Sanfte Stadterneuerung Revisited
ISBN 978-3-98612-153-2
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Katharina Kirsch-Soriano da Silva,
Judith M. Lehner, Simon A. Güntner (Hg.)
SANFTE
STADT-
ERNEUERUNG
REVISITED
Wiener Handlungsstrategien
für den Bestand
Inhaltsverzeichnis
005 Dank
006 Sanfte Stadterneuerung Revisited:
Wiener Handlungsstrategien für den Bestand
Katharina Kirsch-Soriano da Silva,
Judith M. Lehner und Simon A. Güntner
Sanfte Stadterneuerung
011 im historischen Kontext
STADTPLANUNG & WOHNBAU
012 Bassena und Grätzel: Revitalisierung bestehender
Bausubstanz und Trendwende in der Planung
Christiane Feuerstein
019 In der grauen Stadt Wien einen neuen Weg
der Stadterneuerung entwickeln
Zeitzeugenbericht von Horst Berger
STADTENTWICKLUNG &
PROZESSORIENTIERUNG
023 Besser als neu: Über die notwendige Anreicherung
der Stadt mit neuen Aspekten
Erich Raith
028 Frauenalltag in der Stadt und gendersensible Planung
Zeitzeuginnenbericht von Eva Kail
STADTPOLITIK & GEOPOLITIK
032 Paradigmenwechsel und sich wandelnde Leitbilder
in der Stadt- und Planungspolitik
Gottfried Pirhofer
037 Ressortübergreifend und interdisziplinär arbeiten
Zeitzeugenberichte von Ewald Kirschner und
Gerhard Berger
GESETZGEBUNG &
RECHTLICHE GRUNDLAGE
041 50 Jahre Stadterneuerungsgesetz: Erkenntnisse
für die Herausforderungen der Stadterneuerung
im Klimawandel
Charlotte Damböck und Dragana Damjanovic
ALLTAG & SOZIALE VERHÄLTNISSE
052 Widerstände und Widersprüche: Biografisch
inspirierte Betrachtungen zur Sanften Stadterneuerung
Christoph Reinprecht
059 Aktiv gegen Wohnungsspekulation und Themen
im Stadtteil sichtbar machen
Zeitzeug:innenberichte von Peter Mlczoch und
Ula Schneider
INVOLVIERUNG & BETEILIGUNG
064 Top-down, Raunzen, Mitmachen: Beteiligung
im Kontext der Sanften Wiener Stadterneuerung
Gesa Witthöft
069 Gestaltung öffentlicher Plätze und Räume für Kinder
Zeitzeug:innenberichte von Timo Huber und
Christiane Klerings
HANDLUNGSFELDER & INSTRUMENTARIEN
075 Die Entwicklung eines Instrumentariums
der Sanften Stadterneuerung
Katharina Kirsch-Soriano da Silva
081 Zwischen- und Mehrfachnutzung als
Handlungs strategie
Zeitzeug:innenberichte von Jutta Kleedorfer und
Kurt Smetana
047 Sanierungsförderung initiieren und weiterentwickeln
Zeitzeuginnenberichte von Michaela Trojan
und Ursula Holzinger
Orte der Sanften
087 Stadterneuerung in Wien
Neue Herausforderungen
137 in der Stadterneuerung
088 Übersichtskarte
090 Orte der Sanften Stadterneuerung und ihre
visualisierten Haus- und Grätzelbiografien
Katharina Kirsch-Soriano da Silva,
Bernadette Krejs und Judith M. Lehner
093 TYPOLOGIE QUARTIER
Pilotgebiet Wichtelgasse
094 Ein gründerzeitliches Viertel wird zum
Experimentierfeld für neue Handlungsansätze
097 Wir leben in einer Großstadt, wir müssen das
Miteinander pflegen!
Zeitzeuginnenbericht von Ernestine Graßberger
101 TYPOLOGIE BLOCK
Blocksanierung Odeongasse
102 Ein urbaner Block erfährt in einem komplexen
Prozess schrittweise städtebauliche Verbesserungen
107 TYPOLOGIE WOHNHAUS
Revitalisierung Kauerhof
108 Ein ehemaliges Spekulationshaus wird unter
Einbeziehung seiner Bewohner:innen saniert
111 Das Engagement gemeinnütziger Wohnungsunternehmen
in der Sanften Stadterneuerung
Zeitzeugenbericht von Michael Gehbauer
115 TYPOLOGIE STRASSE
Lebendige Lerchenfelder Straße
116 Eine Einkaufsstraße erfährt vielfältige Maßnahmen
der Belebung und Attraktivitätssteigerung
121 TYPOLOGIE FREIRAUM
Gemeinschaftsgarten Wolfganggasse
122 Die Nachbarschaft etabliert gemeinsam mit
Künstler:innen einen Gemeinschaftsgarten
KLIMA & ZIRKULÄRES BAUEN
138 Retrofitting Stadterneuerung: Klima- und
zukunftsfitte Lösungen für Bestandsquartiere
Stephan Hartmann
139 Zirkuläres Wien: Strategien für einen Stadtumbau
mit Kreislaufwirtschaft
Bernadette Luger
WOHNUNGSMARKT &
LEISTBARES WOHNEN
141 Stadterneuerung im Kontext einer sich wandelnden
Wohnungsmarktdynamik
Robert Musil
142 Sanfte Stadterneuerung? Zwischen leistbarem
Wohnen und Verdrängungsdruck
Mara Verlič und Lukas Tockner
KOMMUNIKATION & KOOPERATION
144 Intensive Kommunikation und neue Kooperationen
Nicole Büchl
145 Die Gebietsbetreuung Stadterneuerung
als Unterstützerin in Involvierungs- und
Aushandlungs prozessen
Verena Mörkl
BAUKULTUR & SORGE FÜR DEN BESTAND
147 Neue alte Allianzen
Angelika Fitz
148 Die holistische Perspektive der Baukultur
und die gestaltbare Stadt
Robert Temel
SOZIALE TEILHABE & MITGESTALTEN
150 Herausforderungen und Chancen für eine partizipative
und klimagerechte Stadt
Monika Stumpf-Fekete
151 Soziale Inklusion und emanzipatorische Bildung
Christoph Stoik
125 Der Stadtumbau hat viele Facetten und fängt
im eigenen Umfeld an
Zeitzeuginnenbericht von Jutta Wörtl-Gössler
129 TYPOLOGIE MARKT
Leben am Schlingermarkt
130 Der Floridsdorfer Markt erhält ein neues Leitbild
und kooperativ entwickelte neue Impulse
132 Urban Manufacturing im Hinterhof und wie
der Brunnenmarkt wieder populär wurde
Zeitzeugenbericht von Hans Staud
154 Interviewverzeichnis
155 Autor:innen
156 Abbildungsverzeichnis
160 Impressum
Abb. 3
Sanfte Stadterneuerung im
historischen Kontext
011
012 SANFTE STADTERNEUERUNG IM HISTORISCHEN KONTEXT STADTPLANUNG & WOHNBAU
Bassena und Grätzel: Revitalisierung bestehender
Bausubstanz und Trendwende in der Planung
Christiane Feuerstein
Dieser Beitrag betrachtet die Entwicklung der Sanften
Stadterneuerung in Wien und den damit einhergehenden
Paradigmenwechsel in Stadtplanung und Wohnbau in ihrem
historischen Kontext. In den 1950er Jahren wurde in Erdberg
– mittels Abriss und Neubau – die erste Flächensanierung
durchgeführt. Proteste gegen am Spittelberg und im
Planquadrat geplante Abrissvorhaben unterstützten in den
1970er Jahren eine Trendwende im Umgang mit der historischen
Bausubstanz. Die Einführung der Schutzzone in die
Wiener Bauordnung (1972) und das Modellprojekt Ottakring,
in dem das 1974 in Kraft getretene Stadterneuerungsgesetz
(StEG) in Wien erstmals zur Anwendung kam, waren wichtige
Meilensteine auf dem Weg der Institutionalisierung des
Modells der Sanften Stadterneuerung. Im 1985 veröffentlichten
Wiener Stadtentwicklungsplan wurde die Stadterneuerung
zu einer der Leitlinien städtischer Entwicklung.
NEUE KOMMUNALE WOHNHAUSANLAGEN
NACH DEM ZWEITEN WELTKRIEG
In der Stadt Wien waren im Zuge des Zweiten Weltkriegs
187.305 Wohnungen beschädigt oder zerstört worden, davon
waren „36.851 (19,6 %) […] total zerstört, 50.027 (26,7 %) Wohnungen
schwer und 100.430 (53,7 %) Wohnungen leicht beschädigt“
(Marchart 1984: 31), sodass die Schaffung von
Wohnraum zu den dringlichsten Aufgaben der Nachkriegszeit
gehörte.
Die sozialistische Stadtregierung „lenkte ihre Energien
vornehmlich auf den Neubau von Gemeindewohnungen“ (Kos
2004: 280), war ihr doch, wie der Kulturhistoriker Wolfgang
Kos betont, „das Leben im finsteren Zinsbau mit Gangklosett
und Bassena sowieso ein Symbol inhumaner Ausbeutung“
(ebd.). Nach Kriegsende wurde daher das kommunale Wiener
Wohnbauprogramm wiederaufgenommen und in Favoriten
im August 1947 der Grundstein für eine der größeren von der
Gemeinde Wien errichteten Wohnhausanlagen gelegt. In der
nach dem schwedischen Ministerpräsidenten benannten Per-
Albin-Hansson-Siedlung (West) wurden 1000 Wohnungen in
zweigeschossigen Einfamilienhäusern und dreigeschossigen
Wohnbauten in Zeilenbauweise errichtet.
UMGANG MIT HISTORISCHER BAUSUBSTANZ I:
FLÄCHENSANIERUNG IN ALT-ERDBERG
Im bereits bebauten Stadtgebiet Wiens wurden die städtebauliche
Struktur, das Straßennetz und die Häuserblöcke, „im
Zuge des Wiederaufbaus nicht wesentlich verändert“ (ebd.: 282).
