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Migration und Integration in Basel-Stadt Ein «Pionierkanton» unter ...

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Betrachtet man die demografische Entwicklung, so fallen besonders zwei<br />

Punkte <strong>in</strong>s Auge. Zum e<strong>in</strong>en werden sich die für die <strong>Integration</strong>spolitik<br />

zuständigen Akteure <strong>in</strong> Zukunft vermehrt überlegen müssen, wie sie auf die<br />

Herausforderung der „alternden Migrantenbevölkerung“ reagieren wollen. In<br />

unmittelbarer Zukunft wird nämlich die Anzahl der älter werdenden Migrant<strong>in</strong>nen<br />

<strong>und</strong> Migranten aus den zumeist „katholischen“ südeuropäischen<br />

Ländern zunehmen. Mittelfristig wird die Zahl der älteren Migranten aus den<br />

Nicht-EU Staaten (vor allem aus der Türkei <strong>und</strong> Ex-Jugoslawien) ansteigen,<br />

was die Institutionen im Altersbereich vor e<strong>in</strong>e Reihe neuer Aufgaben stellen<br />

wird. Dass die betroffenen Institutionen sich mit der Suche nach Lösungen<br />

nicht unendlich viel Zeit lassen können, wird aus der demografischen<br />

Prognose deutlich.<br />

E<strong>in</strong> zweiter Bereich, <strong>in</strong> der die basel-städtische <strong>Integration</strong>spolitik vermehrt<br />

Akzente setzen muss, ist der Bereich der Familienpolitik <strong>und</strong> der Frühförderung.<br />

Die demografische Analyse br<strong>in</strong>gt klar zum Vorsche<strong>in</strong>, dass die<br />

Geburtenzahlen <strong>in</strong> der ausländischen Wohnbevölkerung weiter ansteigen<br />

werden. In den Bereichen Frühförderung <strong>und</strong> Familienpolitik hat der Kanton<br />

<strong>Basel</strong>-<strong>Stadt</strong> die Möglichkeit, neue <strong>in</strong>tegrationspolitische Gewichte zu setzen,<br />

weil diese Themen bis jetzt von den Regelstrukturen vernachlässigt wurden.<br />

Da dieses Thema zudem <strong>in</strong> der schweizerischen Politik stiefmütterlich<br />

behandelt wird, besteht hier e<strong>in</strong> Raum, <strong>in</strong> dem auch auf föderaler Ebene<br />

kreative Lösungen e<strong>in</strong>gebracht werden können. Gleichzeitig muss darauf<br />

aufmerksam gemacht werden, dass man sich nicht der Illusion h<strong>in</strong>geben<br />

sollte, Familienpolitik sei e<strong>in</strong> Spielfeld, das leicht mit neuen Inhalten besetzt<br />

werden könne. Wir erwarten deshalb auch <strong>in</strong> Zukunft etliche kontroverse<br />

politische Debatten zu dieser Frage.<br />

Obwohl die oben beschriebenen Herausforderungen, die im wesentlichen die<br />

junge <strong>und</strong> älter werdende Migrantenpopulation betreffen, voraussichtlich den<br />

stärksten E<strong>in</strong>fluss auf die künftige Politik haben werden, <strong>in</strong>sbesondere weil<br />

hier erprobte Instrumente fehlen, muss davor gewarnt werden, die bisherigen<br />

Vorkehrungen zur Öffnung des Bildungsbereichs <strong>und</strong> des Zugangs zum<br />

Arbeitsmarkt zu vernachlässigen. Die demografische Prognose liefert Anhaltspunkte<br />

dafür, dass die Zahl der Jugendlichen mit <strong>Migration</strong>sh<strong>in</strong>tergr<strong>und</strong><br />

<strong>in</strong> absehbarer Zeit hoch bleibt, <strong>und</strong> dass diesen Jugendlichen e<strong>in</strong>e chancengleiche<br />

Teilhabe am Arbeitsmarkt ermöglicht werden muss. Der Schnittstelle<br />

zwischen Bildungssystem <strong>und</strong> Arbeitsmarkt kommt daher e<strong>in</strong>e entscheidende<br />

<strong>in</strong>tegrationspolitische Rolle zu, die <strong>in</strong> der künftigen Politik nicht vernachlässigt<br />

werden sollte.<br />

E<strong>in</strong> letzter Punkt, auf den die demografische Prognose implizit verweist,<br />

betrifft die Zunahme der kulturellen <strong>und</strong> religiösen Vielfalt <strong>in</strong> der <strong>Stadt</strong><br />

<strong>Basel</strong>. Diese Schlussfolgerung entnehmen wir der Prognose, wonach der<br />

