führten die Pianist<strong>in</strong> nach<br />

Spanien, Frankreich, England, Korea, Litauen, Dänemark, Tschechien,<br />

Israel, Belgien, Holland und <strong>in</strong> die USA. 1986 gründete sie das Kammerorchester<br />

„Concerto Grosso <strong>Frankfurt</strong>“, das sie bis heute künstlerisch<br />

leitet und <strong>in</strong> dem sie mit renommierten <strong>Frankfurt</strong>er Berufsmusikern<br />

konzertiert.<br />

Die Zeit, die Ir<strong>in</strong>a Edelste<strong>in</strong> fortan durch ihren Ruhestand für andere<br />

D<strong>in</strong>ge als die Musik gew<strong>in</strong>nt, weiß sie gut zu <strong>in</strong>vestieren: Ihre Tochter<br />

Eliser Le<strong>in</strong>, Student<strong>in</strong> für Theater-, Film- und Medienwissenschaft,<br />

freut sich jedenfalls, wenn sie ihre Mutter ab und an und <strong>in</strong> aller<br />

Ruhe <strong>in</strong> Wien besuchen kann. bjh


<strong>Frankfurt</strong> <strong>in</strong> <strong>Takt</strong> 09/1<br />

Metrisch elastisch statt<br />

mechanisch virtuos<br />

Mit se<strong>in</strong>er Pensionierung endet für Klavierprofessor Bernd Ickert auch se<strong>in</strong><br />

Engagement als Ausbildungsdirektor – se<strong>in</strong>e Klavierklasse führt er weiter<br />

Die Regel, wonach das Milieu der frühen<br />

Jugend e<strong>in</strong>en Menschen musikalisch und<br />

sprachlich gleichermaßen e<strong>in</strong> für allemal<br />

prägt, sche<strong>in</strong>t Bernd Ickert nur zur Hälfte zu<br />

bestätigen. 1943 als Sohn musikliebender<br />

Eltern <strong>in</strong> Chemnitz geboren, erhielt er noch<br />

vor der E<strong>in</strong>schulung den ersten Klavierun-<br />

terricht, wurde bald von se<strong>in</strong>em Lehrer als<br />

Klavier- und Improvisationstalent gefördert<br />

und sammelte im Zusammenspiel mit sei-<br />

nem geigespielenden Vater erste Podiums-<br />

erfahrungen. Die sächsische Mundart jedoch,<br />

deren Bannkreis er erst im Alter von 16 Jah-<br />

ren durch Übersiedlung der Familie <strong>in</strong> den<br />

Westen entkam, hat er so gut wie ganz ab-<br />

gelegt und pflegt er nur noch <strong>in</strong> Ausnahme-<br />

situationen. Und auch der südhessische Dia-<br />

lekt, dem er im Westen ausgesetzt war, hat<br />

se<strong>in</strong>em standfesten Charakter wenig anhaben<br />

können.<br />

Wirklichen E<strong>in</strong>fluss auf Bernd Ickert aber<br />

hatte die Hochschule für Musik und Darstellende<br />

Kunst <strong>Frankfurt</strong> am Ma<strong>in</strong>. Hier studierte<br />

er zunächst Schulmusik und später<br />

Klavier, hier empf<strong>in</strong>g er entscheidende künstlerische<br />

Impulse von Lehrerpersönlichkeiten<br />

wie Karl Weiß, Gisela Sott und Kurt Hessenberg,<br />

und hier lernte er se<strong>in</strong>e Frau, die Flötist<strong>in</strong><br />

Heide Henrich, kennen. Ihr beider musikalisches<br />

Erbgut haben sie an drei K<strong>in</strong>der<br />

weitergegeben.<br />

Nach den pianistischen begannen 1971<br />

se<strong>in</strong>e pädagogischen Lehrjahre am Institut<br />

für Musikerziehung der Universität <strong>Frankfurt</strong>.<br />

Dort betreute Bernd Ickert Studierende<br />

mit höchst verschiedenen Voraussetzungen:<br />

zum Teil veritable Musiker mit künstlerischem<br />

Gestaltungswillen, zum Teil Anfänger, die<br />

weder Noten lesen noch e<strong>in</strong> Instrument spielen<br />

konnten. Die Erfahrungen und methodischen<br />

Herausforderungen dieser Zeit haben<br />

se<strong>in</strong>e E<strong>in</strong>stellung zum Unterrichten und zur<br />