Im Gegensatz zu Deutschland, wo Stadtplaner:innen versuchten,
die Kriegszerstörungen für einen grundlegenden
Umbau der Städte zu nutzen, kam es in Wien nur in Ansätzen
zu einer rigorosen Neuordnung, wie im dörflichen Zentrum
von Alt-Erdberg im 3. Wiener Gemeinde bezirk. Hier waren
die lang gestreckten, niedrigen Häuser und Höfe mit den anschließenden
Ställen auch noch nach dem Zweiten Weltkrieg
Abb. 4 Alt Erdberg vor den Assanierungsplänen
Abb. 5 Assanierung Alt Erdberg (1956–58)
013
zumeist von Fiakern und Fuhrwerkern „bewohnt‘‘ (vgl. Stadtbauamt
der Stadt Wien 1957: 199). Eine von der Forschungsstelle
der Stadt Wien für Bauen und Wohnen unter der Leitung
des Architekten Franz Schuster in den 1950er Jahren
erstellte Studie dokumentiert den schlechten Zustand der
Bausubstanz im Gebiet rund um die Hainburger Straße. Nur
20 Prozent der bestehenden Bebauung – zumeist die mehrgeschossigen
Häuser – wurden als erhaltenswert eingestuft.
Nachdem „von der Stadt ein als ‚heruntergekommen‘ eingestuftes
Gebiet angekauft worden“ (Kos 2004: 284) war, wurde
1956 mit den Abrissarbeiten der zumeist eingeschossigen
Bebauung begonnen, um Platz für neue (Wohn-)Bauten zu
schaffen.
Orientiert an den in den 1920er Jahren entstandenen
städtebaulichen Konzepten, die Licht, Luft und Sonne für alle
forderten und im städtebaulichen Ordnen, in der Rationalisierung
der Bauproduktion und im Einsatz neuer Technologien
die Lösung für die Wohnungsprobleme der gründerzeitlichen
Stadt sahen, entstand eine neue vier- bis neungeschossige
Bebauung. Sie schaffte Raum für Wohnungen und Geschäfte
und brachte neue städtebauliche Maßstäbe in das Quartier:
In einigen Bereichen wurden die Assanierungskonzepte der
Ersten Republik weitergeführt. Bereits in den 1920er Jahren
hatte man das Viertel als nicht erhaltungswürdig eingestuft
und Teile der Bebauung durch von der Gemeinde Wien errichtete
große Wohnhöfe, wie den Rabenhof und den Erdberger
Hof, ersetzt, sodass man einen Teil der neuen Bebauung
„als eine Ergänzung bzw. Fertigstellung des Rabenhofs
bezeichnen“ (Achleitner 1990: 136) könnte. Entlang der Gestettengasse
und der Hainburger Straße wurden Baulücken
geschlossen und am Fiakerplatz, dessen Name an die ursprünglichen
Bewohner:innen dieses Viertels erinnert, wurde
eine offene Bebauung vorgesehen.
Die zwischen 1956 und 1958 durchgeführte Assanierung
gehört zusammen mit der Flächensanierung Alt-Lichtental
im 9. Bezirk zu den wenigen rigorosen Neuordnungen,
den großräumigen „Kahlschlag“-Sanierungen, in Wien. Doch
selbst diese wurden – wie der Stadtplaner und Städtebautheoretiker
Leopold Redl feststellt – „vergleichsweise behutsam
durchgeführt“ (Redl 1994: 25). So betrafen in Lichtental die in
Abschnitten durchgeführten Abbrüche nur wenige Baublöcke.
UMGANG MIT HISTORISCHER BAUSUBSTANZ II:
REVITALISIERUNG DES BLUTGASSENVIERTELS
Zeitgleich wurde 1956 für das Blutgassenviertel hinter
dem Stephansdom der Ideenwettbewerb „Gesundung der
baulichen Verhältnisse im Wiener Altstadtgebiet“ (Stadtbauamt
der Stadt Wien 1956: 427) ausgeschriebenen. Um „die
Freiheit des Ideenwettbewerbs nicht zu beschränken“ (ebd.),
wurde die Einhaltung denkmalpflegerischer Vorschreibungen
„nicht als Bedingung gefordert, wohl aber in Zusammenhang
mit anderen Punkten gewertet. Jedenfalls wird die Wahrung
des historischen Charakters des engeren Planungsgebiets
verlangt. Es liegt nicht in der Absicht der Gemeinde Wien,
daß das Planungsgebiet ein rein kommerzieller ‚City‘-District
wird.“ (Ebd.) Das hier formulierte Ziel des Wettbewerbs – die
vorhandene Bausubstanz so weit wie möglich zu erhalten
und sie „mit dem Neuen harmonisch zu verbinden“ (Euler
1963: 85) – zeigt, wie unterschiedlich der kulturelle Mehrwert
bestehender Bausubstanz bewertet wurde. Während in der
Innenstadt die „Wahrung des historischen Charakters des
Planungsgebiets“ (ebd.) verlangt wurde und die Einhaltung
„denkmalpflegerischer Vorschreibungen erwünscht“ (ebd.),
wenn auch keine Bedingung war, wurden die einfachen Fuhrwerkerhäuser
in Alt-Erdberg, einem der ältesten Siedlungsgebiete
Wiens, als bauhistorisch nicht relevant betrachtet und
zum Abbruch freigegeben.
Die Jury betonte in ihrem Urteil, dass das Siegerprojekt
des Büros Theiss und Jaksch alle denkmalpflegerischen
und wirtschaftlichen Aspekte optimal erfülle und schrieb in
ihrem Bericht: „In baukünstlerischer Hinsicht ist der Entwurf
betont schlicht und unaufdringlich gehalten. Diese taktvolle
Zurückhaltung unterstreicht jedoch wirkungsvoll die Gesamtkonzeption
im Hinblick auf die behutsame Einbeziehung der
vorhandenen Altstadtatmosphäre“ (Stadtbauamt der Stadt
Wien 1956: 428). In den nächsten Jahren wurde jedoch
keiner der Entwürfe 1 weiterverfolgt, prallten doch – wie die
Arbeiter-Zeitung nahezu 10 Jahre später 1965 über den
Wettbewerb schrieb – „die Lösungsvorschläge – Erhaltung
oder Amerikanisierung – aufeinander. Schließlich siegte die
Wiener Atmosphäre über den Geist Chicagos: 1957 wurde
die Restaurierung des Blutgassenviertels ins Wohnbauprogramm
genommen.“ 2
Da es – abgesehen von der geringen Besonnung und der
schlechten sanitären Ausstattung – vor allem finanzielle Argumente
waren, die gegen eine Instandsetzung der Häuser
sprachen, fanden im Herbst 1960 zwischen der Stadtbauamtsdirektion
des Magistrats und den Architekturprofessoren
Friedrich Euler und Herbert Thurner Besprechungen statt.
Ziel war es – wie Euler selbst schrieb – die „Atmosphäre der
Altstadt so zu erhalten, daß ein bestimmter Personenkreis
um dieser Atmosphäre willen bereit ist, die verhältnismäßig
hohen Kosten der Instandsetzung zu tragen. Es soll ein Bereich
geschaffen werden, der seinen Bewohnern – vor allem
Künstlern und geistig Schaffenden – eine kultivierte Umwelt
und die Ruhe zur Besinnlichkeit bietet“ (Euler 1963: 86).
Ungeklärte Besitzverhältnisse verzögerten den Arbeitsbeginn
und so wurde erst im Januar 1963 mit der Sanierung der
Wohnungen und dem Einbau von Liften begonnen. Die Erdgeschosslokale
wurden an Galerien, Antiquitäten- und Keramikgeschäfte,
eine gemeinsame Ordination von Fachärzt:innen
sowie die Österreichische Gesellschaft für Architektur vermietet,
die hier ein neues Diskussionsforum und Dokumentationszentrum
einrichtete. Bekannte Künstler:innen wie der Bildhauer
Fritz Wotruba oder die Burgschauspielerin Käthe Gold zogen
in die im Mietrecht auf 80 Jahre vergebenen Wohnungen ein.
1 Den zweiten Preis erhielt das Projekt von
Roland Rainer, den dritten Preis erhielten die
Architekten Prehsler und Wanko und den vierten
Preis bekam Michel Engelhart.
2 Arbeiter-Zeitung vom 20.11.1965
014 SANFTE STADTERNEUERUNG IM HISTORISCHEN KONTEXT STADTPLANUNG & WOHNBAU
Abb. 6 Plandarstellungen des Innenhofs sowie
Auflistung der beteiligten Institutionen im Informationsfolder
der Projektgruppe Planquadrat
Abb. 7 Darstellung des Renovierungsgrades
der Gebäude rund um das Planquadrat
TRENDWENDE: PROTESTE, BÜRGER:INNEN-
INITIATIVEN UND FERNSEHEN
Während im 1. Bezirk Altwiener Häuser saniert und einem
beschränkten Kreis von Bewohner:innen und Gewerbetreibenden
zur Verfügung gestellt wurden, erwarb die Stadt
Wien im 7. Bezirk mehrere biedermeierliche Häuser, um an
deren Stelle einen Gemeindebau zu errichten. Waren doch an
dem „wegen seiner Geschichte als Prostituiertenviertel übel
beleumundeten ‚Spittelberg‘“ (Kos 2004: 286) viele Häuser
so baufällig, dass sie notdürftig abgestützt wurden und so
nicht mehr bewohnt werden konnten (vgl. Eppel 2004: 299).
Doch diesmal formierte sich – wie bereits zuvor gegen
den Abbruch der 1725 erbauten Florianikirche (Rauchfangkehrerkirche)
– eine Initiative, die gegen den Abriss protestierte.
