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SUMO #43

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Fachmagazin des Bachelor Studiengangs Medienmanagement der FH St. Pölten

Oktober 2024

Öffentlichkeit

Mensch - Macht - Medien


© Rauchecker Photography

Hier lernst

du, die

Zukunft der

Medien zu

gestalten.

Medienmanagement

• Bachelor, 6 Semester, Vollzeit

• Schwerpunkte

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Leadership Skills

• Kommunikation und

journalistische Grundlagen

• Medienproduktion und

Digitale Technologien

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INHALTSVERZEICHNIS

M

E

N

S

C

H

„Die Stimme hinter den Botschaften“: Pressesprecher*innen in Österreich und deren Bedeutung für die Öffentlichkeit

von Theresa Walzer mit Nicole Berkmann, Peter N. Thier und Stefan Zach

Klang der Gemeinschaft: Wie das Mitmachen im Radio international begann

von Benedikt Waser mit Christoph Classen und Hans-Ulrich Wagner

Social Media Fitness: Der Einfluss von Instagram, TikTok und Co. auf unseren Sportalltag

von Mirjam Schwarz mit Philipp Greimel und Ben Mareich

Auf den Spuren der Sterne: Selbstfindung im Zeitalter des Astrologie-Hypes

von Gill Sprangler mit Elisabeth Berauer, Franz Höllinger und Daniela Hruschka

European Capital of Democracy: Warum Wien?

von Florian Lackner mit Stefan Sindelar

07

10

13

16

19

Zwischen Hashtags und Handshakes: Die Balance zwischen dem Digitalen und dem Persönlichen

von Nicole Siebenhandl mit Magdalena Mangl und Hannah Maylou

22

M

A

C

H

T

Im Visier des Staates: Wie China die Öffentlichkeit überwacht

von Felix Ptacek mit Christoph Steinhardt

#we_do! - Do we?

von Bernd Benedikt Richter mit Daniel Sanin und Ulrike Weish

„Hitler war Deutscher, Beethoven war Österreicher“

von Theresa Schmidhuber mit Florian Kotanko, Franz Maislinger und Günter Schwaiger

„Ohne Frauen ist der Krampus fad“

von Elea Pilz mit Moritz Böhmer und Gertraud Seiser

Rebellische Wellen: Piratenradio und Radio Caroline im Kampf um mediale Freiheit

von Peter Zapfel mit Steve Conway und John Simons

26

29

32

35

38

Selbst ist der Autor: Eine neue Ära des Schreibens und Veröffentlichens

von Sophie Mantler mit Emily Bold, Nicole Richter und Hannes Steiner

41

M

E

D

I

E

N

Community Medien: Die Stimme des Volkes

von Melanie Nebenführ mit Christian Jungwirth und Helmut Peissl

Graffiti als Form der Kommunikation

von Max Peternell mit Donat Klingesberger und Tommy

Vom Ton zum Trend: Warum Musiker*innen heute auch Influencer*innen sein müssen

von Carla Medlitsch mit Luke Andrews, Niklas Gusenbauer und KØLEEN

AAAlbtraum: große Videospiele, fehlende Qualität

von Nicolas Wald mit Martin Filipp und Thomas Kunze

Die Schattenseiten der Klicks: Wie TikTok das Selbstwertgefühl der Jugendlichen prägt

von Linda Schrittwieser mit Linda Baier und Lisa-Marie Schiffner

44

47

49

52

54

Inhaltsverzeichnis

3


EDITORIAL

Sie ist umkämpft, umstritten, umworben, wird in nicht

demokratischen Systemen unterbunden. Für ihre Existenz

benötigt sie zumindest einen kleinen, im besten

Fall aber große Räume. Sie strebt nach Resonanz und

Akzeptanz, sieht ein Teilziel aber schon mit Wahrnehmung

erreicht. Sie versteht sich als Teil des demokratischen

Systems. Nichtsdestotrotz stellt sie bisweilen

dessen Prinzipien in Frage und lotet vereinzelt dessen

Ränder aus. Im Kern besteht sie aus Kommunikation,

Medien sind deshalb ihr Werkzeug. Des Rätsels Lösung?

Die Antwort lautet Öffentlichkeit.

Dieser schwer zu fassende Begriff war Ausgangspunkt

für die vorliegende SUMO-Ausgabe. Innerhalb eines

Superwahljahres schien es uns wichtig, die gesellschaftlichen

Diskurse in den Blick zu nehmen. Denn

Öffentlichkeit kann man auch als Debatte, insbesondere

in Fragen der Deutung von Welt und Gesellschaft,

begreifen. Bisweilen geraten diese Aushandlungsprozesse

zum Kampf, sind laut, wütend und werden über

Medienkanäle vermittelt. Es werden aber auch ruhige,

verständigungsorientierte Botschaften ausgesendet.

Auch dazu braucht es Medien. Für ein Medienfachmagazin

ein lohnendes Reservoir an Themen. So gingen

die Studierenden des Bachelorstudiengangs Medienmanagement

und Medientechnik an der Fachhochschule

St. Pölten daran die Erscheinungen von Öffentlichkeit zu

beschreiben, zu verstehen und zu ordnen.

Ihre Essenz lautete: Öffentlichkeit = MENSCH MACHT

MEDIEN.

Dieser Befund spiegelt sich in der Gliederung dieser

SUMO-Ausgabe wider. Eröffnet wird die Erkundung

von Öffentlichkeit mit dem Blick auf die Rolle der

Menschen darin. So sprach Theresa Walzer mit den

Pressesprecher*innen von ÖBB, Spar und EVN über

ihren Beruf und ihre Strategien zur Bewältigung der

enormen täglichen Herausforderungen. Weg von der

Gegenwart hin zur Vergangenheit ging der Blick von

Benedikt Waser. Sein Fokus war die Geschichte des

Mitmachradios und damit die Konzepte, um auch das

Publikum im Radio hörbar zu machen. Keineswegs

unter der Wahrnehmungsschwelle bewegen sich

Influencer*innen, die ihr Leben dem Thema Fitness

verschrieben haben. Inwieweit sie mit ihren Appellen

Gutes oder auch Schlechtes erreichen, hat Mirjam

Schwarz recherchiert. Die brennende Frage nach der

richtigen, wegweisenden Entscheidung in ihrem Leben

führt immer mehr Menschen zur Astrologie. Den in

den Sozialen Medien zu konstatierenden Hype hat Gill

Spangler ausgelotet. Wien ist in diesem Jahr European

Capital of Democracy. Warum Demokratiebildung Bottom

Up erfolgen sollte, erklärt Florian Lackner. Wieviele

Freunde haben Sie? Ist die Zahl in Sozialen Medien und

im wirklichen Leben ident? Nicole Siebenhandl ging

der Frage nach wie Jugendliche zwischen Online- und

Offline Beziehungswelten switchen.

Dass es in Öffentlichkeiten um die Frage der Macht

um die Deutungshoheit geht, wird in Abschnitt zwei

illustriert. Felix Ptacek hat sich mit dem Thema Machtmissbrauch

beschäftigt. Er schaut nach China und

relativiert unsere Einschätzung der dortigen Unterdrückung

der Bevölkerung ein wenig. Bernd Benedikt

Richter lenkt unseren Blick weg von der fernen wie

glamourösen Filmbranche in den USA auf Übergriffe in

der österreichischen Medienwelt. Dass es mit #we do!

mittlerweile eine Anlauf- und Beratungsstelle gibt, wie

man dort hilft, aber welches Handeln grundsätzlich im

Falle von Machtmissbrauch angeraten ist, stellt er im

Gespräch mit Expert:innen dar. Theresa Schmidhuber

hat sich Braunau und damit eine in Österreich mit keineswegs

positiven Zuschreibungen versehene Stadt

zum Anlass genommen, um über das Bemühen des

richtigen Erinnerns zu berichten. Als Geburtsstadt Adolf

Hitlers trägt die oberösterreichische Gemeinde ein

schweres Erbe und versucht medial unterstützt damit

4

Editorial


umzugehen bzw. dagegen anzugehen. Geschichte und

Tradition liegen nah beieinander. Letztere hinterfragt

Elea Pilz in ihrem Beitrag zum Thema Krampusumzüge,

die alljährlich ein kurzes Zeitfenster für eine unzeitgemäße

Form von Öffentlichkeit eröffnen. Macht, gleichbedeutend

mit der Möglichkeit seinen Willen gegen

jenen von andern durchzusetzen, erzeugt bisweilen

Rebellion. Großbritannien, das besonders hinsichtlich

seines Rundfunks und der Leistungen der BBC hierzulande

als großes Vorbild gilt, war auch in Hinblick des

Piratenradios beispielgebend. Peter Zapfel sprach mit

zwei Pionieren des widerständischen Radiosenders

Radio Caroline und informiert darüber, dass der Name

Piratenradio nicht von ungefähr kommt.

Abschnitt drei dieser SUMO Ausgabe zeigt welche

Medien rund um Öffentlichkeiten entstehen. Das geschriebene

Wort in gedruckter Buchform oder E-Book

ist für Manche Magie und Fluchtort für Andere Erinnerung

an qua Schule verordneter Langeweile. Alle

die sich die Welt auch lesend erschließen, werden mit

Sophie Mantlers Beitrag über Self Publishing, Freude

haben. Dass es auch erfolgreiche Autor*innen abseits

der tradierten Verlagswelt gibt und dass diese aus ihrer

Leidenschaft einen Brotberuf werden ließen, kann

man dabei erfahren. Melanie Nebenführ sprach mit den

Protagonist*innen von Community Medien. Ohne diese

wären die Gruppen, die sich dort treffen und Content

kreieren vielfach außerhalb der öffentlichen Wahrnehmung.

Der Beitrag gibt Einblicke, in die Chancen,

die das Internet diesen Medien bietet und welche Kompetenzen

Medienmachen sonst noch eröffnet. Weg

vom Digitalen, hin zum sehr, sehr Analogen führt uns

die Reportage von Max Peternell. Wir begleiten ihn auf

seinen Streifzügen durch die Wiener Street Art Szene

und erfahren welche Regelwerke die Community pflegt

und auch wie man die Botschaften richtig entschlüsselt.

Kreativität benötigen die Protagonist*innen im

Beitrag von Carla Medlitsch: Sie fand heraus, dass es

mit der Musikproduktion alleine heute nicht getan ist,

sondern es auch gilt Öffentlichkeiten zu bedienen. Aber

wie geht sich das Dasein als Influencer*in mit jenem

als Musiker*in vereinen? Lesen Sie nach. Nicolas Wald

eröffnet uns einen durchaus kritischen Blick auf die

Gamingbranche. Wenngleich die finanziellen, wie auch

Zeit-Ressourcen, die in die Entwicklung von Spielen

mittlerweile fließen können, nur staunen lassen, sind

die Ergebnisse dieses Investments oft blass. Und sie

ärgern das Publikum. Im Gespräch mit Brancheninsidern

wurden mögliche Gründe dafür ersichtlich. Den

Abschluss macht Linda Schrittwieser, die gleichermaßen

skeptisch auf den digitalen Spielplatz TikTok schaut

und dabei auslotet, inwiefern die vielen Stunden in den

gar nicht so Sozialen Medien negative Auswirkungen

auf die Psyche von jungen Menschen haben kann.

Die 43. SUMO-Ausgabe hofft mit diesem Erklärversuch

für das Konzept der Öffentlichkeit Ihr Wissen und Ihr

Sensorium für die Macht von Diskursen geweckt zu haben.

Wir wünschen viel Freude bei der Lektüre!

Johanna Grüblbauer, Gabriele Falböck und Roland Steiner

© Fabian Lahninger

© Privat

IMPRESSUM

© 2024 SUMO Medienfachmagazin

Alle Rechte vorbehalten.

www.sumomag.at

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Medieninhaberin Fachhochschule St. Pölten GmbH

c/o SUMO

Campus-Platz 1

A-3100 St. Pölten

Telefon: +43(2742) 313 228 - 200

www.fhstp.ac.at

Fachliche Leitung:

FH-Prof. Mag. (FH) Dr. Johanna Grüblbauer,

Mag. Dr. Gabriele Falböck und

FH-Prof. Mag. Roland Steiner, Bakk.

Druck in Auftrag gewgeben bei gugler*

Leitstern für Kommunikation und Wandel

Auf der Schön 2

A-3390 Melk/Donau

www.gugler.at

© Titelbild: Max Peternell

Editorial

5


© Max Peternell


„Die Stimme hinter den Botschaften“

Pressesprecher*innen in Österreich und

deren Bedeutung für die Öffentlichkeit

Pressesprecher*innen besitzen eine wichtige Position für das öffentliche Leben Österreichs. Sie spielen eine

zentrale Schlüsselrolle in der Informationsvermittlung und versuchen eine positive Beziehung zur Öffentlichkeit

und den Medien aufzubauen. Gefordert sind Transparenz und eine authentische Kommunikation.

SUMO sprach mit drei langjährigen Pressesprecher*innen, blickt hinter die Kulissen ihrer Arbeit und beleuchtet

die Leidenschaft sowie die Herausforderungen, denen sie sich tagtäglich stellen.

„Und wer sind Sie noch gleich?“ Mit dieser Frage eröffnet

eine der interviewten Personen das Gespräch.

Wie sich im Laufe der Konversation herausstellt, ist

die Frage durchaus berechtigt. Denn in Höchstzeiten

können es bei Pressesprecher*innen täglich bis zu 60

Pressetermine sein, die sich auf einem prall gefüllten

Terminkalender drängen. In Zeiten der Informationsflut

und einem maßgeblichen Einfluss der Medien auf die

öffentliche Meinung, gewinnen Pressesprecher*innen

immer mehr an Bedeutung. In Österreich ist für dieses

Berufsbild der PRVA (Public Relations Verband Austria)

besonders relevant. Es handelt sich hierbei um einen

Verband für Kommunikationsexpert*innen in Österreich,

welche für professionelle und strategische Kommunikation

stehen. Der PRVA hat das Ziel, die Professionalisierung

und Weiterentwicklung der Branche wesentlich

zu fördern. Derzeit gehören dem Verband rund

700 Mitglieder an.

Die permanenten Entwicklungen in der Kommunikation,

der Wandel der Kommunikationskanäle und die

erhöhte Themenvielfalt sind auch Grund dafür, warum

Nicole Berkmann, Unternehmenssprecherin und

Leitung der Abteilung Konzern PR und Information bei

SPAR Österreich, diesen selbsternannten Lieblingsjob

bereits seit über 20 Jahren ausübt. Sie spricht darüber,

dass sie viele ihrer Pressetermine aufgrund der langjährigen

Expertise bereits ohne jegliche Vorbereitung

durchführen kann. „Im Radio fühle ich mich am wohlsten,

wenn ich Interviews führe. Dort kann ich die Augen

schließen und mich ganz darauf konzentrieren, was ich mit

meinen Aussagen vermitteln möchte“, erklärt Berkmann.

Zudem betont sie, dass ständig Neues und Aufregendes

passiert und es jeden Tag etwas zu berichten gibt.

Selbiger Meinung ist auch Stefan Zach, Pressesprecher

und Leiter des Bereichs Information und Kommunikation

des EVN Konzerns. Ihm war seit über 30 Jahren in

seiner Position noch keinen einzigen Tag langweilig.

Vielmehr zeichnet sich der Reiz seines Berufs besonders

durch die Vielfalt der Tätigkeiten aus.

Der Umgang mit sensiblen und negativen

Themen

Als Pressesprecher*in befindet man sich in der Rolle

eines*r Informationsvermittler*in für die Öffentlichkeit.

Nicht immer sind es angenehme Fragen, die man

in Interviews gestellt bekommt oder positive Nachrichten,

mit denen man sich an das Publikum richtet.

Bei sensiblen oder negativen Themen ist es für Stefan

Zach besonders wichtig, nie etwas zu sagen, das sich

zu einem späteren Zeitpunkt als falsch herausstellen

kann, sowie mit maximaler Transparenz zu arbeiten.

Denn: „Wenn man einmal die Unwahrheit sagt, kann man

das nicht wieder gut machen“, so Zach. Nicole Berkmann

lässt sich sogar gerne kritische Fragen stellen und genießt

diese, denn sie liebt es, zu erklären und genau das

macht für sie ihre Rolle der Vermittlerin aus. In Zeiten

der Corona-Pandemie war ihr besonders wichtig, viel

positive Kommunikation und beruhigende Worte an

die Öffentlichkeit zu transportieren. Besonders in einer

Krise wird bestmöglich versucht, das Image des eigenen

Unternehmens zu schützen oder zu verbessern.

Für Stefan Zach sind es weniger Wohlfühlgeschichten,

sondern Erzählungen mit Substanz, die er verkaufen

möchte. Rückblickend auf die vergangenen Jahre in dieser

Tätigkeit würde er alles genau wieder so machen,

auch die Fehler, denn aus diesen hat er am meisten

gelernt. Sie sind schmerzvoll, aber sie bleiben in Erinnerung,

meint er.

Glaubwürdigkeit und Vertrauen im Beruf

Information, Verständnis und Vertrauen – dieser Dreiklang

macht für Peter N. Thier, Pressesprecher und

Leiter des Bereichs Konzernkommunikation & Marke

bei den ÖBB, seinen Job aus. Ihm hat es schon immer

Freude bereitet, über ein Gespräch sein Gegenüber von

etwas zu überzeugen. „Es geht darum, Dinge inhaltlich

zu erklären und aufzubereiten, um Verständnis zu erzeugen,

welches anschließend wiederum Vertrauen erweckt.

Die Stimme hinter den Botschaften

7


© Max Peternell

Nicole Berkmann / © 31plus

Stefan Zach / © Raimo Rudi Rumpler

Peter N. Thier / © Marek Knopp

Ich sehe die größte Motivation in meiner Arbeit

darin, wenn es mir gelingt, einen anderen Menschen

über den Weg der Öffentlichkeitsarbeit

von etwas zu überzeugen, ohne an der Realität

vorbeizuzaubern.“ Solche Erfolgsmomente

spornen ihn enorm an, erzählt er. Mit seiner

Aussage wird nochmals klar, dass bei Auftritten

in der Öffentlichkeit Themen so ehrlich

und offen wie möglich kommuniziert werden

sollen, um eine Verbindung zum Publikum

aufzubauen. Nur so können Glaubwürdigkeit

und Vertrauen seitens der Zuhörerschaft gewonnen

werden.

Herausforderungen im Berufsalltag

Eine der größten Herausforderungen, der

sich Pressesprecher*innen gegenwärtig

stellen müssen, ist die knappe Aufmerksamkeitsspanne

des Publikums, egal in welchem

Medium. Inhalte müssen deshalb kurz,

kompakt, einfach sowie ohne Fremdwörter

ausgespielt werden. Um den heißen Brei

herumzureden, bringt dem Publikum nämlich

keinen Mehrwert. Einen typischen Arbeitsalltag

gibt es in diesem Beruf nicht, da

man ständig auf Abruf sein und sehr schnell

reagieren muss. Der Berufsalltag ist hierbei

sehr fremdgesteuert, da er durch die Anfrageanlässe

und die Anzahl der Interviews

bestimmt wird. Dieser Beruf erfordert somit

auch eine hohe Kunst der Spontaneität

und Anpassungsfähigkeit. Stefan Zach findet

auf die Frage, welche Schwierigkeiten

er denn sonst noch zu bewältigen hat, klare

Worte: „Grundsätzlich ist die größte Herausforderung,

das Vertrauen seines Vorgesetzten

zu gewinnen und herauszufinden, wie man ein

Unternehmen am besten nach außen verkaufen

kann.“ Wenn das Vertrauen nicht vorhanden

ist, dann bleibt man in der Arbeit als

Pressesprecher*in sehr beschränkt in seiner

Wirkungsmöglichkeit. Sobald eine Vertrauensbasis

gegeben ist, hat man eine Freiheit

in diesem Beruf. Dieses freie Arbeiten ist

auch ein Grund dafür, warum Stefan Zach so

viel Freude an seinem Job hat. Zudem ist das

Geheimnis seines relativen Erfolgs die ständige

Erreichbarkeit, seit 30 Jahren für alle

rund um die Uhr. Das praktizieren nicht alle

Pressesprecher*innen so.

Für Peter N. Thier hingegen ist es die größte

Herausforderung in seiner Tätigkeit als

Pressesprecher, eine Realität zu schaffen,

die dem Unternehmen erträglich ist und ihm

etwas bringt. Hierbei denkt er vor allem an

weniger erfreuliche Themen wie zum Beispiel

Zugverspätungen, die er dem Publikum

erklären muss. Zudem erzählt er, dass die

Schwierigkeit auch darin liegt, sich jeden Tag

neue kreative Ansätze zu überlegen, sowie

Lösungen und Wege zu finden, um die Aufmerksamkeit

des Publikums für sich zu gewinnen.

In einer Informationsflut, in der wir

uns befinden, bezeichnet er das Gewinnen

von Schlagzeilen, Bildern und Likes als großen

massenmedialen Kampf.

8

Die Stimme hinter den Botschaften


Im Lichte der Öffentlichkeit

Für die Öffentlichkeit und deren Meinungsbildung besitzen

Pressesprecher*innen eine hohe Verantwortung.

Mit ihren Aussagen können sie Einfluss auf die persönliche

Meinung haben, wenn diese glaubwürdig und

nachvollziehbar argumentiert werden. Dadurch besitzt

man eine große Verantwortung, da man das Gesicht

nach außen hin ist. Nicole Berkmann sieht sich selbst

als Vermittlerin zwischen Öffentlichkeit und Unternehmen.

Für sie ist es wichtig, dass sie mit ihren Botschaften

vom Publikum gehört wird und dieses erreichen

kann. Grundsätzlich ist es relevant, eine Beziehung zu

den Vertreter*innen der Öffentlichkeit aufzubauen und

bei diesen einen guten Eindruck zu hinterlassen. Die Art

und Weise, wie man im öffentlichen Rahmen auftritt

und spricht, spielt dabei eine wesentliche Rolle. Auch

wenn es nicht immer angenehm ist, der Öffentlichkeit

ausgesetzt zu sein. Als Pressesprecher*in ist es wichtig

viel auszuhalten. Persönliche Eitelkeit ist in diesem Job

fehl am Platz, berichtet sie.

Das Berufsbild in der Zukunft

Bei der Frage an die Interviewpartner*innen, wie sie

ihren Job in drei Worten beschreiben würden, werden

Eigenschaften wie „vielfältig“, „spannend“, „lustig“

und „anstrengend“ genannt. Ebenso sind sich alle drei

einig, dass ihr Beruf auch noch in der Zukunft bestehen

bleibt. Solange es Medien gibt, wird er existieren,

meinen sie. Zudem werden Kommunikationsberufe im

Allgemeinen massiv an Bedeutung gewinnen, denn es

braucht Menschen, die Komplexität in etwas Einfaches

auflösen und erklären können.

Theresa WALZER

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Die Stimme hinter den Botschaften

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Klang der Gemeinschaft:

Wie das Mitmachen im Radio

international begann

Die Entstehung der Interaktion im Radio spielt eine wesentliche Rolle für die Geschichte

der Rundfunkunterhaltung. SUMO hat mit Hans-Ulrich Wagner, Senior

Researcher am Leibniz-Institut für Medienforschung in Hamburg und Christoph Classen,

wissenschaftlicher Mitarbeiter am Zentrum für Zeithistorische Forschung in

Potsdam, gesprochen, um den Ursprung zu rekonstruieren.

Christoph Classen / © privat

Hans-Ulrich Wagner / © Hans-Bredow-Institut

„Man kann es den Hörerbriefen entnehmen: Es

gibt von Anfang an stark dieses Interesse, Einfluss

auf die Inhalte zu nehmen“, so Christoph

Classen. Generell: Radio senden bedeutet im

Englischen Broadcasting und kann auch mit

dem Streuen von Samen übersetzt werden.

Diese Idee des Broadcasting wohnt dem

Rundfunk seit seinem Beginn inne. Wenn jede*r

senden kann, kann auch jede*r zurücksenden

und mitmachen. Damit stellt sich

die Frage: Wann startete das Radio in dieser

Form?

Von den Anfängen bis zu modernen

Formaten

Hans-Ulrich Wagner beschreibt die

Geschichte des Mitmachens im Radio als eine

fortlaufende Entwicklung, die von den ersten

zaghaften Versuchen in den 1920er Jahren

bis hin zu den heutigen interaktiven Formaten

reicht. „Der Versuch, Mitmachen im Radio zu

erforschen, scheitert oft am Quellenproblem.

Unterlagen sind oft nicht erhalten“ , so Hans-

Ulrich Wagner. Historiker*innen stünden

vor der Herausforderung, historische

Mitmachaktionen im Radio mit Hilfe von

wenigen Dokumenten zu rekonstruieren.

Glücksfälle wie gelegentlich erhaltene Hörer*

innenbriefe bieten dann wertvolle Einblicke in

die Vergangenheit und spiegeln bestimmte

Formen der Reaktionen der Hörer*innen

auf Sendungen wider. Wagner betont, dass

das Radio ursprünglich als Bildungsmedium

konzipiert war, mit dem Ziel, die Menschen

zu erziehen und zu informieren. Die Trennung

zwischen Produzent*innen und Publikum

sei so deutlich spürbar gewesen. Eine

bemerkenswerte Ausnahme stellt die sowohl

von Wagner als auch Classen aufgegriffene

Sendung Hallo Ü-Wagen dar, die in den

70er und 80er Jahren beim Westdeutschen

Rundfunk in Köln ausgestrahlt wurde. Durch

den Einsatz mobiler Übertragungswagen

konnten Produzent*innen direkt vor Ort mit

den Menschen sprechen und ihre Anliegen in

die Sendung integrieren. Bei dieser Sendung

sollte eine offene Diskussion geführt und

unkonventionelle Themen aufgegriffen werden.

