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BS 11-2024

EDITORIAL: - Prognosen sind nicht alles | PERSONALIEN | NACHRICHTEN | MARKT: – Ende des Bio-Booms in der ARA-Region? | VERKEHRSPOLITIK: – Mehr Verkehr, vor allem auf der Straße | Länder fordern einen Investitionsfonds | SCHIFFFAHRT: – Binnenschifffahrt kämpft mit Marktlage | ZKR: Weniger Risiken auf dem Rhein | Übung auf dem Bodensee: Gerüstet für Bedrohungen auf dem Wasser | Duisburg: Branche feiert auf Ball der Schifffahrt | SCHIFFSTECHNIK: - Stream Shipping setzt auf nachhaltiges Design | HGK-Neubau: Optimiert für Fahrten im Kanal | Hybrid-Rettungsboot mit 48-Volt-Technologie | NPRC setzt auf eigene Stärke | PortLiner erhält Finanzhilfe von 4 Mio. € | Amadeus rüstet sich für die Zukunft | Winden: ≫Dreimal so gut wie mein altes Modell≪ | MAN nimmt 30-l-Motor ins Portfolio | Neuer Hochleistungskran für Brake | SEEHÄFEN | SHORTSEA:– Rotterdam legt leicht zu | Rostock – Vertiefung des Seekanals abgeschlossen | Berlin – ≫Maritime Horizonte≪ setzt Zeichen | Nahtloser Hafenbahn-Betrieb durch KI |WASSERSTRASSEN | HÄFEN: – Hafen fordern mehr Teamgeist vom Bund | Mehr Container für Riesa | RheinPorts: ≫Schlagkräftiges Trio an der Spitze≪ | Niehler Hafen wird digitales Testfeld | Das Aus für verlängerte Neckarschleusen | RECHT: - Verschuldenshaftung und force majeure, Schleusenanfahrung in Österreich | BUYER’S GUIDE | BDS: Familienfeier der Binnenschiffer im BDS | IMPRESSUM

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<strong>11</strong><br />

<strong>2024</strong><br />

<strong>11</strong><br />

SCHIFFFAHRT<br />

TECHNIK<br />

HÄFEN<br />

Binnenschifffahrt<br />

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EDITORIAL<br />

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Krischan Förster<br />

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Prognosen sind nicht alles<br />

Können Sie sich noch erinnern, wie<br />

viel Optimismus der damalige Bundesverkehrsminister<br />

Andreas Scheuer<br />

bei der Vorstellung des Masterplans<br />

Binnenschifffahrt verbreitete? Von damals<br />

9 % wollte er den Anteil der Binnenschifffahrt<br />

am Modal Split im<br />

bundesweiten Güterverkehr auf 12 %,<br />

nein, besser noch 15 % steigern. Das<br />

war eine der Kernaussagen. Gut gebrüllt,<br />

bayerischer Löwe … Die Realität<br />

belehrt uns fünf Jahre später allerdings<br />

eines Besseren.<br />

Die Binnenschifffahrt hat in den<br />

Folgejahren nicht zugelegt, sondern<br />

im Wettstreit mit den anderen Verkehrsträgern<br />

Marktanteile verloren<br />

und ist auf 7,2 % abgesackt. Die von<br />

Scheuers Amtsnachfolger Volker Wissing<br />

in Auftrag gegebene Verkehrsprognose<br />

für 2040 sagt einen weiteren<br />

Niedergang auf nur noch 5,3 % voraus.<br />

Das ist, so steht zu befürchten, eine<br />

durchaus realistische Vorhersage. Zu<br />

schwer wiegen die Mengenverluste bei<br />

den traditionell von der Binnenschifffahrt<br />

transportierten Massengütern.<br />

Darauf zahlt der Rückgang bei Kohle<br />

und Mineralölprodukten im Zuge der<br />

Energiewende ebenso ein wie die strukturelle<br />

Krise bei wichtigen Kunden in<br />

der Stahl- und der Chemieindustrie.<br />

Das wird sich absehbar mit steigenden<br />

Transporten von Containern, alternativen<br />

Energieträgern oder Projektladung<br />

nicht kompensieren lassen.<br />

Nun sind Prognosen das, was sie<br />

sind. Ein Bild von der Zukunft, wenn<br />

sich die Rahmenbedingungen wie erwartet<br />

weiterentwickeln. Und hier<br />

muss die Politik ins Spiel kommen.<br />

Wissing macht es sich zu einfach,<br />

wenn er die Investitionen im Grundsatz<br />

dorthin lenken will, wo der Verkehr<br />

am stärksten zulegt, also auf die<br />

Straße. Es sind nur nicht nur die zahlreichen<br />

Unwägbarkeiten wie Kriege,<br />

Wirtschaftsflauten, Veränderungen in<br />

der industriellen Landschaft oder bei<br />

der Nachfrage aus der Bevölkerung,<br />

die jederzeit auf das Verkehrsgesche -<br />

hen Einfluss nehmen könnten.<br />

Es ist liegt auch am Gestaltungswillen<br />

der Politik, ob und wie künftige<br />

Güterströme gelenkt werden können,<br />

zugunsten einer nachhaltigen Mobilität<br />

im Lande. Bei der Bahn zögert der<br />

Bund nicht, sondern alimentiert sie mit<br />

Milliarden. Die Wasserstraßen dürfen<br />

ebenso wenig vernachlässigt werden,<br />

wie in der Vergangenheit leider zu lange<br />

schon geschehen. Nur dort gibt es<br />

noch freie Kapazitäten, ohne ihren Beitrag<br />

sind die angestrebten Klimaziele<br />

ohnehin nur schwer zu erreichen.<br />

An dieser Stelle muss also umgesteuert<br />

werden. Das wird aller Voraussicht<br />

nach eine Aufgabe für den Nachfolger<br />

von Wissing, wer immer das<br />

sein wird. Der Minister verbleibt überraschend<br />

in der bis zu den Neuwahlen<br />

amtierenden Regierung und kehrt der<br />

FDP den Rücken. Damit sind die Tage<br />

seines Wirkens vermutlich gezählt.<br />

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3


INHALT<br />

<strong>11</strong> <strong>2024</strong><br />

14<br />

3 – EDITORIAL<br />

3 – Prognosen sind nicht alles<br />

5 PERSONALIEN<br />

6 NACHRICHTEN<br />

9 MARKT<br />

9 – Ende des Bio-Booms in der ARA-Region?<br />

10 VERKEHRSPOLITIK<br />

10 – Mehr Verkehr, vor allem auf der Straße<br />

12 – Länder fordern einen Investitionsfonds<br />

14 SCHIFFFAHRT<br />

14 – Binnenschifffahrt kämpft mit Marktlage<br />

19 – ZKR: Weniger Risiken auf dem Rhein<br />

20 – Übung auf dem Bodensee:<br />

Gerüstet für Bedrohungen auf dem Wasser<br />

21 – Duisburg: Branche feiert auf Ball der Schifffahrt<br />

22 SCHIFFSTECHNIK<br />

22 – Stream Shipping setzt auf nachhaltiges Design<br />

24– HGK-Neubau:Optimiert für Fahrten im Kanal<br />

25 – Hybrid-Rettungsboot mit 48-Volt-Technologie<br />

26 – NPRC setzt auf eigene Stärke<br />

27 – PortLiner erhält Finanzhilfe von 4 Mio. €<br />

28 – Amadeus rüstet sich für die Zukunft<br />

29 – Winden: »Dreimal so gut wie mein altes Modell«<br />

30 – MAN nimmt 30-l-Motor ins Portfolio<br />

31 – Neuer Hochleistungskran für Brake<br />

32 SEEHÄFEN | SHORTSEA<br />

32 – Rotterdam legt leicht zu<br />

34 – Rostock – Vertiefung des Seekanals abgeschlossen<br />

34 – Berlin – »Maritime Horizonte« setzt Zeichen<br />

35 – Nahtloser Hafenbahn-Betrieb durch KI<br />

36 WASSERSTRASSEN | HÄFEN<br />

36 – Häfen fordern mehr Teamgeist vom Bund<br />

37 – Mehr Container für Riesa<br />

38 – RheinPorts: »Schlagkräftiges Trio an der Spitze«<br />

39 – Niehler Hafen wird digitales Testfeld<br />

40 – Das Aus für verlängerte Neckarschleusen<br />

42 RECHT<br />

42 – Verschuldenshaftung und force majeure,<br />

Schleusenanfahrung in Österreich<br />

45 BUYER’S GUIDE<br />

50 BDS<br />

50 – Familienfeier der Binnenschiffer im BDS<br />

51 IMPRESSUM<br />

22<br />

Herausgeberverbände der Zeitschrift<br />

Verein für europäische<br />

Binnenschifffahrt und<br />

Wasserstraßen e.V.<br />

4 Binnenschifffahrt <strong>11</strong> | <strong>2024</strong>


PERSONALIEN<br />

HGK SHIPPING: Jos Davidse übernimmt<br />

zum 1. Januar 2025 die Geschäftsführung<br />

von<br />

HGK Shipping Rotterdam<br />

BV. Gemeinsam<br />

mit Andreas<br />

Lemme und Egbert<br />

Schelhaas verantwortet<br />

er künftig die<br />

Entwicklung der<br />

HGK-Tochterfirma.<br />

Davidse war über drei Jahrzehnte bei<br />

verschiedenen maritimen Unternehmen<br />

tätig, zuletzt als Senior General Manager<br />

bei Thyssenkrupp Veerhaven.<br />

PORT OF ROTTERDAM: Berte Simons<br />

ist zum neuen COO der Port of<br />

Rotterdam Authority<br />

ernannt worden. Sie<br />

tritt ab 2025 die<br />

Nachfolge von Boudewijn<br />

Siemons an,<br />

der zum 1. Februar<br />

<strong>2024</strong> den Posten interimsweise<br />

übernommen<br />

hatte und weiterhin<br />

als CEO für das Unternehmen tätig<br />

bleibt. Simons verfügt über langjährige<br />

Management-Erfahrung und arbeitet derzeit<br />

für Energie Beheer Nederland.<br />

Personalie des Monats: Neuwahl des BÖB-Präsidiums<br />

BÖB: Der Bundesverband Öffentlicher Binnenhäfen hat auf seiner Tagung in<br />

Neuss turnusgemäß ein neues Präsidium gewählt. Joachim Zimmermann (bayernhafen,<br />

2.v.r.) bleibt Präsident des Verbands, ebenso wieder ins Präsidium gewählt<br />

wurden Carsten Strähle (Stuttgart, l.) und Jens Hohls (Braunschweig, 2.v.l.). Neu<br />

gewählt wurden Uwe Köhn (Mannheim, r.) und Bettina Brennenstuhl (Dortmund).<br />

Sie folgen auf Franz Reindl (Ludwigshafen), der in den Ruhestand gewechselt<br />

ist, sowie Jan Sönke Eckel, der RheinCargo verlassen hat. Bei der öffentlichen<br />

Jahrestagung tauschten sich über 100 Teilnehmende aus Wirtschaft, Verbänden,<br />

Politik und Verwaltung aus und appellierten an die Bundesminister, mehr zur Umsetzung<br />

der Hafenstrategie beizutragen und sich an Kosten zu beteiligen. Mehr dazu<br />

lesen Sie auf Seite 39 dieser Ausgabe.<br />

HPA: Jens Meier bleibt für weitere<br />

fünf Jahre Geschäftsführer der Hamburg<br />

Port Authority. Der<br />

58-Jährige hat den<br />

Posten bereits seit<br />

2008 inne und wurde<br />

erneut gewählt. Meier<br />

ist seit Ende vergangenen<br />

Jahres zusätzlich<br />

Präsident der<br />

IAPH, der International<br />

Association of Ports and Harbors.<br />

Seine Karriere begann 1997 bei der Software<br />

Design & Management AG<br />

(Ernst & Young Gruppe), später war er<br />

Geschäftsführer der tts Holding.<br />

CARGOBEAMER: Tilman Apitzsch<br />

ist neuer Geschäftsführer Intermodal<br />

Operations des<br />

Schienentransport-<br />

Unternehmens Cargobeamer<br />

und ergänzt<br />

die Geschäftsführung<br />

um Tim<br />

Krasowka und Alexander<br />

Kornblum.<br />

Er übernimmt die<br />

Leitung des Bereichs Business Solutions.<br />

Apitzsch wechselt von der Boston Consulting<br />

Group, wo er über mehrere Jahre<br />

als Principal im Bereich Transport, Aviation<br />

und Infrastruktur tätig war.<br />

A-ROSA: Michael Ungerer ist neuer<br />

Vorsitzender des Beirats der A-Rosa<br />

Gruppe. Seine Laufbahn<br />

begann 1988<br />

bei Norwegian Cruise<br />

Lines, zuletzt leitete<br />

er das Start-up Explora<br />

Journeys als<br />

CEO. Gleichzeitig<br />

kündigte A-Rosa-<br />

Geschäftsführer Jörg<br />

Eichler an, seine Position bis spätestens<br />

Mitte 2025 abzugeben. Er war im Jahr<br />

2013 in das Flusskreuzfahrtunternehmen<br />

eingestiegen und hatte es auf Erfolgskurs<br />

gebracht.<br />

Binnenschifffahrt <strong>11</strong> | <strong>2024</strong><br />

5


NACHRICHTEN<br />

BRUCH DER REGIERUNG, ÜBERRASCHUNG IM RESSORT<br />

Volker Wissing bleibt Verkehrsminister und gibt Parteibuch ab<br />

Nach dem Bruch der Ampel-Koalition<br />

bleibt FDP-Politiker Volker Wissing<br />

überraschend Verkehrsminister: Er hat<br />

sich gegenüber Bundeskanzler Scholz bereit<br />

erklärt, weiter als Minister in der Regierung<br />

zu bleiben, dann allerdings nicht<br />

mehr für die FDP, sondern als Parteiloser.<br />

Die drei Parlamentarischen Staatssekretäre<br />

aus den Reihen der FDP – Daniela<br />

Kluckert, Oliver Luksic und Gero<br />

Hocker – haben hingegen zeitgleich ihren<br />

Rücktritt erklärt und um ihre Entlassung<br />

gebeten. Sie verlassen die Regierung<br />

ebenso wie die neben Lindner<br />

anderen beiden Bundesminister Marco<br />

Buschmann (Justiz) und Bettina Stark-<br />

Watzinger (Bildung).<br />

Die drei Staatssekretäre kritisieren<br />

Wissings Schritt und werfen ihm einen<br />

Vertrauensbruch vor, der eine weitere<br />

Zusammenarbeit unmöglich mache.<br />

Über X teilten sie mit: »Unser Land<br />

Volker Wissing (re.) muss ohne (v.o.) Daniela Kluckert, Oliver Luksic und Gero Hocker auskommen<br />

braucht schnell einen Neuanfang und geordnete<br />

politische Verhältnisse. Wir haben<br />

nach seiner einsamen Entscheidung<br />

kein Vertrauen mehr in Volker Wissing.«<br />

Offen ist es nun, wie Wissing ohne politische<br />

Hausleitung weitermachen wird.<br />

Immerhin bleiben ihm noch die verbeamteten<br />

Staatssekretäre Susanne Henckel,<br />

Stefan Schnorr und Hartmut Höppner<br />

sowie die Abteilungsleiter. RD<br />

© BMDV / Deutscher Bundestag<br />

SECHSSTELLIGE SACHSCHÄDEN<br />

Binnenschiff rammt Hängegerüst am Wesel-Datteln-Kanal<br />

Auf dem Wesel-Datteln-Kanal in Duisburg<br />

hat ein Schiff ein Gerüst gerammt und sich<br />

dabei schwere Schäden zugezogen. Ein Auto<br />

fiel in den Kanal. Das Binnenschiff fuhr<br />

bei Dunkelheit den Kanal entlang; in Marl<br />

an der Frentoper Brücke kam es dann zum<br />

Unfall. Die Straßen- und Fußgängerbrücke<br />

war zu diesem Zeitpunkt großflächig mit einem<br />

Hängegerüst umbaut. Der aus den<br />

Niederlanden kommende 23-jährige<br />

Schiffsführer übersah offenbar die Warnschilder<br />

vor Ort. Er stieß mit seinem Fahrstand<br />

gegen das Hängegerüst, sodass das<br />

Steuerhaus, ein auf Deck abgestelltes Auto<br />

und das Beiboot nach hinten geschoben<br />

wurden und in den Kanal fielen. Der<br />

Schiffsführer und die Besatzung blieben<br />

unverletzt. Nachdem die Wasserschutzpolizei<br />

eingetroffen war, wurde der Kanalabschnitt<br />

in diesem Bereich gesperrt. Die<br />

Wasserstraßen- und Schifffahrtsverwaltung<br />

(WSV) konnte das versunkene<br />

Auto schließlich ausfindig zu machen, es<br />

konnte erfolgreich geborgen werden. Am<br />

Gütermotorschiff und am Baugerüst entstanden<br />

Sachschäden von mehreren hunderttausend<br />

Euro, die Brücke selbst wurde<br />

nicht beschädigt. Das Schiff war nicht<br />

mehr fahrbereit und wurde festgelegt. »Eine<br />

Strafanzeige wegen Gewässerverunreinigung<br />

wird gefertigt«, heißt es weiter. Die<br />

Sperrung konnte nach kurzer Zeit aufgehoben<br />

werden.<br />

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6 Binnenschifffahrt <strong>11</strong> | <strong>2024</strong>


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20.8%<br />

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Modal Split 2019<br />

Straße Schiene Wasserstraße<br />

5.3%<br />

Modal Split 2040<br />

72.3%<br />

Straße Schiene Wasserstraße<br />

73.9%


VERKEHRSPOLITIK<br />

Der Verkehr wird in den kommenden 15 Jahren deutlich zunehmen, allerdings vor allem auf Straße und Schiene und nicht auf den Wasserstraßen<br />

© Hötte<br />

Planung und Prognose<br />

Der Bundesverkehrswegeplan, kurz<br />

BVWP, ist das zentrale Inst-rument<br />

für die Planung des lnfrastrukturbedarfs.<br />

Alle 15 Jahre melden Bundesländer<br />

ihre Bedarfe. Wie dringend ein<br />

Projekt realisiert werden muss, wird<br />

per Nutzen-Kosten-Analysen ermittelt.<br />

Der BVWP deckt nur die Infrastrukturvorhaben<br />

des Bundes für<br />

Straße, Schiene und Wasserstraße ab.<br />

Luft- und Seeverkehr sind nicht berücksichtigt.<br />

Dem BVWP liegt eine Verkehrsprognose<br />

zugrunde, die letzte stammt aus<br />

dringend saniert werden. Der Ausbau der<br />

Bahn muss weiter »mit Volldampf« vorangetrieben<br />

werden. Gleichzeitig seien<br />

auch Erhalt und Neubau von Straßen unerlässlich,<br />

»denn Auto und Lkw bleiben<br />

das Rückgrat der Mobilität in Deutschland.«<br />

Deshalb sei es richtig, weiter in die<br />

Straße zu investieren. Aber auch das<br />

Kernnetz der Bahn müsse so schnell wie<br />

mûglich modernisiert werden.<br />

Die Prognose, an der mehrere Forschungsinstitute<br />

und rund 250 Fachstellen<br />

beteiligt waren, führt detailliert<br />

auf, wie sich der Verkehr innerhalb der<br />

kommenden 15 Jahre entwickeln wird.<br />

Sie dient als Grundlage für den Bundesverkehrswegeplan<br />

(BVWP), der derzeit<br />

diskutiert wird. Den aktuellen BVWP<br />

hatte der Bundestag 2016 verabschiedet,<br />

er gilt noch bis 2030.<br />

Die »Verkehrsprognose 2040« dient<br />

darüber hinaus als Grundlage zur áberprüfung<br />

der Bedarfspläne. Das sind für<br />

Straße, Schiene und Wasserstraße jene<br />

dem Jahr 2014. Nach Verabschiedung<br />

des Plans beschließt der Bundestag<br />

für jeden Verkehrsträger Ausbaugesetze<br />

einschließlich der Grundlagen<br />

für die Finanzierung. Den Gesetzen<br />

sind die sogenannten Bedarfspläne<br />

angefügt. Was genau aus- und<br />

neu gebaut wird, wird mittels für fünf<br />

Jahre geltender Investitionsrah men -<br />

pläne festgelegt.<br />

Jedes Jahr lässt das Bundesverkehrsministerium<br />

zudem sogenannte<br />

»gleitende Verkehrsprognosen« mit<br />

einem Zeithorizont von vier Jahren<br />

erstellen.<br />

Bauvorhaben, die im Bundesverkehrswegeplan<br />

aufgenommen und im Laufe<br />

von 15 Jahren umgesetzt werden sollen.<br />

Eine solche Prüfung erfolgt im Fünfjahresrhythmus.<br />

Damit will das Ministerium<br />

untersuchen, ob die Pläne an<br />

die Wirtschafts- und Verkehrsentwicklung<br />

angepasst werden müssen.<br />

Detailberichte sollen noch folgen<br />

Zunächst lag mit rund 1.500 Seiten erst<br />

ein erster Teil der Verkehrsprognose vor.<br />

Detaillierte Berichte zum Straßen-, Eisenbahn-<br />

und Wasserstraßenverkehr sollen<br />

noch folgen. Außerdem sollen im<br />

kommenden Jahr drei zusätzliche Langfristszenarien<br />

vorgelegt werden. In einem<br />

»Prognosefall 2040« geht es um die »Beschleunigte<br />

globale Transformation«, die<br />

beiden anderen Annahmen sind mit<br />

»Absehbarer Weg« und »Klimawandel<br />

und Extremwetterereignisse« betitelt.<br />

Wenig erfreulich sind die Ergebnisse<br />

zu den CO2-Emissionen im Verkehr. Bis<br />

2040 werden laut der Studie gegenüber<br />

1990 zwar 77 % weniger Treibhausgase<br />

ausgestoßen. Der Wert liegt aber immer<br />

noch über dem, was das Klimaschutzgesetz<br />

vorschreibt. Danach müsste es eine<br />

Verringerung um 88 % geben. <br />

Binnenschifffahrt <strong>11</strong> | <strong>2024</strong><br />

<strong>11</strong>


VERKEHRSPOLITIK<br />

Länder fordern einen Investitionsfonds<br />

Finanzierung der Verkehrsinfrastruktur, Zukunft der Binnenschifffahrt, Trassenpreise<br />

bei der Bahn oder die E-Mobilität – diese Themen standen bei der Herbstsitzung der<br />

