Odontodysplasie - zahn-hilfe.de
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<strong>Odontodysplasie</strong><br />
Übersicht und Fallbericht<br />
Hildrun Fehske-Nitzsche, Dr. med. <strong>de</strong>nt.<br />
Max-Planck-Str. 12, 08066 Zwickau<br />
Indizes: Zahnentwicklungsstörung, Zahnzahlanomalie, Dysgnathie<br />
Zusammenfassung<br />
Die <strong>Odontodysplasie</strong> ist eine seltene, an einzelnen Zähnen eines Quadranten o<strong>de</strong>r<br />
generalisiert auftreten<strong>de</strong> Entwicklungsstörung <strong>de</strong>r Zähne unbekannter Ätiologie. Die<br />
Betreuung von Patienten mit einer <strong>Odontodysplasie</strong> stellt für die Behandler eine große<br />
Herausfor<strong>de</strong>rung dar. Da sich dieses Syndrom bereits im Milchgebiss, spätestens aber im<br />
Wechselgebiss darstellt, ist für die optimale Betreuung <strong>de</strong>r Patienten die interdisziplinäre<br />
Zusammenarbeit von Zahnärzten, Kieferorthopä<strong>de</strong>n und Kieferchirurgen beson<strong>de</strong>rs wichtig.<br />
Im vorliegen<strong>de</strong>n Fallbericht wer<strong>de</strong>n Manifestation, Diagnostik und eine über 12 Jahre<br />
währen<strong>de</strong> interdisziplinäre Behandlung einer Patientin mit regionaler <strong>Odontodysplasie</strong>,<br />
Zahnzahlanomalie und Dysgnathie durch <strong>de</strong>n Zahnarzt, Kieferorthopä<strong>de</strong>n und<br />
Kieferchirurgen beschrieben.<br />
Einleitung<br />
Die <strong>Odontodysplasie</strong> ist eine selten auftreten<strong>de</strong> Zahnentwicklungsstörung, welche sowohl<br />
mesenchymale als auch ekto<strong>de</strong>rmale Strukturen <strong>de</strong>r Zähne betrifft. 1,4,5,8,10<br />
Die Zahnentwicklung wird zu einem frühen Zeitpunkt unterbrochen, so dass hypoplastische<br />
und hypokalzifizierte Zähne entstehen. 4,10 Die Bezeichnung „<strong>Odontodysplasie</strong>“ wur<strong>de</strong><br />
erstmals 1963 von Zaggerelli et al. 12 zur Beschreibung von ungewöhnlichen Zahnanomalien<br />
unbekannter Ursache eingeführt. In <strong>de</strong>r Literatur wur<strong>de</strong> die <strong>Odontodysplasie</strong> bis heute unter<br />
verschie<strong>de</strong>nen Synonymen beschrieben wor<strong>de</strong>n: 11<br />
- Zahnbildungshemmung (McCall und Wald 1947),<br />
- lokale Zahnbildungshemmung (Suher et al. 1953)<br />
- Odontogenesis imperfecta (Chaudry et al. 1961),<br />
- odontogene Dysplasie (Sibley und Silbermann 1962),<br />
- einseitige Zahnmissbildung (Bergmen et al. 1963),<br />
- lokalisierte Hypoplasie, „Turner teeth“ (Worth 1963),<br />
- ghost teeth (Rushton 1965, Lian et al. 1988) sowie<br />
- regionale <strong>Odontodysplasie</strong> (Pindborg 1970).
Die Mannigfaltigkeit <strong>de</strong>r Synonyma ver<strong>de</strong>utlicht die Schwierigkeit, die Merkmale dieser<br />
Zahnentwicklungsstörung zusammenzufassen. Patienten mit einer <strong>Odontodysplasie</strong><br />
bedürfen einer komplexen Behandlung, welche frühzeitige Diagnostik, langfristige<br />
Behandlungsplanung und interdisziplinäre Zusammenarbeit einschließt.<br />
<strong>Odontodysplasie</strong><br />
Epi<strong>de</strong>miologie<br />
Bezüglich <strong>de</strong>r Epi<strong>de</strong>miologie <strong>de</strong>r <strong>Odontodysplasie</strong> gibt es nur ungenaue Angaben. Die<br />
Anomalie tritt bei bei<strong>de</strong>n Geschlechtern auf, Mädchen sind mit einem Verhältnis von 1,4:1<br />
etwas häufiger betroffen als Jungen. 1,8,10,11 Da die <strong>Odontodysplasie</strong> sowohl die Milchzähne<br />
als auch die bleiben<strong>de</strong> Dentition betreffen kann, ist eine Aussage über die Altersverteilung<br />
bezüglich <strong>de</strong>r Ent<strong>de</strong>ckung <strong>de</strong>r Anomalie nicht möglich. Eine rassenspezifische Häufung ist<br />
nicht erkennbar. 1,4,11<br />
In <strong>de</strong>r Literatur wer<strong>de</strong>n nur Einzelfälle beschrieben, da diese Erkrankung sehr selten auftritt.<br />
Daher sind prozentuale Angaben, die Häufigkeit <strong>de</strong>r <strong>Odontodysplasie</strong> betreffend, nicht<br />
bekannt.<br />
Ätiologie<br />
Die Ätiologie <strong>de</strong>r <strong>Odontodysplasie</strong> ist bis heute nicht ein<strong>de</strong>utig geklärt. Es wer<strong>de</strong>n<br />
verschie<strong>de</strong>ne Faktoren wie metabolische Störungen, lokales Trauma, Infektionen,<br />
Röntgenstrahlung, gestörte Migration <strong>de</strong>r Neuralleistenzellen, virusbedingte Schädigung <strong>de</strong>r<br />
Nerventrophik, Hyperpyrexie, Auftreten in Verbindung mit Hämangiomen,<br />