Pionierrolle und internationale

Entwicklungen

In Bezug auf die Pionierrolle beim Mitmachen

im Radio sieht Wagner Deutschland

als einen wichtigen Akteur. Obwohl die BBC

oft als Vorreiter betrachtet werde, habe

Deutschland eine bedeutende Rolle bei der

Weiterentwicklung der Interaktivität im Radio

gespielt. Europa stand dem privatwirtschaftlichen

amerikanischen Rundfunk ablehnend

gegenüber. Die technische Organisation

der USA prägte allerdings das Mitmachen.

Außerdem veranstalteten Private

schon früh Call-In-Sendungen.

Christoph Classen ergänzt diese Sichtweise

mit seinen Erkenntnissen zum Amateurfunk,

der Reichs-Rundfunk-Gesellschaft und den

politischen sowie wirtschaftlichen Zwecken

des Mitmachens. Classen hebt hervor, dass

der Amateurfunk in Nordamerika schon vor

dem Radio existiert und gewissermaßen

eine Vorläuferrolle in der interaktiven

Kommunikation gespielt habe. Er ist im

Sinne der Internationalen Fernmeldeunion ein

Funkdienst, der von Laien ohne finanzielle

Interessen zur Selbstausbildung, zur gegenseitigen

Verständigung und für technische

10

Klang der Gemeinschaft


Untersuchungen betrieben wird. Classen beschreibt,

wie der Amateurfunk in den Vereinigten Staaten

zunächst unreguliert war und erst im Laufe der Zeit

Einschränkungen eingeführt wurden, um Interferenzen

– sprich Überlagerungen von Senderwellen – zu

vermeiden. Auch für Österreich gibt es mit Radio

Hekaphon ein Beispiel. Es war der erste Hörfunksender

des Landes und nur für zwei Jahre in Betrieb, nämlich

1923 und 1924. Radio Hekaphon entstand auf private

Initiative und war ein Versuchssender zur Ausstrahlung

eines gestalteten Sprach- und Musikprogramms.

Betreiber waren die Vereinigten Telephonfabriken

AG Czeija, Nissl & Co. Oskar Koton war leitender

Ingenieur, Cheftechniker und Sprecher. Bert Silving

war Musikdirektor. Auch die Propagandist*innen im

nationalsozialistischen Deutschland wussten das

Radio geschickt einzusetzen. Abseits der breitflächigen

Versorgung mit Radiogeräten setzte man auch auf

die Aktivierung des Publikums. Ein weiterer wichtiger

Aspekt, den Classen anspricht, ist das Wunschkonzert

der Reichs-Rundfunk-Gesellschaft. „Das Wunschformat

gab es schon in den 20er Jahren“. In der NS-Zeit sei das

Wunschkonzert des Winterhilfswerks erfunden worden,

bei dem Liederwünsche an eine Spende gebunden

waren. Im 2. Weltkrieg sollte diese Möglichkeit der

Musikwahl die Verbindung zwischen den Soldaten

an der Front und ihren Freunden und Angehörigen

zu Hause stärken. Das Wunschkonzert der Wehrmacht

gehörte inw Deutschland in dieser Zeit zu den

populärsten Radiosendungen.

Propaganda und kommerzielle Interessen

Auch nach der NS-Ära hatte das Radio eine politische

Dimension: Im Kalten Krieg, in der Zeit zwischen 1947 und

1989, wurde der Konflikt zwischen den Westmächten

und dem sogenannten Ostblock unter Androhung des

Einsatzes von Atomwaffen ausgetragen. Laut Classen

wurden in dieser Zeit politisch motivierte Sendungen

als Mittel der Propaganda eingesetzt. Kommunistische

und liberale Denkweisen konkurrierten um die

Deutungshoheit. Bekanntlich machen Radiowellen

nicht an Grenzen halt. Kommerzielle Sender wie

Radio Luxemburg sendeten grenzüberschreitend, um

Werbeeinnahmen zu generieren. Von Luxemburg aus

wurden Programme in die europäischen Nachbarländer

gesendet, die in der jeweiligen Landessprache speziell

für die Zuhörer*innen in Frankreich, England, der

Bundesrepublik und den Beneluxstaaten konzipiert

waren. In der Bundesrepublik erfreute sich der Sender

vor allem in den 70er und 80er Jahren großer Beliebtheit.

In sozialistischen Staaten konnten solche Sender zwar

empfangen werden, doch seien die dortigen Publika für

die Werbeindustrie nicht relevant gewesen. Aber hier

gab es eine politische Dimension: Die Bürger*innen

der DDR konnten Rundfunkprogramme der BRD empfangen

und freilich gab es auch Publikum. Von den

Radioproduzent*innen wurde das dortige Publikum

kaum beachtet, ergänzt Classen. In den 1980er

Jahren etablierte sich in Europa in unterschiedlichen

Geschwindigkeiten das duale Rundfunkmodell, das

sowohl öffentlich-rechtliche als auch private Sender

umfasste. In Deutschland wurde es 1984 eingeführt,

in Österreich bekanntlich spät: Im Jahre 1998. Radio

Steiermark und Radio Melody wurden jedoch schon ab

1995 gesendet. Das duale Rundfunkmodell führte

dazu, dass Sender wie Radio Luxemburg ihre Strategien

anpassten, um mit der vergrößerten Konkurrenz

mithalten zu können. Sie verloren ihr Geschäftsmodell

des grenzüberschreitenden Rundfunks und mussten

sich um Lizenzen in den jeweiligen Ländern bewerben.

Identität, Internationalität und Interaktivität

Die Ätherwellen überwinden also nationale Grenzen.

Damit stellt sich die Frage, ob die Idee eines

internationalen Radios noch nie da war. Ganz im

Gegenteil: Laut Classen gab es schon immer die

Vision eines internationalen Radios. Sie beinhaltete

die Vorstellung, dass dieses Medium die Länder

miteinander verbindet und zu einer friedlicheren Welt

führt. Andererseits wollten Nationalstaaten jedoch die

Kontrolle über dieses einflussreiche Medium behalten.

Große Sender wie RTL seien zwar in so gut wie ganz

Europa präsent, doch die Programme werden oft

national produziert und ausgestrahlt. „Das ist auch

wichtig, um überhaupt dieses kulturelle Feeling zu haben,

wie man dort Radio machen muss“, so Classen. Er

betont, dass Musik als universelle Sprache Grenzen

© Sophie Mantler

Klang der Gemeinschaft

11


überwindet, während Wortprogramme

aufgrund von Sprachbarrieren international

weniger anerkannt seien. Mitmachen ja, die

Idee der Interaktivität im Radio bleibt bisher

aber eine Vision. Es ist ein Medium, das

nicht direkt interaktiv ist. „Radio ist Point to

Many“, behauptet Classen. Es sei schwierig,

einen unmittelbaren Draht zwischen Sender

und Hörer*innen herzustellen. Die Vision

eines Radios, bei dem jeder zum Absender

werden kann, sei im Internet realisiert

worden. „Jeder kann selbst auch zum Sender

werden. Man ist nicht nur Konsument von dem,

was einem gesellschaftliche Eliten vorsetzen“ ,

erklärt Christoph Classen.

„In Social Media ist es ja realisiert. Aber ich

glaube, das Ergebnis würde Bertolt Brecht jetzt

nicht glücklich machen“ erklärt Classen mit

Anspielung auf dortige liberale und kapitalistische

Strukturen. Er zieht einen Vergleich

zur Amateurfunkbewegung, die bereits in

den 1970er Jahren das Potential einer freien

Kommunikation für jedermann erkannte.

1978 formulierte der deutsche Amateurfunk

das sogenannte CB-Manifest, das eine

herrschaftsfreie Kommunikation propagierte.

Es brachte auch Wünsche einer mobilen

Kommunikation zum Ausdruck, die sich erst

später mit Handy, WLAN und Sozialen Medien

als alltägliche Kommunikationskultur

verwirklichen sollte.

Die Idee des Radios als Kanal für

Interaktivität wird mit der Digitalisierung

also technisch ermöglicht. Dies bedeutet,

dass digitale Plattformen eine noch

interaktivere Radiolandschaft schaffen und

die Hörer*innenschaft aktiv ins Programm

einbeziehen. Eine entsprechende Vermarktung,

um ein interessiertes Publikum

zu erreichen, ist anzuraten. Damit lässt sich

die ursprüngliche Vision des Mediums doch

noch realisieren.

Benedikt WASER

Ihr Nahversorger fürs Gehirn.

Thalia St. Pölten

Kremser Gasse 12

3100 St. Pölten

12

Klang der Gemeinschaft

Mo–Fr: 9–18 Uhr

Sa: 9–17 Uhr

KI im Newsroom – Ja, aber wie?


Social Media Fitness:

Der Einfluss von Instagram, TikTok

und Co. auf unseren Sportalltag

Immer mehr Influencer*innen sind in den Sozialen Medien präsent, insbesondere

auf Plattformen wie Instagram und TikTok. Unter ihnen sind nicht nur Fashion- und

Reise-Influencer*innen, sondern auch zunehmend Fitness-Influencer*innen vertreten.

Doch wie beeinflussen sie ihre Rezipient*innen? Welche Vor- und Nachteile

bringt diese Entwicklung für die Zuseher*innen mit sich? Die Antworten

auf diese Fragen geben im SUMO einerseits Philipp Greimel, Sportphysiotherapeut

und Dozent an der Fachhochschule St. Pölten und andererseits Ben Mareich,

Fitnesscoach und Influencer.

„Der Einfluss von Fitness-Influencer*innen in

den Sozialen Medien hat sicherlich positive und

negative Auswirkungen auf die Rezipient*innen“,

sagt Philipp Greimel. Er betont, dass

dieser Einfluss motivierend sein kann und

den Zugang zu neuen Sportarten und Trainingsmethoden

ermöglicht. Zudem werden

durch Fitness-Influencer*innen oft Trainingsmythen

entlarvt. Auf der anderen Seite

warnt Greimel vor dem Verkauf unrealistischer

Sportideale, die für die Einzelperson

schwer zu erreichen sind und demotivierend

wirken können. Er hebt hervor, dass die

Wahrnehmung dieser Inhalte stark von der

individuellen Person abhängt. Einige fühlen

sich motiviert und inspiriert, die gezeigten

Übungen nachzuahmen, während andere

sich durch die vermeintlich unerreichbaren

Standards eher eingeschüchtert und verunsichert

fühlen.

Positive Aspekte des Influencings

„Über Social Media wird eine breitere Personengruppe

mit dem Thema Krafttraining konfrontiert“,

erklärt Greimel. Früher wurde Krafttraining

von vielen, insbesondere Frauen,

als abschreckend angesehen und es bestand

eine große Hemmschwelle. Durch Social

Media wurde das definitiv reduziert und

somit ist durchaus ein positiver Aspekt des

Influencings feststellbar. Krafttraining ermöglicht

es, das gewünschte Körperbild und

Schönheits- oder Fitnessideale zu erreichen.

Es ist sowohl gesund für den menschlichen

Körper als auch gut für das allgemeine Wohlbefinden.

Fitness-Influencer*innen animieren

und motivieren Menschen dazu, Sport

zu treiben und einen gesünderen Lebensstil

zu führen, wie Greimel ebenfalls positiv am

Influencing feststellt. Das kann einerseits

durch Krafttraining oder allgemeine sportliche

Betätigung geschehen, aber auch durch

eine mögliche Ernährungsumstellung. Zudem

können ungesunde Lebensstile, Ernährungsgewohnheiten

oder Bewegungsmuster

durch die Tipps und Anleitungen von

Fitness-Influencer*innen auf Instagram oder

TikTok überwunden werden. Ben Mareich,

Fitnesscoach und Influencer, spezialisierte

sich hauptberuflich auf Personaltraining,

Performance Training, Corporate Fitness

sowie Screenings und Testings. Nebenbei

ist er auf Instagram aktiv und erreicht dort

95.000 Follower*innen. Er hebt hervor, dass

hochwertiger Content einen positiven Effekt

auf Trainingsneulinge haben kann und als

Inspirationsquelle dienen sollte. Er rät dazu,

sich von verschiedenen Quellen inspirieren

zu lassen, insbesondere wenn man unsicher

ist, welche Übungen für welche Ziele

geeignet sind. Kurzum: Vielfalt ist entscheidend.

Im Interview betont Mareich auch die

Bedeutung der Kombination aus Kraft- und

Cardiotraining für einen ganzheitlichen gesunden

Lifestyle.

Greimel und Mareich sind sich beim Thema

„hochwertiger Content“ einig: Bei der Arbeit

mit Fakten müssen die Quellen angegeben

werden. Es sollte klar vermittelt werden,

dass es keine universelle Lösung für alle gibt

und dass ein gesunder Alltag sowohl Sport

als auch eine ausgewogene Ernährung um-

Ben Mareich/ © privat

Philipp Greimel / © Florian Stix

Social Media Fitness

13


fasst. Übungen sollten nicht als falsch oder schädlich

dargestellt werden, da jede Übung ihren spezifischen

Zweck hat. Einige Übungen eignen sich besser für den

Muskelaufbau, andere für die Linderung von Gelenkschmerzen

oder zur Rehabilitation nach Verletzungen.

Es ist wichtig, diese Unterschiede deutlich zu kennzeichnen

und zu erläutern.

Potenzielle Gefahren für Rezipient*innen

Hochwertiger Content okay, aber wie erkennt man

diesen? „Aus meiner eigenen Erfahrung als Trainer

von Jugendlichen kann ich sagen, dass viele von ihnen

Bodybuilder auf Social Media verfolgen, die sich

ausschließlich auf die Wettkampfseite des Bodybuildings

konzentrieren. Das kann dazu führen, dass junge Menschen

ein ungesundes Bild von Fitness und Körperbildern

entwickeln“, sagt Mareich. Er betrachtet das als ein

ernsthaftes Problem, weil insbesondere Jugendliche in

einem jungen Alter sehr beeinflussbar sind. Besonders

bei männlichen Jugendlichen beobachtet er den Trend,

immer breiter und stärker werden zu wollen. Oft greifen

sie dabei zu ungesunden Mitteln wie Substanzen, die

auf der Dopingliste stehen. Dieses Verhalten wird von

einigen Rezipient*innen als „cool“ angesehen, wodurch

der Drang entsteht, ähnliche Wege einzuschlagen

und Fitness-Influencer*innen nachzueifern. Auch die

Deutsche Sporthochschule Köln, speziell das Institut für

Biochemie, warnt vor den Gefahren von Anabolika, dem

beliebtesten Dopingmittel in der Fitnessszene. Hohe

Dosen über lange Zeiträume können schwerwiegende

und lebensgefährliche Nebenwirkungen verursachen,

wie Herz-Kreislauf-Schäden, die zu Herzinfarkten und

im schlimmsten Fall zum Tod führen können. Weitere

Risiken sind Leberschäden, Vermännlichung bei

Frauen (z. B. tiefere Stimme, Menstruationsstörungen)

sowie bei Jugendlichen ein vorzeitiger Verschluss der

Epiphysenfugen, der das Längenwachstum beeinträchtigt.

Mareich unterstreicht außerdem, dass Fitness-Influencer*innen

oft irgendwann mehr Wert auf Quantität

als auf Qualität legen, da ihr eigener Erfolg und ihre

Popularität für sie von großer Bedeutung sind – oft sogar

der Hauptanreiz für ihr Engagement. Dabei ist es

für Jugendliche wichtig, das Training so individuell wie

möglich zu gestalten. Er bemüht sich deshalb, aktiv

auf individuelle Fragen einzugehen und bietet maßgeschneiderte

Trainingspläne gegen eine Gebühr an.

Auch Greimel teilt diese Ansicht: „Man kann keine Person

einfach mit einer anderen vergleichen. Nur weil eine

bestimmte Trainingsübung für eine Person gut funktioniert,

bedeutet das nicht automatisch, dass sie für eine andere

Person genauso geeignet ist. Trainingspläne sind nicht universell

übertragbar.“

Herausforderungen für Fitness-

Influencer*innen

Als Influencer*in ist es wichtig zu betonen, dass für den

Traumbody nicht nur die Trainingsübungen und Intensitäten

entscheidend sind, sondern auch die Ernährung,

wie Greimel betont: „Manche Menschen können mit einem

Kaloriendefizit von 100 Kalorien gut arbeiten, andere

überhaupt nicht. Manche müssen vor dem Training nicht

frühstücken, während andere unbedingt eine Mahlzeit vor

dem Training benötigen.“ Es ist von großer Bedeutung,

dass individuelle Unterschiede bestehen und keine

„one-size-fits-all“ Lösung für alle funktioniert. Hierin

liegt die Herausforderung für Fitness-Influencer*innen,

diese Botschaft effektiv an ihre Zuseher*innen

zu vermitteln. Mareich betont, dass Influencer*innen

eine Verantwortung tragen, hochwertigen Content

zu produzieren und diesen den Rezipient*innen so zu

© Carla Medlitsch


vermitteln, dass er auch gesund umgesetzt werden

kann. Besonders herausfordernd ist es laut Mareich,

Jugendlichen zu erklären und zu präsentieren, was

tatsächlich gesund ist und dennoch attraktiv wirkt. Er

beschreibt, dass vielen Jugendlichen nur das äußere

Erscheinungsbild wichtig ist, während gesundheitliche

Aspekte wie beispielsweise die Bandscheiben

oft ignoriert werden. Das gilt es zu vermeiden.

Sportliche Falschinformation: Gründe und

Auswirkungen

Leider sind sich nicht alle Influencer*innen ihrer Verantwortung

bewusst. Falsche Informationen über zu

vermeidende Übungen, extreme Empfehlungen, die

Ängste auslösen können, sind laut Greimel zu beobachten.

Die Logik dahinter: Viele Accounts wollen in

erster Linie ihre eigene Reichweite steigern, anstatt

den Nutzer*innen tatsächlich qualitativ hochwertige

Trainingsinformationen zu vermitteln. Just Videos, die

vor bestimmten Übungen warnen und diese kritisieren,

erzielen oft hohe Klickzahlen. Eine größere Reichweite

bedeutet höhere Einnahmen durch Kooperationen. Für

die einzelunternehmerisch tätigen Content Creator*innen

stellt das Abwägen der Vor- und Nachteile folglich

eine bedeutende Herausforderung dar. Das trägt jedoch

dazu bei, falsche Informationen zu verbreiten.

Mareich ergänzt, dass Influencer*innen Fotos oder Videos

zu ihrem Vorteil bearbeiten, um Selbstzweifel zu

kompensieren. Trotz des Bewusstseins über die verzerrte

Wahrnehmung durch Bildbearbeitungen sind auch

sie vor dem Vergleich mit anderen nicht gefeit. Bildbearbeitung

erfolgt dann oft dem eigenen Wohlbefinden

zuliebe. Zum Beispiel wird Cellulite, eine natürliche

Erscheinung bei Frauen, in der digitalen Welt oft gar

nicht gezeigt. Das entspricht nicht der Realität, denn

selbst junge Frauen können Cellulite haben.Bei Frauen

gibt es keine Cellulite und bei Männern wird vorgegeben,

dass alles natürlich antrainiert ist. Wie Mareich

feststellt, werden tatsächlich oft Doping-Substanzen

verwendet: „Ohne diese Zusätze können sie nicht so aussehen.

Das ist auf natürliche Weise unmöglich.“ Das Resultat

ist eine Verzerrung der Wahrnehmung der Zuseher*innen,

insbesondere jener, die neu in diese Welt

eintauchen und nicht unterscheiden können, ob das

scheinbar perfekte Körperbild durch Nahrungsmittelergänzungen

oder auf natürliche Weise entstanden

ist. Es gibt leider kein objektives und wissenschaftlich

fundiertes Ranking der besten Fitness-Influencer*innen,

da Fitness eine sehr komplexe und subjektive Angelegenheit

ist.

Regulierungen

Wie kann man also Qualität sicherstellen? Auf dem Papier

müssen Sport-Influencer*innen einigen Regulierungen

folgen. Es gibt ein Gesetz zur Kennzeichnungspflicht,

das von der RTR überprüft wird. Die Empfehlung,

Quellen zu belegen, kommt vom Österreichischen

Werberat. Dieser ist jedoch eine Selbstregulierungsorganisation,

die lediglich Empfehlungen ausspricht und

keine rechtliche Befugnis besitzt. Fitness-Influencer*innen

müssen die Jugendschutzbestimmungen

laut dem Jugendschutzgesetz und dem Rundfunkgesetz

einhalten, indem sie keine Inhalte veröffentlichen,

die für Minderjährige schädlich oder unangemessen

sind. Außerdem fallen Sport-Influencer*innen in Österreich

unter das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb

(UWG), das unlautere Geschäftspraktiken wie

irreführende Werbung oder den Missbrauch von Verbrauchervertrauen

verbietet. Das Problem besteht darin,

dass es eine große Anzahl an Influencer*innen gibt.

Diese Gesetze gelten jedoch nur für österreichische

Anbieter*innen, während Kinder und Jugendliche auch

Influencer*innen aus anderen Ländern folgen. Mit dem

„Digital Services Act“ existiert eine EU-weite Gesetzgebung,

die die Ver- antwortung für den Jugendschutz bei

den Anbieter* innen und Plattformen sieht. Inwiefern

das effektiv ist, muss noch beobachtet werden. Daher

ist es dringend notwendig, das Bewusstsein bei Content

Creator*innen zu schärfen und internationale Bestimmungen

für sie zu formulieren.

Mirjam SCHWARZ

© Carla Medlitsch


Auf den Spuren der Sterne: Selbstfindung

im Zeitalter des Astrologie-Hypes

Egal, ob es sich um Gesundheit, Liebe, den beruflichen Erfolg oder entscheidende Wendepunkte im

Leben handelt – viele junge Erwachsene setzen heutzutage oft auf die Macht der Sterne. Die Astrologie

erlebt auf sozialen Plattformen wie Instagram, TikTok und YouTube eine neue Popularitätswelle

bei der jungen Generation, die zunehmend nach alternativen Quellen der Selbstreflexion, Orientierung

und Lebensführung sucht. SUMO ging deshalb im Gespräch mit dem Sozialwissenschaftler

Franz Höllinger und den Astrologinnen Daniela Hruschka und Elisabeth Berauer der Frage nach, wie

stark der aktuelle Astrologie-Hype die Selbstfindung im digitalen Zeitalter beeinflusst.

Die Astrologie übt seit Jahrtausenden eine starke

Anziehungskraft auf die Menschheit aus, indem sie die

nächtlichen Sterne als eine Art Sprache interpretiert,

die unsere Neugier und unser Interesse weckt. Ihre

Wurzeln reichen bis in die vorchristliche Zeit Mesopotamiens

zurück, etwa um das Jahr 1250 v. Chr. Von

dort aus hat sie sich über die Jahrhunderte hinweg in

verschiedenen Kulturen und Gesellschaften weltweit

weiterentwickelt und verbreitet. Inzwischen hat die

Sterndeutung den Sprung in die große weite digitale

Welt geschafft, wo sie auf den Onlineplattformen eine

breite Anhängerschaft gefunden hat.

Der Aufschwung des Astrologie-Contents

„Die Astrologie kommt wieder mehr in das Bewusstsein

der Menschen. In asiatischen Ländern wie China, Indien,

aber auch Südamerika wird sie seit mehreren Jahrhunderten

kontinuierlich mehr genutzt als im europäischen

Raum. Vielleicht wurde sie einfach von gewissen Themen

verdrängt“, erklärt Astrologin Daniela Hruschka aus

Salzburg. Damit stellt sich die Frage nach dem Grund

des aktuellen Hypes. In einer Zeit, in der Veränderung

und Unsicherheit allgegenwärtig sind, rücke die

Astrologie stärker in den Fokus – so die Vermutung

Hruschkas. Ergänzend dazu sieht sie auch in den Sternen

die Begründung: „Wir befinden uns seit Anfang des

Jahres in einem großen Zeitenwandel, wo Pluto im Zeichen

des Wassermann steht. Dies deutet auf einen astrologischen

Zeitabschnitt hin, der durch die Position bestimmter

Planeten im Tierkreiszeichen definiert wird und die

Charakteristika und Einflüsse des Wassermann-Zeichens

hervorhebt wie etwa technologische Fortschritte oder kollektive

Anstrengungen für die Gesellschaft.“ Analog dazu

die wissenschaftliche Einschätzung von Sozialwissenschaftler

Franz Höllinger von der Karl-Franzens-Universität

Graz: „Angesichts von globalen Herausforderungen

wie Krisen, Pandemien, Umweltkatastrophen etc. suchen

viele Menschen verstärkt nach Sinnhaftigkeit und Orientierung

für ihr Leben sowie für die Zukunft. Viele Menschen

wenden sich daher spirituellen, philosophischen oder anderen

Sinn stiftenden Quellen wie der Astrologie zu, um

Antworten zu finden, Trost zu suchen sowie Orientierung

und Halt zu gewinnen.“ Sekundierend dazu auch eine

Marktforschung „zur Einstellung zu Astrologie, Sternzeichen

und Horoskop“, welche im Jänner 2017 vom

Online Marktforschungsinstitut meinungsraum.at veröffentlicht

wurde. Demnach sind 38% der Meinung,

dass die Beschreibung des eigenen Sternzeichens

zumindest eher auf den eigenen Charakter passt.

Franz Höllinger sieht die Astrologie deshalb in einem

Trend in Richtung einer Selbstverwirklichungs- und

Therapiegesellschaft, wo Menschen danach streben,

sich selbst besser kennenzulernen und zu verstehen.

Zu einer ähnlichen Diagnose gelangte auch der Psychologe

Andreas Hergovich in einem ORF-Gespräch vom

5. Jänner 2020. Ihm zufolge verstärken der Niedergang

organisierter Religionen und die wirtschaftliche

Unsicherheit das Bedürfnis nach einem kohärenten

Weltbild und Kontrolle über das eigene Leben. Besonders

in Zeiten des Wandels, der Digitalisierung und der

gesellschaftlichen Beschleunigung suchen junge Menschen

nach Orientierung und Halt. Astrologie bietet

scheinbar Antworten auf Fragen, die die Wissenschaft

nicht beantworten kann, wie den Sinn des Lebens. Sie

dient als Anker in unsicheren Zeiten. Viele wenden sich

in solchen Momenten alternativen Glaubenssystemen

zu, die als Gegengift zu modernen Ängsten und Unsicherheiten

wirken. Astrologische Vorhersagen sind

für ein digital vernetztes Publikum besonders ansprechend

und bieten Erklärungen für die aktuellen „ungewöhnlichen“

Zeiten.

