FOCUS_2024-50
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AUSGABE 50 6. Dezember 2024 € 5,20 EUROPEAN MAGAZINE AWARD WINNER 2024 /// ADC GRAND PRIX 2024
Pflichtjahr für
Deutschland
Wehrdienst, Pflege,
Soziales: Braucht unser
Land das wirklich?
Das Modell
Javier Milei
Taugt seine liberale
Radikalität als
Vorbild für die FDP?
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Raus aus der Perfektionsfalle:
So vermeiden Sie zu hohe Belastung und Burnout
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„Nur mit Wissen und
Erfahrung kann ich
vorausschauend handeln.“
Elisabeth Pähtz | Schachgroßmeisterin
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EDITORIAL
Milei-Mania?
Vor einem Jahr wurde der Rambo-Liberale
Javier Milei Argentiniens Präsident.
Warum findet FDP-Chef Christian Lindner,
Deutschland sollte ein „bisschen mehr Milei“
wagen? Lesen Sie ab Seite 44, was der
Argentinier zerstört hat – und was erreicht
Liebe Leserinnen, liebe Leser,
Fotos: Sigrid Reinichs für FOCUS-Magazin, Ciaran McCrickard
Franziska Reich, Chefredakteurin
Der gute Herr Steinmeier ist ja
eher ein Präsident von trauriger
Gestalt. Belanglose Bürgergespräche.
Döner-Scham
in Istanbul. Kein Reiz, kein
Charme, kein Thema. Am
vergangenen Dienstag aber
krallte sich das Staatsoberhaupt bei einer
Veranstaltung in Berlin ein Thema, das
das Land seit einiger Zeit in Wallung
bringt: das Pflichtjahr. Ein Jahr für die
Gemeinschaft – in Sozialeinrichtungen
oder Bundeswehr. Ein Jahr der gesellschaftlichen
Verantwortung für Männer
und Frauen. „Die soziale Pflichtzeit führt
dazu, dass wir uns mindestens einmal im
Leben anderen Menschen widmen, mit
denen wir im Alltag wenig zu tun haben“,
sagte Steinmeier und berief sich auf einen
großen Denker. Den US-amerikanischen
Politologen Francis Fukuyama interpretierte
er mit den Worten: „Damit individuelle
Freiheit für alle lebbar ist, braucht sie
gesellschaftliche Bindungen, sie braucht
Menschen, die Verantwortung füreinander
übernehmen, weil sie das Menschsein
des Gegenübers erkennen und bereit sind,
dafür einzustehen.“
Am Abend fragte ich zu Hause die Jugend:
„Ein Jahr Bundeswehr oder Altenheim
– eine gute Idee?“
Eine Auswahl der Antworten:
„End-irre!“
„Und was ist mit meiner Freiheit?“
„Dann amputier ich mir ein Bein!“
Der einst normale gesellschaftliche
Dienst scheint heute wie der verrückte
Anschlag eines autoritären Staates.
Es war im Jahr 2011, als, nach 55 Jahren,
die Wehrpflicht ausgesetzt und damit
Hunderttausende aus der Verpflichtung
gegenüber der Gesellschaft entlassen
wurden. Rund 750000 Menschen gehören
zu einem Jahrgang. Fast zehn Millionen
hätten seither ihren Dienst für dieses Land
tun können. Doch die Welt schien friedlich.
Die Jugend sollte schneller in Jobs
gebracht, die Bundeswehr geschrumpft
und zur Berufsarmee umgebaut werden.
Günstiger, effizienter, hurra. Das Ende der
Wehrpflicht wurde – obwohl unter einer
CDU-Kanzlerin exekutiert – nur in Unionskreisen
bedauert, der Rest der Republik
freute sich über Freiheit, Party und den
Pyrrhussieg pazifistischer Träume.
Heute kann die Bundeswehr mehr als
20 000 Dienstposten nicht besetzen, im
zivilen Leben fehlen Pflege- und Kita-
Kräfte. Doch im Report meiner Kollegen
ab Seite 30 geht es weniger um den Mangel
an Arbeitskräften als um grundlegende
Fragen: Was kann die Gesellschaft gewinnen,
wenn jeder junge Mensch ein Jahr
„Früher war der Pflichtdienst
normal, heute
scheint er der Jugend irre“
ihrem Zusammenhalt widmet? Wie verändert
sich sein Bewusstsein, wenn er ein
Jahr lang in die Wirklichkeit einer bettlägerigen
Frau blickt? Oder Waffen putzt
und Nachtmärsche durchsteht?
Union, SPD und Grüne haben unterschiedliche
Konzepte, doch es eint sie die
Einsicht, dass die Debatte geführt werden
muss. Die nächste Bundesregierung hat
schon bald die Chance, sich auf ein neues
Füreinander zu verständigen.
Denn vielleicht braucht unsere Demokratie
gerade jetzt diese Brücken zwischen
Generationen und Gruppierungen dringender
denn je. In Zeiten unversöhnlicher Egoismen
sollten mehr Menschen das Glück
erleben, Verantwortung zu übernehmen.
Für die alltäglichen Herausforderungen
all jener, die Unterstützung brauchen. Für
Frieden und Sicherheit dieses Landes.
Herzlich Ihre
FOCUS 50/2024 3
Hartes Schicksal
Junge Überlebende
aus Gaza und ihre
Kriegsverletzungen
Seite 24
Hart wie Stein
Fünf Jahre danach
wird Notre-Dame
wieder eingeweiht
Seite 18
Harte Schule
Das legendäre
„Tantris“ hat einen
jungen Koch
Seite 86
Hardliner
Bricht unter
Donald Trump
ein Handelskrieg
aus?
Seite 48
Harter Sparkurs
Wachsende
Popularität:
Präsident
Javier Milei
Seite 44
Weiches Licht Noch keine Geschenkideen? Lassen Sie sich inspirieren! Seite 92
4 FOCUS 50/2024
INHALT NR. 50 | 6. DEZEMBER 2024
Titelthema
44 Das Jahr der Kettensäge
Mit unorthodoxen Methoden unterzieht
Präsident Javier Milei sein Land einer
Schocktherapie, die auch Politikern in
Deutschland gefällt. Aber wirkt sie denn?
Wissen
71 Leben auf dem Mars
Kilometer unter der Oberfläche des Planeten
könnten Methan-Bakterien existieren
Titel: Illustration: Moor Studio/iStock
60 Dem Burnout entgehen
Rechtzeitig Strategien gegen Überforderung
entwickeln: wie Sie merken, dass Sie
auf das Erschöpfungssyndrom zusteuern
63 Stress für die Seele
Von fehlender Anerkennung und mangelnder
Fairness: was vor den sechs größten
Belastungen am Arbeitsplatz schützen kann
66 „Auch Busfahrer fallen mir auf“
Facharzt Gernot Langs nennt besonders
gefährdete Berufe und beschreibt die Grenze
zwischen Burnout und Depression
Agenda
24 Out of Gaza
Die Fotojournalistin Samar Abu Elouf
hat Überlebende aus dem Gazastreifen
in Katar getroffen
Politik
30 Ein Jahr für Deutschland
Der Bundeswehr fehlen Soldaten, den
Kitas Betreuer, der Pflege die Helfer.
Also: Wer packt an? Wie die Debatte über
einen Pflichtdienst das Land aufwühlt
47 Sie sagen jetzt, wo’s langgeht
Misstrauensvotum gegen die
Regierung: warum Frankreich nun das
politische Chaos droht
Wirtschaft
48 Countdown zum Handelskrieg
Trump droht mit Zöllen, während sich
US-Konzerne in Europa um Steuern drücken.
Der Unmut wächst
54 „Die Energiewende ist zu teuer“
Der Chef des Energiekonzerns EnBW,
Georg Stamatelopoulos, fürchtet
wachsende Proteste im Volk und fordert
mehr Markt in der Energiepolitik
58 Geldmarkt
Viel zu hart
Die Zahl der Burnout-Fälle in
Deutschland nimmt stetig zu
Seite 60
Kultur
72 „Der Name dieses Landes ist Hölle“
Jedes Jahr im November kommen Literatur-
Aficionados im mexikanischen Cuernavaca
zusammen, um Malcolm Lowry und seinem
Roman „Unter dem Vulkan“ zu huldigen
78 Schauen wir mal
Keine Zeit fürs Kino gehabt? Oder vom
Angebot der Plattformen überfordert?
FOCUS kürt die zehn besten Filme und
Serien des Jahres zum Streamen
Leben
86 Le Créateur
Im „Tantris“ in München schrieben Sterneköche
wie Eckart Witzigmann deutsche
Gourmetgeschichte. Benjamin Chmura hat
nun ein neues Kapitel hinzugefügt
92 Dann schenk mal schön!
Wer angemessen beschenken möchte,
sollte früh mit dem Brainstorming
beginnen. Unsere 24 Geschenkideen
für Sie könnten dabei helfen, das Richtige
zu finden
96 Fahre lieber ungewöhnlich
Der Nissan Qashqai e-Power befriedigt
viele Bedürfnisse: Sein Kombi-Antrieb
bietet elektrotypischen Antritt, aber auch
eine hohe Reichweite
Fotos: Petit Tesson, Agustin Marcarian/beide REUTERS, Samar Abu Elouf,
Evan Vucci/dpa, Jörg Lehmann Illustration: Jannik Stegen
38 Sprache wie in der Männerumkleide
Die FDP-Politikerin Susanne Seehofer
kritisiert den Umgang ihrer Partei mit dem
Ampel-Aus. Und wünscht sich eine ernsthafte
Debatte über die Zukunft des Landes
40 „Kein Feigenblatt“
Er ist das neue soziale Gewissen der CDU.
Dennis Radtke über Schmutzkampagnen,
falsche Wortwahl bei der Union – und
wofür er Friedrich Merz dankbar ist
42 Der andere Trump
Seine Nahostpolitik könnte dem künftigen
US-Präsidenten einen Platz
in der Geschichte sichern, mit dem er
nicht gerechnet hat
3 Editorial
8 Kolumne von
Jan Fleischhauer
11 Nachrichten
12 Fotos der Woche
18 Grafik der Woche
Notre-Dame
20 Menschen
70 Praxisnah
Rubriken
Titelthemen sind rot markiert
98 Die Einflussreichen
100 Leserbriefe
102 Nachrufe
104 Impressum
104 Servicenummern
106 Tagebuch
FOCUS 50/2024
5
WIR ENTWICKELN AUTOS,
DIE SICH WEITERENTWICKELN.
WIR ENTWICKELN FAHRZEUGE WIE DIE E-KLASSE, DIE SICH MIT IHNEN
WEITERENTWICKELN. DURCH UNSER ZERO-LAYER-KONZEPT UND DIE
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SERVICESTATIONEN ZU IHRER VERFÜGUNG.
FÜR IHREN KOMFORT.
BECAUSE IT’S MERCEDES-BENZ.
JAN FLEISCHHAUER
Der schwarze Kanal
Tricksen und
täuschen
Deutschland dürfe nicht von Leuten regiert
werden, die die Öffentlichkeit betrügerisch an
der Nase herumführten, sagt die SPD. Okay,
einverstanden. Aber warum ist dann Karl
Lauterbach noch im Amt?
Nach der Veröffentlichung des sogenannten
„D-Day“-Papiers war in den vergangenen
Tagen viel von Täuschung die Rede. Es fielen
Worte wie „ehrlos“ und „charakterlos“.
Vor allem die SPD tat sich mit Vorwürfen
hervor. „Deutschland darf nicht von Leuten
regiert werden, die derart verantwortungslos
und betrügerisch die Öffentlichkeit an der Nase herumführen“,
erklärte der SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich.
Wer so spricht, legt an sich selbst hohe Maßstäbe an,
muss man vermuten. Nur, wie verträgt es sich mit den hehren
Ansprüchen, wenn ausgerechnet die SPD an führender
Stelle einen Mann in ihren Reihen hat, der über Wochen
und Monate die Leute an der Nase herumführte? Der ihnen
weiß machte, sie schwebten alle in großer Gefahr, obwohl es
dafür keine wissenschaftliche Begründung mehr gab?
Ein Täuscher und Trickser auf einem wichtigen Kabinettsposten?
Nein, das gibt es doch bei der ehrenwerten SPD
nicht! So etwas ist mit dem anständigen Herrn Mützenich
nicht zu machen, diesem Garanten für Lauterkeit und Ehrlichkeit
in der Politik.
Oder etwa doch?
Doch, es geht, wie sich zeigt. Wir
haben das sogar schwarz auf weiß.
Die „Süddeutsche Zeitung“ und
der WDR haben einen Mailverkehr
zwischen dem Gesundheitsministerium
und dem Robert Koch-Institut
(RKI) ausgewertet, aus dem hervorgeht,
wie Karl Lauterbach im Frühjahr
2022 gegen wissenschaftlichen
Rat weiter Angst und Schrecken
verbreitete.
Die neue Variante des Corona-
Virus verlief sehr viel weniger tödlich,
die Experten im RKI wollten
»
Eine Pandemie der
Ungeimpften hat es nie gegeben,
sie war eine Erfindung
der Politik. Warum dann aber
eine Pflegehelferin entlassen,
weil sie sich nicht
impfen lassen wollte?
«
deshalb die Risikobewertung von „sehr hoch“ auf „hoch“
herabsetzen. Aber das war mit Lauterbach, der auf das politische
Weisungsrecht bestand, nicht zu machen. Die Herabstufung
der Risiko-Bewertung sei „das falsche Signal“,
schrieb der Gesundheitsminister im Februar an den damaligen
RKI-Chef Lothar Wieler.
Auch im März und April sah Lauterbach keinen Grund,
die Risikobewertung der Lage anzupassen, trotz immer
flehentlicher Appelle der Wissenschaftler. Dänemark, Norwegen,
die Schweiz: Alle hatten im Frühjahr die Maßnahmen
gelockert oder ganz aufgehoben. Nur in Deutschland
galt Corona weiter als todbringende Seuche, die keine Kompromisse
erlaubte.
Wäre man Zyniker, würde man sagen, so hat Lauterbach
sich seinen Platz in den deutschen Talkshows gesichert. Ein
Gesundheitsminister ohne Pandemie ist wie ein Wirtschaftsminister
ohne Massenarbeitslosigkeit: ein ganz normaler
Politiker. So kam es dann ja auch. Kaum war das Risiko herabgesetzt,
erlosch das Interesse an Deutschlands oberstem
Virusbekämpfer. Seitdem müht sich Lauterbach wieder
mit profanen Themen wie dem Abrechnungsschlüssel in
Apotheken und Stellenplänen im Krankenhaus.
Es gibt im politischen Apparat einen riesigen Unwillen,
sich noch einmal mit der Pandemie zu befassen. Der Bundestag
hat schon wegen sehr viel geringerer Anlässe Untersuchungssauschüsse
eingesetzt. Aber alle Bemühungen, die
größte Freiheitsbeschränkung der deutschen Nachkriegsgeschichte
erneut in den Blick zu nehmen, stoßen auf erbitterten
Widerstand. Dabei gäbe es viel zu lernen. Zum Beispiel,
welche Fehler man bei der nächsten Pandemie besser
vermeiden sollte.
Aber vielleicht kommt der Anstoß zur Aufarbeitung ja
ganz woanders her. Ich war vor drei Wochen in Lüneburg
beim Verband der niedersächsischen Verwaltungsrichterinnen
und -richter. Der Vorsitzende, Gert Armin Neuhäuser,
hatte mich eingeladen, über
das Bild der Justiz in den Medien
zu referieren. Lüneburg liegt von
München gesehen nicht gerade um
die Ecke. Anderseits: So oft habe
ich nun auch nicht die Gelegenheit,
vor Richtern zu reden. Also
sagte ich sofort zu.
Verwaltungsgerichte sind die
Hüter der Freiheit, wenn man es
etwas pathetisch ausdrücken will.
Immer, wenn der Staat seine Macht
überdehnt, sind sie zur Stelle, um
ihm Einhalt zu gebieten. Soweit
jedenfalls die Theorie. Nach dem
Besuch in Lüneburg hatte ich den
Foto: Markus C. Hurek für FOCUS-Magazin
8 FOCUS 50/2024
KOLUMNE
Immer ein Platz in der Talkshow
Illustration von Sören Kunz
dass man sich die Lektüre sparen könne, weil nichts
Aufregendes drin stehe. Das sah er anders. Was er
dort las, war ziemlich spektakulär, wie er fand. So findet
sich zum Beispiel eine Notiz, aus der hervorgeht, dass
man im RKI relativ früh wusste, dass die Impfung dazu geeignet
war, schwere Verläufe zu verhindern, aber eben nicht
die Ansteckung mit Covid selbst.
Eindruck, dass unter den Richtern eine gewisse Nachdenklichkeit
eingesetzt hat, ob man der Übergriffigkeit des
Staates während der Pandemie wirklich entschieden genug
entgegengetreten ist.
Wie es der Zufall wollte, befand sich unter den Zuhörern
auch der Mann, der zwischenzeitlich als „kleines Richterlein“
Berühmtheit erlangte. So hatte der Ärztefunktionär
Frank Ulrich Montgomery in einem Interview den Vorsitzenden
des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts bezeichnet,
weil der sich erdreistet hatte, die 2G-Regeln im
Einzelhandel in Frage zu stellen. Weder sei belegt, dass
eine solche Regel geeignet sei, die Infektionswelle zu brechen,
noch sei sie verhältnismäßig, so das Urteil. Eine Entscheidung,
die mehr als berechtigt war, wie sich im Nachhinein
zeigt. Funfact: Das „kleine Richterlein“ überragte
alle im Raum um einen Kopf.
Auch Richter Neuhäuser hat mit der Aufarbeitung begonnen.
Zur Verhandlung stand Anfang September der Fall einer
Pflegekraft, die von ihrem Arbeitgeber, einem städtischen
Krankenhaus, fristlos entlassen worden war, nachdem sie die
Impfung verweigert hatte. Die Zulässigkeit von Kündigungen
aufgrund des Infektionsschutzes war bereits vom Bundesverfassungsgericht
als rechtmäßig beschieden worden. Aber da
lagen ja auch noch nicht die RKI-Protokolle vor, wonach die
Impfung gar nicht zuverlässig gegen Ansteckung half.
Neuhäuser hat sich die Protokolle übermitteln lassen, und
zwar alle 2515 Seiten. In Medien wie dem „Spiegel“ stand,
Eine Pandemie der Ungeimpften hat es nie gegeben,
sie war eine Erfindung der Politik. Warum
dann aber eine Pflegehelferin entlassen, weil sie
sich nicht impfen lassen wollte? Wenn die Impfung
keinen Schutz für andere darstellt, entfällt der Kündigungsgrund,
so entschied es Neuhäusers Kammer.
Es kommt nicht oft vor, dass eine untergeordnete Instanz
das Verfassungsgericht korrigiert. Die Richter in Karlsruhe
hätten auf falscher Tatsachengrundlage entschieden, sagt
der Jurist. Hätten sie gewusst, was man heute weiß, hätten
sie vermutlich anders geurteilt. Vor allem aber ist das Urteil
eine schallende Ohrfeige für die Politik, die sich eben nicht
auf den wissenschaftlichen Sachverstand verließ, wie immer
behauptet wurde, sondern sich im Gegenteil über diesen
hinwegsetzte, wenn es ihr opportun erschien.
Abstrakt finden die Grundrechte immer alle toll. Aber
wenn es ernst wird, bleibt kaum etwas übrig, wie wir im
Lockdown gelernt haben. Alles, was eben noch als unverzichtbar
galt, kann morgen schon suspendiert sein: Gewerbefreiheit,
Berufsfreiheit, Versammlungsfreiheit, Bildungsfreiheit,
Bewegungsfreiheit.
Wobei, das stimmt nicht ganz. Es waren nicht alle Grundrechte
außer Kraft gesetzt. Es gibt ein Grundrecht, das heilig
ist – der Datenschutz. Da kann das Virus noch so wüten
und die Intensivstation noch so volllaufen, da darf niemand
ran. Als zwischenzeitlich mal wieder die Corona-Warn-App
nicht funktionierte, weil irgendwelche Nerds vom Chaos
Computer Club Einspruch erhoben hatten, dachte ich:
Wenn mich Covid dahinrafft, dann wird auf meinem Grabstein
immerhin stehen: „Aber seine Daten waren sicher“.
Im Nachhinein heißt es, man habe es halt nicht besser
gewusst. Doch man wusste Vieles besser. Man wusste zum
Beispiel, dass es geradezu widersinnig war, die Leute dazu
aufzufordern, sich zu Hause einzuschließen, statt an die frische
Luft zu gehen. Trotzdem schickte man Polizisten auf
den Rodelberg, um sie zu vertreiben. Man wusste auch ziemlich
schnell, dass Kinder weniger ansteckend waren als Erwachsene.
Dennoch schloss man über Monate Schulen und
Kindergärten, weil man hundert Prozent sichergehen wollte.
Wir stehen mit der Aufarbeitung erst ganz am Anfang. 7
Jan Fleischhauer ist Kolumnist und Buchautor. Er sieht sich als Stimme
der Vernunft - was links der Mitte naturgemäß Protest hervorruft
FOCUS 50/2024
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DIE FAKTEN AM MORGEN
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NACHRICHTEN
Fakten, Fakten, Fakten – und die Menschen der Woche
Zahlen der Woche
Angst Stahlarbeiter bei
Thyssenkrupp fürchten um
ihre Jobs. Der Konzern will
11 000 Stellen abbauen
Kriege
machen
Firmen reich
Foto: Rolf Vennenbernd/dpa
Ein Drittel der Deutschen befürchtet
finanzielle Einbußen im neuen Jahr
Relative Mehrheit hält Union am ehesten für in der Lage,
die wirtschaftlichen Probleme Deutschlands zu lösen
Deutschlands Konjunktur
schwächelt, Volkswagen
will Standorte
schließen, Thyssenkrupp
in den kommenden Jahren
11000 Arbeitsplätze abbauen.
Die negativen Schlagzeilen
beeinflussen auch die
Stimmung der Bundesbürger.
In einer exklusiven FOCUS-
Umfrage geben 34 Prozent
an, dass sie im Jahr 2025 mit
finanziellen Einbußen rechnen,
41 Prozent gehen davon
So blicken die Deutschen ins Jahr 2025
FOCUS-Umfragen zur finanziellen Aussicht der Bundesbürger, ihrer
Angst vor Arbeitsplatzverlust und der Kompetenz der Parteien
„Wird das Jahr 2025 für Sie persönlich
in finanzieller Hinsicht im Vergleich zu
2024 besser, schlechter oder gleich?“
(eher) besser
weiß nicht,
k. A.
(eher)
schlechter
8
17 41
34
%
(eher) gleich
(eher) ja
weiß nicht,
k. A.
„Haben Sie Angst davor, Ihren
Arbeitsplatz zu verlieren?“
12
27 61
%
(eher) nein
aus, dass ihre finanzielle Situation
gleich bleibt, 17 Prozent
rechnen mit einer Verbesserung.
Befragt nach ihrem
Arbeitsplatz fürchten 27 Prozent
der Deutschen, diesen zu
verlieren. Wobei die Stimmung
im Osten schlechter ist: Hier
haben 39 Prozent Angst vor
einer finanziellen Verschlechterung.
Von den im Bundestag vertretenen
Parteien erwarten die
Deutschen am ehesten von
CDU und CSU, die wirtschaftlichen
Probleme Deutschlands
zu lösen. Laut Insa messen
30 Prozent der Bürger der
Union diese Kompetenz zu. An
zweiter Stelle folgt die AfD mit
15 Prozent (im Osten 22 Prozent),
an dritter Stelle die SPD
mit 11 Prozent. Den Grünen,
deren Kanzlerkandidat Robert
Habeck derzeit Wirtschaftsminister
ist, trauen nur sieben
Prozent zu, das Land voranzubringen.
Die FDP mit Christian
Lindner liegt mit 4,8 Prozent
(im Osten 1,6 Prozent) nur
knapp vor dem BSW mit 4,4
Prozent (im Osten 6,3 Prozent).
Welcher aktuell im Bundestag
vertretenen Partei trauen Sie es am
ehesten zu, die wirtschaftlichen
Probleme Deutschlands zu lösen?
CDU/CSU 30 %
AfD 15
SPD 11
Grüne 7
FDP 5
BSW 4
Linke 2
keiner 17
weiß nicht/k.A.: 8
Abweichung zu 100 % ist rundungsbedingt
Quelle: Insa
Militärausgaben
2023 im Vergleich zu 2022
in Prozent
–10,0 Italien
–8,5 Frankreich
–1,5 Trans-Europa
Russland +40,0
Südkorea +39,0
Japan +35,0
Israel +15,0
Deutschl. +7,5
Indien +5,8
USA +2,5
China +0,7
Andere +19,0
Quelle: Sipri
Angriff auf die Ukraine,
Bombardements in Gaza,
Gemetzel in Syrien: Kriege
und Krisen treiben die
Nachfrage nach Waffen
an und die Umsätze der
Rüstungskonzerne nach
oben. Um 4,2 Prozent
auf 632 Milliarden Dollar
stieg der Umsatz
der 100 größten Waffenproduzenten.
40 Prozent
mehr stellten russische
Waffenschmieden her. Vor
allem Kampfflugzeuge,
Drohnen, Panzer, Raketen
und Munition für den
Angriffskrieg gegen die
Ukraine. Deutschland
verbucht ein Plus von
7,5 Prozent auf insgesamt
10,7 Milliarden Dollar.
Zum Vergleich: Das größte
ukrainische Unternehmen
setzt 2,2 Milliarden um,
was einem Zuwachs von
69 Prozent entspricht.
Im Westen rüsten zudem
besonders Südkorea (plus
39 Prozent) und Japan
(plus 35 Prozent) auf.
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11
12
FOTOS DER WOCHE
Kiew
Wenig
Hoffnung I.
Ein Meer aus Flaggen, rot,
grün, schwarz - aber vor
allem: gelb und blau. Sie
erinnern an die im Krieg
gefallenen ukrainischen
Soldaten. Ihre Namen
stehen auf dem Stoff,
ihre Gesichter sind auf
Bilderrahmen zu sehen,
neben Blumensträußen
und Grabkerzen. Am
Montag stand Bundeskanzler
Olaf Scholz an der
Seite des ukrainischen
Präsidenten Wolodymyr
Selenskyj vor dem improvisierten
Denkmal auf
dem Unabhängigkeitsplatz
in Kiew und stellte
ein weiteres rotes Licht
dazu. Der Bundeskanzler
reiste zum zweiten Mal
seit Kriegsbeginn in die
Ukraine, unangekündigt,
aus Sicherheitsgründen.
Im Gepäck hatte er die
Zusage für Rüstungslieferungen
im Wert von
650 Millionen Euro, die
schon längst bewilligt
worden sind und die Ankündigung:
„Die Ukraine
kann sich auf Deutschland
verlassen.“ Viel
Symbolik also.
Die Reise war kurzfristig
geplant worden. Die
Union witterte sofort ein
schnödes Wahlkampfmanöver
und entrüstete
sich über die kamerawirksame
Betroffenheit.
Tatsächlich wird der
Kanzler seit Ende der
Ampel vermittlungsaktiver:
Telefonat mit Putin.
Zweistündiges Gespräch
mit Selenskyj. Vom Zauderer
zum Friedenspolitiker.
Wahlkampf kann
viel verändern. 7
JANNA CLAUDIA WOLF
Foto: Yan Dobronosov/Getty Images
FOCUS 50/2024
13
FOTOS DER WOCHE
Zwickau
Wenig
Hoffnung II.
Foto: Hendrik Schmidt/dpa
Szenen wie diese kennt
man sonst nur aus dem
Fußballstadion - rote
Bengalos, die Luft voller
Rauchschwaden. Doch
hier geht es um weit mehr
als Tore, Punkte, Fanbegeisterung
– bei Volkswagen
brennt die Hütte.
Mehrere zehntausend
Stellen will der Vorstand
bei der Kernmarke VW in
Deutschland streichen,
ganze Werke stehen auf
der Kippe. Seit Ende
November die Friedenspflicht
endete, machten
fast 100 000 Mitarbeiter
ihrem Ärger und ihren
Sorgen darüber Luft wie
hier vor dem Werk in Zwickau.
Ob sie Konzernchef
Oliver Blume umstimmen?
Der sprach Mitte der
Woche in Wolfsburg bei
der Betriebsversammlung
erneut von Arbeitskosten
und nötigen Kapazitätsanpassungen:
„Wir können
die besten Autos der Welt
bauen - das spielt aber
keine Rolle, wenn wir damit
kein Geld verdienen.“
Das klingt nicht nach Entgegenkommen.
Montag steigt die vierte
Verhandlungsrunde
zwischen IG Metall und
Konzernspitze. Einen Vorschlag
der Gewerkschaft,
die jüngste Tariferhöhung
in eine Art Arbeitszeitfonds
umzuwandeln und
auf Werkschließungen
zu verzichten, hatte VW
bereits abgelehnt. Kommt
es nicht noch zum Adventskompromiss,
dürfte
die Belegschaft bald die
nächste Stufe zünden –
ganztägige Streiks. 7
PETER STEINKIRCHNER
14
FOCUS 50/2024
FOCUS 50/2024
15
16
FOTOS DER WOCHE
Aleppo
Wenig
Hoffnung III.
Kinder, Vater, Mutter und
Großeltern drängen sich
auf der Ladefläche des
Pick-ups. Kapuzenpullover
und Wolldecken
schützen sie vor der
Kälte, während sie auf
der Schnellstraße aus
Aleppo flüchten. Viel Zeit
zum Packen blieb der
kurdischen Familie nicht.
Am 27. November haben
Rebellen, die von der
dschihadistischen Gruppe
Haiat Tahrir al-Scham
(HTS), einem Al-Qaida-
Ableger in Syrien, angeführt
werden, im Nordwesten
des Landes eine
Offensive gegen das
Regime von Präsident
Bashar al-Assad begonnen.
Sie vertrieben die
kurdischen Streitkräfte
der Demokratischen
Kräfte Syriens (SDF) aus
Aleppo. Russische und
syrische Kampfflugzeuge
bombardieren seither
die Stadt.
Weil viele Einwohner
eine Wiederholung der
brutalen Kämpfe von
2016 befürchten, die ihre
Stadt verwüsteten, fliehen
sie in die Gebiete der
kurdischen Selbstverwaltung.
Inzwischen hat
der Bürgerkrieg in Syrien,
der 2011 nach einem
Volksaufstand ausbrach,
das Land zerrüttet.
Für Bashar al-Assad
ist der Blitzangriff der
dschihadistischen Kämpfer
die größte Herausforderung
seit Jahren. Er
muss um seine Macht
bangen. Die Kurden aus
Aleppo hingegen fürchten
um ihr Leben. 7
PIERRE HEUMANN
Foto: AFP
FOCUS 50/2024
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GRAFIK DER WOCHE
Auferstehung
im Advent
Nur fünf Jahre nach dem Brand
ist Notre-Dame restauriert.
Jetzt wird die Kirche aller Kirchen
wieder eingeweiht. Ein Wunder
D
as Unglück kann so grauenhaft
und grandios sein, dass es
jenen, die es erleben, die Worte
und die Tränen nimmt. So war es
in der Nacht des 15. April 2019, als
Notre-Dame in Paris in Flammen
stand. Der Vierungsturm, der stolze
und spitze „Pfeil“, war gefallen. Den
Dachstuhl, der „Wald“ aus Tausenden
Eichenbalken, hatte das Feuer
gefressen. Als der Brand schließlich
um 23 Uhr unter Kontrolle war, blickten
die fassungslosen Zeugen an den
Ufern der Seine und vor den Bildschirmen
der Welt auf das, was von der
Kirche aller Kirchen, dem Gottes- und
Menschenhaus, übrig geblieben war:
eine rauchende Ruine. Dem baldigen
Einsturz, dem Untergang ausgeliefert.
Mit dem aber wollten sich die Franzosen
nicht abfinden. Staatspräsident
Emmanuel Macron versprach wenige
Stunden nach der Katastrophe,
Notre-Dame werde wieder aufgebaut.
Schöner als je zuvor. In nur fünf Jahren.
Eine unmögliche Mission. Hatte
das Feuer, über 1000 Grad heiß, den
wuchtigen und doch so filigranen Bau
nicht rettungslos zerstört? Und wer
weiß im 21 Jahrhundert denn noch,
wie Menschen im Mittelalter Kathedralen
bauten?
Das Unmögliche ist vollbracht. Am
8. Dezember wird Erzbischof Laurent
Ulrich in Notre-Dame die Einweihungsmesse
zelebrieren. In 2063 Tagen
haben etwa 2000 Fachfrauen und
-männer – unter anderem: Steinmetze,
Dachdecker, Architekten, Archäologen,
Geologen, Zimmerer, Schmiede
– Notre-Dame wieder auferstehen
lassen.
Man wird und soll sich ruhig darüber
streiten, ob die neue Kathedrale
so schön, so echt und so erhaben wie
die alte ist. Das Glück, das Notre-Dame
verheißt, ist jedenfalls so groß, dass
es jenen, die es erleben dürfen, die
Worte nimmt. 7
Arc de Triomphe
Eiffelturm
PARIS
Louvre
Notre-Dame
Seine
Kirchenschiff als Schutthalde
Jedes Bruchstück, das in der
Kirche lag, wurde dokumentiert.
Bei jedem Stein wurde geprüft,
ob er womöglich wiederverwendet
werden könnte
Gefallen und neu gebaut
Der spitze Vierungsturm (der Pfeil)
stürzte während des Brandes
ein. Er wurde aus Holz wieder errichtet.
Der Turm trägt nun einen
Wetterhahn mit „Feuerflügeln“
Gut und giftig
Auch das neue
Dach ist wieder
mit Bleiplatten
gedeckt.
Der Brand hatte
bleihaltigen
Rauch entstehen
lassen
MARKUS KRISCHER
18 FOCUS 50/2024
Notre-Dame
Riskante
Rettung
Der Nordturm
war während
des Brandes
gefährdet. Wäre
er eingestürzt,
wäre Notre-
Dame verloren
gewesen
69 m
48 m
96 m
127 m
Gotisches Supermodel
Die Pariser Kathedrale sollte nach dem Wunsch ihrer mittelalterlichen
Bauherren alle Kirchen in den Schatten stellen.
So wurde Notre-Dame zum Urbild einer gotischen Kathedrale
35 m
Auge und Ohr
von Notre-Dame
Die große Rosette
wurde restauriert.
Gerettet wurde auch die
große Orgel, deren
8000 Pfeifen einzeln
gesäubert wurden
1300
Eichen
mussten gefällt werden, um
den Dachstuhl, den „Wald“, der aus
dem 13. Jahrhundert stammte,
originalgetreu wieder zu errichten
Illustration: SQUIR Fotos: Getty Images (2), AFP, MEGA
2000
Spezialisten
waren am Wiederaufbau
beteiligt. Die Namen der
Fachfrauen und -männer
stehen auf einer Rolle, die im
Wetterhahn verwahrt ist
Biografie eines Gotteshauses
1163
Baubeginn
1250 erste
Fertigstellung
bis 1363 Umund
Weiterbau
im gotischen Stil
1431 Krönung
von Heinrich VI.
846
Millionen Euro
spendeten 340 000
Menschen aus 150 Ländern
nach der Brandkatastrophe
2019 für den Wiederaufbau
der Kathedrale Notre-Dame.
Etwa 700 Millionen Euro
hat die Restaurierung
bisher gekostet
Wuchtig und fragil
Nach dem Brand
war befürchtet worden,
dass der Bau ohne
das Dach, das ihn von
oben gestützt hatte,
zusammenbrechen
würde
1793 Zerstörung
des Innenraums
durch Revolutionäre
1804 Napoleon
krönt sich selbst
in Notre-Dame
1844 Beginn
einer umfassenden
Restaurierung, Bau
des Vierungsturms
Globaler Schrecken
Der Brand von Notre-
Dame, der am späten
Nachmittag des 15. April
2019 ausbrach und
erst um 23 Uhr unter Kontrolle
gebracht wurde,
galt weltweit als großes
Unglück. Die Ursache
des Brandes ist bis heute
nicht restlos geklärt
Geheimes Wissen
Manche Fertigkeiten
mittelalterlicher Handwerker
und Baumeister
sind verloren gegangen.
Von der hoch komplizierten
Konstruktion des
Dachstuhls etwa existierten
keinerlei schriftliche
Unterlagen
2019 Brand
von Notre-Dame,
Beginn einer Großrestaurierung
12. Jh. 13. Jh. 14. Jh. 15. Jh. 16. Jh. 17. Jh. 18. Jh. 19. Jh. 20. Jh. 21. Jh.
8.12.2024
offizielle
Wiedereröffnung
Quellen: Submarine Cable Map, Entsog
19
MENSCHEN DER WOCHE
Der Aufsteiger
Mein Name ist
Schneehase
Wenn einer weiß, wie man sich anpasst,
dann ist es der Lepus timidus varronis,
uns Laien als Schneehase bekannt: Im
Sommer graubraun, im Winter schneeweiß
und so extrem selten, dass die
Deutsche Wildtier Stiftung unser aller
Aufmerksamkeit auf die Tierart lenken
will, um so Verständnis für ihren wirksamen
Schutz zu wecken. Der Alpenschneehase
wurde von den Spenderinnen
und Spendern der Wildtier Stiftung
zum Tier des Jahres 2025 gewählt. Zur
Auswahl standen auch das Alpenmurmeltier
und der Alpensteinbock.
Der Absteiger
Was schert ihn sein
Geschwätz von gestern
Eine Sache war ihm in seiner Amtszeit
besonders wichtig: sich von seinem
Widersacher charakterlich zu unterscheiden.
Während Donald Trump der
gegen ihn ermittelnden Justiz Verfolgungswahn
vorwarf, versprach US-Präsident
Joe Biden, keinen Einfluss auf das
Verfahren gegen Sohn Hunter wegen
Steuer- und Drogenproblemen zu nehmen.
Jetzt die Kehrtwende. Kurz vor
Verkündung des Strafmasses begnadigte
der Vater den 54-Jährigen. Grund:
unfaire Justiz. Theoretisch hätten dem
Filius über 20 Jahre Haft gedroht.
Der Newcomer
Wird er der Mann
von morgen?
Er ist schon länger eines der bekannten
FDP-Gesichter. Neu ist für Marco Buschmann
die Rolle des Generalsekretärs.
Am Freitag der Vorwoche war Bijan
Djir-Sarai infolge der D-Day-Affäre
zurückgetreten. Er wisse nicht, ob er
die Kraft gehabt hätte, ohne Buschmann
ein „Comeback der FDP“ am
23. Februar anzustreben, sagte Parteichef
Christian Lindner bei der Ernennung
am Montag. Er lobte Buschmanns
Intellekt und das Vertrauensverhältnis
der beiden. Schafft Buschmann Lindners
Comeback?
Power-Paare. Wer mit wem, wer gegen wen
&
vs.
Ein ganz neuer Flirt
So richtige Ur-Grüne kommen wohl nicht mehr aus dem
Staunen raus. Klar, die Ampel ist gescheitert. Also muss
sich die Partei nach möglichen anderen Partnern umschauen.
Aber gleich so? Neu-Parteichefin Franziska Brantner buhlt
offensiv um CDU-Chef Friedrich Merz. Sie hält ihn in mindestens
drei Punkten für den besseren Vielleicht-Bald-Kanzlerpartner
als Olaf Scholz: „Frieden, Freiheit in Europa und
klar an der Seite der Ukrainer stehen“. Bei der restlichen
Grünen-Spitze klingt das ähnlich. Und Merz? Lobt zurück.
