Gestaltungsleitlinien Stadtraum am Beispiel Dresden
ISBN 978-3-98612-169-9
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GESTALTUNGS
LEITLINIEN
STADTRAUM
AM BEISPIEL DRESDEN
STEFAN SZUGGAT, HENRIKE SCHOPER, TOM SCHOPER
BÜCHER ZUR STADTBAUKUNST
HERAUSGEBER CHRISTOPH MÄCKLER,
WOLFGANG SONNE
DEUTSCHES INSTITUT FÜR STADTBAUKUNST
© 2025 BY JOVIS VERLAG
EIN VERLAG DER WALTER DE GRUYTER GMBH,
BERLIN/BOSTON
DAS COPYRIGHT FÜR DIE TEXTE LIEGT BEI DEN AUTOREN.
DAS COPYRIGHT FÜR DIE ABBILDUNGEN LIEGT BEI DEN
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ALLE RECHTE VORBEHALTEN.
BAND 13
GESTALTUNGSLEITLINIEN STADTRAUM
AM BEISPIEL DRESDEN
STEFAN SZUGGAT, HENRIKE SCHOPER, TOM SCHOPER
BIBLIOGRAFISCHE INFORMATION
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ISBN 978-3-98612-196-9
ZEICHNUNGEN SCHOPER.SCHOPER | ATELIER
FÜR ARCHITEKTUR
LEKTORAT JONAS-PHILIPP DALLMANN
KORREKTORAT JONAS-PHILIPP DALLMANN
GESTALTUNG, SATZ UND
LITHOGRAFIE ANTONIA HENSCHEL,
SIGN KOMMUNIKATION
GEDRUCKT IN DER EUROPÄISCHEN UNION
Bei Fragen zur allgemeinen Produktsicherheit kontaktieren
Sie bitte productsafety@degruyterbrill.com.
Aus Gründen der besseren Lesbarkeit wird bei Personenbezeichnungen
und personenbezogenen Hauptwörtern in
diesem Buch das generische Maskulinum verwendet. Entsprechende
Begriffe gelten im Sinne der Gleichbehandlung,
sofern nicht anders kenntlich gemacht, für alle Menschen.
Die verkürzte Sprachform hat nur redaktionelle Gründe und
beinhaltet keine Wertung.
INHALTSVERZEICHNIS
VORWORT
CHRISTOPH MÄCKLER 5
GESTALT DER STADT: EINE FRAGE
DER QUALITATIVEN BEGLEITUNG
IM BAUGESCHEHEN
STEFAN SZUGGAT 6
STADTBAUKUNST UND
GESTALTUNGSLEITLINIEN
CHRISTOPH MÄCKLER 14
NICHTS IST ERLEDIGT!
DÜSSELDORFER ERKLÄRUNG
ZUM STÄDTEBAURECHT 20
STADTGESTALT ORGANISIEREN:
HISTORISCHE ERFAHRUNGEN
WOLFGANG SONNE 24
BAUKULTURELLE GRUNDSÄTZE 42
STADT UND HAUS ALS LEBENSRAUM
HENRIKE SCHOPER, TOM SCHOPER 44
NEUN THESEN ZUR BAUKULTURELLEN
ENTWICKLUNG DRESDENS
HENRIKE SCHOPER, TOM SCHOPER 48
STADTRÄUMLICHE PRINZIPIEN 50
STÄDTEBAULICHE PRINZIPIEN 64
GEBÄUDEBEZOGENE PRINZIPIEN 86
STADTSTRUKTURTYPEN DRESDENS 124
QUELLEN-, BILD- UND FOTONACHWEIS 144
STADTBAUKUNST
GESTALTUNGSLEITLINIEN STADTRAUM
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VORWORT
Die vorliegende Publikation basiert auf einer Studie, die
2023 in der Stadt Dresden erschienen ist und seitdem
in den Gremien der dortigen Stadtplanung Anwendung
findet. Initiiert und gemeinsam mit Henrike Schoper
und Tom Schoper erarbeitet wurde sie seinerzeit von
Stefan Szuggat, dem heutigen Beigeordneten für Umwelt,
Planen und Wohnen der Stadt Dortmund.
Wenn es auch die ursprüngliche Intention der Verfasser
war, sich mit den zu beplanenden Räumen der Stadt
Dresden zu befassen, so verdeutlicht die Gliederung in
die Kapitel
• „Stadträumliche Prinzipien“,
• „Städtebauliche Prinzipien“ und
• „Gebäudebezogene Prinzipien“
aber auch die Allgemeingültigkeit der Arbeit für den
Städtebau. Und eben diese Allgemeingültigkeit für den
Entwurf von lebenswerten Stadträumen hat uns dazu
bewogen, die Gestaltungsleitlinien in die Publikationsreihe
des Deutschen Instituts für Stadtbaukunst aufzunehmen,
um sie damit einer größeren Öffentlichkeit
zugänglich zu machen.
Es gibt in Deutschland keine Stadt, in der, wie in
Dresden, die räumliche Abfolge von Straßen, Gassen
und Plätzen im Stadtzentrum in einem derartigen
Gegensatz zu den sich direkt anschließenden unzusammenhängenden
Zeilenbauten der Nachkriegsmoderne
steht. Und es ist deshalb auch sicher kein Zufall, dass
diese Leitlinien in Dresden und nicht in einer anderen
deutschen Stadt entwickelt wurden. In anschaulichen
Skizzen werden Beispiele stadträumlicher Zusammenhänge
bis hin zur Gebäudeplanung dargestellt und erläutert.
Zu den gebäudebezogenen Prinzipien gehören
auch die Blockecken, die mit Fotos von realisierten
Bauwerken unterschiedlichster Art dokumentiert werden
und dem Leser damit veranschaulichen, dass die
Anwendung von Gestaltungsleitlinien nicht auch zu
einer Einschränkung der Kreativität in der Architektur
führen müssen.
Für die professionelle Zusammenarbeit bei der Übertragung
dieses Bandes in die Publikationsreihe des
Deutschen Instituts für Stadtbaukunst sei Stefan
Szuggat, Henrike Schoper und Tom Schoper sehr herzlich
gedankt.
Frankfurt am Main im Herbst 2024
Christoph Mäckler
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GESTALTUNGSLEITLINIEN STADTRAUM
GESTALT DER STADT:
EINE FRAGE DER
QUALITATIVEN
BEGLEITUNG IM
BAUGESCHEHEN
STEFAN SZUGGAT
Die Stadt als Ganzes mit jeder ihrer einzelnen Sphären,
ihren Stadträumen, ihren lebenswerten Orten, ihren
vollständigen und unvollständigen Architekturen und
ihren Infrastrukturen ist eine unausweichliche Schöpfung
des Menschen. Jede Bewertung und kritische
Betrachtung der Stadtgestalt stellt nicht die Institution
der Stadt – den Ort an sich – infrage, sondern kann sich
nur auf die Prinzipien und Handlungsweisen beziehen,
nach denen eine Stadt ihre Entwicklung genommen hat.