Rhesusfaktorinkompatibilität o<strong>de</strong>r genetische Faktoren diskutiert. 1,3,5,6,10 Trotz <strong>de</strong>r noch<br />
ungeklärten Ätiologie <strong>de</strong>r <strong>Odontodysplasie</strong> ist sicher, dass die Ursachen bei <strong>de</strong>r Bildung<br />
sowohl <strong>de</strong>r Milchzähne als auch <strong>de</strong>r bleiben<strong>de</strong>n Zähne wirken, da sich diese Missbildung in<br />
bei<strong>de</strong>n Dentitionen zeigen kann.<br />
Klinische Befun<strong>de</strong><br />
Sind bei einem Patienten die Milchzähne betroffen, zeigt sich die Anomalie auch an <strong>de</strong>n<br />
entsprechen<strong>de</strong>n Zähnen <strong>de</strong>r permanenten Dentition. Selten tritt die <strong>Odontodysplasie</strong> nur im<br />
bleiben<strong>de</strong>n Gebiss auf. 1,11 Es gibt kein bestimmtes Alter, in welchem die Anomalie erkannt<br />
wird. Erste klinische Zeichen einer <strong>Odontodysplasie</strong> zeigen sich durch einen verzögerten<br />
bzw. fehlen<strong>de</strong>n Durchbruch <strong>de</strong>r Milchzähne. 3,4,8 Die Patienten wer<strong>de</strong>n wegen starker<br />
Schmerzen und wegen rezidivieren<strong>de</strong>r periapikaler o<strong>de</strong>r gingivaler Abszesse in <strong>de</strong>r<br />
betroffenen Region vorstellig. Diese Abszesse treten meist zuerst an <strong>de</strong>n noch nicht<br />
durchgebrochenen Zähnen auf.
Bei <strong>de</strong>r <strong>Odontodysplasie</strong> ist beson<strong>de</strong>rs interessant, dass Abszesse oft ohne erkennbare<br />
Karies entstehen. Durch die hypoplastischen und hypokalzifizierten Schmelz- und<br />
Dentinschichten besteht oftmals eine direkte Kommunikation von <strong>de</strong>r Schmelzoberfläche zur<br />
Pulpa. 5 So können Bakterien relativ ungehin<strong>de</strong>rt bis zur Pulpa vordringen, dies erklärt die<br />
rasche Abszedierung. Die betroffenen Zähne sind kleiner als normal. Auffällig ist die<br />
hypoplastisch missgebil<strong>de</strong>te Kronenform. Beson<strong>de</strong>rs die Okklusalfläche ist irregulär<br />
ausgebil<strong>de</strong>t. Es zeigen sich Furchen, Schmelzausplatzungen und Grübchen. Die Zähne sind<br />
gelb bis gelblich-braun verfärbt. Die Schmelz- und Dentinschichten sind sehr weich. 4,5,9,10,11<br />
Die <strong>Odontodysplasie</strong> befällt in <strong>de</strong>r Regel die Zähne eines Kiefers. Dabei kann sie innerhalb<br />
eines je<strong>de</strong>n Gebisssegmentes auftreten. 1,5,7 Die Maxilla ist häufiger betroffen als die<br />
Mandibula (Verhältnis 2,5:1). Die Häufigkeitsverhältnisse <strong>de</strong>r einzelnen Quadranten sind:<br />
Oberkiefer links (3,4), Oberkiefer rechts (2,4), Unterkiefer rechts (1,4) und Unterkiefer rechts<br />
(1). 1 Die Häufigkeit <strong>de</strong>r Missbildung bezüglich <strong>de</strong>r einzelnen Zahngruppen nimmt nach<br />
posterior ab. In <strong>de</strong>r Regel befällt die Missbildung mehrere Zähne hintereinan<strong>de</strong>r. In <strong>de</strong>n<br />
seltensten Fällen überspringt die <strong>Odontodysplasie</strong> einzelne Zähne. Eine äußerst seltene<br />
Form ist die „generalisierte <strong>Odontodysplasie</strong>“.<br />
Radiologische Befun<strong>de</strong><br />
Betroffene Zähne geben einen <strong>de</strong>utlich schwächeren Röntgenkontrast als gesun<strong>de</strong> Zähne.<br />
Die Schmelzschicht lässt sich schlecht von <strong>de</strong>r Dentinschicht abgrenzen. 2 Die Dentinschicht<br />
ist sehr dünn. Sowohl die Kronen- als auch die Wurzelpulpen <strong>de</strong>r befallenen Zähne<br />
erscheinen überdimensional groß. Die Zähne haben ein verschwommenes, fleckiges<br />
Erscheinungsbild. Dieses geisterhafte Aussehen führte zu <strong>de</strong>r Bezeichnung „ghost teeth“<br />
(Geisterzähne). 1,2,4,5 Die Wurzeln sind sehr kurz und besitzen ein weit offenes Foramen<br />
apicale. Periapikale Aufhellungen sind nicht selten. Das Wurzelwachstum ist <strong>de</strong>utlich<br />
verzögert. 1,8,11<br />
Fallbericht<br />
Allgemeinmedizinische Anamnese<br />
1990 stellte sich die Patientin im Alter von 4 Jahren erstmals vor. Die Patientin ist ein<br />
Zwilling, wobei ihr Geschwister eine Totgeburt war. 1987 erkrankte sie an einer Meningitis,<br />
bei welcher Diplococcen nachgewiesen wur<strong>de</strong>n. Als Kin<strong>de</strong>rkrankheiten traten Mumps und<br />
Röteln auf. 1992 musste sie wegen einer Pyelonephritis längere Zeit stationär behan<strong>de</strong>lt<br />
wer<strong>de</strong>n. Die Kin<strong>de</strong>rärztin bestätigte eine etwas retardierte Entwicklung <strong>de</strong>s Kin<strong>de</strong>s. Der<br />
Allgemeinzustand war gut.