Anrainer:innen, Architekt:innen und Künstler:innen gründeten
Anfang der 1970er Jahre die Interessengemeinschaft
Spittelberg und „riefen unter dem Motto ‚Rettet den Spittelberg!‘
eine der ersten Bürgerinitiativen ins Leben.“ (Ebd.)
Während die inmitten der Straße stehende Rauchfangkehrerkirche
trotz heftiger Diskussionen zugunsten einer
autogerechten Verbreiterung der Wiedner Hauptstraße am
30. August 1965 abgebrochen wurde, trugen am Spittelberg
Aktionen, Feste und Diskussionsveranstaltungen dazu bei,
den Abriss des biedermeierlichen Ensembles zu verhindern.
Der Spittelberg wurde 1973 – auf Basis der ein Jahr zuvor
vom Wiener Gemeinderat beschlossenen Altstadterhaltungsnovelle
– als eines der ersten Gebiete zur im Flächenwidmungs-
und Bebauungsplan ausgewiesenen Schutzzone
erklärt. Diese Änderung der Wiener Bauordnung ermöglichte
der Stadt Wien eine vom – in einem Bundesgesetz geregelten
und ausschließlich auf ein Gebäude beziehungsweise eine
Liegenschaft bezogenen – Denkmalschutz unabhängige Aus -
weisung von Gebieten, die wegen ihres charakteristischen
Stadtbildes als erhaltungswürdig betrachtet wurden. Mit diesem
Instrument wollte man die Innere Stadt und historische
Viertel vor Verödung und spekulativer Vernachlässigung
schützen und historische bauliche Strukturen, charakteristische
Ensembles sowie für eine bestimmte Umgebung typische
Straßenräume und Hofsituationen bewahren. Um die mit
dem Erhalt oftmals verbundenen finanziellen Mehrkosten zu
reduzieren, wurde 1973 der Wiener Altstadterhaltungsfonds
eingerichtet, der öffentliche Mittel für die Konservierung und
Restaurierung zur Verfügung stellte (vgl. Koller 1973: 156).
An der sich abzeichnenden Trendwende im Umgang mit
der historischen Bausubstanz waren jedoch nicht nur Proteste
und Bürger:inneninitiativen, sondern auch das zu Beginn der
1970er Jahre noch relativ neue und dennoch weit verbreitete
Fernsehen beteiligt. Beeinflusst von der damals international
intensiv diskutierten Idee der Revitalisierung von Hinterhöfen
durch die Entfernung von Hoftrakten (Schlagwort Entkernung)
sollten auch in Wien – in Anlehnung an die großzügigen
Wohnhöfe der Gemeindebauten der 1920er und 1930er Jahre –
gründerzeitliche Hinterhöfe in Gartenhöfe umgestaltet werden.
Die Vorzüge des Wohnhofs gegenüber gründerzeitlichen
Höfen waren bereits 1927 in der von der Gemeinde
Wien herausgegebenen Publikation Das Neue Wien betont
015
Abb. 8 Entwurf der Gartenhofgestaltung nach den Ergebnissen des Planquadrat-Spiels
worden: „Stets wird das Augenmerk darauf gerichtet, so große
Höfe zu erzielen, daß sie eine gärtnerische Ausschmückung
zulassen und die Sonne möglichst alle Räume erreichen kann.
Während beim Arbeiterwohnhaus der Vorkriegszeit die Kinder
mit ihren Spielen auf die Straße verwiesen wurden, hat
der Gartenhof der Gemeindebauten neben der Bedeutung
der Beleuchtung und Belüftung auch die wichtige Aufgabe,
Spielfläche für die Kinder und Ruhe für die Erwachsenen
zu bieten.“ (Stadt Wien, zit. nach Voitl / Guggenberger / Pirker
1977: 31f.)
Für die zwischen 1974 und 1976 im Hauptabendprogramm
des ORF ausgestrahlte Fernsehdokumentation Planquadrat 3
wurde daher als Projektgebiet ein von der Mühlgasse, der
Schikanedergasse, der Margaretenstraße und der Preß gasse
begrenzter Baublock ausgewählt. Der Flächenwidmungsplan
von 1966 sah – ganz im Sinne einer autogerechten Verkehrsplanung
– eine Verbreiterung der Mühlgasse, den Ab riss der
an diese angrenzenden Häuserzeile und die Umgestal tung
des verbleibenden Blockinneren in einen öffentlichen Park vor.
Die erste, am 14. Mai 1974 zur Hauptsendezeit um
20.00 Uhr ausgestrahlte Sendung mit dem Titel Planquadrat:
Stadterhaltung – Stadterneuerung „fand großen Widerhall
und löste eine Reihe von weiteren Kontakten zwischen
ORF Team und interessierten Bürgern, Studenten und Fachleuten
aus“ (Kainrath / Potyka / Zabrana, 1980: 8). In weiterer
Folge entwickelten eine Gruppe von Studierenden der TU
Wien, ein Architektenteam um Hugo Potyka, das später
offiziell von der Stadt Wien beauftragt wurde, sowie das
ORF-Team (die Journalist:innen Elisabeth Guggenberger
und Helmut Voitl) mit Bewohner:innen Konzepte zur gemeinsamen
Nutzung der durch Mauern und Zäune voneinander
getrennten Innenhöfe (vgl. Feuerstein 2009). Die am
15. August 1975 eröffnete Ausstellung Planquadratinformation
dokumentierte den Beteiligungsprozess und machte
Vorschläge zur Revitalisierung der vom Abbruch bedrohten
Häuser. In dem 2 Jahre später, am 6. Oktober 1977, zwischen
dem inzwischen gegründeten Gartenhofverein und der
Stadt Wien abgeschlossenen Vertrag wurde die Betreuung
und Pflege des von der Stadt Wien ausgestalteten Gartens
durch den Verein vereinbart.
MODELL OTTAKRING
Im Mai 1974 trat, fast zeitgleich mit der ersten Sendung
über das Planquadrat, das die Assanierung von Wohngebieten
betreffende Stadterneuerungsgesetz (StEG) 4 in Kraft. Da
viele der sich überwiegend im privaten Besitz befindlichen
3 Die vier Teile der Dokumentation sind auf
der Website des Gartenhofvereins Planquadrat
(https://planquadrat.weebly.com) abrufbar.
4 Bundesgesetz vom 3. Mai 1974
(BGBl. Nr. 287).
016 SANFTE STADTERNEUERUNG IM HISTORISCHEN KONTEXT STADTPLANUNG & WOHNBAU
spätgründerzeitlichen Gebäude nach dem Zweiten Weltkrieg
mehr oder weniger notdürftig in Stand gesetzt worden waren
(vgl. Kos 2004: 280), war die „mangelhafte Ausstattung zumindest
der Hälfte der Wohnungen der in einem Gebietsteil
vorhandenen Häuser“ (§6 Abs 1 StEG) ein entscheidendes
Kriterium für die Auswahl und Festlegung von Assanierungsgebieten.
Doch waren auch weitere bauliche und soziale Kriterien
bei der Ermittlung städtebaulicher Problemgebiete zu
berücksichtigen und so wurde die magistratsinterne Arbeitsgruppe
„Stadterneuerung und Bodenbeschaffung“ (vgl. Stadt
Wien 1978) gegründet und ein ca. 4,3 Hektar großes Untersuchungsgebiet
in Ottakring 5 ausgewählt, in dem nahezu „alle
Problemsituationen des dichtbebauten Gebietes anzutreffen
waren: ein Zufallsgemenge von Bebauungstypen und Nutzungsformen,
eine für das dichtbebaute Gebiet charakteristische
Bevölkerungsstruktur, geringes Erneuerungspotential,
unzureichendes Naherholungsangebot“ (Roth 1984: 188).
In den 49 vorwiegend in der Gründerzeit errichteten Häusern
lebten 1000 Einwohner:innen (vgl. Gräsel / Wasner/Huber
1983: 12). Von den 650 Wohnungen waren 50 Prozent kleiner
als 45 Quadratmeter, 53 Prozent schlecht belichtet und 67 Prozent
hatten nur über den Gang Zugang zu Wasser (Bassena)
und WC (vgl. Stadt Wien 1978: 4). Die Höfe im Blockinneren
waren mit Nebengebäuden verbaut oder wurden als Autostellplätze
genutzt. Für die Grundlagenermittlung wurden Baupläne,
Gewerbeakte und Grundbuchsurkunden ausgewertet
und im Herbst 1974 wurde ein Informationsbus aufgestellt,
in dem sich Magistratsbeamt:innen im persönlichen Kontakt
über die Wünsche und Beschwerden der Bevölkerung
informierten (vgl. Kainraith 1979: 127). Basierend auf diesen
Untersuchungen wurde am 30. Januar 1975 von der Bezirksvertretung
die Erklärung zum Assanierungsgebiet beantragt.
Um die Versorgung mit Grünraum im dicht bebauten
Gebiet zu verbessern, wurde als erste Sofortmaßnahme in
einer Baulücke in der Lambertgasse auf die Errichtung eines
Wohnbaus verzichtet und von der Bezirksvertretung
am 12. Mai 1975 deren Umgestaltung in einen „Minipark“ beschlossen.
6 Im Sommer 1975 wurden von der Magistratsabteilung
21 drei Architekturteams 7 mit der Erstellung von
Entwicklungskonzepten für das Gebiet beauftragt. Die Ergebnisse
wurden gemeinsam mit den vom Magistrat erhobenen
Unterlagen in einer am 26. November 1975 von
Bürgermeister Leopold Gratz eröffneten Ausstellung in den
Räumen des Kauz Beisl, einem typischen alten Wiener
Wirtshaus, präsentiert.
Nachdem im Juni 1977 der Wiener Gemeinderat den Erlass
einer Assanierungsverordnung und eine Änderung des
Flächenwidmungs- und Bebauungsplans beschlossen hatte,
wurde das Gebiet 1978 als erstes Assanierungsgebiet (gemäß
dem Stadterneuerungsgesetz von 1974) in Wien ausgewiesen.