Verkehrsminister aus Bund und Ländern auf der Tagesordnung<br />

Die Bundesländer haben sich auf der<br />

Herbstsitzung der Verkehrsministerkonferenz<br />

(VMK) für einen<br />

Neustart in der Infrastrukturfinan -<br />

zierung ausgesprochen. Sie setzen gemeinsam<br />

mit der Bundesregierung eine<br />

Kommission ein, die zeitnah ein Konzept<br />

für einen Investitionsfonds vorlegt. Damit<br />

soll insbesondere der Erhalt von Straßen,<br />

Schienen und Wasserwegen dauerhaft<br />

und verlässlich finanziert werden –<br />

statt wie bisher über die jährlichen Haushalte.<br />

Ohne den Strategiewechsel seien weitere<br />

Verschlechterungen an der Verkehrsinfrastruktur<br />

zu erwarten, hieß es. Ein<br />

milliardenschwerer Infrastrukturfondsin<br />

Form eines Sondervermögens des Bundes<br />

soll daher geschaffen werden.<br />

»Das Stop-and-Go der jährlichen<br />

Haushalte hat in der Vergangenheit zu<br />

unnötigen Verzögerungen und Unsicherheiten<br />

geführt. Davon wollen wir wegkommen«,<br />

sagte Nordrhein-Westfalens<br />

Verkehrsminister Oliver Krischer (Grüne)<br />

als Vorsitzender der Verkehrsministerkonferenz.<br />

Jetzt sei der Bund am<br />

Zug. Denn eines sei klar: Die gewaltigen<br />

Herausforderungen, die Verkehrsinfrastruktur<br />

zukunftsfest zu machen,<br />

ließen sich nur gemeinsam schaffen.<br />

Bayerns Verkehrsminister Christian<br />

Bernreiter (CSU) nannte den Einsturz<br />

der Carolabrücke in Dresden einen<br />

Warnschuss. »Wir brauchen dringend<br />

mehr Investitionen in die Verkehrsinfrastruktur<br />

durch den Bund. Es ist ein<br />

Armutszeugnis, dass wir nach der entsprechenden<br />

Forderung der VMK im<br />

April bisher keinen Vorschlag auf den<br />

Tisch bekommen haben.« Er plädiere für<br />

einen möglichst offenen Fonds ohne zu<br />

viele detaillierte Vorfestlegungen.<br />

Petra Berg (SPD), Verkehrsministerin<br />

des Saarlands, appellierte an den Bund,<br />

aktiv zu werden: »Da der Bundesverkehrsminister<br />

bisher keine Initiative<br />

ergriffen hat, werden die Länder eine länderoffenen<br />

Kommission unter Einbeziehung<br />

des Bundes einsetzen, die Vorschläge<br />

für ein zukunftsfestes Fondsmodell<br />

entwickeln soll.<br />

Nach Ansicht des baden-württembergischen<br />

Verkehrsministers Winfried<br />

Hermann brauche insbesondere die<br />

Schiene, die einen großen Beitrag zum<br />

Klimaschutz leiste, stabile Finanzierungsgrundlagen.<br />

»Ein Infrastrukturfonds,<br />

der unabhängig vom jährlichen<br />

Haushalt planbar ist, bietet die nötige Sicherheit.«<br />

Kritik an höheren Trassenpreisen<br />

Die Verkehrsministerkonferenz sprach<br />

sich außerdem einstimmig gegen die geplanten<br />

Erhöhungen der Trassenpreise<br />

aus und warnte den Bund vor gravierenden<br />

Folgen für alle Bereiche des<br />

Schienenverkehrs. Die vorgesehenen<br />

drastischen Preiserhöhungen der Deutschen<br />

Bahn würden die angespannte Finanzierungssituation<br />

im Öffentlichen<br />

Personennahverkehr (ÖPNV) nochmals<br />

erheblich verschärfen. Die Konsequenz<br />

wären dann noch mehr Autoverkehr,<br />

noch mehr Staus und eine noch schlechtere<br />

Klimabilanz des Verkehrs.<br />

Allein für Nordrhein-Westfalen bedeutet<br />

eine Erhöhung der Trassenpreise von<br />

mehr als 20 % ab 2026 eine Zusatzbelastung<br />

im dreistelligen Millionenbereich.<br />

Neben einer zukunftsfähigen Finanzierung<br />

der Verkehrsinfrastruktur<br />

müsse es auch eine langfristige Finanzierungsperspektive<br />

für den ÖPNV<br />

geben.<br />

Die Verkehrsministerkonferenz erwartet,<br />

dass der Anstieg der Trassenpreise,<br />

wie bis 2025 gesetzlich festgelegt, auch ab<br />

dem Jahr 2026 auf 1,8 % begrenzt wird.<br />

Andernfalls müssten Mehrbelastungen<br />

durch eine entsprechende Erhöhung der<br />

Regionalisierungsmittel durch den Bund<br />

ausgeglichen werden.<br />

Zudem forderten die Ministerinnen,<br />

Minister, Senatorinnen und Senatoren,<br />

dass die Trassenpreisfinanzierung Anreize<br />

zur Verlagerung der Verkehre von<br />

der Straße auf die Schiene sowohl für Güter<br />

als auch für Personen bietet. Als dauerhafte<br />

Lösung müsse das Trassenpreissystem<br />

grundlegend gesetzlich überarbeitet<br />

werden, hieß es.<br />

Die Verkehrsministerkonferenz nahm<br />

mit Sorge zur Kenntnis, dass der Absatz<br />

von Elektroautos in Deutschland stagniert.<br />

Dies ist sowohl unter klimapolitischen<br />

Gesichtspunkten als auch für<br />

die Hersteller, die hohe Investitionen in<br />

die E-Mobilität getätigt haben, problematisch.<br />

Die Verkehrsministerkonferenz<br />

fordert die Bundesregierung daher auf,<br />

ein langfristig tragfähiges Modell zur<br />

Förderung der Elektromobilität in<br />

Deutschland vorzulegen.<br />

»Um das Ziel von 15 Millionen E-Fahrzeugen<br />

in 2030 zu erreichen, braucht es<br />

eine engagierte Politik der Bundesregierung<br />

mit steuerlichen Anreizen und<br />

klaren Rahmenbedingungen für die Ladeinfrastruktur<br />

und keine Ablenkungsdebatten<br />

über E-Fuels und keine ständige<br />

Infragestellung der Ziele«, sagte Krischer.<br />

Im ÖPNV und in der Logistik dürfe der<br />

Bund die Länder bei der Umstellung von<br />

Bussen und Nutzfahrzeugen auf saubere<br />

Antriebstechnologien nicht im Stich lassen,<br />

lautete eine weitere Forderung. Da die<br />

Verkehrsunternehmen die Umstellung der<br />

Busflotten nicht aus eigener Kraft finanzieren<br />

können, werde es sonst zwangsläufig<br />

zu Einsparungen beim Verkehrsangebot<br />

kommen. Das sei nicht im Sinne<br />

einer bundesweiten Mobilitätswende.<br />

Daniela Schmitt, Wirtschafts- und Verkehrsministerin<br />

in Rheinland-Pfalz verwies<br />

darauf, dass ein wichtiger Schritt hin<br />

zu schnelleren und effizienteren Genehmigungsverfahren<br />

für Großraum- und<br />

Schwertransporte gemacht worden sei.<br />

Ziel sei es, Logistik und das Transportgewerbe<br />

nachhaltig zu entlasten und<br />

die Prozesse so zu optimieren, dass die<br />

Unternehmen schneller und unbürokratischer<br />

agieren können. »Somit sind die<br />

aktuellen Beschlüsse ein wichtiger Beitrag,<br />

um den Wirtschaftsstandort<br />

Deutschland zu stärken und die Wettbewerbsfähigkeit<br />

unserer Unternehmen<br />

zu sichern«, so Schmitt.<br />

Insgesamt ging von der Konferenz ein<br />

deutliches Signal für die Bedeutung eines<br />

ausgewogenen Verkehrsmixes aus – sowohl<br />

für die Wirtschaft als auch den Individualverkehr.<br />

Deutlich wurde das an<br />

12 Binnenschifffahrt <strong>11</strong> | <strong>2024</strong>


VERKEHRSPOLITIK<br />

Die versammelte Schar der Verkehrsminister aus den Bundesländern bei ihrem Treffen in Duisburg, in der Mitte Gastgeber Oliver Krischer (NRW)<br />

© MUNV NRW/ Andrea Bowinkelmann<br />

den Beschlüssen zu Radverkehr und Binnenschifffahrt:<br />

Die Umsetzung des Nationalen<br />

Radverkehrsplans 2030 muss<br />

weiter konsequent vorangetrieben werden,<br />

um den Ausbau der Radinfrastruktur<br />

zu stärken. Gleichzeitig fordert<br />

die Konferenz im Rahmen des Umsetzungsprozesses<br />

der Nationalen Hafenstrategie<br />

verbindliche Maßnahmen zur<br />

Sicherung und Finanzierung der Hafen -<br />

infrastruktur, um die Rolle der umweltfreundlichen<br />

Binnenschifffahrt langfristig<br />

zu gewährleisten. Die Beschlüsse<br />

der Verkehrsministerkonferenz in Duisburg:<br />

Stärkung der Binnenschifffahrt<br />

Die Verkehrsministerkonferenz hat die<br />

Bedeutung einer leistungsfähigen Binnenschifffahrt<br />

und intakter Wasserwirtschaftswege<br />

für die Zukunft des Industriestandortes<br />

Deutschland betont. Voraussetzung<br />

hierfür seien aber verbindliche<br />

Konzepte und Instrumente zur<br />

bundesseitigen Finanzierung, um eine<br />

bedarfsgerechte Bundesförderung für<br />

den Erhalt, Ersatz und Neubau der Hafeninfrastruktur<br />

in See- und Binnenhäfen<br />

zu ermöglichen. Dabei bekräftigen die<br />

Fachministerinnen und Fachminister,<br />

dass hierfür auch der geplante Verkehrsinfrastrukturfonds<br />

ein geeinigtes Finanzierunginstrument<br />

sein könnte.<br />

Bessere Ausstattung des ÖPNV<br />

Die Verkehrsministerkonferenz stellt fest,<br />

dass bereits zur Sicherung der Bestandsverkehre<br />

eine kurzfristige Bereitstellung<br />

zusätzlicher Regionalisierungsmittel erforderlich<br />

ist. Bereits die vom Bundesministerium<br />

für Digitales und Verkehr<br />

(BMDV) beauftragte Studie »Ermittlung<br />

des Finanzbedarfs für den ÖPNV bis<br />

2031« hat hierfür einen zusätzlichen Finanzierungsbedarf<br />

von rund 40 Milliarden<br />

Euro ermittelt.<br />

Stärkung des Fußverkehrs<br />

Die Länder begrüßen die investive Förderung<br />

des Fußverkehrs durch den Bund<br />

im Haushalt <strong>2024</strong> und fordern das Bundesverkehrsministerium<br />

auf, die Mittel<br />

bis mindestens 2028 fortzuführen. Aufgrund<br />

der Bedeutung des Fußverkehrs<br />

für die Mobilität in Deutschland fordern<br />

sie zudem eine Mittelerhöhung und Dynamisierung<br />

der entsprechenden Haushaltsmittel.<br />

Sorge um Fernverkehr<br />

Die Verkehrsministerkonferenz nimmt<br />

mit Sorge Überlegungen der Deutschen<br />

Bahn zur Kenntnis, sich aus Gründen der<br />

Wirtschaftlichkeit weiter aus dem Flächennetz<br />

des Fernverkehrs zurückzuziehen,<br />

mit der Absicht, die entsprechenden<br />

Linien in das von den Ländern<br />

bestellte und finanzierte Netz des<br />

Schienenpersonennahverkehrs zu übergeben.<br />

Die Verkehrsministerkonferenz forderte<br />

den Bund daher auf, seinerseits geeignete<br />

Maßnahmen zu ergreifen, um das<br />

Zugangebot im Fernverkehrsnetz im Bestand<br />

zu sichern und im Sinne des<br />

Deutschlandtakts weiter auszubauen.<br />

Verkehrssicherheit auf Landstraßen<br />

Die Verkehrsministerkonferenz sieht<br />

weiter Handlungsbedarf bei der Verkehrssicherheit<br />

insbesondere auf Landstraßen.<br />

Die Zahl der tödlich verunglückten<br />

Personen auf Landstraßen stagniere<br />

mit rund 1.500 Menschen und damit<br />

60 % der gesamten Verkehrstoten in den<br />

vergangenen Jahren auf konstant hohem<br />

Niveau. Daher fordern die Länder den<br />

Bund auf, die erarbeitete Maßnahmenvorschläge<br />

zu prüfen und gemeinsam mit<br />

den Ländern Maßnahmen zu entwickeln,<br />

durch die die Sicherheit auf den Landstraßen<br />

deutlich erhöht werden kann.<br />

Schutz vor Motorradlärm<br />

Die Länder drängen bei der Belastung<br />

durch übermäßigen Motorradlärm weiter<br />

auf Maßnahmen durch das Bundesverkehrsministerium.<br />

Auf ihrer Herbstsitzung<br />

mahnten sie an, dass der Bund<br />

weiterhin zweckdienliche, wirksame und<br />

nachhaltige Instrumentarien zum Schutz<br />

der Bevölkerung nicht umgesetzt habe.<br />

Luftverkehr<br />

Die Länder befürchten, dass ein »Weiter<br />

so« des Bundes die Transformation des<br />

Luftverkehrs nicht nur verzögert, sondern<br />

ernsthaft gefährdet und damit<br />

gleichzeitig dem Standort Deutschland –<br />

neben den Auswirkungen auf den Klimawandel<br />

– auch als Wirtschaftsstandort<br />

schadet. Deshalb plädieren sie für einen<br />

Ausbau der Förderprogramme für eine<br />

klimafreundliche Transformation. KF<br />

Binnenschifffahrt <strong>11</strong> | <strong>2024</strong><br />

13


SCHIFFFAHRT<br />

Binnenschifffahrt kämpft mit Marktlage<br />

Die Zentralkommission für den Rhein (ZKR) hat Zahlen für das Jahr 2023 vorgelegt.<br />

Der Abwärtstrend in den meisten Gütergruppen setzt sich fort. Allein auf dem Rhein<br />