Zahnmedizinische Befun<strong>de</strong> bei Erstvorstellung 1990<br />
Das Kind hatte ein altersgerecht entwickeltes, saniertes kariesfreies Milchgebiss. Auffällig<br />
waren eine Doppelbildung <strong>de</strong>s Zahnes 73 und eine sagittale Stufe von 10 mm. Bei <strong>de</strong>r<br />
Erstvorstellung im Juni 1990 war die linke Wange diffus geschwollen und <strong>de</strong>r Zahn 75<br />
klopfempfindlich.<br />
Diagnose und Therapie<br />
Es lag eine akute apikale Parodontitis am Zahn 75 vor. Nach Trepanation von 75, Inzision<br />
und antibiotischer Therapie konnte <strong>de</strong>r Zahn 75 unter Lokalanästhesie extrahiert wer<strong>de</strong>n.<br />
Weiterer Behandlungsverlauf<br />
1991<br />
Im Mai 1991 stellte sich die Patientin erneut mit einer einseitigen perimandibulären<br />
Schwellung und leicht erhöhter Temperatur vor. Am Zahn 74 lag eine akute apikale<br />
Parodontitis vor. Wegen scheinbar sicherer klinischer Zeichen wur<strong>de</strong> zu diesem Zeitpunkt<br />
auf Röntgendiagnostik verzichtet. Nach Trepanation <strong>de</strong>s Zahnes 74, Inzision und<br />
antibiotischer Therapie konnte 74 unter Lokalanästhesie extrahiert wer<strong>de</strong>n.<br />
Bis 1994 wur<strong>de</strong> die Patientin regelmäßig betreut. Die Befun<strong>de</strong> entsprachen <strong>de</strong>nen eines<br />
wenig kariesaktiven Wechselgebisses.<br />
1994<br />
Im April 1994 klagte die Patientin wie<strong>de</strong>rum über Beschwer<strong>de</strong>n im Unterkiefer links.<br />
Die Gingiva in regio 36 war stark geschwollen und sehr druckdolent. Der Zahn 36 war im<br />
Durchbruch (Abb. 1). Der Schmelz wies hypoplastische Verän<strong>de</strong>rungen auf. Der Zahn war<br />
temperatur- und berührungsempfindlich. Das Röntgenbild (Abb. 2) zeigt sowohl am<br />
durchbrechen<strong>de</strong>n Zahn 36 als auch an <strong>de</strong>n noch vollständig von Knochen umgebenen<br />
Zähnen 34 und 35 dünne Hartsubstanzmäntel und großlumige Pulpen.<br />
Das Orthopantomogramm (Abb. 3) stellt das Wechselgebiss mit <strong>de</strong>n für die <strong>Odontodysplasie</strong><br />
typischen Merkmalen im linken Unterkiefer dar. Alle Weisheitszähne sind angelegt. In<br />
regiones 16 und 26 projizierten sich überzählige Zahnanlagen.<br />
Aufgrund <strong>de</strong>r klinischen (Abb. 1) und röntgenologischen Befun<strong>de</strong> (Abb. 2 und 3) wur<strong>de</strong> die<br />
Diagnose „regionale <strong>Odontodysplasie</strong>“ gestellt.