Ein ganz schwerer Skandal
Der Zusammenbruch seines Immobilienkonglomerats
Signa hat Investoren Millionen gekostet, Ruinen hinterlassen
und Ermittlungen ausgelöst. Jetzt erreicht die Skandalpleite
von René Benko auch die rechte Regierung von Giorgia Meloni.
Die italienische Justiz hat Haftbefehl gegen den 47-Jährigen
erlassen. Vorwürfe: illegale Parteienfinanzierung, Betrug,
Korruption, Manipulation von öffentlichen Ausschreibungen.
Unter den weiteren 76 Verdächtigen sind auch Politiker,
unter anderem eine Bürgermeisterin und ein Senator.
Fotos: imnago images (2), dpa (5), REUTERS
20 FOCUS 50/2024
NACHRICHTEN
Im Feed
Ein Mann sieht rot
Täglich werden Millionen von Bildern in den sozialen Medien hochgeladen.
FOCUS zeigt jede Woche einen Schatz aus der digitalen Wunderkammer
Medien-Talk
Bundesliga-Konferenz:
Was ist Dazn?
Der Pay-TV-Sender Dazn streamt ab der
kommenden Saison die beliebte Bundesligakonferenz
und alle 79 Sonntagsspiele.
Der Konkurrent Sky hat sich für die kommende
Bundesligasaison die Freitags- und
Samstagsspiele gesichert. Fußballfans
brauchen also künftig mehrere Abos.
Da dachte er wohl, er spielt Eishockey. Im Pokalkracher rammt Bayern-Keeper
Manuel Neuer den Leverkusener Frimpong um. Folge: Rote Karte. Und ein 0:1 gegen
Bayer. Bleiben dem FCB noch Chancen in Meisterschaft und Champions League.
manuelneuer folgen: 14 Mio. Abonnenten
Dieses Bild bekam bis Druckschluss: 189 000 Likes
https://www.instagram.com/manuelneuer
Zitat der Woche
»
Vermeide Alkohol
beim Schreiben
von Beiträgen
und halte dich
von Zynismus fern
«
Aus dem „Handbuch
Wahlkampfwissen“
der SPD-
Parteizentrale
So.
Die Nordgrünen,
Heimat
von Kanzlerkandidat
Robert Habeck,
nominieren
ihre Kandidaten
für die Bundestagswahl
Mo.
Happy Birthday
Horst
Schlämmer.
Sorry, natürlich
ist es sein
Alter Ego Hape
Kerkeling,
das den 60. Geburtstag
feiert
Der Terminkalender vom 8. bis 13. Dezember
Wer in den nächsten Tagen wichtig wird
Di.
In Oslo bekommt
Tomoyuki Mimaki
den Friedensnobelpreis
überreicht. Er
ist Vorsitzender von
Nihon Hidankyo,
einer Organisation
von Hiroshima-
Überlebenden
Mi.
Ampel-Aus. Kanzler
Olaf Scholz (SPD)
beantragt im
Bundestag die Vertrauensfrage.
Abgestimmt
darüber
wird am 16. Dezember.
Gewählt dann
am 23. Februar
Do.
Die Ministerpräsidenten
beraten
über den Rundfunkbeitrag.
Den Co-
Vorsitz hat
Sachsens
Michael
Kretschmer
Fr.
In München wird
das Theaterstück
„proteus 2481“
uraufgeführt.
In einer
tragenden
Rolle des
Satyrspiels:
Samuel Koch
Horst Schlämmer
Samuel Koch
21
NACHRICHTEN
Nachgefragt
„Es war offensichtlich eine
absolut wahnsinnige
Fehlkalkulation“
Ob’s wirkt? Die Wahlkampfbotschaften
der Parteien:
verlässlicher Olaf, schneller
Neuanfang, starke Wirtschaft
und kluge Debatten
Millionen für den Stimmenfang
F
ür den anstehenden Bundestagswahlkampf
verfügt das Bündnis 90/
Die Grünen aktuell über das größte
Wahlkampfbudget. Das geht aus einer
FOCUS-Anfrage an alle acht im Bundestag
vertretenen Parteien hervor.
Wie Wahlkampfmanager Andreas
Audretsch mitteilt, rechnen die Grünen
für den Wahlkampf mit Ausgaben in
„einer Größenordnung, die sich an den
Mitteln aus dem Jahr 2021 orientiert.“
Damals lag das Budget bei 19 Millionen
Euro.
Deutlich weniger Geld hat die SPD
eingeplant. Auch sie orientiert sich an
der Bundestagswahl von 2021. Für den
Einzug in das Kanzleramt wendeten die
Sozialdemokraten „rund 15 Millionen
Euro“ auf.
Wahlkampf
Die Linke, die laut Umfragen um den
Wiedereinzug fürchten muss, investiert
6,8 Millionen Euro. Der Großteil davon
wird für die Produktion von A1- und
Großplakaten zur Verfügung gestellt.
Das neu gegründete „Bündnis Sahra
Wagenknecht“ plane „aktuell“ mit vier
Millionen Euro. CSU, FDP und AfD wollten
keine Angaben machen.
Die CDU bastelt noch an ihrem Budget.
2021 gab die Bundespartei für den
Wahlkampf rund 20 Millionen Euro aus.
Allerdings kamen in diesem Jahr noch
die Kosten für fünf Landtagswahlen hinzu.
Heißt: Insgesamt investierten die
Christdemokraten 2021 für den Kampf
um Stimmen 73 Millionen Euro. Bei der
SPD waren es 55 Millionen und bei den
Grünen fast 43 Millionen Euro. rub
Abschiebeoffensive in die Türkei stockt
Migration
D
ie von Bundesinnenministerin Nancy
Faeser (SPD) im September 2024 angekündigte
Abschiebeoffensive in die
Türkei fällt aus.
Nach Auskunft des Ministeriums wurden
in diesem Jahr bis einschließlich
Oktober 885 türkische Staatsbürger in
ihre Heimat abgeschoben. Laut Ausländerzentralregister
sind aber aktuell insgesamt
16041 Türken ausreisepflichtig.
Die Verantwortung, warum im Gegensatz
zu Faesers Ankündigung die Zahl
so gering ausfalle, sieht eine Sprecherin
nicht im eigenen Haus. Für Abschiebungen
seien die Länder zuständig, die Bundesregierung
führe „fortlaufend Gespräche
mit den türkischen Partnern“ zur
Rückführung türkischer Staatsbürger.
Noch im Herbst hatte die Innenministerin
einen Deal mit Ankara angekündigt,
nach dem „Rückführungen in
die Türkei schneller und effektiver erfolgen
können“. Aus Regierungskreisen
hieß es damals, dass die Türkei wöchentlich
bis zu 500 Staatsbürger zurücknehmen
werde. Von einem Abschiebeabkommen
mit Ankara ist aktuell keine
Rede mehr.
rub
Mason Richey
Professor für internationale Politik an der Hankuk
University of Foreign Studies in Seoul
Warum hat Südkoreas Präsident Yoon
das Kriegsrecht verhängt? Das war
eine Mischung aus mehreren Gründen,
darunter Frust über den Streit mit der
Oppositionspartei über das kommende
Haushaltsgesetz. Yoon sah die Fähigkeiten
des Staats, seine grundlegenden
Funktionen zu erfüllen, beeinträchtigt.
Das sind zumindest die offiziellen Gründe.
Und die inoffiziellen? Yoon Suk Yeol war
sehr isoliert. Seine Beliebtheitswerte sind
teilweise unter 20 Prozent gesunken. Er
hat aus politischer Verzweiflung gehandelt.
Doch es war offensichtlich eine absolut
wahnsinnige Fehlkalkulation. Hat Yoon
wirklich gedacht, damit durchzukommen?
Eigentlich gibt es keine Möglichkeit,
dass dieser Putschversuch funktioniert
hätte. Dafür muss man die Kontrolle
über das Geld, die Informationen und die
Waffen haben. Nichts davon war wirklich
unter seiner Kontrolle: Die Medien haben
weiter berichtet und auch beim Militär
gab es Leute, die Yoons Vorhaben nicht
unterstützt haben. Das klingt nach einem
politischen Kamikaze-Kommando.
Das Risiko für Yoon war von Anfang an
immens: Er kann aus dem Amt enthoben
werden, möglicherweise im Gefängnis
landen oder sogar wegen Hochverrat angeklagt
und hingerichtet werden. Wie wird
es nun weitergehen? Ich denke, es wird
Neuwahlen fürs Präsidentenamt geben.
Die Opposition hat bereits ein Amtsenthebungsverfahren
im Parlament beantragt.
Möglicherweise wird Yoon nicht freiwillig
gehen. Doch selbst seine Partei steht nicht
mehr hinter ihm. Es kann also auch sein,
dass sie ihn zum Rücktritt zwingt. kret
22 FOCUS 50/2024
Dieser Text
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Text an
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Vertragseingang beim Leasinggeber im Aktionszeitraum vom 14.10.2024-31.12.2024. Nicht kombinierbar mit anderen Rabatten und Aktionen.
Nur bei teilnehmenden Opel Partnern. Überführungs- und Zulassungskosten sind nicht Bestandteile dieses Angebots und separat an den
Händler zu zahlen. Beispielfoto der Baureihe. Ausstattungsmerkmale des abgebildeten Fahrzeugs sind nicht Bestandteil des Angebots.
AGENDA
24
GAZA
Out of Gaza
Amputationen.
Entstellungen.
Hirnschäden.
Ihre Verletzungen
haben ihr ganzes Leben
verändert.
Ruba Abu Jibba erzählt,
wie sie ein Auge verlor, als
sie mit ihrer Familie auf
der Flucht vor israelischen
Panzern in Gaza unter
Beschuss geriet.
Sie und einige andere
schwer verwundete
Bewohner des Gazastreifens
überlebten einen
Krieg, der zehntausenden
Menschen das Leben
kostete. Sie schafften
es bis nach Katar, wo sie
medizinisch versorgt
werden. Dort haben
wir sie fotografiert und
mit ihnen gesprochen.
Sie sind am Leben – auch
wenn sich manche von
ihnen nicht sicher sind,
ob sie das überhaupt noch
wollen.
Fotos von Samar Abu Elouf
Text von Samar Abu Elouf und
Eric Nagourney
FOCUS 50/2024
25
„Mein Bein sah
aus wie Sand –
irgendwie war
es noch da, aber
der Knochen
war zersplittert.“
Die 9-jährige Nusaiba
Kleib war mit ihrer
Familie auf der Flucht,
als eine Rakete einschlug.
Ihr Bein musste
amputiert werden.
Die Bewohner des Gazastreifens,
mit denen
wir gesprochen haben,
beschrieben uns eine
Welt, in der Explosionen,
im Bruchteil einer Sekunde,
sowohl Landstriche
als auch Körper bis zur
Unkenntlichkeit zerfetzen
können.
Auf der Suche nach medizinischer
Versorgung haben
nach israelischen Angaben
allein im Oktober mehr
als 4000 Menschen Gaza
verlassen. Bereits im Juni
teilten die Vereinten Nationen
mit, dass mehr als
10 000 Bewohner dringend
Hilfe benötigten, die sie
nur im Ausland bekommen
könnten. Die Gesundheitsbehörde
in Gaza schätzt die
Gesamtzahl der Verletzten
auf über 100 000.
Da ein großer Teil ihrer
Heimat in Trümmern liegt,
wissen die Wenigen, die es
wie diese Flüchtlinge in
Katar ins Ausland geschafft
haben, kaum, wann oder
ob sie überhaupt zurückkehren
können. Manche
stehen selbst nach ihrer ärztlichen
Behandlung vor gewaltigen
gesundheitlichen
Herausforderungen.
„Sein ganzer
Körper war in
weiße Bandagen
eingewickelt.“
18 Menschen befanden
sich im zweiten Stock
eines Hauses, das in die
Luft gesprengt wurde.
Nur der neunjährige
Maher Hajazi und ein
Cousin überlebten.
26 FOCUS 50/2024
GAZA
„Mama,
kraul mir den
Kopf, kratz
mir die Nase.“
Mahmoud Ajjours
Familie floh aus ihrem
Haus, als israelische
Granaten einschlugen,
erzählt seine Mutter
Noor Ajjour. Sie kamen
nur langsam voran,
weshalb der Junge
zurücklief, um die Verwandten
anzutreiben.
Dann riss ihm eine
Explosion eine Hand ab
und verstümmelte die
andere. Mahmoud
flehte die Familie an,
ihn zurückzulassen:
„Ich werde sterben.“
In Katar benutzt der
9-Jährige nun vor allem
seine Füße. „Mein
größter Wunsch sind
Prothesen“, sagt er.
27
AGENDA
Schon vor dem Krieg war
die medizinische Versorgung
im Gazastreifen schwierig,
da das Gebiet seit der
Machtübernahme durch die
Hamas im Jahr 2007 von
seinen Nachbarn Israel und
Ägypten abgeriegelt wurde.
Patienten, die es sich leisten
konnten, ließen sich im
Ausland behandeln. Seit
Kriegsbeginn ist der Bedarf
an medizinischer Hilfe
größer denn je. Gleichzeitig
ist es fast unmöglich, die
Grenze zu überqueren. Tausende
verzweifelte Bewohner
des Gazastreifens, von denen
viele verwundet sind, andere
an Krebs oder sonstigen
schweren Krankheiten
leiden, können nur darauf
hoffen, es irgendwie nach
Katar oder Jordanien zu
schaffen, wo noch Patienten
aufgenommen werden.
„Ich trauere
um mich selbst
und um das
Leben, das ich
einmal hatte.“
Passant al-Louh, 17,
erlitt schwerste
Verbrennungen im
Gesicht und verlor
ihr rechtes Ohr
bei einem Anschlag,
der ihre
Eltern tötete.
D
z
b
T
„Als ich
aufwachte,
sagten sie
mir, das Baby
sei noch in
meinem
Bauch.“
Die Ärzte brachten
Wafa Abu Semaan
nach Ägypten, wo sie
einen Sohn auf die
Welt brachte und
eine Beinprothese bekam.
Schon vor dem
Angriff, bei dem sie
verwundet und ihr
Ehemann getötet
wurde, musste sich
die 27-Jährige durch
das Gesundheitssystem
in Gaza kämpfen.
Sie hatte Schilddrüsenkrebs.
Und sie
war schwanger. 7
28
FOCUS 50/2024
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POLITIK
Andreas Röder
Über sein Freiwilliges
Soziales
Jahr in der Kita
fand er zu seinem
Traumberuf:
Kinderpfleger
30
GESELLSCHAFT
Soldatin
Paula M.
15 Monate
Dienst leistet die
Abiturientin bei
der Bundeswehr.
Waffenreinigen
gehört zum Alltag
Fotos: Fabian Strauch/FUNKE Foto Services GmbH/imago, Mike Szymanski
Ein Jahr für Deutschland
Der Bundeswehr fehlen Soldaten, den Kitas Betreuer, der Pflege die Helfer. Also:
Wer packt an? Wie die Debatte über einen Pflichtdienst das Land aufwühlt
FOCUS 50/2024
31
POLITIK
S
Sie sagt, sie wollte wissen, wie „dieses Universum“
aussieht. Dies sind ihre Worte,
und nun kneift Paula M. das eine Auge
zu und schaut mit dem anderen durch den
Lauf eines Sturmgewehrs vom Typ G36.
Sie prüft, ob sich da drinnen noch
Schmutz befindet. Dann muss sie ran mit
Bürsten und den dicken Baumwollfäden,
um das Gewehr zu reinigen. Paula M., 20,
wird fast den ganzen Tag mit Lösungsmitteln
und Ölen zu tun haben, die der Haut
zusetzen. Gewehr für Gewehr, Pistole für
Pistole. Bis es in der Waffenkammer nebenan
nichts mehr gibt, was noch durch die
Hände dieser Soldatin der Stabs- und Fernmeldekompanie
der 1. Panzerdivision in
Oldenburg muss. Paula M. beklagt sich
nicht. Dienst ist Dienst.
Im Universum von Andreas Röder geht
es immer trubelig zu, aber Waffen haben
hier nichts zu suchen. Er liebt das Andere:
Da stürmen morgens die Kinder auf ihn zu,
aufgekratzt, weil jeder neue Tag auch ein
neues Versprechen ist. Den Morgen nach
dem Wochenende mag der 19-Jährige am
meisten: „Manche sagen dann, sie hätten
mich vermisst.“ Er hätte nie gedacht, einmal
mit Kindern arbeiten zu wollen – bis
er die Gelegenheit hatte, sich auszuprobieren.
Jetzt weiß er, was er will: mit ihnen
toben, bolzen, ihnen vorlesen. Zur Seite
stehen beim Großwerden. Und er weiß,
er wird gebraucht.
Die junge Frau, die ein Sturmgewehr
bedienen kann. Der junge Mann, der seine
Erfüllung darin findet, Kindern Märchen
vorzulesen. Diese jungen Leute!
Gar nicht so schlecht, oder?
Paula M. und Andreas Röder, das sind
zwei Schulabgänger, die sich in diesem
Land engagieren. Zwei junge Menschen,
auf die sich stellvertretend das Augenmerk
richtet, wenn die Frage auftaucht, was die
Gesellschaft gerade offenkundig so dringend
braucht. Beide leisten einen Dienst
für die Gemeinschaft, von dem niemand
bestreiten kann, wie wertvoll er ist. Und
sie machen das freiwillig.
In der Gesellschaft hat eine Debatte
an Fahrt aufgenommen, welche die Kraft
hat, das Land tiefgreifend zu erneuern. Für
Konflikte sorgt sie jetzt schon: Sollte sich
nicht jeder einmal in seinem Leben für das
Gemeinwesen engagieren müssen?
Ein „Jahr für die Gesellschaft“ – das ist
der Arbeitstitel eines politischen Projekts,
bei dem sich noch zeigen wird, wie viel
Kraft zur Veränderung in diesem Land tatsächlich
steckt.
Am Dienstag dieser Woche hat sich Bundespräsident
Frank-Walter Steinmeier bei
der Konrad-Adenauer-Stiftung zu Wort
gemeldet. Er sprach zum Thema „Stärken,
was uns verbindet: Pflichtzeit für unsere
Gesellschaft“. Steinmeier sagte, dass man
in Krisenzeiten wie diesen darüber nachdenken
müsse, wie „unsere Gesellschaft
nicht weiter auseinandertreibt“. Die Antwort
hatte er auch. Eine „soziale Pflichtzeit“
könne der Weg sein, wie „aus Begegnung
Verbundenheit wird“.
Aber in dieser Debatte geht es natürlich
um viel mehr als um Verbundenheit.
Dahinter steckt auch die große Frage, wie
das Land all die großen Probleme gelöst
bekommt. Oder ganz konkret: wer dafür
in die Pflicht genommen wird.
Zu übersehen sind die Schwierigkeiten
längst nicht mehr: Die Bundeswehr findet
nicht den Nachwuchs, um zu wachsen,
wie das nach Russlands Überfall auf
die Ukraine erforderlich wäre. Stand Juni
sank die Zahl der Soldatinnen und Soldaten
sogar wieder auf unter 180 000. Mehr
als 20 000 Dienstposten kann die Truppe
heute schon nicht besetzen. Dabei soll sie
auf 203 000 Soldatinnen und Soldaten bis
2031 anwachsen.
Die Alten gegen die Jungen
Aber auch im zivilen Leben fehlen die
Leute, die anpacken. Die Gesellschaft
altert. In 25 Jahren dürften dem Statistischen
Bundesamt zufolge mindestens
280 000 Pflegekräfte fehlen. Längst ist vom
„Pflegenotstand“ die Rede. In den Kitas
in Deutschland mangelt es an Erziehern.
Durchschnittlich an mehr als zwei pro Einrichtung.
Es herrscht die „Kita-Katastrophe“.
So sieht er aus, der deutsche Alltag
im Jahr 2024.
Knapp 100 000 Frauen und Männer
en gagieren sich in Freiwilligendiensten
wie dem Freiwilligen Sozialen Jahr (FSJ),
dem Freiwilligen Ökologischen Jahr (FÖJ)
oder im Bundesfreiwilligendienst, zum
„Diese Debatte sollte nicht erneut
im Sande verlaufen, sondern
mit einer Entscheidung enden“
Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier
Fotos: Annette Riedl/dpa, Juliane Sonntag/dpa
32 FOCUS 50/2024
GESELLSCHAFT
Taschengeld von maximal 604 Euro im
Monat. Weitere knapp 11 000 Frauen und
Männer absolvieren einen freiwilligen
Dienst bei der Bundeswehr.
„Gott sei Dank“ packten Hunderttausende
in den Freiwilligendiensten an,
sagt Bundespräsident Steinmeier, das sei
„großartig“. Aber: „Dieses Engagement
durchzieht unsere Gesellschaft noch nicht
als Ganze.“
Die großen Wohlfahrtsverbände und
Hilfsorganisationen im Land stöhnen
unter der Last der Aufgaben. Mit dem Aussetzen
der Wehrpflicht ist auch der Zivildienst
weggefallen. Ehrenamtliche seien
eingesprungen, sagt die Präsidentin des
Deutschen Roten Kreuzes, Gerda Hasselfeldt.
„Das ändert jedoch nichts an der
Tatsache, dass wir angesichts der aktuellen
Herausforderungen mehr Engagement
brauchen.“
Fragt man die Bürgerinnen und Bürger,
ist eine klare Mehrheit von 59 Prozent
der Meinung, dass jeder Deutsche im
Laufe seines Lebens ein Jahr Dienst an
der Gesellschaft leisten sollte. Je älter die
Befragten, desto klarer die Position. Nur
die Jungen, die ein solcher Dienst am
stärksten in ihrer Lebensplanung treffen
„Ich möchte, dass alle Arbeiten am
Wehrdienstmodell fortgesetzt werden,
damit keine Zeit verloren geht“
Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD)
dürfte, die 18 bis 29Jährigen, die sind
hin und hergerissen: 44 Prozent sind dagegen,
42 Prozent dafür.
So zeigt sich, wo die Konfliktlinie in der
Gesellschaft verläuft: Muss es Aufgabe
der Jungen sein, die Lücken zu füllen?
Ganz oben in der Politik ist das Gesellschaftsjahr
mit gewaltiger Bedeutung aufgeladen
worden – als wäre dies Vorhaben
allein der Schlüssel zu einer besseren
Zukunft. Man muss nur schauen, welche
Erwartungen damit verbunden werden,
nicht nur vom Bundespräsidenten: „Es
schärft emotionale Intelligenz sowie soziale
Kompetenz, es entstehen Freundschaften
– und Demut“, schrieben vor gut einem
Jahr der inzwischen verstorbene frühere
Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble
und Serap Güler (beide CDU) in einem
Debattenbeitrag.
Deren Parteikollege, der hessische
Ministerpräsident Boris Rhein, glaubt,
das Gesellschaftsjahr könne dabei helfen,
„die Segmentierung der Gesellschaft
aufzubrechen, verhärtete Debatten zu
lösen und Menschen zu versöhnen“. Und
CDUGeneralsekretär Carsten Linnemann
erklärt gleich: „Es geht um den
Zusammenhalt der Gesellschaft, aber
(eher) ja
War es ein Fehler, dass die Wehrpflicht
2011 außer Kraft gesetzt wurde?
Abweichung zu 100 %
ist rundungsbedingt
54 34
%
13
(eher) nein
weiß nicht, k. A.
„Jede/r Deutsche sollte im Laufe seines/ihres Lebens
ein Jahr Dienst an der Gesellschaft leisten“
stimme (eher) zu
stimme (eher) zu
Die FOCUS-Umfrage
59 27
%
stimme (eher) nicht zu
14
weiß nicht, k. A.
„Auch berufstätige Deutsche sollten die
Möglichkeit haben, ein Gesellschaftsjahr ableisten
zu können, ohne dass ihr Arbeitsplatz in dieser Zeit
gefährdet wird“
65 19
%
stimme (eher) nicht zu
16
weiß nicht, k. A.
Sollte der Wehrdienst in Deutschland freiwillig
oder verpflichtend sein?
freiwillig
45 41
verpflichtend
%
weiß nicht, k. A.
7 7
ist mir egal
Sollten bei der Einführung der Wehrpflicht auch
Frauen zum Dienst verpflichtet werden?
stimme (eher) zu
44 35
stimme (eher) nicht zu
%
Quelle: Insa
weiß nicht, k. A.
9
12
ist mir egal
FOCUS 50/2024
33
POLITIK
GESELLSCHAFT
„Mit dem Aussetzen der Wehrpflicht
fiel auch der Zivildienst weg.
Das spürten auch wir“
auch um die Persönlichkeitsentwicklung
junger Menschen.“
Und was treibt die an, über die sich die
Politiker gerade so einen Kopf machen?
Anfang Januar meldete sich Paula M.
zum Dienst bei der Bundeswehr. Als man
sie trifft, trägt sie einen schrägen Streifen
auf der Schulterklappe ihrer Uniform. Ihr
Dienstgrad: Gefreiter. „Ich wollte eine persönliche
Challenge, eine Herausforderung,
bei der man merkt, dass man mehr schafft,
als man glaubt“, erzählt sie.
Für 15 Monate hat sie sich verpflichtet.
„15 Monate – und dann bin ich auch wieder
weg“, sagt sie. Sie möchte Landschaftsarchitektur
studieren. Der Weg dorthin
sollte aber nicht direkt vom Abitur an die
Uni führen. Geld spielte bei ihrem Entschluss
für die Bundeswehr auch eine
Rolle: Sie bekommt etwa 1500 Euro netto
im Monat.
Ihr Freundeskreis reagierte durchweg
positiv. Bei Älteren, denen sie von ihren
Plänen erzählte, sei regelrecht Freude aufgekommen.
„Diejenigen, die die Jugend
heute als verkorkst ansehen, haben gesagt:
yeah!“ Die zwölf Wochen der Grundausbildung
waren die härtesten. „Der
erste Marsch über zehn Kilometer war
DRK-Präsidentin Gerda Hasselfeldt
eine Qual: Ich hatte Krämpfe in den Beinen
und war komplett durch“, erinnert
sich Paula. Dann die Nächte in der Stellung
im Wald bei fünf Grad minus, kaum
Schlaf: „Irgendwann sieht man Sachen,
die nicht da sind.“
Der Proviant schlug ihr auf den Magen.
Teils marode Kasernen. Der Schimmel in
den Duschen machte sie krank. Aber jetzt
ist sie angekommen in der Stabs und
Fernmeldekompanie und fühlt sich wohl.
Die Gefreite sagt, sie mache jetzt „kein
krasses Zeug“, aber sie habe gelernt,
Waffen abzufeuern – und zu reinigen, sie
kümmert sich um Ausrüstung und Fuhrpark.
Paula trägt in ihrer Einheit dazu bei,
dass die Bundeswehr funktioniert.
Lieber saubere Duschen als Pflicht
Einen Zwang zum Dienst hält die 20Jährige
für keine gute Idee. Sie habe so
schon genügend Kameraden erlebt, die
nicht mit der Bundeswehr klargekommen
seien. Lieber hätte die Abiturientin sanierte
Unterkünfte und saubere Duschen für
alle, dann wäre die Truppe vielleicht auch
für Freiwillige attraktiver: „Die Bundeswehr
will uns junge Leute. Dann muss sie
uns was bieten.“
Auch Andreas Röder aus der Kita in
Essen hält von einer Pflicht, sich zu engagieren,
wenig. Er sei schon in der Schulzeit
auf der Suche gewesen, was er machen
wolle. Ihm habe das Freiwillige Soziale
Jahr ins Konzept gepasst. Er hat es längst
beendet, ist aber geblieben und macht
inzwischen seine Ausbildung zum Kinderpfleger.
„Für mich war es schön, weil es
sich so ergeben hat“, sagt Röder. Andere,
die ihre Zukunft klarer vor Augen hätten,
sollten nicht durch ein Pflichtjahr in ihrem
Fortkommen aufgehalten werden.
Das Thema wühlt auf. Die Nachwuchsverbände
der Parteien positionieren sich.
Sie wollen nicht zulassen, dass die Älteren
in der Politik, die das Sagen haben,
über die Zukunft der Jüngeren entscheiden.
Bei einer Fraktionsklausur der SPD
Anfang September rebellierten die Jusos
unter Führung von Philipp Türmer gegen
einen weichen Beschlusstext, der nur die
Prüfung einer Dienstpflicht vorsah. Das
war ihnen schon zu viel. Auch die Grüne
Jugend protestiert gegen einen Dienstzwang.
Besonders scharf attackieren die
Jungen Liberalen solche Pläne: „Mottenkiste!“,
sagt deren Vorsitzende Franziska
Brandmann. „Politiker, die diesen Vorschlag
machen, sind der Meinung, Bürgerinnen
und Bürger müssten durch einen
Pflichtdienst zu Anstand erzogen werden.
Das ist übergriffig und wird den Menschen
in diesem Land nicht gerecht.“
In der CDU/CSU hat der Parteinachwuchs
eine erstaunliche Wende hingelegt.
Als Tilman Kuban die Junge Union
von 2019 bis 2022 anführte, wollte er erst
mit den jungen Leuten über eine Dienstpflicht
reden. Sonst müsse man sich nicht
wundern, wenn die Ergebnisse bei den
Erstwählern nicht besser, sondern eher
schlechter würden. Dann aber kam der
Krieg in der Ukraine und ein neuer Mann
an der Spitze, Johannes Winkel. Seither
wollen die Nachwuchspolitiker die Dienstpflicht
– wie die Parteiführung.
Holger BackhausMaul, Soziologe am
Forschungsinstitut Gesellschaftlicher Zusammenhalt,
kann das Aufbegehren der
Jugend nachvollziehen. Er sieht in der
Diskussion um ein Pflichtjahr die Gefahr
eines „Vertrages zulasten Dritter, die entweder
nicht anwesend, weil noch nicht
wahlberechtigt, oder in der Minderheit
sind“. Mehr noch: „Wir übergeben den
jüngeren Generationen die Verantwortung
für die von uns maßgeblich verursachten
großen ökologischen Probleme,
wir hinterlassen soziale Sicherungssysteme,
die nicht wirklich zukunftssicher sind,
eine Demokratie, die längst nicht mehr
so stabil wie einst ist, und jetzt auch
Foto: action press
34 FOCUS 50/2024
ZUSAMMEN ARBEITEN WIR FÜR EINE
NACHHALTIGERE WORLD TOUR
Als offizieller Logistikpartner haben wir Coldplay dabei unterstützt, die Emissionen der World Tour 2023
um 1.078 Tonnen CO 2 e zu reduzieren. Auch 2024 setzen wir auf nachhaltige Flugkraftstoffe (SAF), um die
Emissionen weiter zu minimieren. Mehr Informationen und Tourdaten auf dhl.com/coldplay.
POLITIK
GESELLSCHAFT
„Das Thema Gesellschaftsjahr gehört
ohne große Umschweife direkt
zurück in die politische Mottenkiste“
noch ein Europa mit Krieg.“ Klar ist aber:
Die Entscheidung wird kommen – Pflicht
oder nicht?
Nach dem Ampel-Aus sprechen die Umfragen
dafür, dass CDU/CSU die nächste
Regierung mit großer Wahrscheinlichkeit
anführen werden, ihr mindestens angehören
dürften. Und es ist kein Geheimnis,
dass die glühendsten Anhänger eines
Pflichtdienstes aus der Union kommen.
Sie war es, die das Thema in den vergangenen
Jahren regelmäßig auf die
Tagesordnung gesetzt hat. Große Teile
der Union haderten immer damit, dass
es ausgerechnet die schwarz-gelbe Koalition
unter Kanzlerin Angela Merkel
war, die 2011 die Wehrpflicht
ausgesetzt und damit auch
den Zivildienst faktisch abgeschafft
hat. Im Jahr 2018 wagte
die damalige CDU-Generalsekretärin
Annegret Kramp-
Karrenbauer einen Vorstoß. In
der „FAZ“ skizzierte sie eine
„neue Dienstpflicht“. Das Thema
ließ die Partei fortan nicht
mehr los, auch wenn sie selbst
anfangs hin- und hergerissen
war, ob und wie das denn
Vorsitzende der Jungen Liberalen Franziska Brandmann
LESERDEBATTE
Sind Sie für ein
allgemeines
Pflichtjahr?
Schreiben Sie
uns an
leserbriefe@
focus-magazin.de
überhaupt umzusetzen sei: Dienstpflicht
für alle, also Frauen und Männer? Nur
Dienst in der Bundeswehr oder doch ein
Jahr für die Gesellschaft?
Inzwischen gilt es als ausgemacht, dass
sich Wehr- und Dienstpflicht im Wahlprogramm
des Kanzlerkandidaten wiederfinden
werden. Keine Partei geht bei der
Dienstpflicht so weit wie CDU und CSU.
Bis zur Umsetzung eines verpflichtenden
Gesellschaftsjahres wollen die Christdemokraten
eine sogenannte „Kontingentwehrpflicht“
einführen, heißt es im Programm.
Als Vorbild dient ein Modell aus
Schweden: Dort lässt das Militär alle jungen
Frauen und Männer einen Online-
Fragebogen ausfüllen. Eingezogen
wird dann aber nur
ein geringer Prozentsatz jedes
Jahrgangs. Wenn alle rechtlichen
Hürden genommen
sind, soll nach dem Willen der
Union die Wehr- durch eine
allgemeine Dienstpflicht ersetzt
werden.
Unter Juristen ist umstritten,
ob dieser Plan trägt. Zu klären
ist einerseits, wie man mit Frauen
und der Wehrpflicht umgeht,
denn im Grundgesetz ist der Dienst
noch Männersache. Ob dies vor dem
Verfassungsgericht lange Bestand hätte,
ist fraglich. Außerdem müsste wohl im
Grundgesetz mit einer Zweidrittelmehrheit
Artikel 12 geändert werden.
Dort wird nicht nur Zwangsarbeit
als„unzulässig“ bezeichnet, eine Reaktion
auf die Zwangsarbeit in der NS-Zeit.
Weiter heißt es, dass niemand „zu einer
bestimmten Arbeit gezwungen werden“
darf – „außer im Rahmen einer herkömmlichen
allgemeinen, für alle gleichen
öffentlichen Dienstleistungspflicht“.
Jurist Patrick Heinemann aus Freiburg:
„Darunter fallen in der Regel nur Arbeitspflichten,
die bereits vor dem Nationalsozialismus
bestanden, wie etwa die Pflicht,
beim Deichschutz zu helfen.“Und darüber
hinaus steht dann noch im Raum, ob
ein Zwangsdienst mit internationalem
Recht vereinbar ist. Zwischenfazit: Es
dürfte juristisch sehr schwierig werden
mit einem gesellschaftlichen Pflichtjahr.
Aber das bedeutet nicht, dass alles so
bleibt. Sollten SPD und Union die nächste
Regierung stellen, dann dürfte mit ziemlicher
Sicherheit zumindest der Einstieg
in eine Rückkehr zur Wehrpflicht kommen.
Verteidigungsminister Boris Pistorius
(SPD) will wieder alle jungen Männer
erfassen, die für einen Militärdienst infrage
kommen. Sie sollen verpflichtet werden,
einen Fragebogen zu ihrer Bereitschaft
und ihren Fähigkeiten auszufüllen.
Frauen bekommen den Bogen auch, werden
aber nicht gezwungen, die Fragen
zu beantworten. Von denen, die zur Bundeswehr
wollen und geeignet erscheinen,
sollen in einem ersten Schritt 5000 zusätzliche
Wehrdienstleistende rekrutiert werden.
Die Ampel hätte das gerne noch auf
den Weg gebracht, aber dann zerbrach
das Bündnis.
Bei den Wohlfahrtsverbänden und
Hilfsorganisationen sieht man in Pistorius’
Modell einen Anknüpfungspunkt.
Wenn schon perspektivisch alle Schulabgänger
angeschrieben würden, dann
könnte darin auch über die Freiwilligendienste
informiert werden. Rotes-Kreuz-
Präsidentin Gerda Hasselfeldt würde
auch das „Taschengeld“ auf den BAföG-
Satz anheben, auf dann 992 Euro. Knapp
drei Milliarden zusätzlich, und man könnte
bis 2030 die Zahl der Einsatzstellen auf
200 000 verdoppeln. Dies ist das Angebot
für eine schnelle Lösung ohne Pflicht. Für
einen Anfang ohne Aufstand. 7
FELIX HECK / JAN-PHILIPP HEIN / LUKAS
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36 FOCUS 50/2024
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MEINUNG
Eine Sprache wie in der Männerumkleide
Die FDP-Politikerin Susanne Seehofer kritisiert Indiskretionen in ihrer Partei nach dem
Ampel-Aus. Und wünscht sich eine ernsthafte Debatte über die Zukunft des Landes
Noch bis in die ersten
Novembertage hinein
hatte ganz Deutschland
gehofft, der Ampel
mögen die Lichter
ausgehen. Gedankenspiele
darüber hatten allseits begonnen,
zumal die Koalition massiv
an Zustimmung verlor. FDP
und SPD geben mittlerweile
gerne zu, seit dem Sommer
Überlegungen angestellt zu
haben über ein vorzeitiges
Ende. Und das kann niemanden
überraschen. Solche Gedanken
waren nötig, richtig
und professionell.
Einzig peinlich für die FDP
ist dabei, dass ein Papier für
den rein internen Gebrauch
sowie Zitate aus internen
Sitzungen den Weg an die Öffentlichkeit gefunden haben.
Zudem ist dieses Papier teils in einer Sprache und Form verfasst,
die man eher auf dem Schulhof erwartet, in der Männerumkleide
oder beim Fahnenjunker-Lehrgang. Das war fahrlässig.
Hinzu kommt, dass trotz aller Gedanken über bestmögliche
Narrative nun für die FDP ein sehr ungünstiges Szenario
eingetreten ist. Da war es richtig, rasch Konsequenzen
zu ziehen. Zwei Verantwortliche sind zurückgetreten. Welche
andere Partei macht so schnell derart reinen Tisch?
Wer die FDP jetzt allerdings zum Paria der deutschen Politik
erklären will, macht sich der künstlichen Empörung verdächtig.
Das gilt für politische Wettbewerber genauso wie für mediale
Kommentatoren. Deutschlands Probleme gipfeln nicht im
pubertären Vokabular eines internen Arbeitspapiers.
Gleichwohl müssen wir Politiker der demokratischen Mitte
alle miteinander wieder mehr über die Herausforderungen des
Landes reden als über die eigene Selbstvermarktung.
Sonst wird es nicht gelingen, Vertrauen in der Bevölkerung
zurückzugewinnen sowie die extremen Parteien
rechts und links zu schwächen.
Wir müssen davon wegkommen, alles in der Politik
inszenieren zu wollen. Wir brauchen wieder Kanzler,
die am Ende eines gescheiterten Koalitionsausschusses
nicht eine von drei möglichen Redevarianten vom Teleprompter
ablesen müssen. Wir brauchen wieder Parteiapparate
und Gremien, die miteinander sprechen können,
ohne dass Vertrauliches nach außen dringt.
Bei allem Kampf um breite Zustimmung und positive
Tonalität ist aber auch wieder mehr Mut zum Unterschied
nötig – und die Fähigkeit, andere Meinungen
Von Susanne Seehofer
Mitglied im Landesvorstand der FDP Bayern
Analyse zum D-Day Bei „Caren Miosga“ versuchte FDP-Parteichef
Christian Lindner, die Fehler seiner Partei zu rechtfertigen
Susanne
Seehofer, 33,
Tochter von Ex-
CSU-Chef Seehofer
will für die FDP
in den Bundestag
auszuhalten. Viel zu oft verlagert
sich die politische Debatte
in persönliche Nebensächlichkeiten
oder auf die Goldwaage
für angreifbare Begrifflichkeiten.
