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Geologischer Wanderweg Roggenstock

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<strong>Geologischer</strong> <strong>Wanderweg</strong><br />

<strong>Roggenstock</strong><br />

Oberiberg / Hoch-Ybrig


Inhaltsverzeichnis<br />

Allgemeine Angaben und Ergänzungen<br />

Einführung in die Geologie von Lukas Inderbitzin, Geologe, Schwyz<br />

Die Erde ist in Bewegung<br />

– Ozeane entstehen<br />

– Gebirge enstehen<br />

Gesteine enstehen<br />

– Plutonische und vulkanische Gesteine<br />

– Sedimente<br />

Von längst vergangenen Zeiten<br />

– Das Präkambrium<br />

– Das Erdaltertum (Paläozoikum)<br />

– Das Erdmittelalter (Mesozoikum)<br />

– Die Erdneuzeit (Känozoikum)<br />

Tektonische Karte<br />

Landeskarte mit Route 1:25’000<br />

Wanderung am <strong>Roggenstock</strong> von Elsbeth Kuriger, Geologin, Einsiedeln<br />

Woher die Gesteine kommen<br />

Vom Meer auf den <strong>Roggenstock</strong><br />

Eine Wanderung von Europa nach Afrika<br />

Afrika! Auf dem Gipfel des <strong>Roggenstock</strong><br />

Ozeanische Kruste im Ybrig<br />

Kalke, im flachen Meer gebildet<br />

Untermeerische Sandstürme<br />

Der Berggeist heilt allerlei Gebresten<br />

Eiszeiten<br />

Moor<br />

Höhlen– oder wie Gesteine verwittern<br />

Danke<br />

Ein herzliches Dankeschön gilt allen Freunden, Bekannten und<br />

Sponsoren, die mit ihren wertvollen Hinweisen und Spenden<br />

wesentlich zum Gelingen dieser Broschüre beigetragen haben.<br />

Auf der Fuederegg gibt es eine Ausstellung der verschiedenen Gesteine am<br />

<strong>Roggenstock</strong> und seiner Umgebung. Die darfst du ja nicht verpassen.<br />

1<br />

2<br />

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24<br />

Liebe Leserinnen, liebe Leser<br />

Bergwanderer staunen immer wieder über die Schönheit unserer Berge.<br />

Ewig und unvergänglich scheinen sie gegen den Himmel zu streben, so<br />

auch der <strong>Roggenstock</strong> in Oberiberg/Hoch-Ybrig. Der geologische<br />

<strong>Wanderweg</strong> am <strong>Roggenstock</strong> bietet dem interessierten Wanderer den<br />

wohl vielfältigsten Einblick in das Werden unserer Alpen auf kleinstem<br />

Raum. Zehn Schautafeln, die in Wort und Bild auf die jeweiligen geologischen<br />

und botanischen Besonderheiten der Standorte aufmerksam<br />

machen, treffen wir auf der Wanderung rund um den <strong>Roggenstock</strong>.<br />

An allen Standorten sind die Tafeln mit speziellen Hinweisen und<br />

Bildern auf die Flora unserer Gegend ausgestattet. Die Anforderungen<br />

an die Wanderer sind hoch, und oft bereitet die komplizierte Materie<br />

jungen Wanderern und Familien Mühe, in so kurzer Zeit alles zu ver -<br />

stehen.<br />

Mit dem vorliegenden Büchlein versuchen wir auf sehr einfache Art, das<br />

Interesse und Verständnis der jungen Menschen, Familien und Schulen<br />

für die Geologie und für die Vorgänge in der Natur zu fördern.<br />

Grosser Dank gebührt den beiden Verfassern dieser Schrift, den<br />

Geologen Elsbeth Kuriger, Einsiedeln und Lukas Inderbitzin, Schwyz und<br />

den Sponsoren. In diesem Sinne viel Spass auf der Wanderung am<br />

<strong>Roggenstock</strong> und der Beschäftigung mit dem Wissen über die<br />

Entstehung unserer Alpen.<br />

Oktober 2007, Verein <strong>Geologischer</strong> <strong>Wanderweg</strong> <strong>Roggenstock</strong><br />

Allgemeine Angaben und Ergänzungen<br />

Die geologische Wanderung empfiehlt sich in den Monaten Juni bis<br />

Oktober. Vom Juli bis Oktober (Bahnbetrieb der Hoch-Ybrig AG) fahren<br />

Jugendliche bis 16 Jahre gratis. Empfohlen wird Oberiberg (Talstation<br />

Laucherenbahn) über Steinboden (mit Sesselbahn) – Berggeistquelle –<br />

Fuederegg (Steinausstellung) – Roggenhütte – Ober Roggen –<br />

<strong>Roggenstock</strong> – Ober Roggen – Roggenegg – Tubenmoos – Schlipfauweid<br />

– Oberiberg (Wanderzeit ca. 2 1/4 Std.) oder Oberiberg (Schulhaus) in<br />

umgekehrter Richtung (Wanderzeit ca. 3 Std.). Möglich ist auch nur eine<br />

teilweise Begehung des <strong>Wanderweg</strong>es ab Hoch-Ybrig, Seebli.<br />

(Siehe Kartenausschnitt Seite 13)<br />

Anreise mit Postauto ab Einsiedeln nach Oberiberg Post oder Oberiberg<br />

Talstation Laucheren.<br />

Auskünfte, Prospekte<br />

durch das regionale Verkehrsbüro in Oberiberg<br />

Tel. 055 414 26 26 / Fax 055 414 21 41<br />

touristik@ybrig.ch www.ybrig.ch<br />

1


Einführung in die Geologie<br />

Der <strong>Roggenstock</strong> ist nicht so imposant wie das Matterhorn, nicht so<br />

hoch wie der Mount Everest und seine Felswände sind nicht so steil wie<br />

die Eiger Nordwand. Wirft man aber einen Blick auf die Entstehungsgeschichte<br />

des <strong>Roggenstock</strong>s, so wird er zum schönsten, höchsten und<br />

steilsten Berg der ganzen Alpen.<br />

Die Gesteine des <strong>Roggenstock</strong>s entstanden am Rande des europäischen<br />