Abb. 1 Die intraorale Aufnahme vom April 1994 zeigt <strong>de</strong>n im Durchbruch befindlichen Zahn 36,<br />
eine massive Gingivaschwellung um <strong>de</strong>n Zahn 36 und die Doppelbildung <strong>de</strong>s Zahnes 73.<br />
Abb. 2 Der Zahnfilm <strong>de</strong>s Zahnes 36 vom April 1994 zeigt dünne Hartsubstanzmäntel und<br />
großlumige Pulpen bei <strong>de</strong>n Zähnen 34, 35, 36. Der Zahn 36 weist ein reduziertes<br />
Wurzelwachstum und weite Foramina apicalia auf. Zahn 38 ist angelegt.<br />
Abb. 3 Das Orthopantomogramm von 1994 zeigt ein Wechselgebiss mit überzähligen Anlagen<br />
in regiones 16 und 26; Anlage aller Weisheitszähne; Aplasie <strong>de</strong>s Zahnes 32; Doppelbildung <strong>de</strong>s<br />
Zahnes 73; Geisterzähne 33, 34, 35, 36.<br />
Alter <strong>de</strong>r Patientin: 7 Jahre und 10 Monate
1995<br />
Im Januar 1995 stellte sich die Patientin mit einer Fistel in regio 36 vor. Die Patientin gab<br />
Sensibilität am Zahn 36 an. Retrospektiv muss dies wohl als falsch positive Aussage<br />
gewertet wer<strong>de</strong>n. Es wur<strong>de</strong> inzidiert und <strong>de</strong>r Zahn 36 belassen. Nach <strong>de</strong>r Akutbehandlung<br />
erfolgte die Überweisung in die Kieferorthopädie. Die Mo<strong>de</strong>llfotos (Abb. 4a bis c) zeigen <strong>de</strong>n<br />
Ausgangsbefund in <strong>de</strong>r Kieferorthopädie. Die Behandlung <strong>de</strong>s Platzmangels im Oberkiefer<br />
und <strong>de</strong>r sagittalen Stufe wur<strong>de</strong> mit einer Oberkiefer<strong>de</strong>hnplatte begonnen. Aufgrund mäßiger<br />
Mitarbeit stellte sich <strong>de</strong>r Behandlungserfolg jedoch nur langsam ein.<br />
Im Juli 1995 zeigte sich eine Fistel in regio 37. Der Zahn 37 war <strong>de</strong>rzeit noch nicht im<br />
Durchbruch. Der Zahn 36 wies Lockerungsgrad 1 auf.<br />
Im August 1995 wur<strong>de</strong> in <strong>de</strong>r Kieferorthopädie ein Kontrollorthopantomogramm angefertigt<br />
(Abb. 5). Die Zahnkronen <strong>de</strong>r Weisheitszähne stellen sich inzwischen verkalkt dar. Um <strong>de</strong>n<br />
verlagerten Zahn 33 zeigt sich eine zystische Aufhellung. Die Zahnkeime 34 und 35 sind<br />
noch vollständig von Knochen umgeben. Der mesiale Anteil von 37 weist Entkalkungen im<br />
Zahnschmelz auf. Der distale Bereich zeigt normale Schmelz–Dentin-Verhältnisse.<br />
Abb. 4a bis c Mo<strong>de</strong>llfotografien vom Ausgangsbefund in <strong>de</strong>r Kieferorthopädie vom Januar<br />
1995. Alter <strong>de</strong>r Patientin: 8½ Jahre<br />
Abb. 5 Orthopantomogramm vom August 1995 mit folgen<strong>de</strong>n Befun<strong>de</strong>n: an <strong>de</strong>n Zähnen 33, 34,<br />
35, 36 kaum Weiterentwicklung <strong>de</strong>r Wurzeln; kein Hartsubstanzzuwachs; überzählige<br />
Zahnanlagen in regiones 16, 26, Aplasie <strong>de</strong>s Zahnes 32; zystische Aufhellung um <strong>de</strong>n<br />
verlagerten Zahn 33
1996<br />
Im Januar 1996 klagte die Patientin erneut über starke Schmerzen am Zahn 36. Die<br />
Sensibilität war negativ. Es wur<strong>de</strong> trepaniert und wenig später extrahiert. Der Zahnfilm (Abb.<br />
6) zeigt eine diffuse Knochenaufhellung periapikal 36. Deutlich wird, dass <strong>de</strong>r Zahn 36 zu<br />
einem früheren Zeitpunkt hätte extrahiert wer<strong>de</strong>n müssen, <strong>de</strong>nn durch die kaum vorhan<strong>de</strong>ne<br />
Schmelz-Dentin-Schicht war es auch ohne klinisch erkennbare Karies zu fortgeleiteten<br />
Infektionen mit rezidivieren<strong>de</strong>n Abszessen gekommen.<br />
Die kieferorthopädische Behandlung wur<strong>de</strong> zur Therapie <strong>de</strong>r sagittalen Stufe und zur<br />
Regulation <strong>de</strong>r Dyskinesie <strong>de</strong>r perioralen Weichteile mit einem Funktionsregler nach Fränkel<br />
Typ II fortgesetzt, als die Patientin 10 Jahre alt war. Das Gerät wur<strong>de</strong> von <strong>de</strong>r Patientin nur<br />
unregelmäßig getragen. Nach 1½ Jahren betrug die sagittale Stufe noch immer 9 mm.<br />
Abb. 6 Der Zahnfilm <strong>de</strong>s Zahnes 36 vom Januar 1996 zeigt eine periapikale Aufhellung sowie<br />
<strong>de</strong>n dünnen Hartsubstanzmantel am Zahn 36 mit Kommunikation zur Pulpa. An <strong>de</strong>n Zähnen 34<br />
und 35 lässt sich kein nachweisbares Wurzelwachstum erkennen.<br />
1997<br />
Im September 1997 wur<strong>de</strong> am Zahn 37 eine Caries profunda diagnostiziert. Der Zahn war<br />
längere Zeit von einer Zahnfleischkapuze be<strong>de</strong>ckt gewesen. Nach schrittweiser<br />
Kariesentfernung wur<strong>de</strong> <strong>de</strong>r Zahn 37 mit einer dreiflächigen Füllung versorgt. Die Zähne 34<br />
und 35 waren zu diesem Zeitpunkt noch immer nicht durchgebrochen. Zwischenzeitlich<br />
wur<strong>de</strong> die Patientin lei<strong>de</strong>r nicht in <strong>de</strong>r Praxis vorstellig, auch Kontrolltermine in <strong>de</strong>r<br />
Kieferorthopädie wur<strong>de</strong>n nur unregelmäßig wahrgenommen.<br />
Das Fernröntgenbild vom Dezember 1997 (Abb. 7) zeigt, dass sich die Relation von Unter-<br />
und Oberkiefer zueinan<strong>de</strong>r noch nicht ausreichend geän<strong>de</strong>rt hatte. Die<br />
Oberkieferschnei<strong>de</strong>zähne stan<strong>de</strong>n noch immer stark protrudiert. Daraufhin erfolgte die<br />
Entscheidung, die Zähne 14 und 24 zu extrahieren.