Es fällt eben viel leichter,
das Argument des anderen
nieder zu spötteln, als darzulegen,
warum man selbst richtig
liegt. Es ist so viel einfacher,
aus einem verunglückten Strategiepapier
den vermeintlich
verkommenen Charakter einer
Partei herzuleiten, als tragfähige
Lösungen für Deutschlands
Wirtschaftskrise zu erarbeiten.
Daraus leitet sich zweierlei
ab: Es lohnt sich die kleine
Mehrarbeit, auch interne Papiere
sprachlich so aufzusetzen,
dass man sie ohne Schamesröte
der eigenen Großmutter vorlesen könnte – vielleicht
ein Punkt, an den Frauen eher denken als Männer. Es lohnt
sich darüber hinaus, intern wie extern, mehr über politische
Inhalte zu debattieren als über deren Vermarktung. So entsteht
Glaubwürdigkeit. Natürlich hat Politik viel mit Überzeugungsarbeit
zu tun. Aber wenn die Darstellung von Politik wichtiger
wird als die Politik selbst, entsteht ein Missverhältnis.
Die Ampel war ein politisches Experiment, das mit einem
großen Knall endete. Gescheitert ist diese Koalition aber nicht
an mangelnder Kompromissfähigkeit, sondern an zu vielen,
für alle Seiten zu schmerzhaften und in ihrer Wirkung zu kosmetischen
Kompromissen.
Am wichtigsten sind jetzt nicht Wahlgeschenke. Am wichtigsten
ist, dass wir wieder in einem Staat leben, dem die Dinge
gelingen. In dem Züge pünktlich ankommen, in dem Internet
auch außerhalb großer Städte schnell ist. Ein Land, in dem
Schulen kein Sanierungsfall sind, Kinderbetreuung
kein Luxusgut ist. Ein Staat mit sozialem Herzen und
wirtschaftlichem Verstand. Politiker sollen Bürgerinnen
und Bürgern das Leben erleichtern – nicht umgekehrt.
Liberalismus, wie ich ihn verstehe, heißt: Weder
der Staat noch die Geburtslotterie zeichnen den eigenen
Lebensweg vor.
Die Basis für all dies bildet eine blühende Volkswirtschaft.
Wir brauchen spürbare Entlastungen und Bürokratieabbau.
Wir müssen verhindern, dass die nächste
Regierung die strukturellen Probleme dieses Landes
wieder mit höheren Steuern und höheren Schulden zuschüttet.
Die Bequemlichkeitspolitik der Ära Merkel,
die Olaf Scholz fortsetzen wollte, muss 2025 enden. 7
Fotos: IMAGO/Uwe Koch, Robert Haas/dpa
38 FOCUS 50/2024
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POLITIK
„Kein Feigenblatt“
Er ist das neue soziale Gewissen der CDU. Dennis Radtke
über Schmutzkampagnen, falsche Wortwahl bei
der Union – und wofür er Friedrich Merz dankbar ist
Der Mann
fürs Soziale
Ruhrpottler
Dennis Radtke wird 1979 in
Bochum geboren, lernt dort
Industriekaufmann
Abgeordneter
Nach kurzer Zeit in der SPD
tritt Radtke der CDU bei.
Er sitzt im Europaparlament
Sozialpolitiker
Seit diesem Herbst führt
der 45-Jährige den Arbeiterflügel
der CDU an
Zeitenwende bei der Union Nach 19 Jahren löste Dennis Radtke (l.) Karl-Josef Laumann
als CDA-Chef ab. Eine neue Herausforderung auch für Parteichef Friedrich Merz (M.)
INTERVIEW VON FELIX HECK
Die Union müsse in Gerechtigkeitsfragen
„besser aufgestellt“
sein, formulierte Friedrich
Merz, noch bevor ihn die
Mitglieder zum Vorsitzenden
wählten. Inzwischen steht
der 69-jährige Jurist seit 1041
Tagen an der Spitze der CDU, könnte sie
im Februar zurück an die Macht bringen.
Was ist aus seiner Forderung geworden?
FOCUS fragt nach beim inoffiziellen
Arbeiterführer der Union, Dennis Radtke.
Der neue Vorsitzende der Christlich-
Demokratischen Arbeitnehmerschaft
(CDA) lobt seinen Parteichef für dessen
inhaltlichen Kompass, warnt aber
zugleich vor einer „falschen Tonlage“.
Die SPD behauptet, Friedrich Merz sei ein
gefühlskalter Eisblock. Dem müssten Sie als
Sozialpolitiker eigentlich zustimmen, oder?
Nein, wieso? Friedrich Merz ist Vater
von drei Kindern, Opa von sieben Enkelkindern.
Da kann man gar kein Eisblock
sein. Natürlich sind die Sozialdemokraten
sehr bemüht darum, ihn in diese Schublade
zu stecken. Ich selbst nehme Friedrich
Merz aber ganz anders wahr.
Die SPD sagt: Friedrich Merz ist ein beinharter
Kapitalist mit Privatflugzeug.
Er ist Sportflieger. Im Übrigen sollte man
Friedrich Merz an seinen Ideen und seinem
Handeln messen und nicht an seinen
Hobbys. Ich würde mich unter einem
Hobby piloten Merz mit klarem Kurs wohler
fühlen als weiter unter einem Bruchpiloten
Scholz im Blindflug.
Im Wahlkampf der CDU kommen bislang
vor allem wirtschaftsliberale Stimmen
zu Wort. Wo bleibt da die Sozialpolitik?
Die CDU tut gut daran, wenn wir im
Wahlprogramm unser soziales Profil schärfen
und es selbstbewusst zeigen. Aber egal,
wer gerade besonders öffentlich zu hören
ist: Der Wahlkampf ist bald wieder vorbei,
und dann werden wir als CDA immer noch
da sein. Die Partei braucht uns! Wir sind
keine Wahlprogramm-Erstellungsmaschine
und kein Feigenblatt, sondern bleiben
eine starke Vertretung der Arbeitnehmerinnen
und Arbeitnehmer.
Insbesondere unser Rentensystem benötigt
eine Reform. Werden wir da vor der Wahl
noch ein CDU-Konzept erwarten können?
Viel wichtiger ist mir die Frage: Was
kommt nach der Wahl? Jetzt im Wahlkampf
heißt es zunächst, sich gegen die
Lügenkampagne der SPD zu wehren. Für
Fotos: Markus C. Hurek, CDA
40 FOCUS 50/2024
UNION
mich ist klar: Niemand muss Angst haben,
unter der CDU Rentner zu werden oder
zu sein, egal was das Willy-Brandt-Haus
an Schmutz verbreitet. Ich bin Friedrich
Merz sehr dankbar, dass er das noch einmal
klargestellt hat: Mit ihm als Bundeskanzler
wird es keine Rente mit 70 geben.
Viele CDUler wünschen sich aber eine
Rentenreform. Was halten Sie für möglich?
Schon im Bundestagswahlkampf 2021
hat mein Vorgänger Karl-Josef Laumann
eine Zusatzrente für Geringverdiener vorgeschlagen.
Das halte ich nach wie vor für
sinnvoll. Riester ist für Niedriglohnempfänger
krachend gescheitert.
Wie wollen Sie darüber hinaus sicherstellen,
dass von Merz’ Steuerplänen
nicht nur Unternehmer profitieren?
Die Unternehmenssteuerreform ist das
eine. Wir brauchen zusätzlich eine Abflachung
des Mittelstandsbauches in der Einkommenssteuer.
Der Spitzensteuersatz
muss deutlich später greifen. Es ist doch
ein Witz, dass die oberen Tarifgruppen
in der Industrie mittlerweile schon unter
den Spitzensteuersatz fallen. In dem Punkt
sind Friedrich Merz und Carsten Linnemann
aber sehr klar. Beide wollen nicht
nur Unternehmen entlasten, sondern auch
Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer.
SPD und Grüne wollen noch vor der Wahl
an die kalte Progression ran, bräuchten
dafür aber die Union. Müsste Ihre Partei
einem solchen Gesetz nicht zustimmen?
Es sind noch elf Wochen bis zur Wahl.
Die Abschaffung der kalten Progression
kann eine neue Bundesregierung im Zweifelsfall
auch rückwirkend beschließen. Ich
wüsste nicht, warum die Union ausgerechnet
jetzt der gescheiterten Ampel-Koalition
beispringen sollte. Es braucht im Übrigen
eine dauerhafte Lösung, wie zum Beispiel
einen Steuertarif auf Rädern, der die kalte
Progression dauerhaft verhindert.
Sie raten Ihrer Partei, ein Gesetz abzulehnen,
auch wenn es eine CDU-Position beinhaltet?
Natürlich ist nicht auszuschließen, dass
SPD und Grüne uns an der einen oder
anderen Stelle noch mit solchen Initiativen
locken wollen. Ganz nach dem Motto:
Dann gucken wir doch mal, ob die Union
den Arsch in der Hose hat, gegen ihre
eigenen Positionen zu stimmen. Ich halte
das für ein Wahlkampfmanöver, auf das
wir nicht eingehen sollten.
Die Zukunft des Mindestlohns war bis zuletzt
ein Streitthema in der CDU. Konnten
Sie sich mit dem Wirtschaftsflügel einigen?
Ja! Wir werden uns im Wahlprogramm
sehr klar zum Mindestlohn positionieren.
Mein Austausch mit der MIT-Chefin Gitta
Connemann dazu war gut und lösungsorientiert.
Wir arbeiten gut zusammen.
Und wie lautet diese Position?
Die paritätisch besetzte Mindestlohnkommission,
übrigens eine Idee der CDU,
arbeitet derzeit an einer neuen Geschäftsordnung.
Dort hat man begriffen, dass es
so nicht weiter gehen kann. Wir haben als
CDU kein Interesse, in jedem Wahlkampf
immer wieder in einem Überbietungswettbewerb
zu landen. Deshalb ist es wichtig,
dass die Mindestlohnkommission sich jetzt
reformiert. Wenn die Mindestlohnkommission
jetzt nicht handelt, dann wird sie
behandelt. Nutzt diese letzte Chance!
Sie wollen der Union ein soziales Profil
geben. Wie lässt sich das mit den Plänen
der Partei vereinen, das Bürgergeld umzubenennen
und deutlich abzusenken?
Erst mal: Eine Bürgergeld-Reform ist
nicht zwangsläufig unsozial und empathielos.
Trotzdem müssen wir uns die Frage
stellen, welchen Ton wir anschlagen wollen.
Die Union darf Bürgergeld-Empfänger
nicht stigmatisieren. Es darf nicht der
Eindruck entstehen, die Debatte um das
Bürgergeld sei für uns eine Art Klassenkampf
von oben. Das wäre fatal.
Was meinen Sie damit?
Ein Beispiel: Die Gruppe der Totalverweigerer
unter den Bürgergeld-Empfängern
ist sehr klein. Trotzdem sprechen
einige besonders gern über genau diese
Gruppe. Da müssen wir aufpassen, dass
wir nicht zu sehr verallgemeinern. Aber
noch mal: Es ist nicht per se unsozial, über
Veränderungen im Bürgergeld-System zu
sprechen. Im Gegenteil, die sind nötig!
Zu welchem Ton würden Sie Ihrer Partei in
der Diskussion um Totalverweigerer raten?
Totalverweigerer sind eine überschaubare
Gruppe, die sich zu Unrecht auf die
Solidarität der Gemeinschaft stützt. Das
muss aufhören. Klar ist aber auch: Viele
Langzeitarbeitslose haben multiple Vermittlungshemmnisse,
psychische Erkrankungen
etwa. Diese Probleme lassen sich
nicht einfach durch ein bisschen mehr
Sanktionen wegdrücken.
Was braucht es stattdessen?
Wir müssen intensiv über die Qualität
unserer Jobvermittlung reden. Haben wir
in den Jobcentern denn überhaupt genügend
qualifizierte Sachbearbeiter, die mit
vermittlungsgehemmten Arbeitslosen
umgehen können? Diese Frage gehört für
mich zu einer ganzheitlichen Debatte über
das Bürgergeld zwingend dazu.
Seit September sind Sie nun CDA-Chef. Wie
wollen Sie Ihre Partei in diesem Amt prägen?
Die CDU muss Volkspartei bleiben. In
der Union müssen Arbeitnehmerinteressen
genauso Gehör finden wie Arbeitgeberinteressen.
Wenn wir uns nur noch um
eine der beiden Gruppen kümmern, dann
sind wir keine Volkspartei mehr, sondern
Klientelpartei. Und dann drohen uns auch
Wahlergebnisse wie einer Klientelpartei.
Mit der Wahl scheiden CDA Schwergewichte
wie Hermann Gröhe aus. Nachrücken werden
vor allem junge Wirtschaftsliberale ...
... auch unter den jungen CDU-Politikern
sind nicht alle gleich. Aber Fakt
ist: In den vergangenen Jahren hat sich
in der Partei ein Ungleichgewicht zwischen
dem Wirtschafts- und dem Sozialflügel
entwickelt. Karl-Josef Laumann ist
der Einzige im CDU-Präsidium, der keinen
Mitgliedsbeitrag an die Mittelstandund
Wirtschaftsunion zahlt. Ich will das gar
nicht bejammern und beklagen. Wir wollen
auch keine CDA-Quote in den Gremien!
Aber in einer solchen Situation ist die
Führung der Partei besonders gefordert.
Inwiefern?
Die Parteispitze muss sicherstellen, dass
der Arbeitnehmerflügel der Partei sichtbar
eine Rolle spielt und ab und an auch einen
Pokal nach Hause bringt. Unser historischer
Trophäenschrank ist voll, aber wir
wollen nicht nur von einer glorreichen Vergangenheit
leben. Auf lange Sicht darf
eben nicht der Eindruck entstehen, wir bei
der CDA wären nur so ein paar Meckerköppe,
die das Parteigeschehen kritischkonstruktiv
aus der Loge kommentieren.
Aus unseren Positionen muss auch konkrete
Politik werden.
Was genau fordern Sie von der Parteispitze?
Die Zusammenarbeit mit der Parteiführung
ist gut. Wenn ich ein Anliegen habe,
dann melde ich mich bei Friedrich Merz
oder Carsten Linnemann und bekomme
eine Reaktion. Und zwar nicht vier Wochen
später von einem Referenten, sondern
direkt und persönlich. Es geht mir eher
um die perspektivische Herausforderung.
Wie meinen Sie das?
Wie stellen wir sicher, dass sich Arbeiterinnen
und Arbeiter in unserer Partei zu
Hause fühlen? Ich denke dabei auch an
sozial Schwache. Jüngst schrieb mir ein
Bürgergeldempfänger, der CDU und CDA-
Mitglied ist und sich nun fragt, inwiefern er
Wahlkampf für seine Partei machen kann,
obwohl die seine Lebenssituation permanent
kritisiert. Das zeigt, dass es Menschen
gibt, die sich in der CDU heimisch, aber
eben nicht genug repräsentiert fühlen.
Darüber müssen wir ehrlich diskutieren.
Wie wollen Sie sicherstellen, dass die CDA in
einer möglicherweise unionsgeführten Bundesregierung
ausreichend repräsentiert ist?
Das kann am Ende nur einer bewirken,
und der heißt Friedrich Merz.
Und dem haben Sie Vorschläge gemacht?
(lacht) Ich glaube, Friedrich Merz kennt
die Leute alle schon. 7
FOCUS 50/2024 41
MEINUNG
Der andere Trump
Seine Nahostpolitik könnte dem künftigen US-Präsidenten
einen Platz in der Geschichte sichern, mit dem er nicht gerechnet hat
Von Thomas L. Friedman
Kolumnist der „New York Times“ und Pulitzer-Preisträger
Endet mit Donald
haben könnte. Das Bedürfnis
nach einem bahnbre-
Trumps Rückkehr ins
Präsidentenamt der
chenden Abkommen ist
Druck der USA auf
enorm. Es wird aber nur
Israelis und Palästinenser,
gelingen, wenn Trump diese
eine Zweistaatenlösung
anzustreben? Nicht unbedingt:
Es kommt darauf an, welcher
Donald Trump ins Weiße Haus
einzieht.
Ist es jener Trump, der gerade
mit Mike Huckabee einen
Befürworter der israelischen
Annexion des Westjordanlandes
zu seinem neuen Botschafter
in Jerusalem ernannte?
Oder eher der Trump, der
zusammen mit seinem Schwiegersohn
Jared Kushner den
detailliertesten Plan für eine
Zweistaatenlösung seit Bill
Clintons Regierung ausgearbeitet
und veröffentlicht hat?
Stiften sie Frieden im Nahen Osten? Trump hätte zumindest eine große Chance, mit
Israels Premier Netanjahu (l.) und den Palästinensern einen Durchbruch zu erzielen
Riesenchance ergreift
und richtig nutzt.
Er hat einen Ansatzpunkt:
seine Vision einer
Zweistaatenlösung, die
er als „Plan für Frieden,
Wohlstand und eine bessere
Zukunft für Israel und
die Palästinenser“ im Januar
2020 präsentierte. Keine
der beiden Seiten wird
diesen Plan so akzeptieren,
wie er derzeit verfasst
ist, zudem erschweren
der Angriff der Hamas
vom 7. Oktober 2023 und
der Krieg in Gaza jedes
Abkommen enorm. Aber
Ganz recht: Tatsächlich legte Trump als einziger US-Präsident
einen genauen Plan für die Koexistenz von Israelis und
Palästinensern vor. Sollte er diese Initiative wieder aufleben
lassen, könnte er als der Präsident im Gedächtnis bleiben, der
Israel als jüdische Demokratie bewahrte – und darüber hinaus
dazu beitrug, einen sicheren palästinensischen Staat zu
schaffen. Sollte er jedoch den mit der Huckabee-Nominierung
eingeschlagenen Weg fortsetzen, wird er höchstwahrscheinlich
als der Präsident in die Geschichte eingehen, der
das Ende der jüdischen Demokratie einläutete – und jede
Hoffnung auf einen Palästinenser-Staat zunichtemachte. Mag
sein, dass sich Trump gar nicht für die jüdische oder palästinensische
Geschichte interessiert, aber die jüdische und
palästinensische Geschichte wird sich für ihn interessieren.
Mein letztes Gespräch mit ihm ist vier Jahre her. Damals
rief er mich an, um sich für meine positive Einschätzung des
Abraham-Abkommens zu bedanken, das den Weg für einen
historischen Frieden zwischen Israel und den Vereinigten
Arabischen Emiraten, Bahrain, Sudan und Marokko ebnete.
Man kann über Trump sagen, was man will (und es gibt eine
Menge zu sagen), aber er hat ein Faible für große Deals, die
geschichtsträchtige Folgen haben können.
Kürzlich verbrachte ich eine Woche in Israel und den Vereinigten
Arabischen Emiraten und sprach mit Politikern, Militärangehörigen
und Wirtschaftsführern, mit Juden, Palästinensern
und Arabern darüber, was Trump diesmal in ihrer Region vor-
Trumps Vision könnte ein Anstoß sein für israelisch-palästinensische
Verhandlungen nach dem Krieg.
Der damalige Plan hätte Israel erlaubt, etwa 30 Prozent des
Westjordanlandes zu annektieren; dort, wo die Mehrheit der
jüdischen Siedler lebt, während im übrigen Gebiet ein entmilitarisierter
palästinensischer Staat im Westjordanland und
im Gazastreifen entstehen sollte. Trump schlug vor, Gaza auf
Gebiete in der israelischen Negev-Wüste auszudehnen, um
die Palästinenser für einen Teil des Territoriums zu entschädigen,
das sie im Westjordanland aufgeben müssten. Es handelte
sich dabei nicht um einen Eins-zu-eins-Gebietstausch, wie
ihn die Palästinenser gefordert hatten, sondern eher um einen
Eins-zu-zwei-Landtausch. Das ist zwar kein Plan, den ich vorgelegt
hätte, auch weil er ohne Beteiligung der Palästinenser
entwickelt wurde – aber es war ein Anfang.
Trump schlug außerdem vor, Gaza und das Westjordanland
durch ein Netz aus Straßen und Tunneln zu verbinden – allerdings
erst dann, wenn die Hamas nicht mehr den Gazastreifen
kontrolliert. Die palästinensische Hauptstadt läge dann
am Stadtrand von Jerusalem.
Nochmals: Trumps damaliger Plan müsste auf die heutige
Zeit angepasst werden. In seiner derzeitigen Form hätte er
keine Chance, von einer der beiden Seiten akzeptiert zu werden.
Aber darum geht es nicht. Viel wichtiger ist, dass dieser
Plan alle zentralen Bestandteile enthält, um Gespräche
anzustoßen. Er besagt für beide Seiten: Zwei Staaten für zwei
Fotos: Doug Mills/The NewYorkTimes/Redux/laif, The Asahi Shimbun via Getty Images
42 FOCUS 50/2024
Copyright: New York Times
indigene Bevölkerungen sind die einzige stabile Lösung, einschließlich
eines Gebietstauschs und den einvernehmlichen
Sicherheitsgarantien.
Benjamin Netanjahu und sein damaliger Botschafter in den
USA, Ron Dermer, begrüßten Trumps Ansatz einerseits, doch
Israels Premierminister legte den Plan seinem Kabinett nie
offiziell vor. Stattdessen versuchte Netanjahu einfach, Teile
des Gebiets zu annektieren, das Trump Israel zugedacht hatte
– und Trump stoppte ihn. Dann kündigten die Vereinigten
Arabischen Emirate an, man werde die Beziehungen zu Israel
normalisieren, sollte Netanjahu seinerseits garantieren, das
Westjordanland nicht einseitig zu annektieren.
So kam das Abraham-Abkommen zustande.
Aber es war nur ein Trostpreis, zwar ein durchaus
nützlicher, aber eben nicht der Jahrhundertdeal,
den Trump anstrebte.
Sollte es nun also zu einem Waffenstillstand
und Geiselaustausch in Gaza kommen, so
hoffe ich, dass Trump diese zweite Chance
nutzt und beide Seiten zu einem Friedensgipfel
nach Camp David einlädt. Die Teilnahme
sollte an das Versprechen geknüpft sein, den
Trump-Plan als Verhandlungsbasis zu
akzeptieren. Ist er dazu in der Lage? Ich weiß
es nicht.
Was ich aber weiß, ist, dass Trump mit seinem
Vorstoß beiden Parteien signalisieren würde:
Ich warte nicht, bis Ihr irgendwann die
Initiative ergreift. Denn die Eindämmung dieses
Konflikts ist für die USA von fundamentalem
Interesse, bevor wir noch tiefer in einen
Nahostkrieg hineingezogen werden. Und
wir wissen, dass Trump keine Kriege im Nahen
Osten mag.
Es wäre auch ein Signal, dass Trump derjenige ist, der die
strategische und politische Agenda vorantreibt und nicht die
rechten Befürworter der israelischen Siedlungspolitik. Sollten
sie die Vorgehensweise der Trump-Regierung bestimmen,
dann viel Glück dabei, allein das Abraham-Abkommen umzusetzen,
geschweige denn, es auf Saudi-Arabien auszudehnen.
Trump würde Amerika im Nahen Osten und in der Welt isolieren.
Machen wir uns keine Illusionen: Die rechtsextremen
Christen und Juden, die das Westjordanland und den Gazastreifen
annektieren wollen, werden Israel zu Tode lieben –
indem sie rund sieben Millionen Juden auffordern, für immer
die Kontrolle über etwa sieben Millionen Araber in Israel, dem
Westjordanland und dem Gazastreifen zu behalten.
Präsident Biden ist ein redlicher Mann, der sein Bestes
gab, um Israel nach dem Hamas-Angriff mit
Waffen zu beliefern und diplomatisch zu unterstützen.
Aber Biden hat im Hinblick auf die US-Interessen
einen großen Fehler gemacht. Er hat der Welt
nie den umfassenden Friedensplan präsentiert, den er hinter
den Kulissen vorbereitete: Saudi-Arabien erhält darin Sicherheitsgarantien
von den USA und nimmt im Gegenzug diplomatische
Beziehungen mit Israel auf. Netanjahus Regierung
wiederum verhandelt mit der Palästinensischen Autonomiebehörde,
die dem Osloer Abkommen über eine Zweistaatenlösung
zugestimmt hat.
Biden ließ sich von Netanjahu einfach vorführen, der einen
solchen Deal aus der Öffentlichkeit heraushielt. Denn Bibi
wusste, dass er ihn entweder hätte akzeptieren müssen, was
Trump legte als
einziger Präsident
einen genauen Plan
für die Koexistenz
von Israelis und
Palästinensern vor
Thomas L. Friedman
den Bruch der israelischen Regierungskoalition bedeutet
hätte, herbeigeführt von den fanatischen jüdischen Extremisten
in seinem Kabinett. Oder er hätte Biden mit seinem Plan
öffentlich brüskieren müssen. Netanjahu spielte auf Zeit und
stellte sein eigenes politisches Überleben über die Interessen
Israels.
Doch Amerika und die Juden in Israel und außerhalb
haben einen hohen Preis dafür bezahlt, dass Biden keinen
Plan veröffentlichte. Warum? Es war von Anfang an klar, dass
der Gazakrieg eine beträchtliche Zahl ziviler Opfer fordern
würde, weil die Hamas gezielt Raketen und Kampfflugzeuge
in Häusern, Moscheen und Krankenhäusern versteckte. Seit
die Hamas diesen Krieg begann, gab es Zehntausende
Tote in Gaza.
Und heute, 14 Monate später – ohne einen
israelischen oder US-amerikanischen Plan für
„den Tag danach“ und mit den Bildern von der
Zerstörung in Gaza, die stündlich über die sozialen
Medien verbreitet werden – haben sich viele
junge Menschen auf der ganzen Welt gegen
Israel und Amerika gewandt. Für sie scheint es,
als ob Israel allein um des Tötens willen in Gaza
tötet. Und ich will mir gar nicht die weltweiten
Reaktionen ausmalen, wenn erst die internationale
Presse ohne Beschränkungen durch die
israelische Armee nach Gaza einreisen und die
Zerstörung aus der Nähe ansehen darf.
Israel war seit Kriegsbeginn nie militärisch
stärker, gleichzeitig aber auch nie so isoliert.
Umfragen zeigen, dass der Krieg Kamala Harris
bei vielen jungen Wählern in Michigan Stimmen
kostete, weil sie nie überzeugend vermitteln
konnte, dass die Biden-Harris-Regierung Waffen
nach Israel lieferte, um die Hamas zu besiegen
und einen (existierenden) US-Plan für die Zweistaatenlösung
umzusetzen. Kein Plan, keine Zuhörer, keine Wähler.
Wenn Trump seinen Vorschlag nun wieder aufleben ließe,
würde er der Welt signalisieren, dass Israel keinen Blankoscheck
erhält, unbegrenzt in Gaza weiterzukämpfen, ohne
einen eigenen glaubwürdigen Plan für die Zeit danach. Es
wäre auch ein Signal an die Palästinenser, endlich eine vernünftige
Verhandlungsstrategie vorzulegen, bei der es nicht
nur darum geht, sich zu beschweren. Und es wäre eine deutliche
Botschaft an Teheran, dass Trump beabsichtigt, Iran militärisch
und diplomatisch zu isolieren, indem er, wie er es in
seinem Plan ausdrückte, „die ‚Palästinenser‘ in ihrem legitimen
Bestreben nach Selbstverwirklichung“ unterstützt, wenn
sie ihrerseits einen stabilen Frieden mit Israel schließen.
Als ich kürzlich vor Ort mit israelischen Juden und Arabern
sowie Palästinensern im Westjordanland sprach, erkannte ich
eine Gemeinsamkeit: Sie alle sind von diesem Krieg erschöpft
und die besten Köpfe auf beiden Seiten denken darüber
nach, ihn hinter sich zu lassen. Wie Hani Alami, ein palästinensischer
Telekommunikationsunternehmer aus Jerusalem,
der mir sagte: „Diejenigen auf beiden Seiten, die gehen wollen,
sind diejenigen, die in Frieden leben wollen, und diejenigen,
die bleiben wollen, sind diejenigen, die am ehesten weiterkämpfen
wollen.“ Überraschen Sie sie doch, designierter
Präsident Trump!
Zumindest werden Sie erstaunt sein, was für eine Debatte
Sie unter Palästinensern und Israelis auslösen. Im besten Fall
könnte ein Platz in den Geschichtsbüchern für Sie reserviert
sein, mit dem Sie nicht gerechnet haben. 7
FOCUS 50/2024
43
POLITIK
Libertärer Messias
Javier Milei, 54, ist seit
dem 10. Dezember 2023
Präsident Argentiniens –
er bezeichnet sich als
„Anarchokapitalisten“
Das Jahr der Kettensäge
Mit unorthodoxen Methoden unterzieht Präsident Javier Milei Argentinien einer
Schocktherapie, die auch Politikern in Deutschland gefällt. Aber wirkt sie denn?
TEXT VON ANDREAS FINK
Spricht Javier Milei über sein
Werk, dann gerne in epochaler
Dimension. Argentinien
stehe „die beste Zeit seit
100 Jahren“ bevor, verkündete
der Präsident kürzlich.
Unternehmer sollten „auf
den Zug des Fortschritts aufspringen“,
denn ab jetzt werde alles nur noch besser.
Ein Jahr ist er nun im Amt. Ein Jahr,
das mit düsteren Prognosen begann. Und
das mit einem Boom an den Börsen endet.
Milei, der Wirtschaftsprofessor und vormalige
TV-Kommentator, der seinen Lieblingshund
klonen ließ, der Lederjacken
trägt und sich wie Elvis Presley frisieren
lässt, übernahm am 10. Dezember 2023
einen Staat „am Rande des Abgrunds“,
wie er sagte – mit einer Wirtschaft, die seit
zwölf Jahren nicht gewachsen war. Deren
Devisenreserven nicht nur vollkommen
erschöpft waren, sondern sogar um elf
Milliarden im Minus lagen. Importeure
schuldeten ausländischen Lieferanten fast
54 Milliarden Dollar, also rund zehn Prozent
der gesamten Wirtschaftsleistung.
Im Dezember 2023 wuchs die Inflation
auf 211 Prozent.
Mit libertären Ideen gegen den Staat
Milei trat an, um all das zu stoppen. Im
Wahlkampf, eine Kettensäge schwingend,
versprach er eine radikale Sparpolitik,
um den Absturz in die Hyperinflation
zu verhindern. Er schwor, das Dickicht
der Regularien und der Bürokratie zu
entzerren. Denn sein wichtigstes Ziel als
selbsterklärter „Anarchokapitalist“ ist,
den Staat maximal zurückzudrängen –
nur noch für die Verteidigung und innere
Sicherheit werde er gebraucht. Den Rest
soll der Markt richten.
„Ich bin wie ein Maulwurf, der den Staat
von innen aushöhlt“, sagte Milei. Beim
Weltwirtschaftsforum in Davos wurde er
jedenfalls für seine libertären Ideen gefeiert,
die auch den Liberalen gefallen – etwa
FDP-Chef Christian Lindner, der meint,
etwas mehr Milei würde auch Deutschland
nicht schaden, ihn beeindrucke
jedenfalls dessen „Kraft zur Disruption“.
Doch Mileis Erfolge begeistern nicht
nur seine Fans. Die in einem Jahr seiner
Regierung erzielten Resultate erstaunen
selbst seine Kritiker.
So konnte Milei die Teuerungsrate fast
halbieren, obwohl er viele vormals gede-
Fotos: AP Photo/Natacha Pisarenko, AP Photo/Rodrigo Abd
44 FOCUS 50/2024
ARGENTINIEN
Solch ein brutales Wirtschaftstief war zu
befürchten, nach Jahrzehnten staatlicher
Eingriffe in das Preisgefüge. Darum zeigen
die Argentinier trotz aller Härten
immer noch Verständnis für das rabiate
Vorgehen Mileis. Tatsächlich ist er der
erste Staatschef seit 20 Jahren, dessen
Zustimmungswerte im ersten Amtsjahr
gestiegen sind – von 45 auf 48 Prozent.
„Wir haben das härteste Sparprogramm
der Menschheitsgeschichte durchgezogen
und keinen Deut an Zustimmung verloren“,
sagt Milei. Die große Frage ist,
wie lange das noch gilt. Wie lange kann
Argentinien eine Rezession verkrafckelte
Preise für Waren, Dienste und Energie
freigab. Die Preise für das Jahr 2024
werden um 120 Prozent steigen, schätzen
die meisten Ökonomen – was zunächst
enorm klingt, aber ein Riesenerfolg ist bei
der Inflationsrate von zuletzt 211 Prozent
im Vorjahr. 2025, nach all den Korrekturen
im Preisgefüge, soll die Inflation gar
auf etwa 25 Prozent jährlich sinken, prognostiziert
die Regierung.
Und noch ein chronisches Laster beendete
Milei: Er weigerte sich, neue Schulden
aufzunehmen. Erstmals seit 2008
finanziert sich der Staat allein aus dem,
was er einnimmt. Sämtliche öffentliche
Ausgaben konnten 2024 um 27 Prozent
reduziert werden. Am meisten sparte
Mileis Finanzminister Caputo, indem er
Renten und Staatsgehälter nicht analog
zum Preisanstieg anhob.
Sofort nach Mileis Amtsübernahme wertete
die Zentralbank den Peso um 54 Prozent
ab. Der Präsident erlies kurz darauf
ein Mega-Dekret, das einen Dschungel
aus Vorschriften lichtete und die Preisbindung
für Lebensmittel, Telekommunikation
oder Krankenversicherungen aufhob.
Er kassierte auch das Mietrecht ersatzlos,
es gilt keine Mietpreisbremse mehr, es
gibt keinen Kündigungsschutz. Das hatte
zwei Konsequenzen: Das Angebot an
Wohnungen in Buenos Aires stieg sofort
um fast 200 Prozent. Aber die Wohnkosten
nahmen daraufhin noch stärker zu als
die allgemeine Teuerung.
Zu den Sparmaßnahmen gehörte außerdem,
dass Milei neun von 18 Ministerien
abschaffte. 30 000 Staatsangestellte haben
ihre Jobs verloren, 70 000 sollen es insgesamt
werden. Und der Präsident bekundete
kürzlich: „Meine Verachtung für den
Staat ist grenzenlos.“
Auch vom Parlament hält er nicht viel
und nennt es „Rattennest“. Zwei Mal schon
legte er sein Veto ein, nachdem die Abgeordneten
gegen den erklärten Willen des
Präsidenten Erhöhungen für Rentner und
Zuschüsse für Universitäten beschlossen
hatten. Das löste Streiks an den Unis aus
– und einen Boom an den Finanzmärkten.
Neun Monate hatten Fondsmanager
abgewartet, ob Milei seine radikalen
Ansagen tatsächlich umsetzen kann. Als
er mit seinen zwei Vetos bewies, dass er
entschlossen ist, seinen Kurs gegen jegliche
Widerstände durchzusetzen, begann
ein veritabler Börsenboom. Argentinische
Aktien legten 2024 um durchschnittlich
105 Prozent zu. Einige Bankaktien stiegen
mit einem Plus von bis zu 245 Pro-
57 %
der Argentinier leben unter der
Armutsgrenze – die Quote ist seit Mileis
Amtsantritt gestiegen. Weil er Sozialleistungen
streicht, bieten NGOs
Massenspeisung an – wie hier in Buenos
Aires, direkt vor dem Präsidentenpalast
zent sogar doppelt so stark wie der Bitcoin.
Allein im November wuchsen die
vier wichtigsten Staatsanleihen um durchschnittlich
15 Prozent. Die Risikoaufschläge
für neue Kredite fielen auf die Hälfte.
Um den Schwarzmarktkurs für den
US-Dollar zu senken, der als Parallelwährung
Argentiniens Fieberkurve anzeigt,
beschloss der Präsident, gar keine
neuen Pesos mehr zu drucken. Dieser
radikale Schnitt machte die Landeswährung,
die Milei im Wahlkampf noch als
„Exkrement“ bezeichnet hatte, rasch zum
begehrten Gut. Die Idee hinter der Verknappung:
Firmen und wohlhabende Bürger
sollen ihre gebunkerten Dollar eintauschen
und einsetzen. Eine Steueramnestie
im September brachte weitere 20 Milliarden
Dollar ins Finanzsystem und drückte
den Schwarzmarktkurs weiter. Der liegt
jetzt nur 15 Prozent über dem offiziellen
Kurs – vor einem Jahr hatte die „Wechselkurslücke“
noch 100 Prozent betragen.
Aber der starke Peso hat auch eine
Kehrseite. Binnen weniger Monate wurde
Argentinien von einem der billigsten Länder
Lateinamerikas zu einem der teuersten.
Das Durchschnittseinkommen allerdings
liegt umgerechnet immer noch unter
1000 Euro monatlich. U-Bahn-Tickets kosten
jetzt zehnmal so viel wie vor einem
Jahr, Wasser, Gas und Heizung sind deutlich
teurer geworden, die Gesundheitskosten
haben sich vervielfacht. Viele Rentner
stehen nun vor der Frage, ob sie ihre
Pesos lieber für Essen oder für Arzneimittel
ausgeben sollen. Rund 90 Prozent der
7,5 Millionen Rentner beziehen nur den
Mindestsatz von etwas mehr als 300 Euro.
Nur wenigen Argentiniern bleibt noch
Geld übrig, um zu konsumieren oder gar
zu bauen. Darum ist die Baubranche um
30 Prozent eingebrochen, die Produktion
von Rohstahl sank um 22 Prozent, Handel
und Gastronomie darben. Laut der renommierten
Beratungsfirma Orlando Ferreres
wird die argentinische Wirtschaft in
diesem Jahr um 4,7 Prozent schrumpfen
– und dabei wird die Rezession sogar
noch leicht abgemildert, weil die Landwirte
nach dem Dürrejahr 2023 nun fast
90 Prozent mehr produzierten.
Die Popularität des Präsidenten wächst
FOCUS 50/2024 45
POLITIK
ARGENTINIEN
ten? Wie teuer können Lebensmittel, Mieten
und Medikamente noch werden, ehe
es zu Protesten kommt?
Seit Monaten zitiert Milei Statistiken,
die belegen sollen, dass die Wirtschaft
wieder wächst. Bei genauem Hinsehen
wird klar, dass sich das auf wenige Sektoren
beschränkt: Agrarwirtschaft und die
Förderung von Öl, Gas und Lithium. Alles
andere – von Fabriken bis zu Hotels – läuft
bestenfalls auf halber Kraft.
Und es könnte noch dramatischer werden,
wenn im neuen Jahr das „impuesto
país“, ein Preisaufschlag auf importierte
Waren und Zahlungen in Devisen fällt.
Dann werden mehr ausländische Waren
der heimischen Industrie Konkurrenz
machen, der sie jahrzehntelang ausgewichen
war. Anstelle in ihre Werke zu
investieren, finanzierten argentinische
Unternehmer lieber Freundschaften zu
Politikern, mit dem Ergebnis, dass hohe
Zollschranken es ihnen erlaubten, unterklassige
Produkte zu überhöhten Preisen
loszuwerden. Begründet wurde das stets
„Wir haben das härteste
Sparprogramm der
Menschheitsgeschichte
durchgezogen“
Javier Milei
mit dem Schutz argentinischer Arbeitsplätze.