Arbeit an der musikalischen Basis nachhaltig<br />

geprägt, so dass er es sich nach se<strong>in</strong>er<br />

Berufung an die Musikhochschule – 1976<br />

als Dozent, 1979 als Professor – weiterh<strong>in</strong><br />

zur Aufgabe machte, nicht nur für das pianistische<br />

Hauptfach, sondern auch für das<br />

Nebenfach Klavier auszubilden. Denn ihm<br />

g<strong>in</strong>g es um die Erziehung zur Musik: um das<br />

Erfassen von musikalischen Gestalten, um<br />

die gestische Wiedergabe kompositorischer<br />

Kontexte, um rhythmische und metrische<br />

Elastizität, aber nie um mechanische<br />

Virtuosität!<br />

Immer dem Werk verpflichtet<br />

Dass dem Konzertpianisten Bernd Ickert technische<br />

Effekthascherei und selbstzweckhafte<br />

Manierismen fremd s<strong>in</strong>d, versteht sich be<strong>in</strong>ahe<br />

von selbst; als Interpret ist er immer<br />

dem Werk verpflichtet geblieben. Se<strong>in</strong> vielseitiges<br />

Repertoire als versierter Solist und<br />

Kammermusiker hat se<strong>in</strong>en Schwerpunkt <strong>in</strong><br />

der Wiener Klassik und deutschen Romantik,<br />

umfasst jedoch auch Kompositionen von<br />

Janaček, Bartok, H<strong>in</strong>demith oder Messiaen.<br />

Unvergesslich bleibt se<strong>in</strong>e Wiedergabe der<br />

gesamten Klaviersonaten von Mozart, die er<br />

1991 an je vier Klavierabenden <strong>in</strong> <strong>Frankfurt</strong><br />

und Bad Homburg spielte.<br />

Ebenso bee<strong>in</strong>druckend aber ist die Selbstverständlichkeit,<br />

mit der er andere Genres<br />

des Metiers beherrscht: souverän im klassischen<br />

Stil improvisiert, vom Blatt spielt,<br />

transponiert und sogar, wenn Not am Mann<br />

ist, bei Aufnahmeprüfungen zur Verblüffung<br />

der Kollegen Popsongs korrepetiert! Die Zeit<br />

von 2002 bis heute bezeichnet Bernd Ickert<br />

selbst als se<strong>in</strong>e „sieben mageren Jahre“.<br />

Zum Ausbildungsdirektor für die Lehramtsstudiengänge<br />

gewählt, war ihm e<strong>in</strong> arbeits<strong>in</strong>tensives<br />

Amt zugefallen, das nur wenig<br />

Zeit zum Üben, geschweige denn zum Konzertieren<br />

ließ. Oft sah man spät abends <strong>in</strong><br />

se<strong>in</strong>em Büro noch Licht brennen, wenn es<br />

im Haus sonst schon überall dunkel war.<br />

Proben statt Sitzungen<br />

Mit dem Ende des W<strong>in</strong>tersemesters 2008/<br />

2009 geht Bernd Ickert <strong>in</strong> Pension. Es ist<br />

ke<strong>in</strong> totaler Abschied, da er dem Haus als<br />

Lehrbeauftragter noch erhalten bleiben wird.<br />

31<br />

Die Kollegen danken ihm und wünschen ihm<br />

nun e<strong>in</strong>e Zeit von m<strong>in</strong>destens sieben fetten<br />

Jahren mit dem Studium musikalischer Werke<br />

anstelle von Studienordnungen und mit<br />

Kammermusikproben anstelle von Senatsund<br />

Dekanatssitzungen.<br />

Eike Wernhard, Professor für Klavier<br />

an der <strong>HfMDK</strong>


3 <strong>Frankfurt</strong> <strong>in</strong> <strong>Takt</strong> 09/1<br />

Ästhetische Erfahrungen<br />

statt „fester Rezepte“<br />

Dr. Maria Spychiger ist neue Professor<strong>in</strong> für Musikpädagogik<br />

mit dem Schwerpunkt empirische Forschung<br />

„Die Musik kann bei Menschen die Kraft e<strong>in</strong>er chemischen Substanz<br />

entfalten und das bewirken, was sonst nur Medikamente vermögen.“<br />

Dr. Maria Spychiger sagt es ruhig, aber mit e<strong>in</strong>er unüberhörbaren E<strong>in</strong>dr<strong>in</strong>glichkeit.<br />

„E<strong>in</strong> enormes Instrument“ habe e<strong>in</strong> Musiklehrer also <strong>in</strong><br />

der Hand, wenn er vor se<strong>in</strong>en Schülern stehe. „Wir wissen darum“,<br />

fährt die Schweizer<strong>in</strong> im Gespräch über ihre Arbeit fort; „wir arbeiten<br />

aber zu wenig bewusst und systematisch damit.“ Dass sich dies ändern<br />

soll, versteht Maria Spychiger als e<strong>in</strong> wichtiges Ziel ihrer Arbeit an der<br />

