SUMO #43
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Fachmagazin des Bachelor Studiengangs Medienmanagement der FH St. Pölten
Oktober 2024
Öffentlichkeit
Mensch - Macht - Medien
© Rauchecker Photography
Hier lernst
du, die
Zukunft der
Medien zu
gestalten.
Medienmanagement
• Bachelor, 6 Semester, Vollzeit
• Schwerpunkte
• Management &
Leadership Skills
• Kommunikation und
journalistische Grundlagen
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Digitale Technologien
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INHALTSVERZEICHNIS
M
E
N
S
C
H
„Die Stimme hinter den Botschaften“: Pressesprecher*innen in Österreich und deren Bedeutung für die Öffentlichkeit
von Theresa Walzer mit Nicole Berkmann, Peter N. Thier und Stefan Zach
Klang der Gemeinschaft: Wie das Mitmachen im Radio international begann
von Benedikt Waser mit Christoph Classen und Hans-Ulrich Wagner
Social Media Fitness: Der Einfluss von Instagram, TikTok und Co. auf unseren Sportalltag
von Mirjam Schwarz mit Philipp Greimel und Ben Mareich
Auf den Spuren der Sterne: Selbstfindung im Zeitalter des Astrologie-Hypes
von Gill Sprangler mit Elisabeth Berauer, Franz Höllinger und Daniela Hruschka
European Capital of Democracy: Warum Wien?
von Florian Lackner mit Stefan Sindelar
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10
13
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Zwischen Hashtags und Handshakes: Die Balance zwischen dem Digitalen und dem Persönlichen
von Nicole Siebenhandl mit Magdalena Mangl und Hannah Maylou
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M
A
C
H
T
Im Visier des Staates: Wie China die Öffentlichkeit überwacht
von Felix Ptacek mit Christoph Steinhardt
#we_do! - Do we?
von Bernd Benedikt Richter mit Daniel Sanin und Ulrike Weish
„Hitler war Deutscher, Beethoven war Österreicher“
von Theresa Schmidhuber mit Florian Kotanko, Franz Maislinger und Günter Schwaiger
„Ohne Frauen ist der Krampus fad“
von Elea Pilz mit Moritz Böhmer und Gertraud Seiser
Rebellische Wellen: Piratenradio und Radio Caroline im Kampf um mediale Freiheit
von Peter Zapfel mit Steve Conway und John Simons
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29
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Selbst ist der Autor: Eine neue Ära des Schreibens und Veröffentlichens
von Sophie Mantler mit Emily Bold, Nicole Richter und Hannes Steiner
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M
E
D
I
E
N
Community Medien: Die Stimme des Volkes
von Melanie Nebenführ mit Christian Jungwirth und Helmut Peissl
Graffiti als Form der Kommunikation
von Max Peternell mit Donat Klingesberger und Tommy
Vom Ton zum Trend: Warum Musiker*innen heute auch Influencer*innen sein müssen
von Carla Medlitsch mit Luke Andrews, Niklas Gusenbauer und KØLEEN
AAAlbtraum: große Videospiele, fehlende Qualität
von Nicolas Wald mit Martin Filipp und Thomas Kunze
Die Schattenseiten der Klicks: Wie TikTok das Selbstwertgefühl der Jugendlichen prägt
von Linda Schrittwieser mit Linda Baier und Lisa-Marie Schiffner
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47
49
52
54
Inhaltsverzeichnis
3
EDITORIAL
Sie ist umkämpft, umstritten, umworben, wird in nicht
demokratischen Systemen unterbunden. Für ihre Existenz
benötigt sie zumindest einen kleinen, im besten
Fall aber große Räume. Sie strebt nach Resonanz und
Akzeptanz, sieht ein Teilziel aber schon mit Wahrnehmung
erreicht. Sie versteht sich als Teil des demokratischen
Systems. Nichtsdestotrotz stellt sie bisweilen
dessen Prinzipien in Frage und lotet vereinzelt dessen
Ränder aus. Im Kern besteht sie aus Kommunikation,
Medien sind deshalb ihr Werkzeug. Des Rätsels Lösung?
Die Antwort lautet Öffentlichkeit.
Dieser schwer zu fassende Begriff war Ausgangspunkt
für die vorliegende SUMO-Ausgabe. Innerhalb eines
Superwahljahres schien es uns wichtig, die gesellschaftlichen
Diskurse in den Blick zu nehmen. Denn
Öffentlichkeit kann man auch als Debatte, insbesondere
in Fragen der Deutung von Welt und Gesellschaft,
begreifen. Bisweilen geraten diese Aushandlungsprozesse
zum Kampf, sind laut, wütend und werden über
Medienkanäle vermittelt. Es werden aber auch ruhige,
verständigungsorientierte Botschaften ausgesendet.
Auch dazu braucht es Medien. Für ein Medienfachmagazin
ein lohnendes Reservoir an Themen. So gingen
die Studierenden des Bachelorstudiengangs Medienmanagement
und Medientechnik an der Fachhochschule
St. Pölten daran die Erscheinungen von Öffentlichkeit zu
beschreiben, zu verstehen und zu ordnen.
Ihre Essenz lautete: Öffentlichkeit = MENSCH MACHT
MEDIEN.
Dieser Befund spiegelt sich in der Gliederung dieser
SUMO-Ausgabe wider. Eröffnet wird die Erkundung
von Öffentlichkeit mit dem Blick auf die Rolle der
Menschen darin. So sprach Theresa Walzer mit den
Pressesprecher*innen von ÖBB, Spar und EVN über
ihren Beruf und ihre Strategien zur Bewältigung der
enormen täglichen Herausforderungen. Weg von der
Gegenwart hin zur Vergangenheit ging der Blick von
Benedikt Waser. Sein Fokus war die Geschichte des
Mitmachradios und damit die Konzepte, um auch das
Publikum im Radio hörbar zu machen. Keineswegs
unter der Wahrnehmungsschwelle bewegen sich
Influencer*innen, die ihr Leben dem Thema Fitness
verschrieben haben. Inwieweit sie mit ihren Appellen
Gutes oder auch Schlechtes erreichen, hat Mirjam
Schwarz recherchiert. Die brennende Frage nach der
richtigen, wegweisenden Entscheidung in ihrem Leben
führt immer mehr Menschen zur Astrologie. Den in
den Sozialen Medien zu konstatierenden Hype hat Gill
Spangler ausgelotet. Wien ist in diesem Jahr European
Capital of Democracy. Warum Demokratiebildung Bottom
Up erfolgen sollte, erklärt Florian Lackner. Wieviele
Freunde haben Sie? Ist die Zahl in Sozialen Medien und
im wirklichen Leben ident? Nicole Siebenhandl ging
der Frage nach wie Jugendliche zwischen Online- und
Offline Beziehungswelten switchen.
Dass es in Öffentlichkeiten um die Frage der Macht
um die Deutungshoheit geht, wird in Abschnitt zwei
illustriert. Felix Ptacek hat sich mit dem Thema Machtmissbrauch
beschäftigt. Er schaut nach China und
relativiert unsere Einschätzung der dortigen Unterdrückung
der Bevölkerung ein wenig. Bernd Benedikt
Richter lenkt unseren Blick weg von der fernen wie
glamourösen Filmbranche in den USA auf Übergriffe in
der österreichischen Medienwelt. Dass es mit #we do!
mittlerweile eine Anlauf- und Beratungsstelle gibt, wie
man dort hilft, aber welches Handeln grundsätzlich im
Falle von Machtmissbrauch angeraten ist, stellt er im
Gespräch mit Expert:innen dar. Theresa Schmidhuber
hat sich Braunau und damit eine in Österreich mit keineswegs
positiven Zuschreibungen versehene Stadt
zum Anlass genommen, um über das Bemühen des
richtigen Erinnerns zu berichten. Als Geburtsstadt Adolf
Hitlers trägt die oberösterreichische Gemeinde ein
schweres Erbe und versucht medial unterstützt damit
4
Editorial
umzugehen bzw. dagegen anzugehen. Geschichte und
Tradition liegen nah beieinander. Letztere hinterfragt
Elea Pilz in ihrem Beitrag zum Thema Krampusumzüge,
die alljährlich ein kurzes Zeitfenster für eine unzeitgemäße
Form von Öffentlichkeit eröffnen. Macht, gleichbedeutend
mit der Möglichkeit seinen Willen gegen
jenen von andern durchzusetzen, erzeugt bisweilen
Rebellion. Großbritannien, das besonders hinsichtlich
seines Rundfunks und der Leistungen der BBC hierzulande
als großes Vorbild gilt, war auch in Hinblick des
Piratenradios beispielgebend. Peter Zapfel sprach mit
zwei Pionieren des widerständischen Radiosenders
Radio Caroline und informiert darüber, dass der Name
Piratenradio nicht von ungefähr kommt.
Abschnitt drei dieser SUMO Ausgabe zeigt welche
Medien rund um Öffentlichkeiten entstehen. Das geschriebene
Wort in gedruckter Buchform oder E-Book
ist für Manche Magie und Fluchtort für Andere Erinnerung
an qua Schule verordneter Langeweile. Alle
die sich die Welt auch lesend erschließen, werden mit
Sophie Mantlers Beitrag über Self Publishing, Freude
haben. Dass es auch erfolgreiche Autor*innen abseits
der tradierten Verlagswelt gibt und dass diese aus ihrer
Leidenschaft einen Brotberuf werden ließen, kann
man dabei erfahren. Melanie Nebenführ sprach mit den
Protagonist*innen von Community Medien. Ohne diese
wären die Gruppen, die sich dort treffen und Content
kreieren vielfach außerhalb der öffentlichen Wahrnehmung.
Der Beitrag gibt Einblicke, in die Chancen,
die das Internet diesen Medien bietet und welche Kompetenzen
Medienmachen sonst noch eröffnet. Weg
vom Digitalen, hin zum sehr, sehr Analogen führt uns
die Reportage von Max Peternell. Wir begleiten ihn auf
seinen Streifzügen durch die Wiener Street Art Szene
und erfahren welche Regelwerke die Community pflegt
und auch wie man die Botschaften richtig entschlüsselt.
Kreativität benötigen die Protagonist*innen im
Beitrag von Carla Medlitsch: Sie fand heraus, dass es
mit der Musikproduktion alleine heute nicht getan ist,
sondern es auch gilt Öffentlichkeiten zu bedienen. Aber
wie geht sich das Dasein als Influencer*in mit jenem
als Musiker*in vereinen? Lesen Sie nach. Nicolas Wald
eröffnet uns einen durchaus kritischen Blick auf die
Gamingbranche. Wenngleich die finanziellen, wie auch
Zeit-Ressourcen, die in die Entwicklung von Spielen
mittlerweile fließen können, nur staunen lassen, sind
die Ergebnisse dieses Investments oft blass. Und sie
ärgern das Publikum. Im Gespräch mit Brancheninsidern
wurden mögliche Gründe dafür ersichtlich. Den
Abschluss macht Linda Schrittwieser, die gleichermaßen
skeptisch auf den digitalen Spielplatz TikTok schaut
und dabei auslotet, inwiefern die vielen Stunden in den
gar nicht so Sozialen Medien negative Auswirkungen
auf die Psyche von jungen Menschen haben kann.
Die 43. SUMO-Ausgabe hofft mit diesem Erklärversuch
für das Konzept der Öffentlichkeit Ihr Wissen und Ihr
Sensorium für die Macht von Diskursen geweckt zu haben.
Wir wünschen viel Freude bei der Lektüre!
Johanna Grüblbauer, Gabriele Falböck und Roland Steiner
© Fabian Lahninger
© Privat
IMPRESSUM
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Fachliche Leitung:
FH-Prof. Mag. (FH) Dr. Johanna Grüblbauer,
Mag. Dr. Gabriele Falböck und
FH-Prof. Mag. Roland Steiner, Bakk.
Druck in Auftrag gewgeben bei gugler*
Leitstern für Kommunikation und Wandel
Auf der Schön 2
A-3390 Melk/Donau
www.gugler.at
© Titelbild: Max Peternell
Editorial
5
© Max Peternell
„Die Stimme hinter den Botschaften“
Pressesprecher*innen in Österreich und
deren Bedeutung für die Öffentlichkeit
Pressesprecher*innen besitzen eine wichtige Position für das öffentliche Leben Österreichs. Sie spielen eine
zentrale Schlüsselrolle in der Informationsvermittlung und versuchen eine positive Beziehung zur Öffentlichkeit
und den Medien aufzubauen. Gefordert sind Transparenz und eine authentische Kommunikation.
SUMO sprach mit drei langjährigen Pressesprecher*innen, blickt hinter die Kulissen ihrer Arbeit und beleuchtet
die Leidenschaft sowie die Herausforderungen, denen sie sich tagtäglich stellen.
„Und wer sind Sie noch gleich?“ Mit dieser Frage eröffnet
eine der interviewten Personen das Gespräch.
Wie sich im Laufe der Konversation herausstellt, ist
die Frage durchaus berechtigt. Denn in Höchstzeiten
können es bei Pressesprecher*innen täglich bis zu 60
Pressetermine sein, die sich auf einem prall gefüllten
Terminkalender drängen. In Zeiten der Informationsflut
und einem maßgeblichen Einfluss der Medien auf die
öffentliche Meinung, gewinnen Pressesprecher*innen
immer mehr an Bedeutung. In Österreich ist für dieses
Berufsbild der PRVA (Public Relations Verband Austria)
besonders relevant. Es handelt sich hierbei um einen
Verband für Kommunikationsexpert*innen in Österreich,
welche für professionelle und strategische Kommunikation
stehen. Der PRVA hat das Ziel, die Professionalisierung
und Weiterentwicklung der Branche wesentlich
zu fördern. Derzeit gehören dem Verband rund
700 Mitglieder an.
Die permanenten Entwicklungen in der Kommunikation,
der Wandel der Kommunikationskanäle und die
erhöhte Themenvielfalt sind auch Grund dafür, warum
Nicole Berkmann, Unternehmenssprecherin und
Leitung der Abteilung Konzern PR und Information bei
SPAR Österreich, diesen selbsternannten Lieblingsjob
bereits seit über 20 Jahren ausübt. Sie spricht darüber,
dass sie viele ihrer Pressetermine aufgrund der langjährigen
Expertise bereits ohne jegliche Vorbereitung
durchführen kann. „Im Radio fühle ich mich am wohlsten,
wenn ich Interviews führe. Dort kann ich die Augen
schließen und mich ganz darauf konzentrieren, was ich mit
meinen Aussagen vermitteln möchte“, erklärt Berkmann.
Zudem betont sie, dass ständig Neues und Aufregendes
passiert und es jeden Tag etwas zu berichten gibt.
Selbiger Meinung ist auch Stefan Zach, Pressesprecher
und Leiter des Bereichs Information und Kommunikation
des EVN Konzerns. Ihm war seit über 30 Jahren in
seiner Position noch keinen einzigen Tag langweilig.
Vielmehr zeichnet sich der Reiz seines Berufs besonders
durch die Vielfalt der Tätigkeiten aus.
Der Umgang mit sensiblen und negativen
Themen
Als Pressesprecher*in befindet man sich in der Rolle
eines*r Informationsvermittler*in für die Öffentlichkeit.
Nicht immer sind es angenehme Fragen, die man
in Interviews gestellt bekommt oder positive Nachrichten,
mit denen man sich an das Publikum richtet.
Bei sensiblen oder negativen Themen ist es für Stefan
Zach besonders wichtig, nie etwas zu sagen, das sich
zu einem späteren Zeitpunkt als falsch herausstellen
kann, sowie mit maximaler Transparenz zu arbeiten.
Denn: „Wenn man einmal die Unwahrheit sagt, kann man
das nicht wieder gut machen“, so Zach. Nicole Berkmann
lässt sich sogar gerne kritische Fragen stellen und genießt
diese, denn sie liebt es, zu erklären und genau das
macht für sie ihre Rolle der Vermittlerin aus. In Zeiten
der Corona-Pandemie war ihr besonders wichtig, viel
positive Kommunikation und beruhigende Worte an
die Öffentlichkeit zu transportieren. Besonders in einer
Krise wird bestmöglich versucht, das Image des eigenen
Unternehmens zu schützen oder zu verbessern.
Für Stefan Zach sind es weniger Wohlfühlgeschichten,
sondern Erzählungen mit Substanz, die er verkaufen
möchte. Rückblickend auf die vergangenen Jahre in dieser
Tätigkeit würde er alles genau wieder so machen,
auch die Fehler, denn aus diesen hat er am meisten
gelernt. Sie sind schmerzvoll, aber sie bleiben in Erinnerung,
meint er.
Glaubwürdigkeit und Vertrauen im Beruf
Information, Verständnis und Vertrauen – dieser Dreiklang
macht für Peter N. Thier, Pressesprecher und
Leiter des Bereichs Konzernkommunikation & Marke
bei den ÖBB, seinen Job aus. Ihm hat es schon immer
Freude bereitet, über ein Gespräch sein Gegenüber von
etwas zu überzeugen. „Es geht darum, Dinge inhaltlich
zu erklären und aufzubereiten, um Verständnis zu erzeugen,
welches anschließend wiederum Vertrauen erweckt.
Die Stimme hinter den Botschaften
7
© Max Peternell
Nicole Berkmann / © 31plus
Stefan Zach / © Raimo Rudi Rumpler
Peter N. Thier / © Marek Knopp
Ich sehe die größte Motivation in meiner Arbeit
darin, wenn es mir gelingt, einen anderen Menschen
über den Weg der Öffentlichkeitsarbeit
von etwas zu überzeugen, ohne an der Realität
vorbeizuzaubern.“ Solche Erfolgsmomente
spornen ihn enorm an, erzählt er. Mit seiner
Aussage wird nochmals klar, dass bei Auftritten
in der Öffentlichkeit Themen so ehrlich
und offen wie möglich kommuniziert werden
sollen, um eine Verbindung zum Publikum
aufzubauen. Nur so können Glaubwürdigkeit
und Vertrauen seitens der Zuhörerschaft gewonnen
werden.
Herausforderungen im Berufsalltag
Eine der größten Herausforderungen, der
sich Pressesprecher*innen gegenwärtig
stellen müssen, ist die knappe Aufmerksamkeitsspanne
des Publikums, egal in welchem
Medium. Inhalte müssen deshalb kurz,
kompakt, einfach sowie ohne Fremdwörter
ausgespielt werden. Um den heißen Brei
herumzureden, bringt dem Publikum nämlich
keinen Mehrwert. Einen typischen Arbeitsalltag
gibt es in diesem Beruf nicht, da
man ständig auf Abruf sein und sehr schnell
reagieren muss. Der Berufsalltag ist hierbei
sehr fremdgesteuert, da er durch die Anfrageanlässe
und die Anzahl der Interviews
bestimmt wird. Dieser Beruf erfordert somit
auch eine hohe Kunst der Spontaneität
und Anpassungsfähigkeit. Stefan Zach findet
auf die Frage, welche Schwierigkeiten
er denn sonst noch zu bewältigen hat, klare
Worte: „Grundsätzlich ist die größte Herausforderung,
das Vertrauen seines Vorgesetzten
zu gewinnen und herauszufinden, wie man ein
Unternehmen am besten nach außen verkaufen
kann.“ Wenn das Vertrauen nicht vorhanden
ist, dann bleibt man in der Arbeit als
Pressesprecher*in sehr beschränkt in seiner
Wirkungsmöglichkeit. Sobald eine Vertrauensbasis
gegeben ist, hat man eine Freiheit
in diesem Beruf. Dieses freie Arbeiten ist
auch ein Grund dafür, warum Stefan Zach so
viel Freude an seinem Job hat. Zudem ist das
Geheimnis seines relativen Erfolgs die ständige
Erreichbarkeit, seit 30 Jahren für alle
rund um die Uhr. Das praktizieren nicht alle
Pressesprecher*innen so.
Für Peter N. Thier hingegen ist es die größte
Herausforderung in seiner Tätigkeit als
Pressesprecher, eine Realität zu schaffen,
die dem Unternehmen erträglich ist und ihm
etwas bringt. Hierbei denkt er vor allem an
weniger erfreuliche Themen wie zum Beispiel
Zugverspätungen, die er dem Publikum
erklären muss. Zudem erzählt er, dass die
Schwierigkeit auch darin liegt, sich jeden Tag
neue kreative Ansätze zu überlegen, sowie
Lösungen und Wege zu finden, um die Aufmerksamkeit
des Publikums für sich zu gewinnen.
In einer Informationsflut, in der wir
uns befinden, bezeichnet er das Gewinnen
von Schlagzeilen, Bildern und Likes als großen
massenmedialen Kampf.
8
Die Stimme hinter den Botschaften
Im Lichte der Öffentlichkeit
Für die Öffentlichkeit und deren Meinungsbildung besitzen
Pressesprecher*innen eine hohe Verantwortung.
Mit ihren Aussagen können sie Einfluss auf die persönliche
Meinung haben, wenn diese glaubwürdig und
nachvollziehbar argumentiert werden. Dadurch besitzt
man eine große Verantwortung, da man das Gesicht
nach außen hin ist. Nicole Berkmann sieht sich selbst
als Vermittlerin zwischen Öffentlichkeit und Unternehmen.
Für sie ist es wichtig, dass sie mit ihren Botschaften
vom Publikum gehört wird und dieses erreichen
kann. Grundsätzlich ist es relevant, eine Beziehung zu
den Vertreter*innen der Öffentlichkeit aufzubauen und
bei diesen einen guten Eindruck zu hinterlassen. Die Art
und Weise, wie man im öffentlichen Rahmen auftritt
und spricht, spielt dabei eine wesentliche Rolle. Auch
wenn es nicht immer angenehm ist, der Öffentlichkeit
ausgesetzt zu sein. Als Pressesprecher*in ist es wichtig
viel auszuhalten. Persönliche Eitelkeit ist in diesem Job
fehl am Platz, berichtet sie.
Das Berufsbild in der Zukunft
Bei der Frage an die Interviewpartner*innen, wie sie
ihren Job in drei Worten beschreiben würden, werden
Eigenschaften wie „vielfältig“, „spannend“, „lustig“
und „anstrengend“ genannt. Ebenso sind sich alle drei
einig, dass ihr Beruf auch noch in der Zukunft bestehen
bleibt. Solange es Medien gibt, wird er existieren,
meinen sie. Zudem werden Kommunikationsberufe im
Allgemeinen massiv an Bedeutung gewinnen, denn es
braucht Menschen, die Komplexität in etwas Einfaches
auflösen und erklären können.
Theresa WALZER
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Die Stimme hinter den Botschaften
9
Klang der Gemeinschaft:
Wie das Mitmachen im Radio
international begann
Die Entstehung der Interaktion im Radio spielt eine wesentliche Rolle für die Geschichte
der Rundfunkunterhaltung. SUMO hat mit Hans-Ulrich Wagner, Senior
Researcher am Leibniz-Institut für Medienforschung in Hamburg und Christoph Classen,
wissenschaftlicher Mitarbeiter am Zentrum für Zeithistorische Forschung in
Potsdam, gesprochen, um den Ursprung zu rekonstruieren.
Christoph Classen / © privat
Hans-Ulrich Wagner / © Hans-Bredow-Institut
„Man kann es den Hörerbriefen entnehmen: Es
gibt von Anfang an stark dieses Interesse, Einfluss
auf die Inhalte zu nehmen“, so Christoph
Classen. Generell: Radio senden bedeutet im
Englischen Broadcasting und kann auch mit
dem Streuen von Samen übersetzt werden.
Diese Idee des Broadcasting wohnt dem
Rundfunk seit seinem Beginn inne. Wenn jede*r
senden kann, kann auch jede*r zurücksenden
und mitmachen. Damit stellt sich
die Frage: Wann startete das Radio in dieser
Form?
Von den Anfängen bis zu modernen
Formaten
Hans-Ulrich Wagner beschreibt die
Geschichte des Mitmachens im Radio als eine
fortlaufende Entwicklung, die von den ersten
zaghaften Versuchen in den 1920er Jahren
bis hin zu den heutigen interaktiven Formaten
reicht. „Der Versuch, Mitmachen im Radio zu
erforschen, scheitert oft am Quellenproblem.
Unterlagen sind oft nicht erhalten“ , so Hans-
Ulrich Wagner. Historiker*innen stünden
vor der Herausforderung, historische
Mitmachaktionen im Radio mit Hilfe von
wenigen Dokumenten zu rekonstruieren.
Glücksfälle wie gelegentlich erhaltene Hörer*
innenbriefe bieten dann wertvolle Einblicke in
die Vergangenheit und spiegeln bestimmte
Formen der Reaktionen der Hörer*innen
auf Sendungen wider. Wagner betont, dass
das Radio ursprünglich als Bildungsmedium
konzipiert war, mit dem Ziel, die Menschen
zu erziehen und zu informieren. Die Trennung
zwischen Produzent*innen und Publikum
sei so deutlich spürbar gewesen. Eine
bemerkenswerte Ausnahme stellt die sowohl
von Wagner als auch Classen aufgegriffene
Sendung Hallo Ü-Wagen dar, die in den
70er und 80er Jahren beim Westdeutschen
Rundfunk in Köln ausgestrahlt wurde. Durch
den Einsatz mobiler Übertragungswagen
konnten Produzent*innen direkt vor Ort mit
den Menschen sprechen und ihre Anliegen in
die Sendung integrieren. Bei dieser Sendung
sollte eine offene Diskussion geführt und
unkonventionelle Themen aufgegriffen werden.