Kontinents, in einem riesigen Ozean und sogar auf dem afrikanischen<br />

Kontinent. Dass diese Gesteine heute so nahe beieinander liegen,<br />

haben wir einem riesigen Unfall zu verdanken, der sich vor Millionen<br />

von Jahren zwischen dem europäischen und dem afrikanischen<br />

Kontinent ereignet hat.<br />

Die Entstehung des <strong>Roggenstock</strong>s ist auch für Erdwissenschafter nicht<br />

einfach zu verstehen. Darum ist es wichtig, dass man zuerst einige<br />

grundlegende Sachen über die Geologie erfährt.<br />

2<br />

NNE SSW<br />

Tubenmoos <strong>Roggenstock</strong> Farenstöckli Fuederegg<br />

Gesteine des Afrikanischen Kontinents<br />

Ozeanische Gesteine<br />

Gesteine des Europäischen<br />

Kontinents<br />

Die Erde ist in Bewegung<br />

Berge geben einem oft das Gefühl von Ruhe, Stabilität, Festigkeit und<br />

Dauer. Doch der Schein trügt. Bilder von feuerspeienden Vulkanen oder<br />

von verheerenden Erdbeben zeigen, dass unter unseren Füssen nicht<br />

alles so ruhig ist, wie es scheint. Vor 100 Millionen Jahren war zum<br />

Beispiel da, wo der <strong>Roggenstock</strong> heute steht, ein riesiges Meer, und es<br />

standen weit und breit keine Berge! Übrigens: seit der Gründung der<br />

Eidgenossenschaft vor rund 700 Jahren ist eine Reise von Europa nach<br />

Amerika 35 Meter länger geworden...<br />

Aber wie sieht es denn unter der Erdoberfläche überhaupt aus?<br />

Kern<br />

Mantel<br />

Kruste<br />

Ozeanische Kruste ist mit 10 bis<br />

30 Kilometer Mächtigkeit eher<br />

dünn im Vergleich zu der kontinentalen<br />

Kruste mit ihren<br />

30 bis 60 km.<br />

Der Aufbau unserer Erdkugel kann man mit demjenigen eines Apfels<br />

vergleichen: Die äussere Schicht der Erde mit ihren vielfältigen<br />

Gesteinen bezeichnet man als Erdkruste. Sie bildet so zu sagen die<br />

«Schale» der Erde.<br />

Es gibt zwei verschiedene Typen von Erdkruste: während die ozeanische<br />

Erdkruste unterhalb von Ozeanen zu finden ist, liegt die kontinentale<br />

Kruste dort, wo die Erdoberfläche höher liegt als der<br />

Meeresspiegel – auf den Kontinenten.<br />

Direkt unterhalb der Erdkruste folgt das «Fruchtfleisch» der Erde.<br />

Diesen Teil nennt man Erdmantel. Er besteht aus Gesteinen, die schwerer<br />

sind als die der Erdkruste. Im Erdmantel ist es so heiss, dass die<br />

Gesteine teilweise flüssig sind.<br />

Noch tiefer im Erdinneren, in rund 2900 Kilometer Tiefe, beginnt der<br />

Erdkern. Er besteht fast vollständig aus Eisen!<br />

3


Im Erdkern herrschen Temperaturen<br />

von über 6’000 Grad Celsius.<br />

Die Platten bestehen aus der<br />

Erdkruste und dem oberen Teil<br />

des Erdmantels. Zusammen werden<br />

sie als Lithosphäre bezeichnet.<br />

Ozeane entstehen<br />

Wenn kontinentale Platten auseinanderbrechen, entstehen dazwischen<br />

tiefe Gräben. Das Zentrum der Gräben wird von Spalten durchzogen,<br />

durch welche flüssiges Gestein aus dem Erdmantel aufsteigt und diese<br />

wieder verschliessen. Gleiten die Platten weiter auseinander, so entstehen<br />

neue Spalten, die wiederum mit Magma aus dem Erdmantel aufgefüllt<br />

werden. Zwischen den auseinander gleitenden Platten entsteht<br />

durch diesen Vorgang neue Erdkruste – ozeanische Erdkruste.<br />

Gleichzeitig bildet sich auch ein tiefes und breites Becken, welches sich<br />

mit Wasser füllt. So entstehen riesige Ozeane.<br />

4<br />

Pazifische<br />

Platte<br />

Nordamerikanische<br />

Platte<br />

Afrikanische<br />

Platte<br />

Südamerikanische<br />

Platte<br />

Nasca<br />

Platte<br />

Unser Planet ist alles andere als ein<br />

starres Gebilde. Die Erdoberfläche<br />

besteht aus einzelnen Platten (siehe<br />

folgende Abbildung), die wie Flosse<br />

auf dem teilweise aufgeschmolzenen<br />

Untergrund schwimmen. Die Bewe -<br />

gung der Platten ist auf den ersten<br />

Blick langsam: einige Zentimeter<br />

im Jahr. In Millionen von Jahren<br />

verschieben sich Tausende von<br />

Kilometern.<br />

Eurasische<br />

Platte<br />

Arabische<br />

Platte<br />

Antarktische Platte<br />

Australische<br />

Platte<br />

Philippinen<br />

Platte<br />

Ozeane öffnen sich Ozeane schliessen sich, Gebirge entstehen<br />

Kontinentale Platte<br />

Noch ist nichts von einem Aufbrechen<br />

der Platte zu sehen.<br />

Der Ozean öffnet sich<br />

Die kontinentale Platte bricht auseinander<br />

und es bildet sich dazwischen<br />

neue ozeanische Kruste und ein riesiger<br />

Ozean.<br />

Gebirge entstehen<br />

Wenn sich Platten voneinander wegbewegen, entstehen Ozeane. Was<br />

passiert aber, wenn sie sich wieder aufeinander zu bewegen?<br />

Die dünne, ozeanische Kruste wird unter die kontinentale Erdkruste in<br />

den Erdmantel geschoben. Dieser Prozess wird Subduktion genannt.<br />

Der Vorgang setzt sich solange fort, bis die gesamte ozeanische Kruste<br />

im Mantel verschwunden ist. Weil die kontinentale Kruste viel dicker ist<br />

als die ozeanische, kann sie nicht in den Erdmantel gedrückt werden.<br />

Die beiden Kontinente stossen frontal aufeinander und verzahnen sich.<br />

Riesige Gesteinspakete werden verschoben und verfaltet, gepresst und<br />

gestaucht – es entstehen Gebirge.<br />

Der Ozean schliesst sich wieder<br />

Die beiden Platten bewegen sich aufeinander<br />

zu. Die ozeanische Kruste<br />

schiebt sich unter die kontinentale<br />

Kruste (Subduktion).<br />

Ein Gebirge entsteht<br />

Die Platten verkeilen sich ineinander.<br />

Teile der einen Platte werden auf die<br />

andere geschoben.<br />

Berge entstehen<br />

Gleichzeitig mit der Bildung des<br />

Gebirges beginnen Wasser und Eis<br />

dieses wieder abzutragen.<br />

Bei der Gebirgsbildung werden auch Gesteine des einen Kontinents und<br />

des Ozeans weit auf den anderen Kontinent geschoben. Dieser Prozess<br />

wird als Überschiebung bezeichnet und die überschobenen<br />

Gesteinspakete nennt man Decken. Dieser Vorgang ist für das<br />

Verständnis der Geologie rund um den <strong>Roggenstock</strong> sehr wichtig.<br />