In seinen Jahren als TV-Kommentator
ließ Milei keine Talk-Show aus, um
die „Kaste aus käuflichen Politikern, korrupten
Gewerkschaftlern und gierigen
Unternehmern“ anzuprangern. Nun will
er sie so zum Wettbewerb zwingen.
Industrielle warnen, dass Hunderttausende
Arbeitsplätze auf dem Spiel
stünden. Dabei ist reguläre Beschäftigung
längst ein Minderheitenphänomen
in einer Wirtschaft mit deutlich
mehr informellen Arbeitnehmern als
solchen, die Steuern und Rentenbeiträge
leisten. Bereits früher gab es Versuche,
mit Importen und Regeländerungen
den ökonomisch-politischen Filz zu entwirren:
einmal unter der Militärregierung
in den späten 1970ern, dann noch einmal
von dem Liberalen Carlos Menem in den
1990ern. Beide endeten in Miseren, auf
die dann noch mehr Filz folgte.
Mit seinen Stabilisierungserfolgen und
seinem eisernen Willen wäre Milei eigentlich
ein guter Kandidat für einen neuen
Versuch. Aber nun gibt es ein Problem –
und das heißt Donald Trump. Selbst wenn
Milei zu den wenigen Latinos gehörte, die
Trumps Sieg ausgiebig gefeiert haben,
muss gerade er eine Hochzoll-Politik des
künftigen US-Präsidenten fürchten. Denn
diese würde den Dollar und den Zinssatz
in den USA antreiben, was alle Schwellenländer
schädigt, weil Investoren sichere
Anlagen an Wall Street den riskanten
Auslandsengagements bevorzugen. Darum
haben fast alle Wirtschaften Lateinamerikas
ihre Währungen gegenüber
dem Dollar abgewertet. Brasiliens Waren
sind nun 20 Prozent günstiger.
Der anarcholiberale Argentinier hingegen
setzt seine Schocktherapie fort – und
öffnet die Grenzen. Nicht nur Rentner und
Arbeiter: Auch die Wirtschaft wird jetzt
Mileis Kettensäge kennenlernen. 7
FRANKREICH
Die Fraktionsvorsitzende des RN hatte
Barnier seit seinem Amtsantritt vor sich
hergetrieben. Ständig musste der Premier
neue inhaltliche Zugeständnisse machen –
unter anderem verzichtete er auf die geplante
Erhöhung der Stromsteuern oder
die Eigenbeteiligung bei verschreibungspflichtigen
Medikamenten. So wurde Barnier
zum Premierminister „von Le Pens
Gnaden“ (so der Spott in Paris).
Ob Marine Le Pen nun aber politisches
Kapital aus dem Sturz der Barnier-Regierung
schlagen kann, hängt auch vom Ausgang
des Strafverfahrens ab, das derzeit
gegen sie läuft. Die Fraktionsvorsitzende
des RN steht wegen der mutmaßlichen
Veruntreuung öffentlicher Gelder
vor Gericht. Le Pen drohen bis zu zwei
Jahre Haft sowie eine Geldbuße von
300 000 Euro und der Entzug des passiven
Wahlrechts für fünf Jahre. Dann könnte
die 56-Jährige nicht wie geplant bei den
nächsten Präsidentschaftswahlen kandidieren.
Das Urteil wird für Anfang des
kommenden Jahres erwartet.
Foto: AFP
Rechtsaußen Jordan Bardella und Marine Le Pen führen den Rassemblement National
Sie sagen jetzt, wo’s lang geht
Misstrauensvotum gegen die Regierung:
Warum Frankreich nun das politische Chaos droht
Nur knapp drei Monate hat die
Minderheitsregierung von
Michel Barnier gehalten, nun
erlebt die Fünfte Republik
ihre schwierigste Zeit. Denn
neu gewählt werden kann laut
Verfassung erst ein Jahr nach der letzten
Abstimmung, also frühestens im Juli
2025. Und das bedeutet: Es gibt vorerst
keinen Haushalt und auch keine realistische
Option für eine Regierungsmehrheit
im Parlament.
Das Misstrauensvotum gegen Barnier,
dass der rechtsnationale Rassemblement
National (RN) von Marine Le Pen am Montag
ankündigte, wird kaum für stabile
Verhältnisse sorgen. Im Gegenteil: In
Paris ging man Mitte der Woche davon
aus, dass Präsident Emmanuel Macron
vorübergehend ein Technokratenkabinett
ernennen werde. Manche Beobachter
sprachen sogar davon, dass der gescheiterte
Premier erst einmal weitermachen
werde, wenn auch mit neuen Ministern.
Doch die Möglichkeiten der nächsten
Regierung sind angesichts der Mehrheitsverhältnisse
mehr als begrenzt.
Wie kam es zum Bruch?
Seit den Parlamentswahlen führte Barnier
eine Minderheitsregierung an, die sich auf
das von Macron gegründete Parteienbündnis
Ensemble und die Republikaner stützte.
Im Oktober hatte der Premier einen
Budgetentwurf vorgelegt, mit dem er das
Haushaltsloch von 60 Milliarden Euro stopfen
wollte – mittels Ausgabensenkungen
und höheren Abgaben für Konzerne sowie
Gutverdiener. Das Haushaltsdefizit sollte
von mehr als sechs Prozent in diesem Jahr
auf fünf Prozent im kommenden Jahr sinken.
Vor allem den Finanzmärkten wollte
und musste Barnier signalisieren, dass
der französische Staat auch sparen kann.
Der Premier hatte gehofft, eine Konfrontation
mit den Rechtsnationalen und
Linken zu vermeiden, in dem er sich früh
mit seinen Gegnern beriet und auch auf
Wünsche von Le Pen einging. Am Montag
aber wandte Barnier einen Sonderartikel
der Verfassung an, mit dem er das umstrittene
Gesetz zum Sozialhaushalt ohne
finale Abstimmung durch das Parlament
drücken konnte. Für diesen Fall hatten
Le Pen und die Parteien des linken Lagers
mit einem Misstrauensvotum gedroht.
Was will Marine Le Pen?
Muss der Präsident ebenfalls gehen?
Emmanuel Macron hat seine Aura eingebüßt.
Der Präsident ist noch bis 2027
gewählt, wird von vielen jedoch für die
Krise verantwortlich gemacht. Schließlich
war er es, der Anfang Juni überraschend
die Nationalversammlung aufgelöst hatte
– und damit erst für die politische Instabilität
sorgte, die Barnier seither moderieren
musste. Das Scheitern der Regierung ist
auch das Scheitern des Staatspräsidenten.
Sechs von zehn Franzosen wünschen sich
Macrons Rücktritt – der aber als unwahrscheinlich
gilt.
Was wird aus Frankreichs Demokratie?
Die Stimmung im Land ist schlecht, die
Franzosen haben kein Vertrauen mehr in
die Politik. Sie sind unzufrieden mit dem
Verlust ihrer Kaufkraft, vor allem wegen
der stark gestiegenen Energiepreise.
Jeden Angriff auf ihre sozialen Errungenschaften
lehnen sie ab. Laut einer aktuellen
Umfrage sprachen sich 53 Prozent der
Franzosen für einen Regierungswechsel
aus, unter den RN-Wählern waren es sogar
67 Prozent.
Die beiden großen Volksparteien Republikaner
und Sozialisten haben ihre Wählerschaft
verloren, die Parteienlandschaft
ist zersplittert, an den politischen Rändern
gewinnen die Extremen stetig hinzu. Das
Problem ist nun vor allem der Zorn der
Linken: Denn nach den vorgezogenen
Parlamentswahlen, die das Linksbündnis
Le Nouveau Front Populaire (NFP) de facto
gewann, hatte sich Macron geweigert,
die Sieger mit der Regierungsbildung zu
betrauen, und stattdessen den ehemaligen
Brexit-Unterhändler Barnier zum
neuen Premierminister ernannt. Das hat
viel politisches Vertrauen zerstört. Und so
steckt Frankreich nicht nur in einer finanziellen,
sondern inzwischen auch politischen
Dauerkrise. 7
MARC BROST / TANJA KUCHENBECKER
FOCUS 50/2024
47
WIRTSCHAFT
American products first
Der designierte US-Präsident Trump
bei einem Autoevent in Michigan
Foto: Evan Vucci/dpa
48
FOCUS 50/2024
WELTHANDEL
Countdown
zum
Handelskrieg
Trump droht mit Zöllen,
während sich US-Konzerne
in Europa um Steuern
drücken. Der Unmut wächst
TEXT VON SUSANNE STEPHAN
Allein die Poesie, der Wohlklang
des Begriffs! „Tariff“
(Zoll) sei das „schönste Wort
im Wörterbuch, noch schöner
als ‚Love‘“, schwärmte der
frühere und designierte neue
US-Präsident Donald Trump
bei einer Veranstaltung in Auburn Hills
(Michigan). Seit seinem Wahlsieg vergeht
kaum ein Tag, an dem er nicht beteuert,
dass er es ernst meint und den Handel mit
dem Rest der Welt notfalls abwürgen will.
Der Milliardär kündigte Abgaben von
zehn Prozent generell auf alle Importe
an, außerdem 60 Prozent auf Waren aus
China und 25 Prozent auf Einfuhren aus
Kanada und Mexiko. Bis zum Amtsantritt
werden ihm sicher weitere Grausamkeiten
einfallen.
Die deutsche Wirtschaft ist alarmiert.
Ein Handelskrieg könnte sie innerhalb von
vier Jahren 180 Milliarden Euro kosten,
rechnet das „Institut der deutschen Wirtschaft“
vor. „Unsere Sorge ist, dass die Industrie
ihre Produktion in Richtung USA
verlagert“, sagt Markus Ferber (CSU), Abgeordneter
im Europäischen Parlament.
„Das wird sehr bittere Auswirkungen auf
Zulieferer haben“.
In Brüssel stellt man sich ab dem 20. Januar,
dem Tag der Vereidigung Trumps,
auf herausfordernde Verhandlungen ein.
Im 13. Stock des Berlaymont-Gebäudes in
Brüssel, wo Kommissionspräsidentin Ursula
von der Leyen ihr Büro hat, werden
Szenarien durchgespielt, Strategien
FOCUS 50/2024
49
WIRTSCHAFT
erörtert. „Unsere Freiheit und unsere
Souveränität beruhen mehr denn je auf
unserer wirtschaftlichen Stärke“, hat die
alte und neue Präsidentin vor Beginn ihrer
neuen Amtszeit gesagt. Jetzt muss sie
konkret beweisen, dass sie die Verbraucher
und Unternehmern in Europa verteidigen
kann.
Zum Instrumentarium der Kommission
gehören Vergeltungszölle auf US-Produkte
genauso wie Beschwichtigungsgesten.
„Eine Option wäre, dass wir mehr LNG
aus den USA importieren, auch wenn das
die Energiekosten weiter treiben dürfte“,
sagt Ferber. In Deutschland werden außerdem
Forderungen laut, die EU möge jetzt
endlich härtere Bandagen im Umgang
mit den amerikanischen Digitalkonzernen
anlegen. Haben sich Google, Meta,
Apple, Amazon, Microsoft und Netflix in
Europa nicht lange genug um eine faire
Besteuerung gedrückt?
Streng genommen ist der Exportüberschuss
Europas, den Donald Trump beklagt,
eine Schimäre. Zwar weist die Handelsbilanz
zwischen den USA und den EU
tatsächlich ein Minus auf der amerikanischen
Seite auf. Das hängt aber auch
mit der kreativen Rechnungslegung der
Digitalwirtschaft zusammen. Deren Bilanzen
und Geschäftsberichte haben mit der
Realität oft wenig zu tun.
Nur drei Prozent Steuern auf Digi-Tech
Jahrelang nutzte beispielsweise Microsoft
die niedrigen Steuern in Irland. Das
Unternehmen stellte seinen Gewinn gegenüber
dem Fiskus so dar, als würde er
fast ausschließlich auf der Insel anfallen.
„Im Geschäftsjahr 20/21 sollen in Irland
angeblich über 22 Milliarden Euro Gewinn
erwirtschaftet worden sein“, erklärt Christoph
Trautvetter vom Netzwerk Steuergerechtigkeit.
„In Deutschland mit seiner
mehr als doppelt so hohen Steuerlast
waren es laut Microsoft nur 324 Millionen
Euro. Ähnlich kreativ, jedoch nach einem
anderen Muster verfuhr die Google-Muttergesellschaft
Alphabet: Wegen neuer,
günstiger Steuergesetze im Stammland
verlegte der Digitalriese 2018 seine Gewinne
auf dem Papier aus Europa zurück
in die USA. Die irische Alphabet-Tochter
verbuchte 2021 noch 25 Prozent der globalen
Umsätze, aber nur drei Prozent der
Gewinne. „Weltweit drückte der Konzern
seine Steuerlast 2021 auf 16 Prozent“, so
Trautvetter.
In Deutschland, berichtet Trautvetter,
würden die großen Digitalkonzerne etwa
drei Prozent Steuern auf ihre hier erwirtschafteten
Gewinne zahlen. Der herkömmliche
deutsche Maschinenbauer
oder Handwerker kommt nicht so billig
davon. Im Schnitt, errechnete das Leibniz-
Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung
(ZEW) in Mannheim, überwiesen
deutsche Unternehmen 2023 knapp
30 Prozent ihrer Gewinne an den Fiskus.
Gelddruckmaschinen wie Meta (Facebook,
Instagram, Whatsapp) dagegen tun
sich leicht damit, ihre globale Wertschöpfung
weitgehend beliebig zu beziffern.
Codes sind für die Beamten im Finanzamt
schwer zu fassen. Besonders hilfreich
für US-Konzerne sind die Verrechnungspreise
für Lizenzen und Nutzungsrechte,
die an nationalen Gesellschaften in Europa
gehen. „Diese Verrechnungspreise
werden so festgesetzt, als würden durchschnittliche,
unabhängige Unternehmen
miteinander handeln“, sagt Trautvetter.
Das bedeutet: Die Techkonzerne gehen
nach außen von viel zu niedrigen Renditen
aus. Am Ende hat ihr Zahlenwerk mit
der realen Wertschöpfung wenig zu tun.
Digitale Vormacht: Handelsbilanz EU–USA
Exporte in in Mrd. Euro
EU-27, ohne Großbritannien
digitale Güter*
physische Güter
15 15
Mrd.
336
Mrd.
2017 2020 2022 2017 2020
2022
EU
USA
700
600
500
400
300
200
100
*berücksichtigt wurden die jeweils 69 größten börsennotierten
Unternehmen (Internet, Technologie und Software)
Quelle: EU-Kommission, Office of the United States Trade
United States Trade Representative
0
WELTHANDEL
„Jede Schwäche wird
eiskalt ausgenutzt.
Unsere Freiheit und
Souveränität beruhen
mehr denn je auf
unserer wirtschaftlichen
Stärke“
EU-Kommissionspräsidentin
Ursula von der Leyen (CDU)
Wo es opportun erscheint, rechnen sich
die Softwareriesen arm. „Während unsere
Exporte über Zölle, Unternehmensbesteuerung
und klassische Abgaben zur
Finanzierung des amerikanischen Staatshaushaltes
beitragen, ist dies bei den amerikanischen
Hochtechnologie-Exporten
nach Europa nicht der Fall“, sagt Paul-
Bernhard Kallen, Verwaltungsratschef
der Hubert Burda Media Holding, zu der
auch FOCUS gehört. „Die großen amerikanischen
Digitalunternehmen nutzen in
hohem Maße unsere Infrastruktur, bezahlen
in Europa aber praktisch keine Steuern
und Abgaben.“ Dies bedeute für die
US-Riesen „einen wesentlichen Vorteil im
Wettbewerb mit europäischen Digitalunternehmen
und beschleunigt den Wohlstandstransfer
in die USA“.
Vestagers Freudentränen
Margrethe Vestager machte schon früh
Front gegen die Tech-Giganten. Es sei
schlicht unfair, wenn Konzerne ihre Macht
ausnutzten und „nichts zur Gesellschaft
beitragen“ würden, findet die frühere
EU-Wettbewerbskommissarin. Über ihre
Amtszeit hinweg verhängte sie Kartellstrafen
in Milliardenhöhe. Die Dänin zog
in ihrem Kampf alle Register, klagte bis in
die letzte Instanz gleiche Wettbewerbsregeln
für alle ein. Bei ihrem Feldzug legte
sie sich auch mit Staaten wie Irland, die
Niederlande oder Malta an.
Schon 2019 forderte Vestager eine Digitalsteuer,
sollten sich die OECD-Staaten
nicht auf eine Mindeststeuer einigen können.
Mittlerweile gilt in weiten Teilen
der Welt eine Mindeststeuer von 15 Prozent
für internationale Unternehmen mit
einem Umsatz von mehr als 750 Millionen
Euro. 141 Staaten haben sich dem Anti-
Dumping-Bündnis angeschlossen, darunter
auch Steuer-Oasen wie Irland. Gleichzeitig
treibt die EU mit Nachdruck
D
z
b
T
50 FOCUS 50/2024
ieser Text
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WIRTSCHAFT
alte Steuerschulden ein. Erst vor Kurzem
entschied der Europäische Gerichtshof,
Apple müsse 13 Milliarden Euro nachzahlen.
Für Vestager, die nach zehn Jahren
ihr Büro in der Brüsseler EU-Kommission
demnächst räumen wird, war es
wohl das schönste Abschiedsgeschenk.
Ihr seien die Freudentränen gekommen,
als sie von der Entscheidung der Richter
erfahren habe, erzählte sie.
Allerdings bleibt für ihre Nachfolgerin,
die Spanierin Teresa Ribera, viel zu tun.
Die globale Steuergerechtigkeit ist mit
der Mindeststeuer nur einen Schritt vorangekommen.
15 Prozent Steuern scheinen
angesichts der Marktmacht der multinationalen
Konzerne niedrig. Außerdem
bleibt die Trickserei: Auf die entscheidende
Frage, wie der grenzüberschreitenden
Zahlenakrobatik ein Riegel vorgeschoben
werden kann, gibt es immer noch keine
Antwort. Eine rasche Einigung scheint
angesichts der komplizierten Materie und
transatlantischer Animositäten fraglich.
Das ist einerseits deprimierend. Andererseits
eröffnet die Konfrontation mit
Donald Trump zumindest theoretisch die
Möglichkeit, dass die EU nicht mehr lange
auf globale Steuerstandards hofft, sondern
ihre eigenen Regeln aufstellt.
Günstiger Zeitpunkt für Reform
Für den Ökonomen Henning Vöpel, Professor
für Volkswirtschaftslehre und Chef
des Centrum für Europäische Politik, ist
jetzt der Zeitpunkt gekommen, die Interessen
der EU notfalls im Alleingang durchzusetzen.
Vöpel fordert einen gesonderten
Zugriff des Fiskus auf digitale Wertschöpfung.
Nicht mehr ihr Umsatz und Gewinn
sollen allein ausschlaggebend sein, sagt
er. An ihre Stelle soll eine Abgabe auf die
Software, eine Steuer auf den Umsatz mit
Werbung oder Daten plus eine Gebühr für
den Netzzugang treten.
Letzteres deswegen, weil die Internet-
Riesen massiv von europäischen Datenkabeln
profitieren, ohne für sie zu zahlen.
Für kleine Digital-Schmieden könnten
nach der Logik einer fairen Besteuerung
laxere Regeln getroffen werden, um ihre
Kreativität nicht zu strangulieren.
„Seit 2018 hätte die EU über eine Digitalsteuer
30 Milliarden Euro einsammeln können“,
argumentiert Vöpel. Diese Zahl wirkt
angesichts der riesigen Summen, die in
Europa bewegt werden, nicht hoch. Aber
„wir stehen erst am Anfang der Digitalisierung“,
so der Experte. Die Wertschöpfung
multinationaler Unternehmen werde
sich immer mehr in den Bereich Software
verschieben. Früher oder später müssten
die Regierungen auf die veränderte Lage
reagieren. „Deutschland und die EU müssen
die Spielregeln ändern, um ihre Wettbewerbsfähigkeit
herzustellen und ihre
Infrastrukturkosten breiter zu refinanzieren“,
insistiert auch Paul-Bernhard Kallen.
Vöpels Pläne bergen das Potenzial, weiteren
Zunder in die europäisch-amerikanischen
Auseinandersetzungen zu geben.
Würde die Kommission damit ihre Position
am Ende verschlechtern? Im Gegenteil,
glaubt Vöpel: „In der Welt der Deals muss
man Instrumente im Kasten haben, die
einem am Verhandlungstisch eine gewisse
Wahrnehmung verschaffen.“
„Eine effektive Besteuerung der amerikanischen
Digitalwirtschaft wäre eine
Option“, sagt auch CSU-Mann Markus
Ferber. Er gibt aber zu bedenken, dass
eine Einigung innerhalb der EU „auf die
Schnelle kaum machbar“ sei. Vielleicht,
hoffen viele Entscheidungsträger der EU,
isst Donald Trump seine Suppe ja doch
nicht so heiß, wie er sie kocht.
Ein ranghoher Brüsseler Experte warnt
vor einer vorschnellen Eskalation. „Die
Steuervermeidung durch Microsoft
100 %
80 %
60 %
40 %
20 %
Anteil des im Ausland
verbuchten Gewinns
Steueroasengewinne
Mrd. US-Dollar
+3,0
+2,5
+2,0
+1,5
+1,0
+0,5
0 %
–0,5
1997 2000 2005 2010 2015 2020 2023
Flexibel Je nachdem, wie sich die Gesetzgebung international
entwickelte, verschob Microsoft seine Gewinne
Quelle: Netzwerk Steuergerechtigkeit
0
WELTHANDEL
„Es ist wichtig,
den europäischen
Steuerzahlern zu
zeigen, dass wir
Steuergerechtigkeit
durchsetzen können“
Ex-EU-Wettbewerbskommissarin
Margrethe Vestager zu den
Verpflichtungen der Digitalkonzerne
USA sind unverändert Mitglied der OECD
und der Nato“, gibt er zu bedenken. „Es
gibt nach wie vor die Chance, dass man
sich zumindest auf den Teil der Übereinkunft
einigt, die mehr oder minder fertig
bei der OECD liegt.“
Einzelne EU-Staaten scheinen sich dagegen
zwischenzeitlich von der Hoffnung
verabschiedet haben, die Union könne
Google oder Amazon fiskalisch Paroli bieten.
Frankreich und Italien führten 2019
eine dreiprozentige Steuer auf digital
erwirtschaftete Umsätze ein. Österreich
folgte 2020, Spanien 2021.
Der Vorteil nationaler Alleingänge liegt
auf der Hand: Sie können relativ problemlos
beschlossen und umgesetzt werden.
Vöpel warnt aber vor einem fiskalischen
Flickenteppich: „Wir müssen die digitale
Ökonomie europäisch verstehen.“ Auch
Ferber ist skeptisch. Wenn jedes Land fiskalpolitisch
sein eigenes Süppchen koche,
bleibe der Binnenmarkt auf der Strecke.
„Im Kern täten wir dann genau, das, was
Trump will.“ Dessen Politik des Teilens
und Herrschens „sollten wir eigentlich
nicht die Hand reichen“.
Nachteil nationaler Alleingänge
In den Staaten, die einen nationalen Alleingang
wagten, war die Freude über
die Digitalsteuer tatsächlich zum Teil
kurz, weil die USA mit massivem Druck
reagierten. Trump drohte Frankreichs
Präsident Emmanuel Macron in seiner
ersten Amtszeit mit Zöllen von bis zu
100 Prozent auf französischen Käse und
Champagner. Auch sein Nachfolger Joe
Biden gab sich kompromisslos. Auf Verlangen
der USA entschloss sich Italien,
seine Digitalabgabe auf kleine und mittlere
Betriebe ausweiten.
Dann trifft man zwar immer noch die
Angreifer aus dem Silicon Valley. Aber
auch die heimische Digitalwirtschaft. 7
Fotos: John Thys/dpa, Johanna Geron/REUTERS
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52 FOCUS 50/2024
ieser Text
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WIRTSCHAFT
EnBW-Chef
Georg Stamatelopoulos
lenkt seit März das
Geschäft des süddeutschen
Energieversorgers
54 FOCUS 50/2024
„Die Energiewende ist zu teuer
und zu kompliziert“
Der Chef des Energiekonzerns EnBW, Georg Stamatelopoulos, fürchtet wachsende
Proteste im Volk und fordert mehr Markt in der Energiepolitik
TEXT VON MATTHIAS JAUCH UND LARA WERNIG FOTOS VON NICO KURTH
ENERGIE
E
Er weiß, wie Energiewende geht. Jahrelang
forcierte Georg Stamatelopoulos bei
EnBW den Ausbau von Wind- und Solarkraft,
verantworte später den Betrieb der
herkömmlichen Erzeugung und trieb den
Rückbau von Kohle- und Atomkraftwerken
voran. Seit März leitet der gelernte
Ingenieur die Geschicke des drittgrößten
deutschen Energiekonzerns mit einem
Umsatz von gut 44 Milliarden Euro. Das
Ampel-Aus liegt wenige Wochen zurück:
Zeit für eine Bilanz der Energiepolitik.
Herr Stamatelopoulos, als vor wenigen
Wochen die Ampel-Regierung scheiterte,
waren viele erleichtert. Wie ging es Ihnen?
Veränderung ist prinzipiell etwas Positives,
kann aber auch Verunsicherung mit
sich bringen. Der Tag startete ja bereits
mit einer Überraschung: Die US-Wahl war
unerwartet schnell entschieden. Dann
kam das Ampel-Aus und ich stellte mir
sofort die Frage: Was heißt das für die
immerhin sechzehn Gesetze, die auch die
EnBW betreffen und nun in der Schwebe
bleiben.
Zum Beispiel das Kraftwerkssicherheitsgesetz.
Dutzende Gaskraftwerke
müssen gebaut werden, um die Kohlemeiler
zu ersetzen. Was bedeutet das
Ampel-Aus für die Pläne?
Mit hoher Wahrscheinlichkeit wird die
Bundesregierung keine Mehrheit für das
Gesetz bekommen. Das ist schon bitter,
denn wir warten seit Jahren auf eine klare
Regelung. Bereits die Ankündigung noch
zu Ampel-Zeiten, erste Ausschreibungen
Anfang 2025 stattfinden zu lassen, erschien
FOCUS 50/2024
uns recht spät. Wenn alles gut läuft, bedeuten
die Neuwahlen eine weitere Verzögerung
von nur drei bis vier Monaten.
Kommt aber die neue Regierung nicht
schnell zusammen oder will sie umfangreiche
Änderungen am Entwurf vornehmen,
verzögert sich das alles noch weiter.
Es droht dann eine längere Hängepartie.
Das sollte möglichst verhindert werden.
Gefährdet die Hängepartie den Kohle-
Ausstieg bis 2030?
Dieses Datum steht im Koalitionsvertrag
der Ampel. Im Gesetz steht das Jahr
2038. Meine Meinung ist: Wir brauchen
gar keinen vorab definierten Termin für
den Kohleausstieg. In Großbritannien
brauchte es den ja auch nicht. Die Kraftwerke
werden von alleine unwirtschaftlich.
Der zunehmende Ausbau der erneuerbaren
Energien verdrängt sie, macht sie
immer unwirtschaftlicher. Das regelt also
der Markt. Aber: Man braucht eine jederzeit
verfügbare Alternative zur Kohle.
Denn die Versorgungssicherheit können
wir nicht aufs Spiel setzen.
Auch EnBW produziert noch immer Kohlestrom.
2028 wollen Sie aussteigen.
Wir haben immer gesagt, dass die
Umsetzung dieses Ziels vom Stand der
Energiewende abhängt und wir die Versorgungssicherheit
nicht aufs Spiel setzen
werden. Wir bauen bereits Gaskraftwerke
– das reduziert sehr bald unsere
Kohleverstromung. Das Ziel eines Kohleausstiegs
in 2028 bleibt. In der aktuellen
Situation, mit den vielen Unklarheiten
zu Kraftwerkssicherheitsgesetz und
Kapazitätsmarkt, können wir aber nicht
ausschließen, dass wir über 2028 hinaus
Kohle verstromen müssen.
Dann müsste Ihr Appetit nach neuen
Gaskraftwerken doch recht groß sein.
Es wird im Süden jedenfalls eine Menge
neuer Gaskraftwerke brauchen, damit
das Stromsystem stabil bleibt. Wir sind
bereit, einen guten Anteil davon zu bauen.
Wie groß unser Appetit sein wird, hängt
dann von den Bedingungen der Ausschreibungen
ab.
Friedrich Merz sagt, man müsse Windräder
wieder abbauen, „weil sie hässlich sind“.
Jens Spahn würde gerne Atomkraftwerke
wieder einschalten. Fürchten Sie eigentlich
den Ausgang des Wahlkampfes?
Die Transformation des Energiesystems
ist sehr weit fortgeschritten und nur mit
großem finanziellem Einsatz umkehrbar.
Es geht zukünftig eher um Anpassungen
und kleine Korrekturen, die das System
optimieren. Aber ich würde ausschließen,
dass sich unsere Energiepolitik grundlegend
verändern wird – auch mit einer
neuen Bundesregierung.
Wen wünschen Sie sich als nächsten
Bundeskanzler?
Ich wünsche mir eine stabile Regierung
mit einer stabilen Mehrheit im Parlament,
die umsetzungsfreudig und durchsetzungsfähig
ist. Das ist mir wichtiger als
die Person an der Spitze.
Sie beschreiben Eigenschaften, für die die
Ampel schon lange nicht mehr stand ...
… weshalb sie sich selber aufgelöst hat.
Wie steht es nach drei Jahren Ampel
um die Energiewende?
Das Positive ist: Wir haben mittlerweile
fast 60 Prozent erneuerbarer Energien im
Netz und nicht an Versorgungssicherheit
verloren. Die Börsenstrompreise sind wieder
auf niedrigem Niveau wie vor Corona
und dem Ukraine-Krieg. Es gibt auch kein
anderes Land, das so weit beim Aufbau
einer Wasserstoff-Infrastruktur ist.
Aber?
Wir sollten mehr Markt wagen. Ich
glaube an die Wirkung eines CO₂-Preises.
Wenn er eine größere Rolle spielen würde,
wäre ein politisch festgelegtes Datum für
den Kohleausstieg überflüssig. Vor allem
aber müssen wir stärker auf die Bezahlbarkeit
der Energiewende achten. Wir
können nicht immer treffsicher die teuerste
Lösung wählen. So, wie die Energiewende
bisher gemacht wurde, ist sie
zu teuer und zu kompliziert.
Was meinen Sie damit?
Beim Ausbau der großen Stromnetze
etwa setzen wir in Deutschland auf
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WIRTSCHAFT
Erdkabel anstatt auf Freileitungen, letztlich,
weil diese weniger Widerstand bei
den Menschen vor Ort hervorrufen. Wir
versuchen also mit Geld ein Problem
der lokalen Akzeptanz zu lösen, verlieren
aber die allgemeine Akzeptanz. Das
kostet 20 Milliarden Euro mehr. Die Rechnung
tragen die Stromkunden. Deutschland
sollte künftig wieder stärker auf Freileitungen
setzen.
Und doch drohen etwa die von Wirtschaftsminister
Robert Habeck geplanten Klimaschutzverträge
auf der Strecke zu bleiben.
Ist der grüne Umbau in Gefahr?
Das Beispiel zeigt einmal mehr, wie
gewaltig die Kosten für den Umbau sind
– gerade auch aufseiten der energieintensiven
Industrie. Der grüne Umbau
ist dann in Gefahr, wenn wir Industrie wie
Menschen überfordern. Ambitionierte
Ziele sind das eine, aber die neue Bundesregierung
muss auch darauf schauen,
dass Deutschland und die EU insgesamt
nicht weiter an Wettbewerbsfähigkeit
einbüßen.
Eine erfolgreiche Energiewende braucht
langfristig jedenfalls erträgliche Preise –
und die werden steigen. Wie teuer wird es?
Seit der Energiekrise mit ihren enormen
Preissprüngen sind die Preise sowohl
für die Industrie als auch die privaten
Haushalte wieder deutlich gesunken.
Wenn wir die aktuellen Preise aber mit
denen von etwa 2016 vergleichen, sind
sie für die Haushalte gestiegen. Die
für die Industrie sind dagegen auf altem
Niveau, weil Steuern und Netzentgelte
für die Unternehmen von der Politik
deutlich gesenkt wurden. Deshalb
sind die Klagen über den teuren Industriestrom
etwas verwunderlich. Vermutlich
muss man die Diskussion erweitern
und auf die anderen Probleme in der Industrie
schauen, die nicht im Energiebereich
liegen.
Und doch gehen Sie davon aus, dass die
Verbraucherpreise steigen werden.
Das hängt davon ab, wie wir mit der
Transformation unseres Energiesystems
weitermachen. Der Schlüssel liegt darin,
den Ausbau der Erneuerbaren mit dem
Ausbau der Netze zu verzahnen und nicht
so zu tun, als ob Geld keine Rolle spielt.
Muss man da nicht um die Akzeptanz
der Energiewende fürchten?
Ja, das muss man. Bezahlbarkeit der
Energie ist deshalb für die Zukunft ein
absolut wichtiges Thema. Wir müssen
darauf achten, dass wir die Zustimmung
der Menschen für die Energiewende nicht
verlieren.
Wie kommuniziert man dann
steigende Preise?
300
Milliarden Euro
soll der Ausbau der
Übertragungsnetze
in Deutschland
bis zum Jahr
2045 kosten
58
Prozent
des deutschen
Strombedarfs
wurden im Oktober
durch erneuerbare
Energien gedeckt
40
Milliarden Euro
will EnBW bis 2030
investieren,
90 Prozent davon
in Deutschland
44
Milliarden Euro
So hoch war der
Umsatz von EnBW
in 2023. Der
Gewinn lag bei
6,4 Milliarden Euro
FOCUS 50/2024
ENERGIE
Die Energiewende hat viele Vorteile.
Ein Einfamilienhaus etwa kann seinen
eigenen Strom produzieren und einspeisen,
man kann sein E-Auto und viele weitere
Geräte flexibel laden und dabei auf
teure Brennstoffe verzichten. Aber Kommunikation
allein wird nicht reichen. Die
Energiewende wird nicht falsch erklärt,
man muss sie aber günstiger machen:
energiepolitisch preiswertere Lösungen
wählen, die Förderung der erneuerbaren
Energien mit dem Netzausbau besser
koordinieren und flexible Stromtarife
ermöglichen, um nur ein paar Punkte
zu nennen.
Um so wichtiger wird es, all die Kosten
zu reduzieren. Wie macht man das?
Es gibt verschiedene Möglichkeiten.
Und die gute Nachricht ist: Man kann
durchaus sehr viel Geld einsparen und
damit die Verbraucher entlasten. Etwa,
indem man künftig wieder stärker auf die
schon erwähnten Freileitungen setzt und
die Verfügbarkeit von Netzanschlüssen
beim Ausbau der Erneuerbaren berücksichtigt.
Und wenn man wasserstofffähige
Gaskraftwerke netzdienlich baut, damit
man Redispatch-Kosten vermeiden kann.
Allein diese belaufen sich auf zwei bis
vier Milliarden Euro im Jahr.
Allein der Ausbau der sogenannten
Stromautobahnen soll bis 2045 rund
300 Milliarden Euro kosten.
Das ist zweifelsohne viel. Die Bundesnetzagentur
sollte den Netzbedarfsplan
vielleicht noch mal dahin gehend überprüfen,
ob es wirklich alle großen Leitungen
zu den jeweiligen Zeitpunkten
braucht. Ein großes Netzprojekt kostet
immerhin schnell mal einen zweistelligen
Milliardenbetrag. Der Stromverbrauch
von Haushalten und der Wirtschaft
verändert sich aber in Zeiten der
Energiewende in hohem Tempo, daran
kann man sich orientieren.
Auch die Wirtschaft würde es danken.
Deren Kosten sind weit höher als bei den
Wettbewerbern im Ausland. Was halten
Sie von einem staatlich subventionierten
Industriestrompreis?
Im Grunde gibt es den ja schon. Der
Steueranteil am Industriestrompreis ist
fast auf null gesunken. Auch sind die
Netzentgelte für die Industrie deutlich
niedriger als für die Haushalte.
Viele in der Industrie fordern die Politik
auf, die Netzentgelte langfristig zu senken.
Wie sehen Sie es?
Wenn das nur für die Industrie gelten
würde, müssten die restlichen Verbraucher
mehr belastet werden. Dann geht Akzeptanz
verloren. Eine generelle Senkung der
Netzentgelte wäre erstrebenswert.
FOCUS 50/2024
„Die Börsenstrompreise sind wieder auf niedrigem
Niveau wie vor Corona und Ukraine-Krieg“
Strompreisentwicklung für die Industrie
Strompreis in Cent/ kWh
Beschaffung, Netzentgelt, Vertrieb
EEG-Umlage
Stromsteuer
Anderes
2024
2023
2022
2021
2020
2019
2018
2017
2016
2015
201 4
Trügerisch Die Strompreise der Industrie sind gesunken
und doch höher als bei Wettbewerbern im Ausland
Strompreise für Privathaushalte in Cent/ kWh
(1. Hj. 2024)
Deutschland
Irland
Dänemark
Tschechien
Belgien
Italien
Zypern
EU-27
Frankreich
16,65
17,76
18,43
17,96
17,09
15,55
15,23
15,32
21,38
24,46
Spitzenreiter Österreich In keinem anderen europäischen 27 Land
sind die Strompreise für Privathaushalte so hoch
29
28
33
32
34
34
43,20
37
37
40
Quelle: bdew, Statista/Eurostat
Wirtschaftsminister Robert Habeck
hatte vorgeschlagen, die freigewordenen
Intel-Milliarden zu verwenden.
Ein gutes und langfristiges Instrument
wäre ein Amortisationskonto, mit dem
die Kosten auf mehrere Jahrzehnte
gestreckt und verteilt werden und durch
den steigenden Stromverbrauch weniger
spürbar sind. Immerhin werden die
Netze auch für Generationen gebaut.
Mit der Finanzierung des Wasserstoff-
Kernnetzes gibt es dafür eine Vorlage.
Allerdings auch beim Amortisationskonto
muss das Risiko der Investoren tragbar
bleiben.
Die EnBW will bis 2030 40 Milliarden
Euro in die Energiewende investieren,
90 Prozent davon in Deutschland.
Gleichzeitig sind Zinsen und Materialkosten
hoch, Strompreise dagegen
gesunken. Wie herausfordernd ist das
am Standort?
Diese Faktoren machen es natürlich
noch herausfordernder. Dazu kommt,
dass man im Netzbereich nicht autark
über Investitionen entscheidet. Der Staat
bestimmt mit über die Investitionen im
Übertragungsnetz und zusätzliche Leitungen
kosten aktuell natürlich viel
Geld. Und im Bereich der Verteilnetze
entscheiden das teilweise die Kunden
selbst: Wenn zum Beispiel das Netz die
zusätzliche Installation von Wärmepumpen,
Solaranlagen oder Wallboxen nicht
tragen kann, dann ist der Verteilnetzbetreiber
verpflichtet, es in relativ kurzer
Zeit zu verstärken. 7
57
GELDMARKT
Der Finanz-Tipp
von Hans-Peter
Siebenhaar,
Chefautor
FOCUS MONEY
Oberbank
Quelle: Bloomberg
2022
Das kaufe ich jetzt
Oberbank mit
Rekordgewinn
2023
Aktienkurs in Euro
2024
Trotz schwieriger Konjunktur in Österreich
und Deutschland hat die Oberbank
(ISIN: AT0000625108) das beste
operative Neun-Monatsergebnis in ihrer
Geschichte erzielt. Das Eigenkapital des
Geldinstituts aus dem oberösterreichischen
Linz stieg erstmals über vier
Milliarden Euro. CEO Franz Gasselsberger
frohlockt: „Mit unserer Eigenkapitalausstattung
befinden wir uns im Spitzenfeld
der europäischen Banken.“ Die auf
Mittelstand und Privatkunden spezialisierte
Oberbank, an der auch die italienische
Unicredit mit 3,4 Prozent beteiligt
ist, führt wie viele österreichische Werte
ein Schattendasein. Die Wiener Börse
leidet unter dem Fehlen internationaler
Investoren. Als Malus gelten die Abhängigkeit
von Osteuropa und der Ukraine-
Krieg. Die 1869 gegründete Oberbank
hat in den vergangenen drei Jahren eine
gute Entwicklung hingelegt.