Pionierrolle und internationale
Entwicklungen
In Bezug auf die Pionierrolle beim Mitmachen
im Radio sieht Wagner Deutschland
als einen wichtigen Akteur. Obwohl die BBC
oft als Vorreiter betrachtet werde, habe
Deutschland eine bedeutende Rolle bei der
Weiterentwicklung der Interaktivität im Radio
gespielt. Europa stand dem privatwirtschaftlichen
amerikanischen Rundfunk ablehnend
gegenüber. Die technische Organisation
der USA prägte allerdings das Mitmachen.
Außerdem veranstalteten Private
schon früh Call-In-Sendungen.
Christoph Classen ergänzt diese Sichtweise
mit seinen Erkenntnissen zum Amateurfunk,
der Reichs-Rundfunk-Gesellschaft und den
politischen sowie wirtschaftlichen Zwecken
des Mitmachens. Classen hebt hervor, dass
der Amateurfunk in Nordamerika schon vor
dem Radio existiert und gewissermaßen
eine Vorläuferrolle in der interaktiven
Kommunikation gespielt habe. Er ist im
Sinne der Internationalen Fernmeldeunion ein
Funkdienst, der von Laien ohne finanzielle
Interessen zur Selbstausbildung, zur gegenseitigen
Verständigung und für technische
10
Klang der Gemeinschaft
Untersuchungen betrieben wird. Classen beschreibt,
wie der Amateurfunk in den Vereinigten Staaten
zunächst unreguliert war und erst im Laufe der Zeit
Einschränkungen eingeführt wurden, um Interferenzen
– sprich Überlagerungen von Senderwellen – zu
vermeiden. Auch für Österreich gibt es mit Radio
Hekaphon ein Beispiel. Es war der erste Hörfunksender
des Landes und nur für zwei Jahre in Betrieb, nämlich
1923 und 1924. Radio Hekaphon entstand auf private
Initiative und war ein Versuchssender zur Ausstrahlung
eines gestalteten Sprach- und Musikprogramms.
Betreiber waren die Vereinigten Telephonfabriken
AG Czeija, Nissl & Co. Oskar Koton war leitender
Ingenieur, Cheftechniker und Sprecher. Bert Silving
war Musikdirektor. Auch die Propagandist*innen im
nationalsozialistischen Deutschland wussten das
Radio geschickt einzusetzen. Abseits der breitflächigen
Versorgung mit Radiogeräten setzte man auch auf
die Aktivierung des Publikums. Ein weiterer wichtiger
Aspekt, den Classen anspricht, ist das Wunschkonzert
der Reichs-Rundfunk-Gesellschaft. „Das Wunschformat
gab es schon in den 20er Jahren“. In der NS-Zeit sei das
Wunschkonzert des Winterhilfswerks erfunden worden,
bei dem Liederwünsche an eine Spende gebunden
waren. Im 2. Weltkrieg sollte diese Möglichkeit der
Musikwahl die Verbindung zwischen den Soldaten
an der Front und ihren Freunden und Angehörigen
zu Hause stärken. Das Wunschkonzert der Wehrmacht
gehörte inw Deutschland in dieser Zeit zu den
populärsten Radiosendungen.
Propaganda und kommerzielle Interessen
Auch nach der NS-Ära hatte das Radio eine politische
Dimension: Im Kalten Krieg, in der Zeit zwischen 1947 und
1989, wurde der Konflikt zwischen den Westmächten
und dem sogenannten Ostblock unter Androhung des
Einsatzes von Atomwaffen ausgetragen. Laut Classen
wurden in dieser Zeit politisch motivierte Sendungen
als Mittel der Propaganda eingesetzt. Kommunistische
und liberale Denkweisen konkurrierten um die
Deutungshoheit. Bekanntlich machen Radiowellen
nicht an Grenzen halt. Kommerzielle Sender wie
Radio Luxemburg sendeten grenzüberschreitend, um
Werbeeinnahmen zu generieren. Von Luxemburg aus
wurden Programme in die europäischen Nachbarländer
gesendet, die in der jeweiligen Landessprache speziell
für die Zuhörer*innen in Frankreich, England, der
Bundesrepublik und den Beneluxstaaten konzipiert
waren. In der Bundesrepublik erfreute sich der Sender
vor allem in den 70er und 80er Jahren großer Beliebtheit.
In sozialistischen Staaten konnten solche Sender zwar
empfangen werden, doch seien die dortigen Publika für
die Werbeindustrie nicht relevant gewesen. Aber hier
gab es eine politische Dimension: Die Bürger*innen
der DDR konnten Rundfunkprogramme der BRD empfangen
und freilich gab es auch Publikum. Von den
Radioproduzent*innen wurde das dortige Publikum
kaum beachtet, ergänzt Classen. In den 1980er
Jahren etablierte sich in Europa in unterschiedlichen
Geschwindigkeiten das duale Rundfunkmodell, das
sowohl öffentlich-rechtliche als auch private Sender
umfasste. In Deutschland wurde es 1984 eingeführt,
in Österreich bekanntlich spät: Im Jahre 1998. Radio
Steiermark und Radio Melody wurden jedoch schon ab
1995 gesendet. Das duale Rundfunkmodell führte
dazu, dass Sender wie Radio Luxemburg ihre Strategien
anpassten, um mit der vergrößerten Konkurrenz
mithalten zu können. Sie verloren ihr Geschäftsmodell
des grenzüberschreitenden Rundfunks und mussten
sich um Lizenzen in den jeweiligen Ländern bewerben.
Identität, Internationalität und Interaktivität
Die Ätherwellen überwinden also nationale Grenzen.
Damit stellt sich die Frage, ob die Idee eines
internationalen Radios noch nie da war. Ganz im
Gegenteil: Laut Classen gab es schon immer die
Vision eines internationalen Radios. Sie beinhaltete
die Vorstellung, dass dieses Medium die Länder
miteinander verbindet und zu einer friedlicheren Welt
führt. Andererseits wollten Nationalstaaten jedoch die
Kontrolle über dieses einflussreiche Medium behalten.
Große Sender wie RTL seien zwar in so gut wie ganz
Europa präsent, doch die Programme werden oft
national produziert und ausgestrahlt. „Das ist auch
wichtig, um überhaupt dieses kulturelle Feeling zu haben,
wie man dort Radio machen muss“, so Classen. Er
betont, dass Musik als universelle Sprache Grenzen
© Sophie Mantler
Klang der Gemeinschaft
11
überwindet, während Wortprogramme
aufgrund von Sprachbarrieren international
weniger anerkannt seien. Mitmachen ja, die
Idee der Interaktivität im Radio bleibt bisher
aber eine Vision. Es ist ein Medium, das
nicht direkt interaktiv ist. „Radio ist Point to
Many“, behauptet Classen. Es sei schwierig,
einen unmittelbaren Draht zwischen Sender
und Hörer*innen herzustellen. Die Vision
eines Radios, bei dem jeder zum Absender
werden kann, sei im Internet realisiert
worden. „Jeder kann selbst auch zum Sender
werden. Man ist nicht nur Konsument von dem,
was einem gesellschaftliche Eliten vorsetzen“ ,
erklärt Christoph Classen.
„In Social Media ist es ja realisiert. Aber ich
glaube, das Ergebnis würde Bertolt Brecht jetzt
nicht glücklich machen“ erklärt Classen mit
Anspielung auf dortige liberale und kapitalistische
Strukturen. Er zieht einen Vergleich
zur Amateurfunkbewegung, die bereits in
den 1970er Jahren das Potential einer freien
Kommunikation für jedermann erkannte.
1978 formulierte der deutsche Amateurfunk
das sogenannte CB-Manifest, das eine
herrschaftsfreie Kommunikation propagierte.
Es brachte auch Wünsche einer mobilen
Kommunikation zum Ausdruck, die sich erst
später mit Handy, WLAN und Sozialen Medien
als alltägliche Kommunikationskultur
verwirklichen sollte.
Die Idee des Radios als Kanal für
Interaktivität wird mit der Digitalisierung
also technisch ermöglicht. Dies bedeutet,
dass digitale Plattformen eine noch
interaktivere Radiolandschaft schaffen und
die Hörer*innenschaft aktiv ins Programm
einbeziehen. Eine entsprechende Vermarktung,
um ein interessiertes Publikum
zu erreichen, ist anzuraten. Damit lässt sich
die ursprüngliche Vision des Mediums doch
noch realisieren.
Benedikt WASER
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Klang der Gemeinschaft
Mo–Fr: 9–18 Uhr
Sa: 9–17 Uhr
KI im Newsroom – Ja, aber wie?
Social Media Fitness:
Der Einfluss von Instagram, TikTok
und Co. auf unseren Sportalltag
Immer mehr Influencer*innen sind in den Sozialen Medien präsent, insbesondere
auf Plattformen wie Instagram und TikTok. Unter ihnen sind nicht nur Fashion- und
Reise-Influencer*innen, sondern auch zunehmend Fitness-Influencer*innen vertreten.
Doch wie beeinflussen sie ihre Rezipient*innen? Welche Vor- und Nachteile
bringt diese Entwicklung für die Zuseher*innen mit sich? Die Antworten
auf diese Fragen geben im SUMO einerseits Philipp Greimel, Sportphysiotherapeut
und Dozent an der Fachhochschule St. Pölten und andererseits Ben Mareich,
Fitnesscoach und Influencer.
„Der Einfluss von Fitness-Influencer*innen in
den Sozialen Medien hat sicherlich positive und
negative Auswirkungen auf die Rezipient*innen“,
sagt Philipp Greimel. Er betont, dass
dieser Einfluss motivierend sein kann und
den Zugang zu neuen Sportarten und Trainingsmethoden
ermöglicht. Zudem werden
durch Fitness-Influencer*innen oft Trainingsmythen
entlarvt. Auf der anderen Seite
warnt Greimel vor dem Verkauf unrealistischer
Sportideale, die für die Einzelperson
schwer zu erreichen sind und demotivierend
wirken können. Er hebt hervor, dass die
Wahrnehmung dieser Inhalte stark von der
individuellen Person abhängt. Einige fühlen
sich motiviert und inspiriert, die gezeigten
Übungen nachzuahmen, während andere
sich durch die vermeintlich unerreichbaren
Standards eher eingeschüchtert und verunsichert
fühlen.
Positive Aspekte des Influencings
„Über Social Media wird eine breitere Personengruppe
mit dem Thema Krafttraining konfrontiert“,
erklärt Greimel. Früher wurde Krafttraining
von vielen, insbesondere Frauen,
als abschreckend angesehen und es bestand
eine große Hemmschwelle. Durch Social
Media wurde das definitiv reduziert und
somit ist durchaus ein positiver Aspekt des
Influencings feststellbar. Krafttraining ermöglicht
es, das gewünschte Körperbild und
Schönheits- oder Fitnessideale zu erreichen.
Es ist sowohl gesund für den menschlichen
Körper als auch gut für das allgemeine Wohlbefinden.
Fitness-Influencer*innen animieren
und motivieren Menschen dazu, Sport
zu treiben und einen gesünderen Lebensstil
zu führen, wie Greimel ebenfalls positiv am
Influencing feststellt. Das kann einerseits
durch Krafttraining oder allgemeine sportliche
Betätigung geschehen, aber auch durch
eine mögliche Ernährungsumstellung. Zudem
können ungesunde Lebensstile, Ernährungsgewohnheiten
oder Bewegungsmuster
durch die Tipps und Anleitungen von
Fitness-Influencer*innen auf Instagram oder
TikTok überwunden werden. Ben Mareich,
Fitnesscoach und Influencer, spezialisierte
sich hauptberuflich auf Personaltraining,
Performance Training, Corporate Fitness
sowie Screenings und Testings. Nebenbei
ist er auf Instagram aktiv und erreicht dort
95.000 Follower*innen. Er hebt hervor, dass
hochwertiger Content einen positiven Effekt
auf Trainingsneulinge haben kann und als
Inspirationsquelle dienen sollte. Er rät dazu,
sich von verschiedenen Quellen inspirieren
zu lassen, insbesondere wenn man unsicher
ist, welche Übungen für welche Ziele
geeignet sind. Kurzum: Vielfalt ist entscheidend.
Im Interview betont Mareich auch die
Bedeutung der Kombination aus Kraft- und
Cardiotraining für einen ganzheitlichen gesunden
Lifestyle.
Greimel und Mareich sind sich beim Thema
„hochwertiger Content“ einig: Bei der Arbeit
mit Fakten müssen die Quellen angegeben
werden. Es sollte klar vermittelt werden,
dass es keine universelle Lösung für alle gibt
und dass ein gesunder Alltag sowohl Sport
als auch eine ausgewogene Ernährung um-
Ben Mareich/ © privat
Philipp Greimel / © Florian Stix
Social Media Fitness
13
fasst. Übungen sollten nicht als falsch oder schädlich
dargestellt werden, da jede Übung ihren spezifischen
Zweck hat. Einige Übungen eignen sich besser für den
Muskelaufbau, andere für die Linderung von Gelenkschmerzen
oder zur Rehabilitation nach Verletzungen.
Es ist wichtig, diese Unterschiede deutlich zu kennzeichnen
und zu erläutern.
Potenzielle Gefahren für Rezipient*innen
Hochwertiger Content okay, aber wie erkennt man
diesen? „Aus meiner eigenen Erfahrung als Trainer
von Jugendlichen kann ich sagen, dass viele von ihnen
Bodybuilder auf Social Media verfolgen, die sich
ausschließlich auf die Wettkampfseite des Bodybuildings
konzentrieren. Das kann dazu führen, dass junge Menschen
ein ungesundes Bild von Fitness und Körperbildern
entwickeln“, sagt Mareich. Er betrachtet das als ein
ernsthaftes Problem, weil insbesondere Jugendliche in
einem jungen Alter sehr beeinflussbar sind. Besonders
bei männlichen Jugendlichen beobachtet er den Trend,
immer breiter und stärker werden zu wollen. Oft greifen
sie dabei zu ungesunden Mitteln wie Substanzen, die
auf der Dopingliste stehen. Dieses Verhalten wird von
einigen Rezipient*innen als „cool“ angesehen, wodurch
der Drang entsteht, ähnliche Wege einzuschlagen
und Fitness-Influencer*innen nachzueifern. Auch die
Deutsche Sporthochschule Köln, speziell das Institut für
Biochemie, warnt vor den Gefahren von Anabolika, dem
beliebtesten Dopingmittel in der Fitnessszene. Hohe
Dosen über lange Zeiträume können schwerwiegende
und lebensgefährliche Nebenwirkungen verursachen,
wie Herz-Kreislauf-Schäden, die zu Herzinfarkten und
im schlimmsten Fall zum Tod führen können. Weitere
Risiken sind Leberschäden, Vermännlichung bei
Frauen (z. B. tiefere Stimme, Menstruationsstörungen)
sowie bei Jugendlichen ein vorzeitiger Verschluss der
Epiphysenfugen, der das Längenwachstum beeinträchtigt.
Mareich unterstreicht außerdem, dass Fitness-Influencer*innen
oft irgendwann mehr Wert auf Quantität
als auf Qualität legen, da ihr eigener Erfolg und ihre
Popularität für sie von großer Bedeutung sind – oft sogar
der Hauptanreiz für ihr Engagement. Dabei ist es
für Jugendliche wichtig, das Training so individuell wie
möglich zu gestalten. Er bemüht sich deshalb, aktiv
auf individuelle Fragen einzugehen und bietet maßgeschneiderte
Trainingspläne gegen eine Gebühr an.
Auch Greimel teilt diese Ansicht: „Man kann keine Person
einfach mit einer anderen vergleichen. Nur weil eine
bestimmte Trainingsübung für eine Person gut funktioniert,
bedeutet das nicht automatisch, dass sie für eine andere
Person genauso geeignet ist. Trainingspläne sind nicht universell
übertragbar.“
Herausforderungen für Fitness-
Influencer*innen
Als Influencer*in ist es wichtig zu betonen, dass für den
Traumbody nicht nur die Trainingsübungen und Intensitäten
entscheidend sind, sondern auch die Ernährung,
wie Greimel betont: „Manche Menschen können mit einem
Kaloriendefizit von 100 Kalorien gut arbeiten, andere
überhaupt nicht. Manche müssen vor dem Training nicht
frühstücken, während andere unbedingt eine Mahlzeit vor
dem Training benötigen.“ Es ist von großer Bedeutung,
dass individuelle Unterschiede bestehen und keine
„one-size-fits-all“ Lösung für alle funktioniert. Hierin
liegt die Herausforderung für Fitness-Influencer*innen,
diese Botschaft effektiv an ihre Zuseher*innen
zu vermitteln. Mareich betont, dass Influencer*innen
eine Verantwortung tragen, hochwertigen Content
zu produzieren und diesen den Rezipient*innen so zu
© Carla Medlitsch
vermitteln, dass er auch gesund umgesetzt werden
kann. Besonders herausfordernd ist es laut Mareich,
Jugendlichen zu erklären und zu präsentieren, was
tatsächlich gesund ist und dennoch attraktiv wirkt. Er
beschreibt, dass vielen Jugendlichen nur das äußere
Erscheinungsbild wichtig ist, während gesundheitliche
Aspekte wie beispielsweise die Bandscheiben
oft ignoriert werden. Das gilt es zu vermeiden.
Sportliche Falschinformation: Gründe und
Auswirkungen
Leider sind sich nicht alle Influencer*innen ihrer Verantwortung
bewusst. Falsche Informationen über zu
vermeidende Übungen, extreme Empfehlungen, die
Ängste auslösen können, sind laut Greimel zu beobachten.
Die Logik dahinter: Viele Accounts wollen in
erster Linie ihre eigene Reichweite steigern, anstatt
den Nutzer*innen tatsächlich qualitativ hochwertige
Trainingsinformationen zu vermitteln. Just Videos, die
vor bestimmten Übungen warnen und diese kritisieren,
erzielen oft hohe Klickzahlen. Eine größere Reichweite
bedeutet höhere Einnahmen durch Kooperationen. Für
die einzelunternehmerisch tätigen Content Creator*innen
stellt das Abwägen der Vor- und Nachteile folglich
eine bedeutende Herausforderung dar. Das trägt jedoch
dazu bei, falsche Informationen zu verbreiten.
Mareich ergänzt, dass Influencer*innen Fotos oder Videos
zu ihrem Vorteil bearbeiten, um Selbstzweifel zu
kompensieren. Trotz des Bewusstseins über die verzerrte
Wahrnehmung durch Bildbearbeitungen sind auch
sie vor dem Vergleich mit anderen nicht gefeit. Bildbearbeitung
erfolgt dann oft dem eigenen Wohlbefinden
zuliebe. Zum Beispiel wird Cellulite, eine natürliche
Erscheinung bei Frauen, in der digitalen Welt oft gar
nicht gezeigt. Das entspricht nicht der Realität, denn
selbst junge Frauen können Cellulite haben.Bei Frauen
gibt es keine Cellulite und bei Männern wird vorgegeben,
dass alles natürlich antrainiert ist. Wie Mareich
feststellt, werden tatsächlich oft Doping-Substanzen
verwendet: „Ohne diese Zusätze können sie nicht so aussehen.
Das ist auf natürliche Weise unmöglich.“ Das Resultat
ist eine Verzerrung der Wahrnehmung der Zuseher*innen,
insbesondere jener, die neu in diese Welt
eintauchen und nicht unterscheiden können, ob das
scheinbar perfekte Körperbild durch Nahrungsmittelergänzungen
oder auf natürliche Weise entstanden
ist. Es gibt leider kein objektives und wissenschaftlich
fundiertes Ranking der besten Fitness-Influencer*innen,
da Fitness eine sehr komplexe und subjektive Angelegenheit
ist.
Regulierungen
Wie kann man also Qualität sicherstellen? Auf dem Papier
müssen Sport-Influencer*innen einigen Regulierungen
folgen. Es gibt ein Gesetz zur Kennzeichnungspflicht,
das von der RTR überprüft wird. Die Empfehlung,
Quellen zu belegen, kommt vom Österreichischen
Werberat. Dieser ist jedoch eine Selbstregulierungsorganisation,
die lediglich Empfehlungen ausspricht und
keine rechtliche Befugnis besitzt. Fitness-Influencer*innen
müssen die Jugendschutzbestimmungen
laut dem Jugendschutzgesetz und dem Rundfunkgesetz
einhalten, indem sie keine Inhalte veröffentlichen,
die für Minderjährige schädlich oder unangemessen
sind. Außerdem fallen Sport-Influencer*innen in Österreich
unter das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb
(UWG), das unlautere Geschäftspraktiken wie
irreführende Werbung oder den Missbrauch von Verbrauchervertrauen
verbietet. Das Problem besteht darin,
dass es eine große Anzahl an Influencer*innen gibt.
Diese Gesetze gelten jedoch nur für österreichische
Anbieter*innen, während Kinder und Jugendliche auch
Influencer*innen aus anderen Ländern folgen. Mit dem
„Digital Services Act“ existiert eine EU-weite Gesetzgebung,
die die Ver- antwortung für den Jugendschutz bei
den Anbieter* innen und Plattformen sieht. Inwiefern
das effektiv ist, muss noch beobachtet werden. Daher
ist es dringend notwendig, das Bewusstsein bei Content
Creator*innen zu schärfen und internationale Bestimmungen
für sie zu formulieren.
Mirjam SCHWARZ
© Carla Medlitsch
Auf den Spuren der Sterne: Selbstfindung
im Zeitalter des Astrologie-Hypes
Egal, ob es sich um Gesundheit, Liebe, den beruflichen Erfolg oder entscheidende Wendepunkte im
Leben handelt – viele junge Erwachsene setzen heutzutage oft auf die Macht der Sterne. Die Astrologie
erlebt auf sozialen Plattformen wie Instagram, TikTok und YouTube eine neue Popularitätswelle
bei der jungen Generation, die zunehmend nach alternativen Quellen der Selbstreflexion, Orientierung
und Lebensführung sucht. SUMO ging deshalb im Gespräch mit dem Sozialwissenschaftler
Franz Höllinger und den Astrologinnen Daniela Hruschka und Elisabeth Berauer der Frage nach, wie
stark der aktuelle Astrologie-Hype die Selbstfindung im digitalen Zeitalter beeinflusst.
Die Astrologie übt seit Jahrtausenden eine starke
Anziehungskraft auf die Menschheit aus, indem sie die
nächtlichen Sterne als eine Art Sprache interpretiert,
die unsere Neugier und unser Interesse weckt. Ihre
Wurzeln reichen bis in die vorchristliche Zeit Mesopotamiens
zurück, etwa um das Jahr 1250 v. Chr. Von
dort aus hat sie sich über die Jahrhunderte hinweg in
verschiedenen Kulturen und Gesellschaften weltweit
weiterentwickelt und verbreitet. Inzwischen hat die
Sterndeutung den Sprung in die große weite digitale
Welt geschafft, wo sie auf den Onlineplattformen eine
breite Anhängerschaft gefunden hat.
Der Aufschwung des Astrologie-Contents
„Die Astrologie kommt wieder mehr in das Bewusstsein
der Menschen. In asiatischen Ländern wie China, Indien,
aber auch Südamerika wird sie seit mehreren Jahrhunderten
kontinuierlich mehr genutzt als im europäischen
Raum. Vielleicht wurde sie einfach von gewissen Themen
verdrängt“, erklärt Astrologin Daniela Hruschka aus
Salzburg. Damit stellt sich die Frage nach dem Grund
des aktuellen Hypes. In einer Zeit, in der Veränderung
und Unsicherheit allgegenwärtig sind, rücke die
Astrologie stärker in den Fokus – so die Vermutung
Hruschkas. Ergänzend dazu sieht sie auch in den Sternen
die Begründung: „Wir befinden uns seit Anfang des
Jahres in einem großen Zeitenwandel, wo Pluto im Zeichen
des Wassermann steht. Dies deutet auf einen astrologischen
Zeitabschnitt hin, der durch die Position bestimmter
Planeten im Tierkreiszeichen definiert wird und die
Charakteristika und Einflüsse des Wassermann-Zeichens
hervorhebt wie etwa technologische Fortschritte oder kollektive
Anstrengungen für die Gesellschaft.“ Analog dazu
die wissenschaftliche Einschätzung von Sozialwissenschaftler
Franz Höllinger von der Karl-Franzens-Universität
Graz: „Angesichts von globalen Herausforderungen
wie Krisen, Pandemien, Umweltkatastrophen etc. suchen
viele Menschen verstärkt nach Sinnhaftigkeit und Orientierung
für ihr Leben sowie für die Zukunft. Viele Menschen
wenden sich daher spirituellen, philosophischen oder anderen
Sinn stiftenden Quellen wie der Astrologie zu, um
Antworten zu finden, Trost zu suchen sowie Orientierung
und Halt zu gewinnen.“ Sekundierend dazu auch eine
Marktforschung „zur Einstellung zu Astrologie, Sternzeichen
und Horoskop“, welche im Jänner 2017 vom
Online Marktforschungsinstitut meinungsraum.at veröffentlicht
wurde. Demnach sind 38% der Meinung,
dass die Beschreibung des eigenen Sternzeichens
zumindest eher auf den eigenen Charakter passt.
Franz Höllinger sieht die Astrologie deshalb in einem
Trend in Richtung einer Selbstverwirklichungs- und
Therapiegesellschaft, wo Menschen danach streben,
sich selbst besser kennenzulernen und zu verstehen.