In allen Städten und Orten gibt es unterschiedliche Ausgangslagen
und Entwicklungslinien. Ereignisse der
Geschichte und gesellschaftliche Veränderungen haben
zu bestimmten Zeiten mehr oder weniger in den Stadtkörper
eingegriffen, Interessen haben sich im Zeitverlauf
unterschiedlich konstituiert, wirtschaftliche und
demografische Entwicklungen haben herausgefordert.
Das Gefüge und das Bild der Städte lassen sich nur aus
der komplexen Zusammensetzung in den jeweiligen Zeitschichten
erklären. Diese sind immer spezifisch, lokal,
vollziehen sich unter bestimmten Rahmenbedingungen
und sind Spiegel eines Zeitgeistes.
Die meisten städtischen Strukturen in Deutschland sind
entweder durch Konvention, einen gesellschaftlichen
Konsens in Bezug auf das Baugeschehen oder durch
Vorgaben zu Form und Gestalt von Stadt und Architektur
entstanden. Ohne gestalterische Vorgaben oder
Konventionen der am Bau Beteiligten entstand keine
Stadt und kein urbanes Quartier mit einer eigenen
Identität in der Tradition europäischer Stadtbaukultur. 1
In der heutigen Zeit lässt sich feststellen, dass die Prinzipien
einer stadträumlichen Gestaltung noch im kulturellen
Gedächtnis der Bevölkerung verankert sind, die
Regeln des Verhaltens, nach denen geplant und gebaut
wird, ihre Verbindlichkeit als Verhaltensnorm aber verloren
haben.
Fast jede Stadt hat in ihrer Geschichte Versuche unternommen,
die Entwicklung ihrer eigenen Stadtgestalt mit
den Mitteln zu organisieren, die zur Verfügung standen
und Erfolg versprachen. Je nach Art der technischen,
sozialen, politischen und wirtschaftlichen Bedingungen
der entsprechenden Zeit – etwa der Zeit der Stadgründungen,
der fürstlichen Absolutie, 2 der Urbanisierung,
des Wiederaufbaus u. v. m. – spielte die Vermeidung
einer unkontrollierten städtischen Entwicklung mit dem
Ziel, auch ästhetischen Ansprüchen zu folgen, stets eine
mehr oder weniger prominente Rolle im städtischen
Handeln. Einige Beispiele, die heute nicht mehr umfänglich
sichtbar erhalten sind, beschreiben dies: Das
Baugesetz von 1297 in Siena etwa, die erste umfassende
Bau- und Gestaltungsverordnung in Paris 1607, 3 das
Dresdener Baureglement von 1736, nach dem alle Fassaden
„gleich durchgängig symmetrisch“ mit einer ungeraden
Zahl der Fensterachsen und Betonung der
Mittelachse ausgebildet werden mussten 4 und die 1852
erlassene Bauordnung in Paris mit Begleitvorschriften
des Bodenrechtes, die zusammen mit den Grands
travaux durch Georges-Eugène Haussmann als wohl
schärfstes Instrument des Stadtumbaus und der Neugestaltung
einer Stadt auf dem europäischen Kontinent
gelten dürfte.
Aus den entstandenen Stadträumen ist ablesbar, was
eine Epoche baulich zu leisten imstande war. Die gebauten
Resultate entstanden jeweils vor einem zu jener
Zeit bestehenden politischen und kulturellen Hintergrund.
Die Ergebnisse der Bautätigkeit blieben der interessierten
Öffentlichkeit dabei nie verborgen und haben
zu allen Zeiten an allen Orten öffentliche Diskussionen
herausgefordert. Auch ein Kaiser Napoleon III. musste
sich 1870 den Protesten der Pariser Öffentlichkeit beugen
und entließ schließlich Georges-Eugène Haussmann.
STÄDTE UNTER VERÄNDERUNGSDRUCK
Mit dem gegenwärtigen dringenden Erneuerungsbedarf
im Gebäudesektor, zum Beispiel durch die Überführung
der Bestandsgebäude in eine klimagerechte Betriebsweise,
durch Anpassungen an altersgerechte Bedürfnisse
und Barrierefreiheit, mit der Befriedigung des
Neubaubedarfes an Wohnungen in Deutschland, und
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dem Anpassungsbedarf gewerblicher Immobilien an
neue Arbeitswelten und mit dem dringenden Erneuerungsbedarf
der Bildungseinrichtungen vollzieht sich
schrittweise eine Veränderung des Stadtbildes. Ergänzt
wird diese Entwicklung des Stadtraumes um den Bedarf
einer Anpassung der verkehrlichen Infrastruktur an
nachhaltige Mobilitätsbedingungen, mit dem Bau von
zentralen und dezentralen Anlagen für eine klimagerechte
Versorgung mit Energieinfrastruktur und mit
der Umstellung auf hochwassersensible Bauweisen.
Beinahe flächendeckend, auch an den Orten, die nicht
von besonderen Entwicklungsdynamiken betroffen
sind, steht Um- und Neubau im Hoch- und Tiefbau
an. Das KfW-Kommunalpanel 2023 zeigt allein für
die kommunale Infrastruktur einen Investitionsrückstau
von 160 Milliarden Euro an. 5 Insofern sind alle
Städte und Siedlungslagen Deutschlands von Veränderungen
erfasst. Dabei müssen Gestaltung und
Integration ins Umfeld mitgedacht werden. Das gilt
unbedingt auch für die häufig an „Gestaltungsarmut“
leidenden Ingenieurbauwerke.
Die Bedingungen für die Gestaltung der städtebaulichen
Entwicklung einer Stadt und das Bauwesen sind heute
anspruchsvoll. Den Rechtsrahmen bildet das Städtebauund
Bauordnungsrecht des Bundes und der Länder.
Hinzu kommen zahlreiche Richtlinien, Normen und
technische Bestimmungen, welche die Art und Weise
des Baugeschehens teilweise vordefinieren. Im Verlauf
des Bestehens dieser Regelungen haben diese sich
immer weiter in Bezug auf Einzelaspekte verfeinert.
Vor dem Hintergrund besonderer Ereignisse wie etwa
der Brandkatastrophe am Düsseldorfer Flughafen 1996
haben sich die Brandschutzbestimmungen verdichtet.