Das spiegelt sich im Aktienkurs wider,
der um mehr als die Hälfte gestiegen ist.
Das Geldinstitut performte deutlich
besser als der österreichische Leitindex
ATX. Das Aufwärtspotenzial scheint
bislang nicht ausgeschöpft zu sein.
Rückenwind kommt von der gesunkenen
Inflation in Österreich. Mit dem Private
Banking kommt das siebtgrößte
Geldhaus der Alpenrepublik voran. Ein
Nachteil ist allerdings die für Österreich
vergleichsweise niedrige Dividendenrendite
von zuletzt bei 1,55 Prozent.
70
65
60
55
50
45
Banken
„Erst die BPM, dann die Commerzbank“
D
er ehemalige Verwaltungsratsvorsitzende
der Unicredit, Giuseppe
Vita, unterstützt die Übernahmepläne
der italienischen Großbank. „Ich
gehe davon aus, dass die Bank erst die
BPM übernehmen wird und später in
einem nächsten Schritt die Commerzbank“,
sagte der 89-Jährige im Gespräch
mit dem FOCUS. Die Unicredit wolle
eine „große europäische Bank werden“,
betonte Vita. Dementsprechend seien
die Übernahmepläne des CEOs Andrea
Orcel „nachvollziehbar“.
Vita hält die Übernahme der deutschen
Commerzbank durch die italienische Unicredit
aus mehreren Gründen für wahrscheinlich.
„Die Commerzbank ist verglichen
mit anderen Banken dieser Welt
eine relativ kleine“, betonte er. Außerdem
befinde sich Deutschland derzeit
in einer wirtschaftlichen Krise.
Das könne sich auch auf
die Commerzbank „negativ
auswirken“. Darüber hinaus
nannte Vita die Übernahme
der Hypovereinsbank durch
die Unicredit im Jahr 2005 als
positives Beispiel. „Dass die
Unicredit eine deutsche Bank
gut managen kann, zeigt
der Erfolg der Hypovereinsbank“,
sagte Vita. Die deutsche
Bank habe sich bei der
Übernahme in einer schweren
Krise befunden, heute sei
„Die Commerzbank
ist im weltweiten
Vergleich eine
kleine Bank“
Giuseppe Vita
Ex-Unicredit-Chef
Bald italienisch?
Die Commerzbank
könnte von
Unicredit übernommen
werden
sie „eine sehr profitable Bank in Deutschland
geworden“. Dennoch riet Vita der
Unicredit zunächst die vorgezogene Bundestagswahl
in Deutschland am 23. Februar
2025 abzuwarten. „Die Unicredit
wäre schlecht beraten, wenn sie während
so einer Übergangsphase die ganze
Übernahme forcieren würde.“ Daher sollte
die Großbank nun abwarten, bis eine
neue Regierung in Deutschland steht.
„Denn ein positives Signal einer deutschen
Regierung für die Übernahme der
Commerzbank wäre wünschenswert.“
Stattdessen solle sich die Unicredit zunächst
verstärkt auf die Übernahme der
BPM konzentrieren. „Wenn das klappt,
wäre das eine wichtige Übernahme“, sagte
Vita.
Vita, der von 2002 bis 2019 auch Aufsichtsrat
bei Axel Springer war, betonte
indes die Relevanz einer
Übernahme. „Europa hat zu
viele Banken.“ Eine Bankenfusion
würde daher von der
Europäischen Zentralbank
(EZB) und Finanzinvestoren
positiv gesehen werden. Au-
ßerdem seien Banken in den
USA oder China oftmals zehnmal
so groß wie die Unicredit.
Eine Banken-Konsolidierung
sei daher auch wichtig,
um im weltweiten Finanzmarkt
zu bestehen, sagte der
Italiener.
rub
Foto: Bloomberg
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WISSEN
Stress, lass nach!
Wege aus der Perfektionsfalle:
So vermeiden Sie zu
hohe Belastung und Burnout
TEXT VON KURT-MARTIN MAYER
ILLUSTRATIONEN VON JANNIK STEGEN
Viel zu tun, und
ständig kommt irgendwo
eine Nachricht herein
„Stress vermeiden oder abbauen“
zählt zu den häufigsten
Neujahrsvorsätzen (s. S. 68)
Foto: Getty Images
60 FOCUS 50/2024
TITEL
61
WISSEN
A
Am dritten Tag ihres Seminars hängen
die vier Männer Wunschzettel an die
Wand. „Endlich Kapitän auf dem eigenen
Schiff“ will ein Teilnehmer sein. „Und
jetzt komme ich“hat ein anderer auf sein
A4-Blatt geschrieben. „5 gerade sein lassen“,
„Weg zur Leichtigkeit finden“ und
„Tanzen“ steht auf weiteren Blättern.
Dann wird gemalt, collagiert und viel
von sich erzählt. Es herrscht Arbeitslust
im ehemaligen Bahnhof am Hamburger
Rübenkamp, im Sinne von Lust, an sich
zu arbeiten. Die Mobiltelefone bleiben im
Flugmodus.
Hier findet keine Gruppenpsychotherapie
statt. Die vier Männer haben das fünftägige
Seminar „Work-Life-Balancing“
des Hamburger Instituts für Burnout-Prävention
(IBP) belegt, einen Präventionskurs
für die Seele, den ihre Krankenkasse
bezahlt. Er soll sie abbringen von dem
Weg, auf dem sie sich offenbar befinden,
geradewegs in einen Burnout.
Das Institut bietet für Männer und
Frauen getrennte Seminare an. Es geht
davon aus, dass die Geschlechter meist
auf unterschiedlichen Routen in die große
Erschöpfung rutschen; Frauen eher, weil
sie durch die Mehrfachbelastung an ihre
Grenzen geraten, Männer, weil sie in ihrer
beruflich-privaten Alltagsroutine keinen
Sinn mehr erkennen können.
Die vier Seminarteilnehmer sind 34,
35, 36 und 56 Jahre alt. Sie üben IT- und
Ingenieurberufe aus. Die ersten Symptome
des seelischen Ausbrennens unterschieden
sich bei ihnen. „Mich hat meine
Hausärztin auf das Seminar aufmerksam
gemacht“, sagt Holger, der Älteste. Zuvor
hatte er sich nach Jahren im vollen beruflichen
Einsatz zu Hause eingeigelt. „Ich
saß herum, stellte mein Privatleben ein,
ging nur noch für Einkäufe hinaus und
schlief extrem viel.“
Im Rübenkamper Bahnhofshäuschen
hört Holger nun die Geschichten der
anderen. Auch wenn sich ein Burnout
zunächst eher mit Schlaflosigkeit oder
erhöhter Reizbarkeit oder auch erhöhter
Infektionsanfälligkeit ankündigen mag,
berichten Betroffene immer wieder von
plötzlicher emotionaler Erschöpfung, Distanziertheit,
Frustration; und davon, dass
sie sehr viel Arbeit hatten und ihr Smartphone
von früh bis spät in Betrieb stand.
„Sie ahnen gar nicht, auf welche Anzahl
von Überstunden manche Menschen
kommen, und das über viele Jahre“, sagt
Helen Heinemann, die Leiterin des Präventionsinstituts.
In den 70er Jahren hat der in Frankfurt
am Main geborene, vor den Nazis in
die USA geflohene Psychologe und Psychoanalytiker
Herbert Freudenberger
den Begriff Burnout erfunden. Seit gut
zehn Jahren ist er in Deutschland populär.
Bekenntnisse von Prominenten wie
Popstar Mariah Carey, Fußballtrainer Ralf
Rangnick, Forscherin Miriam Meckel und
„Sie ahnen gar
nicht, wie viele
Überstunden
manche leisten“
Starkoch Tim Mälzer machten das Phänomen
salonfähig. Nicht alle Fachmediziner
reagierten erfreut. Manche warfen den
Protagonisten Wichtigtuerei vor, andere
sahen in dem sogenannten Syndrom ein
nicht ungefährliches Ausweichmanöver
um das Eingeständnis, an einer Depression
zu leiden.
Mittlerweile ist Burnout in der Liste der
Psychodiagnosen einigermaßen etabliert
(siehe Interview S. 66 – 69). Die Zahl der
Be troffenen steigt stetig. Unter den 15,1 Millionen
berufstätigen AOK- Versicherten
beispielsweise nimmt die Dauer der
Fehlzeiten wegen Burnouts seit dem ersten
Erfassungsjahr 2014 zu. Für 2024
wird die AOK-Statistik (siehe S. 68) wohl
200 Arbeitsunfähigkeitstage aus diesem
Grund je 1000 Versicherte ausweisen, ein
neuer Rekord. Hochgerechnet dürften bis
zu 13 Millionen Menschen in Deutschland
in einem Burnout stecken.
Viele Faktoren führen in die Krise, äußere
und innere. Die Entgrenzung von Beruf
und Privatleben gilt als ein gesellschaftlicher
Trend. Auf der individuellen Ebene
zeigen sich nach Stand der Forschung
bestimmte Persönlichkeitsprofile und
Tätigkeitsmuster, die eine totale Erschöpfung
begünstigen. Sie sind nicht selten.
Wie man bei jedem Stadtmarathon beobachten
kann, gibt es zum Beispiel jede
Menge Menschen, die sich gerne verausgaben.
Andere aus den Burnout-Risikogruppen
glauben zu wenig an sich. Oder
es fehlt ihnen an Selbstwahrnehmung,
wie Psychologen sagen, sie merken lange
nicht, worauf sie zusteuern.
Das Ziel ihrer Seminare sei es, dass die
Teilnehmer am Ende „mehr auf sich achten“,
sagt Institutschefin Heinemann, eine
studierte Pädagogin mit psychotherapeutischer
Zusatzausbildung und vierfache
Mutter. Niemand müsse seine Persönlichkeit
gravierend verändern. „Unsere
Gesellschaft braucht Menschen, die sich
engagieren und um andere kümmern.“
Wo aber Leistungswille, Ehrgeiz und
Entgrenzung eine ungute Mischung eingehen,
wartet die Perfektionsfalle. Perfektionismus
kann die höhere Stufe von
Gewissenhaftigkeit sein, aber auch etwas
Zwanghaftes an sich haben. Nicht immer
bringt er Vorteile für die Organisation, in
der der Perfektionist arbeitet. Wer alle
anvertrauten Projekte bis ins letzte Detail
durchdringen und überprüfen will, verbrennt
nicht nur Zeit. Er hält möglicherweise
den Fortgang der Projekte auf.
Manchmal hören hart arbeitende Menschen
Ratschläge wie den, einigermaßen
gut sei auch gut genug. Das wiederum
kann zu wenig sein. Um die Balance zu
halten, empfiehlt Heinemann, immer wieder
innezuhalten, während man an einer
Aufgabe feilt, etwa an einer Präsentation,
einem Programm oder einem Text. In diesen
Pausen sollte man sich die Frage stellen:
Kann ich bereits stolz sein auf das
Geleistete? „Werkstolz“, wie Heinemann
es bewusst altmodisch ausdrückt, komme
oft früher auf als erst nach der hundertsten
Prüfung, ob alles seine Richtigkeit hat.
Perfektionismus kann sich auch darin
zeigen, dass man möglichst rasch
alle Aufgaben erfüllen will, für die man
vielleicht nur theoretisch zuständig ist.
Eine Strategie dagegen besteht in vorausschauendem
Sortieren. In der Szene
der beruflichen Trainer und Karriereberater
ist etwa die „Eisenhower-Matrix“
bekannt. Angeblich soll Dwight D. Eisenhower,
US-Präsident von 1953 bis 1961,
seinen Schreibtisch in vier Rechtecke ein-
62 FOCUS 50/2024
TITEL
Im Griff der Aufgaben:
Viele Burnout-Betroffene
müssen erst lernen,
auch einmal
Nein zu sagen
geteilt haben. Auf das erste soll er jene
Akten gelegt haben, die er selbst und
sofort erledigen wollte, dem Stapel im
zweiten Feld gab er einen Termin bis zum
Abschluss, jenen im dritten delegierte er
an Mitarbeiter, und der im vierten kam
knapp vor Dienstschluss in den Papierkorb.
Heute lassen sich derartige Ablagen
im Computer einrichten.
Das Matrix-Beispiel signalisiert: Burnout-Bekämpfung
bedeutet nicht nur Ausspannen.
Es sei nicht das Ziel von Prävention
und Behandlung, „dass Leistung als
Negativum gesehen wird“, sagt Gernot
Langs, Chefarzt der Psychosomatischen
Schön Klinik in Bad Bramstedt. Überstunden
zu reduzieren und Berufliches klarer
von Privatem abzugrenzen, kann die Karriere
fördern. Viele Anti-Burnout-Strategien
dienen der Effizienz und dem Fokussieren
auf wirklich Wichtiges. Der Essener
Verkaufstrainer und Buchautor André
May („Durchbruch“, ForwardVerlag) zum
Beispiel unterbindet mit einem Kniff, dass
ihn berufliche Probleme am Einschlafen
hindern. Er notiert die Misslichkeit
auf einem Zettel und schreibt eventuelle
Lösungsmöglichkeiten dazu. So verbannt
er das Berufliche bis zum nächsten
Tag aus dem Schlafzimmer. Ebenso können
To-do-Listen helfen, den Kopf für das
Wesentliche freizubekommen.
Zu den Psychologen, die das Burnout-
Syndrom als Erste erforschten, zählt die
heute 78-jährige Christina Maslach, emeritierte
Professorin an der University of
California in Berkeley. Auf sie gehen die
sechs Faktoren zurück, die ein Burnout
am Arbeitsplatz begünstigen (siehe die
folgenden Seiten).
Eine Präventionsmöglichkeit steht vielleicht
über allen, und sie geht jeden von
uns an. Wir sollten den Alltag von Menschen,
die in Burnout-trächtigen Berufen
arbeiten, nicht zusätzlich erschweren.
Wer viel mit anderen interagiert, als
Lehrer beispielsweise, als Pflegekraft
oder als Angestellter hinter dem Schalter,
landet offenbar häufiger in der großen
Erschöpfung. Darauf könnten wir bei
einem nächsten Anflug von Unmut gerne
Rücksicht nehmen. 7
Sechs Faktoren am Arbeitsplatz,
die uns überfordern – und
wie man auf sie reagieren kann
#1
Arbeitsüberlastung
Die Anforderungen sind zu
hoch, zu komplex und müssen
zu schnell erledigt sein
Was zu tun ist: Widerstand leisten.
„Führungskräfte stehen selbst unter
Druck und geben diesen weiter“, analysiert
Helen Heinemann vom Institut
für Burnout-Prävention in Hamburg.
„Sie haben keine Veranlassung, damit
aufzuhören, solange sie keinen Widerstand
bekommen.“ Man muss Nein
sagen können. Will man bereits übernommene
Aufgaben wieder loswerden,
„kann man die Tätigkeiten mit einer
Schätzung des jeweiligen Zeitaufwands
auflisten und der höheren Ebene vorlegen.
Dann bittet man um eine Entscheidung,
was gestrichen oder aufgeschoben
werden kann“, so Heinemann. Generell
sollte der arbeitende Mensch höchstens
über kurze Zeiträume seine Kapazitäten
voll ausschöpfen, rät der US-Wissenschaftsautor
und Neurotrainer Steven
Kotler. Im Alltag seien etwa 80 Prozent
der maximal möglichen Arbeitsleistung
ein verträglicher Wert.
#2
Mangelnde
Kontrolle
Es fehlt an Autonomie, daran,
Abläufe so zu gestalten,
wie man es für sinnvoll hält
Was zu tun ist: Nach Wegen suchen,
das Tätigkeitsprofil zu verändern – und
sich vor Augen führen, dass die Arbeit
nicht alles ist. Fehlender Gestaltungsspielraum
ist auf Dauer einer der stärksten
Stressauslöser. Der Forscher Erik
Gonzalez-Mulé von der Universität Indiana
in den USA fand einen Zusammenhang
zwischen dieser Art von Belastung,
der psychischen Gesundheit und der Lebenserwartung.
Die Korrelation war aber
nicht sehr stark. Gonzalez-Mulé verwendete
Daten von mehr als 3000 Menschen.
Lässt sich am Tätigkeitsprofil wenig verändern,
raten Psychologen, sich anderer
Stärken zu vergewissern. Zu diesem
Zweck kann man ein Erfolgs- oder Dankbarkeitstagebuch
führen. Täglich notiert
man drei oder vier erfreuliche Dinge,
etwa wertvolle Begegnungen, interessante
Neuigkeiten, erbrachte Leistungen.
Das öffnet gleichzeitig den Blick über die
Lohnarbeit hinaus.
FOCUS 50/2024
63
WISSEN
#3
Fehlende
Anerkennung
Häufig hat man das Gefühl,
mit seiner Leistung nicht
wahrgenommen zu werden
Was zu tun ist: Fachfrau Helen Heinemann
hält die in diesem Fall naheliegende
Bitte um mehr Gehalt zwar für
legitim. Deren Erfüllung beseitige das
Problem aber nicht zuverlässig. „Studien
zeigen, dass das Gefühl von Anerkennung
und Wertschätzung durch eine Gehaltserhöhung
nur etwa drei Monate anhält“,
sagt Heinemann. Dann wäre im Prinzip
ein weiterer Gehaltssprung fällig.
Oft sei es wichtiger, das Betriebsklima zu
verändern, so Heinemann. Jeder im Team
sollte sich um einen „wertschätzenden“
Umgang bemühen. Das schließe ein, auch
den Führungskräften Anerkennung zukommen
zu lassen. Manchen gelingt es,
in der Tätigkeit zeitweise so zu versinken,
dass man diesen positiven Zustand als
Belohnung empfindet. Der verstorbene
US-Psychologe Mihály Csíkszentmihályi
nannte das „Flow“. In derartigen Phasen
benötige der Mensch gar kein Lob von außen
mehr.
#4
Zu wenig
Gemeinschaft
Von den Kollegen kommt
wenig Unterstützung – es bleibt
zu viel an einem hängen
Was zu tun ist: In Zeiten des Fachkräftemangels
steht oft kein böser
Wille dahinter, wenn man sich alleingelassen
fühlt. Pflegekräfte, von denen
in Deutschland 115 000 fehlen, springen
ständig kurzfristig für andere ein. „Sie
müssen einen Ausgleich erhalten –
etwa: Ich übernehme den Weihnachtsdienst
und habe dafür zu Neujahr sicher
frei“, sagt Helen Heinemann.
Wie gehen Selbstständige damit um,
wenn Kunden Unverschämtes fordern?
Der Berliner Web-Designer und Familienvater
Christian Reister, 52, hat
das erlebt und nach einem Nervenzusammenbruch
vor einigen Jahren eine
spezielle Art von Neujahrsvorsätzen
eingeführt. „Hat mich ein Kunde im alten
Jahr sehr genervt, nehme ich mir
vor, ihn bis Februar zu verabschieden.“
Die Einbußen hielten sich in Grenzen,
die Taktik mache frei für Neues. Reisters
Motto: „Der Kunde ist König, aber du
bist der Kaiser.“
Wo bleibt das Lob? Nicht
nur das Gehalt drückt Anerkennung
aus. Tipp: Im
Team einen wertschätzenden
Umgang pflegen
#5
Mangelnde
Fairness
Man hat den Eindruck,
dass es am Arbeitsplatz
ungerecht zugeht
Was zu tun ist: Studien zeigen, dass
Mitarbeiter, die sich unfair behandelt
fühlen, öfter krankgeschrieben sind. Man
sollte zunächst möglichst keine Wut
aufkommen lassen, wenn man von Ungerechtigkeiten
betroffen ist. In einer konfliktträchtigen
Besprechung zum
Beispiel gibt es vor allem zwei Möglichkeiten.
Man kann ruhig und sachlich
weiterdiskutieren, etwa mit Aussagen
beginnen wie „Kann es sein, dass ich da
etwas falsch verstanden habe?“. Oder
man verlässt die Szenerie für wenige Minuten,
entschuldigt sich zum Beispiel
in Richtung Toilette, benetzt dort das Gesicht
mit kaltem Wasser, atmet dreimal
tief durch und macht vielleicht ein paar
Kniebeugen. Bewegung baut Stress ab.
Die Möglichkeiten der Eigentherapie
zum kurzfristigen Spannungsabbau
beginnen bei einem Blick aufs Familienfoto
auf dem Smartphone. Anderen hilft
es, kurz an die frische Luft oder auf
einen schnellen Kaffee zum Bäcker gegenüber
zu gehen. Nicht nur zur Dekoration
stehen in immer mehr Büros
Tischfußballspiele oder gar Tischtennistische.
Man kann auch spezielle Atemtechniken
oder Entspannungsübungen
lernen – Anleitungen und Adressen findet
man leicht im Internet.
64 FOCUS 50/2024
TITEL
#6
Wertvorstellungen
Die eigenen Werte weichen
stark von jenen der Organisation
ab, für die man arbeitet
Was zu tun ist: Für Expertin Helen Heinemann
spricht diese Situation mehr als
die anderen fünf Burnout-Faktoren dafür,
sich einen anderen Arbeitsplatz zu suchen.
Wer sich deutlich von seinem
Unternehmen entfremdet, tendiert zur
inneren Kündigung, verweigert also oft
Eigeninitiative und Einsatz. Das beschädigt
womöglich nicht nur den Arbeitgeber,
sondern die eigene Lebenszufriedenheit.
Heinemann erinnert sich freilich aus ihrer
Beratungstätigkeit an eine alleinerziehende
Frau, die aus moralischen Gründen
kündigen wollte, als sie erfuhr, dass der
Konzern, für den sie arbeitete, auch Aufträge
aus der Rüstungsindustrie annahm.
Aber sie habe keine Chance gesehen,
danach eine ähnlich gut bezahlte
Anstellung zu finden. Manchen Arbeitnehmern
in einem ähnlichen Dilemma
würde Heinemann nahelegen, sich privat
einen Ausgleich zu suchen. Das können
Hobbys, Sport und die Familie sein oder
eine Initiative im Sinne der eigenen
Wertvorstellungen. Wer zum Beispiel
soziales Engagement bei seinem Arbeitgeber
vermisst, kann etwa eine Nachbarschaftshilfe
im Kiez gründen. Das Gefühl,
das eigene Leben in der Hand zu haben,
muss sich nicht auf den Arbeitsplatz
beschränken. Denn Arbeit, so die Essenz
jeder Anti-Burnout-Strategie, ist nicht
das Leben.
Grundlegende Kritik am Unternehmen?
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WISSEN
„Das Burnout-
Syndrom ist
eigentlich eine
Erschöpfungsdepression“
Gernot Langs,
Facharzt
Seit 2009 arbeitet Gernot
Langs als Chefarzt in der psychosomatischen
Schön
Klinik in Bad Bramstedt, Kreis
Segeberg. Sie ist eine der
größten ihrer Art in Deutschland.
Langs, gebürtiger
Österreicher, ist Facharzt für
Psychiatrie, Psychotherapie und
Psychosomatische Medizin
„Ganz klar sind Politiker hoch
gefährdet. Aber auch
Busfahrer fallen mir auf “
K
Kann ein Interview ein Therapiegespräch
simulieren? Nein, dazu ist jeder Fall zu
speziell; aber ausgehend von Beispielen
von Journalisten, Politikern, Supermarktangestellten
und Busfahrern zeigt hier ein
führender Experte seines Fachs, wo die
Grenze zwischen Burnout und Depression
liegt, wann selbst eine 40-Stunden-Woche
zu viel ist und warum das Arbeitstempo
auch eine Frage des Charakters ist.
Ich bin Journalist von Beruf.
Haben Journalisten ein erhöhtes
Burnout-Risiko?
Es kommt darauf an, wo man arbeitet.
Wo ist die Last größer, wo kleiner?
Ohne despektierlich sein zu wollen, aber
jemand, der in einem kleineren, ortsansässigen
Verlag arbeitet, steht wahrscheinlich
vor anderen Herausforderungen als
jemand in einem größeren Verlag, wo intensive
Recherchen erforderlich sind.
Sie meinen, Recherchieren stresst?
Es scheint mir zumindest etwas zu sein,
das man nicht immer zwischen neun und
17 Uhr erledigen kann.
Führen geregelte Arbeitszeiten seltener
zum Burnout als extensive?
Wenn man unregelmäßige Arbeitszeiten
hat, über die 40 Stunden hinaus, hat
das Privatleben eher zu leiden. Man versucht,
beides unter einen Hut zu bekommen,
und will in allem gut sein. Das kann
schwierig werden, zumal wenn man auch
noch öfter beruflich verreisen muss.
Stichwort 40-Stunden-Woche: Gibt
es ein Maß an Arbeitszeit, das grundsätzlich
verträglich ist? Oder eine
Grenze, ab der Sie sagen: Da ist die
Burnout- Gefahr schon sehr, sehr hoch?
Foto: Getty Images
66 FOCUS 50/2024
Es kommt stark darauf an, ob die
Arbeit Spaß macht oder nicht. Ein wichtiger
Faktor ist Schnelligkeit. Es gibt
Menschen, die in achtunddreißigeinhalb
Stunden das schaffen, wofür andere
45 Stunden benötigen. Personenbezogene
Faktoren darf man in der ganzen
Burnout-Diskussion nicht außer Acht lassen.
Aber konkret zu der Frage: Wenn
es wöchentlich immer 55, 60, 70 Stunden
sind und keine Erholungsphase dazwischen
ist, wird es kritisch. Dabei muss
es sich allerdings nicht nur um Erwerbsarbeit
handeln. Wer regelmäßig nach
40 Stunden Arbeit nach Hause kommt
und drei kleine Kinder zu Hause hat, wird
zusätzlich gefordert. Das addiert sich bis
zur Überforderung.
Wenn die Schnelligkeit ein Faktor ist: Habe
ich versagt, wenn ich 45 Stunden für das
brauche, was mein Kollege in 38 Stunden
schafft? Ist Burnout begabungsabhängig?
Das hat nichts mit Versagen zu tun.
Jeder Mensch hat ein anderes Arbeitstempo.
Nur wenn jemand wirklich sehr,
sehr langsam ist, muss man fragen, ob
das die richtige Tätigkeit für denjenigen
oder diejenige ist. Tempo kann eine Frage
des Charakters sein. Auch unter uns
Ärzten gibt es welche, die sich in allem
absichern müssen, die vielleicht noch ein
zusätzliches 20-minütiges Gespräch mit
einem Patienten führen, während schon
die Nächsten warten.
Sehen Sie bestimmte Berufe, bei denen
Sie sagen, dass man da ohne Hilfe
von außen nahezu automatisch in ein
Burnout schlittert?
Ganz klar sind Politiker von Berufs
wegen hoch gefährdet. Schauen Sie sich
den Fall Kevin Kühnert an! Politiker zu
werden und zu sein, scheint immer schwieriger
zu werden, auch und gerade auf der
Ebene der Lokalpolitik.
Weil diese Menschen zusehends verbal
oder auch tätlich attackiert werden?
Ja. Aber auch das Normalprogramm ist
bewundernswert: da eine Verhandlung,
dort ein Festakt und anschließend eine
Besprechung bis in die Nacht – wer hält
das auf Dauer aus? Hut ab vor Angela
Merkel, die das 16 Jahre hingekriegt hat.
Kevin Kühnert gab aus gesundheitlichen
Gründen sein Amt als Generalsekretär der
SPD auf. Sie haben den Verdacht, dass
er ein Burnout-Fall ist?
Ja, ich vermute, dass das so ist, so habe
ich es jedenfalls in den Medien gehört.
Oder nehmen Sie den CDU-Politiker Philipp
Amthor, der trotz seines Alters von
TITEL
1974
gilt als Geburtsjahr
des Begriffs
Burnout.
Der deutschamerikanische
Psychologe
und Suchtexperte
Herbert
Freudenberger
prägte ihn
7
24 %
der Bundesbürger
sind an
einer Depression
erkrankt.
26 Prozent
nehmen als
Familienangehörige
Anteil
daran.
Somit ist rund
die Hälfte im
Alltag mit
dieser Erkrankung
konfrontiert
therapeutische
Gruppensitzungen
zu jeweils
100 Minuten
Dauer führt die
Psychosomatische
Klinik
Bad Bramstedt
mit Burnout-
Betroffenen
durch
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ausbremsen
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– verkürzt die Erkältung *¹
Abbildung zeigt exemplarisch ausgewählte Erkältungssymptome, die auch
in unterschiedlicher Reihenfolge auftreten können.
*Bei einer frühzeitigen Einnahme nach Auftreten der ersten Symptome
verglichen mit einem späteren Einnahmebeginn.
1. Michalsen A et al. The impact of cineole treatment timing on common
cold duration and symptoms: Non-randomized exploratory clinical
trial. PLoS One. 2024;19(1):e0296482.
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FOCUS 50/2024
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WISSEN
Anfang 30 bei einer Pressekonferenz kollabierte;
oder Matthias Platzeck, der
nach einem Hörsturz und einem Nervenzusammenbruch
von seinem hohen
politischen Amt – Bundesparteivorsitzender
– zurücktrat. Arm dran sind aber
auch Menschen in deutlich schlechter
bezahlten Berufen, etwa die Leute im
Lebensmitteleinzelhandel. Regelmäßig
sehe ich mit Entsetzen, wie sie zwischen
Kasse, Lager, Regalen und Kundenbedienen
hin und her hetzen. Mir fallen
auch Busfahrer auf. Die müssen sich
häufig ebenfalls beleidigen lassen, wie
die Politiker. Irgendwann ist offenbar
bei jedem dieser Leute ein Maß erreicht,
wo es nicht mehr geht.
Wann diagnostizieren Sie einen Burnout?
Schaut man genauer hin, ist das Burnout-Syndrom
eigentlich eine Erschöpfungsdepression.
Der Begriff zählt
zwar nicht mehr zur offiziellen medizinischen
Nomenklatur, aber das Wort
Erschöpfungsdepression passt sehr gut.
Es gibt klassischerweise zwei Wege in
die Depression. Der eine führt über
Akut ereignisse, irgendwelche großen
finanziellen Belastungen oder familiären
Konflikte. Der andere läuft über den
Burnout-Prozess, da ist man am Schluss
erschöpft.
Nicht ganz unwichtig in unserem Gesundheits-
und Sozialsystem ist die
Frage: Wurde das Burnout-Syndrom
mittlerweile formal anerkannt?
Es gilt im ICD-System, der internationalen
Klassifikationen der Krankheiten,
als Zusatzdiagnose. Interessanterweise
wird es mittlerweile auch von der Rentenversicherung
als Diagnose anerkannt.
Wie krank ist jemand, der einfach von
sich sagt, dass er ausgebrannt ist?
Bis zu einem gewissen Grad ist Burnout
eine Schönrederei. Der Begriff wird
inflationär verwendet. Menschen sagen
manchmal lieber von sich, dass sie einen
Burnout haben, wenn es sich in Wirklichkeit
um eine Depression handelt. Andererseits
sind Stresssymptome noch kein
Grund für eine antidepressive Behandlung.
Da genügt häufig eine Verhaltensänderung,
aber eine 20-stündige Therapie
wäre zu viel.
Geht unsere Gesellschaft mit dem Wort
Burnout zu unbedacht um?
Ja. Der Begriff ist spannend, aber
wenn man mit Menschen, die wirklich
stark darunter leiden, genau spricht,
stellt sich in fast allen Fällen heraus,
dass sie eine Erschöpfungsdepression
Arbeitskosten
Das Leiden am Job in Statistiken
Arbeitsunfähigkeitsfälle
Arbeitsunfähigkeitsfälle
250
je 100 Versicherte
225
250
250
je 100 Versicherte
225
225
*Jan.–Aug.
*Jan.–Aug.
*Jan.–Aug.
200
alle Diagnosen
200
200
alle
alle
Diagnosen
Diagnosen
158
150
158
158
150
150
100
100
100
50
50
50
11 psychische und Verhaltensstörungen
11
11 psychische
psychische
und
und
Verhaltensstörungen
Verhaltensstörungen
15
15
15
0
2014 2016 2018 2020 2022 2024*
2014
2014
2016
2016
2018
2018
2020
2020
2022
2022
2024*
2024*
Fallzahl und Dauer von Burnout-Erkrankungen
Fallzahl und Dauer von Burnout-Erkrankungen
8,3
je 1000 AOK-Mitglieder
8,3
8,3
8
je 1000 AOK-Mitglieder
*Jan.–Aug.
*Jan.–Aug.
7
*Jan.–Aug.
AU-Fälle
AU-Fälle
AU-Fälle
5,1
6
5,1
5,1
5
200
184
200
200
184
184
AU-Tage
100
AU-Tage
AU-Tage
100 100
100
100
100
0
2014 2016 2018 2020 2022 2024*
2014
2014
2016
2016
2018
2018
2020
2020
2022
2022
2024*
2024*
Berufe mit höchster Burnout-Prävalenz
Berufe mit höchster Burnout-Prävalenz
AU-Tage je 1000 AOK-Mitglieder
AU-Tage je 1000 AOK-Mitglieder
Aufsichts-/Führungskräfte-Gesundheits-/ Krankenpflege,
Aufsichts-/Führungskräfte-Gesundheits-/
Aufsichts-/Führungskräfte-Gesundheits-/ Krankenpflege,
Krankenpflege,
Rettungsdienst, Geburtshilfe
Rettungsdienst,
Rettungsdienst,
Geburtshilfe
Geburtshilfe
607
607
607
Berufe im Dialogmarketing
Berufe
Berufe
im
im
Dialogmarketing
Dialogmarketing
442
442
442
Berufe in der Altenpflege
Berufe
Berufe
in
in
der
der
Altenpflege
Altenpflege
365
365
365
Aufsichts-/Führungskräfte - Verkauf
Aufsichts-/Führungskräfte
Aufsichts-/Führungskräfte Verkauf
Verkauf
362
362
362
Berufe in der Sozialverwaltung und -versicherung
Berufe
Berufe
in
in
der
der
Sozialverwaltung
Sozialverwaltung
und
und
-versicherung
-versicherung
360
360
360
Welche Vorsätze sich Menschen in Deutschland
Welche Vorsätze sich Menschen in Deutschland
für das Jahr 2025 vornehmen
für das Jahr 2025 vornehmen
mehr Zeit für Familie/Freunde
41 %
mehr
mehr
Zeit
Zeit
für
für
Familie/Freunde
Familie/Freunde
41
41 mehr Sport treiben
40 %
mehr mehr
Sport
Sport
treiben
treiben
40 40 Stress vermeiden/abbauen
40 %
Stress
Stress
vermeiden/abbauen
vermeiden/abbauen
40 40 gesünder ernähren
35 %
%
gesünder gesünder
ernähren
ernähren
35 35 mehr Zeit für sich selbst
26 %
%
mehr
mehr
Zeit
Zeit
für
für
sich sich
selbst
selbst
26 26 abnehmen
24 %
abnehmen
abnehmen
24 24 sparsamer sein
19 %
%
sparsamer sparsamer
sein
sein
19 19 sich weiterbilden
17 %
sich sich
weiterbilden
weiterbilden
17 17 beruflich weiterkommen
16%
%
beruflich
beruflich
weiterkommen
weiterkommen
16%
16%
FOCUS-Liste:
38 Ärzte der
Psychosomatik
FOCUS-Liste:
85 Ärzte zu
Depressionen
Quellen:
Wissenschaftliches
Institut der AOK,
FOM Hochschule
haben. Stresssymptome und ein wenig
Schlaflosigkeit hingegen reichen nicht
für eine Diagnose.
Also, wenn ich zu Ihnen komme
und sage, ich komme locker auf 60 Wochenstunden,
habe Stress, manchmal
Schlafstörungen, ab und zu schlägt
das Herz spürbar schneller, und alles
wirkt sich negativ auf meine privaten
Beziehungen aus – dann sagen Sie,
schön und gut, aber machen Sie mal
ein nettes Anti-Stress-Training …?
Natürlich würde ich zunächst versuchen,
eine Diagnose zu stellen. Ich
würde sagen, das liefe auf eine Anpassungsstörung
hinaus. Da kann man dann
schon was machen. Ich würde mit Ihnen
gemeinsam hinschauen, was denn die
Auslöser sind. Aber am Ende würde ich
wohl sagen: Klar, Sie arbeiten zu viel,
und dagegen gibt es keine Psychotherapie.
Arbeiten Sie weniger!
Und wenn ich außerdem sage, ich habe
das Gefühl, da nicht rauszukönnen, als
wäre ich in einem Tunnel?
Das kann dann in Richtung Depression
gehen, ja.
Was für Fragen würden Sie stellen,
um auszuloten, ob ich nur zu viel arbeite
oder ob mehr dahintersteckt?
Ich würde die Depressionssymptome
abfragen, Traurigkeit, Niedergeschlagenheit,
Freudlosigkeit, Lustlosigkeit,
leichte Erschöpfbarkeit, Antriebsmangel,
Konzentrationsstörungen, Merkfähigkeitsstörungen,
Schlafstörungen, Appetitstörungen,
mangelndes Selbstwertgefühl
bis hin zum Lebensüberdruss.
Ist das Klagen über Burnout-Symptome
häufig eine Eintrittspforte zu einer
Depressionsdiagnose?
Als Einstieg ist der Burnout oft wunderbar.
Ich erlebe immer wieder Patienten,
die schon beim ersten Gespräch
sagen: Ich habe aber keine Depression.
Okay, aber nach zwei Wochen kommen
wir dann nicht so selten an jenen Punkt,
an dem sie sagen: Richtig, es ist doch
eine Depression. In einer Klinik wie der
unsrigen gibt es übrigens einen Riesenvorteil,
der diesen Prozess beschleunigen
kann. Die Leute sprechen mit Mitpatienten,
und denen glauben sie oft
eher als uns. Sie finden sich in den Verläufen
der anderen wieder und geben
zu, leider, ich habe eine Depression.
Schwierig wird wiederum oft, dies den
Angehörigen zu Hause zu sagen. Die
nehmen einen oft nicht ernst, sagen:
Reiß dich zusammen, die Sonne scheint,
68 FOCUS 50/2024
TITEL
und schau, wie schlecht es denen in der
Ukraine geht.
Soweit ich weiß, sind 70 Prozent Ihrer
Patienten weiblich. Kann man mit dem
Begriff Burnout mehr Männer angeln,
sie dazu bringen, wenigstens ein professionelles
Gespräch zu suchen?
Vielleicht. Um ausgebrannt zu sein, muss
man ja einmal gebrannt haben, und das
entspricht dem vorherrschenden Bild von
Männlichkeit eher.
„Vielen fällt es
schwer, den
Angehörigen zu
sagen, woran sie
wirklich leiden“
Gernot Langs
Das haben wir mal überlegt, aber wieder
verworfen. Ich finde, dass die Geschlechter
voneinander lernen können.