5


Gesteine entstehen<br />

Wir begegnen ihnen überall: am Seeufer, in den Flüssen, auf den Bergen<br />

und sogar in unseren Wohnungen: den Steinen. Ihr Aussehen ist sehr<br />

vielfältig. Sie sind grau, braun, rot, grün, schwarz, blau, gelb oder auch<br />

ein buntes Durcheinander davon; sie sind kantig, rund, schwer, leicht,<br />

gross, klein und vieles mehr (siehe folgendes Bild).<br />

Die Gesteine haben unterschiedliche Farben, weil sie wie ein Kuchen<br />

aus verschiedenen Zutaten zusammengesetzt sind. Diese Zutaten<br />

bezeichnet man als Minerale. Es gibt den Granat, den Glimmer, den<br />

Diamanten und viele mehr. Eines der bekanntesten Minerale ist der<br />

Quarz, auch bekannt als Bergkristall. Kochsalz ist übrigens auch ein<br />

Mineral. Der Granit (siehe folgendes Bild) ist ein Gestein und besteht<br />

aus drei Mineralen: Quarz, Feldspat und Glimmer.<br />

6<br />

Feldspat<br />

Glimmer<br />

Quarz<br />

Das Erkennen von Mineralien ist nicht immer einfach. Im Gebiet des<br />

<strong>Roggenstock</strong>s findet man vor allem Kalkgesteine. Diese bestehen<br />

hauptsächlich aus dem Mineral Calcit. Weil sich die einzelnen<br />

Calcitminerale farblich nicht unterscheiden und weil sie auch meist sehr<br />

klein sind, lassen sie sich von blossem Auge und sogar mit einer Lupe<br />

kaum erkennen. Im Steingarten auf der Fuederegg sind Gesteine zu finden,<br />

deren Mineralien sehr gut zu erkennen sind. Genau hinschauen ist<br />

wichtig! In den Gesteinen gibt es nicht nur Mineralien zu entdecken,<br />

sondern auch Überreste von Tieren und Pflanzen. Man nennt diese<br />

Fossilien. Wie die Fossilien in die Gesteine gelangen, lernen wir im folgenden<br />

Kapitel.<br />

Auf unserer Erde findet man viele verschiedene Gesteine. Wie ein<br />

Gestein aussieht, ist nicht ein Zufall, sondern durch Vorgänge gesteuert,<br />

die in und auf unserer Erde ablaufen. Einige dieser Vorgänge und die<br />

dadurch entstehenden Gesteine werden nachfolgend beschrieben.<br />

Plutonische und vulkanische Gesteine<br />

Ihre Entstehung beginnt tief unten im Erdmantel. Die Gesteine im<br />

Mantel sind so heiss, dass sie teilweise aufschmelzen. Die Schmelztropfen<br />

bleiben aber nicht im Mantel, sondern bewegen sich aufwärts Richtung<br />

Erdkruste. Auf diesem Weg sammeln sich viele Tropfen und bilden<br />

zusammen riesige Blasen aus flüssigem Gestein (sog. Magmakammern).<br />

Plutonische Gesteine<br />

langsame Abkühlung –<br />

grosse Kristalle<br />

Vulkanische Gesteine<br />

rasche Abkühlung –<br />

kleine Kristalle<br />

Magmakammer<br />

aufsteigendes<br />

Magma<br />

Mineralkörner suchen wir in den vulkanischen Gesteinen mit blossem<br />

Auge meist vergeblich, hatten die Mineralkörner doch durch das<br />

schnelle Abkühlen zu wenig Zeit zum Wachsen.<br />

7


Magma<br />

Flüssiges Gesteine mit einer<br />

Temperatur von mehr als 1’000°<br />

Celcius.<br />

Von blossem Auge gut<br />

erkennbar<br />

Während der Zeit des Abkühlens<br />

können aus anfänglich winzig<br />

kleinen Mineralkörnern richtig<br />

grosse Minerale heranwachsen.<br />

So entstehen wunderschöne<br />

Gesteine wie der Granit.<br />

Sedimente<br />

Die Entstehung der Sedimentgesteine beginnt beim Zerfall der plutonischen<br />

und vulkanischen Gesteine. Man könnte sagen, die Sedimente<br />

sind die Abfallprodukte der vulkanischen und plutonischen Gesteine.<br />

Wasser, Sonne und Wind zerstören ganze Gebirge. Vor allem starke<br />

Temperaturwechsel setzen den Gesteinen zu. Die Felsen werden spröde<br />

und zerfallen zu Steinen und Sand. Flüsse transportieren die<br />

Bruchstücke. Auf diesem Weg werden sie immer kleiner, bis nur noch<br />

Sand und Ton übrig bleibt. Dieses feine Material gelangt schliesslich in<br />

Seen und ins Meer und wird dort auf dem Grund abgelagert.<br />

8<br />

Bleibt das flüssige Gestein auf seinem<br />

Weg zur Oberfläche in der Erdkruste<br />

stecken, so dauert es Millionen von<br />

Jahren, bis es abkühlt und festes<br />

Gestein entsteht. Es wird als plutonisches<br />

Gestein bezeichnet. Meist<br />

sind ihre Mineralkörner von blossem<br />

Auge gut erkennbar.<br />

Aber warum finden wir die plutonischen<br />

Gesteine an der Erdoberfläche,<br />

wo sie doch tief in der Erde entstanden?<br />

Weil das darüber liegende<br />

Gestein durch Eis, Wasser und Wind<br />

zerstört und abtransportiert wird. Bis<br />

ein Granit durch diesen Prozess an die<br />

Erdoberfläche gelangt, dauert es<br />

aber einige Millionen Jahre.<br />

Dringt das flüssige Gestein aus dem Mantel bis an die Erdoberfläche,<br />

kühlt es sehr schnell ab und erstarrt zu einer eintönigen, meist schwarzen<br />

Masse, welche als vulkanisches Gestein bezeichnet wird.<br />

Durch Flüsse wird das Material Richtung Meer transportiert<br />

Der Fluss bringt immer mehr Material und die Ablagerungen werden<br />

immer dicker und schwerer. Sand und Ton werden durch ihr eigenes<br />

Gewicht zu neuem Fels gepresst (siehe folgendes Bild).<br />

Gestein, das durch die Ablagerung eines Flusses entstand. (Nagelfluh)<br />

Weit draussen im Meer, wo die Fracht der Flüsse nicht hinkommt, entsteht<br />

ein anderer Typ von Sedimentgestein – der Kalkstein.<br />

Ausgangspunkt der Entstehung bilden kleinste Lebewesen im Meer.<br />

Teile dieser Tiere wie Skelett und Schalen bestehen oft aus Kalk. Sterben<br />

die Tiere, sinken ihre Skelette auf den Meeresgrund. Es entstehen kalkige<br />

Schlammschichten und mit der Zeit harter Fels (siehe folgendes Bild).<br />

Kalkgestein mit vielen Muschelschalenbruchstücken. (Schrattenkalk)<br />

9


Von längst vergangenen Zeiten<br />

Die Gesteine des <strong>Roggenstock</strong>s sind durchschnittlich etwa 100 Millionen<br />