musste ein Minus von 10 % hingenommen werden. Von Krischan Förster<br />

Nach vielversprechenden Anzeichen<br />

für eine bevorstehende wirtschaftliche<br />

Erholung zogen am Jahresende<br />

2023 wieder dunkle Wolken über<br />

der europäischen Binnenschifffahrt auf.<br />

Da der russische Angriffskrieg gegen die<br />

Ukraine andauert und die Spannungen<br />

im Nahen Osten zunehmen, blieb die<br />

Unsicherheit groß.<br />

Die Güterbeförderung auf dem gesamten<br />

Rhein (von Basel bis zur Nordsee)<br />

sank von 292,3 Mio. t im Jahr 2022<br />

auf 262,3 Mio. t im Jahr 2023 zurück<br />

– ein Minus von insgesamt -10,2 % entspricht.<br />

Auf dem traditionellen Rhein<br />

(von Basel bis zur deutsch-niederländischen<br />

Grenze) mit -6,0 % weitaus geringer<br />

aus als auf dem Niederrhein in den<br />

Binnenschiffe auf dem Mittelrhein<br />

© Förster<br />

Niederlanden (-12,1 %), wo die Verkehrstätigkeit<br />

intensiver ist.<br />

Die Beförderungsmengen aller Marktsegmente<br />

wiesen eine negative Wachstumsrate<br />

auf, die von -0,1 % bei Mineralölprodukten<br />

bis zu -28 % bei Kohle reichte.<br />

Die einzige Ausnahme war Eisenerz,<br />

das leicht zugenommen hat (+1,3 %), was<br />

auf die Auffüllung der Lagerbestände<br />

nach einem Jahr 2022 mit geringen Einfuhren<br />

aufgrund der niedrigen Stahlproduktion<br />

zurückzuführen ist.<br />

Die Inflation im Euroraum ist 2023<br />

stark zurückgegangen, von 9,2 % Ende<br />

2022 auf 2,9 % Ende 2023, und wird voraussichtlich<br />

bis Ende 2025 das von der<br />

Europäischen Zentralbank (EZB) festgelegte<br />

Ziel von 2 % erreichen. Dieser<br />

Rückgang ist vor allem auf den Rückgang<br />

der Energie-und Lebensmittelpreise im<br />

Jahr 2023 zurückzuführen, nachdem diese<br />

nach der Invasion in die Ukraine stark<br />

angestiegen waren, insbesondere beim<br />

Erdgas, das bis dahin in großem Umfang<br />

aus Russland importiert wurde.<br />

In der Folge war Kohle als billigerer Ersatz<br />

für Erdgas sehr begehrt, was zu einem<br />

starken Anstieg der Kohlenachfrage<br />

und des -preises führte. Als jedoch die<br />

Gasnachfrage Anfang 2023 zu sinken begann<br />

und der Übergang zu alternativen<br />

Energiequellen – wie Kohle – vollzogen<br />

war, fielen die Kohlepreise auf ein üblicheres<br />

Niveau, um -53 % zwischen 2022<br />

und 2023.<br />

Die Erdgaspreise folgten demselben<br />

Trend und fielen zwischen 2022 und 0023<br />

um -59 %. In der Zwischenzeit sanken die<br />

Preise für Rohöl angesichts der schwächeren<br />

Nachfrage und des vollständig<br />

aufgeholten Angebots um -16 % und zogen<br />

die Kraftstoffpreise im Jahr 2023 mit<br />

nach unten.<br />

Auch die Lebensmittelpreise gingen<br />

2023 kontinuierlich zurück, da die<br />

kriegsbedingten Unterbrechungen durch<br />

die Zunahme des weltweiten Angebots<br />

mehr als ausgeglichen wurden, was zum<br />

Teil der Initiative für den Schwarzmeer-<br />

Getreidekorridor zu verdanken ist.<br />

Diese Tendenzen lassen sich sehr gut<br />

an den Beförderungsmengen auf der Do-<br />

14 Binnenschifffahrt <strong>11</strong> | <strong>2024</strong>


SCHIFFFAHRT<br />

© ZKR<br />

Güterverkehr auf dem traditionellen Rhein und Niederrhein nach Güterarten<br />

<br />

<br />

<br />

<br />

<br />

<br />

<br />

<br />

<br />

<br />

<br />

<br />

<br />

<br />

<br />

So sank das Volumen der von der Binnenschifffahrt<br />

beförderten landwirtschaftlichen<br />

Erzeugnisse um -14,9 %, obwohl die<br />

Produktion in den Rheinstaaten zunahm<br />

und das weltweite Angebot groß war. Auch<br />

das Containersegment, das als wichtiger<br />

Wachstumsmarkt für die Binnenschifffahrt<br />

gilt, ging im gleichen Zeitraum um<br />

<br />

<br />

<br />

<br />

<br />

<br />

<br />

<br />

<br />

<br />

Güterverkehr auf der Mittleren Donau in Mio. t<br />

+32,8%<br />

<br />

<br />

<br />

<br />

-6,6%<br />

<br />

<br />

-46,3%<br />

<br />

<br />

<br />

<br />

-4,5%<br />

<br />

<br />

<br />

<br />

<br />

<br />

<br />

<br />

<br />

-2,6%<br />

<br />

<br />

<br />

<br />

-99,0%<br />

<br />

<br />

+232,9%<br />

<br />

<br />

<br />

-10,4 % zurück, nachdem es seit den Niedrigwasserperioden<br />

2018 wiederholt auf die<br />

Probe gestellt wurde. Ähnliche Rückgänge<br />

gab es auf dem Rhein bei der Beförderung<br />

von Chemikalien (-<strong>11</strong>,4 %), Sand, Steinen<br />

und Kies (-9,2 %), Metallen (-13,3 %) und,<br />

in geringerem Maße, auch bei Mineralölprodukten<br />

(-0,1 %).<br />

<br />

<br />

<br />

<br />

<br />

<br />

<br />

<br />

Die europäischen Seehäfen litten unter<br />

der schwierigen, wenn auch sich verbessernden<br />

makroökonomischen Lage und<br />

dem geopolitischen Kontext. So verzeichneten<br />

fast alle Häfen im Jahr 2023 negative<br />

Wachstumsraten. So verringerte sich<br />

der Binnenschiffsumschlag im Hafen von<br />

Rotterdam um -6,9 %, im Hafen von Antwerpen-Brügge<br />

um -3,4 % und in Hamburg<br />

um -6,2 %, wobei die Rückgänge bei<br />

Berücksichtigung des Seeverkehrs noch<br />

stärker ausfielen. Als seltene Ausnahme<br />

von der Regel erreichte der Hafen Constanţa<br />

sowohl im Seeverkehr als auch in<br />

der Binnenschifffahrt sein höchstes jemals<br />

verzeichnetes Verkehrsaufkommen.<br />

Diese Leistung sei größtenteils darauf<br />

zurückzuführen, dass er nach Kriegsbeginn<br />

und im Rahmen der Initiative für<br />

den Schwarzmeer-Getreidekorridor zur<br />

rentabelsten Alternativroute für die umfangreichen<br />

ukrainischen Getreideexporte<br />

geworden sei, heißt es im ZKR-Bericht.<br />

Die große Mehrheit der europäischen<br />

Binnenhäfen verzeichnete ähnliche<br />

Rückgänge beim Güterumschlag, wobei<br />

Duisburg am wenigsten betroffen war<br />

(-0,9 %) und einige Häfen, vor allem an<br />

der Donau, sogar steigende Mengen verzeichnen<br />

konnten.<br />

Der Umschlag von Containern wurde<br />

durch die geopolitische Lage, vor allem<br />

durch die Krise im Roten Meer, besonders<br />

stark beeinträchtigt, nachdem<br />

Ende Oktober 2023 jemenitische Rebellen<br />

mit wahllosen Angriffen auf Handelsschiffe<br />

begonnen hatten. Da 75 % der<br />

europäischen Exporte in der Regel über<br />

diesen Seeweg abgewickelt werden, zogen<br />

die Verlader ihre Schiffe von den üblichen<br />

Routen ab. Diese Krise trug wesentlich<br />

zu der schlechten Leistung des<br />

Containersegments bis Ende 2023 bei.<br />

Im Durchschnitt sanken die Frachtraten<br />

für alle Segmente im Jahr 2023 um -<strong>11</strong>,8 %<br />

gegenüber 2022, nachdem sie infolge der<br />

Niedrigwasserperioden im Jahr 2022 um<br />

RHEINA<strong>BS</strong>CHNITT<br />

ODER KANAL<br />

MESSPUNKT<br />

NAME<br />

TRANSPORTMENGE (in Mio. t)<br />

2021<br />

2022<br />

2023<br />

2021<br />

ANZAHL GÜTERSCHIFFE<br />

2022<br />

2023<br />

Niederrhein<br />

Oberrhein<br />

Wesel-Datteln-Kanal<br />

Rhein-Herne-Kanal<br />

Main<br />

Mosel<br />

Neckar<br />

Grenze DE/NL<br />

Grenze DE/FR<br />

Einmündung in den Rhein<br />

Einmündung in den Rhein<br />

Einmündung in den Rhein<br />

Einmündung in den Rhein<br />

Einmündung in den Rhein<br />

Emmerich<br />

Iffezheim<br />

Wesel-Friedrichsfeld<br />

Duisburg- Meiderich<br />

Mainz-Kostheim<br />

Koblenz<br />

Mannheim- Feudenheim<br />

134,5<br />

19,1<br />

19,1<br />

13,6<br />

12,1<br />

9,2<br />

5,7<br />

124,9<br />

16,3<br />

17,9<br />

12,4<br />

<strong>11</strong>,1<br />

8,8<br />

4,5<br />

<strong>11</strong>7,9<br />

16,0<br />

16,2<br />

10,7<br />

<strong>11</strong>,5<br />

7,7<br />

3,9<br />

106.497<br />

23.631<br />

18.961<br />

<strong>11</strong>.688<br />

15.213<br />

8.459<br />

5.663<br />

105.886<br />

24.274<br />

16.520<br />

15.400<br />

14.309<br />

9.106<br />

5.484<br />

105.809<br />

22.272<br />

15.255<br />

<strong>11</strong>.079<br />

13.707<br />

5.073<br />

4.463<br />

Transportmengen auf dem Rhein und den Nebenflüssen und Kanälen<br />

16 Binnenschifffahrt <strong>11</strong> | <strong>2024</strong>


SCHIFFFAHRT<br />

© ZKR<br />

C<strong>BS</strong>-Frachtratenindizes pro Quartal (2015 = 100)<br />

<br />

<br />

<br />

<br />

<br />

<br />

<br />

<br />

+42,5 % gestiegen waren. Dies ist vor allem<br />

auf den starken Rückgang der Frachtraten<br />

für Trockengüter zurückzuführen – um<br />

-21,4 % auf dem Spotmarkt und um<br />

-10,6 % bei den Festpreisen.<br />

Trotz der schwierigen Lage des Chemiesektors<br />

stiegen die Frachtraten für<br />

Flüssiggüter im Durchschnitt leicht an<br />

(+3,9 %), was auf einen Anstieg der Nachfrage<br />

zurückzuführen war, hingegen sanken<br />

die Frachtraten auf dem Spotmarkt<br />

um etwa –25 %. In der Zwischenzeit stiegen<br />

die Frachtraten bei Containern leicht<br />

an (+2,2 %), jedoch aufgrund der schwächeren<br />

Nachfrage weniger stark als 2022.<br />

Die Flotte der Binnenschifffahrt in<br />

Europa umfasste 2023 fast 15.319 Schiffe,<br />

von denen 9.658 in den Rheinstaaten,<br />

3.355 in den Donaustaaten und 2.306 in<br />

anderen europäischen Staaten registriert<br />

waren. Im Jahr 2023 bestand die Trockengüterflotte<br />

in den Rheinstaaten aus<br />

fast 7.000 Einheiten, was den Abwärtstrend<br />

bestätigt. Dies lag an Schwierigkeiten<br />

bei der Unternehmensnachfolge<br />

und am Abzug von Trockengüterschiffen<br />

in den Donauraum als Reaktion auf die<br />

»Solidarity Lanes Initiative« zur Unterstützung<br />

der Ukraine. Die Flüssiggüterflotte<br />

in den Rheinstaaten bestand aus<br />

1.434 Schiffen, wobei der gleiche Abwärtstrend<br />

wie bei der Trockengüterflotte<br />

zu beobachten war.<br />

Allerdings ist in den letzten Jahren eine<br />

zunehmende Tendenz zu immer größeren<br />

Schiffen zu beobachten, was zu einer<br />

Stagnation der Gesamtladekapazität der<br />

<br />

<br />

<br />

<br />

<br />

<br />

<br />

<br />

Trockengüterflotte und zu einem Anstieg<br />

der Ladekapazität der Flüssiggüterflotte<br />

führt. Die Flotte der innovativen Schiffe,<br />

die von der ZKR im Rahmen ihrer Roadmap<br />

zur Emissionsreduzierung überwacht<br />

wird, wächst stetig, macht jedoch<br />

derzeit weniger als 0,2 % der europäischen<br />

Binnenschifffahrtsflotte aus.<br />

Im Jahr 2023 umfasste die europäische<br />

Flusskreuzfahrtflotte 408 Schiffe, zwei<br />

weniger als im Jahr 2022. Die Neubautätigkeit<br />

bei Kreuzfahrtschiffen war 2023<br />

wie schon 2022 rückläufig, da die Schiffbaukosten<br />

trotz der rückläufigen Infla -<br />

tion hoch blieben. Erwartet wird, dass sie<br />

Güterumschlag in den wichtigsten Rheinhäfen in Mio. t<br />

Duisburg<br />

Köln<br />

Karlsruhe<br />

Mannheim<br />

Straßburg<br />

Neuss<br />

Ludwigshafen<br />

Basel<br />

Mainz<br />

Mülhausen<br />

Kehl<br />

Krefeld<br />

Andernach<br />

Wesseling<br />

Wesel<br />

Insgesamt<br />

2020<br />

42,4<br />

9,1<br />

6,2<br />

6,9<br />

6,8<br />

6,5<br />

6,8<br />

5,1<br />

3,8<br />

4,2<br />

4,4<br />

3,0<br />

2,7<br />

2,5<br />

2,0<br />

<strong>11</strong>2,4<br />

2021<br />

44,9<br />

9,8<br />

6,4<br />

7,3<br />

6,9<br />

6,6<br />

6,9<br />

5,4<br />

3,1<br />

4,1<br />

4,4<br />

3,4<br />

2,7<br />

2,1<br />

2,1<br />

<strong>11</strong>6,3<br />

<strong>2024</strong> und 2025 wieder anziehen wird. Die<br />

Zahl der Kreuzfahrtschiffe auf dem<br />

Rhein nahm 2023 zu, während sie auf der<br />

Donau und der Mosel zurückging. Insgesamt<br />

sind die Zahlen deutlich höher als<br />

2020 und 2021 und vergleichbar mit denen<br />

vor der Corona-Pandemie. Obwohl<br />

die Schiffsbewegungen auf der Donau<br />

zurückgingen, stiegen die Anzahl der<br />

Passagiere und die durchschnittliche Anzahl<br />

der Passagiere pro Schiff.<br />

Die Zahl der Beschäftigten in der europäischen<br />

Binnenschifffahrt ist im Jahr<br />

2020 deutlich zurückgegangen, nachdem<br />

sie zuvor seit 2012 stetig gestiegen war.<br />

Das Beschäftigungsniveau hat sich seither<br />

wieder langsam erholt, ohne das Niveau<br />

vor der Pandemie zu erreichen.<br />

Die Zahl der Unternehmen im Güterverkehr<br />

steigt seit 2020 abrupt an. Der<br />

Nettoumsatz der Reedereien im Gütertransport<br />

innerhalb der EU-27 (plus<br />

Schweiz und Serbien) belief sich im Jahr<br />

2022 auf rund 7,5 Mrd. €, ein deutlicher<br />

Anstieg gegenüber den 6 Mrd. € im Jahr<br />

2021. Bei den Passagierverkehrsunternehmen<br />

lag dieser Wert im Jahr<br />

2022 bei 2,8 Mrd. €.<br />

Die Binnenschifffahrt steht also vor gemischten<br />

Aussichten. 2023 war ein<br />

schwieriges Jahr, da die wirtschaftliche<br />

Lage trotz bemerkenswerter Verbesserungen<br />

schwierig blieb und der geopolitische<br />

Kontext unsicher war. Für die<br />

meisten Marktsegmente sowie für den<br />

Passagierverkehr und den Schiffsneubau<br />

werden in den kommenden Jahren Verbesserungen<br />

erwartet, auch wenn eine<br />

genaue Prognose schwer fällt, heißt es. <br />

2022<br />

41,9<br />

8,2<br />

6,8<br />

7,6<br />

6,4<br />

5,6<br />

5,6<br />

4,6<br />

3,5<br />

3,6<br />

3,2<br />

3,1<br />

2,3<br />

1,9<br />

2,1<br />

106,5<br />

2023<br />

41,5<br />

7,7<br />

6,4<br />

6,3<br />

6,2<br />

5,5<br />

5,0<br />

4,9<br />

3,3<br />

3,2<br />

2,7<br />

2,7<br />

2,2<br />

1,8<br />

1,8<br />

101,4<br />

2023-2022<br />

-0,9%<br />

-6,0%<br />

-5,5%<br />

-16,8%<br />

-3,0%<br />

-1,2%<br />

-<strong>11</strong>,0%<br />

+8,0%<br />

-5,6%<br />

-12,8%<br />

-14,4%<br />

-12,3%<br />

-5,3%<br />

-6,4%<br />

-13,8%<br />

-4,8%<br />

Binnenschifffahrt <strong>11</strong> | <strong>2024</strong><br />

17


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18 Binnenschifffahrt <strong>11</strong> | <strong>2024</strong>


Neckar<br />

<br />

<br />

<br />

<br />

<br />

MÜNSTER<br />

WETZLAR<br />

GIESSEN<br />

KALKAR<br />

HAMM<br />

Rhein<br />

Lahn<br />

DUISBURG<br />

ESSEN<br />

DORTMUND<br />

KOBLENZ<br />

Lahn<br />

DÜSSEL-<br />

DORF<br />

MÖNCHEN-<br />

GLADBACH<br />

KÖLN<br />

SIEGEN<br />

KASSEL<br />

osel<br />

Rhein<br />

FRANKFURT<br />

WIESBADEN<br />

MAINZ<br />

Main<br />

ASCHAFFEN-<br />

BURG<br />

DARMSTADT<br />

Main<br />

Nahe<br />

WETZLAR<br />

GIESSEN<br />

KOBLENZ<br />

Rhein<br />

Tauber<br />

FRANKFURT<br />

WIESBADEN<br />

MANNHEIM<br />

TRIER<br />

MAINZ<br />

DARMSTADT<br />

ASCHAFFEN-<br />

BURG<br />

W<br />

B<br />

EN<br />

Queich<br />

Neckar<br />

Jagst<br />

Kocher<br />

MANNHEIM<br />

HEILBRONN<br />

SAARBRÜCKEN<br />

BADEN-<br />

BADEN<br />

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STUTTGART<br />

HEILBRONN<br />

<br />

Rhein<br />

BADEN-<br />

BADEN<br />

M<br />

KARLSRUHE<br />

STUTTGART<br />

Rems


SCHIFFFAHRT<br />

Gerüstet für Bedrohungen auf dem Wasser<br />

Auf dem Bodensee trainiert die Maritime Einsatzeinheit der Wasserschutzpolizei den<br />

Ernstfall. Beteiligt waren Einheiten oder Beobachter aus verschiedenen Bundesländern<br />

sowie aus Österreich. Bei der Übung wurde ein Angriff auf ein Fahrgastschiff simuliert<br />

Die Maritime Einsatzeinheit ist unter<br />

anderem für den Personen- und<br />

Objektschutz auf dem Wasser geschult.<br />

Beispielhaft sind Einsätze zur Eröffnung<br />

des LNG-Terminals 2022 in Wilhelmshaven<br />

oder die Castortransporte auf dem<br />

Neckar im Jahr 2018 zu nennen. Bei solchen<br />

Anlässen kann es auf dem Wasser<br />

zu Störaktionen durch Personen kommen.<br />

Die Maritime Einsatzeinheit hat<br />

dann die Aufgabe, Blockadeaktionen zu<br />

verhindern oder ein Schiff vor dem Besteigen<br />

von unberechtigten Personen zu<br />

schützen.<br />

Für große Einsätze an Nord- und Ostsee<br />

arbeiten die Polizeien der Länder<br />

grundsätzlich zusammen. Die Übung<br />

war deshalb auch ein gemeinschaftliches<br />

Training des sogenannten Südverbundes<br />

Binnen, welcher aus den Ländern Hessen,<br />

Rheinland-Pfalz und Baden-Würt -<br />

temberg besteht. Hinzu kamen aber auch<br />

noch Übungsbeobachter und Statisten<br />

der Polizeien anderer Bundesländer sowie<br />

aus Österreich.<br />

»Nur mit solchen gemeinsamen Trainings<br />

kann eine gute länderübergreifende<br />

Zusammenarbeit in einem<br />

Echteinsatz gewährleistet werden. Der<br />

Bodensee bietet dafür im Süden Deutschlands<br />

hervorragende Trainingsbedingungen«,<br />

sagt der Leiter der Wasserschutzpolizeidirektion,<br />

Ralf Gerber.<br />

Angriff auf Fahrgastschiff<br />

Das Übungsszenario sah vor, ein Fahrgastschiff<br />

vor Personen zu schützen, die<br />

Straftaten auf die Fahrgäste bzw. das<br />

Schiff verüben wollen. Geübt wurde dabei<br />

mit insgesamt zwölf polizeilichen<br />

Schnellbooten – sogenannten RIB (Rigid<br />

Inflatable Boat). Vier weitere Schnellboote<br />

und ihre Insassen stellten zudem die<br />

fiktiven Störer bzw. Straftäter dar.<br />

Die Herausforderung bestand darin,<br />

einen Verbund zu bilden und die Störer<br />

dran zu hindern, das Schiff zu entern.<br />

Dabei konnten von der Einheit auch die<br />

Boote der Störer nach und nach eingefangen<br />

und die Personen darauf festgenommen<br />

werden.<br />

Mit zwölf Schnellbooten rückten die Einsatzkräfte aus<br />

Im Zuge der Festnahmen kam es am<br />

Ende der Übung noch zu einem simulierten<br />

medizinischen Notfall auf einem der<br />

Störerboote. Dabei ging eine Person über<br />

Bord. Die Wasserschutzpolizei musste<br />

hier ihre Fähigkeiten für das Retten und<br />

Bergen unter Beweis stellen und Erst-<br />

Hilfe-Maßnahmen ergreifen.<br />

Das länderübergreifende Maritime<br />

Einsatztraining und die Großübung verliefen<br />

den Angaben zufolge zur vollsten<br />

Zufriedenheit der Wasserschutzpolizeidirektion,<br />

die beides federführend geplant<br />

und durchgeführt hatte. RD<br />

Wasserschutzpolizei<br />

Neun Wasserschutzpolizeistati -<br />

onen und fünf Wasserschutzpoli -<br />

zeiposten am Rhein, Neckar und<br />

dem Bodensee sind unter dem<br />

Dach der Wasserschutzpolizeidirektion<br />

in Bruchsal vereint. Neben<br />

der Maritimen Einsatzeinheit<br />

gehört auch der Tauchdienst, der<br />

Fachdienst für Gefahrgutkontrollen<br />

und das Kompetenzzentrum<br />

Bootskriminalität dazu.<br />

© Polizei<br />

20 Binnenschifffahrt <strong>11</strong> | <strong>2024</strong>


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SCHIFFSTECHNIK<br />

Nachhaltiges Design für maximale Effizienz<br />

Stream Shipping, das Joint Venture der MSG mit Amer Shipping, hat zwei neue Schiffe in<br />

die Flotte aufgenommen. Die beiden <strong>11</strong>0-m-Trockengüterfrachter sind tiefgangsoptimiert<br />

und energieeffizient. Von Krischan Förster<br />

Stream Shipping, das erst im Juli gegründete<br />

Joint Venture der Binnenschifffahrtsunternehmen<br />

Amer Shipping<br />

aus den Niederlanden und der Würzburger<br />

Genossenschaft MSG , hat die Flotte<br />

vergrößert. Mit der »AM Explorer« und<br />

»AM Voyager« wurden zwei innovative<br />

Binnenschiffe in Dienst gestellt.<br />

Die »AM Explorer« und »AM Voyager«<br />

(ehemals »Adriana Maria«) wurden<br />

mit dem preisgekrönten »CDS Dry Cargo<br />

<strong>11</strong>0« – Rumpfdesign von Concordia Damen<br />

entworfen. Dieses fortschrittliche<br />

Design reduziert den Wasserwiderstand,<br />

so dass die Schiffe schneller fahren können<br />

und deutlich weniger Treibstoff verbrauchen.<br />

Es seien alle Möglichkeiten genutzt<br />

worden, um die Leistung der Schiffe zu<br />

optimieren, heißt es. Aufgrund des geringen<br />

Widerstands der Rumpfform werden<br />

Treibstoffverbrauch und Emissionen erheblich<br />

reduziert. Beide Schiffe können<br />

bis zu 3.500 t Ladung befördern.<br />

Durch ihre optimierte Konstruktion<br />

können die Schiffe auch bei einem Wasserstand<br />

von 1,15 m weiterfahren, obwohl<br />

sie zu diesem Zeitpunkt nicht voll<br />

beladen sind. Die optimierte Bauhöhe<br />

der Schiffe ermöglicht es ihnen, bei einem<br />

Tiefgang von 2,50 m Brücken von<br />

4,25 m sicher zu unterqueren, so dass sie<br />

auch auf Strecken mit begrenzter Durchfahrtshöhe<br />

fahren können.<br />

Die Schiffe sind mit Scania-Motoren<br />

der Emissionsstufe V und der neuesten<br />

Batterietechnologie ausgestattet. Die Motoren<br />

minimieren die Emissionen und<br />

bieten optimale Geschwindigkeit und<br />

Leistung bei geringerem Kraftstoffverbrauch.<br />

Die fortschrittlichen Batterieanlagen<br />

ermöglichen es den Schiffen, bis<br />

zu 36 Stunden lang ohne externe Stromversorgung<br />

vollelektrisch zu fahren. Dies<br />

reduziert die Auswirkungen auf die Umwelt<br />

erheblich.<br />

Als Kraftstoff kann statt dem herkömmlichen<br />

fossilen Diesel auch der<br />

synthetische Diesel HVO 100 verwendet<br />

werden. Damit ließen sich die CO2-Emissionen<br />

um bis zu 90 % reduzieren. Für die<br />

sogenannte CSRD-Berichterstattung sei<br />

eine Reduzierung um 89 % möglich. Für<br />

die »Roadmap to Greening« sei diese Methode<br />

eine praktikable Lösung, um die<br />

Scope-3-Kriterien zu erfüllen. »Mit der<br />

Einführung dieser beiden Schiffe macht<br />

© Stream Shipping<br />

Die <strong>11</strong>0 m lange »AM Explorer« ist eines von zwei neuen Schiffen für die Flotte von Stream Shipping<br />