Sie trennen auch die Therapiegruppen nicht?
Nein. Es gibt höchstens manche Gespräche,
die ich mit Frauen nicht führen möchte,
und analog machen es meine Kolleginnen.
Dazu zählen vor allem sexuelle Belange.
Verstehe ich Sie zusammenfassend richtig:
Wenn ein Burnout behandlungsbedürftig
ist, ist es eine Erschöpfungsdepression?
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Wie sehr bildet der starke Überhang
Jahren den Lebensweg von Suizidenten Ja. Es kann auch eine Angst- oder
an Frauen in Ihrer Klinik die tatsächliche
Geschlechterverteilung bei der
Krankheit ab?
Wahrscheinlich gibt es tatsächlich
einen gewissen Überhang von Frauen,
aber 70 zu 30 ist das Verhältnis in der
Realität nicht. Männer sprechen einfach
weniger über solche Probleme. Und
sie reagieren anders. Die Autoren einer
wegweisenden schwedischen Studie zur
Suizidprävention verfolgten vor einigen
zurück. Die Frauen, die sich das Leben
genommen hatten, waren eher den Ärzten
bekannt, die Männer eher der Polizei.
Sie trinken Alkohol, sind impulsiv
und werden straffällig. Männer gehen
mit psychischen Problemen anders um.
Nur in den Suchtkliniken stellen sie die
klare Mehrheit, wenn auch die Frauen
da langsam aufholen.
Haben Sie für Männer mit Erschöpfungsdepression
spezielle Therapiekonzepte?
Schmerzstörung dahinterstecken, aber
meist ist es eine Erschöpfungsdepression.
Wie reiht sich diese unter den Spielarten
der Depression ein?
Die Erschöpfungsdepression ist nur der
Weg zur Depression über die Erschöpfung.
Am Ende wartet der Teufelskreis
der Depression, mit negativen Gedanken
über sich, die Umwelt und die Zukunft. 7
INTERVIEW: KURT-MARTIN MAYER
FOCUS 50/2024
69
WISSEN
WISSENS-NEWS
H5N1
Die Gefahr wächst
Die Anpassungsfähigkeit des Vogelgrippevirus
macht die Fachwelt
immer nervöser. Laut einer in „Science“
erschienenen Studie fehlt H5N1 nur eine
einzige Mutation, um sich auf den Menschen
umzustellen – und könnte damit
womöglich eine neue Grippepandemie
auslösen. Die Ergebnisse machten deutlich,
wie wichtig eine kontinuierliche
Überwachung neu auftretender H5N1-
Mutationen ist, schreiben die Autoren.
Das Virus hat bereits Hunderte Kuhherden
in den USA infiziert und auch zu
Fällen bei Menschen geführt.
so
Höchst adaptiv H5N1 könnte schon
bald zur nächsten Pandemie führen
Geologie
Tonnenweise Gold
In der chinesischen Provinz Hunan
haben Geologen eine enorme Goldlagerstätte
entdeckt. Sie dürfte mehr als
tausend Tonnen Gold umfassen. Das
entspricht etwa einem Wert von 78 Milliarden
Euro und wäre einer der größten
bekannten Goldbestände der Erde.
Zahl der Woche
62
Prozent
der europäischen Böden sind bereits
durch physikalische, chemische
oder biologische Prozesse degradiert
Quelle: EU Soil Observatory
PRAXISNAH
Windpocken sind selten geworden. Kolumnistin
Ulrike Koock rät dennoch zur Impfung
E
s gibt sie noch, die Windpocken, auch
Varizellen genannt. Quälend juckend,
hochansteckend und nicht immer
harmlos kommt die einst so weit verbreitete
Kinderkrankheit nur noch selten in Arztpraxen
an. Aber ab und an passiert es eben.
Eine Mutter aus meinem Freundeskreis
meldete sich vor einigen Wochen bei mir.
Der Sohn habe komische Flecken auf dem
Rücken und dem Bauch bekommen.
„Hat dein Sohn Fieber oder Zeichen eines
Infekts?“, fragte ich sie. Sie schüttelte den
Kopf. „Nein, nur diese Punkte. Gestern waren
es eher Flecken, heute sehen sie wie Punkte
aus.“ Sie schickte mir ein Foto auf mein Handy.
Der gesamte Oberkörper war von unterschiedlich
großen Flecken und Pusteln überzogen.
„Hat er in letzter Zeit Medikamente
genommen?“, fragte ich weiter, weil Reaktionen
auf Medikamente gerne in den
unterschiedlichsten Ausprägungen
daherkommen.
„Nein, gar nichts. Ihm geht’s
auch gut. Wir waren gestern
im Wald, vielleicht sind es
Stiche?“
„So viele?“ Ich zweifelte
das an. „Er war bei
dem Wetter doch wahrscheinlich
nicht mit
T-Shirt bekleidet, sodass er
so zerstochen sein könnte?
War die Kleidung vielleicht neu
und ungewaschen?“ Ich wollte
eine allergische Reaktion ausschließen,
auch wenn der Ausschlag so gar nicht danach
aussah.
„Eigentlich sieht es nach Windpocken aus“,
erklärte ich ihr. „Ist er geimpft?“
Sie nickt „Na klar.“
„Manchmal kann man dennoch eine leichtere
Form von Windpocken bekommen. Wir
beobachten das mal“, bat ich sie. Nicht immer
kann man sofort eine Aussage treffen. Und
gerade wenn Kinder geimpft sind, kann eine
Windpockenerkrankung deutlich schwächer
ausfallen.
Als der Ausschlag sich nach einigen Tagen
vom Rumpf auf die Arme, die Beine und das
Gesicht ausgebreitet hatte, war ich mir sehr
sicher, dass es sich um die Windpocken handelte.
Man sah ein Nebeneinander von
Flecken, Papeln (Knötchen), Bläschen und
Verkrustungen - ein klassischer „Sternenhimmel“,
wie man das Erscheinungsbild des
Ausschlages nennt. Dem Kind ging es nach
wie vor, bis auf ein leichtes Jucken der Haut,
blendend.
In der Zwischenzeit war die Mutter mit dem
Sohn zum Hausarzt gegangen, weil sie für die
Fehltage in der Schule eine Bescheinigung
brauchte. Dieser schaute sich die Haut an und
sagte: „So was habe ich noch nie gesehen.“
Daran sieht man die Wirksamkeit einer
Impfung: Die Erkrankung ist so selten geworden,
dass man den Ausschlag, der früher allgegenwärtig
vorkam, nicht mehr
als Blickdiagnose erkennt. Heutzutage
sind die meisten Kinder
gegen die Varizellen
geimpft. Verheilt die Krankheit
zwar meist folgenlos, so
kann sie doch in seltenen
Fällen zu Lungenentzündungen
oder sogar zu
Enzephalitiden (Entzündungen
des Gehirns)
führen. Außerdem ist
es fraglich, ob man
seine Kinder dem
quälenden Juckreiz und
der Gefahr für Narbenbildung
aussetzen muss.
In den Zeiten vor der Impfung
hat man Kinder noch
zu „Windpockenpartys“ gebracht,
bei denen ein erkranktes Kind
die anderen infizieren sollte, damit sie es hinter
sich haben. Ein fragwürdiges Verfahren.
Die Erkrankung ist so ansteckend, dass fünf
Minuten gemeinsam verbrachte Zeit in einem
Zimmer ausreichen, um sie zu übertragen.
Dem Kind ging es nach einigen Tagen wieder
gut. Das Exanthem war nach und nach
verkrustet und verheilt, Folgen sind keine
geblieben. Lediglich der längere Schulausfall
ließ sich wegen der hohen Ansteckungsgefahr
nicht vermeiden.
Die Ärztin und Bloggerin Ulrike Koock schreibt
hier im wöchentlichen Wechsel mit dem
Psychiater und Theologen Manfred Lütz
Fotos: Science Photo Library , dpa Illustration: Birgit Lang/FOCUS-Magazin
70 FOCUS 50/2024
NACHRICHTEN
Astronomie
Ein lebensfreundlicher Ort auf dem Mars
Seit Milliarden von Jahren ist der Mars ein lebensfeindlicher
Ort: Seine Oberfläche ist eine eiskalte, staubtrockene
Wüste. Seine Atmosphäre ähnelt der von
Autoabgasen, die Strahlung ist tödlich. Dennoch gibt es immer
wieder Hinweise auf biologische Lebensformen.
Ein Team um Ökologie-Professor Andrea Butturini von der
Universität Barcelona hat nun einen möglichen Ort für gegenwärtiges
Leben auf dem Roten Planeten identifiziert, wobei
die Organismen weit unter der Oberfläche leben
dürften. Die Forschenden konzentrierten
sich bei ihrer Suche auf Gebiete, die
die richtigen Mengen an Wasser,
Wärme und Energie für
die Existenz von Lebensformen
aufweisen.
Anhand der Daten
zahlreicher Orbiter und Rover, die den Mars besucht haben,
fanden sie heraus, dass Acidalia Planitia, eine 3000 Kilometer
breite Ebene in der nördlichen Hemisphäre des
Mars, in schätzungsweise 4,3 bis 8,8 Kilometern Tiefe die
richtigen Bedingungen für Methanogene zu bieten scheint.
Diese Methan produzierenden Bakterien kommen auf der
Erde in vielen Umgebungen vor, etwa in Feuchtgebieten und
tief in den Ozeanen. Einige dieser Orte seien „Analogien zu
einem hypothetischen bewohnbaren Marsuntergrund“,
schreiben die Forscher.
Die Möglichkeit, dass unterirdische
Orte ein von der Oberfläche
unabhängiges Ökosystem
beherbergten,
sei keine Science
Fiction. so
Nachbarplanet
Im Schnitt
rund 228
Millionen
Kilometer ist
der Mars
von der Erde
entfernt
MATTINGS WARENTEST
Fotos: NASA/JPL/USGS
Smartphones haben fast
überall die Foto- und Videofunktion
übernommen –
außer, wenn es nass, hektisch
und schmutzig wird, also bei
Outdoor-Abenteuern aller Art.
Mit Tauch- oder Skihandschuhen
sind Touchscreens unpraktisch,
und das schicke iPhone ist
dafür nicht ausgelegt.
Actioncams wie die Osmo
Action 5 Pro des für seine Drohnen
bekannten Herstellers DJI
füllen diese Lücke. Mit 380 Euro
liegt die Kamera im Mittelfeld
vergleichbarer Geräte. Was
im Test aber gleich auffällt: Der
Tester muss sie ungewohnt selten
laden. Wo die Konkurrenz
nach neunzig Minuten schlappmacht,
hält der Akku der Osmo
5 mindestens doppelt so lange.
Das ist im Outdoor-Einsatz sehr
viel wert.
DJI Osmo Action 5 Pro
Aufnahmen vom Abenteuer
Robust Die Outdoor-
Kamera ist wasserfest
und macht auch nicht
gleich schlapp
Bei der Bildqualität punktet
das Modell mit einem vergrößerten
Sensor, der mehr Licht einfängt.
Bei Tageslicht führt das
zu sehr guten Bildern. Nachts
sind Smartphones noch deutlich
überlegen.
Der Bildstabilisator arbeitet
zuverlässig. Wunder vollbringt er
nicht, aber man will eine holprige
Fahrt ja auch im Bild sehen.
Praktisch: Es sind bereits
47 GB Speicher eingebaut, man
muss also nicht mehr an Micro-
SD-Karten denken. Natürlich ist
das Gerät staub- und wasserdicht
(bis 20 m). Die beiden Displays
zeigen hell und scharf und
erleichtern die Bedienung. Für
Makroaufnahmen ist das Modell
allerdings nicht geeignet – näher
als etwa eine Unterarmlänge
fokussiert die Kamera nicht.
Matthias Matting
FOCUS 50/2024
71
KULTUR
Verderben
Der Vulkan Popocatépetl
bildet die hitzige Kulisse
für Lowrys Geschichte einer
Selbstvernichtung
Foto: Getty images/ fitopardo
72 FOCUS 50/2024
LITERATUR
„Der Name dieses
Landes ist Hölle“
Jedes Jahr am Tag der Toten kommen sie
im mexikanischen Cuernavaca zusammen,
um dem Schriftsteller Malcolm Lowry
zu huldigen, der hier seinen wahnwitzigen
Roman „Unter dem Vulkan“ schrieb
TEXT VON AIREN
73
KULTUR
M
„Malcolm Lowry ist mal nachts im Vollrausch
in diese Schlucht gestürzt“, sagt
Dany Hurpin und lehnt sich über die
Holzbrüstung. Dahinter geht es steil eine
Böschung hinab, locker dreißig Meter.
Bambusrohre schießen aus dem Dickicht
empor, ragen in den Himmel über dem
Hotelgarten, an dessen Rand das Geländer
angebracht ist. „Die Hotelangestellten
mussten Lowry mit vereinten Kräften
wieder nach oben zerren.“ Dany Hurpin,
ein schlaksiger Franzose mit breitem
Grinsen, lädt die Teilnehmer der Exkursion
ein, näherzutreten.
Zögernd wagen sie sich ans Geländer,
angegraute Künstlertypen, Damen in wallenden
Ethnogewändern und eine Hippiefrau
mit selbst gebasteltem Filzhut, aus
dem ein Ast hervorragt. Der etwas wunderliche
Haufen, der dort die Schlucht inspiziert,
sind die Teilnehmer der jährlichen
„Caminata Lowriana“, einem Spaziergang
auf den Spuren Malcolm Lowrys,
des britischen Trunkenbolds und Literaturgenies,
der in diesem Hotel im zentralmexikanischen
Cuernavaca an seinem
großen Säuferepos schrieb, dem Jahrhundertroman
„Unter dem Vulkan“.
Die Führung zu Originalschauplätzen
des Romans findet immer im November
statt, am mexikanischen „Tag der Toten“,
an dem die Handlung im Jahr 1938 angesiedelt
ist. „Unter dem Vulkan“ erzählt
vom letzten Tag im Leben des britischen
Konsuls Geoffrey Firmin, zwölf intensive
Stunden, aufgeteilt in zwölf Kapitel. Es
ist ein Werk voll kryptischer Anspielungen
und literarischer Anleihen, vor dem
Hintergrund der großen Umwälzungen
seiner Zeit. Es erzählt vom unverhofften
Besuch von Firmins entfremdeter Gattin,
deren letzten Versuch, ihre Ehe zu retten
– doch der Konsul wirft sich mit unbändigem
Selbstzerstörungswillen in den Alkoholrausch.
Die Kolonialstadt Cuernavaca
dient darin als Metapher für die Verlorenheit
in einer feindseligen Welt.
„Und so denke ich manchmal an mich
selbst wie an einen großen Forscher, der
irgendein unbekanntes Land entdeckt hat
und niemals von dort zurückkehren kann,
um der Welt Kenntnis davon zu geben“,
heißt es im Roman, „aber der Name dieses
Landes ist Hölle. Natürlich liegt es nicht
in Mexiko, es liegt im Herzen.“
Darauf einen Mezcal
„Malcolm Lowry kennt nicht jeder“, sagt
Hurpin, er hat die Schlucht hinter sich
gelassen und spaziert nun durch den
Garten des Hotels. „Aber wenn zwei
Lowry-Begeisterte aufeinandertreffen,
entsteht eine Freundschaft.“ Das Hotel
heißt mittlerweile „Bajo el Volcán“, hier
lebte Lowry Mitte der 1940er Jahre, hier
schrieb er die dritte Fassung des Romans,
der zehn Jahre seines Lebens bestimmte,
und hier erhielt er die vernichtende Nachricht
seines Verlegers Jonathan Cape, er
solle das Manuskript doch bitte kürzen,
auf die Hälfte oder zwei Drittel seines
jetzigen Umfangs.
Lowry schnitt sich daraufhin die Pulsadern
auf – in genau jenem Turmgemach,
zu dem das Grüppchen nun über eine
„Wenn zwei Lowry-Begeisterte aufeinandertreffen,
entsteht eine Freundschaft“
Dany Hurpin, Literatur-Aficionado
Außentreppe aufsteigt. Im Turm stapelt
sich heute Gerümpel, und Hurpin erzählt,
wie das leidgeprüfte Hotelpersonal dem
Autor damals ein zweites Mal das Leben
rettete – und dieser einen mittlerweile
legendären 40-seitigen Brief an Cape verfasste,
in dem er das Werk leidenschaftlich
verteidigte. „Nicht ein Komma“ wolle
er entbehren, schrieb Lowry – und überzeugte
schließlich den Verleger.
Hier vom Dach fällt der Blick auf die
Hochebene, aus der zwei mächtige Vulkane
ragen: Popocatépetl und Ixtaccíhuatl,
der zweit- und der drittgrößte Berg Mexikos.
Mit französischem Zungenschlag
rezitiert Hurpin aus „Unter dem Vulkan“:
„Ixtaccíhuatl und Popocatépetl, dieses
Inbild der vollkommenen Ehe, lagen jetzt
klar und schön am Horizont unter einem
fast wolkenlosen Morgenhimmel. ‚Trink
den ganzen Vormittag‘, sagten sie zu ihm,
‚trink den ganzen Tag‘. Das heißt Leben!“
Dany Hurpin, studierter Geologe, kam
vor 24 Jahren per Sprachaustausch nach
Cuernavaca. Der 48-jährige ist eine feste
Größe in der Kunstszene der Stadt, er
veranstaltet Ausstellungen und leitet den
Kleinverlag La Cartonera, der Bücher
in liebevoller Handarbeit herstellt. Vor
sieben Jahren trat Hurpin der Malcolm-
Lowry-Stiftung bei, einem losen Verband
von Aficionados, die das Gedächtnis an
das saufende Genie hochhalten.
Die Stiftung veranstaltet seit ihrer
Gründung 2002 ein jährliches Symposium.
Besucher kamen schon aus Portugal
oder Neuseeland. „Es ist ein weltweites
Netzwerk“, sagt Hurpin. „Jeder
kennt jeden.“
In diesem Jahr fand das Jahrestreffen
am Vorabend der Schauplatz-Führung
statt. Im Atrium eines prachtvollen Ziegelbaus
hatte auf 30 Plastikstühlen das
Bildungsbürgertum der Stadt nahezu geschlossen
Platz genommen. Der süßliche
Geruch von exhaliertem Alkohol hing
über den Köpfen, am Rauchertisch dämmerte
eine Bierleiche weg. Bei jeder sich
ergebenden Sprechpause prosteten sich
Referenten und Publikum mit Mezcal zu,
jenem scharfen Agavenbrand, der Lowry
fast den Verstand gekostet hatte. Mit fortschreitendem
Pegel mutierte das Auditorium
zur Kneipe, Gespräche brandeten
im Publikum auf, dieser eingeschworenen,
trinkfesten Gemeinschaft: die letzten
Lowryaner.
Regisseur Óscar Menéndez sprach über
seine Doku, die er 36 Jahre zuvor über
Lowry gedreht hatte, und jedes Mal, wenn
der alte Mann ins Stocken geriet, vervollständigte
das Publikum seine Sätze – so
oft hatte jeder den Vortrag bereits gehört.
Lowry zeige das alte Cuernavaca, krächzte
Menéndez, jedoch: „Heute hat sich die
Stadt in eine kleine Hölle verwandelt.“
Wie zum Beweis raste in genau diesem
74 FOCUS 50/2024
LITERATUR
Verziert
Seine Anhänger ehren
Malcolm Lowry am Tag der
Toten in Cuernavaca
Moment eine Kolonne Polizeifahrzeuge
vorbei und heulende Sirenen erstickten
den Vortrag. Auf den Schreck genehmigte
man sich gleich noch einen Mezcal.
Der Autor Alberto Rebollo trug mit zunehmendem
Enthusiasmus aus seinem
Roman vor, der auf Lowrys Leben basiert,
und kaum hatte er den letzten Satz gelesen,
sprang er auf, reckte das Mezcalglas
in den Abendhimmel und stürzte es in
einem Schluck hinunter: „Salud!“ Dröhnender
Applaus.
Volksfest auf dem Friedhof
Fotos: Eunice Adorno
Versteckt
Lowrys Schreibklause
ist heute das Hotel
Bajo el Volcán
Vergessen
Die Absturzkneipe „La Estrella“
aus dem Roman hat
inzwischen geschlossen
Verehrt Lowrys Roman,
1947 erstmals erschienen,
gilt als Klassiker der
modernen Literatur
Am nächsten Tag verlässt die Exkursionsgruppe
das Hotel Bajo el Volcán, das
sich hinter Stacheldraht und eingemauerten
Glasscherben verbarrikadiert hat.
Drei Überwachungskameras halten das
Geschehen auf der davor liegenden Kreuzung
fest. Im Moment ist da allerdings
nur ein Scheibenputzer, der im Schatten
wegelagert, und ein rostiger Minibus,
der sich die kurvige Straße hinaufkämpft.
Cuernavaca besitze „achtzehn Kirchen
und siebenundfünfzig Bars“, schrieb
Lowry, „und nicht weniger als vierhundert
öffentliche oder private Schwimmbäder.“
Die „Stadt des ewigen Frühlings“,
einst ein tropisches Idyll vor den Toren
von Mexiko-Stadt, war ein Magnet für
Künstler, Intellektuelle und europäische
Exilanten.
Heute leben in der Metropolregion von
Cuernavaca rund eine Million Menschen,
es ist eine der unsichersten Städte Mexikos.
Der hiesige Bundesstaat Morelos,
knapp doppelt so groß wie das Saarland,
verzeichnete allein in diesem Oktober
144 Morde. Kartelle und Banden kämpfen
um die Vorherrschaft. An den Kiosken
im Zentrum, das die Lowry-Wanderer nun
erreichen, überbieten sich die Titelblätter
mit blutigen Fotos von Massengräbern
und verstümmelten Leichen.
Hurpin zeigt lieber Relikte aus der Blütezeit
der Stadt: Die Festung mit Wandmalereien
von Diego Rivera, das ehemalige
Hotel Bella Vista und das Restaurant
„La Universal“ am Stadtplatz, in dem
Lowry zu zechen pflegte. An jedem Romanschauplatz
zückt Hurpin seine zerfledderte
Ausgabe von „Unter dem Vulkan“
und gibt eine passende Textstelle
zum Besten.
FOCUS 50/2024
75
KULTUR
„Ich habe im ‚Vulkan‘ versucht, die
Missbildungen meines Verstandes so gut
wie möglich zu verschleiern“ Malcolm Lowry
Zwischen all den Wechselstuben und
Pfandleihhäusern, den Straßenhuren
und den Militärs mit ihren Maschinengewehren
wirken die Exkursionsteilnehmer
wie Außerirdische, literarische
Schatzjäger auf der Suche nach einer
verlorenen Zeit. „Viele Handlungsorte“,
sagt Hurpin, „sind mittlerweile verschwunden.“
Die Cantina „La Estrella“ existiert zwar
noch, es wäre aber eine Übertreibung, zu
behaupten, dass sie noch steht. Von der
ältesten Bar Cuernavacas ist nur noch die
Fassade erhalten, die Seitenflügel sind
eingefallen, aus den Mauerresten wächst
Unkraut. Über dem Eingang prangt ein
Zitat aus „Unter dem Vulkan“: „Was gibt
es etwas Schöneres als eine Cantina in den
frühen Morgenstunden?“ Die Lowryaner
haben die Inschrift angebracht, früher
Verloren Lowry, 1909 bei Liverpool geboren,
starb 1957 an einer Überdosis
hielten sie hier ihre Treffen ab. Während
der Covid-Pandemie musste die Spelunke
jedoch schließen, dann stahlen Einbrecher
die Wasserleitungen, und das Dach stürzte
ein. Bald wird der Laden abgerissen.
Aufbruch zur letzten Station der Tour,
dem Friedhof La Leona. Taxis werden
herangewunken, auch die Bierleiche
vom Rauchertisch ist eingetrudelt – Latzhose,
Jagger-Brille –und quetscht sich
auf den Rücksitz. „Das Buch hat geile
Sätze“, sagt die Bierleiche. „Aber ich bin
der Einzige in diesem Sauhaufen, der in
Lowry kein Genie sieht.“
„Aussteigen!“, ruft Dany Hurpin lachend
vom Beifahrersitz. „Sofort aussteigen!“
Die Bierleiche entpuppt sich als Victor
Hugo Sánchez Reséndiz, Dozent der
Politikwissenschaften und renommierter
Experte für Zapatismus. Das mit der Stiftung,
erzählt Reséndiz, sei ein Schwindel.
Sie existiere nicht wirklich als Rechtsform,
man sei nur bei einem Trinkgelage darauf
verfallen. Das Taxi knattert über abschüssige
Straßen, vorbei an Graffiti, die Femizide
anprangern („Mörderstaat!“), entlang
verschachtelter Favelas, die sich an
die Hügel ducken.
JETZT ÜBER DAB+, AUF RADIOBOB.DE
ODER IN DER MYBOB-APP MITROCKEN!
LITERATUR
Fotos: Rodrigo Marquez, Getty Images
Auf dem Friedhof herrscht Rummelplatz-Atmosphäre:
eine drängelnde Menschenmenge,
Zuckerwatte, knallbunte
Heliumballons. Musiker in Mariachi-
Uniformen schmettern Schlager, am Tag
der Toten wird auf Mexikos Friedhöfen
getrunken, gesungen und gefeiert.
Ein letzter Gruß der Gerechtigkeit
Die Gruppe hält vor einem gläsernen
Mausoleum, das im Sonnenlicht glitzert
wie tausend Diamanten. Es stand bereits
zu Lowrys Zeiten. „Die Struktur selbst
bestand aus Millionen kleiner Spiegelstücke“,
rezitiert Dany Hurpin, „die in
allen erdenklichen geometrischen Formen
zugeschnitten und in verschlungenen
Mosaikmustern an der Balustrade,
an den Säulen und an den Seiten angebracht
waren.“
Dann zieht Hurpin eine Flasche Mezcal
aus seinem Rucksack. „Mezcal del Consul”
steht auf dem Etikett. „Spezialabfüllung“,
sagt Hurpin. „Den gibt’s nur zum
Tag der Toten.“
Lowry-Autor Rebollo hat sich auf
einem Grab niedergelassen und eine
Bierdose aufgeknackt. „Unsere Treffen
enden immer im Vollrausch“, sagt er
und spielt eine alte mexikanische Ballade
auf seinem Handy ab. Er springt
auf und stimmt in das Lied ein, balanciert
auf dem Bordstein, Bierdose
in der einen Hand, Mezcalbecher in
Verwegen Airen lebt als Journalist
und Schriftsteller („Strobo“) in Mexiko
der anderen, jauchzt diesen leidenschaftlichen
mexikanischen Jubelschrei:
„Ayayayay!“
Es wird viel gelacht und noch mehr
getrunken an diesem Nachmittag, aber
dann wird es doch für einen Moment
still. Jemand hat ein Foto mitgebracht,
es zeigt eine Frau Mitte dreißig, rebellische
Locken und markante Züge. „Mafer
kam immer zu unseren Lowry-Spaziergängen“,
sagt Dany Hurpin.
María Fernanda Rejón Molina, genannt
Mafer, verschwand Ende Dezember 2023
auf dem Weg zu einer Familienfeier. Zwei
Tage später fand man ihre Leiche am Rand
der Autobahn nach Acapulco. Ihr Körper
wies Spuren von Gewalt auf. Die Täter
wurden nie gefasst, wie in 98 Prozent
der Mordfälle in Mexiko.
„Gerechtigkeit für Mafer!“, ruft Autor
Rebollo.
„Gerechtigkeit für Mafer!“, schallt es
im Chor zurück.
Dann schließen sie sich in die Arme,
gießen die Plastikbecher voller Mezcal,
singen schief, aber voller Inbrunst,
in Cuernavaca, am Tag der Toten, unter
dem Vulkan. 7
Dieser Text
zeigt evtl. Probleme
beim
Text anNorwegischer Hering –
lecker von NADLER
veredelt.
KULTUR
Vier Fragen an Schauspieler
Sascha Geršak, Ermittler in
„Die Toten von Marnow 2“
SERIE Sie haben schon in vielen Krimi-Formaten
mitgewirkt, was ist für den Experten das Besondere
an „Die Toten von Marnow“? Dass es hier Raum
und Zeit gibt, die Geschichte breiter und langsamer zu
erzählen. Womit man ein wenig Einblick in das Leben der
beiden Kommissare bekommt. Viele Krimis kranken
an hölzernen Dialogen, hier ist das erfreulicherweise
anders. Das liegt zum einen am Autor Holger
Karsten Schmidt und zum anderen an unserer „Stuhlprobe“.
Das klingt aber arg medizinisch. Ja (lacht). Wir setzen
uns vor dem Dreh jeder Szene mit dem Regisseur zusammen,
gehen sie gemeinsam durch und stellen uns die
eine große Frage: Was können wir weglassen. Weniger
ist mehr? Genau: Was sich der Zuschauer denken kann,
muss man nicht sagen. (ARD)
Spiel, Satz und Sieg:
„Challengers – Rivalen“
macht Tennis wieder sexy
FILM Neben „Dune: Part Two“ der zweite Film mit
Zendaya in der Hauptrolle, die in dem Werk von Regisseur
Luca Guadagnino die Tennis-Extremistin Tashi
spielt, der nacheinander die zwei unzertrennlichen und
aufstrebenden Spieler Patrick und Art verfallen. Das
führt zu den erwartbaren Problemen, die Dreiecksbeziehungen
mit sich bringen, bis sie erkennen, dass sie
eine weitere Ecke übersehen haben, die nämlich vom
Tennisspiel besetzt wird. Das ist alles einigermaßen
haarsträubend, übertrieben und unangemessen melodramatisch,
aber dabei auch so rasant, elegant und sexy
gefilmt, dass man vor Freude die Becker-Faust ballen
möchte. Zumal weder Zendaya noch Josh O’Connor als
Patrick nach eigenen Angaben auch nur ansatzweise
Tennis spielen konnten, aber auf dem Platz so wirken,
als seien sie beide mindestens Steffi Graf.
Schaust du schon
oder guckst du noch?
Sie hatten keine Zeit, ins Kino zu gehen? Sie fühlen sich vom
Angebot der Plattformen überfordert? Hilfe naht: Die zehn
besten Filme und Serien des Jahres zum Streamen
Leckt mich doch alle:
„Slow Horses“ feiert
den fröhlichen Zynismus
SERIE Nein, sie mögen es nicht, wenn man sie als
Versager bezeichnet. Aber genau deshalb nennt
Jackson Lamb (gespielt von Oscar-Preisträger Gary
Oldman, Foto) seine Truppe genau so. Die Agenten
im Londoner „Slough House“ haben sich alle
irgendwas zu Schulden kommen lassen, sodass sie
nun in dieser Anstalt der Schwererziehbaren ihren
Dienst fristen müssen. Was sie nicht daran hindert,
vertrackte Fälle zu lösen und böse Machenschaften
des MI5 aufzudecken (wenn auch ein
wenig zufällig). Die größte Schau der Thriller-Serie
ist aber zweifellos Oldman als zynisches Gegenbild
zu etwa James Bond. (Apple TV+)
Fotos: NDR/ Feist/Jahn, action press,imago, Searchlight Pictures
78 FOCUS 50/2024
STREAMING
Nächste Woche in der
Stil-Beilage von FOCUS:
Go West: Kevin
Costner sattelt in
„Horizon“ die Pferde
FILM War es das Wetter, die dreistündige
Dauer oder der Umstand, dass die Zielgruppe
noch damit beschäftigt war,
seine Neo-Western-Serie „Yellowstone“
zu schauen? Jedenfalls wurde Costners
Herzensprojekt über die Besiedelung
Amerikas, dem er als Drehbuchautor,
Regisseur und Hauptdarsteller vorstand,
bei Kinostart nicht die Liebe zuteil, die
es verdient hätte. Dabei soll im April
nächsten Jahres bereits Teil zwei folgen.
Netter wird’s nicht: Der Episodenfilm
„Kinds of Kindness“
blickt gelassen in den Abgrund
FILM Ein ergebener Angestellter scheitert daran, im
Auftrag seines verehrten Arbeitgebers einen Mord zu
begehen und zerbricht an dem daraus resultierenden
Liebesentzug; ein Ehemann bezweifelt, dass seine Gattin,
die lange Zeit vermisst war, tatsächlich seine Gattin
ist – und stellt ihr grausame Prüfungen; und zwei Mitglieder
einer Sekte, bei der es darum geht, keine Fische
zu essen, suchen nach einer jungen Frau, die Tote zum
Leben erwecken kann. Nach der Komödie „Poor Things“
besinnt sich der griechische Neo-Surrealist Yorgos
Lanthimos auf seine Kernkompetenz und betrachtet in
drei lose miteinander verbundenen Episoden mit heiter
erbarmungslosem Blick auf die menschliche Existenz.
Mit dabei sind auch dieses Mal seine Lieblingsschauspieler
Emma Stone (Foto) und Willem Dafoe.
Yotam Ottolenghi
×
Kitchen Philosopher
Bold Flavours & Sexy Veggies:
Das Alphabet des einflussreichsten
Kochs unserer Zeit
Die Wüste lebt: „Dune: Part Two“ ist noch besser als Teil eins
FILM Mehr Bombast, mehr Drama, mehr Sand! Der kanadische Monumentalfilmer Denis
Villeneuve besuchte für einen zweiten Teil erneut den Planeten Arrakis und drehte den besten
Wüstenfilm seit David Leans „Lawrence von Arabien“ aus dem Jahr 1962. Im Zentrum steht wieder
Paul Atreides, der nach dem Tod seines Vaters bei den Fremen untergekommen ist, wo er Zendaya
als Chani schöne Augen macht. Nur bleibt für die Liebe kaum Zeit, weil die Fremen ihn nach einer
Prophezeiung der Bene Gesserit für ihren Messias halten. Erleben Sie Timothée Chalamet (Foto)
als Paul Atreides unter sengender Sonne, bevor er Anfang 2025 singend als Bob Dylan auf die
Leinwand zurückkehrt.
Plus:
Ottolenghis Weihnachtsmenü
Und die besten neuen Uhren und
Looks der Saison
FOCUS 50/2024
STREAMING
Kein Quantum Trost: „Erwarte nicht zu viel vom Ende der Welt“
FILM Womit hat sie das verdient? Müde, überarbeitet und unterbezahlt fährt die Produktionsassistentin Angela
den ganzen Tag mit dem Auto durch Bukarest. Sie soll Leute, die sich bei Arbeitsunfällen schwer verletzt haben,
für ein Imagevideo zum Thema Arbeitssicherheit casten. Motto: Immer schön den Helm aufsetzen! Weil das nicht
lebenserfüllend ist, parodiert sie nebenbei für ihren TikTok-Kanal den amerikanisch-britischen Influencer Andrew
Tate, trifft den gefürchteten deutschen Regisseur Uwe Boll und sitzt Nina Hoss gegenüber, die im neuen Film von
Radu Jude Angelas kaltherzige Chefin spielt. Für die Gesellschaftssatire „Bad Luck Banging or Loony Porn“ bekam
der rumänische Regisseur 2021 den Goldenen Bären der Berlinale. Hier widmet er sich den Verwerfungen, die der
Alltag vor allem für jene bereit hält, die ihn am Laufen halten.
Andere Länder,
andere Sitten:
„Shogun“
SERIE Der englische Seefahrer John
Blackthorne konnte natürlich nicht
ahnen, dass er in ein komplexes politisches
Ränkespiel hineinsegelt, als er
1600 vor der Küste Japans Schiffbruch
erleidet: Der alte Shogun ist tot, und
fünf Anwärter warten darauf, ihn zu
ersetzen. Basierend auf James Clavells
Bestseller von 1975 geht die neue
Adaption exakt den entgegengesetzten
Weg der Serie von 1980 mit Richard
Chamberlain in der Hauptrolle. Statt
das isolierte Japan mit europäischen
Augen zu betrachten, guckt Japan dieses
Mal auf die Europäer und wundert
sich über schlechtes Benehmen und
mangelnde Körperhygiene. Zum Glück
hilft die Übersetzerin Mariko (Anna
Sawai), kulturelle Missverständnisse
zu überwinden. (Disney+)
„Die Straßen reden wieder.
Sie wissen, dass es nur einen
gibt, der groß genug ist, die
Stadt zu regieren“
The Penguin
Mord ist ihr Hobby:
„Only Murders
in the Building“
SERIE Steve Martin, Selena Gomez und Martin Short
spielen True-Crime-Superfans, die sich berufen fühlen,
ihr gebündeltes Wissen zum Einsatz zu bringen,
als es in ihrem New Yorker Appartementkomplex zu
einem grausamen Todesfall kommt. Der Charme der
heiteren Tätersuche, die bereits in ihrer vierten Staffel
angekommen ist (eine fünfte ist angekündigt), besteht
nicht zuletzt darin, dass die Macher es immer wieder
schaffen, alle möglichen Stars in die Handlung einzubinden,
die fiktionalisierte Versionen von sich selbst
spielen. Mit dabei waren bislang unter anderem Sting,
Amy Schumer, Jimmy Fallon, Eva Longoria, Mel Brooks
und Matthew Broderick. (Disney+)
Allein gegen die Mafia: „The Penguin“ erobert Gotham City
SERIE Eine Serie aus dem DC-Superhelden-Universum, in dem keine Superhelden vorkommen, mit einem
weltberühmten Schauspieler in der Hauptrolle, den man beim besten Willen nicht erkennt. In der achtteiligen
Serie spielt Colin Farrell (Foto) Batmans ewigen Widersacher Pinguin als einen weithin unterschätzten
Gangster, der seine Chance kommen sieht, als sich in Gotham City ein Machtvakuum auftut. (Wow)
Fotos: imago, Hulu, Warner Bros. Entertainment Inc., Mubi
80 FOCUS 50/2024
Dieser Text
zeigt evtl. Probleme
beim
Text an
MAGENTA TV
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enthält RTL+ Premium, Netflix Standard, Disney+ Standard und Apple TV+ (jeweils HD verfügbar). Voraussetzung für die Buchung und Nutzung von Netflix, Disney+ und Apple TV+ sind ein Wohnsitz in Deutschland sowie die Registrierung
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VERLAGSSONDERVERÖFFENTLICHUNG
Heißer Draht
Kundendienst gibt es mittlerweile
über viele Kanäle und meistens
rund um die Uhr. Doch welcher
Service ist der beste?
Studie 2024
Hier ist der Kunde König
Von der Badausstattung über die TV-Technik bis hin zur Versicherung –
wer bietet herausragenden Kundendienst? 21 Branchen im Check
Service-Hotlines sind in aller
Regel an feste Geschäftszeiten
gebunden. Doch glücklicherweise
geht es auch anders. Immer
mehr Unternehmen setzen längst auf
ergänzende Angebote: Sprachcomputer,
Chatbots, Frequently-Asked-Questions-
Seiten, Kontaktformulare oder Social-
Media-Kanäle zeigen, dass viele Firmen
die Wichtigkeit von Kundendienst begriffen
haben.
Allerdings birgt dieser Multi-Channel-Online-Service
auch seine Tücken:
Quantität ist schließlich nicht gleich
Qualität. Und auf Letztere kommt es
den Kunden an. Laut einem Bericht der
Verbraucherzentrale sind die häufigsten
Probleme die Erreichbarkeit, die
Qualität und die Dokumentation. Das
ist vor allem deshalb fatal, weil ein guter
Kundendienst einen starken Einfluss auf
die Kaufentscheidung hat.