Die Urbanbau (gemeinnützige Bau-, Wohnungs- und
Stadterneuerungsges.m.h.H.) wurde mit der „Gebietsbetreuung
laut Stadterneuerungsgesetz auf 2 Jahre durch die Stadt
Wien“ (Kainrath 1979: 128) beauftragt. Gleichzeitig wurde an
sie ein Forschungsauftrag des Bundesministeriums für Bauten
und Technik „zur Analyse der Vorgänge im Assanierungsgebiet“
(ebd.) vergeben. Bereits am 30. Juli 1978 wurde das
Extrazimmer eines von der Ottakringer Brauerei verwalteten
Gasthauses in der Friedrich-Kaiser-Gasse 69 als Informationslokal
bezogen und damit erstmals eine ständige Gebietsbetreuung
vor Ort eingerichtet. 8 Der aktuelle Stand der
Erneuerungsmaßnahmen wurde für alle sichtbar an einem
Modell dargestellt. In den folgenden Jahren standen die Althausinstandsetzung
und die Beratung bei Maßnahmen zur
Wohnungsverbesserung im Zentrum der Arbeit. Im öffentlichen
Raum gehörten die Einrichtung der ersten Wohnstraße
in der Wichtelgasse sowie Verbesserungsmaßnahmen von
Grün- und Erholungsflächen zu den wichtigsten im Projektgebiet
bis 1983 umgesetzten Veränderungen. 9
PARADIGMENWECHSEL UND INSTITUTIONALI-
SIERUNG DER SANFTEN STADTERNEUERUNG
Eine ausschließlich auf abstrakten Daten basierende
Methode der Stadtanalyse sowie der technokratische Ansatz
der räumlich-funktionalen Stadtplanung, die sich an einer
„Phantomfigur einer industriegesellschaftlichen Normalexistenz“
(Eisinger 2006: 108) orientierte, kamen in der Mitte
der 1960er Jahre im internationalen architektonischen und
städtebaulichen Diskurs in die Kritik. 10 Der 1972 vom Club of
Rome veröffentlichte Bericht Die Grenzen des Wachstums
und die wirtschaftlichen Folgen der Ölkrisen der 1970er Jahre
stellten die Idee des technischen Fortschritts infrage.
Nachdem sich, wie der deutsche Architekturhistoriker
Werner Durth in seinem 1977 erschienenen Buch Die Inszenierung
der Alltagswelt. Zur Kritik der Stadtgestaltung ausführte,
bereits in „der Architektur die traditionellen Deutungsmuster
des Funktionalismus zur Lösung anstehender Probleme
weithin als untauglich erwiesen hatten“ (Durth 1977: 33),
drängte sich „ein Wechsel der Sichtweise auch im Städtebau
auf: eine Umorientierung von weitgreifenden Entwicklungsplänen
auf eine vergleichsweise bescheidene ‚Politik der
Stadtgestaltung‘, der jetzt aber nicht mehr nur die objektiv
gegebenen, räumlich-materiellen Zusammenhänge der Stadt-
Gestalt, sondern die im täglichen Handlungsablauf der Menschen
aktuellen Stadt-Erscheinungsbilder und Erlebnisfolgen
zum Gestaltungsobjekt wurden“ (ebd.). Dies führte zu einem
5 Das Untersuchungsgebiet war von der
Ottakringer Straße, der Eisnergasse,
der Grüllemeiergasse, der Kuffnergasse, der
Thaliastraße und der Wattgasse begrenzt.
6 Die Parkanlage wurde vom Büro Hautmann
entworfen und vom Stadtgartenamt gestaltet
(vgl. Stadt Wien 1978: 14).
7 Die drei Teams waren das Büro Hautmann,
das Büro Hlaweniczka und das Büro PAI
(Holubowsky, Janig und Lindner).
8 In den übrigen ausgewählten Erneuerungsgebieten
Ulrichsberg, Gumpendorf, Storchengrund,
Wilhelmsdorf, Himmelpfortgrund und Währing
wurden zwischen 1977 und 1979 Untersuchungen
gestartet und Gebietsbetreuungen eingerichtet
(vgl. Berger 1984).
9 Das Informationslokal der Gebietsbetreuung
Ottakring wurde im April 1984 geschlossen und
die Gebietsbetreuung in das neue Stadterneuerungs -
gebiet Neulerchenfeld verlagert, mit dessen Be -
treuung die Stadt-Projekt GmbH beauftragt wurde.
10 Exemplarisch stehen dafür die Publikationen
von Kevin Lynch (The Image of the City, 1960,
deutsch 1965), Jane Jacobs (The Death and Life
of Great American Cities, 1961, deutsch 1963),
Alexander Mitscherlich (Die Unwirtlichkeit unserer
Städte. Anstiftung zum Unfrieden, 1965) oder
Aldo Rossi (L’Architettura della Città, 1966,
deutsch 1973).
017
„Paradigmawechsel im Städtebau“ (ebd.). Man versuchte nun
„‚Stadt‘ nicht mehr nur von oben, sondern partiell auch aus
der Perspektive der Benutzer sehen zu lernen, um Ansätze
‚subjektbezogener‘ Gestaltungs- und Steuerungsmöglichkeiten
entwickeln zu können“ (ebd.). Diese Akzentverschiebung
führte zu einer Aktualisierung theoretischer Konzepte, methodischer
Ansätze und einer verstärkten Koope ration mit
anderen wissenschaftlichen Disziplinen sowie zu einer
Neuorientierung der bis dahin üblichen Stadtsanierungspraxis.
Exemplarisch stehen dafür das Modell der Sanften
Stadterneuerung in Wien und die IBA-Altbau unter der Leitung
von Hardt-Waltherr Hämer in Berlin (Kreuzberg), wo in Pilotprojekten
sowohl Möglichkeiten der behutsamen Modernisierung
und Umnutzung bestehender Gebäude als auch partizipative
Modelle der Beteiligung von Bewohner:innen erprobt wurden.
Auch in Wien wurden nun die Probleme in ihrem konkreten
Gebietszusammenhang betrachtet und die Sanierungsziele
leiteten sich, wie die beiden Stadtforscher Leopold Redl
und Hans Hovorka betonen, „in erster Linie nicht von abstrakten
Bedarfsberechnungen ab, sondern entstehen aus dem
Diskurs am Ort des Geschehens, dem Stadtteil. In diesem
hätte das Wissen des Alltags eine der Wissenschaft und den
Fachdisziplinen gegenüber gleichberechtigte Rolle“ (Hovorka /
Redl 1987: 32). Dieser Paradigmenwechsel war begleitet von
der Entdeckung einer anderen Ästhetik, die in der Auseinandersetzung
mit dem Unfertigen eine Möglichkeit sah, den
Konventionen des funktionalen Städtebaus mit seinen allgemeinverbindlichen
Normen des Geschmacks zu entkommen.
Die Bedeutung der Ästhetik betont auch der seit 1975 in
der Wiener Stadtverwaltung tätige Architekt Wilhelm Kainrath,
wenn er über die Anfänge der Sanften Stadterneuerung
schreibt: „Damals ging man in die alten Wohnviertel des
19. Jahrhunderts und verwehrte den Flächenabriss. Einerseits
waren die Häuser egal, aber die Menschen sollten nicht
vertrieben werden, anderseits genoß man die neu entdeckte
Ästhetik des Historismus und das farbige Gemisch verschmuddelten
proletarisch-kleinbürgerlichen Lebens. Soziale
und ästhetische Anliegen vermischten sich, formten bald eine
Einheit, die taktisch so oder andersherum zu wenden war.
Ohne ästhetische Überzeugungen wären die sozialen Anliegen
jedenfalls nicht kräftig genug gewesen.“ (Kainrath 1988: 216).
In den 1980er Jahren unterstützte die Postmoderne, die in
Kunst, Literatur, Film und Architektur einen emotionaleren
Zugang zur Stadt suchte, eine Hinwendung zur Stadtbau geschichte
– eine Haltung, die sich auch im Wiener Stadtentwicklungsplan
von 1985 widerspiegelte, in dem Stadterneuerung
und -erweiterung nicht mehr als Gegensätze, sondern als
einander ergänzende Vorhaben der Stadtentwicklung gesehen
wurden. Um die Umsetzung der in ihm formulierten Ziele
zu unterstützen, wurden zwischen 1984 und 1989 weitere
Gebiets betreuungen eingerichtet und 1984 wurde der Wiener
Bodenbereitstellungs- und Stadterneuerungsfonds (heute:
wohnfonds_wien) gegründet.
Wie bereits dargelegt, trugen die von Alexander Mitscherlich
beklagte Unwirtlichkeit unserer Städte (1965), die vornehmlich
die Neubausiedlungen am Stadtrand betraf, sowie die
Energiekrise und die vom Club of Rome erkannten Grenzen
des Wachstums zu einer Trendwende in der Stadtentwicklungspolitik
bei, die bis dahin (nicht nur) in Wien vor allem am
Neubau orientiert war. Die Sanierung des Gebäudebestands
war mit einer Rückbesinnung auf städtische Qualitäten
verbunden, die zu einer Wertschätzung alter, bis dahin vernachlässigter
Stadtquartiere führte. An die Stelle einer additiven
Betrachtung von sozialen, ökologischen, ökonomischen
und (städte-)baulichen Aspekten traten eine integrierende
Sicht auf die Stadt, die alle Aspekte des städtischen Lebens
erfasst, sowie eine prozessorientierte stadtpolitische Programmatik.
Heute – 50 Jahre nach der Einführung des Stadterneuerungsgesetzes
in Österreich – sind in Anbetracht des Klimawandels
bereits damals diskutierte Themen – wie ein behutsamer
Umgang mit dem Vorhandenen, Nutzungsvielfalt in
den Quartieren, die Wiederverwendung von Baumaterialien
sowie die Schönheit des Gebrauchten – wieder hoch aktuell.