<strong>HfMDK</strong>: Seit Oktober 2008 hat sie hier die Professur für Musikpädagogik<br />

mit dem Schwerpunkt empirische Forschung <strong>in</strong>ne. Mit ihr ist die<br />

erste von drei Professuren besetzt, die die Musikpädagogik an der<br />

Hochschule dauerhaft als bundesweites Kompetenzzentrum <strong>in</strong><br />

dieser Diszipl<strong>in</strong> etablieren sollen.<br />

Entscheidend ist für die promovierte und habilitierte Wissenschaftler<strong>in</strong>,<br />

die Musikpädagogik aus e<strong>in</strong>em „Modernitätsdefizit“ zu befreien.<br />

Als angewandte Wissenschaft dürfe sie nicht nur normative Aussagen<br />

treffen, denen „feste Rezepte“ für die Anwendung im Unterricht<br />

folgen. Vielmehr habe sie sich als moderne Diszipl<strong>in</strong> der empirischen<br />

Überprüfung zu stellen und selbst im Handwerk der sozialwissenschaftlichen<br />

Forschung mitzuarbeiten. Was die allgeme<strong>in</strong>e Pädagogik<br />

als Wissenschaft vor 30 Jahren als Identität stiftenden Aufbruch<br />

erlebte, habe die Musikpädagogik nun auch dr<strong>in</strong>gend <strong>in</strong><br />

Angriff zu nehmen: „In der Musikpädagogik ist dieser Zug jetzt<br />

auch angekommen.“ Entsprechend hat die Forscher<strong>in</strong> auch e<strong>in</strong><br />

Drittmittelprojekt zum Thema „Musikalische Selbstkonzepte“<br />

mit an die <strong>HfMDK</strong> gebracht, welches seit Februar läuft.<br />

Die von Maria Spychiger als notwendig beschriebene Wende sei<br />

alle<strong>in</strong> schon dafür erforderlich, die Musikpädagogik dauerhaft als<br />

akademische Diszipl<strong>in</strong> zu legitimieren. Um der spannenden Antwort<br />

näher zu kommen, wie musikalisches Lernen funktioniert,<br />

müssten Musiklehrer an die Erfahrungswelt der Schüler anknüpfen.<br />

Ästhetische Erfahrung als e<strong>in</strong> Bildungsziel erlebbar zu machen,<br />

„das sollten wir <strong>in</strong>s Klassenzimmer h<strong>in</strong>e<strong>in</strong>nehmen, ohne<br />

Angst davor zu haben“, f<strong>in</strong>det die Professor<strong>in</strong>.<br />

„Primacanta“, das Projekt des aufbauenden Musikunterrichts, mit<br />

dem die <strong>HfMDK</strong> dauerhaft alle <strong>Frankfurt</strong>er Grundschüler zum<br />

S<strong>in</strong>gen anleiten will, nutzt Maria Spychiger bereits für e<strong>in</strong>e empirische<br />

Datensammlung. Beispielhaft für ihre Forschungshaltung<br />

ist ihr aktuelles Hochschul-Sem<strong>in</strong>ar „Ästhetische Erfahrung und<br />

ästhetische Entwicklung“: Studierende lernen hier empirisches<br />

Arbeiten, <strong>in</strong>dem sie unter anderem Interviews über ästhetische<br />

Werte <strong>in</strong> ausgesuchten Familien führen und die Ergebnisse <strong>in</strong><br />

geme<strong>in</strong>samen Diskursen auswerten.<br />

Die neue Musikpädagogik-Professor<strong>in</strong> kann ihre wissenschaftlichen<br />

Erkenntnisse mit eigener praktischer Unterrichtserfahrung<br />

verb<strong>in</strong>den: Mit dem Schweizer Lehrpatent für die Klassen e<strong>in</strong>s<br />

bis sechs hat sie mehrere Jahre als Lehrer<strong>in</strong> gearbeitet und auch<br />

täglich Musik unterrichtet. E<strong>in</strong>ige Jahre lehrte sie außerdem an<br />

der Musikhochschule Luzern und war Forschungsbeauftragte der<br />

Pädagogischen Hochschule Bern sowie Leiter<strong>in</strong> des Nachdiplomstudiums<br />

„Didaktik der Musik“ der Universität Bern. Nach ihrem<br />

Doktoratsstudium <strong>in</strong> Deutschland und den USA erfolgte 1995 die<br />