Jahre alt. Ausgeschrieben sieht diese Zahl so aus: 100'000'000. Niemand<br />

kann sich vorstellen, welch lange Zeit dies ist. Für uns scheint manchmal<br />

schon ein Jahr eine lange Zeit. Um die Geschichte der Erde zu verstehen,<br />

ist es nicht nötig zu wissen, wie lange eine Million Jahre dauern.<br />

Wichtiger ist, dass man einschneidende Ereignisse wie zum Beispiel das<br />

Auftreten der ersten Menschen, das Aussterben der Saurier oder die<br />

Entstehung der Alpen am richtigen Ort in das Gerüst der<br />

Erdgeschichte einbauen kann.<br />

Das Präkambrium<br />

Ganz am Anfang war unsere Erde kein schöner Platz zum Leben. Es war<br />

sehr heiss, es gab keinen Sauerstoff zum Atmen und es schlugen unzählige<br />

Meteoriten ein, die die Oberfläche wie eine Kraterlandschaft aussehen<br />

liessen. Erstes Leben entstand darum erst später. Erste Organismen<br />

waren Bakterien. Darauf folgten Algen und wurmartige Tiere.<br />

Das Erdaltertum (Paläozoikum)<br />

Am Anfang des Erdaltertums vor rund 540 Millionen Jahren hat für die<br />

Tier- und Pflanzenwelt eine enorme Entwicklung begonnen. Es entstanden<br />

immer mehr und immer neue Arten. Von Säugetieren und Sauriern<br />

gab es noch keine Spur. Es lebten Kreaturen wie Trilobiten und<br />

Brachiopoden (siehe folgende Abbildung). Auch Fische, Insekten und<br />

erste Reptilien spielen im Erdaltertum eine Rolle. Ein grosser Teil der<br />

Arten, die das Erdaltertum dominiert haben, sind heute ausgestorben.<br />

10<br />

Präkambrium<br />

4500 Mio Jahre<br />

540<br />

Erdaltertum<br />

Gerüst der Erdgeschichte<br />

250 Mio Jahre<br />

Trias<br />

Jura<br />

Erdmittelalter<br />

Kreide<br />

65<br />

Trilobiten Brachiopoden<br />

Tertiär<br />

Quartär<br />

1,8 Heute<br />

Erdneuzeit<br />

Erdmittelalter (Mesozoikum)<br />

Das Erdmittelalter ist die Zeit der Dinosaurier. Sie waren die unangefochtenen<br />

Herrscher. Auch die Säugetiere entwickelten sich während<br />

des Mesozoikums. Sie waren klein und unauffällig. Gewaltige fliegende<br />

Reptilien und erste Vögel tauchten am Himmel auf. Am Ende des<br />

Erdmittelalters gab es – wie am Ende des Erdaltertums – ein riesiges<br />

Massensterben, das die Dinosaurier nicht überlebten. Der Grund für dieses<br />

Ereignis ist nicht geklärt. Möglicherweise gab es einen gewaltigen<br />

Meteoriteneinschlag, welcher das Klima so veränderte, dass die<br />

Dinosaurier nicht überleben konnten.<br />

Die Dinosaurier beherrschten während rund 200 Millionen Jahren die<br />

gesamte Erde, der Mensch seit rund 2 Millionen Jahren – 100x weniger lang!<br />

Am Anfang des Erdmittelalters waren alle Kontinente zu einem<br />

Grosskontinent verbunden: dem Superkontinent Pangäa. Schon bald<br />

begann dieser wieder auseinander zu brechen. So entstand ein neues<br />

Meer – das Ur-Mittelmeer (Tethys, siehe auch Seite 14). Wie das heutige<br />

Mittelmeer lag es zwischen Afrika und Europa. Gegen Ende des<br />

Mesozoikums haben die Kontinente ihre Bewegungen jedoch so geändert,<br />

dass das Ur-Mittelmeer wieder geschlossen wurde und die<br />

Kontinente Europa und Afrika miteinander zusammenstiessen. Die<br />

Entstehung der Alpen begann.<br />

Die Erdneuzeit (Känozoikum)<br />

Nach dem Aussterben der Dinosaurier am Ende des Erdmittelalters<br />

übernahmen die Säugetiere die Macht und entwickelten ihr heutiges<br />

Aussehen. Bis zur Entstehung des Menschen dauerte es noch viele<br />

Millionen Jahre. Erste menschenähnliche Gestalten entstanden vermutlich<br />

vor 6 Millionen Jahren. Den modernen Menschen gibt es erst seit<br />

100'000 Jahren. Im Vergleich zu seinen Vorfahren zeichnet er sich durch<br />

ein leistungsfähigeres Hirn und durch einen feineren Körperbau aus.<br />

Während der Erdneuzeit dauert der Crash zwischen Europa und Afrika<br />

an. Die beiden Kontinente verzahnten sich tief ineinander. Die Alpen<br />

wuchsen in die Höhe. Noch heute wachsen die Alpen jährlich einige<br />

Millimeter im Jahr. Da die Berge gleichzeitig auch verwitterten, werden<br />

sie jedoch nicht höher.<br />

11


Tektonische Karte<br />

Nach Trümpy 2006 mit Bewilligung des Bundesamtes für Landestopografie<br />

swisstopo<br />

Gesteine des Penninikum Gesteine des Ostalpin<br />

12<br />

Arosa-Zone<br />

Klippendecke<br />

Flysch<br />

Wildflysch<br />

Gesteine des Helvetikum<br />

Basislinien / Trennlinien<br />

Landeskarte 1:25’000 mit Route und Tafelstandorten<br />

Reproduziert mit Bewilligung von swisstopo (BA071782)


Wanderung am <strong>Roggenstock</strong><br />

Woher die Gesteine im Ybrig kommen<br />

Die ältesten Gesteine im Ybrig, die Raibler Schichten des Ostalpin,<br />

wurden vor 220 Millionen Jahren abgelagert, die jüngsten (Flysch) vor<br />

35 Millionen Jahren. Sämtliche Gesteinseinheiten bildeten sich in einem<br />

Ur-Mittelmeer, der sogenannten Tethys.<br />

Jura Helvetikum Penninikum Ostalpin Südalpin<br />

Ur-Europa Ur-Afrika<br />

Schrattenkalk<br />

Seewen Kalk<br />

Vom Meer auf den <strong>Roggenstock</strong><br />

Der hier dargestellte Schnitt durch<br />

die Tethys ist stark vereinfacht, da sie<br />

ihr Aussehen ständig veränderte. Die<br />

Tethys wird in verschieden tiefe Ablagerungsräume<br />

aufgeteilt, in denen<br />

sich je nach Meerestiefe unterschiedliche<br />

Gesteine ablagerten.<br />

Die Ablagerungsräume der Gesteine,<br />

die im Ybrig zu finden sind, nennt<br />

man Helvetikum, Penninikum und<br />

Ostalpin. Die Gesteine, die den verschiedenen Ablagerungsräumen<br />

zugeteilt werden, sind in der Skizze aufgelistet. Sie werden später im<br />

Text beschrieben.<br />

Jura und<br />

Molassebecken<br />

Ur-Europa<br />

Tethys-Ozean<br />

Die Tethys (benannt nach einer<br />

Meeresgöttin der griech. Mythologie)<br />

ist ein kompliziert gegliedertes<br />

Meeresbecken, das sich<br />

hauptsächlich im Erdmittelalter<br />

(Mesozoikum: zirka 250 – 65 Mio<br />

Jahren vor heute) zwischen einem<br />

Ur-Afrika und Ur-Europa<br />

erstreckte.<br />

Radiolarit, Ophiolith<br />

Sulzfluh-Kalk<br />

Couches Rouges<br />

Dolomit<br />

1<br />

2<br />

3 1 Ostalpin<br />

2 Penninikum<br />

Ur-Afrika 3 Helvetikum<br />

Vor zirka 100 Millionen Jahren, am Ende des Erdmittelalters, begann die<br />

Alpenfaltung und dauert heute noch an! Sie lässt sich, ebenfalls vereinfacht,<br />