Die in vielen Lebensbereichen dominierende ökonomische,
vermessende, bewertende und optimierende Sicht wird zunehmend
kritisiert und die Notwendigkeit einer anderen Haltung
gegenüber Lebewesen und Ökosystemen intensiv diskutiert.
Das Arbeiten mit dem Bestand – die Instandsetzung,
das Um- und Weiterbauen – und ein sparsamer Umgang
mit (materiellen) Ressourcen sowie gemeinwohlorientierte
Kooperationen und Beteiligungskonzepte können für die
Planung regionaler und urbaner Räume neue Perspektiven
eröffnen (vgl. Bahner / Böttger / Holzberg 2020; Fitz / Krasny
2019). Weiterführend ist hier die von Joan Tronto formulierte
kritisch-feministische Care-Ethik. Sie fordert neue Formen
des Zusammenlebens, Wirtschaftens und Haushaltens, die
wiederum Veränderungen in den institutionellen, planerischen,
räumlichen und gebauten Strukturen nach sich ziehen
können (vgl. Tronto 2019).
018 SANFTE STADTERNEUERUNG IM HISTORISCHEN KONTEXT STADTPLANUNG & WOHNBAU
Literatur:
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im 20. Jahrhundert. Ein Führer in vier Bänden
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Bahner, Olaf / Böttger, Matthias / Holzberg,
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1945 bis 1975: Wie die Pragmatiker in den
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Tronto, Joan C.: „Caring Architecture“. In: Fitz,
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Sicherheit – Wohnen in der Stadt. Wien 1977
086
Abb. 56
Orte der Sanften
Stadterneuerung in Wien
087
088 ORTE DER SANFTEN STADTERNEUERUNG IN WIEN
ÜBERSICHTSKARTE
A PILOTGEBIET WICHTELGASSE
B BLOCKSANIERUNG
ODEONGASSE
C REVITALISIERUNG KAUERHOF
D LEBENDIGE LERCHENFELDER
STRASSE
E GEMEINSCHAFTSGARTEN
WOLFGANGGASSE
F LEBEN AM SCHLINGERMARKT
A
D
C
E
089
F
B
090 ORTE DER SANFTEN STADTERNEUERUNG IN WIEN
Orte der Sanften Stadterneuerung und ihre
visualisierten Haus- und Grätzelbiografien
Katharina Kirsch-Soriano da Silva,
Bernadette Krejs und Judith M. Lehner
Ein Blick auf konkrete Beispiele zeigt Stadträume und
Orte, an denen Sanfte Stadterneuerung wirksam wurde. Dabei
werden Transformationen dieser Räume im Laufe der
Zeit sichtbar, können Veränderungsprozesse nachgezeichnet
werden. Das folgende Kapitel zeigt ausgewählte Orte, denen
sich die Sanfte Stadterneuerung im Laufe ihrer Entwicklung
gewidmet hat. Haus- und Grätzel biografien, die in einer weiter
unten beschriebenen Lehrveranstaltung entwickelt wurden,
zeichnen die Geschichten dieser Orte nach, verdeutlichen die
Bandbreite des Handlungsrepertoires und illustrieren gleichzeitig
eine Typologie von räumlichen Interventionsebenen.
Dabei bedarf es eines visuellen Mediums wie jenem der
Zeitleiste, um die komplexen Transformationen der Räume
und Prozesse der Sanften Stadterneuerung mit historischen
Ereignissen und spezifischen Akteurskonstellationen in verschiedenen
räumlichen Typologien verstehen zu lernen. Ausgewählte
Erzählungen von Zeitzeug:innen ergänzen im Sinne
der Oral History das Verständnis der Zeitgeschichte und der
Entwicklungen einzelner Orte und Typologien.
EINE TYPOLOGIE RÄUMLICHER INTERVENTIONS-
EBENEN DER SANFTEN STADTERNEUERUNG
Quartier – Die räumliche Ebene des Quartiers bezeichnet
einen Stadtteil oder ein Viertel. Sie verweist auf nachbarschaftliche
Beziehungen, Alltagswege und Nahversorgungseinrichtungen
in einem lokalen Umfeld. Sie bietet Potenzial
für eine spezifische stadträumliche Identität und Formen der
Identifikation und Zugehörigkeit. Das Pilotgebiet für Stadterneuerung,
das von der Stadt Wien rund um die Wichtelgasse
in Ottakring 1974 definiert wurde, nahm bewusst die Quartiersebene
mit einer überschaubaren Bewohner:innenzahl
in den Blick, um quartiersbezogene Konzepte für die Stadterneuerung
zu entwickeln und eine Partizipation möglichst
vieler Menschen in diesem Gebiet zu ermöglichen.
Block – Die Blockrandbebauung ist ein charakteristisches
Element der gründerzeitlichen Stadt. Ein Häuserblock
umfasst dabei in der Regel mehrere Gebäude und Liegenschaften.
Besondere Potenziale bieten die im Blockinneren
befindlichen Hofflächen für liegenschaftsübergreifende Konzepte.
Im Rahmen von Blocksanierungen wurde ab 1989 die
räumliche Ebene des Blocks verstärkt in den Blick genommen,
um städtebauliche Strukturverbesserungen zu erreichen.
Die Blocksanierung Odeongasse in der Leopoldstadt
beleuchtet, dass die langwierige Umsetzung viel Koordination
und Aushandlung zwischen verschiedenen Akteur:innen erfordert.
Wohnhaus – Die Ebene des Wohnhauses und der einzelnen
Wohnungen stand insbesondere in den ersten Jahren
der Sanften Stadterneuerung stark im Fokus. Dabei ging es
darum, die Ausstattung von Gebäuden und Wohneinheiten
auf zeitgemäße Wohnanforderungen anzuheben – mit Lifteinbau,
Barrierefreiheit oder Beseitigung des Substandards.
Das Beispiel der Revitalisierung des Kauerhofs zeigt in diesem
Kontext, wie ein Mietwohnhaus in privaten Händen über viele
Jahre zum Spekulationsobjekt wurde und es später dennoch
gelang, eine leistbare und bedarfsorientierte Sanierung unter
Einbeziehung der Bewohner:innen durchzuführen.
Straße – Traditionell waren es innerstädtische Einkaufsstraßen,
in denen sich in den Erdgeschosslokalen vielfältige
Geschäfte ansiedelten und der Nahversorgung für die Wohnbevölkerung
dienten. Mit dem Strukturwandel von Handel
und Gewerbe, der Etablierung von Einkaufszentren und Onlineshopping
stehen Einkaufsstraßen vor neuen Herausforderungen.
Das Beispiel der Lebendigen Lerchenfelder Straße,
welche die Bezirke Neubau und Josefstadt miteinander
verbindet, zeigt Handlungsstrategien zu deren Belebung und
nachhaltigen Nutzung. Die Erdgeschosszone, als durchlässige
Zone, die den Straßenraum erweitert, steht dabei ebenso
im Fokus wie die Attraktivierung des öffentlichen Straßenraums.
Freiraum – Bereits in den ersten Stadterneuerungsgebieten
stand nicht nur die Sanierung von Gebäuden im Vordergrund,
sondern auch die Schaffung von Grün- und Freiräumen.
Dabei galt es – insbesondere im dicht verbauten Stadtgebiet –,
kreativ zu sein: von der Nutzung von Baulücken über die Zusammenlegung
von Hofflächen bis zur Begrünung von Fassaden
und Dächern und der Schaffung von Mikrofreiräumen.
Das Freiraumprojekt Wolfganggasse in Meidling beleuchtet,
wie sogar eine Straße zum gemeinsamen Freiraum und einem
der ersten Gemeinschaftsgärten Wiens werden konnte.
Markt – Auch Märkte wurden – ähnlich wie Einkaufsstraßen
– etwa ab den 2000er Jahren zu Schwerpunkten
der Stadterneuerungstätigkeit. Der Markt fungiert als Ort des
Handels, des Austausches und der Begegnung in der Stadt,
in vielen Fällen auch als Ort des Temporären und des Ephemeren.
So werden an Straßenzügen oder Plätzen zu bestimmten
Wochentagen und Zeiten Markstände aufgebaut und abgebaut.
An anderen Standorten sind sie befestigte und fixe
Kioske oder Markthallen. Das Projekt Leben am Schlingermarkt,
das die Entwicklung des Floridsdorfer Markts begleitet,
zeigt verschiedene Interventionsstrategien unter dem Dach
eines gemeinsamen Leitbilds für den Markt auf.
HAUS- UND GRÄTZELBIOGRAFIEN RECHERCHIEREN
Wie lassen sich Entwicklungen der gebauten Umwelt im
Zusammenhang mit dem Entstehen eines Stadterneuerungsprogramms
durch eine Vielzahl von Akteur:innen greifbar und
verstehbar machen? Diese Frage stellten sich die Autor:innen
dieses Textes mit Studierenden der Architektur und Raumplanung
der Technischen Universität Wien im Sommersemester
2023. Während Partizipationsprozesse oftmals in
Berichten und Zeitungsartikeln beschrieben werden, ist das
Nachzeichnen räumlicher Konfigurationen und ihrer Veränderungen
eine Herausforderung. Wir wollten dennoch entlang
der oben genannten Typologien der Sanften Stadterneuerung
die Schnittstellen von Gebäuden, öffentlichen Räumen und
091
Quartieren in diesem Transformationsprozess sowie die sozialen
Aspekte wie Partizipation zusammenschauend analysieren.