Dissertation mit dem Titel „Mehr Musikunterricht an der öffentlichen<br />

Schule? Entwicklung e<strong>in</strong>es zeichentheoretischen Begründungsansatzes<br />

als Alternative zur außermusikalischen Argumentation“.<br />

Von 2002 bis 2007 arbeitete sie als Oberassistent<strong>in</strong> am Departement<br />

Erziehungswissenschaften der Universität Fribourg, zuletzt<br />

mit e<strong>in</strong>em Forschungsaufenthalt im Rahmen e<strong>in</strong>es Projektes<br />

„Zur Entwicklung des professionellen Selbst von Musiklehrer/<br />

<strong>in</strong>nen“ an der Universität Mozarteum <strong>in</strong> Salzburg im Sommersemester<br />

2007. Ihre Habilitationsschrift mit dem Thema „Musikalische<br />

Aktivität und Bildung. Beiträge zu deren pädagogischpsychologischen<br />

Grundlagen und Wirkungen“ wurde im Sommer<br />

2008 von der Universität Potsdam angenommen. Darauf erhielt<br />

Maria Spychiger die Doppelvenia Musikpädagogik / Musikpsychologie.<br />

E<strong>in</strong> anderes Spezialgebiet von ihr ist das Lernen aus<br />

Fehlern und die Entwicklung von Fehlerkultur, weitere Lehrgebiete<br />

die Pädagogische Kommunikation und Interaktion, die Psychologie<br />

des Person-Welt Bezugs sowie die Qualitative Forschungsmethodik.<br />

bjh


<strong>Frankfurt</strong> <strong>in</strong> <strong>Takt</strong> 09/1<br />

„Man s<strong>in</strong>gt nur mit dem Herzen gut“<br />

Tenor Thomas Heyer ist seit Oktober Professor für Gesang an der <strong>HfMDK</strong><br />

Thomas Heyer dürfte gerade neun Jahre alt<br />

gewesen se<strong>in</strong>, als man ihn im niederrhe<strong>in</strong>ischen<br />

Waldniel immer wieder auf Festen und Feiern<br />

entdeckte – mit e<strong>in</strong>em umgeschnallten Akkordeon<br />

und der Freude, zum eigenen Spiel nach<br />

Herzenslust zu s<strong>in</strong>gen. Sich musikalisch zu<br />

äußern, war für ihn schon damals „so selbstverständlich<br />

wie schwimmen oder Rad fahren“,<br />

sagt er. Diese Haltung ist ihm auch noch heute<br />

zu eigen. Seit Oktober 2008 ist der Tenor Thomas<br />

Heyer Professor für Gesang an der <strong>HfMDK</strong>.<br />

Sicher ist se<strong>in</strong>e musikalische Sozialisation mitverantwortlich<br />

für se<strong>in</strong>e Überzeugung, dass<br />

S<strong>in</strong>gen „ke<strong>in</strong> <strong>in</strong>tellektueller Zustand ist. Das<br />

Wesentliche beim S<strong>in</strong>gen ist, dass man es emotional<br />

macht. Sobald ich es wirklich emotional<br />

steuere, wird es Musik.“<br />

Schon <strong>in</strong> der Zeit se<strong>in</strong>es Kölner Studiums der<br />

Schulmusik war er von der Neugier getrieben,<br />

die physiologischen Zusammenhänge des<br />

Stimmapparates zu verstehen. Er hospitierte<br />

bei unzähligen Sängern, leitete mit 18 Jahren<br />

se<strong>in</strong>en eigenen Jugendchor und hatte sich als<br />

20-jähriger Student bereits se<strong>in</strong>e private Gesangsklasse<br />

aufgebaut. Mit 23 Jahren, noch<br />

während se<strong>in</strong>es Lehramtsstudiums, holte ihn<br />

die Hagener Oper zu se<strong>in</strong>em ersten Bühnenengagement<br />

als Solist. Mit Mitte 20 besang der<br />

Tenorsolist <strong>in</strong> der Kölner Philharmonie bereits<br />

Beethovens „Ode an die Freude“ und sammelte<br />

reichlich Erfahrung <strong>in</strong> der Oper und auf dem<br />

Konzertpodium. „Als Student habe ich mir me<strong>in</strong><br />

Studium selbst f<strong>in</strong>anziert“, er<strong>in</strong>nert er sich an<br />

se<strong>in</strong>e Studienzeit; „am Samstagabend b<strong>in</strong> ich<br />