Mediale Berichtserstattung von Astrologie

Die mediale Berichterstattung über astrologische

Inhalte im digitalen Zeitalter hat die Art und Weise, wie

Menschen Astrologie wahrnehmen und nutzen, stark

verändert. Durch die Integration in verschiedene digitale

Plattformen und Medienformate erreicht Astrologie ein

16

Auf den Spuren der Sterne


© Max Peternell

breiteres Publikum und wird zunehmend

in den Alltag der Menschen eingebunden.

Podcasts auf Spotify mit klingenden Titeln

wie Reise zu dir selbst, Astrologie To Go –

Sterndeutung für unterwegs und Videos

auf YouTube bieten tiefe Einblicke und

ausführliche Diskussionen zu astrologischen

Themen. Plattformen wie Instagram und

TikTok ermöglichen hingegen eine schnelle

Verbreitung und Rezeption von Astrologie

durch ihre visuell ansprechenden und leicht

konsumierbaren Inhalte, wie Beiträge, kurze

Videos und „Astro-Memes“, die oft von

Astro-fluencer*innen übernommen werden.

Diese Inhalte beleuchten die typischen

Charakteristiken der Sternzeichen und

decken eine Vielzahl von Themen, darunter

Lebensweisheiten, Ratschläge, Work-Life-

Balance, Beziehungen etc., ab. Zudem zeigen

kommerzielle Angebote, wie personalisierte

Horoskop-Apps und exklusive Mitgliedschaften,

die wirtschaftliche Dimension des

Astrologie-Hypes.

Diese breite Verfügbarkeit und die vielfältigen

Ausdrucksformen der Astrologie fördern

nicht nur die Selbstreflexion und das Verständnis

der eigenen Person, sondern auch

die Gemeinschaftsbildung. Junge Erwachsene

finden Gleichgesinnte, mit denen sie ihre

Erfahrungen und Erkenntnisse teilen können,

was zu einem Gefühl der Zugehörigkeit

und Unterstützung beiträgt. Astrologin

Hruschka erklärt, was vielen Menschen nicht

bewusst ist: Traditionelle und digitale Medien

vermitteln häufig den Eindruck, dass Horoskope

präzise Vorhersagen zu den zwölf

Stern- bzw. Sonnenzeichen machen können.

Jedoch werden die Aussagen bzw. Impulse

auf die Allgemeinheit getroffen und beziehen

sich nicht spezifisch auf den einzelnen

Menschen. Diese Verallgemeinerung vernachlässigt

die individuelle Einzigartigkeit

und Komplexität jedes Menschen sowie deren

persönliche Verantwortung für ihr Leben.

Verloren? Ratlos? Verzweifelt?

Menschen suchen also Rat, um nicht nur

Klarheit über ihre aktuellen Lebensumstände

zu erlangen, sondern auch Wege zur

Bewältigung ihrer Herausforderungen

zu finden. Während einige darauf hoffen,

konkrete Vorhersagen für die Zukunft

zu erhalten, setzen andere eher auf ihre

eigenen Fähigkeiten und Ressourcen, um

ihren Weg zu gehen. „Jeder Mensch ist für sich

selbst Expert*in ihres*seines Lebens“, erläutert

Astrologin Elisabeth Berauer aus Wien.

Darüber hinaus war der Wunsch, Magisches

ins Leben zu bringen, schon immer eine

Antriebsfeder der Menschen. Vielleicht auch

weil wir in einer zunehmend rationalen und

von Funktionalität getriebenen Gesellschaft

leben. Sie erklärt weiter, dass die Astrologie

sich aus jahrtausendealter Beobachtung der

Zusammenhänge von Planetenbewegungen

in Korrelation zu Erscheinungen auf der Erde

entwickelt hat. Was bedeute, dass es keine

rationale Er- klärung oder wissenschaftlichen

Beweise für ihre Annahmen gibt.

Wissenschaftliche Messmethoden können

die Astrologie niemals erfassen, denn sie

ist ein Symbolsystem. Tierkreiszeichen und

Planeten sind Symbole für die vielfältigen

Erscheinungen des Lebens, seien sie

materiell, geistig, seelisch oder spirituell.

Symbole verkörpern die innere Essenz einer

Erscheinung. Mit methodischen Standards

und den empirischen Anforderungen der

Franz Höllinger / © privat

Elisabeth Berauer / © Maria Blum

Daniela Hruschka / © Marla Pilz

Auf den Spuren der Sterne

17


Naturwissenschaft lässt sich diese nicht ergründen.

Eine Umfrage von meinungsraum.at zeigt, dass

28% der Befragten denken, dass es Dinge gibt, die

sich wissenschaftlich nicht nachweisen lassen und

begründen damit ihren Glauben an die Astrologie.

Soziologe Höllinger verweist auf eine österreichweite

Repräsentativbefragung des ISSP (International Social

Survey Programme) unter Erwachsenen ab 18 Jahren, die

bereits seit 1986 im Gange ist. Demnach glaubt in etwa

ein Drittel der Österreicher*innen an Astrologie, wobei

der Anteil bei jüngeren Menschen höher ist. Es lässt

sich beobachten, dass Frauen im Vergleich zu Männern

ein stärkeres Interesse an Astrologie zeigen und diese

Praxis innerhalb ihrer jeweiligen spirituellen Kontexte,

zu denen verschiedene Formen von Spiritualität wie

Alternativmedizin, Meditation, Yoga usw. gehören,

häufiger ausüben. Diese Tendenz besteht unabhängig

vom Bildungsgrad.

Astrologie entschuldigt keine Verhaltensweisen

Die beiden Astrologinnen erwähnen auch, dass

Klient*innen aus unterschiedlichen Motiven eine

Beratung in Anspruch nehmen. Einige Menschen

kommen aus reinem Interesse und Neugier, während

andere sie zur Persönlichkeitsentwicklung nutzen

und wiederum andere die Astrologie, insbesondere

die Vorhersagen in den Zeitungen, als Zeitvertreib

betrachten. Wenn eine Person jedoch ihre

Lebensführung und -entscheidungen den Sternen

überlässt, kann das zu einer ungesunden Abhängigkeit

führen. Menschen übergeben die Verantwortung für

ihr Handeln eher dann den Sternen, wenn „ihnen nicht

bewusst ist, dass die Sterne das Leben nicht bestimmen,

sondern nur abbilden. Der große Nutzen der astrologischen

Betrachtungsweise liegt im Erkennen von generellen

und aktuellen Herausforderungen und deren möglichen

Lösungsansätzen. Die Verantwortung für das eigene Leben

liegt bei einem selbst“, begründet Elisabeth Berauer.

Wenn jemand das eigene Verhalten mit Horoskopen

und Sternzeichen entschuldigt, stellt Elisabeth Berauer

fest, hat diese Person die Astrologie missverstanden.

„Dies führt vielleicht zu Befriedigung und Erleichterung, aber

dennoch hat man für das eigene Leben nichts gewonnen.

Letztendlich liegt es in unserer eigenen Verantwortung, wie

wir mit den Informationen und Einblicken umgehen“, so

Elisabeth Berauer.

Blick in Richtung Zukunft

Die Zukunft ist nie garantiert. „Die Astrologie ist nicht

mit Wahrsagerei oder Zukunftsdeutung gleichzustellen“,

verdeutlicht Daniela Hruschka. Franz Höllinger ist der

Meinung, dass die Zukunft der Astrologie keine signifikante

Hochphase erleben wird. Im Gegensatz dazu

erhofft sich Astrologin Elisabeth Berauer, dass die

Qualität und das Potential der Astrologie, nämlich das

größere Bewusstheit über sich selbst zu fördern, sowie

Sinn und Bedeutung von Lebensereignissen zu begreifen,

zukünftig besser erkannt werden und als wertvolle

Lebensunterstützung dienen können. Bleibt abschließend

die Frage, was die Astrologie also kann? Dazu

drei Antworten der Interviewpartner*innen von SUMO:

Franz Höllinger: „Das alles zu ernst nehmen, würde ich

nicht. Man kann Astrologie durchaus als Anregung verstehen,

sich kritisch mit seiner Persönlichkeit auseinanderzusetzen,

so ähnlich wie mit einer Psychotherapie oder

anderen Möglichkeiten der Persönlichkeitsintrospektion.“

Daniela Hruschka: „Die Astrologie ist eine große Bereicherung,

sie ist schön im Leben einzubauen. Sie ist wie mein

Best Buddy, der mich versteht, der mir gute Wege zeigt,

viel über mich offenbart und mir großes Vertrauen in mich

selbst gibt. Dadurch komme ich meiner Person näher und

lebe durch ein gut gelebtes Horoskop sehr authentisch.“

Elisabeth Berauer: „Mit der Astrologie sollte man sich

möglichst mit Leichtigkeit beschäftigen. Je mehr man sich

der eigenen Fähigkeiten und Schwächen bewusst ist, desto

einfacher kann die Entwicklung verlaufen und umso eher

können Blockaden und Stolpersteine vermieden werden.“

Gill SPRANGLER

Auf den Spuren der Sterne

© Hannelore Reischütz


European Capital of Democracy:

Warum Wien?

Wien ist zur „European Capital of Democracy 2024/25“ gewählt worden. Aber was heißt das?

Wer hat das entschieden? Wieso weiß niemand etwas davon? Und warum bitte Wien?

Die Demokratie ist ein Grundwert der Europäischen

Union und soll von allen Mitgliedsländern beachtet werden.

Entsprechend diesem Grundwert sollen EU-Länder

auf demokratischer Basis agieren. Das Konzept der

Demokratie ist ein Eckpfeiler der EU-Identität, ebenso

wie Freiheit, soziale Gerechtigkeit, Umweltschutz und

Kultur. Um solche Werte zu fördern, existieren eine

Vielzahl von Auszeichnungen für besonders aktive

europäische Städte wie: „Kulturhauptstadt“, „Umwelthauptstadt“

oder auch „Jugendhauptstadt“. Diese sind

jährlich vergebene Titel, um Aufmerksamkeit auf diese

Themen zu lenken und die Lebensqualität innerhalb der

EU zu verbessern. Eine „Demokratiehauptstadt“ gab

es jedoch bisher nicht. Josef Lentsch, ein ehemaliges

Mitglied des Innovation in Politics Institute, eine private

Zivilgesellschaft mit Sitz in Wien, die politische Schwierigkeiten

im Bereich Europa analysiert und dazu Lösungen

publiziert, kam auf denselben Gedanken während

einer Taxifahrt im Jahre 2019. Daraus entstand die

Idee für das Projekt „European Capital of Democracy, kurz

ECoD“, welches Ende 2021 offiziell als gemeinnützige

GmbH gegründet wurde.

Die zugrunde liegende Idee ist simpel: Gibt es einen

Preis, werden alle teilnehmenden Städte darum wetteifern,

ihn zu erringen. Wird der Preis nur der „demokratischsten

Stadt“ verliehen, muss man also demokratischer

werden, um zu gewinnen. Die Siegerstadt,

gewählt von einem Team von Expert*innen, die eine

Kandidatenliste für eine Bürger*innen-Jury zusammenstellen,

wird zum Mittelpunkt des jeweiligen „Demokratiejahres“.

Hier sollen mithilfe von ECoD eine Vielzahl

von Aktivitäten und Initiativen organisiert werden,

um Bürger*innen in die Stadtpolitik einzubinden, Gemeinden

zu unterstützen und eine lebenswertere Umgebung

zu schaffen. Klingt schön, aber kaum jemand

weiß davon.

Ein vollkommenes Phantom

Die Initiative ist scheinbar wenigen ein Begriff,

geschweige denn, dass Wien zur Demokratiehauptstadt

2024/25 gekrönt wurde. Bei der Suchanfrage

„Demokratiehauptstadt Wien“ tauchen hauptsächlich

vereinzelte Beiträge in Tageszeitungen und in einigen

lokalen Medien zum Wahlsieg auf. Der Suchbegriff

„Kulturhauptstadt Graz“ weist währenddessen sogar

aktuelle Artikel von internationalen Medien wie Die

Zeit auf, welche 20 Jahre nach dem Ereignis immer

noch darüber berichten. In den Sozialen Medien sieht

es ebenfalls nicht besser aus: Beiträge der ECoD-

Accounts bewegen sich durchschnittlich im Bereich

von fünf bis 15 Likes auf Facebook, X (ehemals Twitter)

und Instagram. Auf der Business-Plattform Linked- In

erzielt die Initiative zwar eine bessere Reichweite,

ist jedoch klarerweise hier auf ein hauptsächlich

geschäftsorientiertes Publikum beschränkt. Es

stellt sich die Frage, woran die Publicity der Initiative

scheitert, denn die Demokratie lässt sich nicht feiern,

wenn niemand weiß, dass es überhaupt eine Feier gibt.

„Man lernt immer, wenn man etwas zum ersten Mal

macht“, erzählt Stefan Sindelar, CEO von European

Capital of Democracy, über seine Erfahrungen mit der

vorigen und ersten Demokratiehauptstadt Barcelona.

© Florian Lackner


Stefan Sindelar / © Florian Lackner

„Das trifft dann auch die Frage: Warum passiert

nach der Ankündigung so lange nichts? Wir

brauchen diese Zeit. Wir haben das in Barcelona

gesehen. Es war unsere erste Stadt, vieles

war beiden Seiten in der Umsetzung noch

unklar.“ Tatsächlich ist Wien erst die zweite

Demokratiehauptstadt in der Geschichte

der Initiative. Das Projekt steckt also

noch in seinen Kinderschuhen. Barcelona

wurde zuvor zur Demokratiehauptstadt

für 2023/24 gewählt und ihr Teil des

Demokratiejahrs endet erst im November

2024, das dann mit der Eröffnung des Wiener

Programms weitergeführt wird. Obwohl

ECoD zwar schon seit 2020 existiert, hat es

erst mit dem Programmstart in Barcelona

im Oktober 2023 die Aufmerksamkeit der

Öffentlichkeit auf sich gezogen. Es ist kein

Wunder, dass die Initiative noch relativ

unbekannt ist.

Aber wo der Ruf allein nicht für breites Interesse

ausreicht, lässt sich doch mit herkömmlicheren

Kommunikationsstrategien

nachhelfen. Genaugenommen gibt es doch

keinen passenderen Partner bei solch einer

Bestrebung als die Stadt Wien selbst.

Grundsätzlich wäre es wohl in ihrem Interesse,

so viel Aufmerksamkeit wie möglich

auf ein Programm zu lenken, das sich um

bestehende und zukünftige Errungenschaften

der Stadt Wien dreht. Eine erhöhte demokratische

Bürger*innen-Beteiligung ist

gleichermaßen für Wien wünschenswert.

Selten gibt es bessere Gelegenheiten, um

Bürger*innen in die Stadtpolitik einzubinden.

Dennoch ist im öffentlichen Raum das

blau-orange-pinke ECoD-Logo nicht zu erblicken.

Weder auf den zahllosen Werbewänden

in der Stadt noch als kurzer Einschub im

INFOSCREEN-Programm beim Warten auf

die öffentlichen Verkehrsmittel.

Laut Sindelar ist zwar ein großes Kommunikationspaket

mit der städtischen Abteilung

für Kommunikation und Medien

geplant, aber viele genauere Details sind

noch nicht festgelegt. Klar ist jedoch, dass

im Rahmen der Zusammenarbeit mit der

Stadt die Eröffnung auch in die individuellen

Bezirke getragen werden soll, denn ein

einzelner Festakt im Rathaus würde nicht

widerspiegeln, wofür ECoD stehen will.

„Menschen sollen mitbekommen, dass es hier

jetzt ein Jahr lang um das Zusammenleben und

die Weiterentwicklung der Stadt geht“, erklärt

Sindelar. „Es muss jetzt gar nicht überall ganz

groß ‘Demokratie‘ draufstehen. Demokratie ist

eigentlich, sich auszumachen, wie man miteinander

auf doch engem Raum in der Stadt lebt,

gemeinsame Prioritäten setzen, Dinge verbessern

und sich in politischen Prozessen einzubringen.“

Die Unterscheidung zwischen der klassischen

Definition von Demokratie und der

pragmatischeren Ansicht des Begriffs, die

Sindelar beschreibt, ist nicht ohne Grund,

denn das Thema „Demokratie“ weckt nicht

unbedingt überall Gefühle von Interesse

oder Beteiligungsfreude bei Menschen.

Denkt man über das Thema Demokratie

nach, kommen einem typischerweise Bilder

von seriös gekleideten Politiker*innen, langen

Parlamentsdiskussionen, Wahlen und

großen gesellschaftlichen Problemen in den

Sinn. Konzepte, die oft vage, alltagsfern und

kompliziert wirken. Vergleicht man dies mit

dem Begriff „Kultur“ oder „Kulturhauptstadt“,

merkt man einen deutlichen Unterschied:

Assoziationen bewegen sich im Bereich des

Unterhaltsamen, Interessanten und Unbekannten.

Zu „Kultur“ haben Leute Meinungen und

konkrete Vorstellungen, meint Sindelar,

aber Politik wirkt im Vergleich oft abstrakt

und undurchdringlich. „Deswegen wollten

wir nicht im Demokratiejahr Fachkonferenzen,

Experten*innen-Panels und so weiter allein

haben, sondern uns ist wichtig, dass Bürger*innen-Initiativen

einen Raum haben.“ Laut Sindelar

könnte man durch diese konkreteren

Ansätze die Demokratie so greifbarer für

Bürger*innen machen. „Städte sind dann auch

geeignete Testorte, um tatsächlich mit den Bürger*innen

Lösungen umzusetzen.“ Mithilfe der

Stadtdemokratie soll ihnen das Mitbestimmen

nähergebracht werden, um so nicht

nur eine positive Veränderung im eigenen

Bezirk, sondern auch langfristig im breiteren

Rahmen der Politik in Wien und auch

Österreich zu bewirken. Ein mutiger Ansatz,

aber dennoch bleibt eine große Frage offen:

Warum Wien?

20

European Capital of Democracy


Lebenswert, Demokratie und die große Stadt

Die Wiener Art erklärt Sindelar als „gestärkte Demokratie

in der lebenswertesten Stadt.“ So stellt sich die Stadt

Wien in ihrer öffentlichen Bewerbung für den ECoD-Titel

vor. Gleichzeitig präsentiert sie so ihr Mission Statement.

Ziel dieses sogenannten Demokratiejahres soll

der Ausbau von Möglichkeiten für Wiener*innen sein,

an der Gestaltung ihres Lebensumfeldes mitzuwirken.

Warum genau Wiens Bewerbung den Sieg errungen

hat, kann Stefan Sindelar nicht persönlich kommentieren.

Als Österreicher darf er innerhalb der Bürger*

innen-Jury nämlich nicht für Städte im eigenen Land

wählen. Selten ist man dem eigenen Land gegenüber

vollkommen objektiv. Eine verständliche Einschränkung,

um zu verhindern, dass man sich selbst als Demokratiehauptstadt

krönt. Trotzdem kann er verraten,

auf welche drei Dinge die Bürger*innen-Jury am

meisten beim Wahlprozess schaut: Erstens, auf einen

„großen Impact“ in Sindelars Worten. Projekte sollen

die Leben vieler Menschen in relevanten Gebieten stark

beeinflussen. Zweitens schätzen Bürger*innen Neues

und nicht sehr oft Vorgekommenes. Wie auf der Homepage

der Initiative www.capitalofdemocracy.eu nachzulesen

ist, ist das Kulturlabor Gemeindebau besonders

gut bei der Jury angekommen. Die direkte Inklusion von

Kunst und Kultur mit dem Raum der Gemeindebauten

zählt laut ECoD-Evaluation als Vorzeigebeispiel für partizipative

Bürger*innen-Projekte auf internationaler

Ebene. Zuletzt soll auch Nutzen und Aufwand stimmen.

Laut Sindelar erhielten viele theoretisch interessante

Projektideen anderer Städte nur mittlere Bewertungen

von Jurymitgliedern, da sie in der Praxis nicht den

Aufwand rechtfertigen, der dafür nötig gewesen wäre.

„Einfache Lösungen, breiter Impact, mutig und innovativ.

Das war der Mix, der die Juror*innen am meisten überzeugt

hat.“ Offiziell soll das Programm von ECoD und der Stadt

Wien Mitte November 2024 beginnen. Wie viel davon

tatsächlich an die Öffentlichkeit dringen wird, steht

noch in Frage, denn vieles über die praktische Realität

der Aufklärungsarbeit, die sowohl der Initiative als auch

der Stadt Wien bevorsteht, ist zur Zeit der Verfassung

dieses Artikels noch nicht vollkommen ersichtlich.

Jedoch müssen diese derzeitigen Probleme noch nichts

bedeuten. Wien ist Demokratiehauptstadt für ein

ganzes Jahr, in dem sich noch zahllose Möglichkeiten

bieten werden, European Capital of Democracy den

Wiener*innen näherzubringen. Man darf hoffen, dass

künftige Wahlen zur Demokratiehauptstadt mehr

Interesse und Diskussion als zuvor mit sich bringen.

Florian LACKNER

IT.

SAP.

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evn.at/karriere


Zwischen Hashtags und Handshakes:

Die Balance zwischen dem Digitalen und

dem Persönlichen

Tagtäglich stehen wir Menschen im Wechselspiel zwischen online und offline, so auch unsere Persönlichkeit

und unser Sozialleben. Influencerin und Buchautorin Hannah Maylou und die pädagogische

Leiterin für die Fachbereiche Medien, Digital und Gender Magdalena Mangl vom Verein Wiener

Jugendzentren setzen sich im Interview mit SUMO mit den Konsequenzen dieser Parallelität auseinander.

Online-Chats, geteilte Storys und Bilder, Likes und

Kommentare, aber auch reale Treffen und gemeinsame

Aktivitäten: Jugendliches Leben bedeutet heute ein

ständiges Hin und Her zwischen der virtuellen und der

realen Welt. Die beiden Sphären existieren oft nebeneinanderher,

manchmal sogar getrennt. Inmitten dieser

Dualität manifestieren sich Beziehungen, entwickeln

sich aber auch Selbstkonzepte. Jugendliche nutzen

heute Inhalte in sozialen Medien, produzieren aber auch

Content. Diese beiden Aspekte – Usage und Produktion

- tragen zur Bildung der eigenen Persönlichkeit bei.

„Jugendkultur findet sehr viel online statt“, meint auch

Magdalena Mangl, Bereichsleitern vom Verein Wiener

Jugendzentren. Egal ob Musik, Kleidung oder Autos -

Trends werden online geschaffen, verbreitet und dann

ins echte Leben übertragen.

Die hohe Aktivität von Jugendlichen in den Sozialen

Medien bestätigen auch die Befunde des aktuellen

Jugend-Internet-Monitor, der vom Verein Saferinternet.

at erhoben wird. Die drei meistgenutzten Plattformen

der Jugendlichen in Österreich sind WhatsApp,

Instagram und YouTube. Bei einigen Plattformen ist

die Zahl der Nutzer*innen im Vergleich zum Jahr

2023 zurückgegangen, während andere Netzwerke

wiederrum neue dazugewinnen konnten. WhatsApp

belegt z.B. immer noch den ersten Platz, verzeichnet im

Jahresvergleich aber ein Minus von 20 Prozentpunkten

und damit die meisten Rückgänge an Nutzer*innen.

Demgegenüber hatte die Plattform BeReal, eine

Applikation, die für mehr Authentizität und Spontanität

im Leben sorgen soll, im Vergleichszeitraum mit einem

Plus von 13 Prozentpunkten die meisten Neuzugänge.

Erkennbar sind auch geschlechterspezifische

Unterschiede bei der Mediennutzung: Mädchen nutzen

soziale Plattformen eher, um mit anderen Jugendlichen

in Kontakt zu treten, während Burschen Plattformen im

Gaming-Bereich wie Discord oder Twitch nutzen. Diesen

geschlechtsspezifischen Unterschied bemerkt auch

Magdalena Mangl vom Verein Wiener Jugendzentren.

Online- vs. Offline-Freundschaften

Eine Freundschaft ist eine emotionale Beziehung

zwischen Menschen, die auf gegenseitigem Vertrauen,

Respekt, Unterstützung und der Freude an

der Gesellschaft des anderen basiert. Online-Freundschaften

bieten eine einzigartige Möglichkeit, Verbindungen

zu knüpfen und gemeinsame Interessen über

räumliche Grenzen hinweg zu teilen. Plattformen wie

WhatsApp, Instagram und YouTube fungieren deshalb als

Treffpunkte, an denen Jugendliche ihre Gemeinschaften

aufbauen und pflegen. Die Möglichkeit, Inhalte zu

teilen und an Diskussionen teilzunehmen, trägt zur

© Max Peternell


Hannah Maylou / © Minita Kandlbauer

Stärkung von Bindungen bei und fördert den

Austausch von Ideen und Erfahrungen. Online-Freundschaften

können wertvoll sein,

bieten aber dennoch oft nicht die gleiche

Tiefe und Intimität wie persönliche Interaktionen.

Denn Offline-Freundschaften, die

durch direkte Kommunikation und gemeinsame

Erlebnisse geprägt sind, ermöglichen

eine tiefere Verbundenheit und ein besseres

Verständnis füreinander.