Vorgaben an Schall- und Wärmeschutz haben sich zu
wesentlichen Qualitäts- und Komfortmerkmalen in der
Planung herausgebildet. Zunehmend erhöhen sich auch
die Anforderungen an Barrierefreiheit und Energieeffizienz.
Das sind heute die Herausforderungen im
Baugeschehen. Die daraus erwachsenen Planungsvorgaben
bewirken entwurfliche Einschränkungen in der
Architektur, die sich auch auf den Stadtraum und das
Erscheinungsbild der Städte auswirken.
Seit einigen Jahren führt die Vielzahl der Anforderungen
an die Gebäudeausführung zu einer deutlich höheren
Kostenentwicklung im Bauwesen. Infolge dieser Entwicklung
vertieft sich in der Bauunternehmerschaft und
auf den politischen Ebenen weniger eine Diskussion um
gestalterische und stadträumliche Qualitäten; vielmehr
werden Diskussionen um optimierte, standortunabhängige
Typenbauten in der Architektur und Forderungen
nach seriellen Bauweisen immer präsenter. Gleichwohl
besteht das Ziel, lebenswerte Städte zu erhalten und
weiterzubauen, den öffentlichen Raum stärker in den
Blick zu nehmen und Qualitäten in der Architektur einzufordern.
Die Debatte um gemeinwohlorientierte Stadtentwicklung
in Deutschland zeigt die Bedeutung der
Baukultur auf. 6
Das Bemühen der Verantwortlichen in den Städten, die
städtebaulichen und stadträumlichen Veränderungen mit
verschiedenen Instrumenten zu steuern, ist groß. Das
Bedürfnis der Bürger nach qualitätvoller baulicher
Entwicklung ist ungebrochen hoch. Die interessierte
Öffentlichkeit verfolgt das Handeln in der Stadt. Sie
ist über soziale Netzwerke und direkte Ansprache
der Verantwortlichen auch in der Lage, sich Gehör zu
verschaffen. Interessengeleitete Klagen vor Gerichten
sind keine Seltenheit und fordern von planenden Instanzen
zunehmend Transparenz, die Berücksichtigung
bestimmter Ziele und einen nachvollziehbaren Umgang
mit allen Anregungen und Interessen der Bürger. Stadtraumgestaltung
und Themen des Stadtbildes stehen
dabei immer wieder im Fokus. 2018 setzte sich eine
Bürgerinitiative in Mainz nach einem durchgeführten
Wettbewerb gegen die Erweiterung des Gutenberg-
Museums durch. 7
INSTRUMENTE DES GESTALTENS HEUTE
Mit welchen Instrumenten haben die Städte heute die
Möglichkeit, den Stadtraum qualitätvoll im Sinne einer
lebenswerten Stadt zu gestalten?
Die städtebauliche Entwicklung und die Qualität von
Bauvorhaben, welche die Stadträume weiterentwickeln,
stellen sich heute immer mehr als ein zusammengesetztes
Produkt dar, das zwischen Architekten, Bauherren,
der Stadtverwaltung, der Stadtpolitik und den
Bürgern ausgehandelt wird. Die Akteure des Handelns
im Bauwesen sind vielfältig; zahlreiche Fachplaner
kommen zusammen und sind anhand von eigenen Vorgaben
und Zielen des Auftraggebers oder über Richtlinien
aus eingeführten technischen Regelwerken und
Normen eingebunden. Die vielen Beteiligten sitzen mit
eigenen, kaum überwindbaren Interessen am Tisch und
begleiten die Projekte. Sie verstehen sich immer seltener
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GESTALT DER STADT
GESTALTUNGSLEITLINIEN STADTRAUM
als Einheit aus Bauherr, Architekt und ausführenden
Beteiligten, die den gestalterischen Werkerfolg eines
Projektes im Ganzen verantworten.
Die städtebauliche Planung in ihrer physischen und
stadträumlichen Ausprägung ist der kommunalen
Planungshoheit zugewiesen. Die Stadtplanungsämter in
Deutschland nehmen diese Aufgabe sehr verantwortungsvoll
mit ihren verfügbaren Ressourcen wahr.
Den Gemeinden sind dazu einige Instrumente zur
gestaltenden stadträumlichen Planung an die Hand
gegeben worden. Über die Bauleitplanung können gestalterische
Festsetzungen mit Bodenbezug getroffen
werden, und über die Integration von gestalterischen
Festsetzungen nach Bauordnungsrecht in den Bebauungsplan
lassen sich diese auch auf gebäudebezogene
Vorgaben erweitern. Ergänzend werden heute in städtebaulichen
Verträgen bei vorhabenbezogenen oder vorhabenorientierten
Bebauungsplänen detaillierte Vorgaben
für die Ausführung der Gebäude oder für die
Prozesse der Gestaltungssicherung vereinbart. Üblich
sind Vereinbarungen über die Durchführung von Wettbewerben.
Die Regelungen im Vertrag lassen sich aber
nur auf freiwilliger Basis fixieren. Der Verhandlungsfähigkeit
sind demgemäß Grenzen gesetzt. Tatsächlich
ist der Bebauungsplan mit seinen Festsetzungsmöglichkeiten
und den ergänzenden vertraglichen Regelungen
ein zentrales Element der Stadtgestaltung.
Des Weiteren ergänzen Satzungsermächtigungen wie
Gestaltungssatzungen, Erhaltungssatzungen oder Sanierungs-
und Denkmalbereichssatzungen die gemeindlichen
Möglichkeiten der Steuerung der Gestaltung des
Stadtraumes und seiner Architekturen. Die Städte und
Gemeinden arbeiten vielfach auch mit informellen
Planungsinstrumenten und planen zukünftige Entwicklungen
oder Umstrukturierungen im Stadtumbau
im größeren Gebietszusammenhang mit Rahmenplänen
und Masterplänen oder projekt- bzw. baugebietsbezogen
mit Gestaltungshandbüchern. Darin finden sich sehr konkrete
ausführungs- und objektspezifische Regelungen.
Gestaltungshandbücher besitzen aber den Charakter
einer Empfehlung und haben nicht den Status einer baurechtlichen
Vorschrift. Die informellen Instrumente
werden in vielen Fällen über Beschlüsse des Stadtrates
bestätigt und binden das Handeln der Gesamtverwaltung.
Daraus entsteht eine Außenwirksamkeit in
dem Sinne, dass die Bauherren über die Ziele der Stadt
in Kenntnis gesetzt werden und deren politische Ver-
ankerung wahrnehmen. Die Erfahrung zeigt, dass die
Projektbeteiligten von privaten Bauvorhaben diese Beschlüsse
ernst nehmen und versuchen, in diesem Sinne
zu handeln.