mit `Love me tender` aufgetreten, am Sonntagnachmittag<br />

dann mit Haydns Schöpfung.“ Se<strong>in</strong>e<br />

Studien <strong>in</strong> Gesang und Gesangspädagogik<br />

komplettierte er bei Prof. Arthur Janzen, Judith<br />

L<strong>in</strong>denbaum sowie bei den Kammersängern Prof.<br />

Re<strong>in</strong>hard Leisenheimer und Kurt Moll. Internationale<br />

Engagements folgten.<br />

Die ersten Musikstudenten, die von Thomas<br />

Heyers pädagogischer Begabung profitierten,<br />

erlebten ihn als Lehrbeauftragten an der Universität<br />

Siegen. Die dort von ihm <strong>in</strong>itiierten Aufführungen<br />

von Humperd<strong>in</strong>cks Hänsel und Gretel<br />

und Figaros Hochzeit, besetzt mit Studierenden<br />

se<strong>in</strong>er Gesangsklasse, ließen erahnen, dass<br />

33<br />

Unterrichten für Thomas Heyer mehr mit Leidenschaft<br />

als mit Pflicht zu tun hat. Mehrere<br />

Semester unterrichtete er als Lehrbeauftragter<br />

an der <strong>HfMDK</strong>, bevor er schließlich auf die<br />

Professur von Karl Markus als se<strong>in</strong> Nachfolger<br />

berufen wurde.<br />

„Die Welt ist so, wie wir sie sehen“ und „Man<br />

s<strong>in</strong>gt nur mit dem Herzen gut“ lauten zwei wichtige<br />

Leitsätze von Thomas Heyer. Damit formuliert<br />

er se<strong>in</strong> pädagogisches Selbstverständnis,<br />

an stimmlichen Defiziten physiologisch – eher<br />

im S<strong>in</strong>ne e<strong>in</strong>es Tra<strong>in</strong><strong>in</strong>gs – zu arbeiten und gute<br />

Anlagen zu verstärken. „E<strong>in</strong>e Stimme kann das,<br />

was sie kann. Was sie nicht kann, muss man<br />

zunächst der Muskulatur im Unterricht zeigen.<br />

Eben e<strong>in</strong>e klare Kompetenzverteilung zwischen<br />

Schüler und Lehrer!“ Er ist sich sicher: „E<strong>in</strong><br />

Mensch, der sich für e<strong>in</strong> Musikstudium entschlossen<br />

hat, ist ja voll mit Musik. Wir müssen<br />

ihn nur noch öffnen.“<br />

Im Unterricht ist es dem Tenor wichtig, „als Lehrender<br />

selbst Lernender zu bleiben“. In den ersten<br />

Semestern e<strong>in</strong>es Gesangsstudiums möchte<br />

er für die Studierenden e<strong>in</strong>e Bezugsperson se<strong>in</strong>:<br />

Viermal pro Woche bekommt e<strong>in</strong> Gesangsstudent<br />

bei ihm Unterricht: technische E<strong>in</strong>heiten<br />

und jede Woche e<strong>in</strong>e Klassenstunde. Aus stimmphysiologischer<br />

Sicht sei e<strong>in</strong> junger Sänger anfangs<br />

nicht <strong>in</strong> der Lage, so Heyers Überzeugung,<br />

sich selbst zu unterrichten. Daher können <strong>in</strong><br />

se<strong>in</strong>em Unterricht so s<strong>in</strong>nfällige Sätze fallen wie:<br />

„Hör auf zu üben und fang an zu s<strong>in</strong>gen!“<br />

Für den mit e<strong>in</strong>er Musikpädagog<strong>in</strong> verheirateten<br />

Rhe<strong>in</strong>länder ist die Gesangsprofessur schlicht<br />

„se<strong>in</strong> Traumberuf“. Bis zu fünfmal im Jahr gibt<br />

er zusätzlich Masterclasses <strong>in</strong> Europa und USA;<br />

2010 folgt er e<strong>in</strong>er E<strong>in</strong>ladung zu e<strong>in</strong>em Meisterkurs<br />

<strong>in</strong> Kanada. Außerdem „gibt es für mich<br />

ke<strong>in</strong>en Tag, an dem ich nicht s<strong>in</strong>ge – das ist für<br />

mich schlichtweg e<strong>in</strong>e Lebensäußerung.“ Ganz<br />

privat kann er das Musizieren übrigens auch<br />

nicht lassen: Dann vertieft er sich am Klavier<br />

<strong>in</strong> e<strong>in</strong>en Band mit Schubert-Liedern. bjh


3 <strong>Frankfurt</strong> <strong>in</strong> <strong>Takt</strong> 09/1<br />