Abb. 7 In <strong>de</strong>r Fernröntgenaufnahme vom Dezember 1997 wird die starke Protrusion <strong>de</strong>r<br />
Oberkieferfront und die unzureichen<strong>de</strong> Än<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>r Relation von Ober- und Unterkiefer<br />
<strong>de</strong>utlich. Alter <strong>de</strong>r Patientin: 10¼ Jahre<br />
1998/1999<br />
Die Distalisation <strong>de</strong>r Oberkieferfront erfolgte nach <strong>de</strong>r Extraktion <strong>de</strong>r Zähne 14 und 24 im<br />
Januar 1998. Ab September 1999 trug die Patientin zusätzlich zum Multiband einen<br />
modifizierten elastisch offenen Aktivator. Parallel zu Akutbehandlungen und<br />
kieferorthopädischen Maßnahmen wur<strong>de</strong> die Patientin mit individualprophylaktischen<br />
Maßnahmen, wie Intensivmotivation, Fissurenversiegelung sowie Fluoridierung versorgt. Ein<br />
Kontrollorthopantomogramm vom Dezember 1999 (Abb. 8) zeigt <strong>de</strong>n erfolgten<br />
Lückenschluss im Oberkiefer mittels Multiband. Zusätzlich zu <strong>de</strong>n überzähligen Anlagen, die<br />
sich durch die Extraktion <strong>de</strong>r Zähne 14 und 24 und erfolgtem Lückenschluss nun in regiones<br />
17 und 27 projizieren, zeigt sich eine überzählige Anlage regio 44. Der Zahn 35 ist<br />
inzwischen durchgebrochen und steht im Lückenschluss zu 37.<br />
Abb. 8 Das Orthopantomogramm vom Dezember 1999 zeigt <strong>de</strong>n Lückenschluss im Oberkiefer<br />
nach Extraktionen <strong>de</strong>r Zähne 14 und 24 mittels Multiband. Die überzähligen Anlagen projizieren<br />
sich durch <strong>de</strong>n Lückenschluss in regiones 17, 27. Weiterhin ist eine überzählige Zahnanlage in<br />
regio 44 sichtbar. Weitere Befun<strong>de</strong>: zystische koronale Aufhellung um <strong>de</strong>n verlagerten Zahn 33<br />
und Aplasie <strong>de</strong>s Zahnes 32. Alter <strong>de</strong>r Patientin: 13¼ Jahre
2000<br />
Im August 2000 erfolgte die Überweisung zum Kieferchirurgen. Aufgrund <strong>de</strong>s großen<br />
Behandlungsumfanges entschied <strong>de</strong>r Kieferchirurg, die überzähligen Zahnanlagen regiones<br />
17, 27 und 44, die missgebil<strong>de</strong>ten Zähne 33 und 34, die Doppelbildung 73 (Abb. 9 und 10)<br />
sowie die Zyste regio 33 in Allgemeinanästhesie zu entfernen. Die histologische<br />
Untersuchung <strong>de</strong>s Gewebes regio 33 bestätigte die klinische Diagnose einer follikulären<br />
Zyste.<br />
Abb. 9 Im August 2000 in Allgemeinanästhesie entferntes Zahnmaterial von rechts nach links,<br />
obere Reihe: Paramolar regio 17, Paramolar regio 27, Paraprämolar regio 44, untere Reihe:<br />
Zahn 34, Fragmente <strong>de</strong>s Zahnes 33, Doppelbildung <strong>de</strong>s Zahnes 73<br />
Abb. 10 Am Zahn 34 sind <strong>de</strong>utlich die unregelmäßige Zahnoberfläche und das Missverhältnis<br />
zwischen Kronen- und Wurzellänge zu erkennen.