Im Gegensatz zur städtebaulichen Planung, die den
Gemeinden obliegt, ist die objektbezogene Ausführung
eines Bauvorhabens auf privatem Eigentum durch das
Recht der freien Nutzungs- und Verfügungsgewalt über
das Grundeigentum geschützt. Es herrscht eine grundsätzliche
Baufreiheit, sofern nicht verhältnismäßige Einschränkungen
entgegenstehen. 8 Bei Objektplanungen
von Gebäuden sind dem gestalterischen Eingreifen
durch die öffentliche Hand damit Grenzen gesetzt.
Bauordnungsrechtlich stehen bei der Beurteilung eines
Vorhabens die ordnungsrechtlichen Anforderungen an
die Beschaffenheit baulicher Anlagen im Vordergrund. 9
Die Bauaufsichtsbehörden planen nicht mit. Ersatzplanungen
von eingereichten Vorhaben durch die Baubehörden
sind nicht vorgesehen.
Eine gestaltende Bauberatung vor Einreichung von Bauanträgen
geschieht in einzelnen Fällen. Einige Städte
nutzen auch das Angebot einer freiwilligen Bauberatung
über die Stadtplanungsämter. Die alltäglichen und
gesetzlich vorgesehenen Bauberatungen beziehen sich
allerdings auf Auskünfte über die jeweilige planungsrechtliche
Situation eines Grundstücks, die Anforderungen
auf die Vollständigkeit, Plausibilität und Qualität
der einzureichenden Bauvorlagen, die zu berücksichtigenden
Fachplanungen, die erkennbare Erforderlichkeit
von besonderen Erlaubnissen, Befreiungen und
Ausnahmen und bauordnungsrechtlichen Abweichungen.
Sie dienen dem Zweck, den Antrag entscheidungsreif
und genehmigungsfähig zu gestalten. Diskussionen
über stadträumlich relevante Aspekte des Gebäudeentwurfes
und architektonische Prämissen müssen außerhalb
der bauordnungsrechtlichen Verfahren organisiert
werden. Hierzu können die Satzungsermächtigungen
genutzt werden.
GESTALTUNG MIT SATZUNG
Für die Gemeinden besteht die Möglichkeit der aktiven
Steuerung einer objektbezogenen baulichen Gestalt über
das Instrument einer Gestaltungssatzung. Gestaltungssatzungen
finden ihre Anwendung in typischen Situationen:
Zum Ensembleschutz eines historisch bedeutsamen
Ortsbildes oder in Innenstadtlagen als Ordnung für den
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Umgang mit Werbeanlagen oder für ein neu zu bebauendes
Quartier, das nicht der gestalterischen Willkür
überlassen werden soll. Für die Freiflächengestaltung
auf privaten Grundstücken können ebenfalls Gestaltungssatzungen
erlassen werden. In München entstand
bereits 1996 eine Freiflächengestaltungssatzung mit
dem Ziel, eine hochwertige Begrünung auf den Grundstücken
herzustellen. In den letzten Jahren wuchs die
Zahl an Städten, die Begrünungs- oder Freiflächengestaltungssatzungen
auf den Weg gebracht haben – häufig
veranlasst, um die Entwicklung von Schottergärten zu
beherrschen und Fassaden- sowie Dachbegrünungen
zum Standard zu erheben.
Gegenstand der näheren Betrachtung soll hier der Blick
auf die hochbauliche und städtebauliche Lenkung des
Baugeschehens am Beispiel von Gestaltungssatzungen
einnehmen. Eine übergeordnete Zielsetzung von Gestaltungssatzungen
ist es, den Planbeteiligten durch eine
Analyse des Stadtraumes einen gestalterischen Leitfaden
zum Erkennen, Bewerten und Weiterentwickeln
stadtbildprägender Elemente an die Hand zu geben und
eine Grundlage für die Planung zu bieten. Im Kern fußt
eine Gestaltungssatzung stets auf einer fundierten
Stadtbildanalyse und geht von einem Verständnis von
Stadt aus, bei dem die hohe gestalterische Qualität des
öffentlichen Raumes in seiner Gesamtheit im Vordergrund
steht.
Konkret regelt eine Gestaltungssatzung wesentliche
stadträumliche und architektonische Entwurfsparameter,
setzt Vorgaben und zeigt den Entwurfsverfassern
den Rahmen der Entwicklung auf. Die Festlegungen
übersetzen die stadträumliche Analyse in ein Regelwerk
und bieten Raum für die kreative Verantwortung des
Architekten. Satzungen können zum Beispiel Anforderungen
bezüglich der Gebäudebreiten und Parzellierung
für den Fall beschreiben, dass Grundstücke zusammengelegt
werden und unmaßstäbliche Baugrundstücke
entstehen. Regelungsinhalte können sich auch auf
Gebäudehöhen, eine Fassadenzonengliederung, eine
Auswahl an Materialien, Farbgestaltungen, Fassadenöffnungen,
Wandflächenanteile von Fassaden, Balkone,
Markisen, Vordächer, Dachformen und -ausbauten, Einfriedungen
und Werbeanlagen beziehen.
Üblicherweise werden Gestaltungssatzungen ausführliche
Begründungen beigelegt. Eine Satzung erzielt
stärkere Wirkung und Durchsetzungskraft, je mehr sie
den Charakter einer Gebotssatzung zum Ausdruck
bringt. Die Regelungen bezeichnen in diesen Fällen
nicht nur unzulässige Tatbestände, sondern liefern auch
definitive Vorgaben für die Ausbildung von beispielsweise
Fensterformaten, Materialien, Gebäudebreiten,
Fassadenzonen etc. Satzungen sind als gestaltende
Handreichung gedacht und mit Ordnungswidrigkeiten
für bestimmte Zuwiderhandlungen ausgestattet.
Ein Dialog in der Bearbeitungsphase, in dem mit den
Eigentümern die Ziele für die bauliche Weiterentwicklung
vereinbart werden, um Übereinkünfte für zukünftige
Planungen zu treffen, ist wünschenswert. Die Investoren
sind aber zum Zeitpunkt der Entstehung einer Satzung
häufig nicht bekannt. Der Geltungszeitraum einer
Satzung ist lang, und Bauvorhaben entstehen sehr viel
später, nach der Inkraftsetzung, meist nach einem
Eigentümerwechsel. Der Prozess der Aushandlung
von wirtschaftlich vertretbaren Rahmenbedingungen
für eine Bauaufgabe im Verhältnis zu den Festlegungen
einer Gestaltungssatzung in einem Satzungsgebiet muss
dann jeweils im Fall eines neuen Vorhabens mit dem
Antragsteller geführt werden. In diesem Diskurs muss
nicht nur die ideelle, sondern vor allem auch die
finanzielle Bereitschaft des Bauherrn, den Stadtraum
im Sinne der Gestaltungssatzung mitzugestalten, verhandelt
werden.