E<strong>in</strong> Experte von der<br />

Vihuela da Mano bis zur E-Gitarre<br />

Christopher Brandt ist neuer Professor für Gitarre und Methodik<br />

Internationale Konzerttätigkeit, e<strong>in</strong>e weitreichende, vom Anfängerbis<br />

zum Hochschulbereich sich erstreckende musikpädagogische<br />

Praxis, kompositorische Aktivitäten, Theaterarbeit und nicht zuletzt<br />

e<strong>in</strong>e Repertoirepflege von Renaissance bis Pop auf e<strong>in</strong>em der vielseitigsten<br />

Instrumente überhaupt: Das Beschäftigungsprofil von Christopher<br />

Brandt, seit 2001 der Hochschule als Dozent und Vertretungsprofessor<br />

verbunden und jetzt zum Professor für Gitarre und Methodik<br />

sowie zum stellvertretenden Ausbildungsdirektor IGP ernannt, ist<br />

vielfältig. „Man muss gut organisiert se<strong>in</strong> und sich Prioritäten setzen<br />

können”, antwortet Brandt auf die Frage, wie er se<strong>in</strong>e künstlerischen<br />

und pädagogischen Aktivitäten unter e<strong>in</strong>en Hut bekommt – „Eigenschaften,<br />

die ich auch <strong>in</strong> der studentischen Ausbildung für essentiell<br />

halte.” Gerade <strong>in</strong> der IGP sei es wichtig, sich möglichst vielfältig zu<br />

qualifizieren, ohne an künstlerischer Professionalität und pädagogischem<br />

Profil e<strong>in</strong>zubüßen.<br />

Dass Brandt selbst immer bemüht ist, dieser Prämisse zu folgen, lässt<br />

sich aus se<strong>in</strong>em Werdegang ablesen: Dem Schulmusik- und Germanistikstudium<br />

an der <strong>Frankfurt</strong>er Musikhochschule und der Johann<br />

Wolfgang Goethe-Universität schloss sich e<strong>in</strong> KA-Aufbaustudium<br />

bei Prof. Michael Teuchert, ebenfalls <strong>in</strong> <strong>Frankfurt</strong>, an; ergänzt wird<br />

es durch Musiktheoretische Studien bei Prof. Dr. Jürgen Blume<br />

e<strong>in</strong>erseits und E-Gitarrenunterricht bei Prof. Michael Sagmeister<br />

andererseits. Nach „mit Auszeichnung“ absolviertem Staatsexamen<br />

und Diplom schloss sich e<strong>in</strong> Konzertexamensstudium bei Prof.<br />

Jürgen Ruck an der Musikhochschule Würzburg und e<strong>in</strong> Kompositionstudium<br />

bei Toni Völker an der Akademie für Tonkunst <strong>in</strong> Darmstadt<br />

an. Brandt erhielt darüber h<strong>in</strong>aus Preise als Gitarrist und<br />

Komponist (u.a. Karl-Scheit-Gitarrenwettbewerb <strong>in</strong> Wien sowie<br />

Carl-v.-Ossietzky-Kompositionspreis) und nahm an den Darmstädter<br />

Ferienkursen und Meisterkursen unter anderen bei Karlhe<strong>in</strong>z<br />

Stockhausen teil.<br />

Mit Ende se<strong>in</strong>es Studiums setzte se<strong>in</strong>e rege Konzerttätigkeit e<strong>in</strong>:<br />

Vor allem bei den führenden Solistenensembles für Zeitgenössische<br />

Musik (Ensemble Modern, Klangforum Wien, Musikfabrik<br />

NRW) ist Brandt regelmäßig zu Gast, darüber h<strong>in</strong>aus bei vielen<br />

deutschen S<strong>in</strong>fonieorchestern und Opernhäusern. Brandt spielte<br />

Ur- und Erstaufführungen von Olga Neuwirth, Wolfgang Rihm,<br />

Helmut Lachenmann, Helmut Oehr<strong>in</strong>g, Moritz Eggert, Clemens<br />

Gadenstätter und anderen und war bei den Wiener Festwochen,<br />

der RuhrTriennale, dem New Yorker L<strong>in</strong>coln Center Festival und<br />

den Dresdner Tagen für zeitgenössische Musik zu Gast. „Wenn<br />

man kompetent zeitgenössische Musik spielt, gilt man natürlich<br />

schnell als ausschließlicher Neue Musik-Spezialist“, sagt Brandt<br />

schmunzelnd. Deshalb sei ihm die Pflege des traditionellen Repertoires,<br />

auch h<strong>in</strong>sichtlich se<strong>in</strong>er Unterrichtstätigkeit, ebenso<br />

wichtig. Vor allem die Alte Musik und dort die Vihuela da Mano<br />

haben es ihm angetan. Darüber h<strong>in</strong>aus ist Brandt seit langem im<br />