Zu diesem Befund kommt auch die

Freundschaftsforschung, der Tillman Prüfer in

einem Artikel im ZEITmagazin Ausgabe 24 auf

den Grund geht: Demnach fördern qualitativ

hochwertige Freundschaften, die durch tiefe

emotionale Bindungen geprägt sind, das

Wohlbefinden stärker als viele oberflächliche

Kontakte. Belegt wird auch, dass Jugendliche

mit wenigen engen Freundschaften mehr

Empathie zeigen und langfristig zufriedener

sind. Trotz der Vernetzungsmöglichkeiten

durch digitale Medien hat die Anzahl der

Freundschaften nicht zugenommen. Prüfer

leitet auch ab, dass der Begriff "Freund"

heute oft inflationär gebraucht wird, was

zu einer verzerrten Vorstellung von großen

Freundeskreisen führt. Entscheidend für

das persönliche Wohlbefinden ist aber

die Qualität der Beziehungen, nicht die

Anzahl der Kontakte. Dennoch sollte man

die Qualität von Online-Beziehungen nicht

unterschätzen. Die Studie von María José

Vidales und Charo Sádaba „Connected Teens:

Measuring the Impact of Mobile Phones on

Social Relationships through Social Capital“,

zeigt, dass die Anzahl der Kontakte und

Beziehungen zu Personen aus breiteren

Umgebungen das soziale Kapital sowohl

online als auch offline positiv beeinflussen.

Dieser Studie zufolge haben die Jugendlichen

nicht nur Überschneidungen in ihren

Online- und Offline-Freundesnetzwerken,

sondern pflegen auch Kontakte zu Personen

aus anderen Umfeldern wie Schule oder

Nachbarschaft. Das wirkt sich förderlich auf

ihr soziales Kapital aus.

Herausforderungen und Probleme bei

der Online-Offline-Balance

Besonders zu Corona-Zeiten standen viele

Heranwachsende einigen Herausforderungen

bezüglich der Balance zwischen online

und offline gegenüber. Mit Homeschooling

sowie dem Scrollen in den Sozialen Medien

in der schulfreien Zeit gestaltete sich die

Trennung zwischen online und offline

äußert schwierig. „Am Anfang fanden es

die Jugendlichen super von zu Hause aus am

Unterricht teilzunehmen, aber nach einiger

Zeit war es anstrengend“, so Mangl. Durch

die Pandemie haben die Jugendlichen die

Funktion einer Gruppendynamik verlernt.

Die Einschränkungen des sozialen Lebens

führten zu einer verstärkten Abhängigkeit

von digitalen Kommunikationsmitteln,

während gleichzeitig das Bedürfnis nach

persönlicher Nähe und physischen Treffen

zunahm. Jugendliche mussten lernen, wie sie

die Balance zwischen virtuellen und realen

Beziehungen aufrechterhalten können,

um sich nicht von der digitalen Isolation

überwältigen zu lassen.

Nicht nur Privatpersonen, sondern auch

Personen des öffentlichen Lebens fordert

der Wechsel von online und offline heraus.

Influencer*innen wie Hannah Maylou leben

zwei Leben gleichzeitig, nämlich ein Privates

und ein Berufliches in den Medien. Bei

Hate-Kommentaren fällt es der gebürtigen

Wienerin schwer, diese nicht allzu persönlich

zu nehmen. Maylou ist sich jedoch bewusst,

dass in diesen Fällen nicht ihre private, sondern

ihre berufliche Persönlichkeit kritisiert

wird. Da auf ihrem Profil persönliche Themen

behandelt werden, ist dennoch eine

Abgrenzung ihrer Arbeit von ihrer Person

nicht möglich. Allerdings kann die junge Frau

selbst entscheiden, zu welchen Themen

sie Posts oder Reels auf ihrem Account öffentlich

macht. Familiäre Angelegenheiten

spricht sie nicht an. Zudem respektiert sie

ihre Freund*innen und achtet darauf, dass

diese bei Stories nicht gesehen werden, falls

diese es nicht möchten.

Digital Detox: Wichtig und richtig

2017 berichtete die Süddeutsche Zeitung von

„Digital Detox“ als das bewusste Beiseitelegen

von digitalen Geräten wie Smartphone,

Tablet, Laptop und Co. sowie das Entkoppeln

von sozialen Medien. Digital Detox hat

das Ziel, die Entspannung des Geistes, den

Magdalena Mangl / © Verein für Wiener Jugendzentren

Zwischen Hashtags und Handshakes

23


Abbau von Stress und ein gesundes Gleichgewicht

zwischen Online- und Offline-Zeit zu fördern. Es geht

nicht darum, Technologie vollständig zu vermeiden,

sondern vielmehr sie gezielt und unter Kontrolle zu

halten. Denn digitale Medien können zu ständigem Vergleichen

und Unzufriedenheit mit dem eigenen Leben

führen, während die ständige Nutzung digitaler Geräte

Schlafstörungen, Angstzustände und Konzentrationsproblemen

zur Folge haben kann. Zudem nimmt bei

hoher Online-Präsenz die Wahrnehmung von Realität

und Fake ab. Um energiereich und ohne Überforderung

in den Tag zu starten ist es hilfreich, das Smartphone

nach dem Aufstehen nicht sofort in die Hand zu nehmen.

Das Gleiche kann auch vor dem Schlafengehen

vorgenommen werden. Influencerin Maylou hat vor

einiger Zeit beschlossen das Smartphone wochentags

ab 18 Uhr sowie am Wochenende bewusst zur Seite zu

legen. Bei Treffen mit Freund*innen tut sie dies bereits,

um die Zeit noch mehr genießen zu können. „So habe ich

auch das Gefühl, dass ich da auch wirklich eine Privatperson

bin und die Arbeit ist irgendwo weg“, so die Influencerin.

Auch Mangl beobachtet im Jugendzentrum, dass

sich die Jugendlichen mitunter bewusst dafür entscheiden,

das Smartphone für gewisse Zeiträume wegzulegen.

Der Grund? Die ständige Berichterstattung zu den

wirtschaftlichen Folgen der Pandemie belasten die jungen

Menschen. Stattdessen versucht sie die Jugendlichen

zu Aktivitäten draußen bzw. in Gemeinschaft zu

bewegen.

Good to know

Ziel dieser Initiative von Saferinternet.at

ist es, die Nutzung von Sozialen Medien in

dieser Altersgruppe von 11 bis 19 Jahren

zu untersuchen.

Hotlines, an die du dich bei Problemen

wenden kannst, nämlich anonym und

kostenfrei:

142 TelefonSeelsorge Österreich

0800 234 123 Kids-Line: Täglich von

13.00 - 21.00 Uhr

0800 222 555 Frauen-Helpline: Hotline

auch für Kinder und Jugendliche, täglich

rund um die Uhr

Quelle: Saferinternet.at

Tipps für Ausgewogenheit in Online- und

Offline-Freundschaften

Eine ausgewogene Balance zwischen Online- und Offline-Freundschaften

ist, so zeigt auch die Forschung,

essenziell. Welche Empfehlungen zur praktischen

Umsetzung von guter Beziehungspflege sowohl online

als auch offline gibt es? Ein offenes Gespräch mit

Freunden darüber, wie man gemeinsam die Zeit online

und offline verbringen möchte, hilft Missverständnisse

zu vermeiden und die Bedürfnisse aller Beteiligten zu

berücksichtigen. Zudem ist es ratsam, sowohl online

als auch offline positive Einflüsse zu suchen und sich

von Menschen umgeben, die einem guttun und unterstützen.

Das Festlegen von Bildschirmzeiten und das

bewusste Entwickeln von Offline-Aktivitäten können

ebenfalls dazu beitragen, eine gesunde Balance zu finden.

Schließlich ist es wichtig, sich regelmäßig Zeit für

persönliche Treffen zu nehmen. Denn Bindung ist mehr

als bloße Verbindung im digitalen Raum.

Nicole SIEBENHANDL

© Sophie Mantler


© Max Peternell


© Max Peternell

Im Visier des Staates:

Wie China die Öffentlichkeit überwacht

China hat in den letzten Jahren weltweit nicht nur durch seinen wirtschaftlichen Aufstieg, sondern

auch durch seine fortschrittlichen Überwachungsmaßnahmen für Aufsehen gesorgt. Das Reich der

Mitte hat sich zu einem Laboratorium für Überwachungstechnologien entwickelt, die das tägliche

Leben der Bürger*innen bis ins Detail kontrollieren. Doch wie reagiert die chinesische Bevölkerung

auf die staatliche Überwachung und welche Auswirkungen hat sie auf die Gesellschaft? SUMO besprach

diese und andere Fragen mit Christoph Steinhardt, assoziierter Professor am Institut für Ostasienwissenschaften

der Universität Wien.

Ein zentraler Aspekt des Überwachungssystems in

China ist das Social Credit System. Human Rights Watch

berichtet, dass es vor etwa einem Jahrzehnt eingeführt

wurde und seitdem eine rasante Entwicklung erlebt

habe. Ursprünglich als Instrument zur Bewertung von

wirtschaftlicher Kreditwürdigkeit gedacht, habe es sich

zu einem umfassenden sozialen Bewertungssystem

entwickelt. Es bewerte das Verhalten der Bürger*innen

anhand einer Reihe von Kriterien, darunter finanzielle

Verlässlichkeit, Einhaltung von Verkehrsvorschriften

und politische Loyalität. Basierend auf diesen

Bewertungen erhielten die Menschen einen

„Sozialkreditwert“, der ihre Zugangsmöglichkeiten

zu bestimmten Dienstleistungen und Privilegien

beeinflusse. Belohnungen umfassen beispielsweise

einen einfacheren Zugang zu Krediten oder

Steuervergünstigungen, während ein schlechter

Score den Zugang zu Privatschulen verwehre oder

zum Ausschluss vom Kauf von Flug- oder Zugtickets

führen könne. Von der unpünktlichen Zahlung von

Unterhaltszahlungen bis hin zur Interaktion mit

falschen, weil niedrig bepunkteten Menschen in

Sozialen Medien – schlechtes Verhalten würde mit

Punkteabzug bewertet und in einem zentralisierten

System gespeichert. Hierbei kämen miteinander

verbundene Datenbanken und audiovisuelle Systeme

zum Einsatz, die mit Big-Data-Analysetechniken und

künstlicher Intelligenz kombiniert werden würden. Anna

Marti, Asien Expertin der Friedrich Naumann Stiftung,

gibt in einer Analyse zu bedenken, dass auch Fehler des

Systems nicht beeinsprucht werden könnten und der

Rechtsstaat sich damit zurückentwickle.

Auch Christoph Steinhardt von der Universität Wien

beschreibt China als ein System der Regierungsführung,

in der diese versucht, über das Sammeln von

Informationen Reputationen zu erstellen und somit das

Verhalten der Bürger*innen in bestimmte Richtungen zu

lenken. „Die ursprüngliche Idee des sozialen Kreditsystems

in China war es, Informationen über das Verhalten von

Individuen, Organisationen und Firmen zu sammeln, um

daraus eine Reputation zu erstellen. Diese Reputation

misst, wie gut man sich an bestimmte Verhaltensstandards

hält. Es gibt unterschiedliche Implementierungen, wie ein

Punktesystem von 0 bis 100 und Listen, bei denen die

Besten auf die rote und die Schlechtesten auf die schwarze

Liste kommen.“

Das Sozialkreditsystem im Alltag der

Chines*innen

Doch welche Rolle spielt das Social Credit System im Alltag

der Chines*innen? Steinhardt zufolge eine sehr geringe.

Viele Menschen seien sich seiner Existenz nicht einmal

richtig bewusst oder verstünden es falsch, würde man

sie danach fragen. „Es gibt jedoch Berührungspunkte, wie

zum Beispiel Durchsagen in Zügen, die Fahrgäste daran

erinnern, dass Verstöße wie Rauchen oder Fahren ohne

26

Im Visier des Staates


Ticket in ihrem Kreditportfolio vermerkt werden

könnten. Zudem ist das Sozialkreditsystem nur

in Teilen landesweit implementiert und es gibt

eine hohe lokale Variation.“ Laut Steinhardt

würde dieses System bislang am stärksten

auf Unternehmen angewendet, wo es um

Compliance-Fragen geht, wie zum Beispiel

die rechtzeitige Zahlung von Steuern oder

die Einhaltung von Hygienevorschriften.

Unternehmen, die gegen diese Vorschriften

verstoßen, könnten auf Listen landen und

stärker überprüft werden.

Stimmungslage - zwischen Zensur und

Akzeptanz

„Wir haben Hinweise dafür gefunden, dass Kritik

am Datenschutzregime des Staates gelöscht

wird.“

In Europa sind der Datenschutz und

die Privatsphäre durch Gesetze wie die

Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) stark

geschützt. Überwachungsmaßnahmen

müssen strenge Kriterien erfüllen, was oft

zu einer kritischeren Haltung gegenüber

staatlicher Überwachung führt. „Der

chinesische Staat ist sehr datenhungrig und

es gibt viel weniger Restriktionen für staatliche

Überwachung, als es in einem demokratischen

System der Fall ist“, erklärt China-Experte

Steinhardt. Interessanterweise versucht

sich der chinesische Staat laut Steinhardt

mit einigem Erfolg als Beschützer der

Privatsphäre zu positionieren. Im Jahr

2021 verabschiedete der chinesische

Volkskongress ein umfassendes

Datenschutz-Gesetz. Die Bedrohung der

Privatsphäre, die von Kriminellen und

anderen Internetnutzer*innen ausgehe,

würde, so Steinhardt, inzwischen massiv

in der staatlichen Propaganda betont. In

Umfragen zeigten sich Bürger*innen viel

besorgter über Datensammlung von Firmen

als über solche vom Staat.

Wie sieht es mit Kritik an diesem System

in den Sozialen Medien aus? Christoph

Steinhardt und sein Team haben Weibo, eine

Social-Media-Plattform vergleichbar mit

X (ehemals Twitter), untersucht. Er gibt zu

bedenken, dass bestimmte kritische Inhalte

möglicherweise von Nutzer*innen aus Angst

vor Zensur gar nicht erst gepostet werden.

Pilotanalysen deuten darauf hin, dass Kritik

am staatlichen Datenschutzregime recht

wenig vorkommt und gelöscht wird. Bei Posts

zum Sozialen Kreditsystem wurde ebenfalls

festgestellt, dass kritische Beiträge selten

seien und oft gelöscht würden, oft nachdem

sie viel Aufmerksamkeit erregt hätten. Auf

der anderen Seite hätten insbesondere

chinesische Wissenschaftler*innen Aspekte

des Sozialen Kreditsystems kritisiert und

sich auch kritisch über überbordende

Datensammlung geäußert. Der Staat

versuche das Thema Privatsphäre zu

managen und sich selbst, so gut es geht, aus

der Schusslinie zu nehmen.

Wohin geht die Reise?

Auf die Frage, wie es mit der Überwachung

bzw. dem Sozialkreditsystem in Zukunft

weitergehen könnte, meint Christoph

Steinhardt: „Es scheint, dass die Luft

ein bisschen draußen ist, aber es wird

wahrscheinlich nicht komplett verschwinden.

Ein zugrundeliegendes Problem ist die in

China weit verbreitete Wahrnehmung einer

gesellschaftlichen Vertrauenskrise, geprägt

von Betrug und unmoralischem Verhalten.

Der Staat wird als verantwortlich für die

Lösung dieser Probleme gesehen, was in der

politischen Kultur Chinas verwurzelt ist. Diese

gesellschaftliche Diskussion, die es bereits vor

dem Kreditsystem gab, fördert die Idee, dass ein

starkes staatliches Eingreifen notwendig ist, um

die Gesellschaft zu regulieren. Diese Debatte

wird wohl weiterbestehen und vom Staat

unterstützt werden, da sie die Notwendigkeit

eines starken Staatsapparats untermauert.“

Chinas Überwachungssysteme werfen

viele Fragen über die Balance zwischen

Sicherheit und Freiheit auf. Während

der Staat behauptet, die Gesellschaft zu

schützen, befürchten Kritiker*innen einen

massiven Eingriff in die Privatsphäre. Die

Zukunft dieser Systeme bleibt ungewiss. Die

Diskussion über die richtige Balance wird

weitergehen.

Felix PTACEK

Christoph Steinhardt/ © privat

Im Visier des Staates

27


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#we_do! – Do we?

Die Debatten und Auswirkungen der Öffentlichkeit auf Machtmissbrauch, Diskriminierung

und Belästigung innerhalb der Medienbranche

Machtmissbrauch, Diskriminierung und Belästigung – diese Themen sind in der österreichischen

Medienbranche vorzufinden. Im Interview mit Psychologen Daniel Sanin, Berater bei der Anlaufund

Beratungsstelle #we_do! und der Kommunikationswissenschaftlerin Ulrike Weish konnte SUMO

strukturelle Missstände in den Medien herausarbeiten. Es stellt sich die Frage, was die Öffentlichkeit

machen kann, um Druck auf die Medienmacher*innen, die Macht missbrauchen, auszuüben.

Die Anfänge gingen, wie Daniel Sanin erinnert, auf die

Berichterstattung über die Übergriffe des Filmproduzenten

Harvey Weinstein in der New York Times anno

2017 und die daraus resultierende „Me Too“-Bewegung

zurück. Dass ähnliche Missstände auch in Österreich

vorzufinden sind, hat sich erst 2019 gezeigt. Analog

zum Skandal in den USA war ein Instagram-Posting

der österreichischen Regisseurin und Drehbuchautorin

Katharina Mückstein am Premierentag des Filmes

„Corsage“ der Auslöser: „Ein Täter wird heute Abend auf

der Bühne stehen und bejubelt werden“, so der Hinweis.

Die junge Schauspielerin Luna Jordan wurde dadurch

ermutigt vor dem Publikum der österreichischen

Filmpreisverleihung die strukturellen Branchenübergriffe

zu thematisieren. Der Rest ist bekannt.

Skandale spielen bei der öffentlichen Wahrnehmung

von Machtmissbrauch eine wichtige Rolle. Das betont

auch Sanin: Prominente Vertreter*innen erhöhen durch

das Publikmachen die Resonanz der Thematik in der

Öffentlichkeit. Das ist zwar wünschenswert, jedoch

muss darauf geachtet werden, dass niemand dazu

gedrängt wird: „Niemand hat jemanden vorzuschreiben,

worüber man sprechen soll. Da muss man aufpassen“, betont

Sanin. Umgekehrt: „Das Schweigen begünstigt die

Angst vor negativen Konsequenzen.“

Missstände in der Welt des Films

Denn letztendlich resultieren diese Übergriffe aus einem

Machtverhältnis, dem das Gefühl der Ohnmacht

gegenübersteht. Damit stellt sich die Frage, welche

Macht die Öffentlichkeit auf die Filmbranche hat. Sanin

dazu: „Prinzipiell ist es immer so, dass im Kapitalismus

die Macht der Nutzer*innen immer nur der Konsumverzicht

ist.“ So unterstützt man beim Kauf eines Produktes, von

dem unmoralisches Verhalten bekannt ist, das System.

Auch durch Online-Kampagnen in den Sozialen Medien

kann Druck auf die Medienbranche ausgeübt werden.

Hier muss aber beachtet werden, dass es nicht zu einem

personalisierten Vorführen kommt, das in einem

„Schwarz-Weiß-Diskurs“ mündet. Die Debatten sensibilisierten

Personen, die bislang keine negativen Erfahrungen

machen mussten. Andererseits kann der Diskurs

dazu beitragen, dass Opfer „wachgerüttelt“ werden

und sich „den eigenen Wunden zuwenden, die man

schon lange zugepflastert hat“, gibt Sanin zu bedenken

– „es kann natürlich auch retraumatisieren“.

Spannend wird es, wenn ein indirekter Einfluss der Öffentlichkeit

auf die Branche beobachtet werden kann.

„Wir haben mehr Persons of Color, mehr queere Personen,

Transpersonen usw. repräsentiert. Man bekommt mehr

von der Vielfalt, die in der Gesellschaft ist, mit.“ Daher

greift auch die österreichische Filmlandschaft diese

Themen, wenn auch noch vermindert, in den erzählten

Geschichten auf. Dennoch: „Man hat auf der einen

Seite einen progressiven Diskurs und eine sensibilisierte

Öffentlichkeit, beim gleichzeitigen Vorkommen von sehr

konservativen, reaktionären Denkmustern und damit sehr

erschreckenden Vorfällen, die dann passieren“, so Sanin.

Soundwolken aus den Medienräumen

Eine brancheninterne, anonyme Umfrage von Columna

V hat gezeigt, dass mehr als zwei Drittel, der in Österreichs

Medien Beschäftigten, bereits von Machtmissbrauch

betroffen waren. Ulrike Weish, Universitätslektorin

am Institut für Publizistik und Kommunikationswissenschaft

der Universität Wien sowie Radio ORANGE 94.0

Geschäftsführerin ortet ein soziologisches Paradoxon:

In einer Branche wie Journalismus, die für Investigation

und Recherche steht, liest man nur selten über die

eigenen Missstände. Wenn, dann geschieht das meist

über die Sozialen Medien. „Diese sind ein idealer Ort

für das Entstehen einer Austauschkultur. Menschen, die

räumlich voneinander getrennt sind, könnten gemeinsam

reflektieren und sich Mut zusprechen. Die Teilöffentlichkeiten

entwickeln so gruppendynamische Phänomene. Die

werden dann von anderen Medien aufgenommen“, erklärt

Weish. Das Resultat bezeichnet sie als „Soundwolken“.

Wahrnehmbar ist auch, dass Belästigung von Opfern

#we_do! – Do we?

29


Daniel Sanin / © Nina Springer

Ulrike Weish / © Laura Schäffer

erst dann angesprochen wird, wenn sie die

Branche verlassen haben. „Die, die bleiben,

haben sich arrangiert. Die müssen sich mit Berufs-

und redaktionellen Linien abfinden“, gibt

Weish zu bedenken. Oft möchte man auch

dem eigenen Medium nicht schaden und

schweigt. „Es braucht Überwindung, damit die

Außenseiterposition so weit gestärkt wird, dass

ein Übergriff als Übergriff und nicht als Ausnahme,

als Hirngespinst oder als Übertreibung

anerkannt wird“, verdeutlicht Weish.

Die Ursachen der Missstände liegen auch

an einem österreichischen Spezifikum: Es

ist die Winzigkeit des Medienmarktes, der

patriarchalen Organisation als auch der heterosexuellen

Normativität darin. Ein Blick in

den österreichischen Journalismus-Report

von 2020 ist ausreichend, um diese Wahrnehmung

zu bestätigen. Zwar herrschte

2018/19 ein Gleichgewicht zwischen der

geschlechtlichen Verteilung der Journalist

*innen (weiblich 47%; divers k. A.; männlich

53%) und des Durchschnittsalters (weiblich

42,8 Jahre; divers k. A.; männlich 46 Jahre).

Eine Leitungsposition hatten aber fast doppelt

so viele Männer (14%) wie Frauen (8%)

inne.

Für Weish ist es in den letzten Jahren zu einem

Backlash gekommen. Sexualität wird

mit sehr strengen Codes, bisweilen gar als

Tabu etikettiert. „Ich habe das Gefühl, wir

haben in Österreich nicht wirklich den Umgang

mit Freiheit gefunden und haben jetzt wieder

ein konservatives, stark religiöses Frame. Das

lagert sich in die Moralvorstellungen wieder ein.“

Ähnliche Entwicklungen sind eben auch in

der Medienbranche zu erkennen.

Die öffentlich geführten Debatten

Berichterstattung über Belästigung ist auch

an Nachrichtenwerte gekoppelt. Mögliche

Faktoren der Informationsverbreitung

sind dabei Zeit, Nähe, Exklusivität aber

auch Identifikationsmöglichkeiten der

Leser*innenschaft. Weish dazu: „Wenn die

Opfer aus einer Kultur sind, die uns wenig

vertraut ist, wenn die Opfer anonym sind, dann

geht die Story nicht. Wenn es keine Bilder gibt,

geht die Story eigentlich auch nicht. Das hängt

alles sehr stark von diesen Faktoren ab. Aber

wenn man Harvey Weinstein mit einem Rollator

abbilden kann, dann wird er gebracht.“ Für die

von Machtmissbrauch Betroffenen bedeutet

das: Sprechen, Kollaborationen suchen, aber

auch offene Konfrontationen nicht scheuen,

denn so Weish: „Die Täter*innen haben ja ganz

oft nicht eine Identität eines Tabubruchs, sondern

die Identität einer Normalität. Das finde ich so

schwierig. Wir haben eine Erziehungskultur, in

der Männer eine Raubtier-Sexualität positiv

konnotierten – eine Kultur der Abschussspiele,

eine Populärkultur, die gewaltaffin ist. Und dann

wundern wir uns über die Folgen.“

Zeit der Veränderung und des Handelns

Damit stellt sich die Frage, was es braucht,

um mit der Macht der Öffentlichkeit Veränderungen

zu realisieren. Weish ist davon

überzeugt, dass das Problem schon in der

Erziehung begründet liegt: Sich einer Norm

anzupassen, wird vielen von uns schon in

der Kindheit vermittelt. Dabei handelt es

sich allerdings um einen falschen Zugang:

„Wenn ich etwas sehe, das nicht okay ist, dann

reicht es zu sagen: 'Ich sehe hier den Umgang

mit der Person XY oder ich sehe, wie Sie mit mir

sprechen. So bitte nicht.' Man muss sich ja nicht

martialisch mit dem Chef prügeln.“ Kurz gesagt:

Empowerment statt Tragik.

Ulrike Weish weist auch auf den Aspekt

von Zuschreibungen zu Berufen wie

Schauspieler*innen und Models hin.

Übergriffe und schlecht definierte Grenzen

sind, so die landläufige Meinung, zu

erwarten. Interessant ist aber, dass im Detail

Unterschiede gemacht werden. Vergehen

an unbekannten Darsteller*innen werden

gerne als Bagatelle abgetan. Geraten jedoch

Vorwürfe aus etablierten Kreisen an die

Öffentlichkeit, ist mit Empörung zu rechnen.

