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Ausgabe 1/2008, 24. Jahrgang (pdf, 6.12 MB - Johannes Gutenberg ...

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SPORT<br />

46<br />

Abb. 3:<br />

Michel Bréal (1832-1915)<br />

aus Landau/Pfalz.<br />

Ein weiterer Hinweis für die konkrete Umsetzung<br />

finden wir im Nachlass des Gründungspräsidenten<br />

des IOC Dimitrios Vikelas im Athener Nationalarchiv.<br />

Unter dem 9.1.1896 erbittet Bréal von diesem<br />

eine Übersetzung der geplanten Eingravierung<br />

für den Marathon-Pokal ins Neugriechische. Er begründet<br />

dies damit, dass der junge siegreiche Sportler<br />

sonst die Inschrift nicht verstehen könne (8). Hat<br />

Bréal demnach bereits fest an einen griechischen<br />

Sieger geglaubt?<br />

Marathon von Athen 1896<br />

Die weitere Geschichte dieses legendären ersten<br />

Marathonlaufs der Weltgeschichte ist bekannt.<br />

Überraschend gewann der griechische<br />

Ersatzläufer Spiridon Louis, um den<br />

sich zahllose Mythen ranken. Sein<br />

Sieg vor einem weiteren Griechen,<br />

einem Ungarn und weiteren sieben<br />

Griechen ist deshalb so<br />

legendär, weil er die viel höher<br />

eingeschätzten Ausländer, den<br />

Franzosen Albin Lermusiaux,<br />

den Amerikaner Arthur Blake<br />

und den Australier Edwin<br />

Flack, geschlagen hatte. Alle<br />

drei gaben auf dem letzten<br />

Drittel der Laufstrecke offensichtlich<br />

wegen Mangel an Glykogenvorrat<br />

auf. Als einziger Ausländer<br />

konnte der Ungar Gyola Kellner<br />

mithalten, der mit sieben Minuten Rückstand<br />

auf Louis Dritter wurde. Der zweitplatzierte<br />

Grieche Charilaos Vassilakos kam kurz vorher ins<br />

Ziel. Louis, erster griechischer Olympiasieger und das<br />

noch im legendären Marathonlauf, ließ nach zahllosen<br />

Erfolgen ausländischer Leichtathleten in den<br />

Tagen zuvor die griechische Volksseele überschäumen.<br />

Immerhin waren 60.000 Griechen im Stadion<br />

und auf den Hügeln darüber. Louis wurde zum<br />

Volkshelden und erhielt am Schlusstag der<br />

Olympischen Spiele aus der Hand des Königs den von<br />

Michel Bréal gestifteten silbernen Pokal, der noch<br />

heute von seinem Enkel aufbewahrt wird. Vikelas<br />

ehrte den Ideengeber Bréal, indem er ihm am gleichen<br />

Tag, dem 10. April 1896, ein Telegramm über<br />

den erfolgreichen Verlauf und den Sieg des Griechen<br />

Spiridon Louis nach Paris sandte. Bréal bedankte sich<br />

in einem sehr netten Brief am Tag darauf und<br />

beglückwünschte Vikelas zum Erfolg der Spiele und<br />

der griechischen Sache (8).<br />

Das Verhältnis von Bréal zu Coubertin<br />

Der junge Coubertin hatte offenbar schon zu Beginn<br />

der neunziger Jahre (des 19. Jahrhunderts) erkannt,<br />

wie wichtig ein so hoch angesehener Wissenschaftler<br />

wie Michel Bréal zur Unterstützung seiner Vorhaben<br />

werden könne. Aus den elf im IOC-Archiv aufbewahrten<br />

Briefen und Karten ist abzulesen, dass Bréal den<br />

jungen engagierten Baron offenbar schätzte und<br />

seine Aktivitäten unterstützen wollte. Das Verhältnis<br />

ist aber auch dadurch charakterisiert, dass Bréal stets<br />

einen höflichen, beratenden Ton wählte. Er war ja<br />

auch eine Generation älter. Dennoch erscheint mir<br />

das Verhältnis Michel Bréals zu Coubertin von besonderer<br />

Qualität. Coubertin suchte offensichtlich<br />

in Fragen zur Antike immer wieder dessen<br />

Rat. Über 15 Jahre, zwischen<br />

1894 und 1909, hielt er Bréal regelmäßig<br />

auf dem Laufenden. Wenn<br />

man diesen Briefwechsel etwa<br />

mit demjenigen von Coubertin<br />

zum amerikanischen Präsidenten<br />

Theodore Roosevelt<br />

vergleicht, so ist er ohne eine<br />

inhaltsreiche fortführende<br />

Thematik. Das Rezept<br />

Couber-tins, sich über Briefund<br />

Bü-chersendungen engere<br />

Verbin-dung zu politisch einflussreichen<br />

Intellektuellen zu<br />

verschaffen, hatte bei Bréal nur<br />

begrenzten Erfolg. Die Tatsache, dass<br />

Coubertin in seinen vielen Schriften die<br />

Urheberschaft Bréals für die Initiative des<br />

Marathonlaufs nicht leugnete, sie aber auch nicht<br />

besonders betonte, zeigt einen Stil, der bei Coubertin<br />

häufig anzutreffen ist: Er möchte sein Lebenswerk<br />

möglichst nur mit seinen eigenen persönlichen<br />

Initiativen geschmückt wissen; im Falle von Michel<br />

Bréal konnte er dessen Urheberschaft nicht leugnen,<br />

aber auch keinen darüber hinausgehenden Nutzen<br />

ziehen. Dennoch bleibt die grandiose Idee des<br />

Marathonlaufs das Vermächt-nis eines Pfälzers.<br />

■<br />

■ Summary<br />

Born 175 years ago in Landau, Palatinate, Michel<br />

Bréal is typically known as an outstanding linguist<br />

among experts – this is also indicated on the memorial<br />

plate at his birth place. This contribution, however,<br />

shows another Bréal: the man who provided the<br />

inspiration for the Olympic marathon in Athens 1896.<br />

Based on letters between Bréal and Pierre de<br />

Coubertin, who set up the Olympic Games by founding<br />

the International Olympic Committee (IOC) in<br />

1894, the article traces the steps from the conceptualisation<br />

of the marathon to the first race in Athens<br />

in 1896.

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