22 Binnenschifffahrt <strong>11</strong> | <strong>2024</strong>


SCHIFFSTECHNIK<br />

© Stream Shipping<br />

Die »AM Explorer« kann wie ihre »Schwester« auch bei niedrigen Wasserständen noch fahren<br />

Stream Shipping einen großen Schritt<br />

in Richtung CO2-neutraler Binnenschifffahrt.<br />

Mit der ›AM Explorer‹ und<br />

›AM Voyager‹ bieten wir unseren Kunden<br />

eine zuverlässige und umweltfreundliche<br />

Lösung für ihren Transportbedarf«,<br />

sagt Peter Buijks, geschäftsführender<br />

Gesellschafter von<br />

Amer Shipping.<br />

Joint Venture nimmt Fahrt auf<br />

Das Joint Venture Stream Shipping mit<br />

Sitz in Raamsdonksveer ist als eigenständige<br />

Reederei mit eigenen Schiffen<br />

konzipiert, um neue Kapazitäten auf<br />

dem Binnenschifffahrtsmarkt zu schaffen.<br />

Für Kunden und Partner von<br />

Amer Shipping und MSG wird das gemeinsame<br />

Unternehmen einen Mehrwert<br />

für eine nachhaltige und lückenlose<br />

Lieferkette bieten«, hieß es<br />

zur Grümdung des Gemeinschaftsunternehmens<br />

im Juli.<br />

Amer Shipping BV, gegründet 1996,<br />

ist ein Familienunternehmen in vierter<br />

Generation. Mit einer Reederei Flotte<br />

von 20 Schiffen (Gesamtkapazität von<br />

ca. 53.000 t) und 8,5 Mio. transportierter<br />

Tonnen pro Jahr, verfügt der<br />

Belgien/Niederlande/Nordfrankreich-<br />

Spezialist über einiges Know-how in<br />

der Binnenschifffahrt und Supply-<br />

Chain-Logistik. Darüber hinaus ist<br />

Amer Shipping an der Ruijtenberg<br />

Ship yard in Raamsdonksveer beteiligt.<br />

Sieben der Schiffe wurden bereits mit<br />

dem »Green Award Gold Label« ausgezeichnet.<br />

Die 1916 gegründete MSG eG ist<br />

Trockengut-Spezialist im Rhein-Main-<br />

Donau-Wechselverkehr mit einer Flotte<br />

von 60 Schiffen und einer Gesamtkapazität<br />

von ca. 120.000 t. Mit Niederlassungen<br />

und Beteiligungen von<br />

Rumänien bis in die Niederlande und<br />

einem Schiffsmotorenbetrieb in Dorfprozelten/Main<br />

ist die MSG zudem im<br />

Projektgeschäft, dem Transport von<br />

Anlagen und anderen Disziplinen der<br />

Trockengut-Schifffahrt zu Hause.<br />

Martin Staats, Vorstand der MSG<br />

eG, fügt hinzu: »Mit diesen Schiffen legen<br />

wir die Messlatte für den gesamten<br />

Sektor höher. Durch die Kombination<br />

unseres Wissens und unserer Erfahrung<br />

ist es uns gelungen, zukunftsfähige<br />

Schiffe mit geringeren<br />

CO2-Emissionen und höherer Effizienz<br />

zu schaffen. Stream Shipping will<br />

auch in Zukunft eine Vorreiterrolle<br />

beim Übergang zur nachhaltigen<br />

Schifffahrt einnehmen.«<br />

Zukunftsorientierte Strategie<br />

Stream Shipping werde sich auch künftig<br />

auf die Entwicklung neuer, umweltfreundlicher<br />

Schiffsmodelle und Kraftstofftechnologien<br />

konzentrieren. Die<br />

»AM Explorer« und »AM Voyager«<br />

seien daher nur der Beginn einer breit<br />

angelegten Strategie.<br />

»Die Binnenschifffahrt noch nachhaltiger<br />

zu gestalten, ist eine große<br />

Aufgabe, bei der es keine einfachen Lösungen<br />

gibt«, sagt der niederländische<br />

Verkehrsminister Barry Madlener (Minister<br />

van Infrastructuur en Waterstaat).<br />

Deswegen sei es unerlässlich,<br />

dass so viele Initiativen wie möglich<br />

entwickelt werden. Die zwei neuen<br />

Schiffe von Stream Shipping seien dafür<br />

ein sehr schönes Vorbild. <br />

Binnenschifffahrt <strong>11</strong> | <strong>2024</strong><br />

23


SCHIFFSTECHNIK<br />

Optimiert für Fahrten im Kanal<br />

Die HGK Shipping hat mit der »Monomera« einen weiteren Flottenzugang getauft. Wie andere<br />

Neubauten auch, wurde das Tankmotorschiff auf Energieeffizienz ausgelegt und kann<br />

selbst bei niedrigen Wasserständen noch fahren. Kunde ist das Chemieunternehmen Vestolit<br />

© HGK Shipping<br />

Bei der Taufe (v.l.): Norbert Meixner (Business Unit Director HGK Shipping / Geschäftsführer Wijnhoff<br />

& Van Gulpen & Larsen), Taufpatin Sandra Seyer, Martin Peters (beide Vestolit), Kirchenvertreter<br />

Bernhard van Welzenes, Steffen Bauer (CEO HGK Shipping) und Simon Lucas (Wijnhoff)<br />

Ein weiterer Meilenstein der innovativen<br />

Schiffskonzepte von HGK<br />

Shipping: Europas größtes Binnenschifffahrtsunternehmen<br />

erweitert seine Flotte<br />

um das hochmoderne, diesel-elektrisch<br />

angetriebene Tankmotorschiff »Monomera«.<br />

Das in enger Zusammenarbeit<br />

mit dem langjährigen Partner Vestolit<br />

entwickelte Schiff wurde jüngst getauft<br />

und transportiert künftig Natronlauge<br />

für das Chemieunternehmen zwischen<br />

dem westdeutschen Kanalsystem und<br />

den ARA-Häfen.<br />

Die »TMS Monomera« zeichnet sich<br />

durch nachhaltige Technologien und eine<br />

optimierte Tragfähigkeitaus. Dank der<br />

»Future-Fuel-Ready«-Technologie sei sie<br />

heute bereits auf klimaneutrale Energieträger<br />

der Zukunft vorbereitet, heißt<br />

es von Seiten der HGK Shipping.<br />

Im Beisein der Taufpatin Sandra Seyer<br />

von Vestolit hat HGK Shipping die »Monomera«,<br />

die ab sofort für die Business<br />

Unit Liquid Chemicals operieren wird,<br />

offiziell in Dienst gestellt. Das 100 m lange<br />

und 9,5 m breite Schiff ist auf eine maximale<br />

Tragfähigkeit von 1.809 t ausgelegt<br />

und mit einem diesel-elektrischen<br />

Antrieb ausgestattet. In Kombination mit<br />

einem intelligenten Power Management-<br />

System sorgt dies für einen besonders<br />

emissions- und verbrauchsoptimierten<br />

Betrieb.<br />

Zwei im Schiffsrumpf integrierte Leerräume<br />

bieten zudem Platzreserven für<br />

künftige Energiespeicherlösungen. Damit<br />

ist das neue Tankmotoschiff auf den Einsatz<br />

klimaneutraler Energieträger ausgelegt,<br />

sobald diese ausreichenden Mengen<br />

zur Verfügung stehen.<br />

HGK Shipping hat nach eigenen Angaben<br />

bei der Entwicklung der »Monomera«<br />

auf modernste CFD-Methoden<br />

(Computational-Fluid-Dynamics) gesetzt,<br />

um den Wasserwiderstand zu reduzieren<br />

und die Energieeffizienz zu maximieren.<br />

Eine der zentralen Innovationen<br />

des Schiffes ist die Tiefgangoptimierung:<br />

Mit einem Tiefgang von nur 1,20 m kann<br />

das Schiff auch bei niedrigen Wasserständen<br />

noch 348 t Ladung transportieren.<br />

Zwei Ruderpropeller mit je 500 kW<br />

Antriebsleistung sorgen für eine herausragende<br />

Manövrierfähigkeit, damit sei<br />

das Schiff besonders für den Kanalverkehr<br />

und den wirtschaftlichen Betrieb bei<br />

schwierigen Wasserbedingungen prädestiniert,<br />

heißt es.<br />

»Die ›Monomera‹ ist klarer Schritt für<br />

eine nachhaltige Binnenschifffahrt und<br />

in unserer Neubaustrategie, die Flotte im<br />

Zuge der Energiewende auf klimaneutrale<br />

Antriebe vorzubereiten und anschließend<br />

umzustellen«, sagt Steffen<br />

Bauer, CEO von HGK Shipping.<br />

Das Schiffskonzept entstand im Design<br />

Center von HGK Shipping in enger Abstimmung<br />

mit der Koninklijke Wijnhoff<br />

& Van Gulpen & Larsen B.V., einer niederländischen<br />

Tochtergesellschaft von<br />

HGK Shipping in Druten. Der Bau des<br />

Kaskos wurde von der Severnav Shipyard<br />

in Rumänien durchgeführt, bevor die<br />

niederländische Werft De Gerlien van<br />

Tiem, langjähriger Partner der HGK<br />

Shipping, den finalen Ausbau bis zur Indienststellung<br />

übernahm.<br />

Norbert Meixner, Business Unit Director<br />

Liquid Chemicals bei HGK Shipping,<br />

der das neue Schiff künftig in seinem<br />

Bereich verantwortet, ergänzt: »Unsere<br />

langjährige Zusammenarbeit mit<br />

Vestolit basiert auf den gemeinsamen<br />

Werten Nachhaltigkeit und Innovation.<br />

So können wir auch in Niedrigwasserphasen<br />

zuverlässige Lieferketten sicherstellen.«<br />

KF<br />

24 Binnenschifffahrt <strong>11</strong> | <strong>2024</strong>


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SCHIFFSTECHNIK<br />

NPRC setzt auf eigene Stärke<br />

Seit fast 90 Jahren agiert die niederländische Partikuliergenossenschaft Nederlandse<br />

Particuliere Rijnvaart Centrale (NPRC) erfolgreich am Markt. Mit Zuschüssen fördert sie<br />

Investitionen ihrer Mitglieder in nachhaltige Technologien. Von Hermann Garrelmann<br />

Sie führt die Geschäfte der Genossenschaft:<br />

Femke Brenninkmeijer<br />

NPRC<br />

Seit 1935 leistet die NPRC (Nederlandse<br />

Particuliere Rijnvaart<br />

Centrale) einen wesentlichen Beitrag<br />

in der Binnenschifffahrtslogistik<br />

für Trockenfrachten. Täglich<br />

sind in Europa mindestens<br />

200 Binnenschiffe im Auftrag der<br />

NPRC unterwegs. Damit ist die<br />

Genossenschaft der größte kooperative<br />

Befrachter, in Europa.<br />

Jährlich sind es mehr als 13 Mio. t<br />

Fracht.<br />

© NPRC<br />

Die auf genossenschaftlicher Basis<br />

agierende NPRC richtet den Blick<br />

auf aktuelle und künftige Themen. So<br />

fährt sie auch im Bereich der Digitalisierung<br />

und Nachhaltigkeit eine eigene<br />

Strategie. In Konsequenz daraus haben<br />

zahlreiche Mitglieder im vergangenen<br />

Geschäftsjahr über 5,5 Mio. € in die Flotte<br />

investiert.<br />

Nach dem »perfect storm« in der Logistik<br />

im Jahr 2022 habe sich der Markt<br />

im Geschäftsjahr 2023 / 24 abgekühlt.<br />

Der Umsatz der Genossenschaft sei daher<br />

im Geschäftsjahr um etwa 25 % gesunken.<br />

Die Erklärung von CFO Arno<br />

Treur ist klar: »Die europäische Industrie<br />

ist unser Kunde, und diese Industrie läuft<br />

nicht auf voller Kapazität, was sich eben<br />

auf das Transportvolumen auswirkt.«<br />

Ob es nun um Salz, Stahl, Agrarprodukte<br />

oder Baumaterialien geht, all diese<br />

Sektoren laufen etwas langsamer. Zum<br />

Glück sehe man in den letzten Monaten<br />

eine leichte Erholung. Treurs Fazit: »Wir<br />

fokussieren uns nicht auf ein einziges<br />

Jahr, sondern schauen bewusst auf die<br />

langfristige Perspektive. Dabei sehen wir,<br />

dass die Zufriedenheit unserer Mitglieder<br />

hoch ist, die Kunden loyal sind und der<br />

Marktanteil der Genossenschaft wächst.«<br />

Vor einem Jahr hat die NPRC, in der<br />

auch deutsche Partikuliere engagiert<br />

sind, einen ehrgeizigen Schritt unternommen,<br />

indem sie kollektiv in die umweltfreundlichere<br />

Umrüstung der Flotte<br />

investierte. Jedes Mitglied, das in eine<br />

emissionssenkende Technik investiert,<br />

wird dabei von der Genossenschaft mit<br />

einem einmaligen Zuschuss in Höhe von<br />

20.000 € unterstützt. Diese »Gutscheinregelung«<br />

sei ein Erfolg, wie auf der Generalversammlung<br />

klar wurde. Die<br />

NPRC-Mitglieder investierten in den<br />

letzten zwölf Monaten etwa 5,5 Mio. € .<br />

Von Solarpanels auf den Luken bis hin<br />

zur Installation neuer und sauberer Motoren<br />

reicht die Bandbreite.<br />

Femke Brenninkmeijer, CEO der Genossenschaft,<br />

ist stolz auf die Mitglieder:<br />

»Natürlich sind Projekte wie das Wasserstoffschiff<br />

›Antonie‹ Erfolge, die wir gern<br />

ins Schaufenster stellen.« Aber es passiere<br />

deutlich mehr. Im vergangenen Jahr habe<br />

etwa ein Drittel der Mitglieder in ihre<br />

Schiffe investiert. Diese Mitglieder hätten<br />

dadurch ihre CO2-Emissionen durchschnittlich<br />

um 7 % dauerhaft reduziert.<br />

Dazu komme noch eine Einsparung<br />

durch den Einsatz des Biokraftstoffes<br />

HVO bei Transporten unter anderem für<br />

Tata Steel und Koopmans. »Gemeinsam<br />

mit unseren Kunden wollen wir dieses<br />

Momentum nutzen, um auch im kommenden<br />

Jahr die Emissionen in der Logistik<br />

weiter zu senken«, so Brenninkmeijer.<br />

<br />

26 Binnenschifffahrt <strong>11</strong> | <strong>2024</strong>


SCHIFFSTECHNIK<br />

PortLiner erhält Finanzhilfe von 4 Mio. €<br />

Mit einer Förderung des Just Transition Fund Ijmond sollen Transporte künftig<br />

emissionsfrei auf der intensiv genutzten Strecke zwischen Ijmond und Maasvlakte erfolgen.<br />

Ein erstes Schiff soll jetzt gebaut werden<br />

Mit dieser Unterstützung hat das Unternehmen<br />

PortLiner nach eigenen<br />

Angaben jetzt die Möglichkeit, sein Konzept<br />

der emissionsfreien Schiffe schneller<br />

umzusetzen. Der Einsatz von sogenannten<br />

Flow-Batterien, bei denen<br />

Energie in flüssigen Elektrolyten gespeichert<br />

wird, soll die Schiffe sicherer<br />

und robuster werden lassen, als das bei<br />

herkömmlichen Batterielösungen möglich<br />

sei, heißt es bei PortLiner. Ein Unternehmenssprecher:<br />

»Mit dieser Unterstützung<br />

können wir nicht nur die Binnenschifffahrt<br />

nachhaltiger machen, sondern<br />

auch die Wirtschaftstätigkeit in der Region<br />

IJmond stärken.«<br />

Bereits 2017 hatte Portliner für die Erarbeitung<br />

des Gesamtkomzeptees eine<br />

EU-Förderung von 7 Mio. € erhalten.<br />

Das erste Schiff, das PortLiner bauen<br />

wird, ist ein 135 m langes Containerschiff<br />

mit einer Kapzität von 429 TEU. An Bord<br />

sind drei 500-kW-E-Truster geplant. Mit<br />

der Energiekapazität an Bord kann 32 h<br />

lang gefahren werden. Das Wechseln der<br />

Elektrolyte dauert den Angaben zufolge<br />

etwa eine Stunde.<br />

In Flow-Batterien, auch Redox-Flow-<br />

Batterien genannt, wird die Energie in<br />

zwei elektrolytischen Flüssigkeiten gespeichert,<br />

die durch eine Zelle gepumpt<br />

werden, um Energie zu speichern und<br />

freizusetzen. Diese Batterien bestehen<br />

Ein 135 m langes PortLiner-Schiff soll künftigemissionsfrei unterwegs sein<br />

aus zwei Tanks mitflüssigen Elektrolyten,<br />

meist auf Vanadium-Basis oder anderen<br />

Chemikalien. Die Elektrolyte enthalten<br />

gelöste Ionen, die beim Durchlaufen einer<br />

Membran in die Batterie eine chemische<br />

Reaktion eingehen – dadurch<br />

wird Strom erzeugt.<br />

Das Projekt bietet auch Chancen für<br />

die lokale Wirtschaft. PortLiner ist in<br />

Huissen in der Region IJmond ansässig<br />

und arbeitet mit dem Nova College für<br />

Aus- und Weiterbildung zusammen.<br />

Der Bau des Schiffes erfolgt auf niederländischen<br />

Werften, der Stahl kommt<br />

von Tata Steel. Die Förderung der lokalen<br />

Wirtschaft war ein entscheidendes<br />

Kriterium für die Vergabe des Zuschusses.<br />

ga<br />

© PortLiner<br />

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27


SCHIFFSTECHNIK<br />

Amadeus rüstet sich für die Zukunft<br />

Die Küsten- und Shortsea-Reederei Amadeus wächst weiter: Die HGK-Tochter hat zwei<br />

Neubauten gechartert, um das Durchschnittsalter der Flotte zu senken und wachsenden<br />