Dass man im Kollektiv einiges erreichen

und Stärke zeigen kann, davon ist Weish

überzeugt. Vielmehr liefert auch die Mediengeschichte

Beispiele für ein gelungenes

Empowerment: In den 70er Jahren hat das

Magazin Extrablatt in der Weihnachtszeit

ein Cover mit einer nackten, jungen Frau mit

Lametta um den Intimbereich abgebildet.

Daraufhin stattete eine Gruppe von Frauen

dem verantwortlichen Chefredakteur einen

Besuch ab. Sie entblößten ihn, umwickelten

30

#we_do! – Do we?


seinen Körper ebenfalls mit Lametta und spielten die

Bilder dem SPIEGEL zu. Schlagzeilen und Empörung

folgten. Der besagte Chefredakteur hat in seiner weiteren

Berufslaufbahn kein derartiges Cover mehr veröffentlicht.

Weiters ist eine Solidarisierung innerhalb der Medienbranche

durch Interessensbekundung notwendig.

Man soll die eigenen Rechte kennen und Graubereiche

ansprechen. Bevor es zu einem Verbrechen und somit

zu einer Straftat kommt, ist ein fließender Übergang

von unangenehmen oder gewaltvollen Spannungen zu

spüren.

Abschließend äußert Weish den Wunsch, dass innerhalb

der Medien aber auch der Öffentlichkeit sensibilisierend

über Gewalt, Menschenrechte, Geschlechter, Alter,

Ethnien, sexuelle Vorlieben, Wertevorstellungen

und Religionen reflektiert werden soll. Wir haben ein

Recht auf gewaltfreie Arbeitsverhältnisse und eine

offene Debattenkultur: „Beschweren erleichtert und ich

glaube, dass das wichtig ist – Sprechen, aber eben auch

nachfragen!“

Bernd Benedikt RICHTER

Über #we_do!

Im Jahr 2019 wurde auf Initiative des Dachverbands der österreichischen Filmschaffenden

#we_do! die Anlauf- und Beratungsstelle für österreichische Film- und Fernsehschaffende

ins Leben gerufen. Betroffene finden hier Hilfe und Informationen über Arbeitsrechtsverletzungen,

Gewalt, sexuelle Belästigung sowie Diskriminierungen. Weiters unterstützt

#we_do! Produktionsfirmen bei Präventionsmaßnahmen und Schlichtungen, bietet auch

Workshops und Vorträge an.

Von 2019 bis 2023 hat sich die Zahl der Kontaktaufnahmen Betroffener von 24 auf 79 Kontaktaufnahmen

verdreifacht. Dabei wird jede Meldung separat behandelt und als eigener

Fall angeführt, unabhängig von der Situation. Eine individuelle Beratung bei #we_do! kann

entweder schriftlich, telefonisch, mittels Videoanruf oder auch einem persönlichen Gespräch

erfolgen.

#we_do! – Do we?

© Bernd Benedikt Richter


„Hitler war Deutscher, Beethoven

war Österreicher“

Braunau am Inn steht im Mittelpunkt lebhafter Diskussionen über historische

Verantwortung. Die geplante Umgestaltung und Nutzung des Geburtshauses von

Adolf Hitler ist Thema von Kontroversen, welche Filmregisseur Günter Schwaiger

mit seinem Projekt Wer hat Angst vor Braunau begleitete. Das SUMO-Magazin interviewte,

neben Schwaiger, den Historiker und Obmann des Vereins für Zeitgeschichte

Florian Kotanko sowie Zeitzeuge Franz Maislinger zu diesem Thema.

Florian Kotanko / © Verein für Zeitgeschichte

Franz Maislinger / © privat

Günter Schwaiger / © dimdimfilm

„Ich wollte eigentlich einen Film über ein 'neues'

Österreich machen, das sich mit seiner Täter*innen-

und Mitläufer*innen Vergangenheit auseinandersetzt.“,

erklärt Günter Schwaiger die

Idee, den ersten österreichischen Film über

Adolf Hitlers Geburtshaus zu drehen. Das

Projekt fand seinen Anfang, als Schwaiger

erfahren hatte, dass die Sozialeinrichtung Lebenshilfe

das Haus übernehmen sollte, „was

eine symbolische Umpolung des belasteten

Gebäudes mit sich gebracht hätte. Das wollten

wir filmisch begleiten. Wir waren schon voll in

den Dreharbeiten, als plötzlich im Innenministerium

entschieden wurde, nicht eine Sozialeinrichtung

bekommt das Haus, sondern die Polizei.

Da begann dann ein anderer Film.“

„Wer hat Angst vor Braunau“

„Am liebsten wäre es uns ja, wenn Braunau gar

nicht zu Österreich gehören, sondern ein paar

Meter weiter nördlich vom Inn, also in Deutschland

liegen würde. Hitler war ein Deutscher,

Beethoven war Österreicher“ startet der Film

auf eine Frage, wer denn einer der beiden

berühmtesten Österreicher ist. Als erstes

stellt sich die Frage wie die öffentlichen Reaktionen

zum Film waren? Schwaiger: „Schon

vor der Weltpremiere beim Internationalen Film

Festival in Freistadt war die Pressereaktion

unglaublich stark. Am Sonntag vorher brachte

die Kronenzeitung eine Titelgeschichte – 1,6

Million Auflagen. Am nächsten Tag machten wir

eine Pressekonferenz mit 23 internationalen

Medien. Die Reaktion war weltweit – von FAZ,

über das israelische Fernsehen bis zur New York

Times. Hitlers Geburtsort und der eigenartige

Umgang, den Österreich – speziell die politisch

Verantwortlichen – damit immer noch pflegen,

sorgte für großes internationales Aufsehen und

dabei auch für viel Unverständnis.“

Sehr interessant, erläutert Schwaiger

weiter, war für ihn, dass die österreichischen

Politiker*innen sich weigerten, dazu Stellung

zu nehmen. Keine einzige Partei hätte sich

zum Film geäußert. Und das, obwohl Medien

aus der ganzen Welt bei ihnen angefragt

hätten. Das sehe er als bedenklich.

Über das internationale Interesse an der

Stadt Braunau berichtet auch Historiker

Florian Kotanko. Mit den Herausforderungen

und Perspektiven von Gedenk- und

Erinnerungsarbeit beschäftigt er sich sein

Leben lang. Für sein Engagement wurde der

pensionierte Schuldirektor mit dem Goldenen

Verdienstzeichen der Republik Österreich

ausgezeichnet.

Kotanko, Obmann der Zeitgeschichte-Tage,

betont die Bedeutung des Films für die lokale

und internationale Wahrnehmung Braunaus.

Der Film ermutigt die Zuschauer*innen,

sich mit den schwierigen Aspekten der

Vergangenheit auseinanderzusetzen und

zeigt, wie eine Gemeinschaft daran arbeiten

kann, ein neues, positives Image zu schaffen.

Kotanko berichtet, dass die Aufarbeitung

lange gedauert habe. Bis hinein in die 80er

Jahre sei kaum öffentlich über das Gebäude

gesprochen worden. „Erst als immer mehr

'Tourist*innen' Interesse am Geburtshaus

Hitlers hatten, reagierte die Stadt Braunau und

zu Hitlers 100sten Geburtstag wurde schließlich

1989 der Gedenkstein aus dem KZ Mauthausen

vor dem Gebäude aufgestellt.“ Das waren dann

auch die Anfänge seiner Obmannschaft

der Braunauer Zeitgeschichte-Tage. Franz

Maislinger wurde 1937 in Braunau geboren.

Auch er betont, dass sich die Gedenkarbeit

in Braunau im Laufe der Jahre verändert

habe. In seiner Jugendzeit erinnere er kaum,

32

Hitler war Deutscher, Beethoven war Österreicher


©Stadt Braunau am Inn

dass es Interesse an Braunau als Geburtsstadt Hitlers

gegeben hätte. „Man sprach kaum über die Vergangenheit

der Stadt, später wurde es regelrecht zu einem Tabuthema.“

Laut Maislinger sei das Interesse seit Anfang der 80er

Jahre, als die rechtspopulistische FPÖ erstmals als

Koalitionspartner ins Amt kam, gestiegen. Ob es einen

Zusammenhang gäbe oder ob die Zeit einfach reif dafür

gewesen sei, könne man nicht sagen.

Ist Braunau der Geburtsort des Bösen?

Kotanko betont: „Das Haus der Geburt ist der Geburtsort

eines Babys, und das, was Hitler zu dem machte, was

wir mit ihm verbinden, hat sich im Laufe seines Lebens

entwickelt.“ Das besagte Gebäude war vor Adolf Hitlers

Geburt ein Gasthaus. Die Familie war hier nur für eine

kurze Zeit in Miete wohnhaft. Hitler selbst habe sich

nicht für seine Geburtsstadt interessiert: Im Zuge des

„Anschlusses“ 1938 fuhr er einmal kurz durch. Viel

wichtiger war ihm Linz, die Stadt, in der er den Großteil

seiner Kindheit verbracht hat.

Ist Braunau eine „braune Stadt“?

Oberösterreich war laut Kotanko nie ein Hort des

Nationalsozialismus und Braunau war keineswegs

die „braune Stadt.“ Bei demokratischen Wahlen in

der ersten Republik betrug der Stimmenanteil für die

NSDAP in Braunau 7%. In Wien wurden 40% erreicht.

Auch Schwaiger betont, Medien sollten „weg von den

Klischees der 'braunen Stadt' und endlich damit beginnen,

hinter die Kulissen zu sehen. Braunau ist Synonym für die

österreichische Verdrängungskultur. Aber nicht, weil in

Braunau verdrängt wird, denn das geht gar nicht, da die

Stadt ununterbrochen mit dem Fakt von Hitlers Geburt

konfrontiert ist, sondern weil in Österreich die eigene

Schuld sozusagen nach Braunau verdrängt wird. Man

erblickt dort die Schuldigen, weil Hitler dort geboren worden

ist und spricht sich damit selbst von Verantwortung frei.“

Laut Historiker Kotanko ist das eine „Zuschreibung die

bequem und einfach ist, aber in keiner Weise der Realität

entspricht.“ Die Stigmatisierung als „braune Stadt“ und

der institutionelle Umgang mit dem Geburtshaus sei

letztlich eine Metapher für die Nicht-Verarbeitung

unserer Geschichte.

Gedenk- und Erinnerungsarbeit in Braunau:

Eine Analyse

Braunaus offizieller Internetauftritt spiegelt die im Film

dargestellten Bemühungen wider dem Bild einer „braunen

Stadt“ entgegenzutreten. Gedenkstätten, Denkmäler

und Initiativen, die an die Opfer des Nationalsozialismus

erinnern, fördern eine Auseinandersetzung

mit der dunklen Vergangenheit. Vor das Geburtshaus

von Adolf Hitler wurde, auf Veranlassung des Bürgermeisters

Gerhard Skiba im Jahr 1989 ein Mahnstein

aus dem ehemaligen KZ Mauthausen gesetzt. Jedes Jahr

Anfang Mai findet vor dem Mahnstein eine Gedenkfeier

für die Opfer von Krieg und Nationalsozialismus

statt. Seit 1992 werden die Braunauer Zeitgeschichte-Tage

abgehalten. Die Erinnerung an die Opfer wird durch

Straßenbenennungen und Stolpersteine lebendig gehalten.

Allem Anschein nach, tut Braunau also sehr

viel für die Vergangenheitsbewältigung. Nun soll in

das Geburtshaus Hitlers eine Polizeistation kommen

und die Fassade unkenntlich gemacht werden. Warum

kommt das bei der Bevölkerung gar nicht gut an?

Könnte nicht die Polizeistation verhindern, dass es zu

Wiederbetätigung kommt? Maislinger beschreibt, dass

in Braunau einerseits Befürworter*innen stünden, die

für eine Demontage des Gebäudes plädieren, um einen

Pilgerort für Neonazis zu verhindern. Andererseits gäbe

es eine Mehrheit von Unterstützer*innen des Erhalts

des Gebäudes als Mahnmal für die Gräueltaten des

Nationalsozialismus. Auch Kotanko sieht den Umbau

Hitler war Deutscher, Beethoven war Österreicher

33


des Hitlerhauses kritisch. Das Gebäude gehört seit der

Enteignung der langjährigen Besitzerin 2016/17 der

Republik Österreich. Es soll nach dem Umbau eher dem

Gebäude vor Hitlers Geburt entsprechen. Die Vergangenheit

werde also „gelöscht“. Zudem: Ein Zeitungsartikel

aus 1939 zeigt, dass sich Adolf Hitler eine Nutzung

als Amtsgebäude für sein Geburtshaus gewünscht hat.

Somit würde mit der Polizeistation nun sein Wille erfüllt

werden.

Schwaiger dazu: „Das ist in Österreich nach dem 2. Weltkrieg

mit der Nicht-Aufarbeitung der Implikation einer Nation

in das Nazi-Regime passiert, und das passiert heute

wieder. Die Symbolkraft des Hauses und der Wunsch der

Braunauer*innen könnten diesen Ort zu einem international

angesehenen Zentrum der Aufarbeitung machen, oder

als Sozialeinrichtung zu einem Beispiel symbolischer Umpolung.

Eine Polizeistation und eine neue Fassade erinnern

viel zu sehr an das Österreich der Dauerverdrängung der

eigenen Verantwortung.“

Warum jetzt und nicht schon früher?

In der Vergangenheit habe es schon Versuche gegeben,

einen Film über die Vergangenheitsbewältigung

Braunaus zu machen, die aber an der fehlenden

Unterstützung gescheitert sind, berichtet Schwaiger.

Auch die Finanzierung seines Projektes sei schwierig

gewesen. Er habe mit Julia Mitterlehner eine tolle junge

Produzentin an seiner Seite gehabt. Schwierigkeiten

bereitete aber auch, dass es während der Dreharbeiten

zu Veränderungen in der Nachnutzung des Hauses

kam. Aus zwei Jahren wurden so fünf. Schwaiger betont:

„Mit den Brauner*innen gab es keine Probleme. Ganz im

Gegenteil. Wir haben uns sehr respektiert und unterstützt

gefühlt. Ich denke, dass man in der Stadt gespürt hat, dass

wir uns wirklich für sie interessierten und in die Tiefe gehen

wollten.“ Der Film Wer hat Angst vor Braunau wirft auch

eine unangenehme Frage auf:

Nazis, oder direkt in die Nazi-Verbrechen implizierten, von

Mitläufer*innen oder Menschen, die weggeschaut haben,

besteht. Das ist unser Ursprung. Wir sind in der großen

Mehrheit keine Nachkommen der Opfer. Wir müssen endlich

lernen, das zu akzeptieren.“

Kotanko beschreibt den Faktor Zeit als weitere Schwierigkeit:

Die Vergangenheit verschwimmt sehr schnell,

man muss „bedenken, für Kinder sind vielleicht noch die

Gespräche mit den Großeltern relevant, alles davor fühlt

sich weit weg an.“

Ausblick

Insbesondere in einer Zeit, in der Verschwörungsmythen

und Fehlinformationen schnell verbreitet werden

können sieht Kotanko den Druck, der durch Social

Media empfunden wird, alles zu kommentieren

und zu rechtfertigen kritisch. Viele seien durch

diese Überflutung überfordert. Als ehemaliger

Gymnasialdirektor sieht er die Aufgabe der Bildung

darin, den Menschen beizubringen, genauer zu

überlegen und zweite Meinungen einzuholen.

Eine ähnliche Perspektive nimmt auch Filmemacher

Schwaiger ein: „Eine fruchtbare Geschichtsaufarbeitung

kann niemals nur an der Oberfläche und auch nicht nur

wissenschaftlich sein, Aufarbeitung heißt vor allem Reden

und Zuhören.“

Theresa SCHMIDHUBER

Wie steht es um die eigene Familiengeschichte?

Schwaiger betont, er verstehe den Film nicht als Anklage

oder Abrechnung mit der Täteraufarbeitung der

Österreicher*innen, sondern vielmehr als Chance und

Einladung zur Reflexion. Wovor haben wir Angst, wenn

wir zurücksehen?

„Wenn man der Aufarbeitung der Konflikte aus der Vergangenheit

aus dem Weg geht, dann heißt das nicht, dass

sie verschwinden. Man schiebt sie einfach in die nächsten

Generationen. Wir müssen beginnen, in den Spiegel einer

Nation zu blicken, die zum Großteil aus Nachkommen von

34

Hitler war Deutscher, Beethoven war Österreicher

© Max Peternell


© Moritz Böhmer

„Ohne Frauen ist der Krampus fad“

Öffentlichkeit. Eigentlich ein Bereich der Gesellschaft, der der Allgemeinheit offensteht und dem

Austausch und der Verständigung von Informationen und Meinungen dient. Doch in der Weihnachtszeit

betritt man gelegentlich einen Raum, in dem für einige Tage im Jahr die gängigen Normen

und Werte verblassen. Der Krampuslauf, ein „Phänomen“, das wenig belichtet wird, obwohl

es tief in die kulturellen und sozialen Strukturen eingreift und jedes Jahr aufs Neue kontroverse

Debatten über die Grenzen zwischen Brauchtum und Moderne entfacht.

In Österreich kommt man schon in jungen Jahren

schnell und oft unfreiwillig mit den schaurigen Gestalten

in Kontakt. Während die Kleinsten lediglich mit

harmlosem schwarzem Ruß beschmiert werden, geht

es bei den Älteren meist härter zu. Blaue Flecken sind

nicht unüblich. Woher dieses Phänomen kommt, ist

eine umstrittene Frage, erklärt Sozialanthropologin

Gertraud Seiser, welche den Krampus als soziales und

ökonomisches Phänomen erforscht hat. Der oft als

jahrtausendealtes „Brauchtum“ beschriebene Krampus

hat wissenschaftlich gesehen unklare Ursprünge. Erste

Berichte über sie häufen sich erst seit dem 17. Jahrhundert.

Heutzutage gibt es große regionale Unterschiede.

Krampusse treten meist zusammen mit dem heiligen

Nikolaus auf, manchmal begleitet von Engeln. In zotteligem

Tierfell gekleidet, schwer bepackt mit großen

Glocken und in der Hand eine Rute, meist aus Rossschweif

oder Birkenästen, ziehen sie von Haus zu Haus

um die „bösen“ Kinder zu bestrafen, wohingegen der

Nikolaus die „guten“ Kinder belohnt.

Gewalt und Kontroversen

Dieses „Bestrafen“ kann besonders intensiv bei Veranstaltungen

sein, bei denen Krampusse und Zuseher*innen

direkt aufeinandertreffen. Hier schlagen die

Krampusse die Anwesenden mit Ruten, laufen ihnen

hinterher und erzeugen durch lautes Glockengeläut

und wilde Verfolgungsjagden eine eindrucksvolle, aber

auch einschüchternde Atmosphäre. Was für Außenstehende

erstmal völlig absurd klingt, ist für viele

Menschen in alpenländlichen Regionen das Event des

Jahres. Die Frage, warum an bestimmten Tagen Gewalt

und patriarchale Strukturen nicht nur normalisiert,

sondern sogar fast schon verherrlicht werden, wirft

ein Schlaglicht auf die komplexe Beziehung zwischen

Tradition und gesellschaftlicher Akzeptanz. Warum erlauben

bestimmte Praktiken wie der Krampuslauf, dass

sie eine Sonderstellung einnehmen, welche es ermöglicht,

Normen zu überschreiten, die im alltäglichen Leben

sonst kritisch betrachtet oder abgelehnt werden?

Moritz Böhmer, aktives Mitglied der „Gruttenstoana

Krampal“, sagt: „Mit der 'Tradition' kommt auch eine

gewisse Verantwortung. Die Gewalt soll nicht im Vordergrund

stehen. Wir müssen unsere Gesichter und Namen

auch zusammen mit den Masken anmelden. Damit, dass

falls etwas sein sollte, man uns erkennen kann.“ Er läuft

in einer Pass (Krampus-Gruppe), die ausschließlich

familiäre Besuche am fünften und sechsten Dezember

durchführt und sich mit geschnitzten Holzmasken

ohne moderne Verzierungen auf die Vermittlung des

Nikolaustages für Familien konzentriert.

Ohne Frauen ist der Krampus fad

35


Gertraud Seiser / © Universität Wien - Gertraud Seiser

Moritz Böhmer / © privat

Geschlechterrollen unter den Masken

„Der Krampuslauf ist überwiegend männlich

dominiert“, erklärt Seiser. „In bestimmten Regionen

wie dem Gasteinertal und in Teilen Osttirols

ist es strikt eine männliche Angelegenheit,

Frauen dürfen oft nur als Engel teilnehmen und

sind ansonsten ausgeschlossen.“ In der Welt

des Krampuslaufs wird der Mann oft ins

Rampenlicht gestellt und gefeiert, während

Frauen traditionell in unterstützenden Rollen

verharren, etwa als Engel, Opfer oder die,

die sich um die Bedürfnisse der Krampusse

kümmern und sich an den Kosten beteiligen.

Diese Rollenbilder erscheinen stark veraltet,

besonders in einer Zeit, in der der Feminismus

präsenter denn je ist und Frauen immer

noch für Gleichberechtigung kämpfen (müssen).

Laut einer Umfrage der Organisation Plan

International sind solche traditionellen Rollenbilder

auch unter jungen Männern in

Deutschland noch weit verbreitet. Ungefähr

die Hälfte der Männer im Alter von 18 bis 35

Jahren betrachten sich in Beziehungen als

die „Versorger“, die Entscheidungen treffen.

Zudem hält ein Drittel dieser Gruppe es für

hinnehmbar, wenn ihnen in einem Streit mit

ihrer Partnerin gelegentlich „die Hand ausrutscht.“

Weiterhin gaben 34 Prozent der

Befragten an, dass sie in der Vergangenheit

sogar schon handgreiflich gegenüber Frauen

waren, um Respekt zu erzwingen. Diese Einstellungen

spiegeln eine klare Rollenverteilung

wider, die von vielen jungen Männern

erwartet wird: Der Mann verdient das Geld,

die Frau macht den Haushalt. Oder eben der

Mann läuft als Krampus und die Frau versorgt

ihn mit Speis und Trank.

Veraltete Rollenbilder?

Die Frage, ob solche Rollenbilder veraltet sind

oder doch allmählich wieder an Beliebtheit

gewinnen, ist komplex. Es scheint, dass

einige Menschen die traditionellen Rollen

tatsächlich begrüßen, was darauf hindeutet,

dass diese nicht nur aus historischer

Gewohnheit, sondern auch aus persönlicher

Präferenz fortbestehen. „Viele Frauen haben

ihre Rolle im Verein gefunden, sind integriert

und wollen gar nicht, dass sich etwas ändert“,

laut Böhmer. Auch eine Zuseherin berichtet

über ihre eigene Erfahrungen: „Ich gehe

gern zum Krampuslauf, es ist ein Gefühl der

Gemeinschaft. Eine Veranstaltung, wo man

eben hingeht und all seine Freunde trifft. Auch

viele meiner Freunde laufen als Krampusse.

Es ist, glaub ich, dieser Nervenkitzel, das

Weglaufen und Verstecken, das es irgendwie

so interessant macht.“ Laut Seiser würden

Frauen, die aktiv Krampusläufe aufsuchen,

diese in ihrer „aggressiv-männlichen“

Form verteidigen. Es ist also schwierig

sich als Feministin zu positionieren.

Entscheidend ist jedoch, dass Frauen die

Freiheit haben, sich bewusst für oder gegen

eine solche Rolle zu entscheiden.

Die Möglichkeit, wählen zu können, ob man

eine unterstützende Funktion innerhalb des

Vereins oder die des gejagten Opfers im

Krampuslauf einnehmen möchte oder eben

nicht, ist ein zentraler Aspekt der Gleichberechtigung.

Dennoch besteht die Sorge, dass

das Festhalten an Rollenmustern, die innerhalb

solcher „Traditionen“ praktiziert werden,

selbst wenn frei gewählt, strukturelle

Un- gleichheiten weiter verfestigen. Sollte

innerhalb der Öffentlichkeit aber nicht gerade

dieses Muster kritisch beleuchtet und

ein offener Dialog über deren Auswirkungen

auf die Gesellschaft geführt werden? Aktuell

wird der Krampuslauf selten umfassend

diskutiert und medial oft nur im Kontext von

Unfällen und gewaltsamen Vorfällen berichtet.

Doch warum erlangt der Krampuslauf

so eine Faszination?

Es geht offensichtlich nicht um die Bewunderung

eines großen, starken Mannes, denn

das ist die Darstellung des Krampusses in

Österreich allemal nicht. Dieser wird dargestellt

als alter Mann mit schiefen Zähnen,

Eiterbeulen und allen möglichen wenig

ansprechenden Charakteristiken. „Es ist in

erster Linie das Gefühl der Gemeinschaft innerhalb

der Vereine, aber auch innerhalb der Gemeinden,

das den Krampuslauf ausmacht“, so

Böhmer. Viele Menschen sind in den Prozess

involviert und schufen Kunst in Form von

Maskenschnitzereien und anderen handwerklichen

Leistungen. Man kenne es aus

36

Ohne Frauen ist der Krampus fad


Kindheitstagen und es sei schon ein gewisser Stolz,

diese „Tradition“ weiterführen zu dürfen. „Dass diese

Läufe nicht ausarten, liegt in der Verantwortung der Vereine“,

unterstreicht er. Wie es scheint, wäre also eine

qualitativ hochwertige Berichterstattung, die auch die

positiven Aspekte beleuchtet, hilfreich, um ein tieferes

Verständnis dafür zu entwickeln, was wirklich hinter

diesem Phänomen steckt.

Von Engeln zu Krampussen

Mittlerweile gibt es auch bereits die Möglichkeit für

Frauen, als Krampusse aktiv teilzunehmen. In Salzburg

beispielsweise existieren inzwischen rein weibliche

Krampuspassen sowie gemischte Passen, wo

Frauen auch gerne aktiv als Krampus mitlaufen. Dies

zeugt von einer bedeutenden Entwicklung und Erweiterung

der traditionellen Rollen innerhalb dieser Bräuche.