mit der Wirkung eines Schneepflugs vergleichen. Die auf dem<br />

Meeresboden abgelagerten Gesteine sind der Schnee, Ur-Afrika ist der<br />

Schneepflug. Dabei werden die Gesteine der südlichen Ablagerungsräume<br />

auf die nördlichen überschoben. Es bildet sich ein Deckenstapel<br />

mit dem südlichen zuoberst, dem nördlichen zuunterst.<br />

14<br />

Eine Wanderung von Europa nach Afrika<br />

Geologisch betrachtet ist der <strong>Roggenstock</strong> alles andere als einfach: Ein<br />

wahres Kunstwerk der Alpenfaltung! Zwischen der Roggenhütte<br />

(1538m ü.M.) und dem <strong>Roggenstock</strong> (1778m ü.M.) wandert man von<br />

Europa (Helvetikum) mitten durch den Tethys-Ozean (Penninikum) nach<br />

Afrika (Ostalpin).<br />

a<br />

b<br />

Blick vom Tubenmoos Richtung <strong>Roggenstock</strong>. In der Umgebung des Tubenmoos<br />

findet man helvetische Gesteine (a), die Felsen im Aufstieg gehören zum Penninikum<br />

(b) und der Gipfel des <strong>Roggenstock</strong> besteht aus ostalpinen Gesteinen (c).<br />

Die in der Tethys abgelagerten Gesteine wurden bei der Gebirgsbildung<br />

stark verformt. Es bilden sich einzelne Gesteinsschollen, sogenannte<br />

Decken. Jetzt wird die Geologie kompliziert: Gesteine der einzelnen<br />

Ablagerungsräume werden weiter in Decken unterteilt. Sind die Decken<br />

sehr klein, redet man von Schuppen. Nachfolgend aufgelistet sind die<br />

sieben Decken, die am <strong>Roggenstock</strong> zu finden sind (I zuunterst, VII zuoberst).<br />

Für Details wird auf die Literatur Trümpy 2006 verwiesen. Die in<br />

der Tabelle fett gedruckten Gesteine werden nachfolgend detailliert<br />

beschrieben.<br />

WAS WANN WO<br />

Vll Ober Ostalpine Decke: Sandsteine,<br />

Raibler Schichten, Dolomit<br />

Trias Ostalpin<br />

Vl Schuppe von Ober Roggen:<br />

Kalke<br />

V Arosa-Zone: Kalke / Schiefer /<br />

Radiolarit, Ophiolith<br />

IV Klippendecke: Sulzfluh-Kalk / Flysch /<br />

Fleckenkalke und Couches Rouges<br />

c<br />

Trias / Lias<br />

(ältester Jura)<br />

Malm (jüngster<br />

Jura) / Kreide<br />

Jura / Kreide /<br />

Paläogen*<br />

Ostalpin<br />

Südpenninikum<br />

Mittelpenninikum<br />

lll Flysch Kreide / Paläogen* Nordpenninikum<br />

ll Wildflysch (Iberg-Mélange)<br />

l Drusbergdecke: z.B. Schrattenkalk<br />

Garschella-Formation, Seewen-Fm<br />

Kreide / Paläogen* Helvetikum<br />

* Der bekannte Begriff Tertiär wird heute in Paläogen und Neogen (älteres und jüngeres Tertiär) aufgeteilt.<br />

15


Afrika! Auf dem Gipfel des <strong>Roggenstock</strong><br />

Legt man die letzten Höhenmeter bis zum Gipfel des <strong>Roggenstock</strong><br />

zurück, fühlt man sich in einer anderen Welt. Es sind nicht mehr die<br />

Fichten, die sonst im Ybrig dominieren, plötzlich ist man umgeben von<br />

Föhrenbeständen. Es erinnert an den Nationalpark im Engadin oder an<br />

die Dolomiten in Italien. Der Gesteinsuntergrund bestimmt die<br />

Vegetation.<br />

Dolomit unterscheidet sich vom<br />

Kalkstein einzig durch seine<br />

chemische Zusammensetzung.<br />

Kalk ist ein reines Kalzium-<br />

Karbonat CaCO 3. Dolomit ist ein<br />

Magnesium-Kalzium-Karbonat<br />

CaMg(CO 3) 2, d.h. die Hälfte des<br />

Kalziums ist durch Magnesium<br />

ersetzt.<br />

Die gesamte Gipfelregion des <strong>Roggenstock</strong> besteht aus Dolomit, ein<br />