Für die politische Willensbildung zur Verabschiedung
einer Satzung ist die Herleitung der Gestaltungsvorschriften
und deren fachliche Ableitung relevant.
Willkürliches Handeln der Verwaltung unterstützen die
Gremien eines Stadtrates im Regelfall nicht. Für den
Erfolg bei der Anwendung einer Gestaltungssatzung im
Baugeschehen kommt es auf die Eindeutigkeit der Regelungen
und auf die Durchsetzung der getroffenen Festsetzungen
an. Tatsächlich wandelt sich im Verlauf der
Entwicklung eines Bauvorhabens nicht selten die Rolle
der Verwaltung im Prozess: In den ersten Phasen, vor
Einreichung eines Bauantrages, überwiegt die Zurückhaltung
gegenüber Planungsvorhaben, die dem Satzungszweck
zuwiderlaufen. Im Verlauf einer gelungenen oder
auch nur annähernd gelungenen Weiterentwicklung
einer Planung findet dann zunehmend eine Abwägung
zulasten einzelner einschränkender, aber auslegungsfähiger
Regelungen statt. Hier wird nicht selten im
Sinne des Bauherrn gehandelt. Dies begründet sich aus
dem Zeitbedarf der Planungsgenese und aus Kostenveränderungen
des Projektes.
SEITE 9
GESTALT DER STADT
GESTALTUNGSLEITLINIEN STADTRAUM
In diesem Kontext ist es auch Aufgabe der Verwaltung,
den Vertretern des Stadtrates die besondere Aussagekraft
einer Gestaltungssatzung zu vermitteln, um politische
Rückendeckung für Entscheidungen zu behalten.
STADTGESTALTUNG OHNE
BAURECHTLICHE INSTRUMENTE
Der überwiegende Teil des Baugeschehens findet auf
unbeplanten Grundstücken statt, für die es keine Gestaltungssatzungen
bzw. gestalterischen Vorgaben über
Bebauungspläne oder sonstige Leitlinien gibt. Die Bauvorhaben
werden bei Antragstellung planungs- und
bauordnungsrechtlich begleitet. Ein maßgeblicher Teil
von Stadtentwicklung und Städtebau vollzieht sich auf
diesem Wege Schritt für Schritt, baugrundstücksweise.
Die Begleitung durch Gestaltungsbeiräte, die aktuell in
etwa 130 deutschen Städten eingerichtet sind, 10 kann nur
ausgewählten Projekten zukommen. In Großstädten mit
einem entsprechenden Antragsvolumen von Nutzungsänderungen,
Bauvoranfragen und Bauanträgen ist die
Gesamtheit aller Vorgänge viel zu hoch, um sie vor dem
Hintergrund ihrer stadträumlichen Wirkung beraten zu
können.
Bei größeren Bauvorhaben gewerblicher Art oder bei
größeren Wohnungsbauprojekten suchen die Projektentwickler
im Allgemeinen den Kontakt zur Stadtverwaltung,
bevor ein Bauantrag eingereicht wird.
Anlassgebend ist in einigen Fällen der Ankauf eines
Grundstückes mit dem Ziel, den Rahmen der baulichen
Entwicklung vorzuberaten, um das Ankaufsrisiko zu
minimieren. Überwiegend sind die Ankäufe aber schon
mit bedingten oder befristeten Rücktrittsrechten erfolgt
und die Projektentwickler beabsichtigen, das Vorhaben
zu qualifizieren. Die Programmatik der Nutzflächen als
zentrales wirtschaftliches Kriterium steht in diesem
Stadium häufig fest. Vielfach hat sich der Bauherr durch
ein gebundenes Architekturbüro über Studien vorberaten
lassen. Vorstellungen über Grundrisse für die jeweilige
Nutzung, die an den Markt gegeben werden soll, existieren
in einigen Fällen ebenfalls. Bei Wohnungsbaugesellschaften,
die keine Exit-Strategie verfolgen, sondern als
Bestandshalter auftreten, reichen die Vorüberlegungen
häufig sehr viel weiter. Mitunter wird in optimierten
Wohnungstypen bis hin zu Typenhäusern vorgedacht.
Damit sind bei der ersten Kontaktaufnahme bereits einige
städtebauliche Kriterien vordefiniert, die sich im Prozess
der Qualifizierung nur schwer verhandeln lassen.
Grundsätzlich ist es sehr zu begrüßen, dass in einer frühen
Phase der Entwicklung der Kontakt zur Stadtverwaltung
gesucht wird. Die Objektplanung hat zu diesem
Zeitpunkt häufig noch keinen ausgereiften Stand, sodass
die Architektur noch entwickelt werden kann. Bemühungen
um Gestaltung und Qualitäten lassen sich in
dieser Phase einordnen. Bei diesen Bauvorhaben ist die
qualitative Weiterentwicklung hin zu einer qualitativ
wertigen Stadtarchitektur vor Eintritt in das Baugenehmigungsverfahren
wesentlich. In einigen Fällen
gelingt die aktive gestalterische Steuerung mittels einer
Variantenerarbeitung über eine gemeinsam vereinbarte
Mehrfachbeauftragung mit unterschiedlichen Architekturbüros
oder über einen Wettbewerb. Ein solcher
Prozess beruht allerdings auf Freiwilligkeit; eine gesetzliche
Forderung zu Alternativplanungen lässt sich nicht
begründen. Zur Vorbereitung einer Mehrfachbeauftragung
oder eines Wettbewerbs ist eine Stadtraum- und
Stadtbildanalyse und die Zielsetzung für das Projekt
unerlässlich, damit die Entwurfsverfasser auf Basis
eines gemeinsamen stadträumlichen Verständnisses
Lösungen erarbeiten können. Es ist nicht unbedingt
davon auszugehen, dass sich die Teilnehmer in den Verfahren
den Aufwand eigener Analysen leisten. Dafür
reichen oftmals die Zeit und die Ressourcen in den
Architekturbüros nicht. Vielfach sind die Teilnehmenden
auch ortsfremd. Hier ist eine Vorleistung durch die Stadt
unumgänglich und sehr hilfreich.
Die Ergebnisse aus Mehrfachbeauftragungen und Wettbewerben
bieten in diesem Planungsstadium vielfach
eine Detaillierungstiefe, die noch nicht durchgeplant
und belastbar ist, aber Angebote an den Stadtraum verbildlicht.