Gerade deshalb haben sich viele
Unternehmen dieses Thema auf die
Fahne geschrieben. Doch wer ist in
diesem Feld bereits spitze? Zusammen
mit dem Research-Partner FactField
hat DEUTSCHLAND TEST eine breit
angelegte Studie durchgeführt. Welche
Unternehmen am Ende herausstechen,
zeigen die folgenden Ergebnisse.
SANDRA LEINFELDER
Illustration: Adobe Stock
DEUTSCHLAND TEST
Methodik
BESTER
KUNDEN-
DIENST
STUDIE
KUNDENZUFRIEDENHEIT
FOCUS 50/24 | DEUTSCHLANDTEST.DE
Für die Erhebung wurde eine umfangreiche
Online-Analyse, ein sogenanntes Social Media
Monitoring, durchgeführt. Im ersten Schritt
wurden 21 Branchen definiert, in denen Kundendienste
für den Verbraucher eine hohe
Relevanz aufweisen. Zu jeder Branche wurde
eine Longlist der Anbieter beziehungsweise
Marken erstellt. Für diese wurden anschließend
Bewertungen, die vorab definierte Suchbegriffe zum Thema „Kundendienst“
enthalten, aus dem Internet erfasst und analysiert. Durchgeführt
wurde die Studie von FactField, München. Die Ergebnisse der Analyse
beziehen sich auf den Untersuchungszeitraum vom 1. August 2023 bis
31. Juli 2024. Für den Testzeitraum wurden über fünf Millionen Online-
Beiträge von Kunden ausgewertet.
Berücksichtigt wurden drei Bewertungsdimensionen: erstens die Anzahl
an relevanten Bewertungen, also die Häufigkeit, mit der der Kundendienst
des Anbieters/der Marke besprochen wurde. Verfügte ein Unternehmen
nicht über eine ausreichende Anzahl an Bewertungen, wurde es nicht für
die Liste „Bester Kundendienst“ berücksichtigt. Zweitens das Rating des
Anbieters/der Marke, der/die unter Berücksichtigung des Aspekts „Kundendienst“
bewertet wurde. Drittens die Tonalität der Bewertungen zum
Kundendienst. Hierbei wurde der Inhalt der Bewertung des Anbieters/der
Marke einer der Kategorien positiv, neutral und negativ zugeordnet. Die
TOP
KUNDEN-
DIENST
STUDIE
KUNDENZUFRIEDENHEIT
FOCUS 50/24 | DEUTSCHLANDTEST.DE
negativen Bewertungen wurden dann von den
positiven Bewertungen abgezogen und durch
die Gesamtzahl geteilt, um das Ergebnis zu
normieren.
Die gewichteten Ergebnisse der drei Bewertungsdimensionen
wurden für alle Anbieter
zu einem Gesamt-Score zusammengefasst.
Die erreichte Gesamtpunktzahl wurde für jede
Branche normiert. Der Branchensieger erhielt
100 Punkte und setzt damit die Referenz für
alle anderen untersuchten Unternehmen und Marken in der Branche. Die
Auszeichnung „Top Kundendienst“ erhielten alle Unternehmen und Marken,
die mindestens 75 Punkte in der Gesamtwertung erreicht haben. Nur sie
sind auch in den nachfolgenden Tabellen aufgeführt.
Gut, besser, ausgezeichnet.
DEUTSCHLAND TEST untersucht Produkte und Dienstleistungen
aus allen Lebenswelten nach wissenschaftlichen
Methoden. Ausführliche Ergebnisberichte und spannende
Artikel helfen Ihnen dabei, Kaufentscheidungen klar und
informiert zu treffen. Besuchen Sie uns auf deutschlandtest.de
und erfahren Sie mehr über unsere Tests und
Auswertungen.
Haus & Heim – Bad
bis Möbelhandel
Im Themenfeld „Rund ums Haus“ haben
Research-Partner FactField und DEUTSCHLAND
TEST insgesamt sieben Branchen abgebildet: von
Bad- & Sanitärhändlern über Energieversorger,
Gartenbauhändler, Gartengeräte, Haustechnik
und Heizungstechnik bis hin zu Möbelhändlern.
Damit stellt dieses Themenfeld ein Drittel der
gesamten Studie. Es finden sich hier 96 der
insgesamt 284 Testsieger wieder.
Anbieter/Marke
Score Auszeichnung
Bad & Sanitär (Händler)
MySpiegel.de 100,0 Bester
GLASundBESCHLAG.de 97,2 Top
Hudson Reed 96,2 Top
WENKO 88,7 Top
Expertbath 82,1 Top
top-shelf.de 79,2 Top
X2O Bad 78,3 Top
Die moderne Hausfrau 76,4 Top
Energieversorger
Octopus Energy 100,0 Bester
RheinEnergie 96,0 Top
BESTER
KUNDEN-
DIENST
RUND UMS HAUS
STUDIE
KUNDENZUFRIEDENHEIT
FOCUS 50/24 | DEUTSCHLANDTEST.DE
TOP
KUNDEN-
DIENST
RUND UMS HAUS
STUDIE
KUNDENZUFRIEDENHEIT
FOCUS 50/24 | DEUTSCHLANDTEST.DE
Anbieter/Marke
Score Auszeichnung
gas.de 95,7 Top
Ostrom 94,7 Top
Grünwelt Wärmestrom 93,8 Top
Montana 93,0 Top
Knauber Erdgas/Knauber Strom 92,5 Top
Vattenfall 92,3 Top
ENPURE 92,2 Top
Erdgas Südwest 90,8 Top
VeganStrom.com 90,8 Top
Elli 89,7 Top
Team SE 87,3 Top
Gut & Grün 86,3 Top
Anbieter/Marke
Score Auszeichnung
idealenergie 86,0 Top
immergrün! 84,2 Top
Stadtwerke Bochum 83,8 Top
Yippie 83,8 Top
Mainova 83,5 Top
ENTEGA 81,5 Top
MITGAS 81,2 Top
SimplyGreen 81,2 Top
Brillant Energie 81,0 Top
Süwag 81,0 Top
LogoEnergie 80,8 Top
Elogico 80,0 Top
Energy Market Solution 79,7 Top
STROGON 79,5 Top
goldgas 78,5 Top
E.ON 77,8 Top
enercity 76,5 Top
stromee 75,7 Top
Gartenbau (Händler)
Rollrasen Rudi 100,0 Bester
Pineca 96,3 Top
Pfl anzwerk 93,9 Top
casando 93,9 Top
BALDUR-Garten 90,2 Top
HEIM & HAUS 86,6 Top
FOCUS 50/24 | DEUTSCHLANDTEST.DE
VERLAGSSONDERVERÖFFENTLICHUNG
Anbieter/Marke
Score Auszeichnung
Garten Haus 78,0 Top
Garten- & Motorgerätehersteller
KOX 100,0 Bester
Passiontec 98,3 Top
STIHL 89,7 Top
Hecht-Garten 81,0 Top
BRAST 81,0 Top
Haustechnik (Händler)
LED Universum 100,0 Bester
heima24 97,1 Top
TeMo 95,8 Top
Hudson Reed 93,8 Top
BeleuchtungDirekt 91,7 Top
K.S.H. Technikhandel 91,7 Top
Elektro Wandelt 87,1 Top
Expertbath 85,4 Top
Alpha Solar 85,0 Top
banemo 83,8 Top
OCHSNER 82,9 Top
WATT24 78,3 Top
thermondo 77,5 Top
ETC Shop 76,3 Top
Schulte Home 76,3 Top
Budgetlight.de 76,3 Top
Heizungstechnik (Händler)
heima24 100,0 Bester
Hudson Reed 96,2 Top
Alpha Solar 90,9 Top
OCHSNER 87,1 Top
Heizung Billiger 86,4 Top
HARK 81,1 Top
ETC Shop 80,3 Top
thermondo 80,3 Top
Möbelhändler
Rolf Benz 100,0 Bester
SOFACOMPANY 99,7 Top
BRUNO 99,3 Top
massivum 98,3 Top
Multipolster 97,9 Top
WHO‘S PERFECT 94,2 Top
Möbel Letz 92,8 Top
BOLIA 91,8 Top
DELIFE 91,4 Top
Eminza 90,8 Top
TOP SHELF 85,3 Top
Desktronic 83,9 Top
Homescapes 80,8 Top
premiumXL 80,1 Top
pamo. design 78,8 Top
deinSchrank.de 78,8 Top
Swiss Sense 78,4 Top
AmbienteDirect 77,7 Top
home24 76,7 Top
connox.de 75,3 Top
Technik – Autoteile
bis Pay-TV
Funktionierende Technik ist heutzutage wichtiger
denn je. Nicht nur, dass die Menschen in den
vergangenen Jahren technisch weiter stark aufgerüstet
haben – sie verlassen sich in vielen
Bereichen auch immer mehr darauf. Wenn dann
etwas nicht funktioniert – sei es bei Autozubehör,
TV-Technik oder WLAN –, ist schnelle Hilfe
gefragt. Welche Unternehmen hier die Favoriten
der Verbraucher sind, ist im Themenfeld „Technik“
aufgeführt.
Anbieter/Marke
Score Auszeichnung
Autoteile & -zubehör (Händler)
Motorrad Meister Milz 100,0 Bester
WS Autoteile 94,6 Top
Tessi-Supply 93,2 Top
Maciag Offroad 92,9 Top
Shop4Tesla 92,9 Top
Kennzeichenheld 92,5 Top
Kennzeichen.Express 92,2 Top
APART 91,2 Top
Reifen24 86,1 Top
Autoteile-Markt.de 85,0 Top
autoteiledirekt.de 83,3 Top
XLMOTO 81,6 Top
AUTODOC 81,0 Top
DAPARTO 80,3 Top
kfzteile24 76,5 Top
MBZCLASSICPARTS 76,2 Top
Elektronikhändler
LED Universum 100,0 Bester
Clevertronic 99,1 Top
K11 Ersatzteilshop 99,1 Top
hs-sound 94,6 Top
Vasco 92,2 Top
ELV Elektronik 91,3 Top
refurbed 90,7 Top
Dubaro 90,7 Top
Pollin Electronic 90,7 Top
bestelectronic.de 90,4 Top
sonoro.com 87,7 Top
MacTrade 87,4 Top
Alza.de 85,6 Top
OMGN Controller 84,7 Top
Elektroshop Wagner 83,8 Top
Coolblue 82,0 Top
Janado 82,0 Top
asgoodasnew.de 81,7 Top
Rebuy 80,2 Top
ElectroPapa 78,1 Top
CSL Computer 77,5 Top
Internetprovider
freenet Internet 100,0 Bester
Deutsche Glasfaser 98,6 Top
BESTER
KUNDEN-
DIENST
BEREICH TECHNIK
STUDIE
KUNDENZUFRIEDENHEIT
TOP
KUNDEN-
DIENST
BEREICH TECHNIK
STUDIE
KUNDENZUFRIEDENHEIT
FOCUS 50/24 | DEUTSCHLANDTEST.DE
Anbieter/Marke
Score Auszeichnung
easybell 95,3 Top
1&1 92,6 Top
LEONET 88,5 Top
congstar 86,5 Top
EWE 85,8 Top
DNS:NET 79,1 Top
Telekommunikation & Mobilfunkanbieter
freenet 100,0 Bester
SIMon mobile 99,6 Top
freenet Mobile 97,7 Top
klarmobil 95,0 Top
1&1 92,7 Top
fraenk 91,5 Top
congstar 90,0 Top
LEBARA 87,3 Top
EWE TEL 86,5 Top
LogiTel 85,4 Top
sparhandy 84,6 Top
HIGH Mobile 78,8 Top
sipgate 75,8 Top
NetCologne 75,8 Top
TV-Technik & Satellitenanlagen &
Kabelnetzbetreiber & Pay-TV
HD+ 100,0 Bester
Deutsche Glasfaser 93,0 Top
freenet TV 90,6 Top
waipu.TV 88,3 Top
EWE TEL 85,9 Top
Deutsche Telekom 78,9 Top
NetCologne 78,1 Top
Freizeit – Mietauto
bis Versicherung
Urlaub und Freizeit – einfach abschalten vom
Alltag. Damit dieses Empfinden nicht getrübt
wird, ist ein guter Kundenservice wichtig. Sollte
etwas Unvorhergesehenes passieren oder ein
individuelles Problem auftauchen, braucht es die
Möglichkeit der individuellen Beratung und
Betreuung. Das Themenfeld „Freizeit“ umfasst
sechs Branchen, in denen Kundendienst eine
besonders hohe Relevanz besitzt.
Anbieter/Marke
Score Auszeichnung
Autovermietungen & Carsharing-Anbieter
AurumCars 100,0 Bester
Sunny Cars 99,4 Top
DEUTSCHLAND TEST
Anbieter/Marke
Score Auszeichnung
Rent A Camper 95,6 Top
Keddy by Europcar 91,7 Top
roadsurfer 89,4 Top
billiger-mietwagen.de 87,8 Top
CarlundCarla.de 87,2 Top
Off Campers 86,7 Top
autovermietung.de 86,7 Top
Europcar 84,4 Top
FINN 77,8 Top
Argus Car Hire 75,0 Top
Fluggesellschaften
Condor 100,0 Bester
Qatar Airways 100,0 Bester
Turkish Airlines 91,3 Top
Thai Airways 90,2 Top
Emirates 90,2 Top
TUI fly 80,4 Top
Austrian Airlines 80,4 Top
Mobilitätsdienstleister
Null-Leasing.com 100,0 Bester
Bolt 88,6 Top
TIER (dott) 84,1 Top
Flixbus 79,5 Top
Paket- & Kurierdienste
Cargoboard 100,0 Bester
Transglobal Express 97,5 Top
JUMiNGO 93,8 Top
Rhenus Home Delivery 88,8 Top
Shiply 78,8 Top
Reise & Tourismus
fejo.dk 100,0 Bester
REISS AUS 98,3 Top
Enchanting Travels 96,7 Top
1a Yachtcharter 96,4 Top
restplatzshop.de 95,0 Top
Abi-SPLASH 93,8 Top
surfbude.de 93,6 Top
SAILPOINT Yachtcharter 92,9 Top
erlebe.de 91,5 Top
König Tours 91,5 Top
Chamäleon 89,8 Top
Gustocamp 88,9 Top
ABC Travel Service 88,9 Top
Bentour Reisen 88,4 Top
lanes & planes 87,0 Top
Opodo 86,3 Top
Eurowings Holidays 85,1 Top
AurumTours 85,1 Top
HLX 84,6 Top
Tourlane 84,4 Top
Travelcircus 84,1 Top
Restplatzbörse 82,9 Top
eDreams 82,7 Top
Cuba Buddy 80,1 Top
Secret Escapes 78,2 Top
fluege.de 75,6 Top
BESTER
KUNDEN-
DIENST
BEREICH FREIZEIT
STUDIE
KUNDENZUFRIEDENHEIT
FOCUS 50/24 | DEUTSCHLANDTEST.DE
TOP
KUNDEN-
DIENST
BEREICH FREIZEIT
STUDIE
KUNDENZUFRIEDENHEIT
FOCUS 50/24 | DEUTSCHLANDTEST.DE
Anbieter/Marke
Score Auszeichnung
Versicherungen
Verti 100,0 Bester
Nürnberger Versicherung 97,8 Top
Getsurance 94,6 Top
Ammerländer 94,3 Top
Allianz 92,7 Top
Versicherungskammer Bayern 91,4 Top
Debeka 91,1 Top
ROLAND 88,9 Top
Feuersozietät 88,5 Top
HUK24 88,2 Top
helden.de 88,2 Top
CosmosDirekt 84,7 Top
AGILA 83,4 Top
Hannoversche 83,4 Top
Sparkassen DirektVersicherung 80,3 Top
Deutsche Familienversicherung 79,9 Top
BavariaDirekt 79,0 Top
Münchener Verein 79,0 Top
Allianz Direct 76,4 Top
DA Direkt Versicherung 75,8 Top
HUK-COBURG 75,5 Top
Alltag – Babybedarf
bis Krankenkasse
Besonders die alltäglichen Themen wie Finanzen,
Versicherungen und Gesundheit sollen unkompliziert
funktionieren. Dabei will sich der Verbraucher
nicht lange in der Warteschleife aufhalten,
sondern möglichst rund um die Uhr über alle
verfügbaren Kanäle schnell auf Service und
Kundendienst zurückgreifen können. Wer im
Themenfeld „Alltag“ die Nase vorn hat, zeigen die
folgenden Ergebnisse.
Anbieter/Marke
Score Auszeichnung
Babybedarf (Händler)
Ehrenkind 100,0 Bester
Kindermaxx 89,3 Top
babymarkt 88,1 Top
Skandic 86,9 Top
Vertbaudet 79,8 Top
babyonlineshop.de 75,0 Top
baby-walz 75,0 Top
Finanzen
Interhyp 100,0 Bester
onvista bank 98,9 Top
Anbieter/Marke
Score Auszeichnung
CapTrader 97,5 Top
Estably 95,6 Top
C24 94,7 Top
LYNX 94,4 Top
PSD Bank Braunschweig 92,5 Top
smava 92,5 Top
PSD Bank West 89,2 Top
OSKAR 88,9 Top
PSD Bank Berlin-Brandenburg 87,5 Top
HypoVereinsbank 86,9 Top
auxmoney 86,4 Top
PSD Bank Rhein-Ruhr 85,6 Top
Deutsche Hypo 85,6 Top
ferratum 84,7 Top
Allianz Bank 84,4 Top
PSD Bank Nürnberg 84,2 Top
Hanseatic Bank 82,5 Top
Advanzia Bank 79,4 Top
finanzen.net zero 78,9 Top
ING 76,9 Top
eToro 76,4 Top
HOLVI 75,8 Top
SKG Bank 75,0 Top
Krankenkassen
BKK firmus 100,0 Bester
Nürnberger Versicherung 99,2 Top
Debeka 94,8 Top
Allianz 94,8 Top
Versicherungskammer Bayern 94,0 Top
Audi BKK 91,2 Top
UKV 90,0 Top
HUK-COBURG 88,0 Top
ERGO Direkt 87,6 Top
Münchener Verein 85,6 Top
Techniker Krankenkasse 84,8 Top
SBK 84,4 Top
SIGNAL IDUNA 81,6 Top
Barmenia 80,8 Top
ARAG 79,6 Top
BESTER
KUNDEN-
DIENST
BEREICH ALLTAG
STUDIE
KUNDENZUFRIEDENHEIT
FOCUS 50/24 | DEUTSCHLANDTEST.DE
TOP
KUNDEN-
DIENST
BEREICH ALLTAG
STUDIE
KUNDENZUFRIEDENHEIT
FOCUS 50/24 | DEUTSCHLANDTEST.DE
Quelle: FactField (2024); maximal 100 Punkte möglich;
Bewertung: Branchensieger (hellgrau eingefärbt) erhält
100 Punkte = Prädikat „Bester Kundendienst“;
mindestens 75 Punkte = Prädikat „Top Kundendienst“;
nicht abgebildet sind Unternehmen/Anbieter/Marken,
die einen Score von weniger als 75 Punkten erreicht haben
LEBEN
Fusion-Koch
Deutsche Mutter, israelischer Vater,
geboren in Kanada, aufgewachsen
in Belgien: Benjamin Chmura, 35,
modernisiert französische Tradition
zu minimalistischen Tellern. Für das
„Tantris“ erkochte er zwei Sterne –
mit Gerichten wie „En croûte: Hummer,
Seeteufel, Sauce Americaine“ (rechts)
86
FOCUS 50/2024
GENUSS
Das „Tantris“ in München ist Legende. Hier schrieben Sterne köche
wie Eckart Witzigmann deutsche Gourmetgeschichte.
Benjamin Chmura hat nun ein neues Kapitel hinzugefügt
Fotos: Benjamin Chmura / Jörg Lehmann
Le Créateur
FOCUS 50/2024
87
LEBEN
INTERVIEW VON
BARBARA JUNG-ARNTZ
D
Diese Lampen! Dieser Seventies-Wandteppich!
Die Geschichte des Restaurants
„Tantris“ im Münchner Stadtteil Schwabing
begann 1971, und es ist der Besitzerfamilie
Eichbauer hoch anzurechnen, dass sie
das besondere Design bei der Renovierung
vor drei Jahren weitestgehend so gelassen
hat. In diesen Räumen bewies Eckart Witzigmann,
dass auch deutsche Köche Sterneniveau
können, hier feierte die feine
Münchner Gesellschaft hummerrot und
trüffelschwarz die Nouvelle Cuisine.
Als Benjamin Chmura vor drei Jahren
die Regie in der frisch ausgebauten Küche
übernahm, waren die Erwartungen entsprechend.
Chmura ist kein Entertainer
wie Tim Raue, kein Koch-Nerd wie der
gefeierte Dylan Watson-Brawn, der gerade
die Schließung seines Berliner Restaurants
„Ernst“ verkünden musste. Er tut
einfach, was Spitzenköche so tun: spitzenmäßig
kochen. In diesem Jahr kürte
ihn das Gourmetmagazin „Feinschmecker“
zum Koch des Jahres.
Sie haben die Küche des „Tantris“ als
Nachfolger so großer Köche wie Hans Haas
und Eckart Witzigmann übernommen. Mit
Mitte 30 sind Sie vergleichsweise jung. Wie
sind Sie mit dem Druck umgegangen?
Ich hatte viel Zeit, mich drauf vorzubereiten,
und konnte einen Teil meines Teams aus
Frankreich mitbringen, ich hatte also schon
mal die richtigen Leute dabei. Außerdem
war es – bezogen auf die Erwartungen – ein
Vorteil, dass ich vorher noch nie in Deutschland
gearbeitet hatte. Natürlich kannte ich
das „Tantris“ und seine berühmten Köche,
aber wenn ich in ein Restaurant mit ähnlicher
Geschichte in Frankreich gewechselt
wäre, hätte ich mir viel mehr Druck
gemacht. So war alles neu, das Land, die
Stadt, und ich dachte, es geht ja nur ums
Kochen, so kompliziert kann das ja nicht
sein, die Leute hier glücklich zu machen.
Wie frei waren Sie in der Gestaltung?
Es war klar, dass wir zu den französischen
Wurzeln zurückwollten. Familie
Eichbauer hat mich und mein Team deswegen
aus Frankreich geholt. Die DNA des
Hauses war ja schon immer französisch.
Und zu Ehren dieser großen Tradition
haben Sie dann gleich unter der Dachmarke
„Tantris“ ein zweites Restaurant
im Haus eröffnet, das „Tantris DNA“.
Das war, ehrlich gesagt, der Tatsache
geschuldet, dass das Restaurant riesig
war, bevor ich anfing. 120 Sitzplätze! Das
ist echt schwer umzusetzen. Deswegen
haben wir es geteilt und die Restaurants
„Tantris“ und „Tantris DNA“ sowie die
Bar unter dem Dach des Tantris Maison
Culinaire 2021 wiedereröffnet. Im Restaurant
„Tantris DNA“ erzählt die Karte quasi
die Geschichte des Hauses vom Kalbsbries
Rumohr von Eckart Witzigmann bis
zum Steinbutt mit konfiertem Eigelb von
Hans Haas. Ich habe großen Respekt vor
den Rezepten der Küchenchefs, die vor mir
hier gearbeitet haben. Deswegen sind die
Gerichte auch keine Interpretationen von
mir. Da bin ich konservativ.
Dafür können Sie sich im verkleinerten
Restaurant „Tantris“ kreativ ausleben.
Wie würden Sie Ihre Küche
beschreiben?
Sehr produktorientiert, auf das Wesentliche
konzentriert. Weniger ist mehr. Und
ich liebe Soßen! Eine Soße kann die verschiedenen
Elemente auf dem Teller zu
einem harmonischen Ganzen verbinden.
Damit waren Sie sehr schnell sehr erfolgreich.
Das Restaurant „Tantris“ wurde gleich in
Ihrer ersten Saison mit zwei Sternen im Guide
88
FOCUS 50/2024
„Ich habe mit zwölf mein
erstes Praktikum gemacht in einem
Restaurant auf Sizilien“
Kunst-Teller Zur Vorspeise eine Hommage an Jahrhundertkoch
Witzigmann: Ossetra Royal Kaviar, Rote Bete, Aal,
Rinderconsommé (r.), zum Dessert der Klassiker Crêpes
Suzette (l.). Oben: Vorige Woche kreierte Chmura mit dem
Team des Pariser Sternerestaurants „Le Meurice“ ein Galadiner.
Links: Das 70er-Jahre-Interieur ist so legendär
wie die „Tantris“-Hechtklößchen
Fotos: Kathrin Koschitzki, Anette Sander, Jörg Lehmann
Michelin ausgezeichnet, das „Tantris DNA“
mit einem. Wie wichtig sind Ihnen diese
Auszeichnungen?
Ich würde lügen, wenn ich sagen würde,
dass sie keine Rolle für mich spielen. Und
ich hätte nie gedacht, dass wir so schnell
ausgezeichnet werden. Ehrlich gesagt:
Wahnsinn! Das zeigt, wie viel Potenzial in
diesem Haus und in diesem Team steckt.
Genug Potenzial für den dritten Stern?
Ich finde es wichtig, einen Traum zu
haben, für den es sich lohnt, hart zu arbeiten.
Vielleicht geht er dann irgendwann in
Erfüllung. Wenn nicht, dann hatte ich trotzdem
eine gute Zeit. Mit totaler Verbissenheit
kommt man ganz sicher nicht zum Ziel.
Wie wichtig sind für Sie kulinarische Trends –
von veganer Küche bis Mikro-Regionalität?
Ich beobachte das natürlich, aber vegetarische
Menüs zum Beispiel sind für mich
kein Trend. Die französische Küche ist sehr
von Gemüse geprägt, und mir macht es
viel Spaß, eigene Gerichte daraus zu kreieren.
Das ist anspruchsvoller, als Fisch und
Fleisch zuzubereiten.
Ihre Mutter war Ärztin, Ihr Vater Dirigent.
Warum sind Sie Koch geworden?
Ich habe schon immer gern gekocht.
Wenn ich Fotos aus meiner Kindheit anschaue,
sind eine Menge dabei, auf denen
ich mit meiner Mutter oder meiner Oma
am Herd stehe. Wir haben zu Hause viel
gekocht und sind dann zum Essen an
einem großen Tisch zusammengekommen.
Welches war das Wohlfühlgericht
Ihrer Kindheit?
Ich bin multikulturell aufgewachsen,
deswegen sind es verschiedene. Von meinem
israelischen Vater Falafel und Baba
Ganoush, aus meiner Kindheit in Belgien
und Frankreich diese köstlichen Schmorgerichte.
Und von meiner deutschen Mutter
Königsberger Klopse.
Ihre Oma war Münchnerin. Ist Bayern für Sie
auch ein Stück Heimat?
Eigentlich kam sie aus Nürnberg, aber
sie wohnte lange in Schwabing. München
war für mich vor allem Familie, Weihnachtsfeiern,
Kindheitserinnerungen. Ich
kannte das „Tantris“ schon als kleiner Junge.
Allerdings nur von außen, die großen
Fabelwesen aus Beton vor dem Eingang
davor haben mich schwer beeindruckt.
Gelernt haben Sie klassisch in Frankreich.
In den unterschiedlichsten Restaurants.
Ich habe mit zwölf mein erstes Praktikum
gemacht in einem Restaurant auf Sizilien,
wo wir im Urlaub immer gern gegessen
haben. Dann im „Le Passage“ in Brüssel,
wo ich aufgewachsen bin. Dort habe ich
mich komplett verliebt in diese spezielle
Atmosphäre einer Restaurantküche, in die
Teamarbeit. Meine Mutter fand es aber
nicht so eine tolle Idee, dass ich Koch werden
wollte. Deswegen habe ich erst einmal
mein Abitur gemacht und bin dann nach
Frankreich ans Institut Paul Bocuse.
Sie haben dort in verschiedenen Sternerestaurants
gearbeitet, im „Auberge de l’Ill“,
im „Le Cinq“ in Paris, zuletzt im „Troisgros“
in Roanne an der Loire. Frustriert es Sie nicht,
dass Essen in Deutschland nicht so einen
hohen Stellenwert wie in Frankreich hat?
Da sind sicher kulturell immer noch große
Unterschiede, auch zu Ländern wie Spanien,
Italien und Portugal. Die Qualität von
Lebensmitteln, das Einkaufen auf Märkten,
guter Wein spielen hier traditionell eine
andere Rolle, auch im gesellschaftlichen
Miteinander. Aber in Deutschland entwickelt
sich gerade eine tolle Esskultur, ähnlich
wie in den nordischen Ländern oder in
Holland und England. Ich sehe das positiv,
wir haben viele junge Gäste.
Sie bieten für Gäste unter 35 ein günstigeres
„Menu Jeune“ an.
Ja, man kann ja nicht die ganze Zeit nur
herumjammern, dass sich die Leute hier
nur für Autos interessieren, aber selbst
nichts dazu beitragen, das zu ändern. Wir
wollen die Hemmschwelle senken für
Jüngere, Fine Dining einfach mal auszuprobieren.
Ich habe mich sehr dafür
FOCUS 50/2024
89
LEBEN
GENUSS
PÂTÉ EN CROÛTE BOURGEOIS
FARCE
1 kg Entenkeulen
450 g Entenhaut
500 g Schweineschulter
250 g sizilianische Pistazien
EINLAGEN
500 g Herzbries vom Kalb
500 g Entenleberterrine
3 Challans-Entenbrüste
GEWÜRZE
35 g Salz
7,5 g weißer Pfeffer
2,5 g geräucherter Paprika
Cognac
PASTETENTEIG
1 kg T55 Mehl (Type 550)
800 g Butter
4 Eier
30 g Salz
60 g Zucker
Butter für die Pastetenform
Eigelb
Gelierte Entenconsommé
1. Farce vorbereiten:
Entenkeulen entbeinen und die Haut
entfernen. Das Fleisch in 3 cm dicke Würfel
schneiden. Die Schweineschulter ebenfalls in
3 cm dicke Würfel schneiden. Die Entenhaut
2 Minuten in gesalzenem Wasser blanchieren
und abkühlen lassen. In Stücke schneiden und
beiseitelegen. Alle Zutaten in einer Schüssel
mit den Gewürzen sowie einem Schuss Cognac
vermischen. 24 Stunden marinieren lassen.
Am nächsten Tag durch den Fleischwolf
(feine Scheibe) drehen und für 1 Stunde
kühl stellen. Die Pistazien vorsichtig von Hand
untermischen.
2. Einlagen vorbereiten:
Das gewässerte Kalbsbries 13 Minuten in
gesalzenem Wasser bei mittlerer Hitze
blanchieren. Die Haut und das überschüssige
Fett entfernen und zwischen zwei Blechen
abkühlen lassen. In 2,5 cm große Würfel
schneiden und beiseitelegen. Die gegarte
Entenleberterrine ebenfalls in 2,5 cm
große Würfel schneiden und kühl stellen.
3. Pastetenteig:
Mehl und kalte Butter fein zwischen
den Händen zerreiben. Ei mit dem Salz
vermischen und auflösen lassen. Dann mit
dem Zucker unter die Mehl-Butter-Masse
geben und schnell zu einem homogenen Teig
verarbeiten. 24 Stunden im Kühlschrank, in
Klarsichtfolie eingeschlagen, ruhen lassen.
4. Aufbau des Pastetenmantels:
Die Pastetenform 5 Minuten in den Gefrierschrank
stellen. Währenddessen Butter
schmelzen lassen und dann die Form auf der Innenseite
großzügig bestreichen. Die Form
erneut in den Gefrierschrank stellen. Diesen Vorgang
dreimal wiederholen. Teig ausrollen:
eine mittlere Lage von 40 cm Länge und 28 cm
Breite, für die Enden jeweils 10 cm Breite und
15 cm Länge. Zuerst die lange Seite mit Teig
auslegen, dann die Enden. 250 g Farce einfüllen,
darauf gleichmäßig die Hälfte des Kalbsbries
und der Entenleberterrine verteilen. Eine
weitere Schicht von 250 g Farce auftragen,
darauf die 3 Entenbrüste in der Mitte platzieren.
Danach wiederum 250 g Farce, Kalbsbries und
Entenleberterrine. Schließlich mit 220 g Farce
abschließen. Mit einer Teigplatte von 46 cm
Länge und 18 cm Breite abdecken, die Pastete
gut verschließen, indem die Luft herausgedrückt
und die Enden fest zusammengedrückt
werden. Dreimal mit Eigelb bestreichen,
dazwischen jeweils 10 Minuten im Kühlschrank
ruhen lassen. Am Ende mit einem Ausstechring
von 2 cm Durchmesser drei Luftlöcher
(Schornsteine) schneiden: 8 cm von jedem
Rand entfernt und eines in der Mitte.
5. Backen:
Den Ofen auf 230 °C vorheizen, 0 % Luftfeuchtigkeit,
Lüftung auf Stufe 3. Die Pastete
8 Minuten backen, dann die Temperatur
auf 180 °C senken, Lüftung auf Stufe 2,
0 % Luftfeuchtigkeit und weiterbacken, bis
die Filets eine Kerntemperatur von 53 °C
erreichen. Direkt aus dem Ofen nehmen, das
überschüssige Fett abgießen und
die Pastete ruhen lassen.
6. Eingießen des Gelees:
Nach einer Stunde Ruhezeit die Pastete
mit Enten-Jelly auffüllen und über Nacht im
Kühlschrank lagern.
Unser Kolumnist Yotam Ottolenghi
macht diese Woche Pause
eingesetzt, dass wir das machen, und jetzt
läuft es sehr gut. Das freut mich.
Sterneküche ist insgesamt zugänglicher
geworden. Weniger weiße Tischdecken mit
undurchschaubarer Besteckreihenfolge,
weniger steifer Service. Uns hat die Kellnerin
bei Ihnen empfohlen, das Amuse-Gueule einfach
mit der Hand zu essen, früher undenkbar.
Der Service ist superwichtig und wird oft
unterschätzt. Sie sind diejenigen, die die
Gäste durch den Abend begleiten, dafür
sorgen, dass sich jeder wohlfühlt. Sie stehen
auf der Bühne, sind Gastgeber, erspüren
die Stimmung. Was wir machen, das ist
eine Performance, letztendlich nicht anders
als ein Theaterstück. Mich sieht man ja
nicht in meiner Küche. Ich finde es schade,
dass allein die Köche derzeit so gefeiert
werden. Das merkt man auch bei den Azubis,
alle wollen Köche werden oder Patissiers,
keiner will mehr im Service arbeiten.
Köche sind halt die Popstars.
Das ist tatsächlich auch ein Unterschied
zu Frankreich. Dort gibt es in vielen Restaurants
noch einen Patron, einen Gastgeber,
und der ist der Grund, warum die
Leute kommen. Sie kommen auch wegen
des Essens, aber der charismatische Patron
ist derjenige, der dafür sorgt, dass sie eine
wirklich gute Zeit haben.
In welches Münchner Restaurant
gehen Sie, wenn Sie eine wirklich gute
Zeit haben wollen?
Nicht in Sternerestaurants, außer ich will
einen Kollegen besuchen. Wenn ich Lust
auf chinesische Küche habe, gehe ich ins
„Fuyuan“. Dieses Restaurant ist immer voll
und macht total Spaß, die Dim Sum sind
sehr gut. Für Nahostküche ins „Beirutbeirut“,
da bin ich auch sehr oft. Und vor Kurzem
habe ich einen tollen Asiaten gefunden,
einen Miniladen in der Augustenstraße
namens „Twenty Pho“. Da kochen drei ältere
Damen wirklich gutes Streetfood.
Und was serviert ein Sternekoch
daheim zu Weihnachten?
An den Festtagen geht es mir vor allem
um das Zusammenkommen am Tisch mit
der Familie und Freunden. Daher sollte es
nicht zu kompliziert sein. Es ist mir aber
auch hier wichtig, ausschließlich saisonale
Produkte einzubeziehen, die allen schmecken.
Wir starten also mit Austern und
Meeresfrüchten! Ein Klassiker in Frankreich.
Dann gibt es eine Kürbis-Maronen-
Suppe. Als Fischgang Saibling gegart in
einer Nage, verfeinert mit Wein aus Sancerre.
Zum Hauptgang Kalbskotelett mit
Pommes boulangères. Und als süßen
Abschluss eine Bûche de Noël. 7
Foto: Anette Sander
90
FOCUS 50/2024
© Wim Wenders, 2000
GUEST
EDITION
DONATA&
WIM WENDERS
14./15. DEZEMBER
Eine ganz besondere Ausgabe mit
Fotografien von Donata und Wim Wenders.
LEBEN
Guter Geschmack
Die Küche Georgiens gilt als besonders
spannend. Wer Gerichte mit
Koriander, Knoblauch und Walnüssen
mag, wird dieses Kochbuch von
Darina Beridze lieben.
Für Schmuckliebhaber
Um sicherzugehen, dass nicht nur
der Christbaum glitzert: Die
Rock Diamonds Ohrstecker von
Bucherer, mit Weißgold und Diamanten
garantieren ganz viel Glamour.
Strahlend schön
Die Autorin Mia Grau und der Architekt Andree Weissert
sind fasziniert von Atomkraftwerken. Oder auch
Denkmälern des Irrtums, wie sie die kontroversen Energiebringer
bezeichnen. Ihre Atomteller erinnern
nun auch beim Essen an die Hoffnung von gestern.
Weißte noch?
Die (sensationelle!) „Zeitreise“-Tour
von BAP geht 2025 Open Air weiter:
Alle Songs der frühen Alben, musikalisch
besser denn je und garantiert
mit dem schönsten Liebeslied
kölscher Sprache: „Do kanns zaubre“.
Dann schenkt
mal schön!
Wer seine Liebsten am Heiligabend
angemessen überraschen
möchte, sollte mit dem Brainstorming
früh genug anfangen.
24 Geschenktipps für sie
Film ab!
Mittags ein Liebesfilm und abends
der Krimi? Warum nicht! Kinofans
können mit der Jahreskarte in
den Häusern der Yorck-Gruppe
in Berlin und München unbegrenzt
Vorführungen besuchen.
Dick wie Papier
Superstylish und biologisch abbaubar
– für alle möglichen Aufbewahrungsbedürfnisse.
Die Paper Bag
Dot Blue von Kolor bereichert
selbst als Sack für schmutzige Wäsche
die Optik eines jeden Raums.
AUSGEWÄHLT VON DER FOCUS-REDAKTION
Für den richtigen Riecher
So verspielt und weiblich wie das
Design seiner Flasche, ist auch
der Duft darin: Das Eau de Parfum
Prada Candy Kiss verführt
feine Nasen mit einer Komposition
aus Vanille und Orangenblüten.
Seife statt Waffen
Händewaschen für den Frieden –
das kann in diesen Zeiten nicht
schaden. Das „Peace of Soap“ von
Dearsoap ist eine von Hand hergestellte
Pflanzenöl-Seife, die einen
herrlichen Schaum bildet.
Für Retro-Fans
Buchstaben-Nerds bietet die Goodman Blanket der
Designers Foundry den passenden Untersatz für verlesene
Sommertage am See. Die Decke ist ein Tribut an das
Grafikdesign der 1960- und 1970er Jahre, eine Zeit,
in der Transferdruck weit verbreitet war. Und eine Hommage
an die Typo Gesh Ortega Roman 275.
Kurz mal weg ist das Ziel
Das Atelierhaus in Dessau,
Gut Cantzheim an der Saar oder der
Markusturm in Rothenburg ob der
Tauber: Angelika Taschen empfiehlt
romantische Hideaways in
ganz Deutschland (Taschen Verlag).