Zu einer ähnlichen Diagnose gelangte auch der Psychologe
Andreas Hergovich in einem ORF-Gespräch vom
5. Jänner 2020. Ihm zufolge verstärken der Niedergang
organisierter Religionen und die wirtschaftliche
Unsicherheit das Bedürfnis nach einem kohärenten
Weltbild und Kontrolle über das eigene Leben. Besonders
in Zeiten des Wandels, der Digitalisierung und der
gesellschaftlichen Beschleunigung suchen junge Menschen
nach Orientierung und Halt. Astrologie bietet
scheinbar Antworten auf Fragen, die die Wissenschaft
nicht beantworten kann, wie den Sinn des Lebens. Sie
dient als Anker in unsicheren Zeiten. Viele wenden sich
in solchen Momenten alternativen Glaubenssystemen
zu, die als Gegengift zu modernen Ängsten und Unsicherheiten
wirken. Astrologische Vorhersagen sind
für ein digital vernetztes Publikum besonders ansprechend
und bieten Erklärungen für die aktuellen „ungewöhnlichen“
Zeiten.
Mediale Berichtserstattung von Astrologie
Die mediale Berichterstattung über astrologische
Inhalte im digitalen Zeitalter hat die Art und Weise, wie
Menschen Astrologie wahrnehmen und nutzen, stark
verändert. Durch die Integration in verschiedene digitale
Plattformen und Medienformate erreicht Astrologie ein
16
Auf den Spuren der Sterne
© Max Peternell
breiteres Publikum und wird zunehmend
in den Alltag der Menschen eingebunden.
Podcasts auf Spotify mit klingenden Titeln
wie Reise zu dir selbst, Astrologie To Go –
Sterndeutung für unterwegs und Videos
auf YouTube bieten tiefe Einblicke und
ausführliche Diskussionen zu astrologischen
Themen. Plattformen wie Instagram und
TikTok ermöglichen hingegen eine schnelle
Verbreitung und Rezeption von Astrologie
durch ihre visuell ansprechenden und leicht
konsumierbaren Inhalte, wie Beiträge, kurze
Videos und „Astro-Memes“, die oft von
Astro-fluencer*innen übernommen werden.
Diese Inhalte beleuchten die typischen
Charakteristiken der Sternzeichen und
decken eine Vielzahl von Themen, darunter
Lebensweisheiten, Ratschläge, Work-Life-
Balance, Beziehungen etc., ab. Zudem zeigen
kommerzielle Angebote, wie personalisierte
Horoskop-Apps und exklusive Mitgliedschaften,
die wirtschaftliche Dimension des
Astrologie-Hypes.
Diese breite Verfügbarkeit und die vielfältigen
Ausdrucksformen der Astrologie fördern
nicht nur die Selbstreflexion und das Verständnis
der eigenen Person, sondern auch
die Gemeinschaftsbildung. Junge Erwachsene
finden Gleichgesinnte, mit denen sie ihre
Erfahrungen und Erkenntnisse teilen können,
was zu einem Gefühl der Zugehörigkeit
und Unterstützung beiträgt. Astrologin
Hruschka erklärt, was vielen Menschen nicht
bewusst ist: Traditionelle und digitale Medien
vermitteln häufig den Eindruck, dass Horoskope
präzise Vorhersagen zu den zwölf
Stern- bzw. Sonnenzeichen machen können.
Jedoch werden die Aussagen bzw. Impulse
auf die Allgemeinheit getroffen und beziehen
sich nicht spezifisch auf den einzelnen
Menschen. Diese Verallgemeinerung vernachlässigt
die individuelle Einzigartigkeit
und Komplexität jedes Menschen sowie deren
persönliche Verantwortung für ihr Leben.
Verloren? Ratlos? Verzweifelt?
Menschen suchen also Rat, um nicht nur
Klarheit über ihre aktuellen Lebensumstände
zu erlangen, sondern auch Wege zur
Bewältigung ihrer Herausforderungen
zu finden. Während einige darauf hoffen,
konkrete Vorhersagen für die Zukunft
zu erhalten, setzen andere eher auf ihre
eigenen Fähigkeiten und Ressourcen, um
ihren Weg zu gehen. „Jeder Mensch ist für sich
selbst Expert*in ihres*seines Lebens“, erläutert
Astrologin Elisabeth Berauer aus Wien.
Darüber hinaus war der Wunsch, Magisches
ins Leben zu bringen, schon immer eine
Antriebsfeder der Menschen. Vielleicht auch
weil wir in einer zunehmend rationalen und
von Funktionalität getriebenen Gesellschaft
leben. Sie erklärt weiter, dass die Astrologie
sich aus jahrtausendealter Beobachtung der
Zusammenhänge von Planetenbewegungen
in Korrelation zu Erscheinungen auf der Erde
entwickelt hat. Was bedeute, dass es keine
rationale Er- klärung oder wissenschaftlichen
Beweise für ihre Annahmen gibt.
Wissenschaftliche Messmethoden können
die Astrologie niemals erfassen, denn sie
ist ein Symbolsystem. Tierkreiszeichen und
Planeten sind Symbole für die vielfältigen
Erscheinungen des Lebens, seien sie
materiell, geistig, seelisch oder spirituell.
Symbole verkörpern die innere Essenz einer
Erscheinung. Mit methodischen Standards
und den empirischen Anforderungen der
Franz Höllinger / © privat
Elisabeth Berauer / © Maria Blum
Daniela Hruschka / © Marla Pilz
Auf den Spuren der Sterne
17
Naturwissenschaft lässt sich diese nicht ergründen.
Eine Umfrage von meinungsraum.at zeigt, dass
28% der Befragten denken, dass es Dinge gibt, die
sich wissenschaftlich nicht nachweisen lassen und
begründen damit ihren Glauben an die Astrologie.
Soziologe Höllinger verweist auf eine österreichweite
Repräsentativbefragung des ISSP (International Social
Survey Programme) unter Erwachsenen ab 18 Jahren, die
bereits seit 1986 im Gange ist. Demnach glaubt in etwa
ein Drittel der Österreicher*innen an Astrologie, wobei
der Anteil bei jüngeren Menschen höher ist. Es lässt
sich beobachten, dass Frauen im Vergleich zu Männern
ein stärkeres Interesse an Astrologie zeigen und diese
Praxis innerhalb ihrer jeweiligen spirituellen Kontexte,
zu denen verschiedene Formen von Spiritualität wie
Alternativmedizin, Meditation, Yoga usw. gehören,
häufiger ausüben. Diese Tendenz besteht unabhängig
vom Bildungsgrad.
Astrologie entschuldigt keine Verhaltensweisen
Die beiden Astrologinnen erwähnen auch, dass
Klient*innen aus unterschiedlichen Motiven eine
Beratung in Anspruch nehmen. Einige Menschen
kommen aus reinem Interesse und Neugier, während
andere sie zur Persönlichkeitsentwicklung nutzen
und wiederum andere die Astrologie, insbesondere
die Vorhersagen in den Zeitungen, als Zeitvertreib
betrachten. Wenn eine Person jedoch ihre
Lebensführung und -entscheidungen den Sternen
überlässt, kann das zu einer ungesunden Abhängigkeit
führen. Menschen übergeben die Verantwortung für
ihr Handeln eher dann den Sternen, wenn „ihnen nicht
bewusst ist, dass die Sterne das Leben nicht bestimmen,
sondern nur abbilden. Der große Nutzen der astrologischen
Betrachtungsweise liegt im Erkennen von generellen
und aktuellen Herausforderungen und deren möglichen
Lösungsansätzen. Die Verantwortung für das eigene Leben
liegt bei einem selbst“, begründet Elisabeth Berauer.
Wenn jemand das eigene Verhalten mit Horoskopen
und Sternzeichen entschuldigt, stellt Elisabeth Berauer
fest, hat diese Person die Astrologie missverstanden.
„Dies führt vielleicht zu Befriedigung und Erleichterung, aber
dennoch hat man für das eigene Leben nichts gewonnen.
Letztendlich liegt es in unserer eigenen Verantwortung, wie
wir mit den Informationen und Einblicken umgehen“, so
Elisabeth Berauer.
Blick in Richtung Zukunft
Die Zukunft ist nie garantiert. „Die Astrologie ist nicht
mit Wahrsagerei oder Zukunftsdeutung gleichzustellen“,
verdeutlicht Daniela Hruschka. Franz Höllinger ist der
Meinung, dass die Zukunft der Astrologie keine signifikante
Hochphase erleben wird. Im Gegensatz dazu
erhofft sich Astrologin Elisabeth Berauer, dass die
Qualität und das Potential der Astrologie, nämlich das
größere Bewusstheit über sich selbst zu fördern, sowie
Sinn und Bedeutung von Lebensereignissen zu begreifen,
zukünftig besser erkannt werden und als wertvolle
Lebensunterstützung dienen können. Bleibt abschließend
die Frage, was die Astrologie also kann? Dazu
drei Antworten der Interviewpartner*innen von SUMO:
Franz Höllinger: „Das alles zu ernst nehmen, würde ich
nicht. Man kann Astrologie durchaus als Anregung verstehen,
sich kritisch mit seiner Persönlichkeit auseinanderzusetzen,
so ähnlich wie mit einer Psychotherapie oder
anderen Möglichkeiten der Persönlichkeitsintrospektion.“
Daniela Hruschka: „Die Astrologie ist eine große Bereicherung,
sie ist schön im Leben einzubauen. Sie ist wie mein
Best Buddy, der mich versteht, der mir gute Wege zeigt,
viel über mich offenbart und mir großes Vertrauen in mich
selbst gibt. Dadurch komme ich meiner Person näher und
lebe durch ein gut gelebtes Horoskop sehr authentisch.“
Elisabeth Berauer: „Mit der Astrologie sollte man sich
möglichst mit Leichtigkeit beschäftigen. Je mehr man sich
der eigenen Fähigkeiten und Schwächen bewusst ist, desto
einfacher kann die Entwicklung verlaufen und umso eher
können Blockaden und Stolpersteine vermieden werden.“
Gill SPRANGLER
Auf den Spuren der Sterne
© Hannelore Reischütz
European Capital of Democracy:
Warum Wien?
Wien ist zur „European Capital of Democracy 2024/25“ gewählt worden. Aber was heißt das?
Wer hat das entschieden? Wieso weiß niemand etwas davon? Und warum bitte Wien?
Die Demokratie ist ein Grundwert der Europäischen
Union und soll von allen Mitgliedsländern beachtet werden.
Entsprechend diesem Grundwert sollen EU-Länder
auf demokratischer Basis agieren. Das Konzept der
Demokratie ist ein Eckpfeiler der EU-Identität, ebenso
wie Freiheit, soziale Gerechtigkeit, Umweltschutz und
Kultur. Um solche Werte zu fördern, existieren eine
Vielzahl von Auszeichnungen für besonders aktive
europäische Städte wie: „Kulturhauptstadt“, „Umwelthauptstadt“
oder auch „Jugendhauptstadt“. Diese sind
jährlich vergebene Titel, um Aufmerksamkeit auf diese
Themen zu lenken und die Lebensqualität innerhalb der
EU zu verbessern. Eine „Demokratiehauptstadt“ gab
es jedoch bisher nicht. Josef Lentsch, ein ehemaliges
Mitglied des Innovation in Politics Institute, eine private
Zivilgesellschaft mit Sitz in Wien, die politische Schwierigkeiten
im Bereich Europa analysiert und dazu Lösungen
publiziert, kam auf denselben Gedanken während
einer Taxifahrt im Jahre 2019. Daraus entstand die
Idee für das Projekt „European Capital of Democracy, kurz
ECoD“, welches Ende 2021 offiziell als gemeinnützige
GmbH gegründet wurde.
Die zugrunde liegende Idee ist simpel: Gibt es einen
Preis, werden alle teilnehmenden Städte darum wetteifern,
ihn zu erringen. Wird der Preis nur der „demokratischsten
Stadt“ verliehen, muss man also demokratischer
werden, um zu gewinnen. Die Siegerstadt,
gewählt von einem Team von Expert*innen, die eine
Kandidatenliste für eine Bürger*innen-Jury zusammenstellen,
wird zum Mittelpunkt des jeweiligen „Demokratiejahres“.
Hier sollen mithilfe von ECoD eine Vielzahl
von Aktivitäten und Initiativen organisiert werden,
um Bürger*innen in die Stadtpolitik einzubinden, Gemeinden
zu unterstützen und eine lebenswertere Umgebung
zu schaffen. Klingt schön, aber kaum jemand
weiß davon.
Ein vollkommenes Phantom
Die Initiative ist scheinbar wenigen ein Begriff,
geschweige denn, dass Wien zur Demokratiehauptstadt
2024/25 gekrönt wurde. Bei der Suchanfrage
„Demokratiehauptstadt Wien“ tauchen hauptsächlich
vereinzelte Beiträge in Tageszeitungen und in einigen
lokalen Medien zum Wahlsieg auf. Der Suchbegriff
„Kulturhauptstadt Graz“ weist währenddessen sogar
aktuelle Artikel von internationalen Medien wie Die
Zeit auf, welche 20 Jahre nach dem Ereignis immer
noch darüber berichten. In den Sozialen Medien sieht
es ebenfalls nicht besser aus: Beiträge der ECoD-
Accounts bewegen sich durchschnittlich im Bereich
von fünf bis 15 Likes auf Facebook, X (ehemals Twitter)
und Instagram. Auf der Business-Plattform Linked- In
erzielt die Initiative zwar eine bessere Reichweite,
ist jedoch klarerweise hier auf ein hauptsächlich
geschäftsorientiertes Publikum beschränkt. Es
stellt sich die Frage, woran die Publicity der Initiative
scheitert, denn die Demokratie lässt sich nicht feiern,
wenn niemand weiß, dass es überhaupt eine Feier gibt.
„Man lernt immer, wenn man etwas zum ersten Mal
macht“, erzählt Stefan Sindelar, CEO von European
Capital of Democracy, über seine Erfahrungen mit der
vorigen und ersten Demokratiehauptstadt Barcelona.
© Florian Lackner
Stefan Sindelar / © Florian Lackner
„Das trifft dann auch die Frage: Warum passiert
nach der Ankündigung so lange nichts? Wir
brauchen diese Zeit. Wir haben das in Barcelona
gesehen. Es war unsere erste Stadt, vieles
war beiden Seiten in der Umsetzung noch
unklar.“ Tatsächlich ist Wien erst die zweite
Demokratiehauptstadt in der Geschichte
der Initiative. Das Projekt steckt also
noch in seinen Kinderschuhen. Barcelona
wurde zuvor zur Demokratiehauptstadt
für 2023/24 gewählt und ihr Teil des
Demokratiejahrs endet erst im November
2024, das dann mit der Eröffnung des Wiener
Programms weitergeführt wird. Obwohl
ECoD zwar schon seit 2020 existiert, hat es
erst mit dem Programmstart in Barcelona
im Oktober 2023 die Aufmerksamkeit der
Öffentlichkeit auf sich gezogen. Es ist kein
Wunder, dass die Initiative noch relativ
unbekannt ist.
Aber wo der Ruf allein nicht für breites Interesse
ausreicht, lässt sich doch mit herkömmlicheren
Kommunikationsstrategien
nachhelfen. Genaugenommen gibt es doch
keinen passenderen Partner bei solch einer
Bestrebung als die Stadt Wien selbst.
Grundsätzlich wäre es wohl in ihrem Interesse,
so viel Aufmerksamkeit wie möglich
auf ein Programm zu lenken, das sich um
bestehende und zukünftige Errungenschaften
der Stadt Wien dreht. Eine erhöhte demokratische
Bürger*innen-Beteiligung ist
gleichermaßen für Wien wünschenswert.
Selten gibt es bessere Gelegenheiten, um
Bürger*innen in die Stadtpolitik einzubinden.
Dennoch ist im öffentlichen Raum das
blau-orange-pinke ECoD-Logo nicht zu erblicken.
Weder auf den zahllosen Werbewänden
in der Stadt noch als kurzer Einschub im
INFOSCREEN-Programm beim Warten auf
die öffentlichen Verkehrsmittel.
Laut Sindelar ist zwar ein großes Kommunikationspaket
mit der städtischen Abteilung
für Kommunikation und Medien
geplant, aber viele genauere Details sind
noch nicht festgelegt. Klar ist jedoch, dass
im Rahmen der Zusammenarbeit mit der
Stadt die Eröffnung auch in die individuellen
Bezirke getragen werden soll, denn ein
einzelner Festakt im Rathaus würde nicht
widerspiegeln, wofür ECoD stehen will.
„Menschen sollen mitbekommen, dass es hier
jetzt ein Jahr lang um das Zusammenleben und
die Weiterentwicklung der Stadt geht“, erklärt
Sindelar. „Es muss jetzt gar nicht überall ganz
groß ‘Demokratie‘ draufstehen. Demokratie ist
eigentlich, sich auszumachen, wie man miteinander
auf doch engem Raum in der Stadt lebt,
gemeinsame Prioritäten setzen, Dinge verbessern
und sich in politischen Prozessen einzubringen.“
Die Unterscheidung zwischen der klassischen
Definition von Demokratie und der
pragmatischeren Ansicht des Begriffs, die
Sindelar beschreibt, ist nicht ohne Grund,
denn das Thema „Demokratie“ weckt nicht
unbedingt überall Gefühle von Interesse
oder Beteiligungsfreude bei Menschen.
Denkt man über das Thema Demokratie
nach, kommen einem typischerweise Bilder
von seriös gekleideten Politiker*innen, langen
Parlamentsdiskussionen, Wahlen und
großen gesellschaftlichen Problemen in den
Sinn. Konzepte, die oft vage, alltagsfern und
kompliziert wirken. Vergleicht man dies mit
dem Begriff „Kultur“ oder „Kulturhauptstadt“,
merkt man einen deutlichen Unterschied:
Assoziationen bewegen sich im Bereich des
Unterhaltsamen, Interessanten und Unbekannten.
Zu „Kultur“ haben Leute Meinungen und
konkrete Vorstellungen, meint Sindelar,
aber Politik wirkt im Vergleich oft abstrakt
und undurchdringlich. „Deswegen wollten
wir nicht im Demokratiejahr Fachkonferenzen,
Experten*innen-Panels und so weiter allein
haben, sondern uns ist wichtig, dass Bürger*innen-Initiativen
einen Raum haben.“ Laut Sindelar
könnte man durch diese konkreteren
Ansätze die Demokratie so greifbarer für
Bürger*innen machen. „Städte sind dann auch
geeignete Testorte, um tatsächlich mit den Bürger*innen
Lösungen umzusetzen.“ Mithilfe der
Stadtdemokratie soll ihnen das Mitbestimmen
nähergebracht werden, um so nicht
nur eine positive Veränderung im eigenen
Bezirk, sondern auch langfristig im breiteren
Rahmen der Politik in Wien und auch
Österreich zu bewirken. Ein mutiger Ansatz,
aber dennoch bleibt eine große Frage offen:
Warum Wien?
20
European Capital of Democracy
Lebenswert, Demokratie und die große Stadt
Die Wiener Art erklärt Sindelar als „gestärkte Demokratie
in der lebenswertesten Stadt.“ So stellt sich die Stadt
Wien in ihrer öffentlichen Bewerbung für den ECoD-Titel
vor. Gleichzeitig präsentiert sie so ihr Mission Statement.
Ziel dieses sogenannten Demokratiejahres soll
der Ausbau von Möglichkeiten für Wiener*innen sein,
an der Gestaltung ihres Lebensumfeldes mitzuwirken.
Warum genau Wiens Bewerbung den Sieg errungen
hat, kann Stefan Sindelar nicht persönlich kommentieren.
Als Österreicher darf er innerhalb der Bürger*
innen-Jury nämlich nicht für Städte im eigenen Land
wählen. Selten ist man dem eigenen Land gegenüber
vollkommen objektiv. Eine verständliche Einschränkung,
um zu verhindern, dass man sich selbst als Demokratiehauptstadt
krönt. Trotzdem kann er verraten,
auf welche drei Dinge die Bürger*innen-Jury am
meisten beim Wahlprozess schaut: Erstens, auf einen
„großen Impact“ in Sindelars Worten. Projekte sollen
die Leben vieler Menschen in relevanten Gebieten stark
beeinflussen. Zweitens schätzen Bürger*innen Neues
und nicht sehr oft Vorgekommenes. Wie auf der Homepage
der Initiative www.capitalofdemocracy.eu nachzulesen
ist, ist das Kulturlabor Gemeindebau besonders
gut bei der Jury angekommen. Die direkte Inklusion von
Kunst und Kultur mit dem Raum der Gemeindebauten
zählt laut ECoD-Evaluation als Vorzeigebeispiel für partizipative
Bürger*innen-Projekte auf internationaler
Ebene. Zuletzt soll auch Nutzen und Aufwand stimmen.
Laut Sindelar erhielten viele theoretisch interessante
Projektideen anderer Städte nur mittlere Bewertungen
von Jurymitgliedern, da sie in der Praxis nicht den
Aufwand rechtfertigen, der dafür nötig gewesen wäre.
„Einfache Lösungen, breiter Impact, mutig und innovativ.
Das war der Mix, der die Juror*innen am meisten überzeugt
hat.“ Offiziell soll das Programm von ECoD und der Stadt
Wien Mitte November 2024 beginnen. Wie viel davon
tatsächlich an die Öffentlichkeit dringen wird, steht
noch in Frage, denn vieles über die praktische Realität
der Aufklärungsarbeit, die sowohl der Initiative als auch
der Stadt Wien bevorsteht, ist zur Zeit der Verfassung
dieses Artikels noch nicht vollkommen ersichtlich.
Jedoch müssen diese derzeitigen Probleme noch nichts
bedeuten. Wien ist Demokratiehauptstadt für ein
ganzes Jahr, in dem sich noch zahllose Möglichkeiten
bieten werden, European Capital of Democracy den
Wiener*innen näherzubringen. Man darf hoffen, dass
künftige Wahlen zur Demokratiehauptstadt mehr
Interesse und Diskussion als zuvor mit sich bringen.
Florian LACKNER
IT.
SAP.
OMG!
#ilovewhatido
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evn.at/karriere
Zwischen Hashtags und Handshakes:
Die Balance zwischen dem Digitalen und
dem Persönlichen
Tagtäglich stehen wir Menschen im Wechselspiel zwischen online und offline, so auch unsere Persönlichkeit
und unser Sozialleben. Influencerin und Buchautorin Hannah Maylou und die pädagogische
Leiterin für die Fachbereiche Medien, Digital und Gender Magdalena Mangl vom Verein Wiener
Jugendzentren setzen sich im Interview mit SUMO mit den Konsequenzen dieser Parallelität auseinander.
Online-Chats, geteilte Storys und Bilder, Likes und
Kommentare, aber auch reale Treffen und gemeinsame
Aktivitäten: Jugendliches Leben bedeutet heute ein
ständiges Hin und Her zwischen der virtuellen und der
realen Welt. Die beiden Sphären existieren oft nebeneinanderher,
manchmal sogar getrennt. Inmitten dieser
Dualität manifestieren sich Beziehungen, entwickeln
sich aber auch Selbstkonzepte. Jugendliche nutzen
heute Inhalte in sozialen Medien, produzieren aber auch
Content. Diese beiden Aspekte – Usage und Produktion
- tragen zur Bildung der eigenen Persönlichkeit bei.
„Jugendkultur findet sehr viel online statt“, meint auch
Magdalena Mangl, Bereichsleitern vom Verein Wiener
Jugendzentren. Egal ob Musik, Kleidung oder Autos -
Trends werden online geschaffen, verbreitet und dann
ins echte Leben übertragen.
Die hohe Aktivität von Jugendlichen in den Sozialen
Medien bestätigen auch die Befunde des aktuellen
Jugend-Internet-Monitor, der vom Verein Saferinternet.
at erhoben wird. Die drei meistgenutzten Plattformen
der Jugendlichen in Österreich sind WhatsApp,
Instagram und YouTube. Bei einigen Plattformen ist
die Zahl der Nutzer*innen im Vergleich zum Jahr
2023 zurückgegangen, während andere Netzwerke
wiederrum neue dazugewinnen konnten. WhatsApp
belegt z.B. immer noch den ersten Platz, verzeichnet im
Jahresvergleich aber ein Minus von 20 Prozentpunkten
und damit die meisten Rückgänge an Nutzer*innen.
Demgegenüber hatte die Plattform BeReal, eine
Applikation, die für mehr Authentizität und Spontanität
im Leben sorgen soll, im Vergleichszeitraum mit einem
Plus von 13 Prozentpunkten die meisten Neuzugänge.
Erkennbar sind auch geschlechterspezifische
Unterschiede bei der Mediennutzung: Mädchen nutzen
soziale Plattformen eher, um mit anderen Jugendlichen
in Kontakt zu treten, während Burschen Plattformen im
Gaming-Bereich wie Discord oder Twitch nutzen. Diesen
geschlechtsspezifischen Unterschied bemerkt auch
Magdalena Mangl vom Verein Wiener Jugendzentren.
Online- vs. Offline-Freundschaften
Eine Freundschaft ist eine emotionale Beziehung
zwischen Menschen, die auf gegenseitigem Vertrauen,
Respekt, Unterstützung und der Freude an
der Gesellschaft des anderen basiert. Online-Freundschaften
bieten eine einzigartige Möglichkeit, Verbindungen
zu knüpfen und gemeinsame Interessen über
räumliche Grenzen hinweg zu teilen. Plattformen wie
WhatsApp, Instagram und YouTube fungieren deshalb als
Treffpunkte, an denen Jugendliche ihre Gemeinschaften
aufbauen und pflegen. Die Möglichkeit, Inhalte zu
teilen und an Diskussionen teilzunehmen, trägt zur
© Max Peternell
Hannah Maylou / © Minita Kandlbauer
Stärkung von Bindungen bei und fördert den
Austausch von Ideen und Erfahrungen. Online-Freundschaften
können wertvoll sein,
bieten aber dennoch oft nicht die gleiche
Tiefe und Intimität wie persönliche Interaktionen.
Denn Offline-Freundschaften, die
durch direkte Kommunikation und gemeinsame
Erlebnisse geprägt sind, ermöglichen
eine tiefere Verbundenheit und ein besseres
Verständnis füreinander.