Hier bietet sich die Gelegenheit, unter Einbeziehung
des dargestellten städtebaulichen Kontextes
die Planung präziser mit ihren Grundrissen, Details,
Gliederungen und Materialien in den sichtbaren Rahmen
des Stadtraumes einzufügen. Der Beurteilungsgegenstand
der Entwürfe übersteigt jedenfalls den
Prüfungsumfang der Genehmigungsplanung in einem
Baugenehmigungsverfahren und fokussiert sich auf
gestalterische Aspekte. Wettbewerbe und Alternativplanungen
stärken insoweit die Einflussnahme und
Steuerung der Stadtgestaltung erheblich.
Bei kleineren Bauvorhaben gerät dieses Vorgehen allerdings
an wirtschaftliche Grenzen, und es bleibt nur der
Weg einer engen Begleitung des Entwurfsprozesses
durch die Fachverwaltung. Vorhaben, die keinen Wett-
SEITE 10
bewerb zum Gegenstand haben, in denen also nur ein
Architekt die Planung vornimmt, kann ein architektonisches
Briefing unterstützen, das durch die Stadtverwaltung
in den Planungsprozess gegeben wird. Aus
diesem lassen sich Leitlinien für den Entwurfsprozess
ableiten, die beispielsweise den Kontext des Ortes aufgreifen
und einen gestalterischen Impuls geben können.
Voraussetzung hierfür ist die Vorleistung über eine stadträumliche
Analyse, die durch die Stadtverwaltung geleistet
werden muss.
Nicht alle Projekte können eine besondere Aufmerksamkeit
und Betreuung durch die Verwaltung erhalten.
Deshalb sind Beschlusslagen des Stadtrates für die vorgedachte
Entwicklungen mit positiven Gestaltungsanforderungen
von Stadträumen, die unabhängig vor einer
Vorhabenentwicklung gefasst werden, sinnvoll. Als ein
Beispiel können die Gestaltungsleitlinien Stadtraum
am Beispiel Dresden benannt werden. Darin werden
anhand von Thesen zur baukulturellen Entwicklung
und skizzierter Empfehlungen Leitlinien mit baukulturellem
Anspruch aufgezeigt, die ein zeitgemäßes
Weiterbauen der Stadt gemäß ihres Genius Loci in eine
Richtung lenken sollen.
Geht es also darum, in einem städtebaulichen Kontext
möglichst gute Voraussetzungen im Sinne einer aktiven
Steuerung der Stadtgestaltung zu schaffen, um im Vorfeld
konkreter Projektentwicklungen eine Basis zu legen,
auf der verhandelt werden kann, so ist es förderlich, auf
Leitlinien zurückgreifen zu können, die beschlussseitig
durch ein politisches Gremium ratifiziert wurden. Mit
diesen Grundlagen sollte auch ein Gestaltungsbeirat in
einer Stadt befasst werden, damit auf dieser Grundlage
beraten werden kann. Die Gestaltungsleitlinien in Dresden
jedenfalls sind sehr öffentlich mit Stadtratsvertretern,
Mitgliedern der Gestaltungskommission, den Architekten,
der Architektenkammer Sachsen und dem BDA
Sachsen beraten und vermittelt worden.
FAZIT
Die Ursachen für die Gestalt der Städte sind vielfältig.
Fehlentwicklungen können nicht monokausal auf fehlende
Instrumente, überbordende technische Anforderungen
im Bauwesen, Entscheidungen von Bauherren,
die Entwurfsleistung von Architekten, das Handeln von
Stadtverwaltungen oder die Entscheidungen gewählter
Vertreter der Stadtparlamente zurückgeführt werden.
Auf den verschiedenen Ebenen der Handlungsoptionen
gibt es zahlreiche bewährte Möglichkeiten, Städtebau
und Architektur aktiv zu gestalten, sei es über die Bebauungsplanung
mit städtebaulichen Verträgen, die Satzungsinstrumente
oder mit informellen Instrumenten
im Alltagsbaugeschehen.
Eine Stadtraumanalyse mit einer gründlichen Wirklichkeitswahrnehmung
und einer Analyse vorhandener
räumlicher und bildlicher Gestaltformen mit einer Zielorientierung,
welche Anforderungen an den Stadtraum
gestellt werden sollen, ist eine wichtige Arbeitsgrundlage.
Die Bedeutung und der Wert der analytischen
Grundlage zeigt sich in der Anwendung und im Vollzug
von Gestaltungs- und Erhaltungssatzungen, die sich auf
einen belastbaren Begründungszusammenhang für die
Satzungsinhalte stützen müssen.
Bei Einzelbauvorhaben und Flächenentwicklungen ist
der frühe Eintritt in eine Variantenbetrachtung mit stadträumlichen
Zielen wesentlich. Hier sollte gemeinsam
ein Weg gefunden werden, statt diesen erst nach bestätigten
Bauvoranfragen oder weit fortgeschrittenen
Planungsphasen eines Bebauungsplanes anzuhängen.
Immer wieder zeigen Ergebnisse aus Variantenbetrachtungen,
welche guten Alternativen es gibt, die abseits
bereits vorgedachter und bestätigter Plankonzepte
schwer in den späteren Prozess einzufügen sind. Die
architektonische Detaillierung muss dabei in den
frühen Phasen mit eingebunden werden. Reine städtebauliche
Flächenpläne lassen die räumliche Dimension
in Bezug auf Typologie, Gestalt und Details von Gebäuden
zu offen.
Die gesetzlichen Instrumente allein garantieren jedoch
noch keine Gestaltqualität. Nur eine dauerhafte und
kontinuierliche Bemühung aller Beteiligten führt zu befriedigenden
Ergebnissen. Qualitäten zu schaffen, setzt
immer auch voraus, dass diese von der Stadtpolitik gezielt
gefördert oder eingefordert werden. Dies bedingt
allerdings eine Qualifizierung städtischer Baupolitik.
Entscheidungen zugunsten von Qualität vor Schnelligkeit
und Kosten brauchen Vorbilder und Anlässe. Anlässe
aus der Stadtgesellschaft zu bestimmten Entwicklungen
gibt es zahlreich, Vorbilder für gute Lösungen auch.
Öffentliche Formate, die bestimmte Themen aufgreifen,
wie sie vermehrt in den Zentren für Baukultur oder in
Foren für Stadtbaukultur in den Städten angeboten
werden, können Stadtgesellschaft und Vertreter der
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GESTALT DER STADT
Ortspolitik sensibilisieren und in den Dialog treten
lassen. Vermittelt werden sollte dabei, dass Stadtbaukunst
und das Einfordern von Qualitäten im Stadtraum
einen Dienst am Gemeinwesen darstellen und dass
städtebauliches Wirken als wesentliches und langlebiges
Handeln im öffentlichen Interesse geschätzt
werden kann.