Anforderungen der Energiewende gerecht zu werden<br />

© HGK Amadeus<br />

Die »Amadeus Saffier« ist mit modernen Segeln (VentoFoils) ausgestattet<br />

Das erste der beiden neuen Schiffe ist<br />

die »Arion«, ein Frachter vom Typ<br />

CF 3850 der Reederei M. Lauterjung, der<br />

auf der Damen-Werft Ba Son Shipyard in<br />

Vietnam gebaut wurde und nach seiner<br />

Jungfernfahrt nach Europa als »Amadeus<br />

Pearl« für die Shortsea-Reederei verkehren<br />

wird.<br />

»Wir sind sehr zufrieden mit der Leistung<br />

des Schiffs auf seiner Jungfernfahrt«,<br />

teilte Kay Lauterjung, Geschäftsführer<br />

der Emder Reederei M. Lauterjung,<br />

mit. »Damen hat das erste von uns<br />

bestellte Schiff pünktlich und in hoher<br />

Qualität geliefert.« Frühere Neubauten<br />

hatte das Unternehmen bei Veka in den<br />

Niederlanden bauen lassen.<br />

»Future Fuels« und Windkraft<br />

Weiterhin hat Amadeus die »Amadeus<br />

Saffier« (3.500 tdw) der Reederei De<br />

Bock Maritiem in Charter genommen.<br />

Gründe für das Chartern der Neubauten<br />

seien unter anderem, »dass das hohe<br />

Durchschnittsalter der europäischen<br />

Short-Sea-Flotte und die wachsenden<br />

Anforderungen der Energiewende an die<br />

Logistik eine Modernisierung der Flottenbestände<br />

erfordern«. Anfang Oktober<br />

hat die »Amadeus Saffier« ihre erste Reise<br />

von Antwerpen ins spanische Gijon<br />

angetreten.<br />

Das moderne Design des Schiffs zahlt<br />

den Angaben zufolge auf die notwendige<br />

Reduzierung von CO2-Emissionen im<br />

Transportsektor ein. Ausgestattet mit einem<br />

dieselelektrischen »Future-Fuel-<br />

Ready«-Antrieb kann das Schiff flexibel<br />

vom derzeit genutzten schwefelreduzierten<br />

Marine Gas Oil (MGO) auf alternative,<br />

nachhaltigere Energieträger umgestellt<br />

werden. Zudem ist der Neubau mit<br />

so genannten VentoFoils, einem Wind<br />

Assisted Propulsion System (WAPS), ausgestattet.<br />

In Kombination mit der angepassten<br />

Rumpfform und einem optimierten<br />

Propeller sollen so bis zu 50 % der<br />

Emissionen reduziert werden und eine<br />

um bis zu 30 % höhere Energieeffizienz<br />

im Vergleich zur bestehenden internationalen<br />

Flotte erzielt werden können.<br />

Zu den Einsatzgebieten des von Conoship<br />

konzipierten Schiffs zählen Bulkund<br />

Break-Bulk-Ladungen in europäischen<br />

Shortsea-Verkehren auf<br />

Nord- und Ostsee sowie im Mittel- und<br />

Schwarzmeerraum. Dank des geringen<br />

Tiefgangs von nur 5 m bei voller Abladung<br />

ist das Schiff zudem im Übergang<br />

vom offenen Meer auch auf dem Rhein,<br />

dem Albert-Kanal und weiteren Binnenwasserstraßen<br />

einsetzbar.<br />

Steffen Bauer, CEO von HGK Shipping,<br />

kommentierte die Flottenerweiterung:<br />

»Die Erneuerung der europäischen<br />

Shortsea-Flotte ist unverzichtbar,<br />

um den steigenden Anforderungen<br />

der Kunden an eine moderne Transportlogistik<br />

gerecht zu werden«, sagte<br />

Steffen Bauer, CEO von HGK Shipping.<br />

»Die ›Amadeus Saffier‹ steht beispielhaft<br />

für eine zukunftsorientierte, leistungsfähige<br />

Flotte, die sowohl auf See als auch<br />

im Binnenbereich überzeugt.«<br />

Nachhaltige Konzepte<br />

Damit setzt man bei der HGK den Trend<br />

zu nachhaltig designten Schiffen fort.<br />

Unter anderem stellte das Unternehmen<br />

im August den Entwurf für ein Gastankschiff<br />

vor, das kalt verflüssigtes Ammoniak<br />

und CO2 sowohl im Shortsea-Verkehr<br />

als auch auf Binnenwasserstraßen<br />

transportieren kann. Das Design mit<br />

dem Namen »Vanguard« sieht eine Länge<br />

von 125 m und eine Breite von 17,5 m<br />

vor und soll bis zum Oberrhein fahren<br />

können. Auch hier kommt Segeltechnologie<br />

zum Einsatz, um Emissionen zu<br />

senken.<br />

»Der neu designte Fluss-See-Gastanker<br />

und die Konzeption weiterer, je<br />

nach Kundenbedarf geplanter ›Vanguard‹-Nachfolger<br />

bieten den nahtlosen<br />

Übergang zwischen küstennahen Gewässern<br />

und dem System Wasserstraße im<br />

Hinterland«, betont Wolfgang Nowak,<br />

Geschäftsführer der HGK-Tochter Amadeus<br />

Shipping. Dies reduziere zum einen<br />

die Umschlagsrisiken und biete zum anderen<br />

Einsparpotenziale bezüglich Zeit<br />

und Kosten.<br />

RD<br />

28 Binnenschifffahrt <strong>11</strong> | <strong>2024</strong>


Vertrieb im Gebiet D-A-CH:<br />

+49 (0) 5228 9628290<br />

www.winden.de<br />

Dromec BV, Steenoven 13, 39<strong>11</strong> TX Rhenen (NL)


SCHIFFSTECHNIK<br />

MAN nimmt 30-l-Motor ins Portfolio<br />

Der Augsburger Motorenhersteller MAN Engines erweitert im Zuge der Markteinführung<br />

des MAN D3872 für Arbeitsschiffe sein Portfolio um eine zusätzliche Variante für Heavy-<br />

Duty-Anwendungen – auch in der Binnenschifffahrt<br />

MAN Engines kombiniert zur Erfüllung von EU-Stufe V den D3872<br />

mit einem flexibel installierbaren Abgasnachbehandlungssystem<br />

Das Leistungsspektrum von MAN für Anwendungen im leichten, mittelschweren und schweren Betrieb<br />

© MAN Engines<br />

Der neue MAN D3872 in der Variante<br />

LE427 für schwere Anwendungen<br />

leistet 920 kW (1.250 PS) bei 1.800<br />

min -1 und ist mit einem Abgasnachbehandlungssystem<br />

aus Dieselpartikelfilter<br />

und SCR-System ausgestattet.<br />

Damit erfüllt der Motor die<br />

Emissionsnormen der EU-Stufe V<br />

für die Binnenschifffahrt mit den<br />

Grenzwerten von 1,8 g/kWh Stickoxiden<br />

(NO x ), 0,015 g/kWh Feinstaub<br />

(PM) und 1x1012 Partikel/kWh (PN).<br />

Mit der zusätzlichen hohen Leistung<br />

können den Herstellerangaben zufolge<br />

Schubverbände, Schlepper, Gütermotor -<br />

schiffe, Passagierschiffe und Spezialschiffe<br />

angesprochen werden. MAN Engines<br />

biete mittlerweile ein sehr breites Leistungsportfolio<br />

in der EU-Stufe V für Binnenschiffe,<br />

das Reihensechszylindermotoren<br />

mit 12,4 l Hubraum und<br />

V12-Motoren mit 24,2 l und 29,6 l Hubraum<br />

umfasst. Diese Motoren decken in<br />

der strengen Emissionsvorschrift Leistungen<br />

von 290 kW bis 1.066 kW (394 PS bis<br />

1.450 PS) ab und berücksichtigen die Anforderungen<br />

von leichten, mittelschweren<br />

und Heavy-Duty-Anwendungen.<br />

Seit über zehn Jahren arbeitet MAN Engines<br />

mit Abgasnachbehandlungssystemen<br />

für die EU-Stufe V, um die<br />

Emissionsnorm mit Dieselpartikelfilter<br />

und SCR-Katalysator für Reihen- und<br />

V-Motoren zu erfüllen. Erste Serienlösungen<br />

wurden 2015 in der Landtechnik und<br />

im Industriebereich eingesetzt, 2019 erfolgte<br />

die Übertragung auf maritime Anwendungen.<br />

Mittlerweile ergibt sich daraus<br />

eine Population von vielen tausend<br />

kombinierten Dieselpartikel filtern und<br />

SCR-Katalysatoren bei unterschiedlichsten<br />

Kunden und Anwendungstypen im<br />

Markt, heißt es bei MAN.<br />

Ein wesentlicher Vorteil der firmeneigenen<br />

Entwicklung des Abgasnachbehandlungssystems<br />

ist, dass Motor, Sensorik,<br />

SCR-System und Dieselpartikel -<br />

filter perfekt aufeinander abstimmt seien.<br />

Diese Integration sei entscheidend, um<br />

die steigende Komplexität moderner Motoren<br />

im Verbindung mit hocheffizienten<br />

Abgasnachbehandlungssystemen zu bewältigen.<br />

Nur durch deren präzise Abstimmung<br />

könne sichergestellt werden,<br />

dass die Emissionswerte langfristig eingehalten<br />

und die Systeme zuverlässig betrieben<br />

werden können, teilt der Hersteller<br />

mit.<br />

Die Heavy-Duty-Variante MAN<br />

D3872 LE427 ist – wie alle Motoren aus<br />

dem aktuellen Marine-Portfolio – für die<br />

Verwendung mit regenerativem (renewable)<br />

Diesel gemäß dem Standard<br />

EN15940 in Europa bzw. der US-amerikanischen<br />

Spezifikation ASTM D975<br />

der American Society for Testing and<br />

Materials (ASTM) freigegeben.<br />

Als Alternative ist der MAN D3872 mit<br />

einer Außenhautkühlung statt eines geschlossenen<br />

Kühlkreislaufs erhältlich.<br />

Verfügbar ist der neue Motor ab dem<br />

dritten Quartal 2025. Weitere Emissionsstufen<br />

wie EPA Tier 4, IMO Tier III und<br />

IMO Tier II sind für 2026 geplant. KF<br />

30 Binnenschifffahrt <strong>11</strong> | <strong>2024</strong>


SCHIFFSTECHNIK<br />

Neuer Hochleistungskran für Brake<br />

Der vom Hersteller Liebherr und dem Hafenunternehmen J. Müller gemeinsam entwickelte<br />

Kran der Serie LPS 600 ist der leistungsfähigste seiner Art in Deutschland und wurde speziell<br />

für die Anforderungen des Seehafens an der Weser konzipiert<br />

Das Unternehmen J. Müller hat am<br />

Standort Brake einen neuen, hochmodernen<br />

Kran in Betrieb genommen,<br />

der neue Maßstäbe in der Hafenlogistik<br />

setzt. r ist sowohl für den Schüttgut- als<br />

auch für Stückgutumschlag einsetzbar<br />

und ersetzt alte Krananlagen aus den<br />

1970er Jahren. Die Gesamtinvestition beläuft<br />

sich auf 7,5 Mio. €. Zusätzlich werden<br />

weitere 2,5 Mio. € in einen Trichter<br />

und eine technische Anbindung an die<br />

bestehende Siloanlage investiert. Hierdurch<br />

ist eine Entladung von Schiffen<br />

mittels des neuen Kranes direkt in die Siloanlage<br />

möglich.<br />

Diese Anbindung ist eine ideale Ergänzung<br />

zu den beiden im Hafen vorhandenen<br />

pneumatischen Getreidehe -<br />

bern. Der Kran ist Teil eines Modernisierungskonzeptes,<br />

das mit der Übernahme<br />

des Kranbetriebes im Jahr 2021 durch J.<br />

Müller erarbeitet worden war.<br />

Niedersachsens Wirtschafts- und Verkehrsminister<br />

Olaf Lies sieht »ein beeindruckendes<br />

Beispiel für die Innovationskraft<br />

und die zukunftsorientierte Weiterentwicklung<br />

unserer Hafeninfrastruktur<br />

in Niedersachsen.« Mit dieser Investition<br />

werde nicht nur die Wettbewerbsfähigkeit<br />

des Standortes Brake gestärkt, sondern<br />

es würden auch neue Maßstäbe in<br />

der Hafenlogistik gesetzt.<br />

Der Kran, entwickelt von Liebherr in<br />

Zusammenarbeit mit dem Braker Hafenbetreiber,<br />

vereint modernste Technik mit<br />

nachhaltiger Effizienz. »Unser Team<br />

stand in engem Austausch mit dem Hersteller,<br />

um sicherzustellen, dass der Kran<br />

unseren spezifischen Anforderungen<br />

entspricht«, sagt Cedric Witten, Bereichsleiter<br />

Technik/IT bei J. Müller.<br />

Der Kran, der auf einem individuell<br />

entwickelten Portal sitzt, überzeugt durch<br />

seine Leistungsfähigkeit. Durch individuelle<br />

Produktlösungen wird ein effizienter<br />

Transport der umgeschlagenen Güter auf<br />

der Kran-Bahn ermöglicht, insbesondere<br />

an Kajen mit begrenztem Platzangebot.<br />

Beim Umschlag von Schüttgut erreicht<br />

der LPS 600 unter idealen Bedingungen<br />

bis zu über 800 t pro Stunde bei einer<br />

Auslage von bis zu 61 m. Beim Umschlag<br />

von Stückgut kann der Kran Lasten von<br />

90 t bis zu einer Reichweite von 27 m und<br />

von 65 t bis zu einer Reichweite von 35 m<br />

heben. Der E-Antrieb reduziere den Kohlenstoffausstoß<br />

und die Energiekosten erheblich,<br />

heißt es weiter. Darüber hinaus<br />

verbessert das neue Kabinendesign des<br />

LPS 600 den Komfort und die Sicherheit<br />

des Fahrers.<br />

Die Entwicklungs- und Bauzeit betrug<br />

21 Monate, Rund 650 t Stahl wurden verbaut.<br />

In Rostock gefertigt, wurde der<br />

Kran im Ganzen mit einem Schwergutfrachter<br />

nach Brake verschifft. Aufgrund<br />

der Größe konnte das Schiff nicht durch<br />

den Nord-Ostsee-Kanal fahren, sondern<br />

musste die alternative Route über die<br />

Nordsee nehmen. Nach der Installation<br />

und Schulung für die Kranführer wurde<br />

der Kran direkt in Betrieb an der Braker<br />

Kaikante genommen.<br />

»Mit dieser Investition setzen wir ein<br />

klares Zeichen für die Zukunft des Hafens<br />

Brake«, erklärte Jan Müller, Vorstandsvorsitzender<br />

der J. Müller AG. Der<br />

Hafenbetreiber schlägt jährlich rund 6,3<br />

Mio. t an Stück- und Schüttgütern an<br />

den Standorten Brake und Bremen um<br />

und kommt auf einen Jahresumsatz<br />

(2023) von rund 150 Mio. €. KF<br />

© Liebherr<br />

Einzigartig in seiner Art: Brake hat einen neuen<br />

Hochleistungskran LPS 600 von Liebherr<br />

Binnenschifffahrt <strong>11</strong> | <strong>2024</strong><br />

31


SEEHÄFEN | SHORTSEA<br />

Rotterdam legt leicht zu<br />

Der Containerumschlag in Rotterdam zieht zwar an, bleibt aber deutlich hinter dem<br />

belgischen Seehafen Antwerpen zurück. Nach einer frühen Hochsaison im Sommer<br />