Zu diesem Befund kommt auch die
Freundschaftsforschung, der Tillman Prüfer in
einem Artikel im ZEITmagazin Ausgabe 24 auf
den Grund geht: Demnach fördern qualitativ
hochwertige Freundschaften, die durch tiefe
emotionale Bindungen geprägt sind, das
Wohlbefinden stärker als viele oberflächliche
Kontakte. Belegt wird auch, dass Jugendliche
mit wenigen engen Freundschaften mehr
Empathie zeigen und langfristig zufriedener
sind. Trotz der Vernetzungsmöglichkeiten
durch digitale Medien hat die Anzahl der
Freundschaften nicht zugenommen. Prüfer
leitet auch ab, dass der Begriff "Freund"
heute oft inflationär gebraucht wird, was
zu einer verzerrten Vorstellung von großen
Freundeskreisen führt. Entscheidend für
das persönliche Wohlbefinden ist aber
die Qualität der Beziehungen, nicht die
Anzahl der Kontakte. Dennoch sollte man
die Qualität von Online-Beziehungen nicht
unterschätzen. Die Studie von María José
Vidales und Charo Sádaba „Connected Teens:
Measuring the Impact of Mobile Phones on
Social Relationships through Social Capital“,
zeigt, dass die Anzahl der Kontakte und
Beziehungen zu Personen aus breiteren
Umgebungen das soziale Kapital sowohl
online als auch offline positiv beeinflussen.
Dieser Studie zufolge haben die Jugendlichen
nicht nur Überschneidungen in ihren
Online- und Offline-Freundesnetzwerken,
sondern pflegen auch Kontakte zu Personen
aus anderen Umfeldern wie Schule oder
Nachbarschaft. Das wirkt sich förderlich auf
ihr soziales Kapital aus.
Herausforderungen und Probleme bei
der Online-Offline-Balance
Besonders zu Corona-Zeiten standen viele
Heranwachsende einigen Herausforderungen
bezüglich der Balance zwischen online
und offline gegenüber. Mit Homeschooling
sowie dem Scrollen in den Sozialen Medien
in der schulfreien Zeit gestaltete sich die
Trennung zwischen online und offline
äußert schwierig. „Am Anfang fanden es
die Jugendlichen super von zu Hause aus am
Unterricht teilzunehmen, aber nach einiger
Zeit war es anstrengend“, so Mangl. Durch
die Pandemie haben die Jugendlichen die
Funktion einer Gruppendynamik verlernt.
Die Einschränkungen des sozialen Lebens
führten zu einer verstärkten Abhängigkeit
von digitalen Kommunikationsmitteln,
während gleichzeitig das Bedürfnis nach
persönlicher Nähe und physischen Treffen
zunahm. Jugendliche mussten lernen, wie sie
die Balance zwischen virtuellen und realen
Beziehungen aufrechterhalten können,
um sich nicht von der digitalen Isolation
überwältigen zu lassen.
Nicht nur Privatpersonen, sondern auch
Personen des öffentlichen Lebens fordert
der Wechsel von online und offline heraus.
Influencer*innen wie Hannah Maylou leben
zwei Leben gleichzeitig, nämlich ein Privates
und ein Berufliches in den Medien. Bei
Hate-Kommentaren fällt es der gebürtigen
Wienerin schwer, diese nicht allzu persönlich
zu nehmen. Maylou ist sich jedoch bewusst,
dass in diesen Fällen nicht ihre private, sondern
ihre berufliche Persönlichkeit kritisiert
wird. Da auf ihrem Profil persönliche Themen
behandelt werden, ist dennoch eine
Abgrenzung ihrer Arbeit von ihrer Person
nicht möglich. Allerdings kann die junge Frau
selbst entscheiden, zu welchen Themen
sie Posts oder Reels auf ihrem Account öffentlich
macht. Familiäre Angelegenheiten
spricht sie nicht an. Zudem respektiert sie
ihre Freund*innen und achtet darauf, dass
diese bei Stories nicht gesehen werden, falls
diese es nicht möchten.
Digital Detox: Wichtig und richtig
2017 berichtete die Süddeutsche Zeitung von
„Digital Detox“ als das bewusste Beiseitelegen
von digitalen Geräten wie Smartphone,
Tablet, Laptop und Co. sowie das Entkoppeln
von sozialen Medien. Digital Detox hat
das Ziel, die Entspannung des Geistes, den
Magdalena Mangl / © Verein für Wiener Jugendzentren
Zwischen Hashtags und Handshakes
23
Abbau von Stress und ein gesundes Gleichgewicht
zwischen Online- und Offline-Zeit zu fördern. Es geht
nicht darum, Technologie vollständig zu vermeiden,
sondern vielmehr sie gezielt und unter Kontrolle zu
halten. Denn digitale Medien können zu ständigem Vergleichen
und Unzufriedenheit mit dem eigenen Leben
führen, während die ständige Nutzung digitaler Geräte
Schlafstörungen, Angstzustände und Konzentrationsproblemen
zur Folge haben kann. Zudem nimmt bei
hoher Online-Präsenz die Wahrnehmung von Realität
und Fake ab. Um energiereich und ohne Überforderung
in den Tag zu starten ist es hilfreich, das Smartphone
nach dem Aufstehen nicht sofort in die Hand zu nehmen.
Das Gleiche kann auch vor dem Schlafengehen
vorgenommen werden. Influencerin Maylou hat vor
einiger Zeit beschlossen das Smartphone wochentags
ab 18 Uhr sowie am Wochenende bewusst zur Seite zu
legen. Bei Treffen mit Freund*innen tut sie dies bereits,
um die Zeit noch mehr genießen zu können. „So habe ich
auch das Gefühl, dass ich da auch wirklich eine Privatperson
bin und die Arbeit ist irgendwo weg“, so die Influencerin.
Auch Mangl beobachtet im Jugendzentrum, dass
sich die Jugendlichen mitunter bewusst dafür entscheiden,
das Smartphone für gewisse Zeiträume wegzulegen.
Der Grund? Die ständige Berichterstattung zu den
wirtschaftlichen Folgen der Pandemie belasten die jungen
Menschen. Stattdessen versucht sie die Jugendlichen
zu Aktivitäten draußen bzw. in Gemeinschaft zu
bewegen.
Good to know
Ziel dieser Initiative von Saferinternet.at
ist es, die Nutzung von Sozialen Medien in
dieser Altersgruppe von 11 bis 19 Jahren
zu untersuchen.
Hotlines, an die du dich bei Problemen
wenden kannst, nämlich anonym und
kostenfrei:
142 TelefonSeelsorge Österreich
0800 234 123 Kids-Line: Täglich von
13.00 - 21.00 Uhr
0800 222 555 Frauen-Helpline: Hotline
auch für Kinder und Jugendliche, täglich
rund um die Uhr
Quelle: Saferinternet.at
Tipps für Ausgewogenheit in Online- und
Offline-Freundschaften
Eine ausgewogene Balance zwischen Online- und Offline-Freundschaften
ist, so zeigt auch die Forschung,
essenziell. Welche Empfehlungen zur praktischen
Umsetzung von guter Beziehungspflege sowohl online
als auch offline gibt es? Ein offenes Gespräch mit
Freunden darüber, wie man gemeinsam die Zeit online
und offline verbringen möchte, hilft Missverständnisse
zu vermeiden und die Bedürfnisse aller Beteiligten zu
berücksichtigen. Zudem ist es ratsam, sowohl online
als auch offline positive Einflüsse zu suchen und sich
von Menschen umgeben, die einem guttun und unterstützen.
Das Festlegen von Bildschirmzeiten und das
bewusste Entwickeln von Offline-Aktivitäten können
ebenfalls dazu beitragen, eine gesunde Balance zu finden.
Schließlich ist es wichtig, sich regelmäßig Zeit für
persönliche Treffen zu nehmen. Denn Bindung ist mehr
als bloße Verbindung im digitalen Raum.
Nicole SIEBENHANDL
© Sophie Mantler
© Max Peternell
© Max Peternell
Im Visier des Staates:
Wie China die Öffentlichkeit überwacht
China hat in den letzten Jahren weltweit nicht nur durch seinen wirtschaftlichen Aufstieg, sondern
auch durch seine fortschrittlichen Überwachungsmaßnahmen für Aufsehen gesorgt. Das Reich der
Mitte hat sich zu einem Laboratorium für Überwachungstechnologien entwickelt, die das tägliche
Leben der Bürger*innen bis ins Detail kontrollieren. Doch wie reagiert die chinesische Bevölkerung
auf die staatliche Überwachung und welche Auswirkungen hat sie auf die Gesellschaft? SUMO besprach
diese und andere Fragen mit Christoph Steinhardt, assoziierter Professor am Institut für Ostasienwissenschaften
der Universität Wien.
Ein zentraler Aspekt des Überwachungssystems in
China ist das Social Credit System. Human Rights Watch
berichtet, dass es vor etwa einem Jahrzehnt eingeführt
wurde und seitdem eine rasante Entwicklung erlebt
habe. Ursprünglich als Instrument zur Bewertung von
wirtschaftlicher Kreditwürdigkeit gedacht, habe es sich
zu einem umfassenden sozialen Bewertungssystem
entwickelt. Es bewerte das Verhalten der Bürger*innen
anhand einer Reihe von Kriterien, darunter finanzielle
Verlässlichkeit, Einhaltung von Verkehrsvorschriften
und politische Loyalität. Basierend auf diesen
Bewertungen erhielten die Menschen einen
„Sozialkreditwert“, der ihre Zugangsmöglichkeiten
zu bestimmten Dienstleistungen und Privilegien
beeinflusse. Belohnungen umfassen beispielsweise
einen einfacheren Zugang zu Krediten oder
Steuervergünstigungen, während ein schlechter
Score den Zugang zu Privatschulen verwehre oder
zum Ausschluss vom Kauf von Flug- oder Zugtickets
führen könne. Von der unpünktlichen Zahlung von
Unterhaltszahlungen bis hin zur Interaktion mit
falschen, weil niedrig bepunkteten Menschen in
Sozialen Medien – schlechtes Verhalten würde mit
Punkteabzug bewertet und in einem zentralisierten
System gespeichert. Hierbei kämen miteinander
verbundene Datenbanken und audiovisuelle Systeme
zum Einsatz, die mit Big-Data-Analysetechniken und
künstlicher Intelligenz kombiniert werden würden. Anna
Marti, Asien Expertin der Friedrich Naumann Stiftung,
gibt in einer Analyse zu bedenken, dass auch Fehler des
Systems nicht beeinsprucht werden könnten und der
Rechtsstaat sich damit zurückentwickle.
Auch Christoph Steinhardt von der Universität Wien
beschreibt China als ein System der Regierungsführung,
in der diese versucht, über das Sammeln von
Informationen Reputationen zu erstellen und somit das
Verhalten der Bürger*innen in bestimmte Richtungen zu
lenken. „Die ursprüngliche Idee des sozialen Kreditsystems
in China war es, Informationen über das Verhalten von
Individuen, Organisationen und Firmen zu sammeln, um
daraus eine Reputation zu erstellen. Diese Reputation
misst, wie gut man sich an bestimmte Verhaltensstandards
hält. Es gibt unterschiedliche Implementierungen, wie ein
Punktesystem von 0 bis 100 und Listen, bei denen die
Besten auf die rote und die Schlechtesten auf die schwarze
Liste kommen.“
Das Sozialkreditsystem im Alltag der
Chines*innen
Doch welche Rolle spielt das Social Credit System im Alltag
der Chines*innen? Steinhardt zufolge eine sehr geringe.
Viele Menschen seien sich seiner Existenz nicht einmal
richtig bewusst oder verstünden es falsch, würde man
sie danach fragen. „Es gibt jedoch Berührungspunkte, wie
zum Beispiel Durchsagen in Zügen, die Fahrgäste daran
erinnern, dass Verstöße wie Rauchen oder Fahren ohne
26
Im Visier des Staates
Ticket in ihrem Kreditportfolio vermerkt werden
könnten. Zudem ist das Sozialkreditsystem nur
in Teilen landesweit implementiert und es gibt
eine hohe lokale Variation.“ Laut Steinhardt
würde dieses System bislang am stärksten
auf Unternehmen angewendet, wo es um
Compliance-Fragen geht, wie zum Beispiel
die rechtzeitige Zahlung von Steuern oder
die Einhaltung von Hygienevorschriften.
Unternehmen, die gegen diese Vorschriften
verstoßen, könnten auf Listen landen und
stärker überprüft werden.
Stimmungslage - zwischen Zensur und
Akzeptanz
„Wir haben Hinweise dafür gefunden, dass Kritik
am Datenschutzregime des Staates gelöscht
wird.“
In Europa sind der Datenschutz und
die Privatsphäre durch Gesetze wie die
Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) stark
geschützt. Überwachungsmaßnahmen
müssen strenge Kriterien erfüllen, was oft
zu einer kritischeren Haltung gegenüber
staatlicher Überwachung führt. „Der
chinesische Staat ist sehr datenhungrig und
es gibt viel weniger Restriktionen für staatliche
Überwachung, als es in einem demokratischen
System der Fall ist“, erklärt China-Experte
Steinhardt. Interessanterweise versucht
sich der chinesische Staat laut Steinhardt
mit einigem Erfolg als Beschützer der
Privatsphäre zu positionieren. Im Jahr
2021 verabschiedete der chinesische
Volkskongress ein umfassendes
Datenschutz-Gesetz. Die Bedrohung der
Privatsphäre, die von Kriminellen und
anderen Internetnutzer*innen ausgehe,
würde, so Steinhardt, inzwischen massiv
in der staatlichen Propaganda betont. In
Umfragen zeigten sich Bürger*innen viel
besorgter über Datensammlung von Firmen
als über solche vom Staat.
Wie sieht es mit Kritik an diesem System
in den Sozialen Medien aus? Christoph
Steinhardt und sein Team haben Weibo, eine
Social-Media-Plattform vergleichbar mit
X (ehemals Twitter), untersucht. Er gibt zu
bedenken, dass bestimmte kritische Inhalte
möglicherweise von Nutzer*innen aus Angst
vor Zensur gar nicht erst gepostet werden.
Pilotanalysen deuten darauf hin, dass Kritik
am staatlichen Datenschutzregime recht
wenig vorkommt und gelöscht wird. Bei Posts
zum Sozialen Kreditsystem wurde ebenfalls
festgestellt, dass kritische Beiträge selten
seien und oft gelöscht würden, oft nachdem
sie viel Aufmerksamkeit erregt hätten. Auf
der anderen Seite hätten insbesondere
chinesische Wissenschaftler*innen Aspekte
des Sozialen Kreditsystems kritisiert und
sich auch kritisch über überbordende
Datensammlung geäußert. Der Staat
versuche das Thema Privatsphäre zu
managen und sich selbst, so gut es geht, aus
der Schusslinie zu nehmen.
Wohin geht die Reise?
Auf die Frage, wie es mit der Überwachung
bzw. dem Sozialkreditsystem in Zukunft
weitergehen könnte, meint Christoph
Steinhardt: „Es scheint, dass die Luft
ein bisschen draußen ist, aber es wird
wahrscheinlich nicht komplett verschwinden.
Ein zugrundeliegendes Problem ist die in
China weit verbreitete Wahrnehmung einer
gesellschaftlichen Vertrauenskrise, geprägt
von Betrug und unmoralischem Verhalten.
Der Staat wird als verantwortlich für die
Lösung dieser Probleme gesehen, was in der
politischen Kultur Chinas verwurzelt ist. Diese
gesellschaftliche Diskussion, die es bereits vor
dem Kreditsystem gab, fördert die Idee, dass ein
starkes staatliches Eingreifen notwendig ist, um
die Gesellschaft zu regulieren. Diese Debatte
wird wohl weiterbestehen und vom Staat
unterstützt werden, da sie die Notwendigkeit
eines starken Staatsapparats untermauert.“
Chinas Überwachungssysteme werfen
viele Fragen über die Balance zwischen
Sicherheit und Freiheit auf. Während
der Staat behauptet, die Gesellschaft zu
schützen, befürchten Kritiker*innen einen
massiven Eingriff in die Privatsphäre. Die
Zukunft dieser Systeme bleibt ungewiss. Die
Diskussion über die richtige Balance wird
weitergehen.
Felix PTACEK
Christoph Steinhardt/ © privat
Im Visier des Staates
27
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#we_do! – Do we?
Die Debatten und Auswirkungen der Öffentlichkeit auf Machtmissbrauch, Diskriminierung
und Belästigung innerhalb der Medienbranche
Machtmissbrauch, Diskriminierung und Belästigung – diese Themen sind in der österreichischen
Medienbranche vorzufinden. Im Interview mit Psychologen Daniel Sanin, Berater bei der Anlaufund
Beratungsstelle #we_do! und der Kommunikationswissenschaftlerin Ulrike Weish konnte SUMO
strukturelle Missstände in den Medien herausarbeiten. Es stellt sich die Frage, was die Öffentlichkeit
machen kann, um Druck auf die Medienmacher*innen, die Macht missbrauchen, auszuüben.
Die Anfänge gingen, wie Daniel Sanin erinnert, auf die
Berichterstattung über die Übergriffe des Filmproduzenten
Harvey Weinstein in der New York Times anno
2017 und die daraus resultierende „Me Too“-Bewegung
zurück. Dass ähnliche Missstände auch in Österreich
vorzufinden sind, hat sich erst 2019 gezeigt. Analog
zum Skandal in den USA war ein Instagram-Posting
der österreichischen Regisseurin und Drehbuchautorin
Katharina Mückstein am Premierentag des Filmes
„Corsage“ der Auslöser: „Ein Täter wird heute Abend auf
der Bühne stehen und bejubelt werden“, so der Hinweis.
Die junge Schauspielerin Luna Jordan wurde dadurch
ermutigt vor dem Publikum der österreichischen
Filmpreisverleihung die strukturellen Branchenübergriffe
zu thematisieren. Der Rest ist bekannt.
Skandale spielen bei der öffentlichen Wahrnehmung
von Machtmissbrauch eine wichtige Rolle. Das betont
auch Sanin: Prominente Vertreter*innen erhöhen durch
das Publikmachen die Resonanz der Thematik in der
Öffentlichkeit. Das ist zwar wünschenswert, jedoch
muss darauf geachtet werden, dass niemand dazu
gedrängt wird: „Niemand hat jemanden vorzuschreiben,
worüber man sprechen soll. Da muss man aufpassen“, betont
Sanin. Umgekehrt: „Das Schweigen begünstigt die
Angst vor negativen Konsequenzen.“
Missstände in der Welt des Films
Denn letztendlich resultieren diese Übergriffe aus einem
Machtverhältnis, dem das Gefühl der Ohnmacht
gegenübersteht. Damit stellt sich die Frage, welche
Macht die Öffentlichkeit auf die Filmbranche hat. Sanin
dazu: „Prinzipiell ist es immer so, dass im Kapitalismus
die Macht der Nutzer*innen immer nur der Konsumverzicht
ist.“ So unterstützt man beim Kauf eines Produktes, von
dem unmoralisches Verhalten bekannt ist, das System.
Auch durch Online-Kampagnen in den Sozialen Medien
kann Druck auf die Medienbranche ausgeübt werden.
Hier muss aber beachtet werden, dass es nicht zu einem
personalisierten Vorführen kommt, das in einem
„Schwarz-Weiß-Diskurs“ mündet. Die Debatten sensibilisierten
Personen, die bislang keine negativen Erfahrungen
machen mussten. Andererseits kann der Diskurs
dazu beitragen, dass Opfer „wachgerüttelt“ werden
und sich „den eigenen Wunden zuwenden, die man
schon lange zugepflastert hat“, gibt Sanin zu bedenken
– „es kann natürlich auch retraumatisieren“.
Spannend wird es, wenn ein indirekter Einfluss der Öffentlichkeit
auf die Branche beobachtet werden kann.
„Wir haben mehr Persons of Color, mehr queere Personen,
Transpersonen usw. repräsentiert. Man bekommt mehr
von der Vielfalt, die in der Gesellschaft ist, mit.“ Daher
greift auch die österreichische Filmlandschaft diese
Themen, wenn auch noch vermindert, in den erzählten
Geschichten auf. Dennoch: „Man hat auf der einen
Seite einen progressiven Diskurs und eine sensibilisierte
Öffentlichkeit, beim gleichzeitigen Vorkommen von sehr
konservativen, reaktionären Denkmustern und damit sehr
erschreckenden Vorfällen, die dann passieren“, so Sanin.
Soundwolken aus den Medienräumen
Eine brancheninterne, anonyme Umfrage von Columna
V hat gezeigt, dass mehr als zwei Drittel, der in Österreichs
Medien Beschäftigten, bereits von Machtmissbrauch
betroffen waren. Ulrike Weish, Universitätslektorin
am Institut für Publizistik und Kommunikationswissenschaft
der Universität Wien sowie Radio ORANGE 94.0
Geschäftsführerin ortet ein soziologisches Paradoxon:
In einer Branche wie Journalismus, die für Investigation
und Recherche steht, liest man nur selten über die
eigenen Missstände. Wenn, dann geschieht das meist
über die Sozialen Medien. „Diese sind ein idealer Ort
für das Entstehen einer Austauschkultur. Menschen, die
räumlich voneinander getrennt sind, könnten gemeinsam
reflektieren und sich Mut zusprechen. Die Teilöffentlichkeiten
entwickeln so gruppendynamische Phänomene. Die
werden dann von anderen Medien aufgenommen“, erklärt
Weish. Das Resultat bezeichnet sie als „Soundwolken“.
Wahrnehmbar ist auch, dass Belästigung von Opfern
#we_do! – Do we?
29
Daniel Sanin / © Nina Springer
Ulrike Weish / © Laura Schäffer
erst dann angesprochen wird, wenn sie die
Branche verlassen haben. „Die, die bleiben,
haben sich arrangiert. Die müssen sich mit Berufs-
und redaktionellen Linien abfinden“, gibt
Weish zu bedenken. Oft möchte man auch
dem eigenen Medium nicht schaden und
schweigt. „Es braucht Überwindung, damit die
Außenseiterposition so weit gestärkt wird, dass
ein Übergriff als Übergriff und nicht als Ausnahme,
als Hirngespinst oder als Übertreibung
anerkannt wird“, verdeutlicht Weish.
Die Ursachen der Missstände liegen auch
an einem österreichischen Spezifikum: Es
ist die Winzigkeit des Medienmarktes, der
patriarchalen Organisation als auch der heterosexuellen
Normativität darin. Ein Blick in
den österreichischen Journalismus-Report
von 2020 ist ausreichend, um diese Wahrnehmung
zu bestätigen. Zwar herrschte
2018/19 ein Gleichgewicht zwischen der
geschlechtlichen Verteilung der Journalist
*innen (weiblich 47%; divers k. A.; männlich
53%) und des Durchschnittsalters (weiblich
42,8 Jahre; divers k. A.; männlich 46 Jahre).
Eine Leitungsposition hatten aber fast doppelt
so viele Männer (14%) wie Frauen (8%)
inne.
Für Weish ist es in den letzten Jahren zu einem
Backlash gekommen. Sexualität wird
mit sehr strengen Codes, bisweilen gar als
Tabu etikettiert. „Ich habe das Gefühl, wir
haben in Österreich nicht wirklich den Umgang
mit Freiheit gefunden und haben jetzt wieder
ein konservatives, stark religiöses Frame. Das
lagert sich in die Moralvorstellungen wieder ein.“
Ähnliche Entwicklungen sind eben auch in
der Medienbranche zu erkennen.
Die öffentlich geführten Debatten
Berichterstattung über Belästigung ist auch
an Nachrichtenwerte gekoppelt. Mögliche
Faktoren der Informationsverbreitung
sind dabei Zeit, Nähe, Exklusivität aber
auch Identifikationsmöglichkeiten der
Leser*innenschaft. Weish dazu: „Wenn die
Opfer aus einer Kultur sind, die uns wenig
vertraut ist, wenn die Opfer anonym sind, dann
geht die Story nicht. Wenn es keine Bilder gibt,
geht die Story eigentlich auch nicht. Das hängt
alles sehr stark von diesen Faktoren ab. Aber
wenn man Harvey Weinstein mit einem Rollator
abbilden kann, dann wird er gebracht.“ Für die
von Machtmissbrauch Betroffenen bedeutet
das: Sprechen, Kollaborationen suchen, aber
auch offene Konfrontationen nicht scheuen,
denn so Weish: „Die Täter*innen haben ja ganz
oft nicht eine Identität eines Tabubruchs, sondern
die Identität einer Normalität. Das finde ich so
schwierig. Wir haben eine Erziehungskultur, in
der Männer eine Raubtier-Sexualität positiv
konnotierten – eine Kultur der Abschussspiele,
eine Populärkultur, die gewaltaffin ist. Und dann
wundern wir uns über die Folgen.“
Zeit der Veränderung und des Handelns
Damit stellt sich die Frage, was es braucht,
um mit der Macht der Öffentlichkeit Veränderungen
zu realisieren. Weish ist davon
überzeugt, dass das Problem schon in der
Erziehung begründet liegt: Sich einer Norm
anzupassen, wird vielen von uns schon in
der Kindheit vermittelt. Dabei handelt es
sich allerdings um einen falschen Zugang:
„Wenn ich etwas sehe, das nicht okay ist, dann
reicht es zu sagen: 'Ich sehe hier den Umgang
mit der Person XY oder ich sehe, wie Sie mit mir
sprechen. So bitte nicht.' Man muss sich ja nicht
martialisch mit dem Chef prügeln.“ Kurz gesagt:
Empowerment statt Tragik.