GESTALTUNGSLEITLINIEN STADTRAUM
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1
Christoph Mäckler und Alexander Pellnitz, Chancen
und Risiken von Gestaltungssatzungen in deutschen Innenstädten
(unveröffentlichtes Manuskript), Forschungsinitiative
Bau des Bundesamtes für Bauwesen und Raumordnung
2011, S. 287.
2
Karl-Jürgen Krause, „Satzungen im Wandel städtebaulicher
Leitbilder“, in: Mäckler/Pellnitz 2011 (wie Anm. 1),
S. 131.
3
Claude Mignot, Grammaire des immeubles parisiens: Six
siècles de façades du Moyen Age à nos jours, Paris 2005.
4
Krause 2011 (wie Anm. 2), S. 131.
5
Baukulturbericht 2024/25, BT-Drs. 20/11650, S. 10.
6
O. A., „Städtebau und öffentlicher Raum“, https://www.
nationale-stadtentwicklungspolitik.de/NSPWeb/DE/
Themen/Themenuebersicht/Staedtebau-und-oeffentlicher-
Raum/staedtebau-und-oeffentlicher-raum_node.html
(Abruf: 06.08.2024).
7
O. A., „Umbau und Erweiterung Gutenberg-Museum,
Mainz/Deutschland“, https://www.wettbewerbe-aktuell.
de/ergebnis/gutenberg-museum-mainz-12283 (Abruf:
20.08.2024).
8
Klaus Ferdinand Gärditz, Grundzüge des Baurechts,
Wintersemester 2019/20, Rechts- und Staatswissenschaftliche
Fakultät, Fachbereich Rechtswissenschaft, Bonn 2019,
https://www.jura.uni-bonn.de/fileadmin/Fachbereich_
Rechtswissenschaft/Einrichtungen/Lehrstuehle/Gaerditz/
Vorlesung/Baurecht/Baurecht-AP1.pdf
(Abruf: 07.08.2024), S. 4.
9
Ebd., S. 1.
10
Architektenkammer Nordrhein-Westfalen, „Gestaltungsbeiräte“,
in: Praxishinweis 63 (2019), Stand Januar 2023,
https://www.aknw.de/fileadmin/user_upload/
Praxishinweise/PH63__Gestaltungsbeiraete_Stand_
Januar_2023_01.pdf (Abruf: 12.09.2024), S. 1.
11
Architektonisches Briefing: Neben den Hinweisen
für eine Bebauung auf einem Grundstück nach Maßkennziffern
wie Hausbreiten, Bebauungstiefe, Höhe, Geschosshöhen,
Einfriedungen etc., die sich aus dem städtebaulichen
Kontext ergeben, finden sich darin architektonische
Merkmale, die sich aus dem Kontext der Umgebung
ableiten lassen und für den Entwurfsprozess wertvolle
Hinweise geben.
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GESTALTUNGSLEITLINIEN STADTRAUM
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STADTRÄUMLICHE
PRINZIPIEN
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STADTRÄUMLICHE PRINZIPIEN
Am Beginn der Gestaltungsleitlinien Stadtraum am
Beispiel Dresden steht der großmaßstäbliche Blick auf
die Stadt und ihren Freiraum – dieser Stadtraum entsteht,
vereinfacht gesprochen, aus dem wechselseitigen
Verhältnis von Raum und Masse, von Straße und Platz
zum Gebäude. Raum ist erlebbar und beschreibbar;
als Stadtraum soll dieser in seinen Dimensionen und in
seinen Geometrien nachvollziehbar definiert sein.
Die spezifische historische Entwicklung Dresdens, charakterisiert
durch ein ehemals dichtes barockes Stadtgeflecht,
seine großflächige Zerstörung im Zweiten Weltkrieg
und einen Wiederaufbau im Geist der Moderne,
hat den Stadtraum Dresdens an vielen Stellen nahezu
unlesbar werden lassen. Umso wichtiger erscheint es,
bei Neuplanungen das Augenmerk gerade auf die öffentlichen
Räume der Stadt zu legen, also Straßen und
Wege, Plätze, Parks und Grünanlagen.
GESTALTUNGSLEITLINIEN STADTRAUM
STADTQUARTIERE ENTSTEHEN AUS EINEM FEINMASCHIGEN ÖFFENT-
LICHEN STRASSENNETZ. DIE PLANUNG VON STADTQUARTIEREN FOLGT
DEM ÖFFENTLICHEN ERSCHLIESSUNGSKONZEPT.
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STRASSEN UND PLÄTZE SOLLEN NACH VERGLEICHBAREN PRINZIPIEN UND
AUSSTATTUNGSSTANDARDS GESTALTET SEIN, DIE ZU WIEDERERKENNBAR-
KEIT UND ORIENTIERUNG SOWIE ZU EINER ÜBERGEORDNETEN IDENTITÄT
DES GESAMTEM STADTBILDES FÜHREN.
EINZELHANDEL / GEWERBE
IM STRASSENRAUM WIRKSAME GEWERBEZONE
PARKS/GRÜNRÄUME/VORGÄRTEN
SONDERBAUSTEINE ALS SOLITÄRE IM STADTRAUM
SONDERBAUSTEINE IN DIE STADTSTRUKTUR INTEGRIERT
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STADTRÄUMLICHE PRINZIPIEN
1
2
3
GESTALTUNGSLEITLINIEN STADTRAUM
Städtische Quartiere setzen sich aus den Stadtbausteinen
Straße, Platz, Stadthaus, Hof und öffentliche Grünanlage
zusammen.
Quartiere und Blöcke bilden wahrnehmbare und beschreibbare
Stadträume. Öffentliche Räume wie Straßen,
Wege, Plätze, Boulevards und Parks sollen als Orte des
Aufenthalts von Menschen und als Räume des wechselseitigen
Austauschs gestaltet sein.
Neben der räumlichen Fassung und seiner Aufenthaltsqualität
kommt dem Freiraum zunehmend auch die
Funktion des klimaresilienten Puffers zu. Aktuelle architektonische
und landschaftsarchitektonische Entwürfe
müssen in Konzeption, Gestaltung und Materialwahl
dieser Forderung Rechnung tragen und dafür entsprechende
Konzepte anbieten.