Dem Anspruch der Sanften Stadterneuerung folgend,
die baulichen, aber auch die architektonisch weniger sichtbaren
sanften Interventionen der Prozessgestaltung zu berücksichtigen,
recherchierten die Studierenden und Lehrenden
sowohl mit visuellen als auch narrativen Methoden. Während
die Hausbiografien die Veränderungsprozesse von historischen
Wohnhäusern sichtbar machen sollten, zeichneten
Grätzel- oder Quartiersbiografien die Entwicklung von Stadtteilen,
Wohnumfeld und öffentlichen Räumen nach. Die Recherche
in Archiven mit Materialien zur Sanften Stadterneuerung,
Ortsbegehungen und Interviews zur Erforschung von
Räumen und deren Geschichten führten schließlich zu einem
umfangreichen Datenmaterial, welches durch das Medium
der Zeitleiste zusammengefügt wurde. Die in diesem Kapitel
präsentierten und ausgewählten Orte mit ihren verschiedenen
Schwerpunkten in der Entwicklung der Sanften Stadterneuerung
und Gebietsbetreuung basieren auf den Studienarbeiten
dieses gemeinsamen Lehrforschungsprojektes.
DRAWING TIMELINES – LERNPROZESSE
NACHZEICHNEN
Durch das Medium der Timeline – Zeitleiste – werden
unterschiedliche Orte der Sanften Stadterneuerung untersucht
und beforscht. Die Biografien von Quartieren, Gebäuden
und Protagonist:innen werden visuell erfasst und durch
die chronologische Sortierung entlang des Zeitstrahls werden
ausgewählte Narrative der Wiener Stadtgeschichte zugänglich.
Das Zeichnen als visuelles Erfassen und die damit
verbundene Auswahl von Orten, Ereignissen und Stimmen
werden zur Untersuchungsmethode und zeichnen bestimmte
Geschichten der Sanften Stadterneuerung auf. So werden
vergessene und nicht sichtbare Erzählungen und Zusammenhänge
freigelegt und zugänglich gemacht. In unterschiedlichen
visuellen Techniken (Skizzen, Illustrationen, Plandarstellungen)
werden die gesammelten Daten zu vielschichtigen,
multiperspektivischen Erzählungen. Das Bild, die Zeichnung
oder die Timeline machen Wissen sichtbar und stellen es
somit zur Diskussion und (Neu-)Verhandlung.
Bilder sind Medien, durch die wir in Beziehungen miteinander
und zu unserer Umwelt treten können. Wir interagieren
mit ihnen und sie produzieren dabei Bedeutung. Visuelle
Darstellungen generieren somit ein gesellschaftliches Gedächtnis,
sie sind Teil einer kollektiven Wissenspraxis und formen
einen Gesellschaftskörper mit. Sie repräsentieren nicht
nur unsere Wirklichkeit, sondern sie konstruieren sie auch
mit. Das Zeigen und Darstellen der Geschichte der Sanften
Stadterneuerung in Wien in den hier versammelten Timelines
ist daher mehr als ein bloßes Abbilden vergangener und
bestehender Ereignisse. Vielmehr werden Beziehungen und
Verbindungen sichtbar, die auch für die zukünftige Stadtentwicklung
relevant sind.
Nishat Awan beschreibt in „Mapping Otherwise: Imagining
other possibilities and other futures“ (2017: 35), welche
Möglichkeiten durch das Zeichnen (von Timelines) generiert
werden können. Das in ihnen abgebildete Wissen ist partiell
und situiert (vgl. Krejs 2024: 30), immer unvollständig und
kunstvoll ergänzt und zeigt eine Auswahl an bestimmten
Erzählungen und Bedeutungen. Das Medium Bild ist nicht
neutral, es steht in Zusammenhang mit gesellschaftlichen
Gebrauchsformen, technologischen Erfindungen und politisch-ökonomischem
Begehren (vgl. ebd.). Doch die Auswahl
und Anordnung eines kuratierten Wissens über Orte der
Sanften Stadterneuerung ist eine Chance, Räume, Quartiere
und Städte in Zukunft in diesem Sinne weiterzudenken.
Die hier versammelten Timelines zeigen einen sorgsamen
gemeinsamen Umgang mit unserer Umwelt in unterschiedlichsten
Maßstäben auf, es sind Zeichnungen, die die
Geschichte und die Gegenwart erkennen, um die Zukunft
weiterdenken zu können. Die Zeichnungen legen Zusammenhänge
frei und eröffnen neue Sichtweisen auf das, was
kommen kann oder, wie Nishat Awan (2017: 39) schreibt:
„They are ways of exploring different possibilities or futures
by giving voice to other narratives and uses of space“ – denn
Bilder repräsentieren nicht nur unsere Welt, sie konstruieren
sie auch mit.
Literatur:
Awan, Nishat: „Mapping Otherwise: Imagining
other possibilities and other futures“. In: Schalk,
Meike / Kristiansson, Thérèse / Mazé, Ramia (Hg.):
Feminist Futures of Spatial Practice: Materialisms,
Activisms, Dialogues, Pedagogies,
Projections. Baunach 2017, S. 33–41
Haraway, Donna: „Situated Knowledges: The
Science Question in Feminism and the Privilege
of Partial Perspective“. In: Feminist Studies,
Bd. 14, Nr. 3, S. 575–599
Krejs, Bernadette: Instagram Wohnen – Architektur
als Bild und die Suche nach gegenhegemonialen
Wohnbildwelten. Bielefeld 2024
TYPOLOGIE QUARTIER
093
094 ORTE DER SANFTEN STADTERNEUERUNG IN WIEN TYPOLOGIE QUARTIER
Ein gründerzeitliches Viertel wird zum
Experimentierfeld für neue Handlungsansätze
A PILOTGEBIET WICHTELGASSE
1160 WIEN
zu einem stärker partizipativen Instrument umfunktioniert:
Gespräche vor Ort in Form einer Interviewserie mit Bewohner:innen.
EIN PILOTGEBIET FÜR STADTERNEUERUNG
Das Stadterneuerungsgesetz von 1974 war der Ausgangspunkt
dafür, ein konkretes Pilotgebiet für Stadterneuerung
in Wien zu definieren. Dieses wurde zum Experimentierfeld
für neue Handlungsansätze, zum „Modellversuch der
konkreten Implementation von Stadterneuerung als neue Materie
politischer Praxis in einem institutionell nicht geregelten
Zwischenraum“ (Svoboda / Knoth / Weber 1985: 152). Von der
Stadt Wien wurde dabei ein von gründerzeitlicher Bausubstanz
geprägtes Gebiet rund um die Wichtelgasse im Bezirk
Ottakring ausgewählt, das ungefähr 2000 Bewohner:innen
umfasste. Dies erschien aus soziologischer Sicht als eine
sinnvolle Größe, um die lokale Nachbarschaft zu involvieren
und gebietsbezogene Konzepte zu entwickeln. Auf Antrag der
Bezirksvertretung und Beschluss des Gemeinderates hin begannen
vorbereitende Untersuchungen im Sinne des Stadterneuerungsgesetzes.
Bemerkenswert war, dass es zunächst
Mitarbeiter:innen des Magistrats waren, die sich vor Ort begaben.
Auch drei Architekturteams wurden für die Entwicklung
konkreter planerischer Entwürfe hinzugezogen. Im Sinne
eines Pilotgebiets wollten die beteiligten Akteur:innen der
Stadt Wien methodische und inhaltliche Herangehensweisen
entwickeln sowie Erfahrungen sammeln, um diese dann auf
andere Gebiete in der Stadt mit ähnlichen Problemlagen zu
übertragen.
VON DER ANALYSE GEBIETSBEZOGENER DATEN
ZUR PARTIZIPATIVEN ERHEBUNG
In einem ersten Schritt führte das Team des Magistrats
strukturelle Analysen des Gebiets durch. Dabei wurden unter
anderem Wohnungsgrößen, Wohnungsausstattungen und
der Substandard betrachtet. Als Quelle dienten Daten aus
der Häuser- und Wohnungszählung sowie der Volkszählung.
Ergänzt wurden diese durch Informationen der Baupolizei in
Hinblick auf festgestellte Baugebrechen sowie durch Besichtigungen.
Der nächste Schritt war es, die Erkenntnisse aus
der Gebietsanalyse – in Kooperation mit dem Bezirk – vor
Ort auszustellen und zu diskutieren. Nach der Präsentation
entstand die Idee, einen noch größeren Teil der Bevölkerung
einzubeziehen, um deren Perspektiven und Bedarfslagen in
Erfahrung zu bringen. Horst Berger, der das Pilotgebiet von
Magistratsseite begleitete, formulierte diesen Gedanken folgendermaßen:
„Wir müssen im Sinne der Partizipation mit
der Bevölkerung reden.“ (Interview H. Berger). Dies war eine
neue Herangehensweise, die bislang etablierte Verfahren der
Stadt infrage stellte und neu interpretierte. Die gemäß dem
Stadterneuerungsgesetz vorgesehene Einsichtnahme in die
Untersuchungsergebnisse wurde im Pilotgebiet in Ottakring
MIT EINEM BUS VOR ORT IM GESPRÄCH
MIT BEWOHNER:INNEN
Die Präsenz im Gebiet erfolgte mit einem Informationsbus.
Die per Post angeschriebenen Haushalte im Umfeld
wurden zu persönlichen Gesprächen eingeladen. Für viele
gab es dennoch zunächst eine gewisse Hemmschwelle,
den Bus aufzusuchen und das Gesprächsangebot zu nutzen.
So ging das Bearbeitungsteam auch dazu über, sich auf die
Straße zu stellen und mit den vorbeigehenden Menschen
zu sprechen. Diese Phase der Information und Partizipation
erstreckte sich über acht Wochen und ermöglichte es, insgesamt
rund 220 Gespräche zu führen und zu protokollieren
– so wurden rund 10 Prozent der Wohnbevölkerung und
mehr als 20 Prozent der Haushalte im Gebiet erreicht. Die
Dokumentation der Gespräche erfolgte durch Protokolle, die
während des Gesprächs mittels Schreibmaschine verfasst
und im Anschluss von den Interviewenden und Interviewten
unterzeichnet wurden. Die auf diese Weise formulierten
Wünsche und Vorstellungen flossen in die Entwicklung von
Maßnahmen im Gebiet ein. Eine wesentliche Folge der Gespräche
war, „dass weniger technokratisch gedacht wurde“
(ebd.) und Maßnahmen differenzierter konzipiert wurden.