Gestein, das – wie der Name sagt – hauptsächlich in den Dolomiten, in<br />

den östlichen Alpen vorkommt, deshalb der Name Ostalpin für seinen<br />

Ablagerungsraum. Wir stehen auf einem Stück Ur-Afrika!<br />

Aussicht vom <strong>Roggenstock</strong> in westliche Richtung<br />

Klippen nennt man geologische<br />

Einheiten, die als isolierte Relikte<br />

oben im Deckenstapel liegen.<br />

Es können ältere Gesteine sein,<br />

umgeben von jüngeren Gesteinen<br />

oder Gesteine eines südlichen<br />

Ablagerungsraumes, die<br />

isoliert auf solchen nördlicher<br />

Herkunft liegen.<br />

16<br />

Ostalpin<br />

Penninikum<br />

Helvetikum<br />

Hantke 1996<br />

Der <strong>Roggenstock</strong> gehört zu den Zentralschweizer<br />

Klippen, da Gesteine<br />

des Ostalpin und Penninikum isoliert<br />

wie eine Insel im «Meer des<br />

Helvetikum» liegen. Die bekanntesten<br />

Klippen der Region sind jedoch<br />

zweifellos die Mythen (Penninikum<br />

isoliert auf Helvetikum). Die rote<br />

Gipfelmütze der Mythen besteht aus<br />

Couches Rouges, ein Gestein, das<br />

auch am <strong>Roggenstock</strong> vorkommt.<br />

Twäriberg Druesberg Forstberg<br />

Bergsturz<br />

Bergsturz am Druesberg<br />

Im März 1989 lösten sich von der NW-<br />

Seite des Druesberg 50'000-70'000 m 3<br />

Fels und stürzten talwärts.<br />

Zum Glück war die Alp Chalberalpeli<br />

zu jener Jahreszeit nicht bestossen<br />

und niemand kam zu Schaden.<br />

Ein Bergsturz geht mit hoher<br />

Geschwindigkeit aus Bergflanken<br />

nieder. Die Gesteinsmassen<br />

stürzen in freiem Fall. Rutschen<br />

sie hingegen auf einer Gleitschicht,<br />

spricht man von einem<br />

Bergrutsch, in der Mundart<br />

von einem «Schlipf».<br />

Die Gesteine legen sich in Falten<br />

Zur Zeit, als die alpine Gebirgsbildung im Ybrig sehr aktiv war (vor zirka<br />

60 Millionen Jahren), lagen die heute sichtbaren Gesteine unter einem<br />

Gesteinspaket von 1.5 – 5 km begraben. Deshalb waren die Gesteine<br />

«weich» genug, um sich in Falten zu legen, wie man sie heute an der<br />

Totenplangg sieht. Bei der verfalteten Gesteinsschicht handelt es sich<br />

um Schrattenkalk.<br />

Chöpfenberg Fluebrig Biet Fidisberg Schülberg<br />

Totenplangg<br />

Wie lange dauert es, bis sich 200 m dicker Kalk gebildet hat?<br />

Der Schrattenkalk ist ein typischer Kalk des helvetischen Ablagerungsraumes,<br />

der im Alpenraum markante 50 – 200 m hohe Felswände bildet. Viele<br />

Höhlensysteme befinden sich im Schrattenkalk.<br />

Am Kontinentalrand, wie es beim Schrattenkalk am Rande des Tethys-<br />

Ozeans der Fall war, beträgt die Bildungsrate von Kalk 2 – 5 cm pro 1000<br />

Jahre. Eine 200 m mächtige Wand braucht 10 – 40 Millionen Jahre Zeit zum<br />

Wachsen!<br />

17


Ozeanische Kruste im Ybrig<br />

Gesteine aus der Tiefe der Tethys<br />

Am <strong>Roggenstock</strong> und seiner Umgebung sind Gesteine vorhanden, die<br />

man heute mitten im Atlantik findet. Dies deutet darauf hin, dass sie<br />

sich einst an einem tiefen Meeresboden gebildet haben. Man findet<br />

Ophiolithe und erkaltete Lava mit Kissenstrukturen (Pillow-Lava).<br />

Auch Radiolarit, ein typisches Gestein aus der Tiefsee, kommt im Ybrig<br />

vor. All diese Gesteine wurden im tiefen Ozean des Südpenninikum<br />

gebildet. Weder Ophiolithe noch Pillow-Lava sind beim Wandern rund<br />

um den <strong>Roggenstock</strong> leicht erkenntlich. Sie kommen unzusammenhängend<br />

vor und sind selbst für Experten nur schwer auffindbar. Sie werden<br />

hier erklärt, weil sie für das Verständnis wichtig sind.<br />

Pillow-Lava oder auch Kissen-<br />

Lava genannt, bildet sich bei<br />

einem untermeerischen Vulkanausbruch.<br />

Die Lava kommt in<br />

Kontakt mit Wasser und kühlt<br />

sehr schnell ab. Dies führt zur<br />

Bildung von Wülsten und Kissen.<br />

Mit etwas Glück kann man<br />

Radiolarit im Gesteinsschutt rund<br />

um den <strong>Roggenstock</strong> finden.<br />

Radiolarit ist rötlich, manchmal<br />

grünlichgrau und sehr hart. Aber<br />

Achtung: Nicht jeder rote Stein ist<br />

Radiolarit. Wer sicher sein will,<br />

nimmt sein Taschenmesser. Kann<br />

man den Stein ritzen, ist es nicht<br />

Radiolarit, denn dieser ist härter<br />

als die Klinge und hinterlässt auf<br />

dieser Ritzspuren.<br />

18<br />

Radiolarien, deutsch Strahlentierchen,<br />

sind Kleinstlebewesen, die ausschliesslich<br />

im Ozean vorkommen. Ihr Skelett besteht<br />

aus SiO2 (Siliziumdioxid). Sie bilden<br />

den sogenannten Radiolarit in einer<br />

Meerestiefe, in der Kalk nur in gelöster<br />

Form vorkommt (heute in 4–5 km Tiefe).<br />

Ophiolithe sind eine Gruppe von<br />

Gesteinen, die sich durch basische<br />

Ergüsse (Basalte) in der Tiefe des<br />

Ozeans bilden, wenn sich zwei<br />

Platten auseinander bewegen. Es<br />

sind mehrheitlich grüne Gesteine,<br />

im Ybrig jedoch sind sie meist violettbraun.<br />

Radiolarit bei der Gesteinsausstellung<br />

auf der Fuederegg.<br />

Kalke, im flachen Meer gebildet<br />

Im Zentrum des Tethys-Ozean gab es eine Hochzone, auf der sich<br />

Flachwasserkalke bildeten. Die Gesteine des Mittelpenninikum fallen<br />

durch die hellgrau anwitternden Kalke auf. Man nennt sie auch<br />

«Sulzfluh-Kalke», weil sie an der Sulzfluh bei St. Antönien dominant<br />

vorkommen. Zusammen mit den Sulzfluh-Kalken sind die Couches<br />

Rouges die verbreiteste Gesteinsgruppe des Mittelpenninikum.<br />

Couches Rouges<br />

Blick von der Roggenhütte<br />

Das Fundament des <strong>Roggenstock</strong><br />

wird von Gesteinen des Helvetikums<br />

gebildet. Es sind vorwiegend<br />

Kalke, die am flachen Schelf<br />

am Nordrand des Tethys-Ozeans<br />

gebildet wurden. Der Schrattenkalk,<br />

der die Falte an der Totenplangg<br />

bildet und die Seewen-<br />

Formation, die im Tubenmoos<br />

vorkommt, sind zwei wichtige<br />

Vertreter aller helvetischen Kalke.<br />

<strong>Roggenstock</strong><br />

«Sulzfluh-Kalk»<br />

Couches Rouges werden rötliche Mergelkalke (tonhaltiger Kalk) genannt.<br />

Gebildet wurden sie am Ende der Kreidezeit im Ablagerungsraum des<br />

Mittelpenninikum. Die auffallendste Couches Rouges ist am Gipfel des<br />

Grossen Mythen zu sehen.<br />

Seewen-Kalk beim Tafelstandort 2<br />

im Tubenmoos. Ein sehr heller feiner<br />

Kalk, oft mit feinen, schwarzen<br />

Tonhäutchen.<br />

19


Untermeerische Sandstürme<br />

Flysche sind Zeugen untermeerischer Schlammlawinen. Es ist eine Gesteinsart,<br />