Ulrike Weish weist auch auf den Aspekt
von Zuschreibungen zu Berufen wie
Schauspieler*innen und Models hin.
Übergriffe und schlecht definierte Grenzen
sind, so die landläufige Meinung, zu
erwarten. Interessant ist aber, dass im Detail
Unterschiede gemacht werden. Vergehen
an unbekannten Darsteller*innen werden
gerne als Bagatelle abgetan. Geraten jedoch
Vorwürfe aus etablierten Kreisen an die
Öffentlichkeit, ist mit Empörung zu rechnen.
Dass man im Kollektiv einiges erreichen
und Stärke zeigen kann, davon ist Weish
überzeugt. Vielmehr liefert auch die Mediengeschichte
Beispiele für ein gelungenes
Empowerment: In den 70er Jahren hat das
Magazin Extrablatt in der Weihnachtszeit
ein Cover mit einer nackten, jungen Frau mit
Lametta um den Intimbereich abgebildet.
Daraufhin stattete eine Gruppe von Frauen
dem verantwortlichen Chefredakteur einen
Besuch ab. Sie entblößten ihn, umwickelten
30
#we_do! – Do we?
seinen Körper ebenfalls mit Lametta und spielten die
Bilder dem SPIEGEL zu. Schlagzeilen und Empörung
folgten. Der besagte Chefredakteur hat in seiner weiteren
Berufslaufbahn kein derartiges Cover mehr veröffentlicht.
Weiters ist eine Solidarisierung innerhalb der Medienbranche
durch Interessensbekundung notwendig.
Man soll die eigenen Rechte kennen und Graubereiche
ansprechen. Bevor es zu einem Verbrechen und somit
zu einer Straftat kommt, ist ein fließender Übergang
von unangenehmen oder gewaltvollen Spannungen zu
spüren.
Abschließend äußert Weish den Wunsch, dass innerhalb
der Medien aber auch der Öffentlichkeit sensibilisierend
über Gewalt, Menschenrechte, Geschlechter, Alter,
Ethnien, sexuelle Vorlieben, Wertevorstellungen
und Religionen reflektiert werden soll. Wir haben ein
Recht auf gewaltfreie Arbeitsverhältnisse und eine
offene Debattenkultur: „Beschweren erleichtert und ich
glaube, dass das wichtig ist – Sprechen, aber eben auch
nachfragen!“
Bernd Benedikt RICHTER
Über #we_do!
Im Jahr 2019 wurde auf Initiative des Dachverbands der österreichischen Filmschaffenden
#we_do! die Anlauf- und Beratungsstelle für österreichische Film- und Fernsehschaffende
ins Leben gerufen. Betroffene finden hier Hilfe und Informationen über Arbeitsrechtsverletzungen,
Gewalt, sexuelle Belästigung sowie Diskriminierungen. Weiters unterstützt
#we_do! Produktionsfirmen bei Präventionsmaßnahmen und Schlichtungen, bietet auch
Workshops und Vorträge an.
Von 2019 bis 2023 hat sich die Zahl der Kontaktaufnahmen Betroffener von 24 auf 79 Kontaktaufnahmen
verdreifacht. Dabei wird jede Meldung separat behandelt und als eigener
Fall angeführt, unabhängig von der Situation. Eine individuelle Beratung bei #we_do! kann
entweder schriftlich, telefonisch, mittels Videoanruf oder auch einem persönlichen Gespräch
erfolgen.
#we_do! – Do we?
© Bernd Benedikt Richter
„Hitler war Deutscher, Beethoven
war Österreicher“
Braunau am Inn steht im Mittelpunkt lebhafter Diskussionen über historische
Verantwortung. Die geplante Umgestaltung und Nutzung des Geburtshauses von
Adolf Hitler ist Thema von Kontroversen, welche Filmregisseur Günter Schwaiger
mit seinem Projekt Wer hat Angst vor Braunau begleitete. Das SUMO-Magazin interviewte,
neben Schwaiger, den Historiker und Obmann des Vereins für Zeitgeschichte
Florian Kotanko sowie Zeitzeuge Franz Maislinger zu diesem Thema.
Florian Kotanko / © Verein für Zeitgeschichte
Franz Maislinger / © privat
Günter Schwaiger / © dimdimfilm
„Ich wollte eigentlich einen Film über ein 'neues'
Österreich machen, das sich mit seiner Täter*innen-
und Mitläufer*innen Vergangenheit auseinandersetzt.“,
erklärt Günter Schwaiger die
Idee, den ersten österreichischen Film über
Adolf Hitlers Geburtshaus zu drehen. Das
Projekt fand seinen Anfang, als Schwaiger
erfahren hatte, dass die Sozialeinrichtung Lebenshilfe
das Haus übernehmen sollte, „was
eine symbolische Umpolung des belasteten
Gebäudes mit sich gebracht hätte. Das wollten
wir filmisch begleiten. Wir waren schon voll in
den Dreharbeiten, als plötzlich im Innenministerium
entschieden wurde, nicht eine Sozialeinrichtung
bekommt das Haus, sondern die Polizei.
Da begann dann ein anderer Film.“
„Wer hat Angst vor Braunau“
„Am liebsten wäre es uns ja, wenn Braunau gar
nicht zu Österreich gehören, sondern ein paar
Meter weiter nördlich vom Inn, also in Deutschland
liegen würde. Hitler war ein Deutscher,
Beethoven war Österreicher“ startet der Film
auf eine Frage, wer denn einer der beiden
berühmtesten Österreicher ist. Als erstes
stellt sich die Frage wie die öffentlichen Reaktionen
zum Film waren? Schwaiger: „Schon
vor der Weltpremiere beim Internationalen Film
Festival in Freistadt war die Pressereaktion
unglaublich stark. Am Sonntag vorher brachte
die Kronenzeitung eine Titelgeschichte – 1,6
Million Auflagen. Am nächsten Tag machten wir
eine Pressekonferenz mit 23 internationalen
Medien. Die Reaktion war weltweit – von FAZ,
über das israelische Fernsehen bis zur New York
Times. Hitlers Geburtsort und der eigenartige
Umgang, den Österreich – speziell die politisch
Verantwortlichen – damit immer noch pflegen,
sorgte für großes internationales Aufsehen und
dabei auch für viel Unverständnis.“
Sehr interessant, erläutert Schwaiger
weiter, war für ihn, dass die österreichischen
Politiker*innen sich weigerten, dazu Stellung
zu nehmen. Keine einzige Partei hätte sich
zum Film geäußert. Und das, obwohl Medien
aus der ganzen Welt bei ihnen angefragt
hätten. Das sehe er als bedenklich.
Über das internationale Interesse an der
Stadt Braunau berichtet auch Historiker
Florian Kotanko. Mit den Herausforderungen
und Perspektiven von Gedenk- und
Erinnerungsarbeit beschäftigt er sich sein
Leben lang. Für sein Engagement wurde der
pensionierte Schuldirektor mit dem Goldenen
Verdienstzeichen der Republik Österreich
ausgezeichnet.
Kotanko, Obmann der Zeitgeschichte-Tage,
betont die Bedeutung des Films für die lokale
und internationale Wahrnehmung Braunaus.
Der Film ermutigt die Zuschauer*innen,
sich mit den schwierigen Aspekten der
Vergangenheit auseinanderzusetzen und
zeigt, wie eine Gemeinschaft daran arbeiten
kann, ein neues, positives Image zu schaffen.
Kotanko berichtet, dass die Aufarbeitung
lange gedauert habe. Bis hinein in die 80er
Jahre sei kaum öffentlich über das Gebäude
gesprochen worden. „Erst als immer mehr
'Tourist*innen' Interesse am Geburtshaus
Hitlers hatten, reagierte die Stadt Braunau und
zu Hitlers 100sten Geburtstag wurde schließlich
1989 der Gedenkstein aus dem KZ Mauthausen
vor dem Gebäude aufgestellt.“ Das waren dann
auch die Anfänge seiner Obmannschaft
der Braunauer Zeitgeschichte-Tage. Franz
Maislinger wurde 1937 in Braunau geboren.
Auch er betont, dass sich die Gedenkarbeit
in Braunau im Laufe der Jahre verändert
habe. In seiner Jugendzeit erinnere er kaum,
32
Hitler war Deutscher, Beethoven war Österreicher
©Stadt Braunau am Inn
dass es Interesse an Braunau als Geburtsstadt Hitlers
gegeben hätte. „Man sprach kaum über die Vergangenheit
der Stadt, später wurde es regelrecht zu einem Tabuthema.“
Laut Maislinger sei das Interesse seit Anfang der 80er
Jahre, als die rechtspopulistische FPÖ erstmals als
Koalitionspartner ins Amt kam, gestiegen. Ob es einen
Zusammenhang gäbe oder ob die Zeit einfach reif dafür
gewesen sei, könne man nicht sagen.
Ist Braunau der Geburtsort des Bösen?
Kotanko betont: „Das Haus der Geburt ist der Geburtsort
eines Babys, und das, was Hitler zu dem machte, was
wir mit ihm verbinden, hat sich im Laufe seines Lebens
entwickelt.“ Das besagte Gebäude war vor Adolf Hitlers
Geburt ein Gasthaus. Die Familie war hier nur für eine
kurze Zeit in Miete wohnhaft. Hitler selbst habe sich
nicht für seine Geburtsstadt interessiert: Im Zuge des
„Anschlusses“ 1938 fuhr er einmal kurz durch. Viel
wichtiger war ihm Linz, die Stadt, in der er den Großteil
seiner Kindheit verbracht hat.
Ist Braunau eine „braune Stadt“?
Oberösterreich war laut Kotanko nie ein Hort des
Nationalsozialismus und Braunau war keineswegs
die „braune Stadt.“ Bei demokratischen Wahlen in
der ersten Republik betrug der Stimmenanteil für die
NSDAP in Braunau 7%. In Wien wurden 40% erreicht.
Auch Schwaiger betont, Medien sollten „weg von den
Klischees der 'braunen Stadt' und endlich damit beginnen,
hinter die Kulissen zu sehen. Braunau ist Synonym für die
österreichische Verdrängungskultur. Aber nicht, weil in
Braunau verdrängt wird, denn das geht gar nicht, da die
Stadt ununterbrochen mit dem Fakt von Hitlers Geburt
konfrontiert ist, sondern weil in Österreich die eigene
Schuld sozusagen nach Braunau verdrängt wird. Man
erblickt dort die Schuldigen, weil Hitler dort geboren worden
ist und spricht sich damit selbst von Verantwortung frei.“
Laut Historiker Kotanko ist das eine „Zuschreibung die
bequem und einfach ist, aber in keiner Weise der Realität
entspricht.“ Die Stigmatisierung als „braune Stadt“ und
der institutionelle Umgang mit dem Geburtshaus sei
letztlich eine Metapher für die Nicht-Verarbeitung
unserer Geschichte.
Gedenk- und Erinnerungsarbeit in Braunau:
Eine Analyse
Braunaus offizieller Internetauftritt spiegelt die im Film
dargestellten Bemühungen wider dem Bild einer „braunen
Stadt“ entgegenzutreten. Gedenkstätten, Denkmäler
und Initiativen, die an die Opfer des Nationalsozialismus
erinnern, fördern eine Auseinandersetzung
mit der dunklen Vergangenheit. Vor das Geburtshaus
von Adolf Hitler wurde, auf Veranlassung des Bürgermeisters
Gerhard Skiba im Jahr 1989 ein Mahnstein
aus dem ehemaligen KZ Mauthausen gesetzt. Jedes Jahr
Anfang Mai findet vor dem Mahnstein eine Gedenkfeier
für die Opfer von Krieg und Nationalsozialismus
statt. Seit 1992 werden die Braunauer Zeitgeschichte-Tage
abgehalten. Die Erinnerung an die Opfer wird durch
Straßenbenennungen und Stolpersteine lebendig gehalten.
Allem Anschein nach, tut Braunau also sehr
viel für die Vergangenheitsbewältigung. Nun soll in
das Geburtshaus Hitlers eine Polizeistation kommen
und die Fassade unkenntlich gemacht werden. Warum
kommt das bei der Bevölkerung gar nicht gut an?
Könnte nicht die Polizeistation verhindern, dass es zu
Wiederbetätigung kommt? Maislinger beschreibt, dass
in Braunau einerseits Befürworter*innen stünden, die
für eine Demontage des Gebäudes plädieren, um einen
Pilgerort für Neonazis zu verhindern. Andererseits gäbe
es eine Mehrheit von Unterstützer*innen des Erhalts
des Gebäudes als Mahnmal für die Gräueltaten des
Nationalsozialismus. Auch Kotanko sieht den Umbau
Hitler war Deutscher, Beethoven war Österreicher
33
des Hitlerhauses kritisch. Das Gebäude gehört seit der
Enteignung der langjährigen Besitzerin 2016/17 der
Republik Österreich. Es soll nach dem Umbau eher dem
Gebäude vor Hitlers Geburt entsprechen. Die Vergangenheit
werde also „gelöscht“. Zudem: Ein Zeitungsartikel
aus 1939 zeigt, dass sich Adolf Hitler eine Nutzung
als Amtsgebäude für sein Geburtshaus gewünscht hat.
Somit würde mit der Polizeistation nun sein Wille erfüllt
werden.
Schwaiger dazu: „Das ist in Österreich nach dem 2. Weltkrieg
mit der Nicht-Aufarbeitung der Implikation einer Nation
in das Nazi-Regime passiert, und das passiert heute
wieder. Die Symbolkraft des Hauses und der Wunsch der
Braunauer*innen könnten diesen Ort zu einem international
angesehenen Zentrum der Aufarbeitung machen, oder
als Sozialeinrichtung zu einem Beispiel symbolischer Umpolung.
Eine Polizeistation und eine neue Fassade erinnern
viel zu sehr an das Österreich der Dauerverdrängung der
eigenen Verantwortung.“
Warum jetzt und nicht schon früher?
In der Vergangenheit habe es schon Versuche gegeben,
einen Film über die Vergangenheitsbewältigung
Braunaus zu machen, die aber an der fehlenden
Unterstützung gescheitert sind, berichtet Schwaiger.
Auch die Finanzierung seines Projektes sei schwierig
gewesen. Er habe mit Julia Mitterlehner eine tolle junge
Produzentin an seiner Seite gehabt. Schwierigkeiten
bereitete aber auch, dass es während der Dreharbeiten
zu Veränderungen in der Nachnutzung des Hauses
kam. Aus zwei Jahren wurden so fünf. Schwaiger betont:
„Mit den Brauner*innen gab es keine Probleme. Ganz im
Gegenteil. Wir haben uns sehr respektiert und unterstützt
gefühlt. Ich denke, dass man in der Stadt gespürt hat, dass
wir uns wirklich für sie interessierten und in die Tiefe gehen
wollten.“ Der Film Wer hat Angst vor Braunau wirft auch
eine unangenehme Frage auf:
Nazis, oder direkt in die Nazi-Verbrechen implizierten, von
Mitläufer*innen oder Menschen, die weggeschaut haben,
besteht. Das ist unser Ursprung. Wir sind in der großen
Mehrheit keine Nachkommen der Opfer. Wir müssen endlich
lernen, das zu akzeptieren.“
Kotanko beschreibt den Faktor Zeit als weitere Schwierigkeit:
Die Vergangenheit verschwimmt sehr schnell,
man muss „bedenken, für Kinder sind vielleicht noch die
Gespräche mit den Großeltern relevant, alles davor fühlt
sich weit weg an.“
Ausblick
Insbesondere in einer Zeit, in der Verschwörungsmythen
und Fehlinformationen schnell verbreitet werden
können sieht Kotanko den Druck, der durch Social
Media empfunden wird, alles zu kommentieren
und zu rechtfertigen kritisch. Viele seien durch
diese Überflutung überfordert. Als ehemaliger
Gymnasialdirektor sieht er die Aufgabe der Bildung
darin, den Menschen beizubringen, genauer zu
überlegen und zweite Meinungen einzuholen.
Eine ähnliche Perspektive nimmt auch Filmemacher
Schwaiger ein: „Eine fruchtbare Geschichtsaufarbeitung
kann niemals nur an der Oberfläche und auch nicht nur
wissenschaftlich sein, Aufarbeitung heißt vor allem Reden
und Zuhören.“
Theresa SCHMIDHUBER
Wie steht es um die eigene Familiengeschichte?
Schwaiger betont, er verstehe den Film nicht als Anklage
oder Abrechnung mit der Täteraufarbeitung der
Österreicher*innen, sondern vielmehr als Chance und
Einladung zur Reflexion. Wovor haben wir Angst, wenn
wir zurücksehen?
„Wenn man der Aufarbeitung der Konflikte aus der Vergangenheit
aus dem Weg geht, dann heißt das nicht, dass
sie verschwinden. Man schiebt sie einfach in die nächsten
Generationen. Wir müssen beginnen, in den Spiegel einer
Nation zu blicken, die zum Großteil aus Nachkommen von
34
Hitler war Deutscher, Beethoven war Österreicher
© Max Peternell
© Moritz Böhmer
„Ohne Frauen ist der Krampus fad“
Öffentlichkeit. Eigentlich ein Bereich der Gesellschaft, der der Allgemeinheit offensteht und dem
Austausch und der Verständigung von Informationen und Meinungen dient. Doch in der Weihnachtszeit
betritt man gelegentlich einen Raum, in dem für einige Tage im Jahr die gängigen Normen
und Werte verblassen. Der Krampuslauf, ein „Phänomen“, das wenig belichtet wird, obwohl
es tief in die kulturellen und sozialen Strukturen eingreift und jedes Jahr aufs Neue kontroverse
Debatten über die Grenzen zwischen Brauchtum und Moderne entfacht.
In Österreich kommt man schon in jungen Jahren
schnell und oft unfreiwillig mit den schaurigen Gestalten
in Kontakt. Während die Kleinsten lediglich mit
harmlosem schwarzem Ruß beschmiert werden, geht
es bei den Älteren meist härter zu. Blaue Flecken sind
nicht unüblich. Woher dieses Phänomen kommt, ist
eine umstrittene Frage, erklärt Sozialanthropologin
Gertraud Seiser, welche den Krampus als soziales und
ökonomisches Phänomen erforscht hat. Der oft als
jahrtausendealtes „Brauchtum“ beschriebene Krampus
hat wissenschaftlich gesehen unklare Ursprünge. Erste
Berichte über sie häufen sich erst seit dem 17. Jahrhundert.
Heutzutage gibt es große regionale Unterschiede.
Krampusse treten meist zusammen mit dem heiligen
Nikolaus auf, manchmal begleitet von Engeln. In zotteligem
Tierfell gekleidet, schwer bepackt mit großen
Glocken und in der Hand eine Rute, meist aus Rossschweif
oder Birkenästen, ziehen sie von Haus zu Haus
um die „bösen“ Kinder zu bestrafen, wohingegen der
Nikolaus die „guten“ Kinder belohnt.
Gewalt und Kontroversen
Dieses „Bestrafen“ kann besonders intensiv bei Veranstaltungen
sein, bei denen Krampusse und Zuseher*innen
direkt aufeinandertreffen. Hier schlagen die
Krampusse die Anwesenden mit Ruten, laufen ihnen
hinterher und erzeugen durch lautes Glockengeläut
und wilde Verfolgungsjagden eine eindrucksvolle, aber
auch einschüchternde Atmosphäre. Was für Außenstehende
erstmal völlig absurd klingt, ist für viele
Menschen in alpenländlichen Regionen das Event des
Jahres. Die Frage, warum an bestimmten Tagen Gewalt
und patriarchale Strukturen nicht nur normalisiert,
sondern sogar fast schon verherrlicht werden, wirft
ein Schlaglicht auf die komplexe Beziehung zwischen
Tradition und gesellschaftlicher Akzeptanz. Warum erlauben
bestimmte Praktiken wie der Krampuslauf, dass
sie eine Sonderstellung einnehmen, welche es ermöglicht,
Normen zu überschreiten, die im alltäglichen Leben
sonst kritisch betrachtet oder abgelehnt werden?
Moritz Böhmer, aktives Mitglied der „Gruttenstoana
Krampal“, sagt: „Mit der 'Tradition' kommt auch eine
gewisse Verantwortung. Die Gewalt soll nicht im Vordergrund
stehen. Wir müssen unsere Gesichter und Namen
auch zusammen mit den Masken anmelden. Damit, dass
falls etwas sein sollte, man uns erkennen kann.“ Er läuft
in einer Pass (Krampus-Gruppe), die ausschließlich
familiäre Besuche am fünften und sechsten Dezember
durchführt und sich mit geschnitzten Holzmasken
ohne moderne Verzierungen auf die Vermittlung des
Nikolaustages für Familien konzentriert.
Ohne Frauen ist der Krampus fad
35
Gertraud Seiser / © Universität Wien - Gertraud Seiser
Moritz Böhmer / © privat
Geschlechterrollen unter den Masken
„Der Krampuslauf ist überwiegend männlich
dominiert“, erklärt Seiser. „In bestimmten Regionen
wie dem Gasteinertal und in Teilen Osttirols
ist es strikt eine männliche Angelegenheit,
Frauen dürfen oft nur als Engel teilnehmen und
sind ansonsten ausgeschlossen.“ In der Welt
des Krampuslaufs wird der Mann oft ins
Rampenlicht gestellt und gefeiert, während
Frauen traditionell in unterstützenden Rollen
verharren, etwa als Engel, Opfer oder die,
die sich um die Bedürfnisse der Krampusse
kümmern und sich an den Kosten beteiligen.
Diese Rollenbilder erscheinen stark veraltet,
besonders in einer Zeit, in der der Feminismus
präsenter denn je ist und Frauen immer
noch für Gleichberechtigung kämpfen (müssen).
Laut einer Umfrage der Organisation Plan
International sind solche traditionellen Rollenbilder
auch unter jungen Männern in
Deutschland noch weit verbreitet. Ungefähr
die Hälfte der Männer im Alter von 18 bis 35
Jahren betrachten sich in Beziehungen als
die „Versorger“, die Entscheidungen treffen.
Zudem hält ein Drittel dieser Gruppe es für
hinnehmbar, wenn ihnen in einem Streit mit
ihrer Partnerin gelegentlich „die Hand ausrutscht.“
Weiterhin gaben 34 Prozent der
Befragten an, dass sie in der Vergangenheit
sogar schon handgreiflich gegenüber Frauen
waren, um Respekt zu erzwingen. Diese Einstellungen
spiegeln eine klare Rollenverteilung
wider, die von vielen jungen Männern
erwartet wird: Der Mann verdient das Geld,
die Frau macht den Haushalt. Oder eben der
Mann läuft als Krampus und die Frau versorgt
ihn mit Speis und Trank.
Veraltete Rollenbilder?
Die Frage, ob solche Rollenbilder veraltet sind
oder doch allmählich wieder an Beliebtheit
gewinnen, ist komplex. Es scheint, dass
einige Menschen die traditionellen Rollen
tatsächlich begrüßen, was darauf hindeutet,
dass diese nicht nur aus historischer
Gewohnheit, sondern auch aus persönlicher
Präferenz fortbestehen. „Viele Frauen haben
ihre Rolle im Verein gefunden, sind integriert
und wollen gar nicht, dass sich etwas ändert“,
laut Böhmer. Auch eine Zuseherin berichtet
über ihre eigene Erfahrungen: „Ich gehe
gern zum Krampuslauf, es ist ein Gefühl der
Gemeinschaft. Eine Veranstaltung, wo man
eben hingeht und all seine Freunde trifft. Auch
viele meiner Freunde laufen als Krampusse.
Es ist, glaub ich, dieser Nervenkitzel, das
Weglaufen und Verstecken, das es irgendwie
so interessant macht.“ Laut Seiser würden
Frauen, die aktiv Krampusläufe aufsuchen,
diese in ihrer „aggressiv-männlichen“
Form verteidigen. Es ist also schwierig
sich als Feministin zu positionieren.
Entscheidend ist jedoch, dass Frauen die
Freiheit haben, sich bewusst für oder gegen
eine solche Rolle zu entscheiden.
Die Möglichkeit, wählen zu können, ob man
eine unterstützende Funktion innerhalb des
Vereins oder die des gejagten Opfers im
Krampuslauf einnehmen möchte oder eben
nicht, ist ein zentraler Aspekt der Gleichberechtigung.
Dennoch besteht die Sorge, dass
das Festhalten an Rollenmustern, die innerhalb
solcher „Traditionen“ praktiziert werden,
selbst wenn frei gewählt, strukturelle
Un- gleichheiten weiter verfestigen. Sollte
innerhalb der Öffentlichkeit aber nicht gerade
dieses Muster kritisch beleuchtet und
ein offener Dialog über deren Auswirkungen
auf die Gesellschaft geführt werden? Aktuell
wird der Krampuslauf selten umfassend
diskutiert und medial oft nur im Kontext von
Unfällen und gewaltsamen Vorfällen berichtet.
Doch warum erlangt der Krampuslauf
so eine Faszination?
Es geht offensichtlich nicht um die Bewunderung
eines großen, starken Mannes, denn
das ist die Darstellung des Krampusses in
Österreich allemal nicht. Dieser wird dargestellt
als alter Mann mit schiefen Zähnen,
Eiterbeulen und allen möglichen wenig
ansprechenden Charakteristiken. „Es ist in
erster Linie das Gefühl der Gemeinschaft innerhalb
der Vereine, aber auch innerhalb der Gemeinden,
das den Krampuslauf ausmacht“, so
Böhmer. Viele Menschen sind in den Prozess
involviert und schufen Kunst in Form von
Maskenschnitzereien und anderen handwerklichen
Leistungen. Man kenne es aus
36
Ohne Frauen ist der Krampus fad
Kindheitstagen und es sei schon ein gewisser Stolz,
diese „Tradition“ weiterführen zu dürfen. „Dass diese
Läufe nicht ausarten, liegt in der Verantwortung der Vereine“,
unterstreicht er. Wie es scheint, wäre also eine
qualitativ hochwertige Berichterstattung, die auch die
positiven Aspekte beleuchtet, hilfreich, um ein tieferes
Verständnis dafür zu entwickeln, was wirklich hinter
diesem Phänomen steckt.