Allerdings merkt Böhmer auch an, dass in seiner

Gruppe noch überhaupt keine Frau jemals angefragt

hätte, als Krampus mitzulaufen. „Das liegt wahrscheinlich

auch am immer noch bestehenden Rollenverständnis.

Mädchen bekommen vielleicht von klein auf gesagt,

dass sie, wenn überhaupt, als Engel teilnehmen sollten

und nicht als Krampus.“ Er hätte aber grundlegend

nichts dagegen, eine Frau als Krampus aufzunehmen.

Es ist also schwierig ein Richtig oder Falsch zu definieren.

Insbesondere, weil Bräuche oft etwas sind, das

Menschen etwas Vertrautes und Schönes beschert und

an dem sie festhalten können. Die Frage bleibt deshalb:

Wann ist Brauchtum noch Brauchtum und wann

ist es an der Zeit etwas zu ändern, vor allem wenn sich

um diesen Raum herum gesellschaftlich so viel ändert?

Sollten oder dürfen Bräuche verändert werden,

besonders wenn es scheinbar keinen echten Willen zur

Veränderung gibt? Die Entwicklungen in Salzburg lassen

folgenden Schluss zu: Es ist wichtig diesen Raum,

der jedes Mal geöffnet wird, nicht wieder zu schließen,

um einen fortlaufenden Austausch von Informationen

und Meinungen zu ermöglichen. Dies erlaubt es sowohl

Frauen als auch Männern, sich aktiv zu positionieren

und ihre Rollen selbst zu wählen. Eine öffentliche Auseinandersetzung

sowie eine qualitativ hochwertige

Berichterstattung in Medien zu diesen Themen sind

dafür entscheidend, um sicherzustellen, dass Bräuche

sich weiterentwickeln und an die sich wandelnden gesellschaftlichen

Werte anpassen.

Elea PILZ

Wohnen am FH Gelände

Campus Domus St. Pölten

Studentenwohnhaus

campus-domus

Die Anlage besteht aus 6 Häusern mit insgesamt 86 Wohngruppen

mit je drei Einzelzimmern, 1 Küche, 2 Bädern, 1 WC + 1 Vorraum. Jedes

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vollständig eingerichtet. Ebenso ist die Küche vollständig möbliert.

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Umsatzsteuer von derzeit 10% - EUR 350,-- pro Monat. In jeder

Wohngruppe gibt es WLAN mit unlimitiertem Internetzugang.

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Information und Anmeldung

Domus Liegenschaftsverwaltungs-Gesellschaft m.b.H.

Herzogenburger Straße 69, 3100 St. Pölten

anmeldung@campus-domus.at, Tel.: 02742/ 90 500

www.campus-domus.at

Ohne Frauen ist der Krampus fad

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Rebellische Wellen: Piratenradio und Radio

Caroline im Kampf um mediale Freiheit

Die Entstehung von Piratenradiosendern in den frühen 1960er Jahren war eine Antwort auf die

rigiden, staatlichen Kontrollen des Rundfunks. SUMO sprach mit Schlüsselfiguren aus der damaligen

Szene, konkret Steve Conway und John Simons über Radio Caroline. Dieser Sender revolutionierte

die Radiolandschaft und gilt bis heute als Vorreiter für die Freiheit der Medien und die Bildung

pluralistischer Öffentlichkeiten.

Piratenradio: Ein Name, der nicht von ungefähr

kommt

Radio Caroline wurde 1964 vom Musikproduzenten

Ronan O'Rahilly gegründet als eine Alternative zu den

staatlich kontrollierten Sendern. Der Sender begann

seine Übertragungen von einem Schiff in internationalen

Gewässern. Der Grund dafür? Mit dieser Strategie

war es möglich, die strengen britischen Rundfunkgesetze

zu umgehen. Diese Aktion war ein technologischer

und ein kultureller Durchbruch. Er machte den

Weg für vielfältigere, musikalische Inhalte frei. Steve

Conway, ehemaliger Moderator bei Radio Caroline, berichtet

über diese Zeit: „In den 60ern, 70ern und 80ern

betrieben die Menschen Piratensender, weil es keine andere

Möglichkeit gab, den Leuten Zugang zu Musik zu eröffnen,

die das Mainstream-Radio nicht spielte.“

Die britische Regierung reagierte schnell mit der Einführung

des Marine Broadcasting Offences Act von 1967,

der die Übertragungen von Schiffen aus illegal machte.

Radio Caroline setzte seine Sendungen fort und trotzte

im Kampf um das Recht auf freie Meinungsäußerungen

den gesetzlichen Einschränkungen. Diese standhafte

Haltung machte den Sender zu einem Symbol des

Widerstands gegen mediale Zensur und beeinflusste

nachhaltig die Diskussion um Medienfreiheit in Europa.

Wie Conway erzählt, war der Preis für diese subkulturelle

Aktivität ein hoher und das Leben an Board

keineswegs bequem: „Wir scherzten immer das Leben

offshore auf dem Schiff war wie ein Gefängnis, nur mit

schlechterem Essen. Das Schiff war 18 Meilen vor der Küste

und obwohl die Behörden Caroline in diesen internationalen

Gewässern nicht direkt berühren konnten, machten

sie es sehr schwierig Nachschub zu bekommen. Es gab ein

Gesetz in Großbritannien, das besagte, dass britische Personen

und Firmen nicht bei Caroline werben oder sie versorgen

durften. Und Boote durften keine Vorräte bringen.

Ähnliche Gesetze gab es in anderen europäischen Ländern.

Unsere Versorgungsboote, die wir Tender nannten, waren

sehr geheim. Es waren nächtliche Operationen. Ein Versorgungsschiff

kam alle zwei bis vier Wochen.“ Für die Crew

an Board von Radio Caroline aber bedeutete das: „Sobald

man draußen war, war man wirklich draußen, mit etwa

12 anderen Menschen auf dem Boot. Man sah wochenlang

niemand anderen, bis das nächste Versorgungsschiff

kam. Man hielt den Sender am Laufen und manchmal gab

es reichlich Nahrung, manchmal weniger. Besonders im

Winter konnten die Versorgungslinien gestört sein, und es

dauerte noch zehn Tage länger wegen schlechten Wetters.

Dann überlebten wir mit Dosenbohnen und Reispaketen,

aber es machte großen Spaß. Es war eine intensive Erfahrung.“

Technologische Innovationen und kultureller

Einfluss

John Simons, ein britischer Radioberater, der seit über

40 Jahren in der Branche tätig ist, erinnert sich an diese

Zeit aus der Perspektive des Zuhörers: „Ich habe Piratenradio

gehört, aber ich lebte im Norden Englands und Radio

Caroline konnte anfangs nur im Süden Englands empfangen

werden. Es hatte einen sehr starken AM-Sender, der

den gesamten Südosten abdeckte, einschließlich London,

was das Hauptziel war. Schließlich starteten sie Radio Caroline

North sowie Radio Caroline South. Das Problem war

noch immer, dass es an der Westküste war und ich an der

Ostküste lebte. Meine Piratenradio-Erfahrung war deshalb

eine Station namens Radio North Sea International, die an

der Ostküste Englands lag.“

Tatsächlich war Radio Caroline technisch ein Vorreiter

in der Nutzung von AM-Frequenzen, um eine breite

Zuhörerschaft zu erreichen. Kulturell spielte der Sender

damit eine zentrale Rolle bei der Verbreitung von Rockmusik

und beeinflusste maßgeblich die Musikszene

in Großbritannien und darüber hinaus. Künstler*innen

und Bands, die von Radio Caroline gespielt wurden, wie

die Beatles und die Rolling Stones, erlebten oft einen

signifikanten Karriereschub. Simons reflektiert: „Ich

denke, die Beatles wären so oder so erfolgreich gewesen,

weil sie einfach außergewöhnlich waren und vier unglaublich

talentierte Individuen, die unabhängig von allem Erfolg

gehabt hätten. Die BBC unterstützte die Beatles, die Rolling

38

Rebellische Wellen


Stones und ähnliches. Ich denke jedoch, dass die

Musikexplosion der 1960er Jahre durch das Piratenradio

angeheizt wurde. Es hätte nicht so

viele britische Bands gegeben. Man denke etwa

an Gerry and the Pacemakers, die Kinks, die

Rolling Stones, Herman’s Hermits, die Animals

aus Newcastle.“ Dieser These stimmt auch

Conway zu: „Piratenradio hatte zwei wichtige

Auswirkungen: Erstens ermöglichte es den Zugang

zu mehr Musik und zu Musikrichtungen,

die im Mainstream-Radio nicht gespielt wurden.

Wenn man als Band nicht im Mainstream

war, war Piratenradio in den 60ern, 70ern oder

80ern eine einflussreiche Alternative. Heute bekannte

Bands wie Status Quo sprechen darüber,

wie Caroline ihnen geholfen hat. Zweitens wird

oft gesagt, dass es ohne Caroline kein richtiges

Radio in Großbritannien gegeben hätte. Vielleicht

wäre es trotzdem so gekommen, wie es

heute ist. Aber Caroline und die anderen Piraten

beschleunigten diese Entwicklung.“

Im Vergleich zur österreichischen Radiogeschichte

wurde das kommerzielle Radio in

Großbritannien 1973 eingeführt. Simons

beschreibt: „Die ersten beiden Stationen wurden

in London gestartet. Zuerst gab es eine

Sprachstation namens LBC und kurz darauf die

zweite, Capital, eine Vollservice-Musikstation,

die auch viel Sprache beinhaltete. In dem Teil

Englands, in dem ich lebe, im Nordosten Englands,

bekamen wir 1975 lokales Radio. Meine

lokale Station hieß Radio Tees.“ Wie reagierte

die BBC auf diese Änderung der Rahmenbedingungen?

Simons zufolge bot die BBC in

ihrer Rolle als Monopolist Inhalte, von denen

die Radiomacher*innen dachten, dass die

Leute es hören wollen.

Die Radiopiraten gaben den Menschen

hingegen, was sie tatsächlich wollten. Für die

BBC war das folglich ein Lernprozess, da der

neue Act dramatische Änderungen mit sich

brachte. Conway schreibt Radio Caroline eine

nachhaltige Wirkung zu: „Die Revolution der

vielen lizenzierten Radiosender in den frühen

90ern wäre ohne die Piratenstationen vielleicht

erst fünf oder zehn Jahre später passiert.“

Wenngleich das Senden ab 1973 offiziell

erlaubt war, Radio Caroline blieb ohne Lizenz

und sendete weiter auf See. Dazu Conway:

„Dann kam das große Unglück, der Schiffbruch

1991. Ein heftiger Sturm mit Windstärke elf

aus Nordost ließ unsere Ankerkette reißen

und wir trieben auf eine Sandbank an der

britischen Küste. Das Schiff lag in einem

45-Grad-Winkel, und wir dachten, es würde

kentern. Wir mussten die Küstenwache rufen

und wurden per Hubschrauber gerettet. Das

war sehr beängstigend, weil wir nicht wussten,

ob das Schiff kentern würde, bevor wir gerettet

wurden. Ein Rettungsboot lief ebenfalls auf

Grund und konnte uns nicht helfen. Das war ein

dramatischer Morgen. Leider driftete das Schiff

in britische Gewässer, und als es geborgen

wurde, wurde es in den Hafen von Dover

gebracht. Das war das Ende für Caroline auf

See.“

Das Erbe von Radio Caroline

Trotz vieler Herausforderungen und der

zwischenzeitlichen Einstellung seiner Aktivitäten

blieb Radio Caroline einflussreich. Im

Jahr 2017 erhielt der Sender schließlich eine

offizielle Lizenz und sendet nun legal. Diese

Entwicklung zeigt nicht nur die Resilienz des

Senders, sondern auch die langfristige Anerkennung

seiner Bedeutung für die Medienlandschaft.

Simons betont: „Also, das Einzige,

was in meinen über 40 Jahren im Radio konstant

geblieben ist, ist der Wandel. Man muss mit

dem Wandel gehen. Man kann nicht stillstehen.

Man muss ständig vorwärts gehen. Und das ist

der Grund, warum wir Radio so sehr lieben.“

Peter ZAPFEL

Steve Conway / © privat

John Simons / ©privat

© Sophie Mantler

Rebellische Wellen

39


© Max Peternell


Selbst ist der Autor: Eine neue Ära des

Schreibens und Veröffentlichens

Der Weg, Bücher an die Öffentlichkeit zu bringen, hat sich in den letzten Jahren stark verändert.

Jenseits von Verlagsmodellen, schaffen viele ambitionierte Schriftsteller*innen Erfolg durch

Self-Publishing. Um die Demokratisierung der Publikationsprozesse und den modernen Buchmarkt

zu bewerten, trifft sich das SUMO-Magazin mit Hannes Steiner, Gründer von Story.One und mit den

Autorinnen Emily Bold und Nicole Richter, die unterschiedliche Wege, der Buchveröffentlichungen

beschritten haben.

Ein weiteres Kapitel ist fertig, 300 Seiten vollgepackt

mit Geschichten, Anekdoten, Metaphern und Charakteren,

die du allein in deinem Zimmer nach der Schule

geschrieben hast – um Gefühle und Gedanken zu sortieren.

Wenig später findet sich eine Plattform: „Cool,

mit nur 39 Euro das Buch online in 6.000 Buchhandlungen

veröffentlichen.“ Impulsiv wird auf Veröffentlichen

gedrückt. Du arbeitest lange daran, entwirfst ein Cover,

deine Freund*innen helfen dir. Nach der ISBN-Vergabe

stehen die ersten Exemplare wenig später vor der eigenen

Haustür. Durch eine Instagram-Story erreichst du

deine 200 Follower*innen, vierzig von denen schreiben

zurück, zwanzig von ihnen kaufen dein Buch. Das erste

Geld, das du durch dein eigenes Buch verdienst. Du

fühlst dich wie Jane Austen. Bis du siehst, dass du auf

Seite zwanzig die falsche Präposition benutzt hast und

schon etliche Gleichgesinnte ihre Bücher professioneller

und kreativer veröffentlichen. Braucht es mehr, um

Bestsellerautor*in zu werden?

Jenseits der Verlagswelt

Der größte deutsche Self-Publishing Anbieter Books

On Demand präsentiert in einer Umfrage aus 2023,

dass 49,1% der Deutschen davon träumen, ein eigenes

Buch zu schreiben. „Warum sollte sich nicht jeder

ein Stück vom Kuchen abschneiden können?“, denkt sich

Emily Bold. Die deutsche Autorin begann ihre Karriere

2011 über Self-Publishing, indem sie ihre ersten

Geschichten auf der Kindle Direct Publishing Plattform

veröffentlicht und somit als E-Book auf Amazon angeboten

hat. Seit ihrem Debüt mit dem selbstveröffentlichten

Buch Gefährliche Intrigen hat die Autorin

ganze Jugendbuchreihen verfasst. Ihre Werke wurden

in verschiedene Sprachen übersetzt und sogar als Hörbücher

adaptiert – angefangen hat es mit der eigenen

Idee und dem eigenen Handeln. Es entstanden über

die Zeit zusätzliche Self-Publishing Plattformen, die

Menschen denselben Traum erfüllen sollen, ihr eigenes

Buch zu veröffentlichen. Nachdem vergeblich an Verlagstüren

geklopft wird, entscheiden sich immer mehr

Menschen für alternative Formen ein Buch zu publizieren.

Bei Self-Publishing Plattformen liegt die absolute

Kontrolle des Buchlayouts, der Preisgestaltung, des

Inhalts sowie die Vermarktung bei den Autor*innen.

Dabei müssen sie wenig, bis gar keine Vorabkosten liefern,

da viele Plattformen einen Teil der Verkaufs- erlöse

als Gebühr behalten. Self-Publishing ist in der Form

jedoch keine neue Erfindung, die erst mit den Technologien

unserer Zeit ermöglicht wurde, sogar in den

Biografien von Friedrich Schiller wird erwähnt, dass er

damals schon sein Vermögen in die Veröffentlichung

seiner ersten Werke investiert hat. Heutzutage geht es

einfacher und kostengünstiger denn je, eigene Texte zu

veröffentlichen. Schnell kannst du in der U-Bahn noch

ein Gedicht auf Instagram hochladen oder einen Blogeintrag

vor dem Schlafengehen veröffentlichen. Trotz

des schnellen Postens in den Sozialen Medien, hat das

Veröffentlichen von traditionellen Büchern noch immer

einen bedeutenden Wert.

Story.One: Von der Geschichte zum Bestseller

„Bücher sind nicht vergänglich, sie haben etwas Ewiges.

Alle schreiben Bücher, wenn es wirklich wichtig ist“, sagt

Hannes Steiner und erwähnt, dass das Buch noch

immer als etwas Wahres und für Diktaturen sogar als

etwas Gefährliches angesehen wird. Hannes Steiner,

der ehemalige Gründer und Verleger von Ecowin, trifft

täglich auf die Magie die Bücher in sich tragen. Seiner

Meinung nach, sollten auch alle die Chance bekommen,

mit ihren Geschichten zu der Magie beizutragen. „Es

ist etwas total Frustrierendes, Menschen zu sagen, dass

sie etwas nicht machen sollen, auch wenn sie es großartig

machen.“ Daher verließ er die traditionelle Arbeit

im Verlagshaus und gründete die Plattform Story.One.

Während bei Verlagen viele Manuskripte abgelehnt

werden, soll hier jeder seine Möglichkeit haben sich

dem Schreiben zu widmen. Momentan sind schon fast

14.000 Bücher durch Story.One entstanden. Der Ansatz

der Plattform ist aber nicht genau derselbe wie der von

Self-Publishing, denn der Kreativität der Menschen wird

Selbst ist der Autor

41


Hannes Steiner / © privat

Emily Bold / © privat

Nicole Richter / © Simone Attisani

ein fixer Rahmen gegeben und die Seitenanzahl

sowie das Cover der Bücher sind von

der Plattform vorgegeben. Alle Aufgaben,

die sich nicht mit dem Herstellen des Inhalts

beschäftigen, werden von dieser neuen Verlagsform

übernommen. Im Rahmen eines

bestimmten Layouts, können Menschen

ohne Hürden Kurzgeschichten auf die Plattform

stellen. Dies geschieht barrierefrei,

kostenlos, ist für alle zugänglich – und auch

in gedruckter Form möglich. Mit Wettbewerben

wie dem Young Storyteller Award, der von

Thalia unterstützt wird und Buchchallenges

auf der Plattform, bekommen Autor*innen

Chancen, mit ihren Büchern eine große Leserschaft

zu erreichen. Manchmal reicht

auch ein TikTok, um die Aufmerksamkeit der

Massen zu erhalten. Hannes Steiner schildert,

wie ein davor unbekannter Teilnehmer

am Young Storyteller Award mit einem Social

Media Post über sein Buch plötzlich 200.000

Aufrufe erhielt.

Self-Publishing: Ein neues Kapitel in

der Buchbranche

Abgesehen von dem leichten Erreichen möglicher

Leser*innen, bietet Self-Publishing

viele andere Vorteile. Autorin Emily Bold

teilt mit, dass sie davon profitiert keine Abgabefristen

oder Vorgaben zu ihren Werken

zu haben. „Die Freiheit schreiben zu können,

was man möchte, ist unbezahlbar“, meint die

deutsche Schriftstellerin. Viele große Namen

finden ebenso Gefallen an dieser Veröffentlichungsform.

Stephen King, um nur einen zu

nennen, begann nach seiner schon erfolgreichen

Karriere seine Bücher in seinem eigenen

Verlagshaus zu publizieren. Denn Autor*innen

haben es nach ihrer schon langen

Karriere nicht mehr notwendig, mit Verlagen

zu verhandeln oder das Geld für ihre Werke

zu teilen. Zusätzlich liegt das Urheberrecht

ihrer Bücher somit voll und ganz bei ihnen.

Auch beginnende Autor*innen müssen nicht

auf das „Go“ der Großen warten, denn mit

Self-Publishing nimmt man es selbst in die

Hand. Hannes Steiner ist der Meinung, dass

man sich nicht auf das Auswahlverfahren

der Verlage verlassen muss. Viele träumen

davon entdeckt zu werden, aber es zeigt

sich, dass die großen Autor*innen es nicht

zufällig geschafft haben, sondern viel Arbeit

und anderes Können in ihre Karriere reingesteckt

haben. Während sich damit bei Verlagen

ein ganzes Team beschäftigt, verkörpert

all diese notwendigen Berufe, um einen

Bestseller zu erreichen, bei Self-Publishing

eine einzige Person. Die Vorstellung, dass

Self-Publishing durch das alleinige Arbeiten

amateurhaft und wertloser als Verlagswerke

sei, ist veraltet und entspricht nicht der

Wahrheit. Emily Bold hebt hervor, wie selbst

veröffentlichte Werke mit enormem Einsatz

und dem Anwenden der unterschiedlichen

Kompetenzen durchaus professionell erarbeitet

und in guter Qualität abliefert werden.

Viele Konsument*innen beklagen sich

darüber, dass Self-Publishing Produkte

nicht lektoriert sind und daher viele Fehler

aufweisen. Durch eine schlechte Erfahrung

mit einem Self-Publishing Buch lehnen viele

Leser*innen das Kaufen dieser Bücher

komplett ab. Für die Leserschaft bedarf es

daher einer qualitativen Prüfung der Orthografie

und der Grammatik, die oft von einer

einzelnen Person schwer erledigt werden

kann. Nicole Richter, die jahrelang im Styria

Verlag tätig war und selbst Autorin und

Bloggerin ist, berichtet, dass es sich, im Vergleich

mit Self-Publishing, bei einem Verlag,

um ein professionelles Netzwerk handelt,

das die Autor*innen bei allen Aspekten der

Buchpublikation unterstützt. Somit können

sich die Schriftsteller*innen auf die kreativen

Aspekte fokussieren.

Die Verlagsarbeit ist auch mit Kompromissen

über geschriebene Inhalte verbunden,

die jedoch mitunter häufig mit besseren Verkaufszahlen

belohnt werden. „Vom Lektorat

über die Grafik, Werbung bis zu dem Vertrieb“,

zählt die Autorin auf, „bei all diesen Bereichen

hat man einen professionellen Partner an der

Seite.“ Trotzdem betont Frau Richter, dass

beide Parteien arbeiten müssen und die

Schriftsteller*innen noch immer die große

Verantwortung tragen. Vor allem die Selbstvermarktung

wird für Autor*innen in allen

Verlagsmodellen selten abgegeben. Hannes

Steiner beobachtet, dass es derzeit kaum

erfolgreiche Autor*innen gibt, die nicht über

ein großes Netzwerk verfügen und dies auch

nutzen, um mit ihrer Leserschaft zu kommunizieren.

Für diese Kommunikation sind

42

Selbst ist der Autor


© Sophie Mantler

die Sozialen Medien ein wichtiges und oft eingesetztes

Werkzeug, wie man es schon an dem Hashtag BookTok

sieht. Dieses beliebte Hashtag auf TikTok hat über 200

Millionen Aufrufe.

Das Thema Buch bleibt somit auch im digitalen Bereich

ein wichtiges Medium. Für Self-Publisher, die sich

schon um alles andere kümmern müssen, ist es auch

eine Herausforderung, sich eine Reichweite aufzubauen.

Emily Bold blickt auf ihre Karriere zurück und

merkt selbst, dass Sichtbarkeit erlangen und diese

auch zu behalten mit viel Arbeit verbunden ist. „Man

kann sich nicht darauf verlassen, dass die Leser*innen

zurückkommen, denn digitales Lesen ist trotz allem auch

digitales Vergessen.“ Außerdem darf man sich wiederum

nicht auf die romantische Vorstellung verlassen,

dass ein Buch veröffentlicht wird und aus dem Nichts

Bekanntheit findet. Nicole Richter untermauert, dass

Autor*innen alle Möglichkeiten nutzen müssen, sei es

online auf Social-Media-Kanälen oder offline durch Lesungen,

um sich in der Branche sowie bei Leser*innen

einen Namen zu machen.

Viele Wege führen zum Buch

„Ich bin im Selbstverlag groß geworden und fand es immer

wunderschön, aber es war ein erhebendes Gefühl als mein

erstes Hardcover Jugendbuch tatsächlich dann im Buchladen

stand“, sagt Emily Bold und hebt zusätzlich hervor,

dass ein Verlagsmodell das andere nicht ausschließt.

Signieraktionen von Buchläden geschehen einem im

Self-Publishing wohl kaum, dennoch wird eine kreative

Freiheit und schnelle Realisierung der Bücher geboten,

die im Verlagswesen nicht möglich ist. Emily Bold ist

froh, dass sie beides machen kann und als Autorin somit

etliche Möglichkeiten hat, ihre Geschichten zu erzählen.

„In der Literatur gibt es auch so etwas wie Fast Food, das

auf einem E-Book Reader für 3,99 € perfekt wegkonsumiert

werden kann.“ Die Deutsche meint, dass dafür kein

Verlag nötig sei, der diesen Preis gar nicht halten kann.

Als Autor*in kann man daher auf alle Veröffentlichungsoptionen

zurückgreifen. Hannes Steiner bringt es auf

den Punkt, indem er sagt: „Ein anderes Wort für Autor*innen

heutzutage ist das Wort Content Creator und da ist es

egal, ob ich ein Video mache, einen Text schreibe oder wie

ich etwas publiziere. Es geht um die Geschichten“.

Die Vielfalt zum Erfolg

Wie wird man nun ein*e Bestsellerautor*in? Self-

Publishing bietet jedem*jeder Autor*in die Möglichkeit,

den eigenen Erfolg individuell zu definieren und zu

verfolgen. Für manche mag der Traum darin bestehen,

ihr Werk im Buchladen zu sehen und damit eine gewisse

Berühmtheit zu erlangen. Für andere ist allein der

Abschluss ihres Buchprojekts bereits ein Triumph. Diese

Vielfalt in den Zielen und Definitionen des Erfolgs zeigt,

dass Self-Publishing eine facettenreiche Landschaft

ist, in der jeder seinen Platz finden kann. In dieser

Dynamik des Self-Publishings spiegelt sich der Wandel

in der Buchbranche wider. Die traditionellen Barrieren

sind gesunken und die Vielfalt in den Bücherregalen

hat zugenommen. Es ist ein Modell, das nicht nur

den Zugang zur Veröffentlichung erleichtert, sondern

auch die kreative Freiheit fördert und die Grenzen der

Literatur erweitert.