Bereich der Musikvermittlung tätig, beispielsweise als Stipendiat<br />

der Stiftung Live Music Now und im Rahmen des Projektes<br />

Response – Neue Musik macht Schule.<br />

„Me<strong>in</strong>e erste Unterrichtsstunde gab ich, als ich selber gerade<br />

erst zwei oder drei bekommen hatte. Seitdem ist das Unterrichten<br />

e<strong>in</strong>e Konstante <strong>in</strong> me<strong>in</strong>em Leben”, erklärt Christopher Brandt. Die<br />

langjährige obligatorische Musikschultätigkeit <strong>in</strong> den Fächern<br />

Gitarre, E-Gitarre und Theorie wurde ab 2001 ergänzt durch e<strong>in</strong>en<br />

Lehrauftrag an der <strong>Frankfurt</strong>er Musikhochschule, anfangs für Theorie<br />

und Musizierpraxis, bald natürlich vor allem für Gitarre. „Das<br />

Instrument ist – schon alle<strong>in</strong> des Übeaufwands wegen – immer<br />

Zentrum me<strong>in</strong>es Musikerlebens, und ich hoffe sehr, dass spätere<br />

Studentengenerationen im IGP- und IuD-Bereich weiterh<strong>in</strong> die<br />

Erfahrung machen, dass es wenig Beglückenderes gibt, als sich<br />

an e<strong>in</strong>em Instrument wirklich professionell auszubilden und die<br />

Freiräume, die es dafür braucht, <strong>in</strong> Anspruch nehmen zu können.”


<strong>Frankfurt</strong> <strong>in</strong> <strong>Takt</strong> 09/1<br />

Veranstaltungskalender 09 19.02.2009 11:49 Uhr Seite 1<br />

Bühnenbildner, Dirigenten,<br />

Dramaturgen, Komponisten,<br />

Kulturmanager, Regisseure<br />

BEWERBUNG<br />

BIS<br />

31. MAI 2009<br />

Wir bieten <strong>in</strong>terdiszipl<strong>in</strong>ären Austausch, Inszenierungsbesuche, Festival-<br />

besuche, e<strong>in</strong> breites Netzwerk Musiktheaterbegeisterter, Unterstützung bei<br />

praktischen Projekten<br />

Wir suchen musiktheaterbegeisterte, aufgeschlossene Persönlichkeiten,<br />

die an Teamarbeit <strong>in</strong>teressiert s<strong>in</strong>d, <strong>in</strong> der Oper Verantwortung übernehmen<br />

und Erfahrungen teilen möchten<br />

Information und Bewerbung unter: www.musiktheater-heute.org<br />

Altersgrenze: Jahrgang 1977<br />

Akademie Musiktheater<br />

heute<br />

Stipendium 2009 – 2011<br />

3


3 <strong>Frankfurt</strong> <strong>in</strong> <strong>Takt</strong> 09/1<br />

Erfolge unserer Studierenden<br />

Jan<strong>in</strong>e Neugebauer, Klar<strong>in</strong>ette (Klasse Anton<br />

Hollich), hat das Probespiel bei der Jungen<br />

Deutschen Philharmonie gewonnen und fährt<br />

im April auf ihre erste Probephase. Seit Januar<br />

2009 ist sie außerdem Volontär<strong>in</strong> im<br />

Staatstheater Darmstadt.<br />

Oliver Krenz, Trompete (Klasse Prof. Klaus<br />

Schuhwerk), ist <strong>in</strong> diesem Jahr Mitglied<br />

des Gustav Mahler Orchesters.<br />

Eva Haug, Harfe (Klasse Prof. Francoise<br />

Friedrich), hat im Pariser Wettbewerb Clé d`Or<br />

den ersten Preis mit Auszeichnung gewonnen.<br />

Luisa Hoberg, Jan<strong>in</strong>e Neugebauer, Thomas<br />

Sattel und Maxi Schulze, Klar<strong>in</strong>ette (alle Klasse<br />

Anton Hollich), wurden mit ihrem Klar<strong>in</strong>ettenquartett<br />

bei Live Music Now aufgenommen.<br />

Miljan Milovic, Bariton (Klasse Prof. Hedwig<br />

Fassbender), hat e<strong>in</strong> Festengagement <strong>in</strong><br />

Wuppertal erhalten.<br />

Impressum<br />

<strong>Frankfurt</strong> <strong>in</strong> <strong>Takt</strong> – Magaz<strong>in</strong> der Hochschule für Musik<br />