Von Engeln zu Krampussen
Mittlerweile gibt es auch bereits die Möglichkeit für
Frauen, als Krampusse aktiv teilzunehmen. In Salzburg
beispielsweise existieren inzwischen rein weibliche
Krampuspassen sowie gemischte Passen, wo
Frauen auch gerne aktiv als Krampus mitlaufen. Dies
zeugt von einer bedeutenden Entwicklung und Erweiterung
der traditionellen Rollen innerhalb dieser Bräuche.
Allerdings merkt Böhmer auch an, dass in seiner
Gruppe noch überhaupt keine Frau jemals angefragt
hätte, als Krampus mitzulaufen. „Das liegt wahrscheinlich
auch am immer noch bestehenden Rollenverständnis.
Mädchen bekommen vielleicht von klein auf gesagt,
dass sie, wenn überhaupt, als Engel teilnehmen sollten
und nicht als Krampus.“ Er hätte aber grundlegend
nichts dagegen, eine Frau als Krampus aufzunehmen.
Es ist also schwierig ein Richtig oder Falsch zu definieren.
Insbesondere, weil Bräuche oft etwas sind, das
Menschen etwas Vertrautes und Schönes beschert und
an dem sie festhalten können. Die Frage bleibt deshalb:
Wann ist Brauchtum noch Brauchtum und wann
ist es an der Zeit etwas zu ändern, vor allem wenn sich
um diesen Raum herum gesellschaftlich so viel ändert?
Sollten oder dürfen Bräuche verändert werden,
besonders wenn es scheinbar keinen echten Willen zur
Veränderung gibt? Die Entwicklungen in Salzburg lassen
folgenden Schluss zu: Es ist wichtig diesen Raum,
der jedes Mal geöffnet wird, nicht wieder zu schließen,
um einen fortlaufenden Austausch von Informationen
und Meinungen zu ermöglichen. Dies erlaubt es sowohl
Frauen als auch Männern, sich aktiv zu positionieren
und ihre Rollen selbst zu wählen. Eine öffentliche Auseinandersetzung
sowie eine qualitativ hochwertige
Berichterstattung in Medien zu diesen Themen sind
dafür entscheidend, um sicherzustellen, dass Bräuche
sich weiterentwickeln und an die sich wandelnden gesellschaftlichen
Werte anpassen.
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Ohne Frauen ist der Krampus fad
37
Rebellische Wellen: Piratenradio und Radio
Caroline im Kampf um mediale Freiheit
Die Entstehung von Piratenradiosendern in den frühen 1960er Jahren war eine Antwort auf die
rigiden, staatlichen Kontrollen des Rundfunks. SUMO sprach mit Schlüsselfiguren aus der damaligen
Szene, konkret Steve Conway und John Simons über Radio Caroline. Dieser Sender revolutionierte
die Radiolandschaft und gilt bis heute als Vorreiter für die Freiheit der Medien und die Bildung
pluralistischer Öffentlichkeiten.
Piratenradio: Ein Name, der nicht von ungefähr
kommt
Radio Caroline wurde 1964 vom Musikproduzenten
Ronan O'Rahilly gegründet als eine Alternative zu den
staatlich kontrollierten Sendern. Der Sender begann
seine Übertragungen von einem Schiff in internationalen
Gewässern. Der Grund dafür? Mit dieser Strategie
war es möglich, die strengen britischen Rundfunkgesetze
zu umgehen. Diese Aktion war ein technologischer
und ein kultureller Durchbruch. Er machte den
Weg für vielfältigere, musikalische Inhalte frei. Steve
Conway, ehemaliger Moderator bei Radio Caroline, berichtet
über diese Zeit: „In den 60ern, 70ern und 80ern
betrieben die Menschen Piratensender, weil es keine andere
Möglichkeit gab, den Leuten Zugang zu Musik zu eröffnen,
die das Mainstream-Radio nicht spielte.“
Die britische Regierung reagierte schnell mit der Einführung
des Marine Broadcasting Offences Act von 1967,
der die Übertragungen von Schiffen aus illegal machte.
Radio Caroline setzte seine Sendungen fort und trotzte
im Kampf um das Recht auf freie Meinungsäußerungen
den gesetzlichen Einschränkungen. Diese standhafte
Haltung machte den Sender zu einem Symbol des
Widerstands gegen mediale Zensur und beeinflusste
nachhaltig die Diskussion um Medienfreiheit in Europa.
Wie Conway erzählt, war der Preis für diese subkulturelle
Aktivität ein hoher und das Leben an Board
keineswegs bequem: „Wir scherzten immer das Leben
offshore auf dem Schiff war wie ein Gefängnis, nur mit
schlechterem Essen. Das Schiff war 18 Meilen vor der Küste
und obwohl die Behörden Caroline in diesen internationalen
Gewässern nicht direkt berühren konnten, machten
sie es sehr schwierig Nachschub zu bekommen. Es gab ein
Gesetz in Großbritannien, das besagte, dass britische Personen
und Firmen nicht bei Caroline werben oder sie versorgen
durften. Und Boote durften keine Vorräte bringen.
Ähnliche Gesetze gab es in anderen europäischen Ländern.
Unsere Versorgungsboote, die wir Tender nannten, waren
sehr geheim. Es waren nächtliche Operationen. Ein Versorgungsschiff
kam alle zwei bis vier Wochen.“ Für die Crew
an Board von Radio Caroline aber bedeutete das: „Sobald
man draußen war, war man wirklich draußen, mit etwa
12 anderen Menschen auf dem Boot. Man sah wochenlang
niemand anderen, bis das nächste Versorgungsschiff
kam. Man hielt den Sender am Laufen und manchmal gab
es reichlich Nahrung, manchmal weniger. Besonders im
Winter konnten die Versorgungslinien gestört sein, und es
dauerte noch zehn Tage länger wegen schlechten Wetters.
Dann überlebten wir mit Dosenbohnen und Reispaketen,
aber es machte großen Spaß. Es war eine intensive Erfahrung.“
Technologische Innovationen und kultureller
Einfluss
John Simons, ein britischer Radioberater, der seit über
40 Jahren in der Branche tätig ist, erinnert sich an diese
Zeit aus der Perspektive des Zuhörers: „Ich habe Piratenradio
gehört, aber ich lebte im Norden Englands und Radio
Caroline konnte anfangs nur im Süden Englands empfangen
werden. Es hatte einen sehr starken AM-Sender, der
den gesamten Südosten abdeckte, einschließlich London,
was das Hauptziel war. Schließlich starteten sie Radio Caroline
North sowie Radio Caroline South. Das Problem war
noch immer, dass es an der Westküste war und ich an der
Ostküste lebte. Meine Piratenradio-Erfahrung war deshalb
eine Station namens Radio North Sea International, die an
der Ostküste Englands lag.“
Tatsächlich war Radio Caroline technisch ein Vorreiter
in der Nutzung von AM-Frequenzen, um eine breite
Zuhörerschaft zu erreichen. Kulturell spielte der Sender
damit eine zentrale Rolle bei der Verbreitung von Rockmusik
und beeinflusste maßgeblich die Musikszene
in Großbritannien und darüber hinaus. Künstler*innen
und Bands, die von Radio Caroline gespielt wurden, wie
die Beatles und die Rolling Stones, erlebten oft einen
signifikanten Karriereschub. Simons reflektiert: „Ich
denke, die Beatles wären so oder so erfolgreich gewesen,
weil sie einfach außergewöhnlich waren und vier unglaublich
talentierte Individuen, die unabhängig von allem Erfolg
gehabt hätten. Die BBC unterstützte die Beatles, die Rolling
38
Rebellische Wellen
Stones und ähnliches. Ich denke jedoch, dass die
Musikexplosion der 1960er Jahre durch das Piratenradio
angeheizt wurde. Es hätte nicht so
viele britische Bands gegeben. Man denke etwa
an Gerry and the Pacemakers, die Kinks, die
Rolling Stones, Herman’s Hermits, die Animals
aus Newcastle.“ Dieser These stimmt auch
Conway zu: „Piratenradio hatte zwei wichtige
Auswirkungen: Erstens ermöglichte es den Zugang
zu mehr Musik und zu Musikrichtungen,
die im Mainstream-Radio nicht gespielt wurden.
Wenn man als Band nicht im Mainstream
war, war Piratenradio in den 60ern, 70ern oder
80ern eine einflussreiche Alternative. Heute bekannte
Bands wie Status Quo sprechen darüber,
wie Caroline ihnen geholfen hat. Zweitens wird
oft gesagt, dass es ohne Caroline kein richtiges
Radio in Großbritannien gegeben hätte. Vielleicht
wäre es trotzdem so gekommen, wie es
heute ist. Aber Caroline und die anderen Piraten
beschleunigten diese Entwicklung.“
Im Vergleich zur österreichischen Radiogeschichte
wurde das kommerzielle Radio in
Großbritannien 1973 eingeführt. Simons
beschreibt: „Die ersten beiden Stationen wurden
in London gestartet. Zuerst gab es eine
Sprachstation namens LBC und kurz darauf die
zweite, Capital, eine Vollservice-Musikstation,
die auch viel Sprache beinhaltete. In dem Teil
Englands, in dem ich lebe, im Nordosten Englands,
bekamen wir 1975 lokales Radio. Meine
lokale Station hieß Radio Tees.“ Wie reagierte
die BBC auf diese Änderung der Rahmenbedingungen?
Simons zufolge bot die BBC in
ihrer Rolle als Monopolist Inhalte, von denen
die Radiomacher*innen dachten, dass die
Leute es hören wollen.
Die Radiopiraten gaben den Menschen
hingegen, was sie tatsächlich wollten. Für die
BBC war das folglich ein Lernprozess, da der
neue Act dramatische Änderungen mit sich
brachte. Conway schreibt Radio Caroline eine
nachhaltige Wirkung zu: „Die Revolution der
vielen lizenzierten Radiosender in den frühen
90ern wäre ohne die Piratenstationen vielleicht
erst fünf oder zehn Jahre später passiert.“
Wenngleich das Senden ab 1973 offiziell
erlaubt war, Radio Caroline blieb ohne Lizenz
und sendete weiter auf See. Dazu Conway:
„Dann kam das große Unglück, der Schiffbruch
1991. Ein heftiger Sturm mit Windstärke elf
aus Nordost ließ unsere Ankerkette reißen
und wir trieben auf eine Sandbank an der
britischen Küste. Das Schiff lag in einem
45-Grad-Winkel, und wir dachten, es würde
kentern. Wir mussten die Küstenwache rufen
und wurden per Hubschrauber gerettet. Das
war sehr beängstigend, weil wir nicht wussten,
ob das Schiff kentern würde, bevor wir gerettet
wurden. Ein Rettungsboot lief ebenfalls auf
Grund und konnte uns nicht helfen. Das war ein
dramatischer Morgen. Leider driftete das Schiff
in britische Gewässer, und als es geborgen
wurde, wurde es in den Hafen von Dover
gebracht. Das war das Ende für Caroline auf
See.“
Das Erbe von Radio Caroline
Trotz vieler Herausforderungen und der
zwischenzeitlichen Einstellung seiner Aktivitäten
blieb Radio Caroline einflussreich. Im
Jahr 2017 erhielt der Sender schließlich eine
offizielle Lizenz und sendet nun legal. Diese
Entwicklung zeigt nicht nur die Resilienz des
Senders, sondern auch die langfristige Anerkennung
seiner Bedeutung für die Medienlandschaft.
Simons betont: „Also, das Einzige,
was in meinen über 40 Jahren im Radio konstant
geblieben ist, ist der Wandel. Man muss mit
dem Wandel gehen. Man kann nicht stillstehen.
Man muss ständig vorwärts gehen. Und das ist
der Grund, warum wir Radio so sehr lieben.“
Peter ZAPFEL
Steve Conway / © privat
John Simons / ©privat
© Sophie Mantler
Rebellische Wellen
39
© Max Peternell
Selbst ist der Autor: Eine neue Ära des
Schreibens und Veröffentlichens
Der Weg, Bücher an die Öffentlichkeit zu bringen, hat sich in den letzten Jahren stark verändert.
Jenseits von Verlagsmodellen, schaffen viele ambitionierte Schriftsteller*innen Erfolg durch
Self-Publishing. Um die Demokratisierung der Publikationsprozesse und den modernen Buchmarkt
zu bewerten, trifft sich das SUMO-Magazin mit Hannes Steiner, Gründer von Story.One und mit den
Autorinnen Emily Bold und Nicole Richter, die unterschiedliche Wege, der Buchveröffentlichungen
beschritten haben.
Ein weiteres Kapitel ist fertig, 300 Seiten vollgepackt
mit Geschichten, Anekdoten, Metaphern und Charakteren,
die du allein in deinem Zimmer nach der Schule
geschrieben hast – um Gefühle und Gedanken zu sortieren.
Wenig später findet sich eine Plattform: „Cool,
mit nur 39 Euro das Buch online in 6.000 Buchhandlungen
veröffentlichen.“ Impulsiv wird auf Veröffentlichen
gedrückt. Du arbeitest lange daran, entwirfst ein Cover,
deine Freund*innen helfen dir. Nach der ISBN-Vergabe
stehen die ersten Exemplare wenig später vor der eigenen
Haustür. Durch eine Instagram-Story erreichst du
deine 200 Follower*innen, vierzig von denen schreiben
zurück, zwanzig von ihnen kaufen dein Buch. Das erste
Geld, das du durch dein eigenes Buch verdienst. Du
fühlst dich wie Jane Austen. Bis du siehst, dass du auf
Seite zwanzig die falsche Präposition benutzt hast und
schon etliche Gleichgesinnte ihre Bücher professioneller
und kreativer veröffentlichen. Braucht es mehr, um
Bestsellerautor*in zu werden?
Jenseits der Verlagswelt
Der größte deutsche Self-Publishing Anbieter Books
On Demand präsentiert in einer Umfrage aus 2023,
dass 49,1% der Deutschen davon träumen, ein eigenes
Buch zu schreiben. „Warum sollte sich nicht jeder
ein Stück vom Kuchen abschneiden können?“, denkt sich
Emily Bold. Die deutsche Autorin begann ihre Karriere
2011 über Self-Publishing, indem sie ihre ersten
Geschichten auf der Kindle Direct Publishing Plattform
veröffentlicht und somit als E-Book auf Amazon angeboten
hat. Seit ihrem Debüt mit dem selbstveröffentlichten
Buch Gefährliche Intrigen hat die Autorin
ganze Jugendbuchreihen verfasst. Ihre Werke wurden
in verschiedene Sprachen übersetzt und sogar als Hörbücher
adaptiert – angefangen hat es mit der eigenen
Idee und dem eigenen Handeln. Es entstanden über
die Zeit zusätzliche Self-Publishing Plattformen, die
Menschen denselben Traum erfüllen sollen, ihr eigenes
Buch zu veröffentlichen. Nachdem vergeblich an Verlagstüren
geklopft wird, entscheiden sich immer mehr
Menschen für alternative Formen ein Buch zu publizieren.
Bei Self-Publishing Plattformen liegt die absolute
Kontrolle des Buchlayouts, der Preisgestaltung, des
Inhalts sowie die Vermarktung bei den Autor*innen.
Dabei müssen sie wenig, bis gar keine Vorabkosten liefern,
da viele Plattformen einen Teil der Verkaufs- erlöse
als Gebühr behalten. Self-Publishing ist in der Form
jedoch keine neue Erfindung, die erst mit den Technologien
unserer Zeit ermöglicht wurde, sogar in den
Biografien von Friedrich Schiller wird erwähnt, dass er
damals schon sein Vermögen in die Veröffentlichung
seiner ersten Werke investiert hat. Heutzutage geht es
einfacher und kostengünstiger denn je, eigene Texte zu
veröffentlichen. Schnell kannst du in der U-Bahn noch
ein Gedicht auf Instagram hochladen oder einen Blogeintrag
vor dem Schlafengehen veröffentlichen. Trotz
des schnellen Postens in den Sozialen Medien, hat das
Veröffentlichen von traditionellen Büchern noch immer
einen bedeutenden Wert.
Story.One: Von der Geschichte zum Bestseller
„Bücher sind nicht vergänglich, sie haben etwas Ewiges.
Alle schreiben Bücher, wenn es wirklich wichtig ist“, sagt
Hannes Steiner und erwähnt, dass das Buch noch
immer als etwas Wahres und für Diktaturen sogar als
etwas Gefährliches angesehen wird. Hannes Steiner,
der ehemalige Gründer und Verleger von Ecowin, trifft
täglich auf die Magie die Bücher in sich tragen. Seiner
Meinung nach, sollten auch alle die Chance bekommen,
mit ihren Geschichten zu der Magie beizutragen. „Es
ist etwas total Frustrierendes, Menschen zu sagen, dass
sie etwas nicht machen sollen, auch wenn sie es großartig
machen.“ Daher verließ er die traditionelle Arbeit
im Verlagshaus und gründete die Plattform Story.One.
Während bei Verlagen viele Manuskripte abgelehnt
werden, soll hier jeder seine Möglichkeit haben sich
dem Schreiben zu widmen. Momentan sind schon fast
14.000 Bücher durch Story.One entstanden. Der Ansatz
der Plattform ist aber nicht genau derselbe wie der von
Self-Publishing, denn der Kreativität der Menschen wird
Selbst ist der Autor
41
Hannes Steiner / © privat
Emily Bold / © privat
Nicole Richter / © Simone Attisani
ein fixer Rahmen gegeben und die Seitenanzahl
sowie das Cover der Bücher sind von
der Plattform vorgegeben. Alle Aufgaben,
die sich nicht mit dem Herstellen des Inhalts
beschäftigen, werden von dieser neuen Verlagsform
übernommen. Im Rahmen eines
bestimmten Layouts, können Menschen
ohne Hürden Kurzgeschichten auf die Plattform
stellen. Dies geschieht barrierefrei,
kostenlos, ist für alle zugänglich – und auch
in gedruckter Form möglich. Mit Wettbewerben
wie dem Young Storyteller Award, der von
Thalia unterstützt wird und Buchchallenges
auf der Plattform, bekommen Autor*innen
Chancen, mit ihren Büchern eine große Leserschaft
zu erreichen. Manchmal reicht
auch ein TikTok, um die Aufmerksamkeit der
Massen zu erhalten. Hannes Steiner schildert,
wie ein davor unbekannter Teilnehmer
am Young Storyteller Award mit einem Social
Media Post über sein Buch plötzlich 200.000
Aufrufe erhielt.
Self-Publishing: Ein neues Kapitel in
der Buchbranche
Abgesehen von dem leichten Erreichen möglicher
Leser*innen, bietet Self-Publishing
viele andere Vorteile. Autorin Emily Bold
teilt mit, dass sie davon profitiert keine Abgabefristen
oder Vorgaben zu ihren Werken
zu haben. „Die Freiheit schreiben zu können,
was man möchte, ist unbezahlbar“, meint die
deutsche Schriftstellerin. Viele große Namen
finden ebenso Gefallen an dieser Veröffentlichungsform.
Stephen King, um nur einen zu
nennen, begann nach seiner schon erfolgreichen
Karriere seine Bücher in seinem eigenen
Verlagshaus zu publizieren. Denn Autor*innen
haben es nach ihrer schon langen
Karriere nicht mehr notwendig, mit Verlagen
zu verhandeln oder das Geld für ihre Werke
zu teilen. Zusätzlich liegt das Urheberrecht
ihrer Bücher somit voll und ganz bei ihnen.
Auch beginnende Autor*innen müssen nicht
auf das „Go“ der Großen warten, denn mit
Self-Publishing nimmt man es selbst in die
Hand. Hannes Steiner ist der Meinung, dass
man sich nicht auf das Auswahlverfahren
der Verlage verlassen muss. Viele träumen
davon entdeckt zu werden, aber es zeigt
sich, dass die großen Autor*innen es nicht
zufällig geschafft haben, sondern viel Arbeit
und anderes Können in ihre Karriere reingesteckt
haben. Während sich damit bei Verlagen
ein ganzes Team beschäftigt, verkörpert
all diese notwendigen Berufe, um einen
Bestseller zu erreichen, bei Self-Publishing
eine einzige Person. Die Vorstellung, dass
Self-Publishing durch das alleinige Arbeiten
amateurhaft und wertloser als Verlagswerke
sei, ist veraltet und entspricht nicht der
Wahrheit. Emily Bold hebt hervor, wie selbst
veröffentlichte Werke mit enormem Einsatz
und dem Anwenden der unterschiedlichen
Kompetenzen durchaus professionell erarbeitet
und in guter Qualität abliefert werden.
Viele Konsument*innen beklagen sich
darüber, dass Self-Publishing Produkte
nicht lektoriert sind und daher viele Fehler
aufweisen. Durch eine schlechte Erfahrung
mit einem Self-Publishing Buch lehnen viele
Leser*innen das Kaufen dieser Bücher
komplett ab. Für die Leserschaft bedarf es
daher einer qualitativen Prüfung der Orthografie
und der Grammatik, die oft von einer
einzelnen Person schwer erledigt werden
kann. Nicole Richter, die jahrelang im Styria
Verlag tätig war und selbst Autorin und
Bloggerin ist, berichtet, dass es sich, im Vergleich
mit Self-Publishing, bei einem Verlag,
um ein professionelles Netzwerk handelt,
das die Autor*innen bei allen Aspekten der
Buchpublikation unterstützt. Somit können
sich die Schriftsteller*innen auf die kreativen
Aspekte fokussieren.
Die Verlagsarbeit ist auch mit Kompromissen
über geschriebene Inhalte verbunden,
die jedoch mitunter häufig mit besseren Verkaufszahlen
belohnt werden. „Vom Lektorat
über die Grafik, Werbung bis zu dem Vertrieb“,
zählt die Autorin auf, „bei all diesen Bereichen
hat man einen professionellen Partner an der
Seite.“ Trotzdem betont Frau Richter, dass
beide Parteien arbeiten müssen und die
Schriftsteller*innen noch immer die große
Verantwortung tragen. Vor allem die Selbstvermarktung
wird für Autor*innen in allen
Verlagsmodellen selten abgegeben. Hannes
Steiner beobachtet, dass es derzeit kaum
erfolgreiche Autor*innen gibt, die nicht über
ein großes Netzwerk verfügen und dies auch
nutzen, um mit ihrer Leserschaft zu kommunizieren.
Für diese Kommunikation sind
42
Selbst ist der Autor
© Sophie Mantler
die Sozialen Medien ein wichtiges und oft eingesetztes
Werkzeug, wie man es schon an dem Hashtag BookTok
sieht. Dieses beliebte Hashtag auf TikTok hat über 200
Millionen Aufrufe.
Das Thema Buch bleibt somit auch im digitalen Bereich
ein wichtiges Medium. Für Self-Publisher, die sich
schon um alles andere kümmern müssen, ist es auch
eine Herausforderung, sich eine Reichweite aufzubauen.
Emily Bold blickt auf ihre Karriere zurück und
merkt selbst, dass Sichtbarkeit erlangen und diese
auch zu behalten mit viel Arbeit verbunden ist. „Man
kann sich nicht darauf verlassen, dass die Leser*innen
zurückkommen, denn digitales Lesen ist trotz allem auch
digitales Vergessen.“ Außerdem darf man sich wiederum
nicht auf die romantische Vorstellung verlassen,
dass ein Buch veröffentlicht wird und aus dem Nichts
Bekanntheit findet. Nicole Richter untermauert, dass
Autor*innen alle Möglichkeiten nutzen müssen, sei es
online auf Social-Media-Kanälen oder offline durch Lesungen,
um sich in der Branche sowie bei Leser*innen
einen Namen zu machen.
Viele Wege führen zum Buch
„Ich bin im Selbstverlag groß geworden und fand es immer
wunderschön, aber es war ein erhebendes Gefühl als mein
erstes Hardcover Jugendbuch tatsächlich dann im Buchladen
stand“, sagt Emily Bold und hebt zusätzlich hervor,
dass ein Verlagsmodell das andere nicht ausschließt.
Signieraktionen von Buchläden geschehen einem im
Self-Publishing wohl kaum, dennoch wird eine kreative
Freiheit und schnelle Realisierung der Bücher geboten,
die im Verlagswesen nicht möglich ist. Emily Bold ist
froh, dass sie beides machen kann und als Autorin somit
etliche Möglichkeiten hat, ihre Geschichten zu erzählen.
„In der Literatur gibt es auch so etwas wie Fast Food, das
auf einem E-Book Reader für 3,99 € perfekt wegkonsumiert
werden kann.“ Die Deutsche meint, dass dafür kein
Verlag nötig sei, der diesen Preis gar nicht halten kann.
Als Autor*in kann man daher auf alle Veröffentlichungsoptionen
zurückgreifen. Hannes Steiner bringt es auf
den Punkt, indem er sagt: „Ein anderes Wort für Autor*innen
heutzutage ist das Wort Content Creator und da ist es
egal, ob ich ein Video mache, einen Text schreibe oder wie
ich etwas publiziere. Es geht um die Geschichten“.