2001<br />
Die Röntgenkontrolle vom Juni 2001 (Abb. 11) zeigt <strong>de</strong>n Zustand 10 Monate nach <strong>de</strong>r<br />
Behandlung in Allgemeinanästhesie. Die durch die Operation entstan<strong>de</strong>nen Knochenhöhlen<br />
haben sich bis zu diesem Zeitpunkt vollständig knöchern regeneriert. Der Zahn 35 weist die<br />
für die <strong>Odontodysplasie</strong> charakteristischen radiologischen Befun<strong>de</strong> auf. 38 scheint von <strong>de</strong>r<br />
Zahnentwicklungsstörung nicht betroffen zu sein.<br />
Abb. 11 Das Orthopantomogramm vom Juni 2001 zeigt <strong>de</strong>n Zustand 10 Monate nach<br />
Behandlung in Allgemeinanästhesie. Die durch die Operation entstan<strong>de</strong>nen Knochenhöhlen<br />
sind vollständig knöchern regeneriert. Der Zahn 35 steht im Lückenschluss zum Zahn 37.<br />
2001/2002<br />
Im August 2001 wur<strong>de</strong> die Multiband-Apparatur entfernt und ein Aktivator zur Retention<br />
eingeglie<strong>de</strong>rt. Der Aktivator wur<strong>de</strong> im Januar 2002 erneuert. Die Abschlussmo<strong>de</strong>lle <strong>de</strong>r<br />
Kieferorthopädie (Abb. 12a bis c) zeigen ein zufrie<strong>de</strong>nstellen<strong>de</strong>s Behandlungsergebnis.<br />
Aufgrund <strong>de</strong>s hypoplastischen Schmelzes am Zahn 35 (Abb. 13) ist dieser beson<strong>de</strong>rs<br />
kariesgefähr<strong>de</strong>t. Des weiteren klagte die Patientin über erhöhte Temperaturempfindung am<br />
Zahn 35. Es erfolgten zunächst Fluoridierungen mittels Lackapplikation (Duraphat , Fa.<br />
Colgate-Palmolive GmbH, Hamburg) und später eine großflächige Ab<strong>de</strong>ckung von<br />
Schmelzausbrüchen mit einem flowable Komposit (Tetric flow , Fa. Viva<strong>de</strong>nt Dental GmbH,<br />
Ellwangen). Dazu wur<strong>de</strong> unter maximaler Schonung <strong>de</strong>r Hartsubstanz <strong>de</strong>r Schmelz<br />
angeschrägt, mit 37%igem Phosphorsäuregel (3M , Fa. Espe AG Dental Products, Seefeld)<br />
sowohl Schmelz als auch Dentin angeätzt, ein auf das Kompositsystem abgestimmtes<br />
Bonding (Syntac , Fa. Viva<strong>de</strong>nt Dental GmbH, Ellwangen) und das zu diesem Zeitpunkt in<br />
<strong>de</strong>r Praxis einzig verfügbare fließfähige Füllungsmaterial appliziert.
Abb. 12a bis c Mo<strong>de</strong>llfotografien vom Abschlussbefund in <strong>de</strong>r Kieferorthopädie vom Januar<br />
2002 nach 7½- jähriger kieferorthopädischer Behandlung, Alter <strong>de</strong>r Patientin: 15½ Jahre<br />
Abb. 13 Zahn 35 mit hypoplastischem Schmelz. Die gelbliche Verfärbung resultiert von einer<br />
Duraphat -Touchierung.<br />
2002/2003<br />
Der Erfolg <strong>de</strong>r Füllungstherapie am Zahn 35 war nur von kurzer Dauer. Aufgrund <strong>de</strong>r<br />
großflächigen Schmelz<strong>de</strong>fekte und geringen Retentionsmöglichkeiten war eine Versorgung<br />
mit adhäsiven Füllungsmaterialien nicht mehr möglich. Der Zahn ist vital und soll so lang wie<br />
möglich zur Stabilisierung <strong>de</strong>r vertikalen und horizontalen Dimension <strong>de</strong>s Kieferkammes<br />
erhalten wer<strong>de</strong>n. Im Oktober 2002 wur<strong>de</strong> <strong>de</strong>r Zahn 35 mit einer konfektionierten Stahlkrone<br />
(3M , Größe D4 aus Standard-Set ND 96, Fa. Espe AG Dental Products, Seefeld) versorgt<br />
(Abb. 14a und b). Trotz <strong>de</strong>r Tatsache, dass dieses Sortiment <strong>de</strong>r konfektionierten Kronen für<br />
Milchzähne konzipiert ist, konnte die konfektionierten Krone D4 gut konturiert wer<strong>de</strong>n, weist<br />
subgingival einen guten Randschluss auf und wird so <strong>de</strong>n Anfor<strong>de</strong>rungen an ein<br />
Langzeitprovisorium gerecht.<br />
Der von <strong>de</strong>r Kieferorthopädie zur Retention <strong>de</strong>s Behandlungsergebnisses eingesetzte<br />
Aktivator wur<strong>de</strong> von <strong>de</strong>r Patientin aufgrund mangeln<strong>de</strong>r Compliance nur unzureichend<br />
getragen, so dass sich innerhalb eines Jahres die Oberkieferseitenzähne links aufgrund <strong>de</strong>r<br />
fehlen<strong>de</strong>n Abstützung zu verlängern begannen. Die Planungsmo<strong>de</strong>lle vom Oktober 2002<br />
(Abb. 15a bis c) zeigen die komplizierten Verhältnisse <strong>de</strong>r linken Seite.