Sophie MANTLER

Selbst ist der Autor

43


Community Medien: Die Stimme des Volkes

Meinungsbildung, Orientierung, Unterhaltung. Medien spielen eine wichtige Rolle in der Gesellschaft

und gelten als Basis für öffentliche Kommunikation. Die Relevanz des nichtkommerziellen

Rundfunksektors bleibt allerdings oftmals unbeachtet. Um zu ergründen, was diesen Mediensektor

besonders macht, hat SUMO mit den Geschäftsführern von COMMIT und OKTO, Helmut Peissl und

Christian Jungwirth, gesprochen.

Offiziell wird das Rundfunksystem in Österreich als dual

bezeichnet und in den öffentlich-rechtlichen sowie den

privaten Sektor aufgeteilt. Bei genauerer Betrachtung

kann auch der private Mediensektor wiederum in zwei

Teile gespalten werden. Dadurch entstehen zum einen

der kommerzielle und zum anderen der nichtkommerzielle

Rundfunksektor. In gewisser Weise handelt

es sich somit um ein triales System.

Die Besonderheiten von Community Medien

Der nichtkommerzielle Rundfunk unterscheidet

sich in vielen Punkten deutlich von den anderen

beiden Medienbereichen. Das lässt sich vor allem

am Erlösmodell erkennen. Für Community Medien

gilt die für nichtkommerzielle Medien verpflichtende

Werbefreiheit. Die rechtliche Grundlage für Community

Medien bildet die Charta der freien Medien in der

auch die ethischen Rahmenbedingungen geregelt

sind. Der Geschäftsführer des Community Medien

Instituts für Weiterbildung, Forschung und Beratung,

Helmut Peissl, betont, dass bei nichtkommerziellen

Medien das Interesse für die absolute Maximierung

der Seher*innen- und Hörer*innenzahl wegfällt. Das

unterscheidet sie von den öffentlich-rechtlichen

und privatkommerziellen Sendern. Zudem weist

Christian Jungwirth, der Geschäftsführer des

Community TV-Senders OKTO, darauf hin, dass

nichtkommerzielle Medien in erster Linie der

Zivilgesellschaft dienen und eine ergänzende Funktion

zu den Medien des dualen Rundfunksektors erfüllen.

Eine weitere Besonderheit von Community Medien

ist der partizipative Charakter, der sich bei kaum

einem anderen Medium in dieser Form wiederfindet.

Freie Radios und Community TV-Sender bieten den

Bürger*innen einen offenen Zugang zu medialer

Infrastruktur und ermöglichen es ihnen, ihre Meinungen,

Ansichten und Erfahrungen mit der Öffentlichkeit zu

teilen. Laut Peissl ist dieser Aspekt besonders für die

Meinungsvielfalt in einer demokratischen Gesellschaft

förderlich, da sowohl die Themen- als auch die

Angebotsvielfalt gesteigert werden. Zudem muss man

sich in diesem Kontext die Frage stellen, wer überhaupt

zur Sprache kommt, da die mediale Darstellung immer

mit dem Hintergrund des Mediums oder der Meinung

der Produzent*innen zusammenhängt. In Community

Medien kommen insbesondere jene Personen zu Wort,

die von bestimmten Situationen direkt betroffen sind

und über die in den kommerziell orientierten Medien

vorwiegend aus zweiter Hand berichtet wird. Dabei

haben beispielsweise obdachlose Menschen die

Gelegenheit, selbst Inhalte zu produzieren, um ihre

persönliche Perspektive beizusteuern. Zudem hält

Peissl fest: „Durch diese Logik der Nicht-Kommerzialität

und des offenen Zugangs stellen sich fast automatisch

Themen ein, die eben ergänzend sind zu den großen anderen

Medien.“ Diesen Aspekt greift auch Jungwirth auf, indem

er auf den hohen Migrationsanteil in der Bevölkerung

Wiens hinweist. In anderen Mediensektoren werden

die Bedürfnisse dieser Communities nur unzureichend

bedient. Im nichtkommerziellen Rundfunk achtet man,

so Jungwirth, deshalb gezielt darauf: „Was gibt es in

den Bereichen der Programmlandschaft der öffentlichrechtlichen

und privatkommerziellen nicht, auch bezüglich

entsprechender Zielgruppen dahinter.“ Somit ist OKTO bei

sozialen Randgruppen besonders reichweitenstark,

da es so gut wie keine Konkurrenz aus anderen

Mediensektoren gibt.

Community Medien vs. Soziale Medien

Eine Assoziation, die häufig entsteht, wenn von Partizipation

und Interaktion die Rede ist, ist das Internet und

in weiterer Folge die Sozialen Medien. Ähnlich wie in

den nichtkommerziellen Medien werden auch in diesem

Bereich die Rezipient*innen zu den Produzent*innen.

Aber werden Community Medien dadurch nicht überflüssig?

Um diese Frage zu beantworten, weist Peissl

besonders auf die wirtschaftlichen Unterschiede der

beiden Medienfelder hin. Bei Social Media Plattformen

handelt es sich vorrangig um kommerzielle Unternehmen,

die Inhalte als Mittel zum Zweck verwenden, um

Reichweite für Werbekund*innen zu generieren. Zudem

kommunizieren die Menschen hauptsächlich als Individuen

und der soziale Rahmen, wie er bei Community

Medien vorhanden ist, fehlt. Das wirkt sich auch auf

das Verständnis der ethischen und rechtlichen Regelungen

aus und wie diese im Unternehmen gelebt wer-

44

Community Medien


den. Bedrohung für den nichtkommerziellen

Rundfunk sieht Peissl die Sozialen Medien

deshalb nicht. Man hat zwar zeitweise über

die Unterschiede zwischen Community Medien

und Sozialen Medien aufklären müssen,

aber mittlerweile ist die Abgrenzung deutlicher.

Zudem werden die Sozialen Medien

auch von nichtkommerziellen Medienunternehmen,

wie beispielsweise dem Community

TV-Sender OKTO, verwendet, um Inhalte

zu verbreiten. Diesbezüglich spricht Christian

Jungwirth den möglichen Konflikt an, der

entstehen kann, wenn ein nichtkommerzielles

Medium Inhalte auf einer kommerziell

orientierten Plattform publiziert. Auf der einen

Seite würden stark ideologiegetriebene

Community Medien dieses Konzept mit der

Begründung des „bösen Kapitals“, das im

Hintergrund stehe, ablehnen. Auf der anderen

Seite hat man jedoch erkannt, dass die

eigenen Möglichkeiten ohne diese Verbreitungsoptionen

deutlich eingeschränkt sind.

Besonders eine jüngere Zielgruppe kann

über soziale Netzwerke erreichbar gemacht

werden.

Jungwirth selbst vertritt allerdings die dritte

Strategie. Er rät, sich in „die Höhle des

Löwen“, also in die sozialen Medien, zu begeben,

um Talente, Trends und Entwicklungen

zu erkennen und die Plattformen auf

eine professionelle und angemessene Weise

zu nutzen. Als Beispiel führt er den Faktencheck-Kanal

Bait an, der in Kooperation mit

OKTO steht. Die Media Literacy Organisation

konzentriert sich auf das Aufdecken von Fake

News, sowie die Durchführung von journalistischen

Faktenchecks. Ihre Besonderheit ist,

dass sie ihre Inhalte über die Hochburg der

Fake News veröffentlicht: TikTok. Jungwirth

meint dazu: „Und das sind die Sachen, wo ich

schon immer überzeugt war, man muss den

Stier bei den Hörnern packen, man muss dorthin,

wo das Problem besteht.“

Die Bedeutung für die Gesellschaft

Nichtkommerzielle Medien sind also anders.

Anders als der öffentlich-rechtliche Rundfunk.

Anders als die kommerziellen Sender.

Anders als die sozialen Medien. Aber was

macht sie eigentlich wichtig? Warum sind

sie für die Öffentlichkeit und die Demokra-

tie relevant, ja vielleicht sogar unabdingbar?

Zum einen lässt sich der Vorteil der Praxiserfahrung

nicht abstreiten. Helmut Peissl

beschreibt es mit den Worten: „Wir haben

vor acht Jahren die Chance gehabt hier einmal

eine kleine Studie zu machen. Es war höchst

spannend zu sehen, dass sich die Leute hier

eine breite Palette von Kompetenzen aneignen.

All das, ohne mit dem Vorsatz, etwas zu lernen

in diese Tätigkeit hineinzugehen. Man lernt

es beim Tun.“ Die Menschen erhalten nicht

nur die Möglichkeit, Inhalte für ein breites

Publikum zu kreieren, sondern sie erlernen

im Zuge ihrer Arbeit auch die notwendigen

Kompetenzen für die Medienproduktion.

Ergänzend zur Kompetenz bei der Medienproduktion

spricht Jungwirth auch die Medienkompetenz

an. Genauer gesagt die Vermittlung

von Medienkompetenz. Man muss

bei den Menschen ein Bewusstsein für Fake

News und gestellte Inhalte schaffen, sodass

sie diese auch erkennen können. Laut Jungwirth,

besteht durchaus ein starkes Interesse

an Angeboten und Workshops, die sich

damit beschäftigen. Peissl spricht zudem die

Wichtigkeit von kollegialem Feedback und

einer funktionierenden Fehlerkultur an. Und

nichtkommerzielle Sender stellen das perfekte

Umfeld dar, um Fähigkeiten auszuprobieren

und Ideen zu verwirklichen.

Doch den größten Vorteil sieht Peissl in der

sozialen Komponente. Die Covid-19 Pandemie

hat gezeigt, dass Community Sender ein

physischer Ort der Zusammenkunft und des

Austauschs sind, welche nicht durch virtuelle

Räume ersetzt werden können. Peissl betont

hierbei: „Wir sind soziale Wesen und wir

sind auch analoge Wesen. Also die Idee, dass

sich alles digitalisieren lässt, sehe ich sehr skeptisch.“

Melanie NEBENFÜHR

Helmut Peissl / © Peissl

Christian Jungwirth / © Sebastian Philipp

© Max Peternell

Community Medien

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MEDIA PLUS DU?

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Proud to be an inclusive place to work.


Graffiti als Form der Kommunikation

Im Auftrag von SUMO habe ich mich mit einem faszinierenden, weltweit präsenten, reichweitenstarken

Medium befasst. Die Rede ist von Graffiti. Ich habe mich dafür mit Tommy (Name von der

Redaktion geändert), einem jungen Wiener Graffitikünstler, unterhalten. In der Recherche stößt

man ziemlich schnell auf das Thema von legalen Wänden in Wien. Aus diesem Grund habe ich mit

Donat Klingesberger, dem Geschäftsführer des Wiener Bildungsservers und Zuständigen für das Projekt

Wienerwand, gesprochen.

U4 Schottenring, Ausgang Promenadenweg. Die Graffitis

am Donaukanal stechen mir erst seit ein paar

Wochen deutlich ins Auge. Davor waren sie einfach ein

Teil des Stadtbilds, deren Existenz mir vermutlich erst

bewusst aufgefallen wäre, wenn sie auf einmal von

den Wänden verschwunden wären. Seitdem ich mich

mit diesem Thema befasse, fallen mir die bunten Signaturen

und Motive in der Stadt viel häufiger und auch

bewusster auf. Ich glaube am besten lässt es sich mit

einem weißen Golf vergleichen, den man sich gerne zulegen

würde und auf einmal, wie aus dem Nichts, ist die

ganze Stadt voller weißer kleiner VWs.

Zwischen den Tauben Wiens

Zurück zum Donaukanal. Beim ersten Schritt in die

Nachmittagssonne sehe ich sofort die bunten Mauern.

Namen, Statements, Bilder und Figuren, die in ihrer

Vielfalt die sonst graue Wand füllen. Eine Vielzahl von

Graffitis wird hier, im Unwissen der Allgemeinheit, illegal

angebracht. Woran erkennt man das? Anhand von

zwei Reliefplatten in Form von Tauben, den sogenannten

Wiener Tauben, dem Zeichen des Projekts Wienerwand.

Einem durch die Stadt Wien geförderten und

vom Wiener Bildungsserver betreuten Projekt, welches

Sprayer*innen das legale Sprühen in Wien erlaubt.

Die Wiener Tauben schauen einander an und genau

zwischen den beiden Wiener Tauben ist das Sprühen für

alle legal gestattet. Die erste und dadurch auch bekannteste

legale Wand in Wien, auch laut meinen beiden

Interviewpartnern, liegt vor dem Wiener Club Flex. Eine

von drei legalen Wänden am Donaukanal und eine von

24 in ganz Wien. Reichlich Fläche, um sich legal auszutoben

und seinem Hobby nachzugehen meint Tommy.

Allerdings würden viele dieser Wände aufgrund von

Löchern nur wenig taugen. Donat Klingesberger meint

dazu, dass diese Wände im Bereich der öffentlichen

Hand sind und explizit für Graffiti freigegeben werden.

Das Projekt Wienerwand bekommt lediglich die Freigabe

die Mauer für Sprayer*innen zur Verfügung stellen

zu können. Bauarbeiten oder Renovationen sind

da nicht enthalten, dürfen also nicht gemacht werden.

Teils seien die Wände in besserer Kondition, teils in

nicht optimaler für das Sprühen. Dafür würde daran

gearbeitet, immer mehr Wände für das legale Besprühen

freizugeben.

Hinter dem Rücken der Tauben

Wenn der Großteil des Donaukanals illegal besprüht

wird, stellt sich natürlich die Frage der drohenden

Konsequenzen. Tommy hat am Donaukanal

bereits Erfahrungen mit der Polizei gemacht. Mit

lediglich 13 Jahren und damit nicht strafmündig,

© Max Peternell


Tommy/ © Max Peternell

Donat Klingesberger/ © privat

wurde er beim Sprayen von mehreren

Polizist*innen umkreist und anschließend

im Mannschaftsbus mitgenommen.

„Völlig überzogen“, so sein Kommentar

heute. Wird man erwischt, hängen

die Konsequenzen zumeist von den

Polizist*innen ab. Vom ignoriert werden bis

zur Anzeige kann alles vorkommen. Bis auf

den Donaukanal hat Tommy noch nie illegal

gesprüht, aber der sei eine Grauzone. Er

kennt allerdings Leute, die dies regelmäßig

tun. Wände ansprühen okay, aber wie kann

man sich diesen Prozess im Fall öffentlicher

Verkehrsmittel vorstellen? Auf die Frage,

warum das Ansprühen von Zügen so beliebt

und einfach ist, antwortet er: „Ich weiß, dass die

ÖBB, was Sicherheit angeht, nachhinkt. Daran

könnte das liegen.“ Die hohen Geldstrafen und

teilweise sogar Freiheitsstrafen scheinen

aber abzuschrecken. Diese belaufen sich

bei ersten Delikten bereits auf bis zu 360

Tagessätze und können sogar zu sechs

Monaten Haft führen.

Die Schadenssumme ist laut ÖBB mit 3,1

Millionen Euro im Jahr 2023 im Vergleich

zum Vorjahr, mit 3,2 Millionen Euro, ziemlich

gleichgeblieben. Die Zahl der Delikte ist

sogar zurückgegangen, allerdings werden

die Graffitis immer größer. Auf Anfrage an

die Wiener Linien und ÖBB schreiben letztere:

„Sprayer*innen verschaffen sich illegal Zutritt zu

den Bahnanlagen, indem Hinweisschilder missachtet

und/oder Zäune überwunden werden.“

Beide Betriebe setzen „auf eine enge Kooperation

mit der Polizei und Behörden, geschultes

Sicherheitspersonal und Aufmerksamkeit und

Wachsamkeit der Mitarbeiter*innen.“ Die ÖBB

achtet „außerdem auf bauliche Maßnahmen,

wie z.B. Zäune.“ Die Wiener Linien „setzen auf

strategisch geplante Kontrollgänge“, um das illegale

Ansprühen von öffentlichen Verkehrsmitteln

zu vermeiden.

Die Frage des Vandalismus

Verschönerung eines Stadtbildes handeln,

oder? Ganz so einfach ist dieses Thema leider

nicht zu beantworten. Die Feindseligkeit

gegenüber den Wandbildern lässt sich, laut

einer Studie vom Kuratorium für Verkehrssicherheit

aus dem Jahr 2021, welche sich

mit Graffiti in der medialen Debatte und öffentlichen

Wahrnehmung beschäftigt, vor

allem auf die großteils negative Berichterstattung

aus den Medien zurückführen.

Wenn es um Graffiti geht, wird es laut dieser

Studie meist mit Kriminalität in Verbindung

gebracht und befragt werden Betroffene wie

die ÖBB oder deren Anwälte.

Nur selten kommen Graffiti-Künstler*innen

selbst zu Wort. Über Kunst oder das Potential

den urbanen Raum zu verschönern wird

weniger gesprochen. Das Problem ist, dass

sehr viele zufällige Schriftzüge von Personen

an Wände geschmiert werden, die

nichts mit der Graffiti-Szene oder der Kunst

der Streetart zu tun haben. Diese wollen lediglich,

ohne künstlerische Ambitionen, ihre

Nachricht oder ihren Namen in die Öffentlichkeit

bringen. Wenn man diese Schmierereien

aus dem Begriff Graffiti weglässt, wäre

die Debatte, ob Graffiti nun Vandalismus ist

oder nicht, mit Sicherheit eine andere. In einem

Artikel der Webseite Vans.de wurde der

Diskussion ein wichtiget Punkt hinzugefügt:

Man soll „Ich mag es nicht“ nicht mit „Es ist

Vandalismus“ verwechseln.“

Max PETERNELL

Eine Frage, die genauso alt ist wie die heutige

Form des Graffitis selbst, ist jene des

Vandalismus. Wenn man den bunten, hippen

Donaukanal in seiner jetzigen Form mit

den grauen, leeren, fast schon tristen Bildern

aus den 1980ern vergleicht, kann es sich

dabei doch eigentlich nur um Kunst, um die

48

Graffiti als Form der Kommunikation


© Max Peternell

Vom Ton zum Trend: Warum Musiker*innen

heute auch Influencer*innen sein müssen

Dank Social Media haben junge Musiker*innen neue Wege gefunden, sich und ihre Musik zu

präsentieren und eine Karriere zu starten. Dabei werden je nach Plattform unterschiedliche

Öffentlichkeiten bedient. Doch kein Benefit ohne Kehrseite. Denn ist es heutzutage überhaupt noch

möglich, als Musiker*in erfolgreich zu sein, ohne eine Präsenz in den Sozialen Medien zu zeigen?

Und welche Auswirkungen hat dieses Musikmarketing auf uns als Rezipient*innen und die Beziehung

zu unseren Stars? SUMO holte die Meinungen von Luke Andrews und KØLEEN, zwei begabten

Musiker*innen sowie Niklas Gusenbauer, Senior Business Development Manager bei Global

Rockstar, zu diesen Fragen ein.

Der Einzug von Social Media in die Welt der Musik hat

die Branche in vielerlei Hinsicht revolutioniert. Noch nie

zuvor hatten Musiker*innen einen so direkten Zugang

zu einem globalen Publikum und die Möglichkeit, ihre

Kunst unmittelbar und ohne Zwischenhändler*innen

zu präsentieren. Plattformen wie Facebook, Instagram,

TikTok und X, ehemals Twitter, haben es Künstler*innen

ermöglicht, sich nicht nur als Musiker*innen, sondern

auch als Persönlichkeiten zu präsentieren und eine enge

Bindung zu ihren Fans aufzubauen. Die Entwicklung

von Social Media hat auch die Definition von Erfolg in der

Musikbranche verändert. Früher wurde dieser anhand

von Plattenverkäufen, Chartplatzierungen und Radio-

Airplays gemessen. Heute spielen diese traditionellen

Maßstäbe eine geringere Rolle. Künstler*innen werden

zunehmend nach anderen Kennzahlen wie Follower-

Zahlen, Interaktionsraten und Viralität beurteilt. Aus

passiven Rezipient*innen sind aktive Teilnehmer*innen

geworden. Sie beeinflussen mit ihren Reaktionen auf

die Musik andere Öffentlichkeiten und somit auch den

Erfolg von Musiker*innen.

Die Präsenz auf Social Media kann nun den Unterschied

zwischen Erfolg und Misserfolg ausmachen, denn eine

treue und engagierte Fangemeinde spielt seit jeher

eine wichtige Rolle. Doch Social Media hat die Art und

Weise verändert, wie Musiker*innen mit ihren Fans

interagieren. Früher waren Stars oft unerreichbare

Idole, deren Leben und Arbeit den Fans größtenteils

verborgen blieb. Heute ermöglichen Plattformen wie

Instagram, Facebook und TikTok den Künstler*innen, sich

auf eine persönlichere und authentischere Weise zu

präsentieren. Diese direkte Interaktion hat nicht nur die

Bindung zwischen Künstler*innen und Fans gestärkt,

sondern auch neue Möglichkeiten für Marketing

und Promotion geschaffen. Diese Ansichten werden

von der Musikerin KØLEEN und dem Künstler Luke

Andrews bestätigt, die beide die Bedeutung von Social

Media für den Aufbau einer engagierten Fangemeinde

betonen. Auch Niklas Gusenbauer von Global Rockstar

hebt hervor, wie wichtig diese Plattformen geworden

sind, um authentische Verbindungen zu den Fans zu

schaffen und dadurch den Erfolg zu fördern.

Vom Ton zum Trend

49


k

eNicole Frisch "KØLEEN" / © Vesley Mar

Luke Andrews / © mrks media

Niklas Gusenbauer / © privat

Fluch oder Segen – Social Media und

ihre Algorithmen

Bei der Musikerin KØLEEN verschmelzen die

Welten von Natur und Musik. Als Försterin

und Singer-Songwriterin integriert sie ihre

Liebe zur Natur nicht nur in ihre Musik, sondern

auch in ihr Branding auf Social Media.

Seit knappen vier Jahren ist sie aktiv in der

Musikbranche tätig und hat bereits Erfolge

wie Auftritte beim Donauinselfest und

Radio-Airplays verbuchen können. Auch

KØLEEN bemerkt den Einfluss von Social

Media: „Während man früher vielleicht der

größte Durchstarter der Top Drei aus Talentshows

wie „Starmania“ war, sind diese Stars

heute ohne eine konstante Social-Media-Präsenz

kaum noch relevant.“

Social Media fungiert für Musiker*innen als

Visitenkarte und Aushängeschild. Auf TikTok

wird viralen Trends nachgegangen, die auch

auf den Erfolg auf anderen Plattformen Einfluss

nehmen können. KØLEEN betont jedoch

auch die Herausforderungen, die der

Algorithmus von Plattformen wie TikTok

oder Instagram mit sich bringt. Immer wiederkehrende

Änderungen im Algorithmus

beeinflussen die Reichweite von Inhalten,

was Musiker*innen dazu zwingt, ihren Content-Plan

kontinuierlich anzupassen. „Aktuell

bin ich beim Erreichen von neuen Leuten ein

bisschen planlos. Der Trend geht nämlich in die

Richtung, dass man in Zukunft für Reichweite

zahlen muss.“ Der Algorithmus pusht Beiträge,

insbesondere solche, die Song Releases

bewerben, mittlerweile nicht mehr so stark.

Reichweite wird künftig kosten. Trotz dieser

Herausforderungen betont KØLEEN die

Wichtigkeit der direkten Interaktion mit den

Fans.

Luke Andrews von der Luke Andrews Band ist

seit 2018 in der Branche tätig und stimmt den

Herausforderungen, die KØLEEN beschreibt,

zu. Er ergänzt: „Es ist entscheidend, dass wir als

Künstler*innen die Authentizität nicht verlieren

und uns nicht nur auf die Zahlen konzentrieren.

Musik sollte immer im Vordergrund stehen und

nicht die Jagd nach Likes und Follower*innen.“

Er sieht Social Media als ein Werkzeug, das

zwar eine unvergleichliche Plattform bietet,

um ein breites Publikum zu erreichen, jedoch

auch einen Druck erzeugt, der die kreative

Freiheit einschränken kann. Die ständige

Konzentration auf Algorithmen kann von der

eigentlichen Kunst ablenken.

Die „Musiker-Influencer-Balance“:

Ein schmaler Grat

Sie sind also nicht nur Musiker*innen und

Künstler*innen, sondern auch Content Creator*innen.

Luke Andrews beschreibt eine zunehmende

Verschmelzung von Musiker*in

und Influencer*in. Während Social Media die

Chance und den großen Vorteil bietet, global

bekannt zu werden, ist es gar nicht so einfach

bei der Vermarktung auf allen Plattformen

mitzuhalten. Die Diskussion darüber,

wie viel Zeit und Energie in die Bespielung

der Social-Media-Kanäle investiert werden

sollte, ist in der Community allgegenwärtig.

Denn jede Plattform hat ihre eigenen Anforderungen

und Möglichkeiten.

So braucht es auf Instagram und Facebook

kürzere Videos, die schnell die Aufmerksamkeit

der Nutzer*innen fesseln, während auf

YouTube längere Inhalte möglich sind, die eine

tiefere Auseinandersetzung mit dem Thema

ermöglichen. TikTok wiederum setzt auf sehr

kurze, virale Inhalte, die oft spontaner Natur

sind und sich schnell verbreiten lassen. Diese

Unterschiede in der Content-Gestaltung

sind entscheidend, um verschiedene Altersgruppen

anzusprechen. Facebook erreicht ein

breiteres und oft älteres Publikum, das vielleicht

detailliertere und informationsreichere

Inhalte bevorzugt. TikTok, sowie Instagram

hingegen haben eine jüngere Nutzer*innen-Basis,

die schnelle und unterhaltsame

Inhalte wertschätzt. Die JIM-Studie aus dem

Jahr 2021 bestätigt: Bei TikTok wachsen die

Nutzer*innen-Zahlen der unter 20-Jährigen

am schnellsten. Diese Plattform ist besonders

nützlich, um virale Musikstücke zu

fördern und eine jüngere Zuhörerschaft zu

erreichen, die möglicherweise schneller auf

neue Trends anspringt.