Die Vielfalt zum Erfolg
Wie wird man nun ein*e Bestsellerautor*in? Self-
Publishing bietet jedem*jeder Autor*in die Möglichkeit,
den eigenen Erfolg individuell zu definieren und zu
verfolgen. Für manche mag der Traum darin bestehen,
ihr Werk im Buchladen zu sehen und damit eine gewisse
Berühmtheit zu erlangen. Für andere ist allein der
Abschluss ihres Buchprojekts bereits ein Triumph. Diese
Vielfalt in den Zielen und Definitionen des Erfolgs zeigt,
dass Self-Publishing eine facettenreiche Landschaft
ist, in der jeder seinen Platz finden kann. In dieser
Dynamik des Self-Publishings spiegelt sich der Wandel
in der Buchbranche wider. Die traditionellen Barrieren
sind gesunken und die Vielfalt in den Bücherregalen
hat zugenommen. Es ist ein Modell, das nicht nur
den Zugang zur Veröffentlichung erleichtert, sondern
auch die kreative Freiheit fördert und die Grenzen der
Literatur erweitert.
Sophie MANTLER
Selbst ist der Autor
43
Community Medien: Die Stimme des Volkes
Meinungsbildung, Orientierung, Unterhaltung. Medien spielen eine wichtige Rolle in der Gesellschaft
und gelten als Basis für öffentliche Kommunikation. Die Relevanz des nichtkommerziellen
Rundfunksektors bleibt allerdings oftmals unbeachtet. Um zu ergründen, was diesen Mediensektor
besonders macht, hat SUMO mit den Geschäftsführern von COMMIT und OKTO, Helmut Peissl und
Christian Jungwirth, gesprochen.
Offiziell wird das Rundfunksystem in Österreich als dual
bezeichnet und in den öffentlich-rechtlichen sowie den
privaten Sektor aufgeteilt. Bei genauerer Betrachtung
kann auch der private Mediensektor wiederum in zwei
Teile gespalten werden. Dadurch entstehen zum einen
der kommerzielle und zum anderen der nichtkommerzielle
Rundfunksektor. In gewisser Weise handelt
es sich somit um ein triales System.
Die Besonderheiten von Community Medien
Der nichtkommerzielle Rundfunk unterscheidet
sich in vielen Punkten deutlich von den anderen
beiden Medienbereichen. Das lässt sich vor allem
am Erlösmodell erkennen. Für Community Medien
gilt die für nichtkommerzielle Medien verpflichtende
Werbefreiheit. Die rechtliche Grundlage für Community
Medien bildet die Charta der freien Medien in der
auch die ethischen Rahmenbedingungen geregelt
sind. Der Geschäftsführer des Community Medien
Instituts für Weiterbildung, Forschung und Beratung,
Helmut Peissl, betont, dass bei nichtkommerziellen
Medien das Interesse für die absolute Maximierung
der Seher*innen- und Hörer*innenzahl wegfällt. Das
unterscheidet sie von den öffentlich-rechtlichen
und privatkommerziellen Sendern. Zudem weist
Christian Jungwirth, der Geschäftsführer des
Community TV-Senders OKTO, darauf hin, dass
nichtkommerzielle Medien in erster Linie der
Zivilgesellschaft dienen und eine ergänzende Funktion
zu den Medien des dualen Rundfunksektors erfüllen.
Eine weitere Besonderheit von Community Medien
ist der partizipative Charakter, der sich bei kaum
einem anderen Medium in dieser Form wiederfindet.
Freie Radios und Community TV-Sender bieten den
Bürger*innen einen offenen Zugang zu medialer
Infrastruktur und ermöglichen es ihnen, ihre Meinungen,
Ansichten und Erfahrungen mit der Öffentlichkeit zu
teilen. Laut Peissl ist dieser Aspekt besonders für die
Meinungsvielfalt in einer demokratischen Gesellschaft
förderlich, da sowohl die Themen- als auch die
Angebotsvielfalt gesteigert werden. Zudem muss man
sich in diesem Kontext die Frage stellen, wer überhaupt
zur Sprache kommt, da die mediale Darstellung immer
mit dem Hintergrund des Mediums oder der Meinung
der Produzent*innen zusammenhängt. In Community
Medien kommen insbesondere jene Personen zu Wort,
die von bestimmten Situationen direkt betroffen sind
und über die in den kommerziell orientierten Medien
vorwiegend aus zweiter Hand berichtet wird. Dabei
haben beispielsweise obdachlose Menschen die
Gelegenheit, selbst Inhalte zu produzieren, um ihre
persönliche Perspektive beizusteuern. Zudem hält
Peissl fest: „Durch diese Logik der Nicht-Kommerzialität
und des offenen Zugangs stellen sich fast automatisch
Themen ein, die eben ergänzend sind zu den großen anderen
Medien.“ Diesen Aspekt greift auch Jungwirth auf, indem
er auf den hohen Migrationsanteil in der Bevölkerung
Wiens hinweist. In anderen Mediensektoren werden
die Bedürfnisse dieser Communities nur unzureichend
bedient. Im nichtkommerziellen Rundfunk achtet man,
so Jungwirth, deshalb gezielt darauf: „Was gibt es in
den Bereichen der Programmlandschaft der öffentlichrechtlichen
und privatkommerziellen nicht, auch bezüglich
entsprechender Zielgruppen dahinter.“ Somit ist OKTO bei
sozialen Randgruppen besonders reichweitenstark,
da es so gut wie keine Konkurrenz aus anderen
Mediensektoren gibt.
Community Medien vs. Soziale Medien
Eine Assoziation, die häufig entsteht, wenn von Partizipation
und Interaktion die Rede ist, ist das Internet und
in weiterer Folge die Sozialen Medien. Ähnlich wie in
den nichtkommerziellen Medien werden auch in diesem
Bereich die Rezipient*innen zu den Produzent*innen.
Aber werden Community Medien dadurch nicht überflüssig?
Um diese Frage zu beantworten, weist Peissl
besonders auf die wirtschaftlichen Unterschiede der
beiden Medienfelder hin. Bei Social Media Plattformen
handelt es sich vorrangig um kommerzielle Unternehmen,
die Inhalte als Mittel zum Zweck verwenden, um
Reichweite für Werbekund*innen zu generieren. Zudem
kommunizieren die Menschen hauptsächlich als Individuen
und der soziale Rahmen, wie er bei Community
Medien vorhanden ist, fehlt. Das wirkt sich auch auf
das Verständnis der ethischen und rechtlichen Regelungen
aus und wie diese im Unternehmen gelebt wer-
44
Community Medien
den. Bedrohung für den nichtkommerziellen
Rundfunk sieht Peissl die Sozialen Medien
deshalb nicht. Man hat zwar zeitweise über
die Unterschiede zwischen Community Medien
und Sozialen Medien aufklären müssen,
aber mittlerweile ist die Abgrenzung deutlicher.
Zudem werden die Sozialen Medien
auch von nichtkommerziellen Medienunternehmen,
wie beispielsweise dem Community
TV-Sender OKTO, verwendet, um Inhalte
zu verbreiten. Diesbezüglich spricht Christian
Jungwirth den möglichen Konflikt an, der
entstehen kann, wenn ein nichtkommerzielles
Medium Inhalte auf einer kommerziell
orientierten Plattform publiziert. Auf der einen
Seite würden stark ideologiegetriebene
Community Medien dieses Konzept mit der
Begründung des „bösen Kapitals“, das im
Hintergrund stehe, ablehnen. Auf der anderen
Seite hat man jedoch erkannt, dass die
eigenen Möglichkeiten ohne diese Verbreitungsoptionen
deutlich eingeschränkt sind.
Besonders eine jüngere Zielgruppe kann
über soziale Netzwerke erreichbar gemacht
werden.
Jungwirth selbst vertritt allerdings die dritte
Strategie. Er rät, sich in „die Höhle des
Löwen“, also in die sozialen Medien, zu begeben,
um Talente, Trends und Entwicklungen
zu erkennen und die Plattformen auf
eine professionelle und angemessene Weise
zu nutzen. Als Beispiel führt er den Faktencheck-Kanal
Bait an, der in Kooperation mit
OKTO steht. Die Media Literacy Organisation
konzentriert sich auf das Aufdecken von Fake
News, sowie die Durchführung von journalistischen
Faktenchecks. Ihre Besonderheit ist,
dass sie ihre Inhalte über die Hochburg der
Fake News veröffentlicht: TikTok. Jungwirth
meint dazu: „Und das sind die Sachen, wo ich
schon immer überzeugt war, man muss den
Stier bei den Hörnern packen, man muss dorthin,
wo das Problem besteht.“
Die Bedeutung für die Gesellschaft
Nichtkommerzielle Medien sind also anders.
Anders als der öffentlich-rechtliche Rundfunk.
Anders als die kommerziellen Sender.
Anders als die sozialen Medien. Aber was
macht sie eigentlich wichtig? Warum sind
sie für die Öffentlichkeit und die Demokra-
tie relevant, ja vielleicht sogar unabdingbar?
Zum einen lässt sich der Vorteil der Praxiserfahrung
nicht abstreiten. Helmut Peissl
beschreibt es mit den Worten: „Wir haben
vor acht Jahren die Chance gehabt hier einmal
eine kleine Studie zu machen. Es war höchst
spannend zu sehen, dass sich die Leute hier
eine breite Palette von Kompetenzen aneignen.
All das, ohne mit dem Vorsatz, etwas zu lernen
in diese Tätigkeit hineinzugehen. Man lernt
es beim Tun.“ Die Menschen erhalten nicht
nur die Möglichkeit, Inhalte für ein breites
Publikum zu kreieren, sondern sie erlernen
im Zuge ihrer Arbeit auch die notwendigen
Kompetenzen für die Medienproduktion.
Ergänzend zur Kompetenz bei der Medienproduktion
spricht Jungwirth auch die Medienkompetenz
an. Genauer gesagt die Vermittlung
von Medienkompetenz. Man muss
bei den Menschen ein Bewusstsein für Fake
News und gestellte Inhalte schaffen, sodass
sie diese auch erkennen können. Laut Jungwirth,
besteht durchaus ein starkes Interesse
an Angeboten und Workshops, die sich
damit beschäftigen. Peissl spricht zudem die
Wichtigkeit von kollegialem Feedback und
einer funktionierenden Fehlerkultur an. Und
nichtkommerzielle Sender stellen das perfekte
Umfeld dar, um Fähigkeiten auszuprobieren
und Ideen zu verwirklichen.
Doch den größten Vorteil sieht Peissl in der
sozialen Komponente. Die Covid-19 Pandemie
hat gezeigt, dass Community Sender ein
physischer Ort der Zusammenkunft und des
Austauschs sind, welche nicht durch virtuelle
Räume ersetzt werden können. Peissl betont
hierbei: „Wir sind soziale Wesen und wir
sind auch analoge Wesen. Also die Idee, dass
sich alles digitalisieren lässt, sehe ich sehr skeptisch.“
Melanie NEBENFÜHR
Helmut Peissl / © Peissl
Christian Jungwirth / © Sebastian Philipp
© Max Peternell
Community Medien
45
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Proud to be an inclusive place to work.
Graffiti als Form der Kommunikation
Im Auftrag von SUMO habe ich mich mit einem faszinierenden, weltweit präsenten, reichweitenstarken
Medium befasst. Die Rede ist von Graffiti. Ich habe mich dafür mit Tommy (Name von der
Redaktion geändert), einem jungen Wiener Graffitikünstler, unterhalten. In der Recherche stößt
man ziemlich schnell auf das Thema von legalen Wänden in Wien. Aus diesem Grund habe ich mit
Donat Klingesberger, dem Geschäftsführer des Wiener Bildungsservers und Zuständigen für das Projekt
Wienerwand, gesprochen.
U4 Schottenring, Ausgang Promenadenweg. Die Graffitis
am Donaukanal stechen mir erst seit ein paar
Wochen deutlich ins Auge. Davor waren sie einfach ein
Teil des Stadtbilds, deren Existenz mir vermutlich erst
bewusst aufgefallen wäre, wenn sie auf einmal von
den Wänden verschwunden wären. Seitdem ich mich
mit diesem Thema befasse, fallen mir die bunten Signaturen
und Motive in der Stadt viel häufiger und auch
bewusster auf. Ich glaube am besten lässt es sich mit
einem weißen Golf vergleichen, den man sich gerne zulegen
würde und auf einmal, wie aus dem Nichts, ist die
ganze Stadt voller weißer kleiner VWs.
Zwischen den Tauben Wiens
Zurück zum Donaukanal. Beim ersten Schritt in die
Nachmittagssonne sehe ich sofort die bunten Mauern.
Namen, Statements, Bilder und Figuren, die in ihrer
Vielfalt die sonst graue Wand füllen. Eine Vielzahl von
Graffitis wird hier, im Unwissen der Allgemeinheit, illegal
angebracht. Woran erkennt man das? Anhand von
zwei Reliefplatten in Form von Tauben, den sogenannten
Wiener Tauben, dem Zeichen des Projekts Wienerwand.
Einem durch die Stadt Wien geförderten und
vom Wiener Bildungsserver betreuten Projekt, welches
Sprayer*innen das legale Sprühen in Wien erlaubt.
Die Wiener Tauben schauen einander an und genau
zwischen den beiden Wiener Tauben ist das Sprühen für
alle legal gestattet. Die erste und dadurch auch bekannteste
legale Wand in Wien, auch laut meinen beiden
Interviewpartnern, liegt vor dem Wiener Club Flex. Eine
von drei legalen Wänden am Donaukanal und eine von
24 in ganz Wien. Reichlich Fläche, um sich legal auszutoben
und seinem Hobby nachzugehen meint Tommy.
Allerdings würden viele dieser Wände aufgrund von
Löchern nur wenig taugen. Donat Klingesberger meint
dazu, dass diese Wände im Bereich der öffentlichen
Hand sind und explizit für Graffiti freigegeben werden.
Das Projekt Wienerwand bekommt lediglich die Freigabe
die Mauer für Sprayer*innen zur Verfügung stellen
zu können. Bauarbeiten oder Renovationen sind
da nicht enthalten, dürfen also nicht gemacht werden.
Teils seien die Wände in besserer Kondition, teils in
nicht optimaler für das Sprühen. Dafür würde daran
gearbeitet, immer mehr Wände für das legale Besprühen
freizugeben.
Hinter dem Rücken der Tauben
Wenn der Großteil des Donaukanals illegal besprüht
wird, stellt sich natürlich die Frage der drohenden
Konsequenzen. Tommy hat am Donaukanal
bereits Erfahrungen mit der Polizei gemacht. Mit
lediglich 13 Jahren und damit nicht strafmündig,
© Max Peternell
Tommy/ © Max Peternell
Donat Klingesberger/ © privat
wurde er beim Sprayen von mehreren
Polizist*innen umkreist und anschließend
im Mannschaftsbus mitgenommen.
„Völlig überzogen“, so sein Kommentar
heute. Wird man erwischt, hängen
die Konsequenzen zumeist von den
Polizist*innen ab. Vom ignoriert werden bis
zur Anzeige kann alles vorkommen. Bis auf
den Donaukanal hat Tommy noch nie illegal
gesprüht, aber der sei eine Grauzone. Er
kennt allerdings Leute, die dies regelmäßig
tun. Wände ansprühen okay, aber wie kann
man sich diesen Prozess im Fall öffentlicher
Verkehrsmittel vorstellen? Auf die Frage,
warum das Ansprühen von Zügen so beliebt
und einfach ist, antwortet er: „Ich weiß, dass die
ÖBB, was Sicherheit angeht, nachhinkt. Daran
könnte das liegen.“ Die hohen Geldstrafen und
teilweise sogar Freiheitsstrafen scheinen
aber abzuschrecken. Diese belaufen sich
bei ersten Delikten bereits auf bis zu 360
Tagessätze und können sogar zu sechs
Monaten Haft führen.
Die Schadenssumme ist laut ÖBB mit 3,1
Millionen Euro im Jahr 2023 im Vergleich
zum Vorjahr, mit 3,2 Millionen Euro, ziemlich
gleichgeblieben. Die Zahl der Delikte ist
sogar zurückgegangen, allerdings werden
die Graffitis immer größer. Auf Anfrage an
die Wiener Linien und ÖBB schreiben letztere:
„Sprayer*innen verschaffen sich illegal Zutritt zu
den Bahnanlagen, indem Hinweisschilder missachtet
und/oder Zäune überwunden werden.“
Beide Betriebe setzen „auf eine enge Kooperation
mit der Polizei und Behörden, geschultes
Sicherheitspersonal und Aufmerksamkeit und
Wachsamkeit der Mitarbeiter*innen.“ Die ÖBB
achtet „außerdem auf bauliche Maßnahmen,
wie z.B. Zäune.“ Die Wiener Linien „setzen auf
strategisch geplante Kontrollgänge“, um das illegale
Ansprühen von öffentlichen Verkehrsmitteln
zu vermeiden.
Die Frage des Vandalismus
Verschönerung eines Stadtbildes handeln,
oder? Ganz so einfach ist dieses Thema leider
nicht zu beantworten. Die Feindseligkeit
gegenüber den Wandbildern lässt sich, laut
einer Studie vom Kuratorium für Verkehrssicherheit
aus dem Jahr 2021, welche sich
mit Graffiti in der medialen Debatte und öffentlichen
Wahrnehmung beschäftigt, vor
allem auf die großteils negative Berichterstattung
aus den Medien zurückführen.
Wenn es um Graffiti geht, wird es laut dieser
Studie meist mit Kriminalität in Verbindung
gebracht und befragt werden Betroffene wie
die ÖBB oder deren Anwälte.
Nur selten kommen Graffiti-Künstler*innen
selbst zu Wort. Über Kunst oder das Potential
den urbanen Raum zu verschönern wird
weniger gesprochen. Das Problem ist, dass
sehr viele zufällige Schriftzüge von Personen
an Wände geschmiert werden, die
nichts mit der Graffiti-Szene oder der Kunst
der Streetart zu tun haben. Diese wollen lediglich,
ohne künstlerische Ambitionen, ihre
Nachricht oder ihren Namen in die Öffentlichkeit
bringen. Wenn man diese Schmierereien
aus dem Begriff Graffiti weglässt, wäre
die Debatte, ob Graffiti nun Vandalismus ist
oder nicht, mit Sicherheit eine andere. In einem
Artikel der Webseite Vans.de wurde der
Diskussion ein wichtiget Punkt hinzugefügt:
Man soll „Ich mag es nicht“ nicht mit „Es ist
Vandalismus“ verwechseln.“
Max PETERNELL
Eine Frage, die genauso alt ist wie die heutige
Form des Graffitis selbst, ist jene des
Vandalismus. Wenn man den bunten, hippen
Donaukanal in seiner jetzigen Form mit
den grauen, leeren, fast schon tristen Bildern
aus den 1980ern vergleicht, kann es sich
dabei doch eigentlich nur um Kunst, um die
48
Graffiti als Form der Kommunikation
© Max Peternell
Vom Ton zum Trend: Warum Musiker*innen
heute auch Influencer*innen sein müssen
Dank Social Media haben junge Musiker*innen neue Wege gefunden, sich und ihre Musik zu
präsentieren und eine Karriere zu starten. Dabei werden je nach Plattform unterschiedliche
Öffentlichkeiten bedient. Doch kein Benefit ohne Kehrseite. Denn ist es heutzutage überhaupt noch
möglich, als Musiker*in erfolgreich zu sein, ohne eine Präsenz in den Sozialen Medien zu zeigen?
Und welche Auswirkungen hat dieses Musikmarketing auf uns als Rezipient*innen und die Beziehung
zu unseren Stars? SUMO holte die Meinungen von Luke Andrews und KØLEEN, zwei begabten
Musiker*innen sowie Niklas Gusenbauer, Senior Business Development Manager bei Global
Rockstar, zu diesen Fragen ein.
Der Einzug von Social Media in die Welt der Musik hat
die Branche in vielerlei Hinsicht revolutioniert. Noch nie
zuvor hatten Musiker*innen einen so direkten Zugang
zu einem globalen Publikum und die Möglichkeit, ihre
Kunst unmittelbar und ohne Zwischenhändler*innen
zu präsentieren. Plattformen wie Facebook, Instagram,
TikTok und X, ehemals Twitter, haben es Künstler*innen
ermöglicht, sich nicht nur als Musiker*innen, sondern
auch als Persönlichkeiten zu präsentieren und eine enge
Bindung zu ihren Fans aufzubauen. Die Entwicklung
von Social Media hat auch die Definition von Erfolg in der
Musikbranche verändert. Früher wurde dieser anhand
von Plattenverkäufen, Chartplatzierungen und Radio-
Airplays gemessen. Heute spielen diese traditionellen
Maßstäbe eine geringere Rolle. Künstler*innen werden
zunehmend nach anderen Kennzahlen wie Follower-
Zahlen, Interaktionsraten und Viralität beurteilt. Aus
passiven Rezipient*innen sind aktive Teilnehmer*innen
geworden. Sie beeinflussen mit ihren Reaktionen auf
die Musik andere Öffentlichkeiten und somit auch den
Erfolg von Musiker*innen.
Die Präsenz auf Social Media kann nun den Unterschied
zwischen Erfolg und Misserfolg ausmachen, denn eine
treue und engagierte Fangemeinde spielt seit jeher
eine wichtige Rolle. Doch Social Media hat die Art und
Weise verändert, wie Musiker*innen mit ihren Fans
interagieren. Früher waren Stars oft unerreichbare
Idole, deren Leben und Arbeit den Fans größtenteils
verborgen blieb. Heute ermöglichen Plattformen wie
Instagram, Facebook und TikTok den Künstler*innen, sich
auf eine persönlichere und authentischere Weise zu
präsentieren. Diese direkte Interaktion hat nicht nur die
Bindung zwischen Künstler*innen und Fans gestärkt,
sondern auch neue Möglichkeiten für Marketing
und Promotion geschaffen. Diese Ansichten werden
von der Musikerin KØLEEN und dem Künstler Luke
Andrews bestätigt, die beide die Bedeutung von Social
Media für den Aufbau einer engagierten Fangemeinde
betonen. Auch Niklas Gusenbauer von Global Rockstar
hebt hervor, wie wichtig diese Plattformen geworden
sind, um authentische Verbindungen zu den Fans zu
schaffen und dadurch den Erfolg zu fördern.
Vom Ton zum Trend
49
k
eNicole Frisch "KØLEEN" / © Vesley Mar
Luke Andrews / © mrks media
Niklas Gusenbauer / © privat
Fluch oder Segen – Social Media und
ihre Algorithmen
Bei der Musikerin KØLEEN verschmelzen die
Welten von Natur und Musik. Als Försterin
und Singer-Songwriterin integriert sie ihre
Liebe zur Natur nicht nur in ihre Musik, sondern
auch in ihr Branding auf Social Media.
Seit knappen vier Jahren ist sie aktiv in der
Musikbranche tätig und hat bereits Erfolge
wie Auftritte beim Donauinselfest und
Radio-Airplays verbuchen können. Auch
KØLEEN bemerkt den Einfluss von Social
Media: „Während man früher vielleicht der
größte Durchstarter der Top Drei aus Talentshows
wie „Starmania“ war, sind diese Stars
heute ohne eine konstante Social-Media-Präsenz
kaum noch relevant.“
Social Media fungiert für Musiker*innen als
Visitenkarte und Aushängeschild. Auf TikTok
wird viralen Trends nachgegangen, die auch
auf den Erfolg auf anderen Plattformen Einfluss
nehmen können. KØLEEN betont jedoch
auch die Herausforderungen, die der
Algorithmus von Plattformen wie TikTok
oder Instagram mit sich bringt. Immer wiederkehrende
Änderungen im Algorithmus
beeinflussen die Reichweite von Inhalten,
was Musiker*innen dazu zwingt, ihren Content-Plan
kontinuierlich anzupassen. „Aktuell
bin ich beim Erreichen von neuen Leuten ein
bisschen planlos. Der Trend geht nämlich in die
Richtung, dass man in Zukunft für Reichweite
zahlen muss.“ Der Algorithmus pusht Beiträge,
insbesondere solche, die Song Releases
bewerben, mittlerweile nicht mehr so stark.
Reichweite wird künftig kosten. Trotz dieser
Herausforderungen betont KØLEEN die
Wichtigkeit der direkten Interaktion mit den
Fans.
Luke Andrews von der Luke Andrews Band ist
seit 2018 in der Branche tätig und stimmt den
Herausforderungen, die KØLEEN beschreibt,
zu. Er ergänzt: „Es ist entscheidend, dass wir als
Künstler*innen die Authentizität nicht verlieren
und uns nicht nur auf die Zahlen konzentrieren.
Musik sollte immer im Vordergrund stehen und
nicht die Jagd nach Likes und Follower*innen.“
Er sieht Social Media als ein Werkzeug, das
zwar eine unvergleichliche Plattform bietet,
um ein breites Publikum zu erreichen, jedoch
auch einen Druck erzeugt, der die kreative
Freiheit einschränken kann. Die ständige
Konzentration auf Algorithmen kann von der
eigentlichen Kunst ablenken.
Die „Musiker-Influencer-Balance“:
Ein schmaler Grat
Sie sind also nicht nur Musiker*innen und
Künstler*innen, sondern auch Content Creator*innen.
Luke Andrews beschreibt eine zunehmende
Verschmelzung von Musiker*in
und Influencer*in. Während Social Media die
Chance und den großen Vorteil bietet, global
bekannt zu werden, ist es gar nicht so einfach
bei der Vermarktung auf allen Plattformen
mitzuhalten. Die Diskussion darüber,
wie viel Zeit und Energie in die Bespielung
der Social-Media-Kanäle investiert werden
sollte, ist in der Community allgegenwärtig.
Denn jede Plattform hat ihre eigenen Anforderungen
und Möglichkeiten.