wurden im September viele Schiffe auf andere Häfen umgeleitet<br />

© Matrens Media / Port of Rotterdam<br />

Bis zum dritten Quartal dieses Jahres<br />

ist der Gesamtumschlag im Rotterdamer<br />

Hafen um 0,4 % zwar zurückgegangen,<br />

vor allem wegen eines Rückgangs<br />

bei Kohle. Der Containersektor<br />

legt allerdings zu: Sowohl beim Gewicht<br />

(3,0%) als auch bei der Anzahl gab es einen<br />

Anstieg um 2,2 % auf 10,4 Mio. TEU<br />

zu. Zum Vergleich: In Antwerpen war es<br />

ein Plus von 6,8 % auf 10,15 Mio. TEU.<br />

Die Unsicherheiten aufgrund der Umrundung<br />

des Kaps der Guten Hoffnung<br />

hätten zu einer frühen Hochsaison im<br />

Sommer geführt, heißt es von Seiten der<br />

Hafenbehörde. Im September seien hingegen<br />

eine Reihe von Kontingenten über<br />

andere Häfen umgeleitet worden. Aufgrund<br />

der begrenzten Schiffskapazität ist<br />

die Zahl der Hafenanläufe zwar weiter<br />

geringer als im letzten Jahr, die Terminals<br />

im Hafen und im Hinterland seien jedoch<br />

mit Spitzenbelastungen konfrontiert.<br />

Industrie schwächelt<br />

Boudewijn Siemons, CEO der Port of<br />

Rotterdam Authority: »Der Welthandel<br />

Der Containerumschlag im Hafen von Rotterdam legte auf 10,4 Mio. TEU zu<br />

zeigt sich in den letzten Monaten leicht<br />

belebt. Der Rückgang des Umschlags in<br />

den anderen Segmenten zeigt leider, dass<br />

die europäische Industrie aufgrund der<br />

hohen Energiekosten weiterhin eine<br />

schwache Wettbewerbsposition einnimmt.<br />

Wir erwarten daher in den verbleibenden<br />

Monaten dieses Jahres auch<br />

keine größeren Verlagerungen bei den<br />

Warenströmen.«<br />

Der Umschlag von trockenem Massengut<br />

ist in den ersten drei Monaten des<br />

Jahres <strong>2024</strong> im Vergleich zu 2023 um<br />

0,9 % zurückgegangen. Der Umschlag<br />

von Eisenerz und Schrott (<strong>11</strong>,1 %) und<br />

sonstigem trockenem Massengut (20 %)<br />

ist jedoch angestiegen. Die sinkenden Eisenerzpreise<br />

aufgrund des Einbruchs der<br />

chinesischen Stahlproduktion veranlassen<br />

die europäischen Stahlwerke,<br />

Eisenerz zu kaufen, obwohl die Stahlnachfrage<br />

in Europa nicht besonders<br />

hoch ist.<br />

Der Kohleumschlag ging im dritten<br />

Quartal um 26,6 % im Vergleich zu den<br />

ersten neun Monaten des Jahres 2023 zurück,<br />

in denen der Umschlag ebenfalls<br />

bereits um 17 % gesunken war. Vor allem<br />

der Umschlag von Energiekohle ging zurück.<br />

Kohlekraftwerke verlieren als<br />

Energiequelle zunehmend an Bedeutung.<br />

Der Agribulk-Umschlag stieg um 2 %<br />

an. Die Anlieferung von Sojabohnen ging<br />

aufgrund der höheren Preise infolge der<br />

schlechten Ernte und der gestiegenen<br />

Nachfrage aus China zurück. Die Maislieferungen<br />

aus der Ukraine (über Rumänien)<br />

sind wieder angestiegen, nachdem<br />

sie 2023 aufgrund des Angriffskrieges gegen<br />

die Ukraine deutlich zurückgegangen<br />

waren. Mais wird u. a. als Ausgangsmaterial<br />

für die Bioethanolproduktion<br />

verwendet.<br />

Rückgang bei Rohöl und LNG<br />

Der Umschlag von flüssigem Massengut<br />

ging in den ersten neun Monaten dieses<br />

Jahres um 1,7 % zurück. Dies ist auf den<br />

geringeren Umschlag von Rohöl, LNG<br />

und anderen flüssigen Massengütern zurückzuführen.<br />

Der Umschlag von Mineralölprodukten<br />

zeigt einen Anstieg von<br />

4 %, insbesondere der Umschlag von<br />

Schweröl und Kerosin ist angestiegen.<br />

Der Umschlag von LNG lag mit<br />

300.000 t leicht unter dem Vorjahreswert.<br />

Die Erdgasreserven in Europa sind hoch,<br />

sodass ein geringerer Bedarf besteht. Außerdem<br />

sind die LNG-Preise in Asien etwas<br />

höher als in Europa, so dass sich die<br />

Spot-Frachten eher nach Asien bewegen.<br />

Das Segment des sonstigen flüssigen<br />

Massenguts verzeichnete einen Rückgang<br />

von 4,4 %. Besonders deutlich wird dieser<br />

Rückgang bei den Biokraftstoffen. Der<br />

Export sinkt wegen der Senkung der Beimischungsquoten.<br />

Der Umschlag des Stückgut-Segments<br />

(RoRo und sonstiges Stückgut) verzeichnete<br />

einen Rückgang von 4,7 %. Der Ro-<br />

Ro-Verkehr ging aufgrund der wirtschaftlichen<br />

Lage im Vereinigten Königreich<br />

weiter um 3,5 % auf 19,2 Mio. t zurück.<br />

Das Segment der sonstigen Stückgüter<br />

ging durch weniger Lagerung und<br />

Umschlag von Stahl und Nichteisenmetallen<br />

um 9,5 % auf 4,5 Mio. t zurück.<br />

RD<br />

32 Binnenschifffahrt <strong>11</strong> | <strong>2024</strong>


SEEHÄFEN | SHORTSEA<br />

ROSTOCK<br />

Vertiefung des Seekanals abgeschlossen<br />

Die Beteiligten werteten die Vertiefungsarbeiten einstimmig als Erfolg<br />

Rund neun Monate vor dem geplanten Fertigstellungstermin<br />

sind jetzt die Vertiefungsarbeiten am Seekanal Rostock abgeschlossen<br />

worden. Mit dem auf 16,50 m vertieften Seekanal Rostock<br />

steht den Schiffen der Baltic-Max-Klasse jetzt eine Abladetiefe<br />

von 15 m zur Verfügung. Vor rund 25 Jahren war der<br />

Seekanal Rostock zum letzten Mal auf eine Abladetiefe von 13 m<br />

vertieft worden.<br />

Daniela Kluckert, Parlamentarische Staatssekretärin beim<br />

Bundesminister für Digitales und Verkehr, sagte: »Mit der jetzt<br />

abgeschlossenen Vertiefung des Seekanals Rostock bei Warnemünde<br />

haben wir eine entscheidende Voraussetzung für die Stärkung<br />

der Maritimen Wirtschaft und der internationalen Seeschifffahrt<br />

geschaffen. Die vertiefte Seehafenzufahrt schließt darüber<br />

hinaus an die bereits ertüchtigte Bahnstrecke Rostock-Berlin<br />

an – ein wesentlicher Faktor für die Wettbewerbsfähigkeit und<br />

Entwicklung des Hafenstandorts.«<br />

Bei den Arbeiten im 16 km langen Seekanal wurden Spezialbagger<br />

eingesetzt, die rund 5 Mio. m3 Sand, Mergel und Schlick<br />

bewegt haben. Durch ein umfangreiches begleitendes Monitoring<br />

wurden diese Arbeiten dokumentiert. Bereits bei der Planung<br />

wurden mögliche Auswirkungen der Baumaßnahmen auf<br />

Menschen und Umwelt gründlich untersucht, um Umweltschäden<br />

zu vermeiden.<br />

Nach offiziellen Angaben wurde der geplante Kostenrahmen<br />

eingehalten und »dank eines günstigen Bauverlaufs und einer<br />

sehr leistungsfähigen Geräteausstattung des Bauunternehmers«<br />

sogar etwas unterschritten. Der Ausbau des Seekanals ist ein Projekt<br />

mit vordringlichem Bedarf des Bundesverkehrswegeplans<br />

2030 und wurde darüber hinaus in das Wasserstraßenausbaugesetz<br />

aufgenommen. Antragsteller: das Land Mecklenburg-Vorpommern.<br />

Der Rostocker Hafen hat sich zu einem der größten Universalhäfen<br />

an der deutschen Ostseeküste entwickelt. Als Kernnetzhafen<br />

spielt er im TEN-Kernnetz – Skandinavien-Mittelmeer und<br />

Orient/Östliches Mittelmeer – eine wichtige Rolle. Dies unterstreicht<br />

die Bedeutung des Hafens im europäischen Kontext und<br />

in der Region. Landeswirtschaftsminister Reinhard Meyer machte<br />

jetzt deutlich: »Mit den verbesserten Anlaufbedingungen für<br />

große Schiffe und Tanker kann der Seehafen sein beträchtliches<br />

wirtschaftliches Potenzial und seine enorme Strahlkraft für die<br />

Region und das ganze Land weiter ausbauen.«<br />

<br />

© WSV<br />

BERLIN<br />

»Maritime Horizonte« setzt Zeichen für Schifffahrt<br />

Rund 150 geladene Gäste diskutierten in Berlin im Rahmen der<br />

Veranstaltung »Maritime Horizonte« über die Zukunftsperspektiven<br />

der Schifffahrt in Deutschland – darunter Ministerpräsidentin<br />

Manuela Schwesig, Peter Bofinger von der Universität<br />

Würzburg, Siemtje Möller, Parlamentarische Staatssekretärin im<br />

Zahlreiche Gäste berieten über die maritime Wirtschaft in Deutschland<br />

© Wirtschaftsministerium MV<br />

Bundesministerium der Verteidigung, und Dieter Janecek, Maritimer<br />

Koordinator der Bundesregierung. Mit der Veranstaltung<br />

setzte das Land Mecklenburg-Vorpommern ein Zeichen für die<br />

maritime Wirtschaft. Ziel sei es, die Bedeutung der Branche als<br />

Impulsgeber herauszuarbeiten und Synergien für eine gemeinsame<br />

wirtschaftspolitische Ausrichtung zu nutzen.<br />

»Ein erheblicher Teil der maritimen Wertschöpfung findet<br />

nicht nur in norddeutschen Häfen und Werften statt, sondern<br />

auch bei den vielen Zuliefererbetrieben im Süden«, sagte Jochen<br />

Schulte, Staatssekretär im Ministerium für Wirtschaft, Infrastruktur,<br />

Tourismus und Arbeit des Landes Mecklenburg-Vorpommern.<br />

Die anstehenden Investitionen in Infrastruktur,<br />

Schiffbau und Marine kämen daher ganz Deutschland zugute.<br />

Gleichzeitig mahnte er an, dass diese Investitionen nicht allein<br />

von den Küstenländern getragen werden könnten.<br />

Wenige Tage vor der Veranstaltung war das 80-seitige »Maritime<br />

Zukunftskonzept« an Ministerpräsidentin Schwesig übergeben<br />

worden. Die darin aufgeführte Strategie formuliert Handlungsempfehlungen<br />

für die maritime Wirtschaft. Schlüsselthemen<br />

des Konzepts sind z.B die Innovationskraft der Offshore-Windindustrie<br />

und die Entwicklung der Wasserstoffwirtschaft.<br />

Beide werden für die Energiewende als entscheidend betrachtet.<br />

<br />

34 Binnenschifffahrt <strong>11</strong> | <strong>2024</strong>


SEEHÄFEN | SHORTSEA<br />

Nahtloser Hafenbahn-Betrieb durch KI<br />

Über zweieinhalb Jahre lang haben Niedersachsen Ports und der JadeWeserPort mit dem<br />

Projekt »RaDaR4.0« gemeinsam untersucht, wie sich der Verkehr der Hafenbahnen<br />

optimieren lässt<br />

Eisenbahnbetriebsleiterin Romina Hanisch und NPorts-Chef Holger Banik<br />

Auf den ersten Blick sind die Konstruktionen,<br />

die im Stellwerk der<br />

Hafenbahn am JadeWeserPort stehen,<br />

womöglich kaum als Kameras zu erkennen<br />

– doch in ihnen verbirgt sich<br />

High-Tech. Über zweieinhalb Jahre lang<br />

haben die Linsen die Ein- und Ausfahrten<br />

der Hafenbahnen erfasst und die<br />

Daten an eine Künstliche Intelligenz<br />

übermittelt, um den Verkehr im Hafen zu<br />

optimieren. Das Projekt »RaDaR4.0«<br />

steht dabei für »Rail Data Reconnaissance«<br />

(Gleisdaten-Erfassung), die 4.0 verweist<br />

auf die digitale Transformation im<br />

Sinne von Logistik 4.0, bei der moderne<br />

Technologien zur Optimierung von Prozessen<br />

eingesetzt werden.<br />

Die Technologie soll zukünftig verlässliches<br />

Datenmaterial liefern könnten, um<br />

die Hafenstruktur von Niedersachsen<br />

Ports (NPorts) optimal nutzen zu können.<br />

So werden über das System aus Kameras<br />

und Software beispielsweise die<br />

Waggonzahl und -nummern von den Eisenbahnverkehrsunternehmen<br />

(EVU)<br />

übermitteln. Sind diese Daten nicht korrekt,<br />

könnte ein langer Zug einem zu kurzen<br />

Gleis zugewiesen werden. Dies hätte<br />

zur Folge, dass das Gleisnetz nicht effizient<br />

ausgelastet und die Logistikkette gestört<br />

wird. Das Gleisnetz der NPorts-<br />

Häfen Brake, Cuxhaven, Emden und<br />

Wilhelmshaven erstreckt sich auf rund<br />

100 km – ein Netzwerk, das eine präzise<br />

und durchdachte Steuerung erfordert.<br />

Mitarbeitenden in der Hafenbahn-Disposition<br />

kommt hier eine zentrale Rolle<br />

zu. Nur durch einen reibungslosen Ablauf<br />

lässt sich hier garantieren, dass Waren<br />

und Güter zuverlässig zur richtigen<br />

Zeit am richtigen Ort ankommen.<br />

Tetris mit meterlangen Zügen<br />

Romina Hanisch, Eisenbahnbetriebsleiterin<br />

für die Gleisinfrastruktur in Wilhelmshaven<br />

und Projektverantwortliche,<br />

stellte die Ergebnisse des Testlaufs vor.<br />

»Wer schon einmal Tetris gespielt hat,<br />

weiß womöglich erst nach einem verlorenen<br />

Spiel, wie essenziell vorausschauendes<br />

Denken und gute Planung<br />

ist. Tetris ist nicht immer einfach. Und<br />

wenn man sich noch vorstellt, die Tetris-<br />

Blöcke wären meterlange Züge, dann hat<br />

man eine Vorstellung davon, was unsere<br />

Hafenbahn-Disponenten täglich leisten.«<br />

Die Funktionsweise des »RaDaR4.0«<br />

ähnelt einer Smartphone-Kamera, die<br />

QR-Codes ausliest. Über sogenannte<br />

© NPorts<br />

»Optical Character Recognition« (OCR,<br />

dt. Optische Zeichenerkennung) erfasst<br />

und interpretiert die Software optische<br />

Daten. Neben der Zahl und Nummer der<br />

Waggons lassen sich Gefahrgutsiegel,<br />

Containernummer, Fahrtrichtung und<br />

Durchfahrtzeit erfassen. Diese Daten<br />

werden von einer Software gelesen, verarbeitet<br />

und anschließend der Disposition<br />

für die Planung und Abrechnung<br />

zur Verfügung gestellt. Diese Informationen<br />

können die Disponenten dann<br />

mit den Daten abgleichen, die zuvor vom<br />

jeweiligen EVU übermittelt worden sind.<br />

So lassen sich potenzielle Informationslücken<br />

schließen und die NPorts-Disponenten<br />

haben jederzeit umfassende<br />

Daten vorliegen, um den Betrieb optimal<br />

zu steuern.<br />

Das Funktionieren des »RaDaR4.0«<br />

setzt voraus, dass die eingesetzte Software<br />

weiß, wie beispielsweise ein Gefahrgutsiegel<br />

aussieht oder wie sich die Waggonnummer<br />

von einer Containernummer<br />

unterscheidet. »Die Software<br />

wurde gezielt mit Daten trainiert und ist<br />

nun in der Lage, bestimmte Informationen<br />

präzise zu erfassen und mit hoher<br />

Genauigkeit zu interpretieren. Dank des<br />

Einsatzes von Deep Learning – einer KIbasierten<br />

Methode, bei der das System<br />

Daten eigenständig verknüpft und aus<br />

diesen Verknüpfungen lernt – wird Ra-<br />

DaR4.0 mit der Zeit immer präziser und<br />

leistungsfähiger«, erklärt Hanisch.<br />

NPorts-Geschäftsführer Holger Banik<br />

ergänzt: »Es gibt bereits gängige Erfassungssysteme,<br />

aber die sind meistens<br />

mit hohen Kosten verbunden und nicht<br />

immer auf die Gegebenheiten eines Hafens<br />

übertragbar.« Mit dem eigenen System<br />

habe NPorts eine innovative Alternative<br />

geschaffen, die wirtschaftlich sowie<br />

zukunftsweisend sei und sich an verschiedenen<br />

Standorten einsetzen lasse.<br />

Das Projekt ist im Rahmen des Programms<br />

»Digitale Textfelder in Häfen«<br />

vom Bundesministerium für Digitales<br />

und Verkehr (BMDV) gefördert worden.<br />

Das Projektvolumen beträgt insgesamt<br />

3,2 Mio. €, wovon der Förderanteil des<br />

BMDV 80 % beträgt.<br />

JW<br />

Binnenschifffahrt <strong>11</strong> | <strong>2024</strong><br />

35


WASSERSTRASSEN | HÄFEN<br />

Häfen fordern mehr Teamgeist vom Bund<br />

Auf seiner Jahrestagung formuliert der Bundesverband Öffentlicher Binnenhäfen in Neuss<br />

klare Forderungen an die Bundesregierung. Joachim Zimmermann (bayernhafen) bleibt<br />

auch in den kommenden Jahren Präsident, unterstützt von einem vierköpfigen Präsidium<br />

BÖB-Präsident Joachim Zimmermann<br />

appelliert an die Bundesminister,<br />

mehr Teamgeist bei der Umsetzung<br />

der Hafenstrategie zu zeigen und<br />

mahnt die Länder, ihre Hausaufgaben<br />

beim Flächenschutz und der Entbürokratisierung<br />

zu machen.<br />

»Flächen, Infrastruktur, praxisnahe<br />

Genehmigungen – Häfen als Motoren für<br />

nachhaltige und resiliente Logistik und<br />

gute Arbeitsplätze stärken« lautete das<br />

Motto der diesjährigen Jahrestagung des<br />

Bundesverbandes Öffentlicher Binnenhäfen<br />

e. V. in Neuss.<br />

Turnusgemäß wurde das Präsidium<br />

neu gewählt. Auch in der neuen Wahlperiode<br />

vertritt Joachim Zimmermann<br />

(bayernhafen) den Verband weiterhin als<br />

Präsident. Ebenso wiedergewählt wurden<br />

Jens Hohls (Brauschweig) und Carsten<br />

Strähle (Stuttgart) als Präsidiumsmitglieder.<br />

Neu im Präsidium sind der<br />

Mannheimer Hafenchef Uwe Köhn und<br />

Bettina Brennenstuhl, die dem Dortmunder<br />

Hafen vorsteht. Sie folgen auf Franz<br />

Reindl (Ludwigshafen), der in den Ruhestand<br />

gewechselt ist, und Jan Sönke<br />

Eckel, der RheinCargo verlassen hat.<br />

Rund 100 Teilnehmende aus der Binnenhafenwirtschaft,<br />

aus Verbänden, Politik<br />

und Verwaltung tauschten sich im<br />

Rahmen der öffentlichen Jahrestagung<br />

im Neusser Zeughaus, bei der Besichtigung<br />

der Neusser Häfen sowie beim<br />

Netzwerkabend in der Pegelbar aus.<br />

Die Podiumsdiskussion mit Oliver Krischer,<br />

Verkehrsminister des Landes<br />

Nordrhein-Westfalen, sowie dem Landtagsvizepräsidenten<br />

und verkehrspoliti -<br />

schen Sprecher der FDP, Christof Rasche,<br />

BÖB-Präsident Joachim Zimmermann<br />

und Gastgeber Götz Jesberg (RheinCargo)<br />

griff Themen auf, die den Häfen unterm<br />

Nagel brennen: Instandhaltung und<br />

Finanzierung der Infrastruktur, Entbürokratisierung<br />

von Planung, Genehmigung<br />

und Betrieb von Hafenanlagen sowie<br />

Schutz der Hafenflächen vor anderen<br />

städtebaulichen Begehrlichkeiten.<br />

Minister Krischer lobte die gute Zusammenarbeit<br />

mit dem BÖB und dessen<br />

unablässiges Werben für die Belange der<br />

Das neu gewählte BÖB-Präsidium (v. l.): Carsten Strähle (Stuttgart), Jens Hohls (Braunschweig),<br />

Bettina Brennenstuhl (Dortmund), Joachim Zimmermann (Bayernhafen) und Uwe Köhn (Mannheim)<br />

Verkehrsminister Oliver Krischer lobte den<br />

Bundesverband BÖB für sein Engagement<br />

Binnenhäfen. Dies zahle sich aus. Die Nationale<br />

Hafenstrategie trage wesentlich<br />

auch die Handschrift der Binnenhäfen.<br />

Auf der aktuellen Verkehrsministerkonferenz<br />

im Oktober <strong>2024</strong> in Duisburg sei<br />

ein 10-Punkte-Plan zur Stärkung von Binnenschifffahrt<br />

und Binnenhäfen beschlossen<br />

worden. Dies sei eine Initiative von<br />

Nordrhein-Westfalen und anderen wichtigen<br />

Binnenländern gewesen, betonte<br />

Krischer. Darin hatten die Bundesländer<br />

ihre Forderung an den Bund bekräftigt,<br />

sich an den Hafeninfrastrukturkosten zu<br />

beteiligen und die diesbezüglichen Maßnahmen<br />

aus der Nationalen Hafenstrategie<br />

schnellstmöglich umzusetzen.<br />

Zudem habe sein Ministerium einen<br />

Dialogprozess zur Vereinfachung von<br />

Genehmigungsverfahren für Planung,<br />

Errichtung und Betrieb von Hafenanla -<br />

gen in Gang gesetzt, so der Minister. Genehmigungsbehörden,<br />

Hafenbetreiber<br />

und Landesverwaltung sollen gemeinsam<br />

Maßnahmen zur Vereinfachung von Verfahren<br />

und notwendiger Gesetzes- und<br />

Regeländerungen erarbeiten.<br />

»Wir erwarten, dass alle Ressorts sich<br />

an den Kabinettsbeschluss halten und<br />

diesen nicht – wie jüngst beim Referentenentwurf<br />

des Hochwasserschutzgesetzes<br />

geschehen – versuchen zu konterkarieren«,<br />

mahnte BÖB-Präsident<br />

Zimmermann. Der jetzigen Regierungskoalition<br />

bleibe dafür weniger als ein Jahr<br />

bis zum Bundestagswahlkampf ab Frühsommer<br />

2025. Die Entwicklung einer<br />

Bund-Länder-Förderung für Kai- und<br />

Uferanlagen dürfe nicht weiter verzögert<br />

werden. »Halbjährliche Treffen sind kein<br />

Deutschlandtempo!«<br />

KF<br />

© anke hesse fotografie<br />

36 Binnenschifffahrt <strong>11</strong> | <strong>2024</strong>


WASSERSTRASSEN | HÄFEN<br />

Mehr Container für Riesa<br />

Die Landesdirektion Sachsen hat den Neubau eines KV-Terminals auf der Fläche<br />

des »Alten Hafens« in Riesa genehmigt. Mit der neuen trimodalen Anlage steigt die<br />

Umschlagkapazität um 100.000 TEU pro Jahr<br />

Die Umschlagkapazität im Hafen Riesa soll mit einem neuen KV-Terminal noch einmal ausgebaut werden<br />