die die geologischen Verhältnisse einer Gegend erschweren,<br />

selten an der Oberfläche klar ersichtlich sind und einen Boden bilden,<br />

der bei Regenwetter schnell schlammig und rutschig wird.<br />

Flysch entsteht während gebirgsbildenden Prozessen. An der Front der sich<br />

bildenden Alpen wird der Meeresboden immer steiler. Untermeerische<br />

Rutschungen sind die Folge. Diese sogenannten Turbidite oder<br />

Trübeströme lagern sich wieder ab. Flysch entsteht. Flysch besteht oft aus<br />

sich abwechselnden Schichten von Sandstein und Tonzwischenlagen.<br />

Wildflysch hat nur indirekt mit<br />

eigentlichem Flysch zu tun. Er<br />

bezeichnet ein «tektonisches<br />

Mélange», d.h. bei der Gebirgsbildung<br />

zwischen zwei Decken<br />

eingepresstes Gesteinsmaterial.<br />

Der Wildflysch kann eigentlichen<br />

Flysch enthalten, aber auch ortsfremde<br />

Gesteinsblöcke.<br />

20<br />

Entstehung von Flyschsedimenten (Vorlage des Naturhist. Museums Bern)<br />

Biet Fidisberg Schülberg<br />

Wildflysch<br />

Roggenegg<br />

Die ortsfremden Gesteine nordöstlich<br />

der Roggenegg gehören zum<br />

Wildflysch. Ein roter knolliger Kalk<br />

bildet einen über 500 m 3 grossen<br />

Block, der wenig abseits des Weges<br />

gut zu erkunden ist.<br />

Der Berggeist heilt allerlei Gebresten<br />

Die Mineralquelle «Berggeist» ist<br />

eine stark schwefelhaltige Quelle, die<br />

bereits 1794 in einer Doktor-<br />

Dissertation untersucht wurde. Mancherlei<br />

Gebresten konnten offenbar<br />

durch Trinken dieses Wassers geheilt<br />

werden.<br />

Eine 1912 durchgeführte wissenschaftliche<br />

Analyse bestätigte den<br />

Wert der Quelle als Trinkkur. Der<br />

Schwefel des Quellwassers stammt<br />

aus Gips, der im Wildflysch vorkommt.<br />

Alte überlieferte Sprüche:<br />

Über Kater und andere Geister<br />

wird sicher nur der Berggeist Meister<br />

Verblühende Frauen malens Gesicht<br />

Sie kennen leider den Berggeist nicht<br />

komm schöne Frau und trinke<br />

dann brauchst du keine Schminke<br />

Gesunde, die über den Berggeist spotten<br />

sieht man als Kranke zur Quelle trotten<br />

Adler Hirsch und Sihlforellen<br />

sind blutsverwante Trinkgesellen<br />

solls Dir wohl wie diesen sein<br />

schenk ein Gläschen Berggeist ein<br />

Ohne Berggeist welkt die Kraft, dagegen hilft kein Gerstensaft<br />

Gips, ein wasserhaltiges<br />

Kalziumsulfat (Ca[SO 4]•2H 2O),<br />

entsteht durch Fällung aus<br />

Meerwasser durch Verduns -<br />

tung. Gips ist ein sehr weiches<br />

Mineral und wird im Baugewerbe<br />

und für die Herstellung<br />

von Schwefelsäure verwendet.<br />

Die Berggeistquelle befindet sich im Wildflysch. Dass der Begriff<br />

«Flysch» mit dem Wort «fliessen» verwandt ist, wird auf dem Weg zur<br />

Quelle sichtbar. Flysch ist nämlich sehr leicht erodierbar, und die Hänge<br />

neigen zu Sackungen und Rutschungen. <strong>Wanderweg</strong>e in Flyschhängen<br />

müssen oft repariert werden.<br />

21


Eiszeiten<br />

Kleine Endmoräne der letzten Eiszeit bei Alp Ober Roggen. Zu sehen ist auch ein<br />

alter Bergsturz am Farenstöckli.<br />

Das Eiszeitalter begann vor etwa<br />

2 Millionen Jahren und umfasst<br />

Kalt- und Warmzeiten. Nach heutigen<br />

Erkenntnissen gab es mindes -<br />

tens 15 Kaltzeiten mit markanten<br />

Gletschervorstössen. Der letzte<br />

grosse Vorstoss endete vor zirka<br />

10’000 Jahren. Die klassische<br />

Unterteilung in die vier Eiszeiten<br />

Günz, Mindel, Riss und Würm ist<br />

heute überholt, gerne aber<br />

spricht man noch von der «Riss-<br />

Eiszeit» und meint damit die grösste<br />

Vergletscherung, oder von der<br />

«Würm-Eiszeit» als der letzten<br />

Vergletscherung.<br />

Weshalb gibt es Eiszeiten?<br />

Planetare Ursachen sind für Schwankungen der Intensität der Sonnen -<br />

einstrahlung verantwortlich. Unter anderem ändern sich die Schiefe der Erdachse<br />

und die Form der Ellipse, mit der die Erde um die Sonne kreist, in<br />

Zyklen von mehreren Tausend Jahren. Auch veränderte Meeresströmungen<br />

können eine entscheidende Rolle spielen. Noch sind nicht alle Fragen restlos<br />

geklärt.<br />

22<br />

Endmoräne<br />

Historischer Bergsturz<br />

Zur Zeit der maximalsten Eisstände<br />

vor zirka 150’000 Jahren war das<br />

Gebiet des Ybrig fast vollständig mit<br />

Eis bedeckt. Nur die Gipfelpartien<br />

ragten als sogenannte «Nunataker»<br />

aus dem Eis heraus.<br />

Alp Ober Roggen<br />

Farenstöckli<br />

Vergletscherung im Ybrig zur Zeit<br />

der maximalsten Eisstände vor<br />

150’000 Jahren<br />

Gschwändstock<br />

Leimgütsch<br />

Furggelenstock<br />

Gr. Schijen<br />

Sternenegg<br />

Spitalhöchi<br />

Regenegg<br />

Waag - Gl.<br />

Minster - Gl.<br />

<strong>Roggenstock</strong><br />

Mördergruebi<br />

Spirstock<br />

Sihl - Gl.<br />

Charenstock<br />

Schwarzstock<br />

Forstberg Druesberg<br />

Gr. Sternen<br />

Stock<br />

Fahrenstock<br />

Fidisberg<br />

Schülberg<br />

Twäriberg<br />

Moor<br />

Wasserundurchlässiger Boden als Voraussetzung<br />

Für die Entstehung von Mooren ist reichlich Niederschlag und ein wasserdichter<br />