und Darstellende Kunst <strong>Frankfurt</strong> am Ma<strong>in</strong><br />

Eschersheimer Landstraße 29–39, 60322 <strong>Frankfurt</strong> am Ma<strong>in</strong>,<br />

www.hfmdk-frankfurt.de<br />

Herausgeber Thomas Rietschel, Präsident der <strong>HfMDK</strong><br />

Idee und Konzept Dr. Sylvia Dennerle<br />

sylvia.dennerle@hfmdk-frankfurt.de; Telefon 069/154 007 170<br />

Redaktion Björn Hadem (bjh) bhadem@arcor.de<br />

Redaktionsbeirat Dr. Sylvia Dennerle, Christ<strong>in</strong> Groß-Narten, Björn<br />

Hadem, Thomas Rietschel, Frank Rosenberger, Prof. Marion Tiedtke<br />

Autoren Prof. Stefan Bastians, Prof. Sibylle Cada, Dr. Julia Cloot,<br />

Dr. Sylvia Dennerle, Beate Eichenberg (be), Prof. Hedwig Fassbender,<br />

Björn Hadem, Lydia Hasselbach, Prof. Heidrun Kordes,<br />

Prof. Hervé Laclau, Jonas Löffler, Prof. em. Gerhard Mantel,<br />

Henrik Rabien, Frank Rosenberger, Thomas Rietschel,<br />

Any Sargsyan, Sopran, und Sören Richter,<br />

Tenor (beide Klasse Prof. Thomas Heyer),<br />

werden im Sommer im Rahmen der Schlossfestspiele<br />

Haldenste<strong>in</strong> die Partien der Micaela<br />

bzw. des Dan Cairo <strong>in</strong> der Neuproduktion<br />

der Carmen übernehmen.<br />

Victor Perchyk, Klar<strong>in</strong>ette (Klasse Anton Hollich),<br />

hat das Probespiel für die Aushilfsstelle<br />

der Soloklar<strong>in</strong>ette beim SWR Baden-Baden<br />

/ Freiburg gewonnen.<br />

Kathar<strong>in</strong>a Wildermuth, Viol<strong>in</strong>e (Jungstudent<strong>in</strong><br />

Klasse Prof. Susanne Stoodt), und Karol<strong>in</strong>a<br />

Weltrowska, Viol<strong>in</strong>e (Klasse Prof. Priya<br />

Mitchell), errangen je e<strong>in</strong>en zweiten Preis bei<br />

der Vergabe des Manfred-Grommek-Förderpreises<br />

mit e<strong>in</strong>em Preisgeld von je<br />

2.500 Euro.<br />

Karol<strong>in</strong>a Weltrowska gewann mit ihrem<br />

Quarrel Quartett den ersten Preis beim<br />

Joseph Joachim Kammermusikwettbewerb<br />

2008 <strong>in</strong> Weimar.<br />

Friederike Ott, Schauspiel, hat e<strong>in</strong> Festengagement<br />

am Staatstheater Wiesbaden erhalten.<br />

Sebastian Kle<strong>in</strong>, Schauspiel, hat e<strong>in</strong> Festengagement<br />

an der Landesbühne Essl<strong>in</strong>gen<br />

erhalten.<br />

Sebastian Kohlhepp, Gesang (Klasse Prof.<br />

Hedwig Fassbender), ist seit Januar Stipendiat<br />

der <strong>Frankfurt</strong>er ArteMusica-Stiftung für<br />

Kunst und Kultur. Die 2001 gegründete Stiftung<br />

fördert unter anderem junge Künstler<br />

wie Musiker/Innen und Sänger/Innen.<br />

Mart<strong>in</strong> Hiendl, Komposition (Klasse Prof.<br />

Gerhard Müller-Hornbach), erhält das zweite,<br />

mit 10.000 Euro ausgestattete Bernhard<br />

Scheuble-Stipendium der <strong>HfMDK</strong> für e<strong>in</strong><br />

Akademisches Auslandsjahr. Er studiert<br />

ab dem Herbst an der University of San<br />

Diego, USA.<br />

Prof. Yurgen Schoora, Prof. Eike Wernhard<br />

Titelmotiv Viol<strong>in</strong>student<strong>in</strong> Marianne Sohler im Unterricht<br />

bei Prof. Walter Forchert<br />

Fotos Björn Hadem (47), Andreas Kober (1)<br />

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