© SBO<br />

Der Planfeststellungsbeschluss für<br />

den Neubau eines Terminals für den<br />

kombinierten Verkehr (KV-Terminal) im<br />

Hafen Riesa ist erlassen worden. Die trimodale<br />

Umschlaganlage soll auf der Fläche<br />

des »Alten Hafens« entstehen. Die<br />

Sächsischen Binnenhäfen Oberelbe<br />

(SBO) hatten den Antrag gestellt.<br />

Der Hafen in Riesa ist durch seine zentrale<br />

Lage und gute Anbindung ein wichtiges<br />

sächsisches Drehkreuz für Binnenschiff,<br />

Eisenbahn und Lkw. Angesichts<br />

des prognostizierten Anstiegs des kombinierten<br />

Verkehrs sollen die bestehenden<br />

Umschlageinrichtungen an<br />

aktuelle und künftige Anforderungen angepasst<br />

werden, heißt es in einer Mitteilung.<br />

Das bestehende Containerterminal<br />

auf der Hafennordseite hat seine Auslastungsgrenze<br />

bereits erreicht.<br />

100.000 TEU pro Jahr zusätzlich<br />

Das geplante Terminal wird eine Kapazität<br />

von 100.000 TEU pro Jahr haben.<br />

Entstehen sollen sechs Ladegleise für den<br />

Schienenverkehr, Straßenanbindungen<br />

Zuletzt wurden in Riesa knapp 34.000 TEU verladen<br />

für Lkw sowie Containerumschlag- und<br />

Zwischenabstellbereiche. Zudem werden<br />

zwei Containervollportalkräne die neuen<br />

Ladegleise und Umschlagflächen für Lkw<br />

sowie die bereits an der Südseite des Hafenbeckens<br />

vorhandenen Schiffsanlegestellen<br />

überspannen. Mit dem Bau des<br />

Terminals würden die Güterfernverkehrsmittel<br />

Eisenbahn und Binnenschiff<br />

weiter gestärkt, heißt es.<br />

Im Ergebnis einer Variantenuntersuchung<br />

hatte sich die Fläche des »Alten<br />

Hafens« auf der Südseite des Hafenbeckens<br />

als geeigneter Standort für das<br />

Vorhaben erwiesen. Alle baulichen Maßnahmen<br />

für das geplante KV-Terminal<br />

werden ausschließlich auf Grundstücken<br />

der SBO realisiert. Eingriffe in die vorhandenen<br />

Siedlungsgebiete, die Schutzgüter<br />

Natur und Landschaft sowie Boden-<br />

und Flächenverbrauch würden<br />

demnach durch diese Variante so gering<br />

wie möglich gehalten.<br />

Die drei sächsischen Häfen Dresden,<br />

Riesa und Torgau (SBO) hatten im vergangen<br />

knapp 2 Mio. t umgeschlagen.<br />

Der Containerumschlag im Hafen Riesa<br />

legte auf 33.748 TEU zu – ein Plus von<br />

1.109 TEU (+3,4%) gegenüber dem Jahr<br />

zuvor. Im Hafen Riesa bietet die SBO<br />

heute schon ganzheitliche logistische Lösungen<br />

für die angesiedelten Unternehmen<br />

und Kunden an. In der Containerservicehalle<br />

werden zahlreiche Leistungen<br />

rund um den Container durchgeführt.<br />

Das Portfolio reicht von Reparaturen,<br />

Reinigungen, Be-/Entlabelung<br />

bis hin zu Containerstauen und Kommissionierung<br />

sowie dem Handel und Verkauf<br />

von Containern.<br />

RD<br />

Binnenschifffahrt <strong>11</strong> | <strong>2024</strong><br />

37


WASSERSTRASSEN | HÄFEN<br />

»Schlagkräftiges Trio an der Spitze«<br />

Das Digitalisierungsprojekt RheinPorts stellt sich mit einer erweiterten Geschäftsführung<br />

neu auf. Mit einem neuen Trio an der Spitze soll die digitale Transformation der<br />

Binnenschifffahrt vorangetrieben werden<br />

Bei der »Pionierin bei der Digitalisierung<br />

der Binnenschifffahrt«, so die<br />

Selbstbeschreibung, arbeitet der bisherige<br />

Geschäftsführer Felix Harder (45)<br />

künftig zusammen mit Aurel Wernli (36)<br />

und Joachim Holstein (57).<br />

So soll die digitale Transformation der<br />

Binnenschifffahrt vorangetrieben werden,<br />

heißt es in einem Statement. Joachim<br />

Holstein ist Konzernbeauftragter<br />

Binnenschifffahrt beim Rheinports-<br />

Gesellschafter duisport, Aurel Wernli ist<br />

Projektleiter Digitalisierung bei den<br />

Schweizerischen Rheinhäfen.<br />

»Wir haben jetzt ein schlagkräftiges Trio<br />

an der Spitze von RheinPorts, mit dem wir<br />

künftig einige Knoten schneller fahren<br />

können, um unser Ziel zu erreichen: Die<br />

Binnenschifffahrt und die Häfen entlang<br />

des Rheins zu digitalisieren und einen gleichermaßen<br />

modernen wie nachhaltigen<br />

Standard zum Austausch von Daten einzuführen.<br />

Das ist die Basis für eine effiziente<br />

und nahtlos vernetzte Zukunft dieses<br />

Der bisherige RheinPorts-Geschäftsführer Felix Harder (l.) wird künftig zusammen mit Aurel Wernli<br />

und Joachim Holstein (r.) die digitale Transformation der Binnenschifffahrt vorantreiben<br />

© Rheinports<br />

Neben Lars Nennhaus, technischer Vorstand bei duisport (r.), und Martin Nusser, stellvertretender Direktor<br />

der Schweizerischen Rheinhäfen (l.), gehören Sandra Strohbücker (duisport) und Roland Blessinger<br />

(Schweizerische Rheinhäfen) dem Aufsichtsrat von RheinPorts an<br />

© RheinPorts<br />

wichtigen Verkehrsträgers«, sagte Aufsichtsrat<br />

Lars Nennhaus. Neben Nennhaus,<br />

technischer Vorstand bei duisport, und<br />

Martin Nusser, stellvertretender Direktor<br />

der Schweizerischen Rheinhäfen, gehören<br />

Sandra Strohbücker (duisport) und Roland<br />

Blessinger (Schweizerische Rheinhäfen)<br />

dem Aufsichtsrat von RheinPorts an.<br />

»Wir wollen mit der neu entwickelten,<br />

zukunftsorientierten, digitalen Infrastruktur<br />

dem Verkehrsträger Binnenschifffahrt<br />

sowie den Häfen einen entscheidenden<br />

Wettbewerbsvorteil bieten«,<br />

so Nusser.<br />

Kernprodukt von RheinPorts ist das RiverPorts<br />

Planning and Information System<br />

(RPIS), eine Internet-basierte Plattform,<br />

über die wesentliche Daten über<br />

Schiff, Ladung, Reiseverlauf und Löschplanung<br />

in Echtzeit zwischen den Binnenschiffsoperateuren,<br />

den Umschlagterminals,<br />

den Häfen und gegebenenfalls<br />

dem Zoll ausgetauscht werden. Das System<br />

ist bereits im Hafen Basel im Einsatz<br />

und wird bis zum Sommer 2025 auch im<br />

Duisburger Hafen eingeführt. <br />

38 Binnenschifffahrt <strong>11</strong> | <strong>2024</strong>


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WASSERSTRASSEN | HÄFEN<br />

© Garrelmann<br />

Blick auf den Neckar bei Heidelberg<br />

Das Aus für verlängerte Neckarschleusen<br />

Eigentlich sollten die 27 Staustufen zwischen Plochingen und Mannheim ausgebaut werden,<br />

das besagt eine Vereinbarung zwischen dem Bund und dem Land Baden-Württemberg.<br />

Doch das gilt jetzt nicht mehr. Von Hermann Garrelmann<br />

Fakt ist: Trotz der vor 21 Jahren abgeschlossenen<br />

Vereinbarung zwischen<br />

Berlin und Stuttgart wurde bislang keine<br />

einzige der 28 Neckarschleusen für 135 m<br />

lange Schiffe verlängert. Lediglich ein<br />

Planfeststellungsverfahren wurde durchlaufen.<br />

Der Kostenrahmen betrug ursprünglich<br />

575 Mio. €, der Ausbau sollte<br />

im Jahr 2025 abgeschlossen sein.<br />

Ein 2018 vorgelegter neuer Zeitplan<br />

sah dann den Ausbau der Schleusen bis<br />

Heilbronn im Jahr 2040 und bis Plochingen<br />

im Jahr 2050 vor. Noch vor zwei Jahren<br />

hatte Bundesverkehrsminister Volker<br />

Wissing betont, der Bund stehe zu der<br />

mit dem Land Baden-Württemberg geschlossenen<br />

Vereinbarung. Doch bereits<br />

2022 erhob er den Erhalt der Infrastruktur<br />

über einen Ausbau, nur um in<br />

diesem Jahr dann ganz auf den Stopp-<br />

Knopf für die geplanten Ausbaumaßnahmen<br />

zu drücken. Dabei war das Projekt<br />

im Bundesverkehrswegeplan 2030 und<br />

im Bundeswasserstraßenausbaugesetz als<br />

»vordringlicher Bedarf« eingestuft.<br />

Wegen der ablehnenden Haltung des<br />

Bundes hat nun auch das Land Baden-<br />

Württemberg entschieden, seine finanzielle<br />

Unterstützung einzustellen. All<br />

die Jahre waren Stellen bei der Bundesverwaltung<br />

finanziert worden. Entsprechend<br />

enttäuscht und verärgert reagierte<br />

jetzt der baden-württembergische<br />

Verkehrsminister Winfried Hermann<br />

(Grüne): »Es kann nicht sein, dass der<br />

Bund eine seit vielen Jahren bestehende<br />

Vereinbarung mit dem Land für die Verlängerung<br />

der Neckarschleusen jetzt mit<br />

fadenscheinigen und nicht nachvollziehbaren<br />

Erklärungen über den Haufen<br />

wirft.«<br />

Grünen-Fraktionschef Andreas<br />

Schwarz sieht »ein zentrales Projekt für<br />

eine der wichtigsten Lebensadern unserer<br />

Wirtschaftsregion« gefährdet. Er wirft<br />

Bundesverkehrsminister Wissing Flickschusterei<br />

vor. Dessen Verkehrspolitik sei<br />

rückwärtsgewandt und innovationsfeindlich<br />

und nehme dem Neckar seine<br />

Konkurrenzfähigkeit.<br />

Die Hafenbetreiber am Neckar können<br />

die Entscheidung ebenso wenig nachvollziehen,<br />

haben aber wie Gerhard Straub,<br />

Geschäftsführer des Hafens Plochingen,<br />

noch Hoffnung. »Es gibt nach wie vor gemeinsame<br />

Bestrebungen der Neckarund<br />

Rheinhäfen, den Ausbau der Schleusen<br />

weiter auf der Agenda zu behalten.«<br />

Die Hafenchefs würden gemeinsam auf<br />

das Ministerium zugehen, um zu verhindern,<br />

dass das Projekt aus dem Bundesverkehrswegeplan<br />

rausrutscht, bestätigt<br />

Straub. Daher gebe es noch eine<br />

Perspektive für 135-m-Schiffe auf dem<br />

Neckar.<br />

Dass die Mehrkosten als Begründung<br />

für einen Stopp des Ausbaus herhalten<br />

sollen, versteht der Hafenchef nicht: »Die<br />

Schleusen müssen ohnehin saniert werden.<br />

Die Mehrkosten für die Verlängerung<br />

werden auf 20 % bis 30 % geschätzt.<br />

Zudem, so Straub, sei davon auszugehen,<br />

dass die bisherigen Planungen,<br />

seit 2007 haben 20 Ingenieure daran gearbeitet,<br />

verwertbare Ergebnisse erbracht<br />

40 Binnenschifffahrt <strong>11</strong> | <strong>2024</strong>


WASSERSTRASSEN | HÄFEN<br />

© WSV<br />

hätten. »Man kann nicht 20 Jahre lang sagen,<br />

wir wollen das, und dann kommt<br />

plötzlich nichts mehr.«<br />

Eine eigens eingerichtete Bundesbehörde,<br />

das Wasserstraßen-Neubauamt<br />

in Heidelberg, arbeitet seit Jahren an den<br />

Planungen – allerdings mit überschaubarem<br />

Erfolg trotz ordentlicher Personalausstattung.<br />

Gerade einmal für eine der<br />

Schleusen liegt der sogenannte Planfeststellungsbeschluss,<br />

der der Baugenehmigung<br />

gleich kommt, vor. Allerdings<br />

ist er Gegenstand einer juristischen<br />

Auseinandersetzung und damit<br />

nicht rechtskräftig.<br />

»Mehr Verschleppen kann man ein<br />

Vorhaben nicht«, konstatierte Stuttgarts<br />

Hafenchef Carsten Strähle. Er bezweifelt<br />

zudem die bisher genannten Kosten von<br />

1,2 Mrd. € für den Schleusenausbau. Der<br />

Neckar müsse für längere Schiffe auch an<br />

einigen Stellen begradigt werden. Sonst<br />

sei der Fluss mit 135 m langen Schiffen<br />

nicht befahrbar.<br />

Für den CDU-Landtagsabgeordneten<br />

Peter Hauk, zugleich Minister für Ernährung,<br />

Ländlichen Raum und Verbraucherschutz,<br />

ist die aktuelle Entwicklung<br />

zum Neckar ein Armutszeugnis: »Es<br />

hat mir die Füße unter dem Boden weggerissen,<br />

dass der Bundesverkehrsminister<br />

die Ausbaupläne einseitig und<br />

kurzerhand abgeblasen hat«, so Hauk.<br />

Ein Verschieben um Jahrzehnte oder<br />

eine gar komplette Streichung der Ausbaupläne<br />

sei inakzeptabel und lasse<br />

Zweifel aufkommen, ob es die Bundesregierung<br />

mit der Verkehrsverlagerung<br />

und dem Erreichung der Klimaziele im<br />

Verkehrssektor ernst meine: »Dort, wo<br />

Schifffahrt möglich ist, sollte man sie<br />

doch entsprechend zukunftsfähig nutzen«,<br />

meint Hauk.<br />

Kritik kommt auch aus der Wirtschaft.<br />

Zwar sei die Entscheidung des Landes<br />

2021 wurde die linke Schleusenkammer in Aldingen für den Schiffsverkehr wieder freigegeben<br />