Die Gespräche zeigten beispielsweise, dass nicht für alle der
Substandard in den Wohnungen das größte Problem darstellte.
So schilderte eine Bewohnerin in der Lambertgasse,
die auf den Rollstuhl angewiesen war, dass sie nur einmal
in der Woche mit Unterstützung ihres Neffen die Wohnung
verlassen könne. Die Errichtung eines Lifts in ihrem Haus
war für ihre Lebensqualität und sozialen Beziehungen in der
Nachbarschaft von größerer Bedeutung als der Einbau einer
Toilette in ihrer Wohnung. Auf Basis der identifizierten Bedarfslagen
wurde in der Folge begonnen, an Verbesserungsmaßnahmen
von Wohnungen und Häusern zu
arbeiten.
DIE ERSTE WOHNSTRASSE ENTSTEHT,
DER ERSTE BAUM IM STRASSEN-
RAUM WIRD GEPFLANZT
Die Arbeit vor Ort machte zudem
ersichtlich, dass Verbesserungen
in Wohnung und Wohnhaus für
viele Bewohner:innen wesentlich
waren, jedoch auch Maßnahmen
im Wohnumfeld gewünscht wurden.
Dies führte zu Umgestaltungen
im öffentlichen Raum, die als
erste sichtbare Sofortmaßnahmen Bezug
zu den Bevölkerungswünschen herstellten
und in kürzester Zeit umgesetzt werden
konnten: die Reparatur eines Kanaldeckels
095
in der Wattgasse oder das Pflanzen eines Baums in der
Friedrich-Kaiser-Gasse im Rahmen einer Pressekonferenz,
„wo sogar der Bürgermeister gekommen ist. […] Sensationell.
Eine Platane!“ (ebd.). Inspiriert von internationalen Beispielen
aus Holland und der Schweiz, wurde die Wichtelgasse selbst
zur ersten Wohnstraße Österreichs. Die Idee war, durch eine
Verkehrsberuhigung und Geschwindigkeitsbeschränkung auf
Straßenzügen in Wohngebieten auch Räume zum Verweilen
und Spielen zu eröffnen. Die Straßenverkehrsordnung sah
damals allerdings Wohnstraßen oder Spielstraßen noch nicht
vor. So wurde in der Wichtelgasse „mit Hilfe von Juristen ein
Wald an Schildern aufgestellt, der die Nutzung definiert, die
dort möglich sein soll: mit Autos langsam fahren, reduzierte
Parkmöglichkeiten, Kinder spielen auf der Straße“ (ebd.).
EIN HÄUSERBLOCK ÖFFNET SICH ALS PARK FÜR
DIE NACHBARSCHAFT
Im dicht verbauten gründerzeitlichen Stadtgebiet gab es
zudem nur wenige Grün- und Erholungsflächen. So war es
eine weitere Strategie, für die Öffentlichkeit zugängliche Parks
zu schaffen. Um rasch auch für die Bewohner:innen Aktivitäten
und Ergebnisse im Gebiet sichtbar zu machen, realisierte
die Stadt zunächst einen kleinen Park in der Lambertgasse,
indem eine brachliegende Baulücke zu einer nutzbaren
Grünfläche umfunktioniert wurde. Ein größeres Parkprojekt
stellte der sogenannte Wichtelpark dar. Ausgangspunkt war
eine weitere Baulücke in der Wichtelgasse,
die für eine Wiederbebauung
zu klein erschien und Einblicke
in das Innere
des Gebäudeblocks bot. So entstand die Überlegung, diese
Flächen als Park für die Nachbarschaft zu öffnen und die
Baulücke als Eingang in diesen Park zu gestalten. In Zusammenarbeit
mit der Liegenschaftsverwaltung der Stadt
Wien wurden weitere Grundstücke erworben und der öffentliche
Park wurde in der Mitte des Baublocks umgesetzt. Die
ursprüngliche Idee, direkte Zugänge von diversen umliegenden
Straßenzügen zum Park zu schaffen, scheiterte allerdings
am Widerstand von Liegenschaftseigentümer:innen,
öffentliche Durchgänge durch ihre Wohnhäuser zu ermöglichen.
Damit wurde bereits zu Beginn auch das potenzielle
Konfliktfeld zwischen den verschiedenen Eigentümer:innen
und Bewohner:innen der umliegenden Wohnhäuser und den
vielfältigen Nutzungen und Nutzer:innen der öffentlichen
Freifläche sichtbar. Um insbesondere die jungen Nutzer:innen
aktiv zu involvieren, bemalte ein Künstler gemeinsam mit
interessierten Jugendlichen die Feuermauer im Eingangsbereich
des Parks. Die Bemalung zeigte Porträts der Jugendlichen
und förderte so deren Identifikation mit der öffentlichen
Parkanlage.
ERRICHTUNG EINES GEMEINDEBAUS UND
NUTZUNG VON ABWÄRME DER OTTAKRINGER
BRAUEREI
Die wohnungspolitische Ausrichtung der Stadt, zusätzlichen
Wohnraum – insbesondere in Form
von kommunalem Wohnbau – zu schaffen,
zeigte sich nicht nur durch
größere Wohnanlagen
im Rahmen
Abb. 57 Bildcollage Innenhöfe
der Wichtelgasse
096 ORTE DER SANFTEN STADTERNEUERUNG IN WIEN
TYPOLOGIE QUARTIER
der Stadterweiterung, sondern auch in Baulücken im Rahmen
der Stadterneuerung. So entstand in der Eisnergasse auf
einem Teil der ursprünglich für den Park angekauften Grundstücke
auch ein Gemeindebau. Dieser markierte die Rückkehr
des Gemeindebaus in die gründerzeitlichen Gebiete und war
das damals größte Wohnbauareal in der Bestandsstadt. Der
Verein Grüne Insel setzte sich zunächst gegen die Bebauung
ein – schlussendlich wurde der Wohnbau jedoch in die Planung
integriert und der Bebauungsplan mit Parkfläche und
Wohnbebauung am Blockrand beschlossen. In ökologischer
und technischer Hinsicht konnte beim Gemeindebau zudem
ein besonders innovatives Element integriert werden: In Zusammenarbeit
mit der Ottakringer Brauerei wurde die „erste
Kraftwärmekopplung Österreichs“ (ebd.) umgesetzt, um mit
Abwärme aus der Brauerei die Wohnanlage in der Eisnergasse
zu heizen.
VOM INFORMATIONSLOKAL IM HINTERZIMMER ZUR
GEBIETSBETREUUNG STADTERNEUERUNG
Das gesamte Gebiet wurde 1978 auf Basis der Voruntersuchungen
nach dem Stadterneuerungsgesetz als Assanierungsgebiet
ausgewiesen. In der Praxis waren es aber vor
allem Überarbeitungen von Flächenwidmungs- und Bebauungsplänen,
in die planerische Konzepte der Stadterneuerung
Eingang fanden. Wesentliche Charakteristiken der Herangehensweise
im Pilotgebiet in Ottakring war zudem die
persönliche Präsenz und die intensive Kommunikation mit
Bewohner:innen, Eigentümer:innen, Betriebsinhaber:innen
und weiteren lokalen Akteur:innen. Aufbauend auf den Erfahrungen
aus den Gesprächen mit dem Informationsbus
richtete die Stadtverwaltung in der Folge ein Informationslokal
für Stadterneuerung ein – im Hinterzimmer eines lokalen
Gasthauses. Dieses fungierte als Raum für Besprechungen,
Ausstellungen und Veranstaltungen. Es war Grundlage
für die Idee einer im Stadtteil verankerten Gebietsbetreuung.
Ab 1977 definierte Wien fünf weitere Stadtviertel für die Gebietserneuerung
– Gumpendorf, Ulrichsberg, Himmelpfortgrund,
Wilhelmsdorf und Storchengrund – und beauftragte
vorwiegend magistratsexterne Teams mit einer Gebietsbetreuungstätigkeit
vor Ort. Für eine weitere Gebietsbetreuung
im Karmeliterviertel war ein Team der Stadt Wien selbst
verantwortlich. Gerade in Hinblick auf die Involvierung der
lokalen Bevölkerung konnten aus dem Pilotgebiet Wichtelgasse
wertvolle Lernerfahrungen mitgenommen werden:
„Die bisher gemachten Erfahrungen zeigen, dass Vertrauen,
Wissensstand, Planungsverständnis und die Mitwirkungsbereitschaft
der Bevölkerung behutsam aufgebaut werden
müssen. […] Interessenskonflikte müssen in Ruhe ausgetragen
und Festlegungen bei der Planung erst dann getroffen
werden, wenn die in Gang befindliche Entwicklung ausgereift
ist. Diese behutsame, zeitaufwendige Vorgangsweise ist Voraussetzung
für eine von der ansässigen Bevölkerung mitgetragene
Erneuerung.“ (Berger 1984: 7) Ein gebietsbezogener
Handlungsansatz, eine Sensibilität für verschiedene lokale
Bedarfslagen sowie eine entsprechende Prozessgestaltung
wurden damit in den Fokus einer Sanften Stadterneuerung
gerückt.
Abb. 59 Park Wichtelgasse
Abb. 58 Erste Wohnstraße in der Wichtelgasse
mit neuem Verkehrsschild
Abb. 60 Informationsbus im Pilotgebiet Wichtelgasse
097
Wir leben in einer Großstadt,
wir müssen das Miteinander pflegen!
Zeitzeuginnenbericht von
Ernestine Graßberger
Langjährig im Bezirk Ottakring politisch aktiv,
seit 1976 Bezirksrätin, 1980–1994 Bezirksvorsteher-Stellvertreterin
und 1996–2004
Bezirksvorsteherin
DIE KLEINTEILIGE ARBEIT DER GEBIETSBETREUUNG –
DAS MITEINANDER STÄRKEN UND DIE MENSCHEN FRAGEN
Ich finde, das war ein großer Schritt, dass man damals begonnen hat, das
Miteinander zu stärken und auch die Menschen zu fragen, wie sie sich das vorstellen.