Im Dezember 2002 wur<strong>de</strong> ein Lückenhalter mit Ersatz <strong>de</strong>r Zähne 32, 33 und 34 angefertigt<br />
(Abb. 16 und 17). Die Verankerung <strong>de</strong>s Lückenhalters wur<strong>de</strong> aufgrund <strong>de</strong>r ungünstigen<br />
Platzverhältnisse mittels Kugelknopfankern gelöst. Der Ersatz <strong>de</strong>r Zähne 32 bis 34 wur<strong>de</strong><br />
durch <strong>de</strong>n Zahntechniker aus ästhetischen Grün<strong>de</strong>n mittels Eck<strong>zahn</strong> und zweier Prämolaren<br />
realisiert. Zu Kontrollsitzungen war die Patientin bezüglich <strong>de</strong>r Ästhetik und Kaufunktion mit<br />
<strong>de</strong>r Versorgung <strong>de</strong>s linken Unterkiefers sehr zufrie<strong>de</strong>n. Die vorerst letzte Kontrolle am 22.<br />
Mai 2003; mit <strong>de</strong>r Patientin wur<strong>de</strong> ein vierteljährliches Recall vereinbart.<br />
Abb. 14a und b Der Zahn 35 wur<strong>de</strong> aufgrund <strong>de</strong>s schlechten Haltes eines flowable Komposits<br />
mit einer E<strong>de</strong>lstahlkrone versorgt.<br />
Abb. 15 a bis c Mo<strong>de</strong>llfotografien <strong>de</strong>s Planungsmo<strong>de</strong>lls vom Dezember 2002<br />
Durch nur unregelmäßiges Tragen <strong>de</strong>s zur Retention <strong>de</strong>s kieferorthopädischen<br />
Behandlungsergebnisses und zur Abstützung <strong>de</strong>r Oberkieferseitenzähne eingesetzten<br />
Aktivators kam es zur Elongation <strong>de</strong>r Oberkieferseitenzähne links.<br />
Abb. 16 Unterkieferlückenhalter zum Ersatz <strong>de</strong>r Zähne 32, 33 und 34
Die Verankerung <strong>de</strong>s Lückenhalters wur<strong>de</strong> aufgrund ungünstiger Platzverhältnisse mittels<br />
Kugelknopfanker gelöst. Der Ersatz <strong>de</strong>r Zähne 32 bis 34 wur<strong>de</strong> durch <strong>de</strong>n Zahntechniker<br />
aus ästhetischen Grün<strong>de</strong>n mittels Eck<strong>zahn</strong> und zweier Prämolaren realisiert.<br />
Abb. 17 Lückenhalter zum Ersatz <strong>de</strong>r Zähne 32, 33 und 34 in situ<br />
Diskussion und Schlussfolgerungen<br />
Im vorliegen<strong>de</strong>n Fall konnte eine typische „regionale <strong>Odontodysplasie</strong>“ diagnostiziert<br />
wer<strong>de</strong>n. Darüber hinaus lagen eine Zahnzahlanomalie (Paramolaren beidseits im<br />
Oberkiefer, Paraprämolar im rechten Unterkiefer, Aplasie von Zahn 32) und eine Dysgnathie<br />
(sagittale Stufe von 10 mm, Platzmangel im Oberkiefer) vor. Aus diesem komplexen<br />
Behandlungsfall ergeben sich folgen<strong>de</strong> Behandlungsziele: Verhin<strong>de</strong>rung von Infektionen<br />
durch frühzeitige Entfernung <strong>de</strong>r missgebil<strong>de</strong>ten Zähne, Entfernung überzähliger<br />
Zahnanlagen, Beseitigung <strong>de</strong>r Dysgnathie, Prophylaxe einer möglichen<br />
Alveolarkammresorption, Verhin<strong>de</strong>rung möglicher Elongationen <strong>de</strong>r Antagonisten und als<br />
Hauptziel die umfassen<strong>de</strong> Rehabilitation <strong>de</strong>r Kaufunktion.<br />
Das Auftreten dieser Entwicklungsstörung in einem Kieferquadranten, das typische klinische<br />
als auch radiologische Bild sind kennzeichnend für die <strong>Odontodysplasie</strong>. Die Diagnose<br />
wur<strong>de</strong> aufgrund scheinbar ein<strong>de</strong>utiger klinischer Befun<strong>de</strong> erst zu einem späteren Zeitpunkt<br />
gestellt, als es wegen <strong>de</strong>r kaum vorhan<strong>de</strong>nen Schmelz-Dentin-Schicht am Zahn 36 auch<br />
ohne klinisch erkennbare Karies zu fortgeleiteten Infektionen mit rezidivieren<strong>de</strong>n Abszessen<br />
kam. Weiterhin war auffällig, dass im Vergleich zu <strong>de</strong>n an<strong>de</strong>ren Kieferquadranten <strong>de</strong>r<br />
Zahndurchbruch stark verzögert war. Die Diagnose „regionale <strong>Odontodysplasie</strong>“ wur<strong>de</strong><br />
zunächst radiologisch durch einen Zahnfilm, später durch ein Orthopantomogramm<br />
gesichert. Bezüglich <strong>de</strong>r Ätiologie im vorliegen<strong>de</strong>n Fall wäre hypothetisch eine intrauterine<br />
Schädigung <strong>de</strong>nkbar, da anamnestisch die Totgeburt <strong>de</strong>s zweiten Zwillings und die leicht<br />
retardierte Entwicklung <strong>de</strong>r Patientin angegeben wur<strong>de</strong>. Der hier dokumentierte<br />
Behandlungszeitraum erstreckt sich über 12 Jahre und ist noch längst nicht abgeschlossen.