Rhein<br />

Mannheim<br />

1<br />

1 - Feudenheim<br />

2 - Schwabenheim<br />

3 - Heidelberg<br />

4 - Neckargemünd<br />

5 - Neckarsteinach<br />

6 - Hirschhorn<br />

7 - Rockenau<br />

8 - Guttenbach<br />

9 - Neckarzimmern<br />

10 - Gundelsheim<br />

<strong>11</strong> - Kochendorf<br />

12 - Heilbronn<br />

13 - Horkheim<br />

14 - Lauffen<br />

2<br />

3<br />

Neckar<br />

4<br />

5<br />

15 - Besigheim<br />

16 - Hessigheim<br />

17 - Pfeidelsheim<br />

18 - Marbach<br />

19 - Poppenweiler<br />

20 - Aldingen<br />

21 - Hofen<br />

22 - Cannstatt<br />

23 - Untertürkheim<br />

24 - Obertürkheim<br />

25 - Esslingen<br />

26 - Oberesslingen<br />

27 - Deizisau<br />

6 7<br />

Bundeswasserstraße<br />

Neckar<br />

8<br />

9<br />

Stuttgart<br />

10<br />

Neckar<br />

<strong>11</strong><br />

12<br />

13<br />

14<br />

15<br />

16<br />

17<br />

18<br />

19<br />

20<br />

21<br />

Jagst<br />

Kocher<br />

Heilbronn<br />

22<br />

23<br />

24<br />

25 26<br />

Rems<br />

Plochingen<br />

27<br />

Neckar<br />

zum Ausstieg aus der Mitfinanzierung<br />

folgerichtig, so Axel Nitschke, der Hauptgeschäftsführer<br />

der IHK Rhein-Neckar.<br />

Das Ergebnis sei aber ein Scherbenhaufen.<br />

»Die Unternehmen können nicht zuverlässig<br />

planen und der umweltfreundliche<br />

Transport großer Gütermengen auf<br />

dem Binnenschiff wird unattraktiver«,<br />

sagte Nitschke. Land und Bund müssten<br />

dringend einen Kompromiss finden.<br />

Für den Bundesverband der deutschen<br />

Binnenschifffahrt kritisiert BDB-<br />

Geschäftsführer Jens Schwanen die Entscheidung:<br />

»Damit wird nun auf unabsehbare<br />

Zeit eine wichtige Chance vertan,<br />

die Bundeswasserstraße Neckar für<br />

mehr umweltfreundlichen Gütertransport<br />

per Binnenschiff nutzen zu können.<br />

Ob es beim Schleusenausbau noch zu<br />

einem guten und versöhnlichen Ende<br />

kommen kann, ist derzeit mehr als offen.<br />

Bleibt es bei der jetzigen Situation, wäre<br />

der Neckar die einzige der großen Wasserstraßen<br />

in Deutschland, die nicht für<br />

135-m-Schiffe geeignet ist.<br />

<br />

Binnenschifffahrt <strong>11</strong> | <strong>2024</strong><br />

41


RECHT<br />

fremdes Schiffsseil gewesen, das sich im<br />

Propeller verfangen und aufgewickelt<br />

und beide Propeller des Backbordantriebes<br />

blockiert hätte.<br />

Mit dem angefochtenen Urteil wies das<br />

Erstgericht das Klagebegehren ab. Es traf<br />

dazu die auf den Seiten 1, 2 bis 4 der Urteilsausfertigung<br />

ersichtlichen Feststellungen,<br />

auf die verwiesen wird und die<br />

am Beginn der Entscheidungsgründe zusammengefasst<br />

wiedergegeben wurden.<br />

In rechtlicher Hinsicht führte das Erstgericht<br />

aus, dass das Beweisverfahren kein<br />

Verschulden des diensthabenden Kapitäns<br />

ergeben habe. Eine (analoge) Gefährdungshaftung<br />

scheide im Binnenschifffahrtsrecht<br />

aus …<br />

… Zur Verfahrensrüge (Auszug)<br />

2.3 Entgegen der Ansicht der Berufungswerberin<br />

ist die Zurückweisung des Vorbringens<br />

einer fehlenden Zulassung des<br />

Schiffs für die Donau bei gleichzeitiger<br />

Berufung auf eine Rheinzulassung (für<br />

die Fahrt auf dem Rhein von der offenen<br />

See bis Mannheim) nicht geeignet, einen<br />

nachteiligen Einfluss auf das Ergebnis<br />

des Verfahrens zu nehmen: Schiffe, die<br />

auf österreichischen Wasserstraßen wie<br />

der Donau fahren, bedürfen gem. § 100<br />

Bundesgesetz über die Binnenschifffahrt<br />

(Schifffahrtsgesetz – SchFG) einer Zulassung<br />

durch die Behörde. Schiffe, die<br />

über ein gemäß Artikel 22 der Revidierten<br />

Rheinschifffahrtsakte erteiltes gültiges<br />

Schiffsattest verfügen, benötigen<br />

gem. § 101 Abs 1 Z 1 iVm Abs 2 Z 1<br />

SchFG keine gesonderten (österreichische)<br />

Zulassung für die Schifffahrt auf<br />

der Donau. Artikel 22 Revidierte Rheinschifffahrtsakte<br />

vom 17.10.1868 lautet:<br />

Bevor ein Schiff seine erste Fahrt auf<br />

dem Rhein antritt, hat der Eigentümer<br />

oder Führer eine Bescheinigung über die<br />

Tauglichkeit und genügende Ausrüstung<br />

desselben für denjenigen Teil der Rheinschifffahrt,<br />

für welchen es bestimmt ist,<br />

zu erwirken. Die Bestimmung sieht somit<br />

auch auf Abschnitte des Rheins bezogene<br />

Zulassungen vor. Dass die von der<br />

Klägerin behauptete Zulassung der Verdi<br />

nur auf einen Teil des Rheins beschränkt<br />

ist, spielt für die Frage, ob sie auf der Donau<br />

unbeschränkt fahren darf, schon<br />

deshalb keine Rolle, weil § 101 Abs 1 Z 1<br />

iVm Abs 2 Z 1 SchFG nur auf eine gültige<br />

Zulassung nach Artikel 22 Revidierte<br />

Rheinschifffahrtsakte Bezug nimmt, also<br />

offensichtlich auch – wie hier – auf Abschnitte<br />

des Rheins bestimmte Zulassungen<br />

als ausreichend erachtet. Die für<br />

den Rhein geltende Beschränkung »von<br />

der offenen See bis Mannheim« könnte<br />

auf der Donau ohnehin nicht umgesetzt<br />

werden und würde ein allfälliger Verstoß<br />

gegen die Zulassungsvorschriften gern<br />

§ <strong>11</strong>4 SchFG eine Verwaltungsübertretung<br />

darstellen …<br />

Zur Rechtsrüge (Auszug)<br />

3.1.1 Der Zweitbeklagte ist aufgrund seiner<br />

Sorgfaltspflicht als Schiffsführer gemäß<br />

§ 7 SchFG verpflichtet, alle Vorsichtsmaßnahmen<br />

zu treffen, um ua Beschädigungen<br />

von Regulierungsbauwerken und<br />

Anlagen im Gewässer zu vermeiden.<br />

3.1.2 Die Klägerin behauptet in diesem<br />

Zusammenhang sekundäre Feststellungsmängel<br />

und begehrt erkennbar Zusatzfeststellungen<br />

zu nautischen Fehlern<br />

des Zweitbeklagten, die sich aus dem<br />

Gutachten des Sachverständigen P ergäben<br />

und zu einer stattgebenden Entscheidung<br />

geführt hätten: (i) zu hohe Geschwindigkeit<br />

für den Fahrtkurs bei der<br />

Einfahrt in den Vorhafen, (ii) ungünstige<br />

Ausrichtung der Propeller gegeneinander,<br />

(iii) Bremsverzögerung durch Aufsuchen<br />

der anderen Steuerstände (Steuerhaus<br />

und Backbord-Außenfahrstand) und<br />

(iv) Reaktionsverzögerung von 27 Sekunden<br />

bzw. 90 m auf die Kursabweichung.<br />

3.1.3 Zunächst ist auf die Ausführungen<br />

in der Tatsachenrüge zu verweisen, dass<br />

die Schlüsse des Sachverständigen P auf<br />

den DoRIS/AIS-Daten beruhen, diese<br />

aber nicht verlässlich sind und daher keine<br />

Grundlage für die gewünschten Feststellungen<br />

bilden können …<br />

Einschub: Urteilsbegründung erster Instanz<br />

d. Red.<br />

Der Sachverständige Kapitän G wurde im<br />

Verklarungsverfahren beauftragt die AIS<br />

– Daten des FGKS Verdi auszuwerten und<br />

verständlich darzustellen. Daraus geht<br />

hervor, dass am Bild nur die Position der<br />

Antenne als AIS Position des Schiffes dargestellt<br />

wird, da das FGKS Verdi nicht<br />

über eine Ausrüstung zur Übermittlung<br />

und Übertragung der Schiffslängsachse =<br />

»Heading« verfügt. Dieses Positionsecho<br />

lässt keine Rückschlüsse auf die Abmessungen<br />

des Fahrzeuges und auf dessen<br />

Fahrtrichtung zu. Dem AIS System ist eine<br />

elektronische Wasserstraßenkarte zugrunde<br />

gelegt. Bei gewissen Positionsnummern<br />

ändert sich die Darstellung (z.B<br />

vom 800 m auf den 400 m und dann auf<br />

den 200 m Bereich). Bei der Umstellung<br />

des Anzeigemaßstabes werden die AIS<br />

Meldungen sofort im neuen Maßstab angezeigt,<br />

die elektronische Wasserstraßenkarte<br />

braucht für die Maßstabsumstellung<br />

länger, dadurch werden die AIS Positionsmeldungen<br />

in diesem Moment<br />

nicht an der richtigen Kartenposition angezeigt.<br />

Diese »Sprünge« sind systembedingt<br />

(S 5 des zitierten Befundes Kapitän<br />

G). Kapitän G kommt zum Schluss, dass<br />

der AIS Track der Verdi keine Auffälligkeiten<br />

zeigt. Er führt aus, dass im Schleusenvorhafen<br />

der AIS Kursverlauf »das Verhalten<br />

einer Einfahrt in die linke Schleusenkammer«<br />

zeige, was sich mit der Aussage<br />

des Zweitbeklagten »es habe ihn nach<br />

links gezogen«, deckt. Die oben angeführten<br />

Unsicherheiten bei der Bestimmung<br />

der genauen Position des Schiffes lassen<br />

gerade im begrenzten Vorhafen- und<br />

Schleusenbereich keinen anderen<br />

Schluss zu, als den, dass das Seil bereits<br />

den Kurs zur »falschen« Schleusenkammer<br />

verursacht hat. Für den angedeuteten<br />

Schluss, der Kapitän habe die linke<br />

Schleusenkammer (irrtümlich/absichtlich)<br />

angesteuert, gibt es keinerlei Beweisergebnisse.<br />

Der Sachverständige Kapitän P<br />

führt aus, dass die Trackinglinie des AIS<br />

Transponders den Kurs nur dann darstellt,<br />

wenn dieses sich stetig und möglichst<br />

auf geradem Kurs fortbewegt. Die<br />

seitliche Abdrift könne nicht bildlich dargestellt<br />

werden. Weitere Unsicherheiten<br />

ergeben sich aus allfälligen Ausfällen der<br />

Signale. Wie der Sachverständige selbst<br />

anführt, ist eine numerische Simulation<br />

einer Schleuseneinfahrt äußerst komplex<br />

und auf Grund unbekannter Parameter<br />

angreifbar.<br />

Auf Grund der Ungenauigkeiten der AIS<br />

Daten – auf denen auch die Geschwindigkeitsberechnungen,<br />

die Positionsberechnungen<br />

und die Fahrtroutenberechnungen<br />

des Sachverständigen beruhen –<br />

konnten die genauen Geschwindigkeiten<br />

des FGKS Verdi im Vorhafen und vor der<br />

Havarie nicht festgestellt werden. Der<br />

Sachverständige führt auf Seite 39 seines<br />

Gutachtens aus, die Dauer der Reaktionen<br />

des Kapitäns nach Erkennen des Ausfalls<br />

des Ruderpropellers ließen sich nicht<br />

eingrenzen. Letztendlich gibt der Sachverständige<br />

aber an, die Einfahrtgeschwindigkeit<br />

in den Vorhafen war in der Erwartung,<br />

zwei funktionierende Propeller zu<br />

haben ok.<br />

Ende Einfügung d. Red.<br />

Weiters steht unbekämpft fest, dass der<br />

technische Zustand des Schiffs vor der Havarie<br />

einwandfrei war, man das Schiff bei<br />

dem gewählten Kurs und der gewählten<br />

Geschwindigkeit mit zwei funktionierenden<br />

Propellern vor der Havarie hätte stoppen<br />

können und dass der Zweitbeklagte<br />

mit zwei funktionierenden Propellern die<br />

Havarie hätte verhindern können …<br />

3.2.1 Die Klägerin hat die schadenersatzrechtliche<br />

Haftung auch auf eine rechtsgeschäftliche<br />

Sonderbeziehung der<br />

Streitteile zueinander durch die Anmeldung<br />

des Zweitbeklagten zur Schleusung<br />

und die Freigabe der rechten Schleusenkammer<br />

für die Verdi berufen.<br />

3.2.2 In Wahrnehmung der Aufgaben der<br />

Bundes-Wasserstraßenverwaltung gemäß<br />

§ 4 Abs 1 iVm 10 Abs 2 Z 1 Wasserstraßengesetz<br />

(WaStG) kümmert sich viadonau<br />

ua um die Verkehrsregelung bei<br />

den Schleusen auf den österreichischen<br />

(Sammlung Seite 2907)<br />

Binnenschifffahrt <strong>11</strong> | <strong>2024</strong><br />

43


RECHT<br />

Wasserstraßen als hoheitliche Aufgabe<br />

des Bundes. Während sie die Schleusenaufsicht<br />

ausüben, sind Bedienstete der<br />

gemäß § 38 Abs 8 SchFG betrauten Unternehmen<br />

Hilfsorgane der Organe der<br />

Schifffahrtsaufsicht. Daraus folgt, dass<br />

die Schleusenaufsichtsorgane keine<br />

Dienstnehmer der Klägerin sind und<br />

durch die Verkehrsregelung in den<br />

Schleusen allenfalls eine rechtliche Sonderbeziehung<br />

zur Republik Österreich,<br />

nicht jedoch zur Klägerin zu Stande<br />

kommt.<br />

Die Negativfeststellung, wonach ein aktives<br />

– irrtümliches – Ansteuern der linken<br />

Schleusenkammer durch den Zweitbeklagten<br />

nicht festgestellt werden könne,<br />

bewirkt, dass nicht nur kein Verschulden,<br />

sondern auch kein rechtswidriger, kausaler<br />

Pflichtverstoß des Zweitbeklagten<br />

nachgewiesen werden konnte. Auf die<br />

Frage, ob § 1298 ABGB im Verhältnis der<br />

Streitteile zur Anwendung gelangt,<br />

kommt es daher nicht an, da die Beweislastumkehr<br />

für das Verschulden nur<br />

greift, wenn der Geschädigte zunächst<br />

beweist, dass der Schädiger objektiv seine<br />

Pflicht nicht erfüllt hat (RS0026290).<br />

3.3 Hier hat das Beweisverfahren ergeben,<br />

dass das Fahren am linken Ufer<br />

oberhalb der Schleuse nautisch geboten,<br />

die Einfahrtsgeschwindigkeit in den Vorhafen<br />

nautisch richtig war und es möglich<br />

gewesen wäre, das Schiff beim gewählten<br />

Kurs und der gewählten Geschwindigkeit<br />

mit zwei funktionierenden Propellern<br />

des linken Schottelantriebs zu stoppen<br />

und die Havarie dann ausgeblieben<br />

wäre. Der Grund für den Ausfall der Propeller<br />

des linken Schottelantriebs lag an<br />

einem nicht vom Schiff stammenden Seil,<br />

das sich verfangen und die Propeller blockiert<br />

hatte, was zu einer Zerstörung der<br />

backbordseitigen Kupplung führte und<br />

Ursache für das Abdriften (»den Schlenker«)<br />

zur linken Schleusenkammer war.<br />

Da es weder Vorbringen noch Beweisergebnisse<br />

dazu gibt, dass das Seil für den<br />

Zweitbeklagten erkennbar gewesen wäre<br />

und er das Verheddern hätte verhindern<br />

können, ist das Erstgericht zu Recht davon<br />

ausgegangen, dass der Schadenseintritt<br />

unvermeidbar war und den Zweitbeklagten<br />

kein Verschulden trifft, sodass<br />

auch die Erstbeklagte als Schiffseigner<br />

nicht haftet, da diese gem § 4 Abs 1 Binn-<br />

SchiffG nur eine adjektizische, vom Verschulden<br />

des Schiffsführers abhängige<br />

Haftung, trifft.<br />

4. Der Berufung war daher nicht Folge zu<br />

geben …<br />

6. Die ordentliche Revision war nicht zuzulassen,<br />

weil hier keine erhebliche<br />

Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO<br />

zu beantworten war.<br />

Mitgeteilt durch Rechtsanwalt<br />

Hon-Prof. Dr. Peter Csoklich, Wien<br />

<br />

<br />

<br />

<br />

<br />

<br />

<br />

<br />

<br />

<br />

44 Fortsetzung unter www.binnenschifffahrt-online.de Binnenschifffahrt <strong>11</strong> | <strong>2024</strong><br />

bis Sammlung S. 2912<br />

(Sammlung Seite 2908)


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BDS<br />

Bundesverband der Selbständigen Abteilung Binnenschiffahrt e. V.<br />

Vertreten durch den Vorsitzenden Torsten Stuntz, MS »Stella Maris« und die stellvertretenden<br />

Vorsitzenden Nikolaus Hohenbild, Detlef Maiwald, Stephen Mnich, Gebr. Mnich OHG<br />

Geschäftsstelle und Schriftleitung: Dirk-Uwe Klaas, Sekretariat Birgit Kühn<br />

August-Bier-Str. 18 | 53129 Bonn | Tel. 0228 / 746377 | Fax 0228 / 746569 | zentrale@bds-binnenschiffahrt.de<br />

Familienfeier der Binnenschiffer im BDS<br />

Torsten Stuntz überreicht Willi Westphal das<br />

Steuerrad des BDS<br />

Das war eine Veranstaltung von besonderer<br />

Art und Güte. Die diesjährige Familienfeier<br />

der Binnenschiffer im BDS Ende<br />

Oktober fand auf historischem Grund<br />

statt: Der Raddampfer »Kaiser Wilhelm«,<br />

1900 von der Dresdner Maschinenbau<br />

und Schiffswerft AG auf Kiel gelegt, war<br />

die passende Kulisse für die Teilnehmer<br />

der Generalversammlung.<br />

Gastgeber Markus Reich hat dieses einmalige<br />

Erlebnis möglich gemacht – als<br />

Vorsitzender des Vereins zur Förderung<br />

des Lauenburger Elbschifffahrtvereins ist<br />

er hierfür prädestiniert.<br />

70 Jahre fuhr die »Kaiser Wilhelm« auf<br />

der Weser, heute schippert sie bei Lauenburg<br />

über die Elbe. Etwa 150 kg Kohle<br />

muss der Heizer pro Stunde in den Kessel<br />

des weltweit letzten kohlebefeuerten<br />

Schaufelraddampfers schaufeln. Auch<br />

das interaktive Elbschifffahrtsmuseum in<br />

Lauenburg ist für einen Besuch zu empfehlen.<br />

Es gibt einen historischen Einblick<br />

in die faszinierende Welt der Elbschifffahrt.<br />

BDS-Vorsitzender Torsten Stuntz freute<br />

sich über die zahlreich erschienenen<br />

Mitglieder und eröffnete – nach der besonderen<br />

Ehrung von Willi Westphal für<br />

über 25 Jahre ehrenamtliche Tätigkeit im<br />

Vorstand des BDS mit einem Steuerrad –<br />

die Diskussion zu branchenspezifischen<br />

Themen.<br />

Kritik fand die Entscheidung von<br />

BMDV und GDWS, einige Risikostrecken<br />

freizugeben. Der BDS hatte seine<br />

Bedenken gegen eine weitgehende Freigabe<br />

bisheriger Risikostrecken gegenüber<br />

dem Ministerium deutlich vorgetragen.<br />

Andersgelagerte Interessen wurden jedoch<br />

höher bewertet als unser Hinweis<br />

auf zunehmende Gefahren bei fehlender<br />

Streckenkunde.<br />

Unverständnis bestand auch darüber,<br />

dass für die NOK-Passage im Zeitalter<br />

der Digitalisierung immer noch das persönliche<br />

Abgeben der Anmeldeformulare<br />

erforderlich ist. Was<br />

während der Corona-Pandemie funktionierte,<br />

wird jetzt wieder zurückgedreht.<br />

Es ist dringend zu hoffen, dass<br />

das Digitalisierungsdefizit der GDWS<br />

schnellstmöglich abgearbeitet wird. Die<br />

Holländer zeigen mit BICS, dass und wie<br />

die mittelalterlich anmutende händische<br />

Anmeldung auch an den Schleusen effizient<br />

digital umgesetzt werden kann.<br />

Hoffen wir, dass die GDWS im Rahmen<br />

der abgeschlossenen Organisationsuntersuchung<br />

zeitnah die Digitalisierung<br />

vorantreibt – zumal in diesem Bereich<br />

bereits erprobte Lösungen zur Verfügung<br />

stehen.<br />

© BDS<br />

Kritik an Abschaffung der SUK<br />

Kursierende Spekulationen darüber, dass<br />

eine Privatisierung der SUK Arbeit durch<br />

Auslagerung an Klassifikationsgesellschaften<br />

erfolgen soll, wurden in einer<br />

Reihe mit Bestrebungen der GDWS gewertet,<br />

möglichst viel Arbeit und Themen<br />

auszulagern. Das gegenwärtige Verfahren,<br />

wonach die GDWS über ihre Abteilung<br />

technische Schiffssicherheit diese<br />

Kommissionen ggf. unter Einschaltung<br />

externer Sachverständiger leitet, ist in der<br />

Praxis bewährt, erfolgreich und daher<br />

beizubehalten. Zurecht wird befürchtet,<br />

dass höhere Kosten und längere Wartezeiten<br />

durch die Auslagerung auf das Gewerbe<br />

zukommen würden.<br />

Themen wie Schließung und nicht<br />

durchgehende Öffnung von Schleusen<br />

sowie weitere Beeinträchtigungen wie<br />

fehlende Liege- und Ankerplätze rundeten<br />

die lebhafte Mitgliederversammlung<br />

ab. Der familiäre Zusammenhalt und gesellige<br />

Austausch kam beim gemeinsamen<br />

Abendessen nicht zu kurz. Die<br />

nächste Mitgliederversammlung wird am<br />

31. Oktober 2025 stattfinden. <br />

© BDS<br />

50 Binnenschifffahrt <strong>11</strong> | <strong>2024</strong>


IMPRESSUM<br />

Fortführung der<br />

Binnenschiffahrt<br />

und Wasserstraßen<br />

Zeitschrift für Binnenschiffahrt und Wasserstraßen<br />

(© Verein für Binnenschiffahrt und Wasserstraßen e.V.) im 130. Jahrgang<br />

Die Binnenschifffahrt ist offizielles Organ und Mitteilungsblatt für:<br />

Berufsgenossenschaft für Fahrzeughaltungen, Hamburg<br />

Deutscher Fähr-Verband, Rüdesheim<br />

Deutscher Wasserstraßen- und Schifffahrtsverein Rhein-Main-Do nau e.V., Nürnberg<br />

Europäische Binnenschifffahrts-Union, Brüssel, Rotterdam<br />

Hafenschifffahrtsverband Hamburg e.V., Hamburg<br />

Moselkommission, Trier<br />

Permanent International Association of Navigation Congresses (PIANC)<br />

Verein für europäische Binnenschiffahrt und Was ser stra ßen e.V., Duisburg<br />

Zentralkommission für die Rheinschifffahrt, Straßburg<br />

Inserentenverzeichnis | Index of Advertisers<br />

DRV Deutscher Ruderverband ............................................................. 49<br />

DTG Deutsche Transport-Genossenschaft Binnenschiffahrt eG .... 21<br />

GEFO Gesellschaft für Öltransporte mbH ........................................... 7<br />

Greenpeace ............................................................................................. 44<br />

Hoyer Marine GmbH ............................................................................ 25<br />

Hülskens Wasserbau GmbH & Co. KG .............................................. 39<br />

IMES GmbH ....................................................................................... Titel<br />

Kadlec & Brödlin GmbH ...................................................................... 19<br />

Maximilian Verlag GmbH & Co. KG ....................................... U2, 8, 18<br />

REINTJES GmbH .................................................................................. 27<br />

Scheer Fotografie ................................................................................... 48<br />

Schiffahrts-Verlag »Hansa« GmbH & Co. KG ................................... U4<br />

Schiffswerft Bolle GmbH Derben ........................................................ 26<br />

schwarz technik Gesellschaft für<br />

Kommunikation und Navigation mbH ................................................ 3<br />

SLL Handelsvertretung e. K. ................................................................. 29<br />

Volvo Penta Central Europe GmbH .................................................... 23<br />

Werft Malz GmbH ................................................................................... 6<br />

Wessels GmbH Tischlerei und Alubau ................................................. 6<br />

Wittig GmbH ............................................................................................ 5<br />

Das Anzeigenverzeichnis dient der Leserorientierung.<br />

Es ist kein Bestandteil des Anzeigenauftrags. Der Verlag übernimmt<br />

keine Gewähr für Richtigkeit und Vollständigkeit.<br />

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Herausgeber<br />

Prof. Peter Tamm †<br />

Patricia Erb-Korn (Präsidentin), Verein für europäische<br />

Binnenschiffahrt und Was ser stra ßen e.V.,<br />

Geschäftsführung<br />

Peter Tamm<br />

Redaktion<br />

Chefredakteur: Krischan Förster (KF)<br />

Tel. +49 (0)40 70 70 80-206 | k.foerster@hansa-online.de<br />

Redakteur: Jannik Westerkamp (jw)<br />

Tel. +49 (0)40 70 70 80-205 | j.westerkamp@hansa-online.de<br />

Redakteurin: Anna Wroblewski (AW)<br />

Tel. +49 (0)40 70 70 80-209 | a.wroblewski@hansa-online.de<br />

Hermann Garrelmann (ga, Norddeutschland, Niederlande)<br />

Martin Schwarzott (mas, Main, MDK, Donau)<br />

Ulrich Pfaffenberger (upf, süddeutsche Seen, Schweiz)<br />

Josef Müller (jom, Österreich)<br />

Rechtsanwalt Dr. Martin Fischer (Fi, Recht)<br />

Redaktionsbeirat<br />

Patricia Erb-Korn, Geschäftsführerin KVVH in Karlsruhe,<br />

Präsidentin des Vereins für europäische Binnenschifffahrt und Wasserstraßen e.V.;<br />

Marcel Lohbeck, Geschäftsführer des Vereins für europäische Binnenschiffahrt und<br />

Wasserstraßen e.V., Duisburg;<br />

Rechtsanwalt Jens Schwanen, Sprecher der<br />

Geschäftsführung des Bundesverbandes der Deutschen<br />

Binnenschiffahrt e.V.;<br />

Dipl.-Ing. Joachim Zöllner, Entwicklungs zentrum für Schiffstechnik<br />

und Transport systeme e.V. Duisburg (DST), Duisburg.<br />

Redaktionsvorbehalt<br />

Alle Rechte, insbesondere das Recht der Vervielfältigung und Verbreitung sowie der Übersetzung<br />

vorbehalten. Kein Teil der Zeitschrift darf in irgendeiner Form (durch Fotokopie, Mikrofilm<br />

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Namentlich gekennzeichnete Beiträge geben nicht unbedingt die Meinung von Herausgeber,<br />

Redaktion oder Verlag wieder. Die Redaktion behält sich Änderungen an den Manuskripten<br />

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