Anteil an Nicht-EU Bürger<strong>in</strong>nen <strong>und</strong> Bürgern an der Gesamtbevölkerung <strong>in</strong><br />

190<br />

Zukunft weiter zunehmen wird. Angesichts dieser wahrsche<strong>in</strong>lichen<br />

Entwicklung sollte der <strong>in</strong>terreligiöse <strong>und</strong> <strong>in</strong>terkulturelle Dialog künftig weiter<br />

ausgebaut werden. Der Bereitstellung von Plattformen des <strong>in</strong>terreligiösen <strong>und</strong><br />

<strong>in</strong>terkulturellen Dialogs kommt vor dem H<strong>in</strong>tergr<strong>und</strong> dieser demografischen<br />

Projektion e<strong>in</strong>e wichtige Rolle zu, selbst wenn dies vermehrte Konflikte zur<br />

Folge hätte. Denn es s<strong>in</strong>d gerade diese Konflikte <strong>und</strong> <strong>in</strong>sbesondere ihre<br />

Bewältigung, die neue Selbstverständlichkeiten entstehen lassen <strong>und</strong><br />

verschiedenste Gruppierungen von Bürgern zu b<strong>in</strong>den <strong>und</strong> zu verb<strong>in</strong>den<br />

vermögen.<br />

11.2 Gesamtbewertung des <strong>in</strong>tegrationspolitischen<br />

Dispositivs<br />

Für die Gesamtbewertung des <strong>in</strong>tegrationspolitischen Dispositivs möchten<br />

wir auf drei Tendenzen verweisen, die sich durch die gesamte Untersuchung<br />

h<strong>in</strong>durchziehen. In e<strong>in</strong>em ersten Schritt werden wir den Siegeszug der<br />

<strong>in</strong>dividualistischen Konzeption des „Förderns <strong>und</strong> Forderns“ thematisieren.<br />

Der zweite Abschnitt wendet sich dem „mechanistischen bzw. technokratischen“<br />

Verständnis des Begriffs <strong>Integration</strong> zu, auf der die basel-städtische<br />

<strong>Integration</strong>spolitik fusst. Der dritte Abschnitt befasst sich mit der momentanen<br />

„Orientierungslosigkeit“ <strong>in</strong> der basel-städtischen <strong>Integration</strong>spolitik.<br />

11.2.1 Siegeszug des auf das Individuum bezogenen Förderns<br />

<strong>und</strong> Fordern<br />

Bereits im konzeptionellen Kapitel zu Beg<strong>in</strong>n dieses Berichts wurde<br />

aufgezeigt, wie sich der politische Diskurs <strong>in</strong> <strong>Basel</strong>-<strong>Stadt</strong> ausgehend vom<br />

Potenzialansatz <strong>und</strong> der Chancengleichheit h<strong>in</strong> zum <strong>in</strong>dividualistischen<br />

Fördern <strong>und</strong> Fordern verlagert hat. An dieser Stelle wurde auch die Frage<br />

aufgeworfen, wie die diskursive Verlagerung die <strong>in</strong>tegrationspolitische<br />

Alltagsarbeit bee<strong>in</strong>flusst hat. Nach der e<strong>in</strong>gehenden Analyse sowohl der<br />

spezifischen als auch der <strong>Integration</strong> durch die Regelstrukturen kommen wir<br />

zum Schluss, dass dieser Trend sich zwar <strong>in</strong> e<strong>in</strong>igen Instrumenten widerspiegelt,<br />

für andere Massnahmen dagegen irrelevant war.<br />

Die diskursive Verlagerung hat auf die spezifische <strong>Integration</strong>sförderung die<br />

unmittelbarsten Auswirkungen gehabt. Die starke Fokussierung auf die<br />

<strong>Integration</strong>svere<strong>in</strong>barungen im Bereich der spezifischen <strong>Integration</strong>sförderung<br />

spiegelt diesen Siegeszug des auf den E<strong>in</strong>zelnen bezogenen Förderns<br />

<strong>und</strong> Forderns wider, wobei die Forderung nach mehr „Fordern“ klar überwiegt.<br />

Der Fokus auf dem „Fordern“ erklärt sich dadurch, dass gr<strong>und</strong>sätzlich<br />

unklar bleibt, was das „Fördern“ be<strong>in</strong>halten sollte. Zwar s<strong>in</strong>d sich alle<br />

Betroffenen klar darüber, dass die Unterstützung beim Spracherwerb e<strong>in</strong>en<br />

wichtigen Aspekt des „Förderns“ darstellt, aber darüber h<strong>in</strong>aus bleibt der<br />

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