Bis zum Zeitpunkt <strong>de</strong>r <strong>de</strong>finitiven Lückenversorgung im linken Unterkiefer nach<br />
Kieferwachstumsabschluss wer<strong>de</strong>n min<strong>de</strong>stens noch weitere 3 bis 4 Jahre vergehen.<br />
Über die Möglichkeit <strong>de</strong>r Versorgung <strong>de</strong>s linken Unterkiefers mittels implantatgetragenen<br />
Zahnersatzes wur<strong>de</strong> interdisziplinär (Kieferchirurgie, Kieferorthopädie, Zahnarzt) beraten,<br />
und die Patientin und ihre Eltern wur<strong>de</strong>n aufgeklärt. Bevor <strong>de</strong>r linke Unterkiefer mit<br />
Implantaten versorgt wer<strong>de</strong>n kann, bedarf es einer Vorbereitung <strong>de</strong>s Implantatbetts, da <strong>de</strong>r<br />
Kiefer stark atrophiert ist. Deutlich wird in diesem Zusammenhang, dass <strong>de</strong>r Zahn 36 zu<br />
einem früheren Zeitpunkt hätte extrahiert wer<strong>de</strong>n müssen. Zum einen war es aufgrund <strong>de</strong>r<br />
dünnen Schmelz-Dentin-Schicht zu fortgeleiteten Infektionen mit rezidivieren<strong>de</strong>n Abszessen<br />
gekommen, was ein Extraktionsgrund hätte sein müssen. An<strong>de</strong>rerseits hätte sich durch<br />
Mesialwan<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>s Zahnes 37 nach <strong>de</strong>r Extraktion <strong>de</strong>s Zahnes 36 die Lückensituation<br />
günstiger dargestellt, zumal gera<strong>de</strong> auf <strong>de</strong>r linken Seite eine Aplasie <strong>de</strong>s Zahnes 32 vorliegt<br />
und so die Lücke zusätzlich vergrößert wird. Deshalb wird auch intensiv versucht, <strong>de</strong>n Zahn<br />
35 zu erhalten, um die horizontale und vertikale Dimension <strong>de</strong>s Kieferkammes zu sichern.<br />
Aufgrund <strong>de</strong>s fehlen<strong>de</strong>n Antagonismus im linken Seit<strong>zahn</strong>gebiet muss einer Elongation <strong>de</strong>r<br />
Oberkieferseitenzähne entgegengewirkt wer<strong>de</strong>n. Da die Patientin trotz intensiver Aufklärung<br />
<strong>de</strong>n Aktivator nur unregelmäßig trug, war eine Elongation nicht zu vermei<strong>de</strong>n. Der<br />
angefertigte Lückenhalter zum Ersatz von 32, 33 und 34 wird von <strong>de</strong>r Patientin weit besser<br />
akzeptiert als <strong>de</strong>r von <strong>de</strong>r Kieferorthopädie eingesetzte Aktivator.<br />
Während <strong>de</strong>r gesamten Behandlungszeit gestaltete sich die Zusammenarbeit zwischen <strong>de</strong>r<br />
Patientin, ihren Eltern und <strong>de</strong>n Behandlern nicht immer optimal. Oft wur<strong>de</strong>n Termine nicht<br />
wahrgenommen. Mitunter war es schwierig, die Familie von <strong>de</strong>n notwendigen,<br />
umfangreichen Behandlungsmaßnahmen bezüglich <strong>de</strong>r Versorgung <strong>de</strong>s durch die<br />
<strong>Odontodysplasie</strong> beeinträchtigten Kiefers, <strong>de</strong>r Zahnzahlanomalie und <strong>de</strong>r Regulation <strong>de</strong>r<br />
Dysgnathie zu überzeugen. Zeitweise stellte sich eine gewisse „Behandlungsmüdigkeit“ ein.<br />
Nur durch ständige Motivation und Aufklärung über die Notwendigkeit <strong>de</strong>r einzelnen<br />
Therapieschritte konnte das zum jetzigen Zeitpunkt zufrie<strong>de</strong>nstellen<strong>de</strong> Behandlungsergebnis<br />
erreicht wer<strong>de</strong>n. Daraus resultiert, dass durch ein enggefasstes Recall die Patientin<br />
weiterhin motiviert und für zukünftige Behandlungsschritte sensibilisiert wer<strong>de</strong>n muss.<br />
Gera<strong>de</strong> für die angestrebte Implantatversorgung ist dies von großer Be<strong>de</strong>utung.<br />
Schlussfolgernd ergibt sich für die Behandlung einer <strong>Odontodysplasie</strong>, dass das<br />
Behandlungskonzept frühzeitige Diagnostik, langfristige Behandlungsplanung,<br />
interdisziplinäre Zusammenarbeit und nicht zuletzt die geduldige Mitarbeit <strong>de</strong>r Patienten und<br />
<strong>de</strong>ren Familien einschließt.
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