Das war kein leichter Weg. Die Wichtelgasse zum Beispiel, der Park und
die Menschen, die dort wohnten und einzogen – da gab es viel Egoismus: „Das
gehört mir, das bin ich, und so bleibt es, da will ich keine anderen dabeihaben.“
Die Gebietsbetreuung organisierte viele Ausstellungen, Besprechungen und Veranstaltungen
– aber es war ein sehr, sehr mühsamer Weg. Ich erinnere mich
noch an den Bus in Ottakring. Die Menschen standen neugierig davor – „Was ist
das?“ – und nahmen das persönliche Gespräch auf. Es wurde auf alle Rücksicht
genommen und möglichst verständnisvoll kommuniziert: „Sie haben auch recht,
aber Sie müssen bedenken, wir leben in einer Großstadt. Wir leben nicht auf einer
Insel und man muss das Miteinander pflegen.“ Ich habe verstanden, dass die neu eingezogenen Bewohner
des Gemeindebaus in der Eisnergasse sich dachten: „Da kommen die Kinder und machen Lärm.“ –
„Ja, Kinder machen Lärm, Ihre Kinder haben auch Lärm gemacht oder, wenn sie noch Kinder kriegen,
werden die Lärm machen.“ Es waren diese kleinteiligen Prozesse, welche die Gebietsbetreuung damals
ausmachten. Später hatte ich dann das Gefühl, das Quartiersmanagement ist zu großflächig geworden.
Das weiterhin kleinteilige Arbeiten wäre für die Kontakte mit den Menschen in den Gebieten besser gewesen.
AUCH IN DER BEZIRKSPOLITIK EIN MITEINANDER
Wir hatten als Bezirksvertretung regelmäßig Besprechungen mit der Gebietsbetreuung, tauschten
uns über Themen und Projekte im öffentlichen Raum sowie zu bestimmten Wohnhäusern aus. Das haben
oft auch Bezirksräte gemacht. Zu meiner Zeit als Bezirksvorsteherin habe ich nicht alles persönlich
verfolgt – die Bezirksräte haben sich verschiedener besonderer Themen angenommen. Zum Beispiel
gab es, als wir damals die U-Bahn nach Ottakring bekamen, einen Bezirksrat, der das begleitet hat. Die
Menschen haben als Bezirksvorsteherin von mir nie „ich“ gehört, sondern immer „wir“. Unsere Partei
hat sich im Laufe der Zeit im Bezirk aber auch sehr verändert. Ich bin im Jahr 1980 Bezirksvorsteher-
Stellvertreterin geworden, die erste Frau, und das in Ottakring. Damals hatten wir in Ottakring noch
31 Sektionen, heute sind es, glaube ich, noch fünf. Ich habe früher alle Sektionen besucht. Wenn ich in
die Sektion gekommen bin, meistens um acht Uhr abends, früher ist sich das nie ausgegangen, wussten
die anwesenden Sektionsmitglieder häufig schon mehr als ich. Für die politischen Nachrichten war
damals das Fernsehen maßgeblich – ich hatte untertags meist keine Zeit, im Fernsehen die Nachrichten
zu sehen; die meisten aus der Sektion hatten schon ferngeschaut und die aktuellen Neuigkeiten gehört.
Gemeinsam haben wir dann diskutiert – in die Sektionen zu kommen, war für einen Politiker interessant.
WIRTSHÄUSER, GESCHÄFTE UND PENSIONISTENCLUBS ALS ORTE
DES ZUSAMMENKOMMENS
Ottakring hatte früher an jeder Ecke ein Wirtshaus. Das war nicht nur, weil die Leute ins Wirtshaus
essen gegangen sind, das war auch Kommunikation. Man ist am Nachhauseweg noch zu Fuß ins Gasthaus,
hat mit seinen Freunden zwei Achterl Wein getrunken und ist heim. Früher waren die Leute auch
beim Greissler einkaufen und haben mit den anderen geplaudert, die dort gestanden sind. Es war eine
schöne und lustige Zeit. Man ist gerne zusammengesessen, hat gerne geredet. Man hat auch anders mit
den Menschen gesprochen – das ist nicht von oben herab gekommen, das war so im Fluss.
Das Problem von teuren Strom- und Gaspreisen, das wir heute wieder haben, gab es auch nach
dem Krieg. Viele Frauen, die allein zuhause waren, weil ihre Männer vom Krieg noch nicht zurück waren,
sind am Nachmittag in die Pensionistenclubs gegangen, um Heizkosten zu sparen. Dort war geheizt
und die Frauen mussten somit ihre Wohnungen erst um vier oder fünf Uhr heizen. In den damals sogenannten
Wawaclubs haben sich die Frauen auch zusammengetan, haben miteinander diskutiert, gestrickt
oder sich gegenseitig um Rat gefragt. Ich kann es bei meiner Tochter jetzt wieder ein bisschen
sehen – die geben sich untereinander die Kleider und Sportsachen für die Kinder weiter. Das ist so im
Lauf unter Freunden. Da funktioniert das Miteinander im Kleinen schon wieder, beginnt wieder.
GEBIETSBETREUUNG
098 ORTE DER SANFTEN STADTERNEUERUNG IN WIEN TYPOLOGIE QUARTIER
A PILOTGEBIET WICHTELGASSE
1160 WIEN
GRAFIK: Nina Bernard,
Sebastian Plachetzky,
Allen Buess
mit Bernadette Krejs
öffentlicher
Raum
PLÄNE ZUR ERSTEN
WOHNSTRASSE
Die Pläne zur ersten
Wohnstraße in der
Wichtelgasse waren
inspiriert von Beispielen
aus den Niederlanden.
Informationsblatt zur
neuen Verkehrslösung,
Juli 1980
1970 1975 1980
partizipativer
Raum
STADTERNEUERUNGS-
GEBIETE
Mit der Festlegung von Untersuchungsgebieten
nach dem
Stadterneuerungsgesetz durch
die Stadt Wien begannen
die ersten Maßnahmen zur
Sanften Stadterneuerung. Das
Grätzel rund um die Wichtelgasse
war das Pilotgebiet der
Stadterneuerung in Wien.
NEUE PARKS ENTSTEHEN
In einer kleinen Baulücke entstand in der
Lambertgasse ein öffentlicher Park. Später wurde
durch den Ankauf verschiedener Liegenschaften
der größere Wichtelpark geschaffen. Direkte Zugänge
von verschiedenen Seiten in diesen Park
wurden allerdings von den meisten Eigentümer:innen
der umliegenden Häuser nicht ermöglicht.
ERSTE PARTIZIPTIONS ANSÄTZE
Um vor Ort Befragungen durchführen
zu können, wurde in einem mobilen
Bus ein „Büro“ eingerichtet. Dort, im
Informationsbus, konnten Bewohner:innen
ihre Probleme und Wünsche erstmals
direkt gegenüber Mitarbeiter:innen der
Stadt äußern.
ERSTE GEBIETS BETREUUNG
Aus einem Informationslokal
in einem Gasthaus entstand die
erste Gebietsbetreuung in Wien.
PARTIZIPATIONS PROJEKTE
Durch verschiedene partizipative
Projekte wie die Bemalung einer
Feuermauer oder ein gemeinsames
Eröffnungsfest wurden interessierte
Bewohner:innen eingebunden.
INFORMATIONSLOKAL
GEBIETSBETREUUNG
099
Aufnahme der Wohnstraße
Wichtelgasse, 1984
23 km
IMMER MEHR
WOHNSTRASSEN
Die Kilometeranzahl der
Wohnstraßen in Österreich
hat sich seit der Eröffnung
der Wichtelgasse
verzehnfacht.
BEGEGNUNGSZONEN
Begegnungszonen sollen
zusätzlich zu Wohnstraßen
und Fußgänger:innenzonen
den Menschen mehr Platz
auf den Straßen bieten.
44 km
400 m
1985
1990 1995 2000 2005 2010 2015
2020
GEMEINDEBAU MIT INNOVATIVER
ENERGIE VERSORGUNG
Im Zuge der Bautätigkeiten des Wichtelparks
wurde auch ein neuer Gemeindebau
an der Ostseite des Parks errichtet.
Dessen Beheizung erfolgt durch die
Abwärme der Ottakringer Brauerei.
Das Modell zum Pilotgebiet
Wichtelgasse wurde im Bezirk
ausgestellt und gemeinsam mit
Interessierten diskutiert.
KONFLIKTE
Einige Bewohner:innen und
Architekturstudierende
gründeten den Verein „Grüne
Insel“, der sich gegen den
Gemeindebau und für einen
großflächigen Park einsetzte.
Der Verein übernahm auch
die Verwaltung eines
Gartenhäuschens, welches
als Teffpunkt für Eltern diente.
GEBIETSBETREUUNGEN AN
WEITEREN STANDORTEN
Nach Fertigstellung des Wichtelparks
schloss die Gebietsbetreuung Ottakring
ihren Standort in der Friedrich-Kaiser-
Gasse und zog in ein neues Infor ma -
tions lokal nach Neulerchenfeld. Von
Ende der 1970er bis in die 1980er Jahre
wurden auch in anderen Bezirken
weitere Gebietsbetreuungen eröffnet.
ÖFFENTLICHE
NUTZUNG
Seit Jahren wird der
Wichtelpark durch die
Wiener Kinderfreunde
betreut und ist für die
Öffentlichkeit zugänglich.
STEP
160 IMPRESSUM
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Umschlagmotiv: Planmappe Stadterneuerung
in Wien am Beispiel Ottakring
Lektorat und Korrektorat: Miriam Seifert-Waibel, Hamburg
Gestaltung und Satz: Maria Kanzler, Studio Sirene, Wien
Lithografie: Bild1Druck, Berlin
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