92 FOCUS 50/2024
GESCHENKE FÜR SIE
»Wo Tee ist, da ist Hoffnung«
Arthur Wing Pinero
Die volle Ölung
In der Feinkost-Garage von
Laux Deli gibt es den vielseitig anwendbaren
Ölwechsel – Olivenöl
für geschmeidige Nudeln
und gegen quietschenden Salat.
Für Wärme und Eleganz
Designer Denis Guidone hat sich bei der
Cha No Yu Teekanne, die er für Ichendorf
Milano entworfen hat, von japanischen
Teezeremonien inspirieren lassen.
Das transparente Gefäß besteht aus klarem,
hitzebeständigem Borosilikatglas.
Made in Italy
Stiefel-Symbiose: Dolce & Gabbana
und Bialetti feiern ihre Heimat –
mit der Geschenkebox
Mediterranes Blau, bestehend
aus Tassen, Espressobechern
und Rührstäbchen.
*
* Jede Cha No Yu Kanne ist
ein Einzelstück
Edler Zeitmesser
Eine Uhr, mit Diamanten besetzt,
aus 18-karätigem Everose-
Gold, das ist die Rolex
Oyster Perpetual Day-Date 36.
Mit diesem funkelnden
Schmuckstück wissen auch
Tauchfans bis in eine Tiefe
von 100 Metern, wie spät es ist.
Dieser Text
zeigt evtl. Probleme
beim
Text an
Mit ihrer spende
WIRD GESUNDHEIT ZUM
GRÖSSTEN GESCHENK
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TSCHAD: Über 200.000 Menschen flohen vor dem
Krieg im Sudan ins Camp Adré. Unsere Mitarbeiterin
Samsam FOCUS M. behandelt 50/2024 dort mangelernährte Kinder.
© Ante Bußmann / MSF
LEBEN
Vinyl only
Die ganz heißen Scheiben sollten nicht im Regal
untergehen, sie brauchen einen prominenteren Platz.
Der Cover & Vinyl Rahmen von Soobsoo
macht die liebste Platte zum Kunstwerk an der Wand.
Zum Beispiel Velvet Undergrounds Debütalbum
mit dem Bananencover von Andy Warhol.
GESCHENKE FÜR SIE
D
z
b
T
Auf die Ohren
Zwischen Weihnachten und dem
Dreikönigstag sind die Raunächte
eine willkommene Zeit der Reflexion.
Und dieses Hörbuch von Tanja
Köhler der perfekte Guide dafür!
*
* Cover und Schallplatte selbst
werden präsentiert
Alle Blumen sind schön
Der Künstler Jaime Hayon hatte
die Idee, ein Design zu entwickeln,
das jede Blume im Raum
würdigt – vom Stil bis zur Krone.
Das Resultat: die Ikebana Vasen.
Luftiger Genuss
Die Tochter ist ausgezogen und
Mama macht sich Sorgen, ob auch
genug Gemüse auf den WG-Tisch
kommt? Der Ninja Airfryer
gart wirklich alles ohne Fett knusprig.
Rezepte? Gibt’s auf TikTok.
»Der große Vorteil
eines Hotels besteht darin,
dass es ein Zufluchtsort
vor dem häuslichen Leben ist«
George Bernard Shaw
Für den guten Zweck
Am 7. April 2003 starb FOCUS-
Redakteur Christian Liebig
bei einem Raketenangriff im Irak.
Eine nach ihm benannte Stiftung
hilft insbesondere Kindern in
Afrika. Helfen Sie mit!
Einer von 225
Die Goldschmiede von
Wellendorff kreieren jedes
Jahr einen limitierten Jahresring.
Für 2025 lautet das Motto:
„Meine Meilensteine“. An welche
besonderen Momente möchten
Sie die Beschenkte erinnern?
Ein Wochenende wie aus Tausendundeiner Nacht
Das elegante Boutiquehotel Dar Kawa ist ein verstecktes
Design-Juwel im Herzen der Medina Marrakeschs.
Das Haus hat vier Zimmer, jedes überzeugt durch eigenen
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Ergänzung: Die Ditha Mini Nº1
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mit minimalistischem Design
und edlen Wechselriemen.
94 FOCUS 50/2024
ieser Text
eigt evtl. Proleme
beim
ext an
Mehr Weihnachten
gebacken
bekommt niemand
Weihnachtsfilme ohne Ende
FOCUS 50/2024
jederzeit
streamen täglich ab 20:15
LEBEN
AUTO
Fahre lieber ungewöhnlich
Der Nissan Qashqai e-Power befriedigt viele Bedürfnisse: Sein Kombi-Antrieb
bietet elektrotypischen Antritt, aber auch eine hohe Reichweite
Ab die Post! Auf der Landstraße bietet das Crossover einen besseren Durchzug als vergleichbare Voll-Verbrenner
Was ist ein Elektroauto?
Diese Frage beantworten
Hersteller,
Behörden und Kunden
durchaus unterschiedlich.
Manche meinen reine
Stromer, andere auch Plug-in-Hybride.
Kleinster gemeinsamer Nenner:
Das Fahrzeug fährt, zumindest
teilweise, per Elektromotor.
So betrachtet ist der Nissan
Qashqai e-Power ohne Zweifel
ein Elektroauto: Seine Vorderräder
werden von einem 190 PS
starken Elektroaggregat angetrieben.
Trotzdem profitiert er
nicht von den Steuervorteilen für
Stromer und bekommt auch kein
E-Kennzeichen, mit dem er etwa
in manchen Städten gratis parken
könnte. Denn die Energie für den
Motor stammt weder aus einem
großen Akku, noch aus einer
Brennstoffzelle, sondern aus einer
Mini-Batterie, die während der
Fahrt dauerhaft von einem Verbrennungsmotor
mit drei Zylindern
plus Turbo geladen wird.
Ein Konzept, das gar nicht so
außergewöhnlich ist, wie es zunächst
klingt. In der Frühzeit der
Elektromobilität nutzte etwa der
Opel Ampera ein ähnliches Prinzip.
Und Nissan baut die e-Power-
Technik auch noch in andere Modelle
ein.
Der gerade erneuerte Qashqai
ist aber das mit Abstand wichtigste
Auto im Portfolio. Er ist
die Antwort auf klassische Kompaktwagen
à la VW Golf. Und das
4,43 Meter lange Crossover-SUV
läuft richtig gut: Der Qashqai ist
die Cashcow von Nissan. Was
nicht zuletzt daran liegt, dass er
sich genau so fährt, wie es europäische
Autofahrer mögen. Handlich,
knackig, stadttauglich,
aber auch für längere
Strecken komfortabel
genug. Sein Platz
reicht für Paare und
NISSAN
QASHQAI
Motor:
Elektro plus
3-Zylinder
Leistung:
190 PS
Drehmoment:
330 Nm
Maße (L × B × H) :
4,43 x 1,84 x 1,63 m
Höchstgeschw.:
170 km/h
Verbrauch:
5,1 l/100 km
Preis:
42 850 Euro
kleine Familien – also ein leicht
erhöhter Kompaktwagen.
Der außer mit dem üblichen
Mildhybrid-Antrieb eben auch
mit dem originellen e-Power-Prinzip
lieferbar ist. So fährt man elektrisch,
was sich in einem jederzeit
abrufbaren, kräftigen Drehmoment
zeigt. Auch wenn der Elektro-Benziner
nicht mit der Karacho-
Beschleunigung echter Stromer
mithalten kann, startet er doch
ziemlich zügig von der Ampellinie.
Der Verbrauch in der täglichen
Fahrpraxis pendelt sich auf knapp
über fünf Liter ein. Das ist für einen
Nicht-Diesel dieser Größe nicht
viel, aber auch keine wundersame
Sparsamkeit. Rein elektrisch
schafft der e-Power nur ein paar
Kilometer. Ob das eine echte Alternative
zum Plug-in oder Akku-
Stromer ist, muss jeder potenzielle
Käufer selbst entscheiden. 7
MARCUS EFLER
Facelifting Der Neue zeigt sich aufgefrischt
96 FOCUS 50/2024
Dieser Text
zeigt evtl. Probleme
beim
Text an
Endlich wieder
Momente für
klare Gedanken
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Nutzen Sie den Winter und den
Jahreswechsel, um neue Perspektiven
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Friedländer
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Pistorius und
Amtskollege
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In der vergangenen
Woche hat die Margot
Friedländer Stiftung
zum ersten Mal den
Margot Friedländer
Preis verliehen.
Ganz im Sinne der
Stifterin geht die mit
insgesamt 25 000 Euro
dotierte Auszeichnung
an Menschen, die sich
aktiv für Toleranz,
Menschlichkeit und
gegen Antisemitismus
oder Demokratiefeindlichkeit
einsetzen.
Gewonnen haben:
apropolis e. V. motiviert
junge Menschen in Workshops,
informierte und
engagierte Bürgerinnen
und Bürger zu werden.
Zweitzeugen e. V. hält
die Erinnerung an den
Holocaust lebendig.
Barrierefrei erinnern
– Das Zentrum für
Thüringen erhielt
die Auszeichnung für
Aufklärungsarbeit in
einfacher Sprache.
Der Hamburger Lehrer
Hèdi Bouden wurde
ausgezeichnet für seine
Projekte mit Schülerinnen
und Schülern aus
Hamburg und Israel.
Der Margot Friedländer
Schulpreis ging in
diesem Jahr an die
Interessengemeinschaft
Friedenstaube
aus Berlin-Marzahn
und die Schülerzeitung
Josefine der Realschule
St. Josef in Hanau.
Heimatbesuch
Weihnachtsfrieden
Ihr Kinderlein, kommet … Der Klassiker passte
zum Besuch im Schloss Bellevue. Zusammen
mit seiner Frau Elke Büdenbender empfing
Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier
die Schüler der Papageno-Grundschule, um die
Lichter des Weihnachtsbaums vor seinem Amtssitz
zu entzünden. Mit besinnlichen Liedern läuteten
die Kinder die Adventszeit ein. Ein kleiner
Hoffnungsschimmer und eine Friedensbotschaft
gerade in Zeiten von Krisen und Konflikten.
Christian Vosseler, Jan Ullrich,
Katharina Wüst, Hendrik Wüst
und Marc Peine
Philipp Prinz von
Thurn und Taxis
und Alessandra von
Thurn und Taxis
Nika Krosny-Wosz, Ralf Bauer,
Max Giesinger und Matze Knop
Auslandsreise
Weihnachtswunsch
Es soll ein weiterer Schritt zu militärischer
Unabhängigkeit sein: Am Montag legte
Verteidigungsminister Boris Pistorius mit seinem
norwegischen Amtskollegen Bjørn Arild
Gram den Grundstein für ein Instandsetzungszentrum
der U-Boot-Flotte am Marinestützpunkt
Haakonsvern im Südwesten des Landes. Wenn
es nach dem Minister geht, soll Thyssenkrupp
statt zwei nun sogar sechs U-Boote liefern. Ob
für den Wunsch genug Geld da ist?
Dortmund
Lichtblick
für Kinder
Fast eine Million Euro – diese
beachtliche Spendensumme
kam bei der Kinderlachen
Gala in Dortmund zusammen.
Es war das 20. Jubiläum des
Vereins Kinderlachen, der weltweit
die Kleinen bei Krankheit,
Schicksalsschlägen und Schwierigkeiten
im Alltag unterstützt.
Die Gala war mit 900 Gästen
komplett ausverkauft. Zu den
Ausgezeichneten zählten unter
anderem Katharina Wüst, die
Ehefrau von NRWs Ministerpräsident
Hendrik Wüst, mit ihrer
Aktion Lichtblicke und Sänger
Max Giesinger, der sich als Botschafter
von Herzenssache e. V.
für benachteiligte Kinder und
Jugendliche engagiert.
FOCUS 50/2024
Weiter
am Ball
Omid
Nouripour
A$AP Nast, Rihanna
und A$AP Rocky
Julia
Fox
London
Jetzt wird’s
kuschelig
Für Omid Nouripour
waren die letzten
Wochen bittersüß.
Bitter, weil sein Rücktritt
als Parteivorsitzender
dem Grünen-Politiker
emotional sichtlich zusetzte.
Süß dagegen, weil
er jetzt Zeit für seinen
neuen Job hat. Seit Jahren
ist Nouripour begeisterter
Fan von Eintracht
Frankfurt. Nun steigt der
49-Jährige als Nachhaltigkeitsbeauftragter
bei
seinem Lieblingsklub ein.
Ellie
Goulding
Der rote Teppich ist einfach ihr Zuhause.
Bei den British Fashion Awards präsentierten
Rihanna und Partner A$AP
Rocky ihren ganz speziellen Style. Im türkisfarbenen
Plüschmantel zu paillettenbesetztem
Rock und langen Lederhandschuhen schlenderte
die Popdiva durch die Royal Albert Hall.
Modisch auf der Höhe ist auch ihr Partner:
Der Rapper in marineblauem Oversize-Anzug
erhielt den Cultural Innovator Award. Mit Alex
Consani wurde zudem die erste Transfrau als
Model des Jahres geehrt.
Ashley Graham,
Alex Consani und
Nava Mau
Anna Wintour,
Baz Luhrmann und
Stella McCartney
Tom
Ford
Rita
Ora
Leomie
Anderson
Virtuelles
Konzert
Snoop
Dogg
Es dürfte das größte
Publikum sein, dass
US-Rapper Snoop Dogg
je hatte: Mehr als 14 Millionen
Menschen sahen
den Auftritt, den er mit
Eminem und Ice Spice
im Online-Videospiel
„Fortnite“ gegeben hat.
Drei Millionen weitere verfolgten
das 15-minütige
Konzert, in dem die Musiker
als Avatare erschienen,
im Videostream.
Fotos: dpa, Tang/WireImage, Benett/Getty Images, imago, Splash News
99
LESERBRIEFE
Merkel,
ihr 700-
Seiten-Erbe
und das
Feedback
unserer
Leser
Merkels Buch
(49/24) Der schwarze Kanal
Merkels Stärke ist ihre gewinnende
Persönlichkeit. Sie
hat sich nie verstellt, sie ist
unprätentiös. Dass sie keine
Fehler einräumt in ihrer Autobiografie,
ist ein Schutzwall,
eine Art Trotz. Das nagt an
ihrer Glaubwürdigkeit, weil
sie stets vorgab, „vom Ende
her zu denken“ – die Maxime
schon im alten Rom. Daran
gemessen sind ihre Fehlleistungen
(u. a. Migration,
Atomausstieg, Ukraine, Nord
Stream 2) ein schweres Erbe
und tauchen ihre Kanzlerschaft
in wenig vorteilhaftes
Licht.
Christoph Schönberger,
52074 Aachen
Über Fleischhauers Texte
kann ich mich – meist übereinstimmend
– amüsieren. Dass
er jedoch Angela Merkels Biografie
so niedermacht, ist mir
unerklärlich! Noch bin ich
nicht durch die 700 Seiten,
aber das Bisherige hat mich
sehr beeindruckt, wie ihre
ganze Persönlichkeit und
„Deutschland dienen“ – nicht
ohne Charme! Offen, flüssig
(danke, Frau Baumann!), privat
und politisch. Meines Erachtens
kann das Geschenk
Kein Gedanke,
keine Sprache
JAN FLEISCHHAUER
Der schwarze Kanal
ob er sich im persönlichen Kontakt so verhält wie auf der
Bühne. Oder wie das Verhältnis zu Melania ist und er mit seinen
Leuten umgeht. Ist er schroff und bossy oder im Gegenteil
eher zurückhaltend und für Ratschläge aufgeschlossen?
Aber alles, was Angela Merkel im Rückblick einfällt, ist,
dass Trump „emotional“ redete und sie „sachlich“. Ach so,
Donald Tump hat ihr einmal den Handschlag verweigert:
Das ist schon der Höhepunkt von Angela lang drückte. Das ist der Höhepunkt, packender wird’s dann
ja, und er hat ihr einmal den Handschlag verweigert, während
er die Hand des japanischen Premiers 19 Sekunden
Merkels Memoiren, packender wird’s dann nicht nicht mehr.
Warum hat die Autorin nichts mitzuteilen? Aus Rücksichtnahme?
Aber auf wen oder was sollte sie Rücksicht nehmen
mehr. Ein Buch wie ihre Kanzlerschaft: etwas eitel,
etwas selbstgerecht und unglaublich öd
müssen? Die meisten, denen sie als Kanzlerin begegnete,
sind aus dem Amt geschieden. Jetzt könnte sie sagen, was
sie als Regierungschefin nicht sagen konnte.
Warum setzt sich jemand hin und schreibt Ich glaube, die Erklärung ist so banal wie niederschmetternd.
Es ist ihr einfach nichts Berichtenswertes in Erinne-
ein Buch? Er bestreitet damit seinen
Lebensunterhalt, das ist der Profi. Vielleicht
glaubt er auch, der Welt unbe-
Industrienation in Europa, sie galt als mächtigste Frau ihrer
rung geblieben. Merkel war 16 Jahre Kanzlerin der größten
dingt etwas mitteilen zu müssen, das Zeit, am Ende sogar als Anführerin der freien Welt, das war
wäre der Enthusiast. Angela Merkel hat der Titel, den man ihr verlieh. Aber alles, was sie an persönlichen
Einschätzungen mitzuteilen hat, ist, dass Trump zu
eine dritte Kategorie eröffnet: das Buch als Selbstrechtfertigungs-
und Selbstentschuldigungstraktat. 752 Seiten warum Tiraden neigte, Papst Franziskus sie mit einem freundlichen
sie im Grunde immer richtig lag.
Lächeln empfing und Putin kein besonders netter Mensch ist.
Am Donnerstag vergangener Woche ist in der „Zeit“ der So arbeitet sie brav die Stationen ihrer Amtszeit ab, so wie sie
Vorabdruck erschienen. Das Beste war noch die Überschrift: schon als Kanzlerin ihren Terminkalender abgearbeitet hat.
„Ich dachte: Wahnsinn! Was ist denn hier los?“ Leider folgte Bücher, Memoiren zumal, erlauben auch einen Blick auf
dann nichts Entsprechendes, nur die furchtbare Ödnis der den Autor. Von wem, um Gottes Willen, wurden wir eigentlich
regiert, fragt man sich am Ende der Lektüre dieser quä-
Merkelschen Prosa, die einen schon während ihrer Kanzlerschaft
in den Halbschlaf versetzte.
lenden 750 Seiten?
Seit Dienstag liegt das Buch im Handel. Wie sich zeigt, hatte
die „Zeit“ bereits die besten Passagen präsentiert. Müh-
Zeitgenossen Kritik geübt. Bloß nicht erwischt werden bei
An der seltsam unpersönlichen Sprache haben schon die
sam zieht sich der Text dahin, wie von unsichtbaren Fäden etwas Originellem oder besonders Gescheitem, das könnte ja
gulliverhaft am Boden gehalten; ohne Gedanke, ohne Idee, Ärger geben – das war ihr Modus Operandi. Aber hinter dieser
Fassade, so hieß es, stecke eine blitzge-
außer der, noch mal zu sagen, wie umsichtig,
vorausschauend und klug man war; abgefasst
in dieser flachen, seelenlosen Sprache
messlich sei. Merkel denke die Dinge vom
scheite Frau, deren Auffassungsgabe uner-
der Bürokratie, für die Menschen Funktionsträger
sind und Erlebnisse Vorgänge.
ich diesen Satz gelesen habe.
»
Ende her – ich kann gar nicht sagen, wie oft
Angela Merkel hat alle Großen der Welt „Aber die Leute Und manchmal konnte sie ja auch
getroffen – drei amerikanische Präsidenten, haben Angst“: durchaus witzig sein. Aber es war eben
zwei Päpste, das gesamte Who’s Who der
der Witz der Kaltmamsell, deren Komik
europäischen Politik. Aber von diesen Begegnungen
scheint nichts Interessantes hängen
wächst. Das funktioniert heute noch.
Das ist die aus dem Kontrast zum Brimborium ergeblieben
zu sein. Von der ersten Begegnung Quintessenz der „Männer“, hat Merkel ausgerufen, als sie
mit Donald Trump ist ihr lediglich in Erinnerung,
dass sie und der US-Präsident auf
wurde. Der „Frauen-sind-von-der-Venus-
Merkelschen auf das Ende der Ampel angesprochen
„zwei unterschiedlichen Ebenen“ redeten.
Politik
Männer-sind-vom-Mars“-Gag geht immer.
Gibt es einen schillernderen Politiker als
Ihre Bilanz ist ein einziges Desaster. Der
Trump? Es gäbe so viel zu berichten, sollte
Atomausstieg: ein Fehler, der das Land an
man meinen. Man wüsste zum Beispiel gern, «
den Rand des Energiekollapses gebracht
Foto: Markus C. Hurek für FOCUS-Magazin
hat. Die Flüchtlingspolitik: undurchdacht und rasend teuer.
Die Wirtschaftspolitik: kraftlos und opportunistisch.
Das finsterste Kapitel ist die Ukraine-Politik. Sie schreibt
es nicht so explizit, aber zwischen den Zeilen wird klar,
dass Merkel nie daran dachte, der Ukraine gegen Russland
beizustehen. Nationale Souveränität, Unverletzlichkeit der
Grenzen? Schöne Grundsätze, für die man aber doch keine
Auseinandersetzung mit den Russen riskiert! Im Nachhinein
hat sie sich auf die Entschuldigung verlegt, ihre Zögerlichkeit
hätte der Ukraine die Zeit erkauft, die sie brauchte,
um sich zu rüsten. Aber das ist Bullshit. 14 Staaten aus dem
ehemaligen Sowjetreich sind seit 1990 der Nato beigetreten.
Die einzigen Länder, die Russland sich einzuverleiben
anschickte, sind die, die nicht Nato-Mitglieder geworden
sind.
Ich habe Angela Merkel ein paar Mal zum Abendessen
gesehen. Ein Freund von mir unterhielt einen kleinen Kreis,
der zwei Mal im Jahr bei einem Italiener, der in Wirklichkeit
ein Georgier war, im Grunewald zusammenkam. Schon
Helmut Kohl hatte hier gesessen, als es seine Gesundheit
noch erlaubte, und seine Spaghetti geschlürft.
Obwohl die Runde vornehmlich aus Leuten bestand, die
gewohnt waren, kein Blatt vor den Mund zu nehmen, war
auch Angela Merkel einmal im Jahr zu Gast. Am Anfang
waren die Gründe noch nachvollziehbar, da war ihre Macht
Sehr schön als Buchstütze
Illustration von Silke Werzinger
KOLUMNE
noch ungesichert. Aber dass sie auch noch kam, als sie bereits
unangefochten das Land regierte, hat mich erstaunt.
Ich erinnere mich an ein Wortgefecht, da hatte sie gerade
die Abschaltung der heimischen Kernenergie erklärt. Allen
am Tisch war klar, dass sie nicht für einen Moment anders
über die Kernkraft dachte, nur weil am anderen der Welt
ein Atommeiler von einem Tsunami überflutet worden war.
A
uf die Frage, warum sie dennoch den Ausstieg
verfügt hatte, sagte sie, sie hätte die Umfragen
gesehen, auch in den Reihen der CDU hätten die
Leute jetzt Angst. Das war das Argument: Die
Leute fühlen sich nicht mehr gut mit der Kernenergie, also
befreie ich sie davon. Als ich ihr entgegenhielt, das klänge
nicht wie die Kanzlerin der CDU, sondern eher wie Claudia
Roth, sah sie mich kurz von der Seite an, mit diesem wässrigen
Blick, den man auch einem Ungeziefer zuteilwerden
lässt, das sich ungebetenerweise bei Tische zeigt.
„Aber die Leute haben Angst“: Das ist die Quintessenz
der Merkelschen Politik. Wenn die Industrie Gas aus Russland
wollte, gab es Gas aus Russland. Wenn die Wähler
Panzer überflüssig fanden, wurde so lange bei der Bundeswehr
gespart, bis kein Panzer mehr fuhr.
Als ich noch beim „Spiegel“ war, haben wir einmal
daran gedacht, nach einer Wahl auf das Titelbild den Satz
zu schreiben: „Wie konnte das passieren?“ Und dann eine
Spiegelfolie auf das Cover zu kleben, in der sich der Leser
selbst sehen konnte.
Bis zum Schluss hatte Merkel tolle Zustimmungswerte.
Wenn sie noch einmal angetreten wäre, hätte sie mühelos
alle Konkurrenten aus dem Feld geschlagen. Nach Lektüre
von „Freiheit“, wie ihre Memoiren heißen, drängt sich der
Verdacht auf, dass ihre Mediokrität leider auch unsere ist.
Sie hat uns nichts abverlangt, dafür wurde sie gewählt.
Der Verlag hat dem Vernehmen nach eine Unsumme
für die Abdruckrechte ausgegeben, im „Tagesspiegel“ las
ich von 12 Millionen Euro. Zu lesen war auch, dass sie das
Buch zusammen mit ihrer Büroleiterin Beate Baumann verfasst
hat. Ich glaube das unbesehen. So eine Suada hätte
ihr kein Ghostwriter durchgehen lassen.
Aber auch ungelesene Bücher haben ihre Daseinsberechtigung.
Zum Glück gibt es die Institution des Weihnachtsbuchs,
weil man mit Büchern bekanntlich nie etwas
falsch macht. 42 Euro wirken auf den ersten Blick
zugegeben etwas happig. Aber hey, man will doch nicht
ausgerechnet beim Geschenk für Omma sparen, oder?
Außerdem eignet sich „Freiheit“ sehr schön als Buchstütze.
Dick genug ist es. 7
Jan Fleischhauer ist Kolumnist und Buchautor. Er sieht sich als Stimme
der Vernunft - was links der Mitte naturgemäß Protest hervorruft
8 FOCUS 49/2024 FOCUS 49/2024
9
und die anschließende Lektüre
ruhig empfohlen werden.
Klaus Brand,
91550 Dinkelsbühl
Der verflossenen Langzeit-
Kanzlerin „dickes Opus“ erinnert
mich an den Ausspruch
eines meiner Lehrer vor Jahrzehnten:
„Dieses Buch ist
ebenso interessant wie jenes,
das ich auch nicht gelesen
habe“ … Ich hoffe, dass mir
nicht jemand aus einer Art
Verlegenheit heraus, was man
einem ehemaligen Lehrer für
Geschichte denn schenken
könnte, an den Merkelschen
Buchschinken denkt.
Rainer Domke,
96328 Küps
Post vom Leserbeirat
Die Abrechnung mit Frau
Merkel hat mir missfallen. Was
bringen despektierliche Berichte?
Frau Merkel hat in
den 16 Jahren mit Koalitionspartnern
einiges erreicht. Natürlich
sieht hier jeder noch
„Herr Fleischhauer hat endlich mal wieder
die Glorifizierung von Frau Merkel
infrage gestellt. Die beste Kolumne zum Thema“
Jörg Moog, 91241 Kirchensittenbach
Top oder Flop?
An Jan Fleischhauers
Kolumne über Merkels
Memoiren schieden sich in
der Woche 49 die Geister.
Manchen war seine Kritik zu
steil, andere wiederum
fanden sie genau richtig
Steigerungspotenzial. Aber
kann man es wirklich besser
machen? Mit solchen Artikeln
begeben wir uns auf das
Niveau des amerikanischen
Wahlkampfes.
Kristian Baade,
32427 Minden
Netanjahus Krieg
(49/24) „Das Debakel hätte
abgewendet werden können“
Dass Netanjahu als erster
demokratisch gewählter
Staatschef mit internationalem
Haftbefehl gesucht wird,
ist bemerkenswert, aber gerecht.
Israel muss als Demokratie
die Verhältnismäßigkeit
einhalten, tut es aber
nicht. Einen Plan B für Gaza
hat Netanjahu nicht.
Martin Bauer,
70327 Stuttgart
Scholz’ Partei
(49/24) Die Lars-Frage /
Sollte die SPD wieder regieren?
Können wir uns ein Weiter
so leisten? Aufbruchstimmung
mit „Verlierern“ mit ausgeprägtem
Erinnerungslücken?
Nicht denkbar! Soziales können
wir nur durch Leistung
gestalten. Mit diesem Begriff
muss sich diese angebliche
Noch-Volkspartei explizit befassen.
Günther Fürst
per Mail
Die SPD hat Mitverantwortung
für viele Fehlentscheidungen
in der Ära Merkel
wie übereilter Auszug aus der
Atomenergie und mangelhafte
Unterhaltung der Verkehrsinfrastruktur.
Als sie endlich als
stärkste Fraktion im Bundestag
den Bundeskanzler stellte,
beschleunigte sich der politische
und wirtschaftliche
Abstieg unseres Staates.
Horst Gerike,
30177 Hannover
Scholz? Der schlechteste
Kanzler je, künstlich grinsend
bei jeglicher Kritik, schamlos
putinös. Die SPD ist ruinös
für Mittelstand, Wirtschaft
und die Zukunft der Jugend.
Regieren? Nein, auch nicht in
irgendeiner Koalition.
Volkmar v. Bruchhausen,
65191 Wiesbaden
Korrektur
(49/24) Der Bergzauber
Da ich in Zweibrücken wohne,
habe ich den Bericht über
Norbert Ohler gelesen. Anmerken
möchte ich, dass Zweibrücken
immer noch in der
schönen Pfalz liegt und nicht
im Saarland.
Armin Weibel
per Mail
Der Leser hat natürlich recht.
Wir bitten, den Fehler zu entschuldigen.
Liebe Leserin, lieber Leser,
schreiben Sie Ihre Meinung
zu den Themen in diesem Heft –
bitte unbedingt mit Angabe
Ihrer vollständigen Adresse und
Telefonnummer:
Redaktion FOCUS
Heiligegeistkirchplatz 1
10178 Berlin
oder E-Mail:
leserbriefe@focus-magazin.de
Die Redaktion behält sich
das Recht auf Kürzungen vor.
D
z
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T
100 FOCUS 50/2024
ieser Text
eigt evtl. Proleme
beim
ext an
NACHRUFE
Ilke Wyludda, 55, Leichtathletin
Die gebürtige Leipzigerin wurde 1996 in Atlanta Olympiasiegerin
im Diskuswerfen. Zudem gewann sie zweimal
Silber bei Weltmeisterschaften, 1991 in Tokio und 1995 in
Göteborg. Nach einer Unterschenkelamputation im Jahr
2010 kämpfte sie sich über den Sport ins Leben zurück
und wurde als Behindertensportlerin 2015 in Doha Vizeweltmeisterin
im Kugelstoßen und gewann bei der EM
2014 Silber im Kugelstoßen und Bronze im Diskuswerfen.
Mit Ilke verlieren die deutsche Leichtathletik und der Sport
in Sachsen-Anhalt eine große Athletin, die sich trotz zahlreicher
gesundheitlicher Schicksalsschläge nie hat unterkriegen
lassen. Nun hat sie ihren letzten Kampf leider viel
zu früh verloren. Und ich persönlich verliere eine frühe
Weggefährtin aus meiner aktiven sportlichen Laufbahn,
mit der ich viele Jahre in Trainingslagern und bei Wettkämpfen
das Zimmer geteilt habe.
SILKE RENK-LANGE,
Olympiasiegerin im Speerwurf 1992 und Präsidentin des Landessportbunds Sachsen-Anhalt
D
z
b
T
Terry Griffiths,
77, walisischer
Snooker-Profi
Er hatte einen
großen Einfluss
auf so viele Menschen.
Im Jahr
1979, als er die
Weltmeisterschaft
gewann,
inspirierte er eine ganze Nation. Und
er inspirierte ganz sicher mich als damals
zehnjährigen Burschen. Es war
mir eine Ehre, dann irgendwann bei
einem großen Turnier gegen ihn zu
spielen, und später war es Terry, der
darum bat, dass ich mich als Funktionär
für den Sport engagierte. Mit ihm
beim Weltverband WPBSA zusammenzuarbeiten,
war eine besondere Freude.
Er war ein brillanter Mann, hochintelligent,
äußerst unterhaltsam, und er
arbeitete leidenschaftlich daran, Snooker
ständig zu verbessern. Seine Arbeit
bei der Entwicklung des WPBSA-
Coaching-Programms wird nie vergessen
werden, eine Leistung, die unserem
Sport bis zum heutigen Tag
zugutekommt. Seine Erfahrungen gab
er an einen anderen großen Griffiths
weiter, seinen Sohn Wayne. Danke für
alles, nun heißt es Abschied nehmen.
Ruhe in Frieden, alter Freund!
JASON FERGUSON,
World Professional Billiards & Snooker Association
Karin Baal, 84,
Schauspielerin
„Sie hat eine
Generation
geprägt und wird
unvergessen
bleiben. Ihr Tod
reißt ein riesiges
Loch, nicht
nur in unserer
Familie“
THERESE LOHNER / THOMAS GAFFKUS
über ihre Mutter
Niels Arestrup,
75, Schauspieler
Mit der Kraft
seines Spiels
und einer beinahe
magnetischen
Anziehungskraft
vor der Kamera
von Jacques Audiard,
Bertrand
Tavernier, Julian Schnabel oder Albert
Dupontel hat er uns auf besondere Weise
beeindruckt. Er wird als einer unserer
größten Schauspieler in Erinnerung
bleiben. Niels Arestrup wurde unter
bescheidenen Verhältnissen in einer
Familie mit bretonischen und dänischen
Wurzeln geboren und fand seine Berufung
in der Schauspielschule von Tania
Balachova. Seine Leidenschaft galt
der Bühne, er trat zeit seines Lebens im
Theater auf und übernahm von 1989
bis 1993 die Leitung des Renaissance-
Theaters in Paris. Die größte Anerkennung
des französischen und internationalen
Publikums erfuhr er jedoch
auf der Leinwand. Er erhielt den César
für seine Rollen in „Diplomatie“ von
Volker Schlöndorff, in „Quai d’Orsay
von Bertrand Tavernier und in „Au revoir
là-haut“ von Albert Dupontel. Ich
spreche seiner Familie und seinen Angehörigen
mein tiefstes Mitgefühl aus.
RACHIDA DATI,
französische Kulturministerin
Fotos: imago images
102 FOCUS 50/2024
ieser Text
eigt evtl. Proleme
beim
ext an
E-BIKE
TEST 2025
DIE BESTEN
E-MOUNTAIN-
BIKES
So haben wir getestet
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für den Offroad-Einsatz als auch für
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und geringes Gewicht machen das
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Update für ein ein sehr gutes Preis-
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Telefon: 0 30/75 44 30-0,
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FOCUS 50/2024
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TAGEBUCH
von Helmut Markwort
Angela Merkel wird Multimillionärin
und geht wie ein Popstar auf Welttournee
Montag
Angela Merkels Memoiren-Marketing
läuft auf Hochtouren. Ihr Buch „Freiheit“
ist als Weltbestseller geplant.
In dreißig Sprachen ist es schon übersetzt.
Auch Chinesen können es kaufen.
In Deutschland gingen allein am ersten
Tag 35 000 Exemplare über die Theke.
Unterm Weihnachtsbaum kann Angela
Merkel sich als Multimillionärin fühlen.
Zwölf Millionen Euro soll ihr der Verlag
Kiepenheuer & Witsch zugesagt haben.
Diese Schätzung ist ernst zu nehmen,
denn sie stammt vom „Tagesspiegel“,
der wie der Buchverlag zur Holtzbrinck-
Gruppe gehört. In diesem Konzern ist
auch die „Zeit“ zu Hause, die mit einem
Vorabdruck bedacht wurde.
Wichtig ist die Erscheinung zum Weihnachtsgeschäft.
Dass zusätzlich eine Neuwahl
das Interesse an Merkels Positionen
beleben könnte, stand in keiner Kalkulation.
Immerhin schreibt sie wohlwollend
über ihren möglichen Nach-Nachfolger
Friedrich Merz. Noch viel häufiger und viel
freundlicher erwähnt sie den früheren amerikanischen
Präsidenten Barack Obama.
Weltbestseller Angela Merkels Erinnerungsbuch
ist mit optimaler Strategie gestartet
Die 23 Nennungen sind kein Zufall. Holtzbrincks
amerikanischer Verlag hatte schon
lange arrangiert, dass Obama und Merkel
in Washington heute Abend gemeinsam
das Buch vorstellen.
Anschließend geht Merkel auf Tour wie
ein Popstar. Paris, Barcelona, Mailand und
Amsterdam sind die nächsten Stationen.
Derweilen brummt daheim das Weihnachtsgeschäft.
„Freiheit“ ist ein bequemes
Weihnachtsgeschenk. Mit dem happigen
Preis von 42 Euro und dem Umfang
von 740 Seiten macht es was her. Politisch
Interessierte werden sich freuen und
zwischen den Zeilen suchen. Aber da ist
nichts versteckt. Angela Merkel ist als
Autorin so vorsichtig wie als Kanzlerin.
Wer vom Buch überrascht wird, kann es
weiter verschenken oder wenigstens die
Bilder ansehen. Eins steht fest: Im Bett ist
der Zweipfünder nur mühsam zu lesen.
Angela Merkel hat dagegen vorgesorgt.
Ihr Buch gibt es auch zum Hören. Dauer:
fast 24 Stunden. Die Sprecherin ist klug gewählt.
Die erstklassige Corinna Harfouch
ist 70 wie Merkel, in der DDR geboren und
veredelt mit ihrer Stimme alle Selbstrechtfertigungspassagen.
Mittwoch
Wenn es morgens um sechs klingelt,
muss es kein Lieferant sein. Bei
einem Rentner in Unterfranken
standen zwei Polizisten vor der Tür. Sie
kamen mit einem Durchsuchungsbeschluss
ins Haus und nahmen ein Tablet
mit. Hintergrund der Aktion war ein Strafantrag
des Wirtschaftsministers Robert
Habeck. Den hatte der Rentner auf dem
Kurznachrichtendienst X als „Schwachkopf
Professional“ bezeichnet. Zu diesem
Hauptanzeiger
Minister
Habeck
fühlte sich
805-mal
beleidigt und
hat verärgerte
Bürger angezeigt
Zweck hatte er ein Werbefoto einer Haarfirma
bearbeitet. Nach der Hausdurchsuchung,
die viele als unverhältnismäßig
klassifizierten, entstand eine Debatte
über Beleidigung von Politikern mit überraschenden
Ergebnissen. Es stellte sich
heraus, dass der Bundesminister Habeck
von September 2021 bis August 2024 insgesamt
805 Strafanzeigen wegen Beleidigung
oder Bedrohung gestellt hatte.
Ihm folgt auf Platz zwei die Außenministerin
Annalena Baerbock mit 513 Anzeigen.
Dritter Minister unter den Anzeigern
war der FDP-Mann Marco Buschmann
mit 26 Anzeigen. Von Christian Lindner,
Karl Lauterbach und Nancy Faeser ist
keine einzige Anzeige bekannt, obwohl
auch sie regelmäßig Ziel von Hasskommentaren
sind. Grundlage der meisten
Verfahren ist der § 188 des Strafgesetzbuchs
mit dem Titel: „Gegen Personen
des politischen Lebens gerichtete Beleidigung,
üble Nachrede und Verleumdung“.
Die Tat muss geeignet sein, „sein öffentliches
Wirken erheblich zu erschweren“.
Ich finde, der freundlich auftretende Herr
Habeck erschwert als 805-facher Verfolger
sein öffentliches Wirken selbst.
Fotos: Reuters
106 FOCUS 50/2024
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Einmalzahlung im 36. Monat automatisch gutgeschrieben, sodass sie sich auf 0,– € reduziert. Gratis Telefonieren und Surfen gilt nicht für Sonder- und Premiumdienste, Verbindungen aus Deutschland ins Ausland
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