So braucht es auf Instagram und Facebook
kürzere Videos, die schnell die Aufmerksamkeit
der Nutzer*innen fesseln, während auf
YouTube längere Inhalte möglich sind, die eine
tiefere Auseinandersetzung mit dem Thema
ermöglichen. TikTok wiederum setzt auf sehr
kurze, virale Inhalte, die oft spontaner Natur
sind und sich schnell verbreiten lassen. Diese
Unterschiede in der Content-Gestaltung
sind entscheidend, um verschiedene Altersgruppen
anzusprechen. Facebook erreicht ein
breiteres und oft älteres Publikum, das vielleicht
detailliertere und informationsreichere
Inhalte bevorzugt. TikTok, sowie Instagram
hingegen haben eine jüngere Nutzer*innen-Basis,
die schnelle und unterhaltsame
Inhalte wertschätzt. Die JIM-Studie aus dem
Jahr 2021 bestätigt: Bei TikTok wachsen die
Nutzer*innen-Zahlen der unter 20-Jährigen
am schnellsten. Diese Plattform ist besonders
nützlich, um virale Musikstücke zu
fördern und eine jüngere Zuhörerschaft zu
erreichen, die möglicherweise schneller auf
neue Trends anspringt.
Es ist also eine Herausforderung, die
verschiedenen Öffentlichkeiten durch die
verschiedensten Plattformen mit unterschiedlichem
Content zu bedienen, insbesondere
ohne Contentplan oder Manage-
50
Vom Ton zum Trend
ment, das dabei hilft. In der Luke Andrews Band gilt es
nicht nur den Account der Band zu bespielen, zusätzlich
hat jedes Mitglied seinen eigenen Kanal, was den Zeitaufwand
noch einmal erhöhe. Auch darf die Authentizität
der Künstler*innen dabei nicht verloren gehen,
was die Übertragung dieser Aufgaben an Dritte kaum
möglich macht. Die Grenze zwischen authentischem
Musikschaffen und der Notwendigkeit, als Influencer*in
aktiv zu sein, verschwimmt zunehmend. Hinzu
kommt: „Wir tun uns gerade irrsinnig schwer damit, Leute
auf Konzerte zu bringen. Ich denke, dass das auch mit
der Nutzung von Social Media zu tun hat“, reflektiert Luke
Andrews die aktuellen Herausforderungen.
Mitten im Leben der Musiker*innen:
Die Fans
Auswirkungen auf Fans und
Rezipient*innen
Das richtige Maß gilt es nicht nur zwischen Content
Creation und Musikproduktion, sondern auch für die
Quantität und Qualität der Inhalte zu finden. Wenn
Fans das Gefühl haben, dass die Darstellung ihrer Stars
zu inszeniert oder unnatürlich ist, kann die Präsenz auf
Social Media zu Entfremdung führen. Darüber hinaus
können ständig neue Inhalte auch eine Überlastung für
Fans und Rezipient*innen darstellen. In Summe ist die
Beziehung zwischen Künstler*innen und ihren Fans in
der heutigen Zeit sehr kompliziert und herausfordernd.
Aber das waren Beziehungen wohl schon immer.
Carla MEDLITSCH
Die digitale Revolution hat auch die Beziehung
zwischen Musiker*innen und ihren Fans grundlegend
verändert. Das sieht auch Niklas Gusenbauer,
Senior Business Development Manager bei Global
Rockstar. Früher bezogen Fans Informationen über
Künstler*innen hauptsächlich aus Printmagazinen und
Fernsehauftritten, doch heute bieten Plattformen wie
Facebook, Instagram und insbesondere TikTok einen
täglichen Einblick in das Leben und die Arbeit ihrer
Lieblingskünstler*innen. Niklas Gusenbauer betont die
Relevanz von TikTok, da Künstler*innen dort über Nacht
viral gehen können und so eine Karriere aus dem nichts
erschaffen. Erfolgsbeispiele dazu sind Lil Nas X und
Justin Bieber. Durch Live-Streams und Frage-Antwort-
Sessions können Musiker*innen ihre Zuhörer*innen
stärker einbinden und die Bindung vertiefen. „Man fühlt
sich mittlerweile so nah an ihnen, dass man denkt, eine
enge persönliche Freundschaft zu haben“, so Gusenbauer.
Fans entwickeln oft starke emotionale Bindungen zu
Künstler*innen, was sowohl positive als auch negative
Auswirkungen haben kann.
Eine persönliche Bindung und ein tiefes Verständnis
für die Kunst und Persönlichkeit der Musikschaffenden
einerseits, stehen andererseits unrealistischen
Erwartungen an die Verfügbarkeit der Künstler*innen
gegenüber. Das kann, so Gusenbauer, auch zu
Belastungen wie Stalking und negativem Feedback
führen. Trotz allem: „Die Zukunft von Social Media in der
Musikbranche ist vielversprechend. Solange Musiker*innen
auf Authentizität, Kontinuität und Einzigartigkeit setzen.“
Luke Andrews und KØLEEN teilen diese Einschätzung
und ergänzen, dass die ständige Verfügbarkeit und
die Möglichkeit, direkt auf Fans zu reagieren, sowohl
eine Bereicherung als auch eine Belastung darstellen
können.
© Sophie Mantler
Vom Ton zum Trend
51
© Sophie Mantler
AAAlbtraum: große Videospiele, fehlende
Qualität
Viele Videospiele großer Entwicklerstudios erscheinen oft unfertig oder lassen Spielinhalte wie
eine gut ausgebaute Open-World vermissen, wodurch es zu einem Aufschrei innerhalb der Gaming-
Szene kommt. SUMO sprach zu dieser Thematik mit Thomas Kunze, Gründer des Games Institute
Austria, sowie Martin Filipp, COO und Managing Director des österreichischen Entwicklerstudios
Mipumi Games.
Ein*e Kritiker*in auf der englischsprachigen Bewertungsplattform
Metacritic, schrieb zum Videospiel Skull
& Bones von Ubisoft: „Skull & Bones ist das Begleitprodukt
eines turbulenten Entwicklungsprozesses, ein Spiel, dem
jede Vision fehlt.“ Weitere Nutzer*innen der Plattform
beschweren sich über ein unfertiges, anspruchsloses
und langweiliges Spielerlebnis. Der „Metascore“ von
Kritiker*innen liegt hierbei bei 59 von 100. Der „User
Score“ nur bei 3,4 von 10 Punkten. Skull & Bones ist ein
Beispiel für den Qualitätsrückgang von Videospielen
großer Entwicklerstudios und den damit verbundenen
negativen Meinungen aus der Öffentlichkeit der Gaming-Szene.
Triple A Spiele erklärt
Diese Videospiele großer Entwicklerstudios werden
meist als „Triple A Games“ bezeichnet. Da dieser Begriff
aber auch in der Gaming-Branche inoffizieller Natur
ist, folgt eine kurze Erklärung. Als Triple A Spiele
werden nach einer Definition der Unterhaltungssoftware
Selbstkontrolle – kurz USK, die in Deutschland für die
Altersfreigabe von Videospielen und Videospieltrailern
verantwortlich ist, die „Blockbuster“ unter den Videospielen
bezeichnet. Also Spiele mit großen Entwicklungsbudgets,
riesigen Produktionsteams und hohen
Ansprüchen an den Erfolg des Spiels am Videospielmarkt.
Laut Thomas Kunze stamme der Begriff ursprünglich
aus der Kreditindustrie, wo AAA-Anleihen,
die sichersten Anlagenmöglichkeiten boten und somit
die besten Chancen hatten, ihre finanziellen Ziele zu
erreichen. Ein Spiel müsse demnach teuer genug sein
in der Produktion, was für den/die Spielende*n meist
für Spiele von großen Publishern und Entwicklerstudios
stehen würde. Allerdings handle es sich heutzutage
auch um börsennotierte Unternehmen, also um
Unternehmen, die auf den Shareholder-Value achten
müssen. Also darauf, dass am Ende ein Plus in der Kalkulation
dasteht, so Kunze weiter. Dies führt dann auch
immer wieder zu problematischen Releases, wenn ein
Spiel etwa zu früh veröffentlicht wird, damit es noch
Teil des aktuellen Budgets ist. Allerdings sei dies nicht
nur ein Problem von großen Entwicklerstudios, so
Kunze. Ähnlich sieht es auch Martin Filipp. Der COO
und Managing Director von Mipumi Games bezeichnet
Triple A Spiele als Produkte mit einem besonders hohen
Produktionswert, die mit einem verstärkten Qualitätsanspruch
auf Tiefe, Emotion und Transport dieser
Elemente auf den/die Spieler*in einhergehe.
Die Akte Skull & Bones genauer erklärt
Das bereits erwähnte Skull & Bones, das vom
Entwicklerstudio Ubisoft Singapur – welches aus über
350 Mitarbeiter*innen besteht - entwickelt wurde, steht
bezeichnend für den aktuellen Stand von Triple A Spielen
in der Gaming-Szene. Das Spiel, dessen Handlung sich
um Seefahrt und Piraterie im späten 17. Jahrhundert
in Ostafrika und Südostasien dreht, erntete zahlreiche
negative Kritiken auf einschlägigen Plattformen. Das
deutsche Videospielmagazin Gamestar bezeichnet das
Spiel in einem Artikel (21.02.2024), als Spiel in dem so
viel mehr gesteckt hätte, aber das durch eine unfertige
Geschichte und unausgereifte Open-World noch nicht
für die Veröffentlichung bereit gewesen wäre. Was
angesichts der Entwicklungszeit von über zehn Jahren
und kolportierten Entwicklungskosten in Höhe von 200
Mio. Euro doch verwunderlich ist. Ob es nach dieser
Entwicklungszeit nicht besser gewesen wäre, das
Spiel fallen zu lassen und gar nicht zu veröffentlichen?
Dazu Filipp, dessen Studio ebenfalls an Skull & Bones
mitgearbeitet hat: Die Entwicklungsphasen in der
Spieleentwicklung seien dem des Films sehr ähnlich. Es
sei ein normaler Vorgang, dass ein Projekt am Anfang,
wo es kostengünstiger ist, länger entwickelt wird. Die
Entscheidungen der Entwicklerstudios seien meist von
dem Geld abhängig, das schon in die Produktion investiert
wurde. Schwierig also, nach so viel eingesetztem
Geld, doch noch einen Rückzieher zu machen.
Skull & Bones hätte auch meist positives Feedback
während der Beta-Testläufe bekommen und es sei
der Wunsch der Fans gewesen, dass es nach dem
Erfolg des Piratenspiels Assassins Creed Black Flag
52
AAAlbtraum
zu weiteren Spielen dieser Art kommt,
erklärt der Spieleentwickler. Ein Spiel zu
entwickeln sei demnach nichts „einfaches“,
da es unterschiedliche Schritte, von der
Konzeption bis hin zu den Testphasen,
durchlaufen muss, bis es schlussendlich
am Markt erscheinen kann. Kunze erklärt
außerdem, dass Skull & Bones das erste
Spiel gewesen sei, das vom CEO von Ubisoft
als „Quadruple A Game“ bezeichnet wurde.
Es sei also noch eine Stufe über Triple A
Spielen. Für das Versprechen wird es aber
zu schnell zu langweilig. Das könnte auf eine
ungeschickte Marketing-Strategie seitens
des Publisher hinweisen.
Entlassungswellen und Sexismus
In den letzten Monaten kam es in der Videospielindustrie
zu einer Entlassungswelle.
Hunderte Mitarbeiter*innen größerer Entwicklerstudios,
wie zum Beispiel bei Riot Games,
Electronic Arts oder auch Microsoft wurden
freigestellt. Laut ZDF (10.05.2024) würde
die Gaming Szene dem Umsatz nach zwar
weiterwachsen, allerdings nicht so stark wie
in den Jahren zuvor. (6,2% Umsatzwachstum
2023 im Vergleich zu 12,9% 2021 und 27,1%
2020) Außerdem stünde der Branche durch
die mindestens 2.500 Entlassungen in den
32 größten Spieleunternehmen, ein schwieriges
Jahr bevor. So berichtet derStandard in
einer Analyse (28.01.2024) darüber, dass die
Entlassungswelle bei Microsoft vor allem mit
dem Kauf des Videospielkonzerns Activision
Blizzard um rund 69 Milliarden Dollar zusammenhängt.
Bei Riot Games hingegen, sei man vor allem
mit dem Erfolg neuer Spin-Off Spiele des
Hauptspiels League of Legends, wie Mageseeker
oder Convirgence nicht zufrieden gewesen.
Man wolle sich wieder vermehrt auf
das Hauptspiel konzentrieren. Die Auswirkungen
von Massenentlassungen auf die
Qualität zukünftiger Spiele großer Publisher
erklärt Martin Filipp: Die Umbrüche in der
Gaming-Branche seien bekannt und würden
medial kolportiert. In der Spiele-Branche
bestehe aber, anders als in der Film-Branche,
ein Großteil der Mannschaft aus fest
angestellten Personen. Es sei immer eine
strategische Entscheidung Mitarbeiter*innen
zu entlassen, manchmal bliebe aber
aus wirtschaftlicher Sicht keine Wahl. „Du
verlierst das Wissen, das im Unternehmen
vorhanden ist. Wenn du dann weitermachst,
musst du wieder skalieren, musst wieder Leute
an Bord holen und in das Teamgefüge und die
Technologie einarbeiten“, so Filipp. Außerdem
sehen sich große Videospielunternehmen,
wie zum Beispiel Ubisoft, immer wieder mit
einem sexistischen Arbeitsumfeld und einer
toxischen Unternehmenskultur konfrontiert.
So berichtet Gamestar in einem Artikel
(05.10.2023) über die Verhaftung fünf ehemaliger
Angestellter des Publishers, wegen
Machtmissbrauch und sexueller Nötigung,
darunter auch der ehemalige Kreativchef
Serge Hascoët. Für Thomas Kunze sind diese
Probleme mit einer falschen Arbeitskultur
und mit Erfolg und Macht durch einen
zu schnellen wirtschaftlichen Aufstieg verbunden.
Für ihn sind das außerdem Gründe,
Spiele solcher Publisher nicht zu konsumieren.
Wie stark sich diese Gründe nun auf die
Qualität von Triple A Spielen auswirken,
lässt sich nicht mit Gewissheit beantworten,
dennoch sind die Veränderungen in der Gaming-Branche
laut zahlreicher medialer Berichte
nicht zu leugnen. Es wird interessant
zu beobachten sein, wie sich diese Industrie
in den nächsten Jahren weiterentwickeln
wird. Nach Martin Filipps Meinung muss
man großen Entwicklerstudios wieder mehr
Zeit geben, um neue Dinge auszuprobieren
und aus Fehlern lernen zu können, um große
Titel und Spielereihen zu liefern, die unserem
Anspruch als Gaming-Community wieder
gerecht werden können.
Nicolas WALD
Thomas Kunze/ © privat
Martin Filipp / © Florian Jindra
© Elea Pilz
© Elea Pilz
AAAlbtraum
53
Die Schattenseiten der Klicks:
Wie TikTok das Selbstwertgefühl der
Jugendlichen prägt
TikTok: Ein digitaler Spielplatz oder eine Gefahr für die Psyche? Von idealisierten Schönheitsstandards
bis hin zum endlosen Scrollen: Während die Plattform eine Welt der Unterhaltung verspricht,
lauern dort auch Gefahren für das Selbstwertgefühl und die psychische Gesundheit. In diesem SUMO
Artikel werden die Influencerinnen Linda Baier und Lisa-Marie Schiffner, sowie eine Psychotherapeutin
zu den Auswirkungen von TikTok auf Jugendliche befragt.
Heute Mountaincart fahren, morgen auf der Zipline,
letzte Woche am Pink Beach in Indonesien – Linda
Baier, besser bekannt als Linda Lime auf Social Media,
ist eine österreichische Influencerin, die auf TikTok als
Ausflugs- und Hoteltesterin täglich hunderttausende
Menschen inspiriert und über 1,5 Millionen Follower*
innen begeistert. Als ehemalige Lehrerin ist Linda Lime
aber keineswegs unreflektiert: „TikTok macht das schon
ganz schlau, Mir wird das angezeigt, was mich interessiert!“
Die Plattform kann die Stimmung der Nutzer*innen erkennen
und entsprechende Inhalte anzeigen, wodurch
die emotionale Bindung verstärkt wird. Das kann wiederum
dazu führen, dass Nutzer*innen in einer Blase
von Inhalten gefangen werden und andere Interessengebiete
vernachlässigt werden.
Die fesselnde Natur von TikTok
Die Funktion des endlosen Scrollens und der Algorithmus
gesteuerte personalisierte Inhalt machen TikTok
besonders fesselnd. Dies führt dazu, dass Nutzer*innen
länger in der App verweilen, ohne sich bewusst zu
sein, wie viel Zeit sie damit verbringen. Jugendlichen
ermangle es an Regulationsfähigkeit in Bezug auf
Soziale Medien. Eine von SUMO befragte Psychotherapeutin,
die aber lieber anonym bleiben möchte, erklärt
das Problem so: „Wenn man etwas isst, dann weiß man,
wann man aufhören soll. Irgendwann kann man nichts
mehr essen. Bei TikTok setze ich mich hin, schaue ein Video
nach dem anderen und merke nicht, wann es zu viel ist.“
Die Selbstdarstellung im Internet von
Jugendlichen
Laut Saferinternet.at ist die Selbstdarstellung im Internet
für Jugendliche ein zentrales Element im Prozess
des Erwachsenwerdens. Plattformen bieten ihnen
die Möglichkeit, ihre Identität zu erkunden. Durch das
Teilen von persönlichen Inhalten können Jugendliche
soziale Beziehungen knüpfen und sich vernetzen. Die
Rückmeldungen in Form von Likes und Kommentaren
würden das Selbstwertgefühl stärken und zu einem
positiven Selbstbild beitragen. Aber ist das Bild tatsächlich
nur positiv?
Influencer*innen als Vorbild?
TikTok fördert einen ständigen Vergleich mit perfekt
inszenierten Bildern und Videos, was zu einem
verzerrten Bild von Schönheit und Erfolg führen könne.
Dieser Druck, den Standards zu entsprechen, könne
zu Unzufriedenheit und Vergleichsdenken führen, wie
die Psychotherapeutin S. betont: „Jugendliche könnten
unter Druck geraten, dem vermeintlichen Ideal auf TikTok
zu entsprechen, was zu Selbst- zweifel und Depressionen
führen kann.“ „Viele Jugendliche nehmen sich gewisse
Influencer* innen als Vorbild und wollen genau so sein, wie
sie“, erläutert Baier. Jedoch sehen Jugendliche meistens
nur die perfekten Seiten der TikToker*innen.
Diese Einschätzung teilt auch eine weitere bekannte
Influencerin, mit einer beachtlichen Reichweite von 2,3
Mio. Abonnent*innen auf TikTok und 1,3 Mio. auf Instagram:
Die Rede ist von Lisa-Marie Schiffner, welche
zu den erfolgreichsten Influencer*innen Österreichs
zählt. Sie beschäftigt sich auf ihren Sozialen Medien
mit Mobbing, Selbstachtung sowie Fitness und hat
eine große Leidenschaft für Fotografie. Ihr Rat lautet,
dass man Menschen folgen soll, die einen Mehrwert
bieten und Inspiration liefern. Und nicht vergessen: In
Sozialen Medien werden nur wenige Minuten des Tages
gezeigt. Diese kurzen Sequenzen sind dann perfekt
54
Die Schattenseiten der Klicks
© Max Peternell
inszeniert und lassen eines vergessen: „Auch
Influencer* innen haben Probleme!“, sagt Psychotherapeutin
S..
Der Traum vom
Influencer*innen-Leben
Influencer*innen spiegeln oft den Wunsch
wider, ähnlich erfolgreich oder schön zu sein.
„Diese Frau ist so wunderschön! Du bist so eine
inspirierende Person!“ kommentiert ein Tik-
Tok-Fan von Lisa-Marie. „Dein Job gefällt mir.
Würde sowas auch gerne machen“, schreibt
eine Zuschauer-in unter einem TikTok von
Linda Baier. Letztgenannte meint, dass sie
immer schöne Hotels und Orte auf ihren
sozialen Netzwerken postet, sie aber genau
weiß, dass sich natürlich nicht jeder so einen
Urlaub leisten kann. Die Erkenntnis, dass die
Inhalte oft mit einem durchschnittlichen Leben
nicht vereinbar sind, sei für junge Menschen
oft bitter. Frau S., erfahrene Kinderund
Jugend-Psychotherapeutin, beobachtet
häufig, wie Jugendliche, die mit Depressionen
kämpfen, sich beim Anblick des scheinbar
glamourösen Lebens auf Social Media
schlecht fühlen. Sie beschreibt, wie diese
jungen Menschen eine Sehnsucht nach dem
vermeintlich Au- thentischen in der virtuellen
Welt verspüren, während sie ihr eigenes
Leben als langweilig und lustlos empfinden.
Auswirkungen auf die psychische
Gesundheit
Eine übermäßige Nutzung von TikTok könne
negative Auswirkungen auf die psychische
Gesundheit von Jugendlichen haben. Intensive
Nutzer*innen zeigten einen schlechteren
mentalen Gesundheitszustand mit
Depressionen, sozialen Ängsten, Stress und
Einsamkeit. Laut der Psychotherapeutin S.
seien weitere Auswirkungen auch Schlafstörungen,
Übergewicht, Lerndefizite, Bindungsstörungen
und auch die Beziehung
zu den Eltern sei oft beeinträchtigt. „Einen
gesunden Umgang mit Medien zu lernen ist bedeutend!“,
betont die interviewte Psychotherapeutin
S.. Diese Aussagen stützt auch eine
Studie des Vereins Saferinternet.at aus dem
Jahr 2021. Zur Selbstdarstellung in Sozialen
Netzwerken gaben 51 Prozent der Mädchen
und Jungen an, dass sie gerne etwas an ih-
rem Körper ändern würden und 65 Prozent
der befragten Jugendlichen sind der Meinung,
dass sich Soziale Netzwerke auf die
Selbstwahrnehmung auswirken.
Es ist von besonderer Bedeutung, dass Kinder
und Jugendliche eine gute Beziehung
zu ihren Eltern oder anderen Bezugspersonen
haben, mit denen sie über Inhalte der
verschiedenen Plattformen reden und diese
gemeinsam kritisch hinterfragen können. „Es
ist wichtig, dass Jugendliche ein Hobby auch
aktiv machen und sich nicht nur passiv mit
Social Media und Videospielen beschäftigen“,
meint Linda Baier. Zudem können pädagogische
Programme Jugendlichen helfen,
einen verantwortungsvollen Umgang mit
digitalen Medien zu entwickeln und sich vor
potenziellen Risiken zu schützen.
Medienrezeption oder Abhängigkeit?
Jugendliche können sich selbst in bestimmten
Sozialen Netzwerken eine Tagesgrenze
einrichten. Natürlich können diese Grenzzeiten
ganz einfach umgangen werden. Deswegen
sei es aus psychotherapeutischer Sicht
umso wichtiger, sich den Grund und Zweck
dieser Einschränkungen bewusst zu machen
und das Ziel einer gesunden Medienrezeption
aktiv zu verfolgen. Selbstreflexion nimmt
hier, wie so oft im Leben, einen hohen
Stellenwert ein. Auch Baier meint: „Das Handy
sollte man weglegen, sobald man das Gefühl
hat, dass es einen überfordert oder man eine
Informationsüberflutung hat.“ Laut der Kinderund
Jugendpsychotherapeutin kommt es auf
die Dosis an und man muss nicht den vollkommenen
Verzicht anstreben. Das Leben
darf und soll Spaß machen und das nicht nur
Offline, aber eben auch nicht nur Online. Eine
gesunde Balance ist langfristig die beste Lösung.
Linda SCHRITTWIESER
Linda Baier / © privat
Lisa-Marie Schiffner / © privat
Die Schattenseiten der Klicks
55
X-Word: Testen Sie Ihr Wissen
1.
Welche Plattform wurde laut Jugend-Internet-Monitor 2024 von den österreichischen Jugendlichen
am meisten genutzt?
2.
Welches Unternehmen hat den Videospielkonzern „Activision Blizzard“ für ~69 Mrd. Dollar gekauft?
3.
Vor welchem Wiener Club liegt die erste Wand, an der man legal sprühen durfte?
4.
Aus welchem KZ stammt der Gedenkstein, welcher vor Hitlers Geburtshaus aufgestellt wurde?
5.
Was gilt als Vorreiter des Mitmachens im Radio?
6.
Welches Material wird für die Ruten der Krampusse verwendet?
7.
Wie heißt das beliebteste Dopingmittel in der Fitnessszene?
8.
In welchem Land liegen die Ursprünge der Astrologie?
9.
Wovon ist es abhängig, ob eine Meldung veröffentlicht wird oder nicht?
10.
Wie heißt der Verband für Kommunikationsexpert*innen in Österreich, welcher für professionelle
und strategische Unternehmenskommunikation steht?
11.
Wie nennt man das System in China, das das Verhalten der Bürger*innen bewertet?
12.
Was ist ein anderes Wort für „nicht gewinnorientiert“, das auch als alternative Bezeichnung für
Community Medien verwendet werden kann?
13.
Piratenradiosender und Song beginnend mit Sweet ...
14.
Woher stammt die Gründerorganisation der European Capital of Democracy-Initiative?
56
Kreuzworträtsel
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1. WhatsApp, 2. Microsoft, 3. Flex, 4. Mauthausen, 5. Amateurfunk,
6. Rossschweif, 7. Anabolika, 8. Mesopotamien, 9. Nachrichtenwert,
10. PRVA, 11. Sozialkreditsystem, 12. nichtkommerziell, 13. Caroline, 14. Wien
Kreuzworträtsel
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