Untergrund die Voraussetzung. Dies führt zu Sauerstoffmangel<br />

und die Zersetzung von abgestorbenen Pflanzen wird gehemmt. Das<br />

organische Material häuft sich an, und im Verlaufe der Jahrhunderte bildete<br />

sich eine Torfschicht.<br />

Im Gebiet des <strong>Roggenstock</strong> sind das Hochmoor Tubenmoos<br />

(Tafelstandort 3) und die Flachmoore Fuederegg und Seebli<br />

(Tafelstandort 3a) von Bedeutung. Der notwendige wasserundurchlässige<br />

Boden ist geologisch bedingt. Wasserundurchlässiger Mergel<br />

(Gesteinsschicht aus Kalk und Ton) und/oder die eiszeitliche Lage einer<br />

Gletscherzunge können verantwortlich sein. Beim Rückzug eines<br />

Gletschers bildet sich oft ein Gletscherrandsee, in dem sich feines<br />

Material ablagert, das von Gletscherbächen geliefert wird. Es sind dies<br />

Sand, Lehm und feinste Staubpartikel, welche am Grunde des Gletschers<br />

durch Reibung entstehen. Die dadurch getrübten Gletscherwässer werden<br />

im Volksmund Gletschermilch genannt. Nicht zufällig sind viele<br />

der in der Schweiz bekannten Moore dort zu finden, wo einst eiszeitliche<br />

Gletscher das Gebiet bedeckten (z.B. Schwantenau bei Einsiedeln,<br />

Rothenthurmer Hochmoor). Die Hochmoore hatten somit mehrere 1000<br />

Jahre Zeit, zur heutigen Mächtigkeit anzuwachsen<br />

Tubenmoos mit dem <strong>Wanderweg</strong> zwischen<br />

Schlipfauweid und Roggenegg.<br />

Flachmoor<br />

2<br />

3<br />

4<br />

1 Torf<br />

2 Grundwasserspiegel<br />

3 Wasserundurchlässige Stauschicht<br />

4 Moor<br />

Hochmoor<br />

4<br />

1<br />

3<br />

Hochmoore entstehen direkt auf<br />

durchnässten Böden oder indirekt<br />

aus einem Flachmoor. Sie sind<br />

nicht mit dem Grundwasserspiegel<br />

verbunden. Die Pflanzen werden<br />

ausschliesslich von nährstoffarmem<br />

Regenwasser ernährt.<br />

Typisch sind Torfmoose, die ein<br />

hohes Wasserspeichervermögen<br />

aufweisen. Ein Hochmoor wächst<br />

zirka 1mm/Jahr.<br />

Flachmoore entstehen meist aus<br />

verlandeten Seen oder Tümpeln.<br />

Die Pflanzen erreichen mit ihren<br />

Wurzeln das Grundwasser. Sie<br />

sind nährstoffreich, und die Vegetation<br />

ist vielfältiger als jene der<br />

Hochmoore.<br />

23


Höhlen – oder wie Gesteine verwittern<br />

Kalkreiches Gestein ist anfällig auf chemische Verwitterung. In Kontakt<br />

mit Wasser wird Kalkgestein aufgelöst. Im Ybrig sind es vor allem der<br />

Schrattenkalk und die Seewen-Formation, die gut verkarstungsfähig<br />

sind. Ersichtlich ist dies einerseits an der Oberfläche, wenn sich Dolinen<br />

bilden. Typisch ist auch, dass oft eine Oberflächenentwässerung fehlt,<br />

d.h. das Wasser fliesst unterirdisch weiter. So hat z.B. der Seeblisee keinen<br />

oberirdischen Abfluss. Nicht zufällig also, dass unweit der<br />

Bergstation der Hoch-Ybrig-Luftseilbahn ein ausgedehntes System<br />

unterirdischer Gänge entdeckt wurde.<br />

Dolinen sind an der Oberfläche<br />

sichtbare Einsturztrichter. Im Untergrund<br />

wird das Gestein gelöst bis<br />

die Hohlräume zu gross werden,<br />

sodass der Boden einsackt.<br />

24<br />

Schülberg Pfannenstöckli Rütistein Twäriberg<br />

Der Seeblisee hat keinen oberirdischen Abfluss, was auf unterirdische<br />

Entwässerung und mögliche Höhlenbildung hindeutet. Ein System unterirdischer<br />

Gänge wurde unweit der Bergstation der Hoch-Ybrig-Luftseilbahn entdeckt.<br />

Karst<br />

Karst wird eine Landschaftsform<br />

bezeichnet, die durch chemische<br />

Verwitterung von hauptsächlich<br />

kalkreichem Gestein entsteht.<br />

Futter für Bücherwürmer<br />

Geeignet für Schüler und Wanderer<br />

Auf der Maur, F. & Jordan, P. 1992<br />

Geotope. Fenster in die Urzeit, ISBN 978-3-7225-6417-3<br />

Hantke, R. & Kuriger, E. 2003<br />

Überblick über die Geologie des Kantons Schwyz und seiner<br />

Nachbargebiete. In: Geologie und Geotope im Kanton Schwyz<br />

(S. Lienert, ed.). Ber. Schwyz. Natf. Ges. 14, S. 9-34<br />

Hottinger, L. 1980<br />

Wenn Steine sprechen, Birkhäuser Verlag Basel<br />

Labhart, T. 2001<br />

Geologie der Schweiz, ISBN 978-3-7225-0007-2<br />

Marthaler, M. 2005<br />

Das Matterhorn in Afrika, die Entstehung der Alpen in der<br />

Erdgeschichte. h.e.p.Verlag, 2. Auflage<br />

Press & Siever 1995<br />

Allgemeine Geologie: Eine Einführung, Spektrum, Heidelberg<br />

Weitere empfohlene Literatur<br />

Hantke, R. 1991<br />

Landschaftsgeschichte der Schweiz und ihrer Nachbargebiete – Erde –<br />

Klima – und Vegetationsgeschichte der letzten 30 Millionen Jahre,<br />

Ott Verlag Thun<br />

Heierli, H. 1982/83<br />

<strong>Geologischer</strong> Wanderführer Schweiz. Band 1, Die geologischen<br />

Grundlagen Band 2, 14 Geologische Wanderungen, Ott Verlag Thun<br />

Trümpy, R. 1985<br />

Die Plattentektonik und die Entstehung der Alpen<br />

Neujahrsblatt, Naturf. Ges. Zürich, S. 187<br />

Trümpy, R. 2006: Geologie der Iberger Klippen und ihrer Flysch<br />

Unterlage. Eclogae Geol. Helv. 99/1, S. 79-121<br />

Impressum<br />

Herausgeber<br />

Konzept, Text und Fotos<br />

Redaktion<br />

Layout<br />

Druck<br />

Verein <strong>Geologischer</strong> <strong>Wanderweg</strong> <strong>Roggenstock</strong><br />

Oberiberg<br />

Verkehrsverein Oberiberg<br />

Elsbeth Kuriger, Dipl. Natw. ETH, Geologin, Einsiedeln<br />

Lukas Inderbitzin, Dipl. phil. nat., Geologe, Schwyz<br />

Karl Faber, Oberiberg<br />

Holdi Art, Koni Holdener, Oberiberg<br />

Druckerei Franz Kälin AG, Einsiedeln<br />

1. Auflage 2007, 5000 Ex.<br />

2. Auflage 2008, 5000 Ex.


Mitglieder genies geniessen ssen exklusive VVorteile.<br />

orteilee.<br />

Raiffeisenbank Yberg<br />

/ Oberiberg Oberiberr<br />

g / Unteriberg<br />

Hauptsitz Oberiberg<br />

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