Es ist also eine Herausforderung, die

verschiedenen Öffentlichkeiten durch die

verschiedensten Plattformen mit unterschiedlichem

Content zu bedienen, insbesondere

ohne Contentplan oder Manage-

50

Vom Ton zum Trend


ment, das dabei hilft. In der Luke Andrews Band gilt es

nicht nur den Account der Band zu bespielen, zusätzlich

hat jedes Mitglied seinen eigenen Kanal, was den Zeitaufwand

noch einmal erhöhe. Auch darf die Authentizität

der Künstler*innen dabei nicht verloren gehen,

was die Übertragung dieser Aufgaben an Dritte kaum

möglich macht. Die Grenze zwischen authentischem

Musikschaffen und der Notwendigkeit, als Influencer*in

aktiv zu sein, verschwimmt zunehmend. Hinzu

kommt: „Wir tun uns gerade irrsinnig schwer damit, Leute

auf Konzerte zu bringen. Ich denke, dass das auch mit

der Nutzung von Social Media zu tun hat“, reflektiert Luke

Andrews die aktuellen Herausforderungen.

Mitten im Leben der Musiker*innen:

Die Fans

Auswirkungen auf Fans und

Rezipient*innen

Das richtige Maß gilt es nicht nur zwischen Content

Creation und Musikproduktion, sondern auch für die

Quantität und Qualität der Inhalte zu finden. Wenn

Fans das Gefühl haben, dass die Darstellung ihrer Stars

zu inszeniert oder unnatürlich ist, kann die Präsenz auf

Social Media zu Entfremdung führen. Darüber hinaus

können ständig neue Inhalte auch eine Überlastung für

Fans und Rezipient*innen darstellen. In Summe ist die

Beziehung zwischen Künstler*innen und ihren Fans in

der heutigen Zeit sehr kompliziert und herausfordernd.

Aber das waren Beziehungen wohl schon immer.

Carla MEDLITSCH

Die digitale Revolution hat auch die Beziehung

zwischen Musiker*innen und ihren Fans grundlegend

verändert. Das sieht auch Niklas Gusenbauer,

Senior Business Development Manager bei Global

Rockstar. Früher bezogen Fans Informationen über

Künstler*innen hauptsächlich aus Printmagazinen und

Fernsehauftritten, doch heute bieten Plattformen wie

Facebook, Instagram und insbesondere TikTok einen

täglichen Einblick in das Leben und die Arbeit ihrer

Lieblingskünstler*innen. Niklas Gusenbauer betont die

Relevanz von TikTok, da Künstler*innen dort über Nacht

viral gehen können und so eine Karriere aus dem nichts

erschaffen. Erfolgsbeispiele dazu sind Lil Nas X und

Justin Bieber. Durch Live-Streams und Frage-Antwort-

Sessions können Musiker*innen ihre Zuhörer*innen

stärker einbinden und die Bindung vertiefen. „Man fühlt

sich mittlerweile so nah an ihnen, dass man denkt, eine

enge persönliche Freundschaft zu haben“, so Gusenbauer.

Fans entwickeln oft starke emotionale Bindungen zu

Künstler*innen, was sowohl positive als auch negative

Auswirkungen haben kann.

Eine persönliche Bindung und ein tiefes Verständnis

für die Kunst und Persönlichkeit der Musikschaffenden

einerseits, stehen andererseits unrealistischen

Erwartungen an die Verfügbarkeit der Künstler*innen

gegenüber. Das kann, so Gusenbauer, auch zu

Belastungen wie Stalking und negativem Feedback

führen. Trotz allem: „Die Zukunft von Social Media in der

Musikbranche ist vielversprechend. Solange Musiker*innen

auf Authentizität, Kontinuität und Einzigartigkeit setzen.“

Luke Andrews und KØLEEN teilen diese Einschätzung

und ergänzen, dass die ständige Verfügbarkeit und

die Möglichkeit, direkt auf Fans zu reagieren, sowohl

eine Bereicherung als auch eine Belastung darstellen

können.

© Sophie Mantler

Vom Ton zum Trend

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© Sophie Mantler


AAAlbtraum: große Videospiele, fehlende

Qualität

Viele Videospiele großer Entwicklerstudios erscheinen oft unfertig oder lassen Spielinhalte wie

eine gut ausgebaute Open-World vermissen, wodurch es zu einem Aufschrei innerhalb der Gaming-

Szene kommt. SUMO sprach zu dieser Thematik mit Thomas Kunze, Gründer des Games Institute

Austria, sowie Martin Filipp, COO und Managing Director des österreichischen Entwicklerstudios

Mipumi Games.

Ein*e Kritiker*in auf der englischsprachigen Bewertungsplattform

Metacritic, schrieb zum Videospiel Skull

& Bones von Ubisoft: „Skull & Bones ist das Begleitprodukt

eines turbulenten Entwicklungsprozesses, ein Spiel, dem

jede Vision fehlt.“ Weitere Nutzer*innen der Plattform

beschweren sich über ein unfertiges, anspruchsloses

und langweiliges Spielerlebnis. Der „Metascore“ von

Kritiker*innen liegt hierbei bei 59 von 100. Der „User

Score“ nur bei 3,4 von 10 Punkten. Skull & Bones ist ein

Beispiel für den Qualitätsrückgang von Videospielen

großer Entwicklerstudios und den damit verbundenen

negativen Meinungen aus der Öffentlichkeit der Gaming-Szene.

Triple A Spiele erklärt

Diese Videospiele großer Entwicklerstudios werden

meist als „Triple A Games“ bezeichnet. Da dieser Begriff

aber auch in der Gaming-Branche inoffizieller Natur

ist, folgt eine kurze Erklärung. Als Triple A Spiele

werden nach einer Definition der Unterhaltungssoftware

Selbstkontrolle – kurz USK, die in Deutschland für die

Altersfreigabe von Videospielen und Videospieltrailern

verantwortlich ist, die „Blockbuster“ unter den Videospielen

bezeichnet. Also Spiele mit großen Entwicklungsbudgets,

riesigen Produktionsteams und hohen

Ansprüchen an den Erfolg des Spiels am Videospielmarkt.

Laut Thomas Kunze stamme der Begriff ursprünglich

aus der Kreditindustrie, wo AAA-Anleihen,

die sichersten Anlagenmöglichkeiten boten und somit

die besten Chancen hatten, ihre finanziellen Ziele zu

erreichen. Ein Spiel müsse demnach teuer genug sein

in der Produktion, was für den/die Spielende*n meist

für Spiele von großen Publishern und Entwicklerstudios

stehen würde. Allerdings handle es sich heutzutage

auch um börsennotierte Unternehmen, also um

Unternehmen, die auf den Shareholder-Value achten

müssen. Also darauf, dass am Ende ein Plus in der Kalkulation

dasteht, so Kunze weiter. Dies führt dann auch

immer wieder zu problematischen Releases, wenn ein

Spiel etwa zu früh veröffentlicht wird, damit es noch

Teil des aktuellen Budgets ist. Allerdings sei dies nicht

nur ein Problem von großen Entwicklerstudios, so

Kunze. Ähnlich sieht es auch Martin Filipp. Der COO

und Managing Director von Mipumi Games bezeichnet

Triple A Spiele als Produkte mit einem besonders hohen

Produktionswert, die mit einem verstärkten Qualitätsanspruch

auf Tiefe, Emotion und Transport dieser

Elemente auf den/die Spieler*in einhergehe.

Die Akte Skull & Bones genauer erklärt

Das bereits erwähnte Skull & Bones, das vom

Entwicklerstudio Ubisoft Singapur – welches aus über

350 Mitarbeiter*innen besteht - entwickelt wurde, steht

bezeichnend für den aktuellen Stand von Triple A Spielen

in der Gaming-Szene. Das Spiel, dessen Handlung sich

um Seefahrt und Piraterie im späten 17. Jahrhundert

in Ostafrika und Südostasien dreht, erntete zahlreiche

negative Kritiken auf einschlägigen Plattformen. Das

deutsche Videospielmagazin Gamestar bezeichnet das

Spiel in einem Artikel (21.02.2024), als Spiel in dem so

viel mehr gesteckt hätte, aber das durch eine unfertige

Geschichte und unausgereifte Open-World noch nicht

für die Veröffentlichung bereit gewesen wäre. Was

angesichts der Entwicklungszeit von über zehn Jahren

und kolportierten Entwicklungskosten in Höhe von 200

Mio. Euro doch verwunderlich ist. Ob es nach dieser

Entwicklungszeit nicht besser gewesen wäre, das

Spiel fallen zu lassen und gar nicht zu veröffentlichen?

Dazu Filipp, dessen Studio ebenfalls an Skull & Bones

mitgearbeitet hat: Die Entwicklungsphasen in der

Spieleentwicklung seien dem des Films sehr ähnlich. Es

sei ein normaler Vorgang, dass ein Projekt am Anfang,

wo es kostengünstiger ist, länger entwickelt wird. Die

Entscheidungen der Entwicklerstudios seien meist von

dem Geld abhängig, das schon in die Produktion investiert

wurde. Schwierig also, nach so viel eingesetztem

Geld, doch noch einen Rückzieher zu machen.

Skull & Bones hätte auch meist positives Feedback

während der Beta-Testläufe bekommen und es sei

der Wunsch der Fans gewesen, dass es nach dem

Erfolg des Piratenspiels Assassins Creed Black Flag

52

AAAlbtraum


zu weiteren Spielen dieser Art kommt,

erklärt der Spieleentwickler. Ein Spiel zu

entwickeln sei demnach nichts „einfaches“,

da es unterschiedliche Schritte, von der

Konzeption bis hin zu den Testphasen,

durchlaufen muss, bis es schlussendlich

am Markt erscheinen kann. Kunze erklärt

außerdem, dass Skull & Bones das erste

Spiel gewesen sei, das vom CEO von Ubisoft

als „Quadruple A Game“ bezeichnet wurde.

Es sei also noch eine Stufe über Triple A

Spielen. Für das Versprechen wird es aber

zu schnell zu langweilig. Das könnte auf eine

ungeschickte Marketing-Strategie seitens

des Publisher hinweisen.

Entlassungswellen und Sexismus

In den letzten Monaten kam es in der Videospielindustrie

zu einer Entlassungswelle.

Hunderte Mitarbeiter*innen größerer Entwicklerstudios,

wie zum Beispiel bei Riot Games,

Electronic Arts oder auch Microsoft wurden

freigestellt. Laut ZDF (10.05.2024) würde

die Gaming Szene dem Umsatz nach zwar

weiterwachsen, allerdings nicht so stark wie

in den Jahren zuvor. (6,2% Umsatzwachstum

2023 im Vergleich zu 12,9% 2021 und 27,1%

2020) Außerdem stünde der Branche durch

die mindestens 2.500 Entlassungen in den

32 größten Spieleunternehmen, ein schwieriges

Jahr bevor. So berichtet derStandard in

einer Analyse (28.01.2024) darüber, dass die

Entlassungswelle bei Microsoft vor allem mit

dem Kauf des Videospielkonzerns Activision

Blizzard um rund 69 Milliarden Dollar zusammenhängt.

Bei Riot Games hingegen, sei man vor allem

mit dem Erfolg neuer Spin-Off Spiele des

Hauptspiels League of Legends, wie Mageseeker

oder Convirgence nicht zufrieden gewesen.

Man wolle sich wieder vermehrt auf

das Hauptspiel konzentrieren. Die Auswirkungen

von Massenentlassungen auf die

Qualität zukünftiger Spiele großer Publisher

erklärt Martin Filipp: Die Umbrüche in der

Gaming-Branche seien bekannt und würden

medial kolportiert. In der Spiele-Branche

bestehe aber, anders als in der Film-Branche,

ein Großteil der Mannschaft aus fest

angestellten Personen. Es sei immer eine

strategische Entscheidung Mitarbeiter*innen

zu entlassen, manchmal bliebe aber

aus wirtschaftlicher Sicht keine Wahl. „Du

verlierst das Wissen, das im Unternehmen

vorhanden ist. Wenn du dann weitermachst,

musst du wieder skalieren, musst wieder Leute

an Bord holen und in das Teamgefüge und die

Technologie einarbeiten“, so Filipp. Außerdem

sehen sich große Videospielunternehmen,

wie zum Beispiel Ubisoft, immer wieder mit

einem sexistischen Arbeitsumfeld und einer

toxischen Unternehmenskultur konfrontiert.

So berichtet Gamestar in einem Artikel

(05.10.2023) über die Verhaftung fünf ehemaliger

Angestellter des Publishers, wegen

Machtmissbrauch und sexueller Nötigung,

darunter auch der ehemalige Kreativchef

Serge Hascoët. Für Thomas Kunze sind diese

Probleme mit einer falschen Arbeitskultur

und mit Erfolg und Macht durch einen

zu schnellen wirtschaftlichen Aufstieg verbunden.

Für ihn sind das außerdem Gründe,

Spiele solcher Publisher nicht zu konsumieren.

Wie stark sich diese Gründe nun auf die

Qualität von Triple A Spielen auswirken,

lässt sich nicht mit Gewissheit beantworten,

dennoch sind die Veränderungen in der Gaming-Branche

laut zahlreicher medialer Berichte

nicht zu leugnen. Es wird interessant

zu beobachten sein, wie sich diese Industrie

in den nächsten Jahren weiterentwickeln

wird. Nach Martin Filipps Meinung muss

man großen Entwicklerstudios wieder mehr

Zeit geben, um neue Dinge auszuprobieren

und aus Fehlern lernen zu können, um große

Titel und Spielereihen zu liefern, die unserem

Anspruch als Gaming-Community wieder

gerecht werden können.

Nicolas WALD

Thomas Kunze/ © privat

Martin Filipp / © Florian Jindra

© Elea Pilz

© Elea Pilz

AAAlbtraum

53


Die Schattenseiten der Klicks:

Wie TikTok das Selbstwertgefühl der

Jugendlichen prägt

TikTok: Ein digitaler Spielplatz oder eine Gefahr für die Psyche? Von idealisierten Schönheitsstandards

bis hin zum endlosen Scrollen: Während die Plattform eine Welt der Unterhaltung verspricht,

lauern dort auch Gefahren für das Selbstwertgefühl und die psychische Gesundheit. In diesem SUMO

Artikel werden die Influencerinnen Linda Baier und Lisa-Marie Schiffner, sowie eine Psychotherapeutin

zu den Auswirkungen von TikTok auf Jugendliche befragt.

Heute Mountaincart fahren, morgen auf der Zipline,

letzte Woche am Pink Beach in Indonesien – Linda

Baier, besser bekannt als Linda Lime auf Social Media,

ist eine österreichische Influencerin, die auf TikTok als

Ausflugs- und Hoteltesterin täglich hunderttausende

Menschen inspiriert und über 1,5 Millionen Follower*

innen begeistert. Als ehemalige Lehrerin ist Linda Lime

aber keineswegs unreflektiert: „TikTok macht das schon

ganz schlau, Mir wird das angezeigt, was mich interessiert!“

Die Plattform kann die Stimmung der Nutzer*innen erkennen

und entsprechende Inhalte anzeigen, wodurch

die emotionale Bindung verstärkt wird. Das kann wiederum

dazu führen, dass Nutzer*innen in einer Blase

von Inhalten gefangen werden und andere Interessengebiete

vernachlässigt werden.

Die fesselnde Natur von TikTok

Die Funktion des endlosen Scrollens und der Algorithmus

gesteuerte personalisierte Inhalt machen TikTok

besonders fesselnd. Dies führt dazu, dass Nutzer*innen

länger in der App verweilen, ohne sich bewusst zu

sein, wie viel Zeit sie damit verbringen. Jugendlichen

ermangle es an Regulationsfähigkeit in Bezug auf

Soziale Medien. Eine von SUMO befragte Psychotherapeutin,

die aber lieber anonym bleiben möchte, erklärt

das Problem so: „Wenn man etwas isst, dann weiß man,

wann man aufhören soll. Irgendwann kann man nichts

mehr essen. Bei TikTok setze ich mich hin, schaue ein Video

nach dem anderen und merke nicht, wann es zu viel ist.“

Die Selbstdarstellung im Internet von

Jugendlichen

Laut Saferinternet.at ist die Selbstdarstellung im Internet

für Jugendliche ein zentrales Element im Prozess

des Erwachsenwerdens. Plattformen bieten ihnen

die Möglichkeit, ihre Identität zu erkunden. Durch das

Teilen von persönlichen Inhalten können Jugendliche

soziale Beziehungen knüpfen und sich vernetzen. Die

Rückmeldungen in Form von Likes und Kommentaren

würden das Selbstwertgefühl stärken und zu einem

positiven Selbstbild beitragen. Aber ist das Bild tatsächlich

nur positiv?

Influencer*innen als Vorbild?

TikTok fördert einen ständigen Vergleich mit perfekt

inszenierten Bildern und Videos, was zu einem

verzerrten Bild von Schönheit und Erfolg führen könne.

Dieser Druck, den Standards zu entsprechen, könne

zu Unzufriedenheit und Vergleichsdenken führen, wie

die Psychotherapeutin S. betont: „Jugendliche könnten

unter Druck geraten, dem vermeintlichen Ideal auf TikTok

zu entsprechen, was zu Selbst- zweifel und Depressionen

führen kann.“ „Viele Jugendliche nehmen sich gewisse

Influencer* innen als Vorbild und wollen genau so sein, wie

sie“, erläutert Baier. Jedoch sehen Jugendliche meistens

nur die perfekten Seiten der TikToker*innen.

Diese Einschätzung teilt auch eine weitere bekannte

Influencerin, mit einer beachtlichen Reichweite von 2,3

Mio. Abonnent*innen auf TikTok und 1,3 Mio. auf Instagram:

Die Rede ist von Lisa-Marie Schiffner, welche

zu den erfolgreichsten Influencer*innen Österreichs

zählt. Sie beschäftigt sich auf ihren Sozialen Medien

mit Mobbing, Selbstachtung sowie Fitness und hat

eine große Leidenschaft für Fotografie. Ihr Rat lautet,

dass man Menschen folgen soll, die einen Mehrwert

bieten und Inspiration liefern. Und nicht vergessen: In

Sozialen Medien werden nur wenige Minuten des Tages

gezeigt. Diese kurzen Sequenzen sind dann perfekt

54

Die Schattenseiten der Klicks

© Max Peternell


inszeniert und lassen eines vergessen: „Auch

Influencer* innen haben Probleme!“, sagt Psychotherapeutin

S..

Der Traum vom

Influencer*innen-Leben

Influencer*innen spiegeln oft den Wunsch

wider, ähnlich erfolgreich oder schön zu sein.

„Diese Frau ist so wunderschön! Du bist so eine

inspirierende Person!“ kommentiert ein Tik-

Tok-Fan von Lisa-Marie. „Dein Job gefällt mir.

Würde sowas auch gerne machen“, schreibt

eine Zuschauer-in unter einem TikTok von

Linda Baier. Letztgenannte meint, dass sie

immer schöne Hotels und Orte auf ihren

sozialen Netzwerken postet, sie aber genau

weiß, dass sich natürlich nicht jeder so einen

Urlaub leisten kann. Die Erkenntnis, dass die

Inhalte oft mit einem durchschnittlichen Leben

nicht vereinbar sind, sei für junge Menschen

oft bitter. Frau S., erfahrene Kinderund

Jugend-Psychotherapeutin, beobachtet

häufig, wie Jugendliche, die mit Depressionen

kämpfen, sich beim Anblick des scheinbar

glamourösen Lebens auf Social Media

schlecht fühlen. Sie beschreibt, wie diese

jungen Menschen eine Sehnsucht nach dem

vermeintlich Au- thentischen in der virtuellen

Welt verspüren, während sie ihr eigenes

Leben als langweilig und lustlos empfinden.

Auswirkungen auf die psychische

Gesundheit

Eine übermäßige Nutzung von TikTok könne

negative Auswirkungen auf die psychische

Gesundheit von Jugendlichen haben. Intensive

Nutzer*innen zeigten einen schlechteren

mentalen Gesundheitszustand mit

Depressionen, sozialen Ängsten, Stress und

Einsamkeit. Laut der Psychotherapeutin S.

seien weitere Auswirkungen auch Schlafstörungen,

Übergewicht, Lerndefizite, Bindungsstörungen

und auch die Beziehung

zu den Eltern sei oft beeinträchtigt. „Einen

gesunden Umgang mit Medien zu lernen ist bedeutend!“,

betont die interviewte Psychotherapeutin

S.. Diese Aussagen stützt auch eine

Studie des Vereins Saferinternet.at aus dem

Jahr 2021. Zur Selbstdarstellung in Sozialen

Netzwerken gaben 51 Prozent der Mädchen

und Jungen an, dass sie gerne etwas an ih-

rem Körper ändern würden und 65 Prozent

der befragten Jugendlichen sind der Meinung,

dass sich Soziale Netzwerke auf die

Selbstwahrnehmung auswirken.

Es ist von besonderer Bedeutung, dass Kinder

und Jugendliche eine gute Beziehung

zu ihren Eltern oder anderen Bezugspersonen

haben, mit denen sie über Inhalte der

verschiedenen Plattformen reden und diese

gemeinsam kritisch hinterfragen können. „Es

ist wichtig, dass Jugendliche ein Hobby auch

aktiv machen und sich nicht nur passiv mit

Social Media und Videospielen beschäftigen“,

meint Linda Baier. Zudem können pädagogische

Programme Jugendlichen helfen,

einen verantwortungsvollen Umgang mit

digitalen Medien zu entwickeln und sich vor

potenziellen Risiken zu schützen.

Medienrezeption oder Abhängigkeit?

Jugendliche können sich selbst in bestimmten

Sozialen Netzwerken eine Tagesgrenze

einrichten. Natürlich können diese Grenzzeiten

ganz einfach umgangen werden. Deswegen

sei es aus psychotherapeutischer Sicht

umso wichtiger, sich den Grund und Zweck

dieser Einschränkungen bewusst zu machen

und das Ziel einer gesunden Medienrezeption

aktiv zu verfolgen. Selbstreflexion nimmt

hier, wie so oft im Leben, einen hohen

Stellenwert ein. Auch Baier meint: „Das Handy

sollte man weglegen, sobald man das Gefühl

hat, dass es einen überfordert oder man eine

Informationsüberflutung hat.“ Laut der Kinderund

Jugendpsychotherapeutin kommt es auf

die Dosis an und man muss nicht den vollkommenen

Verzicht anstreben. Das Leben

darf und soll Spaß machen und das nicht nur

Offline, aber eben auch nicht nur Online. Eine

gesunde Balance ist langfristig die beste Lösung.

Linda SCHRITTWIESER

Linda Baier / © privat

Lisa-Marie Schiffner / © privat

Die Schattenseiten der Klicks

55


X-Word: Testen Sie Ihr Wissen

1.

Welche Plattform wurde laut Jugend-Internet-Monitor 2024 von den österreichischen Jugendlichen

am meisten genutzt?

2.

Welches Unternehmen hat den Videospielkonzern „Activision Blizzard“ für ~69 Mrd. Dollar gekauft?

3.

Vor welchem Wiener Club liegt die erste Wand, an der man legal sprühen durfte?

4.

Aus welchem KZ stammt der Gedenkstein, welcher vor Hitlers Geburtshaus aufgestellt wurde?

5.

Was gilt als Vorreiter des Mitmachens im Radio?

6.

Welches Material wird für die Ruten der Krampusse verwendet?

7.

Wie heißt das beliebteste Dopingmittel in der Fitnessszene?

8.

In welchem Land liegen die Ursprünge der Astrologie?

9.

Wovon ist es abhängig, ob eine Meldung veröffentlicht wird oder nicht?

10.

Wie heißt der Verband für Kommunikationsexpert*innen in Österreich, welcher für professionelle

und strategische Unternehmenskommunikation steht?

11.

Wie nennt man das System in China, das das Verhalten der Bürger*innen bewertet?

12.

Was ist ein anderes Wort für „nicht gewinnorientiert“, das auch als alternative Bezeichnung für

Community Medien verwendet werden kann?

13.

Piratenradiosender und Song beginnend mit Sweet ...

14.

Woher stammt die Gründerorganisation der European Capital of Democracy-Initiative?

56

Kreuzworträtsel


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1. WhatsApp, 2. Microsoft, 3. Flex, 4. Mauthausen, 5. Amateurfunk,

6. Rossschweif, 7. Anabolika, 8. Mesopotamien, 9. Nachrichtenwert,

10. PRVA, 11. Sozialkreditsystem, 12. nichtkommerziell, 13. Caroline, 14. Wien

Kreuzworträtsel

57


DAS TEAM

Distribution & Sales

Felix Ptacek

Julia Schuster

Nicolas Wald

Peter Zapfel

Benedikt Waser

Bildredaktion

Sophie Mantler

Carla Medlitsch

Max Peternell

Elea Pilz

58

Das SUMO-Team


Bernd Benedikt Richter

Melanie Nebenführ

Nicole Siebenhandl

Theresa Schmidhuber

Sandra Nothnagl

Linda Schrittwieser

Marketing

Mirjam Schwarz

Lena Wagner

sumo.mag

Print-Produktion

Scan me!

Gill Sprangler

Theresa Walzer

Online-Produktion

Florian Lackner

Cynthia-Melania Moldovan

Chiara Neidhart

© Max Peternell, Carla Medlitsch, Elea Pilz, Sophie Mantler

Das SUMO-Team

59


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