(1) Straßen, Gassen, Wege bilden das kleinmaßstäbliche
Geäst des Stadtraumes;
(2) Boulevards als Hauptachsen des städtischen Verkehrs
verbinden unterschiedliche öffentliche Nutzungen
mit Aufenthaltsqualitäten für die Einzelnen;
(3) Stadtplätze sind Räume der Orientierung und des
Austausches;
(4) Verkehrsplätze sind städtebaulich eingefasst und
sollten so gestaltet sein, dass sie durch prägnante
Gestaltungs- und Ausstattungsmerkmale auch der
stadträumlichen Orientierung dienen;
(5) Grünanlagen und Parks sind Orte der Begegnung,
der Regeneration (Erholung, Freizeit, Sport) und bilden
die Grundlage für ein verträgliches Mikroklima der
Quartiere.
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5
4
STADTBAUSTEINE DES QUARTIERS – ORTE DES GEMEINSAMEN LEBENS
UND DES INDIVIDUELLEN RÜCKZUGS
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STADTRÄUMLICHE PRINZIPIEN
GESTALTUNGSLEITLINIEN STADTRAUM
STRASSEN UND WEGE
Die Straße ist Stadtraum. Ihre Wegeführung und Raumgestaltung
leiten sich aus den städtebaulichen Prinzipien
ihrer umgebenden Bebauung ab. Die Lebendigkeit eines
Stadtraumes wird durch Platzfolgen, Krümmungen,
Versätze und Rhythmusänderungen unterstützt, die befahrbar,
begehbar und begreifbar ausformuliert werden
sollen. Die horizontale Gliederung des Straßenraumes
mit Gehweg, Grünstreifen, Radweg (a) und Fahrbahn (b)
soll auch in Abhängigkeit von der Gebäudehöhe (c)
gestaltet werden. Straßenbäume und Begrünungen
stärken die Raumgliederung. Bordverläufe dienen der
Differenzierung im Straßenraum und folgen den begleitenden
Baufluchten. Die zeitlich gestaffelte Mehrfachnutzung
von Verkehrsflächen ist städtebaulich einer
Aneinanderreihung technisch geprägter Einzelfunktionen
vorzuziehen.
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BOULEVARDS
Breite Straßenräume, Hauptachsen des Verkehrs innerhalb
der Stadt, werden als Boulevards mit großzügigen
Seitenräumen ausgeführt. Geordnete Baumpflanzungen
auf den Gehwegen rahmen deren gefasstes und atmosphärisch
angenehmes Straßenbild. Die Seitenräume
der Boulevards sollen als fußläufige Bewegungsräume
mit punktueller Aufenthaltsqualität geplant werden, die
angrenzenden Gebäude reagieren in ihrer Stellung und in
ihrer Nutzung darauf. Die Fassadengestaltung entlang
der Boulevards unterstützt die räumlich-atmosphärische
Wirkung im Straßenraum für die Fußgänger.
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GESTALTUNGSLEITLINIEN STADTRAUM
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STÄDTEBAULICHE
PRINZIPIEN
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STÄDTEBAULICHE PRINZIPIEN
Ein raumbildender Städtebau legt das Augenmerk auf
eine Stadtbaukunst, die Stadtraum als das Resultat gezielt
und schlüssig gesetzter Architekturen auffasst.
Bereits in den nachfolgenden schematischen Darstellungen
fällt ein Charakteristikum Dresdens auf, das in
der Heterogenität von Stadt im Nebeneinander historischer
Fragmente, der Überplanung der Quartiere im
Zuge der sozialistischen Moderne und einer Nachverdichtung
seit der Wende liegt. Das übergeordnete Ziel
der hier formulierten Gestaltungsleitlinien liegt dabei
in der architektonischen Ausformulierung einer Kontinuität
der städtebaulichen Form – auf Basis des historischen
Materials und der bestehenden Struktur der
Stadt, um daraus mehr eigene Urbanität zu generieren.
Ein wesentliches Gewicht fällt hierbei auch dem Stadtgrün
zu – es verknüpft eine klimatisch regulierende
Funktion für die Stadt mit einer ästhetisch-psychologischen
Wirkung auf ihre Bewohner und deren Gesundheit
als Orte der Regeneration, es stärkt die für unser
Leben notwendige Biodiversität auch in bebauten Siedlungsstrukturen,
und die Integration von Freiräumen in
die Stadtgestalt bringt nicht zuletzt wichtige Umwelterfahrungen
für die Städter mit sich.
GESTALTUNGSLEITLINIEN STADTRAUM
OFFENER BLOCKRAND
TYPISCHE BEBAUUNG IN STRIESEN, STREHLEN,
DER ÄUSSEREN NEUSTADT, PLAUEN ETC.
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GESCHLOSSENER BLOCKRAND
TYPISCHE BEBAUUNG IN DER DRESDNER
NEUSTADT, IN PIESCHEN, LÖBTAU ETC.
HETEROGENE BEBAUUNG
IN FORM VON ZEILENBAUTEN UND PUNKT-
HOCHHÄUSERN AUS DDR-ZEITEN FINDET SICH
IN VIELEN DRESDNER STADTTEILEN
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STÄDTEBAULICHE PRINZIPIEN
RAUMBILDENDER STÄDTEBAU
Raumbildender Städtebau überwindet die
Strenge linearer Fluchten, verkürzt Räume
durch Krümmung, durch Versatz und durch
geschlossene Plätze. Gebäudestellungen folgen
dem Straßenverlauf, Gebäudefluchten
verlaufen straßenparallel auch bei gekrümmten
Straßenverläufen.
WEITERBAUEN DES
GESCHLOSSENEN BLOCKRANDES
ARRONDIERUNG DES
STRASSENBLOCKS
GESTALTUNGSLEITLINIEN STADTRAUM
KONTINUITÄT DER STÄDTE-
BAULICHEN FORM UND
NUTZUNGSVIELFALT
Kontinuität der städtebaulichen Form und
Vielfalt der Nutzung: Wohnungen und gewerbliche
Nutzungen wie Handwerk, Produktion,
Forschung und Handel sowie Kultur
und Bildung sollen in den Quartieren
gemischt werden. Eine funktionale Durchmischung
der Quartiere ist bei Neuplanungen
wie auch im Bestand anzustreben.
VERVOLLSTÄNDIGUNG DER
OFFENEN EINZELHAUSTYPOLOGIE
WOHNEN
EINZELHANDEL
GEWERBE
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EINBINDUNG VON
SONDERBAUFORMEN
IM QUARTIER
~ 1500 qm
~ 3000 qm
~ 2500 qm
Sonderbauformen aus Forschung, Kultur,
Schule, Gewerbe treten in den Dialog mit
ihrem Umfeld. Sie nehmen im Stadthauskontext
keine Sonderstellung ein. Maß,
Kubatur und funktionale Gestaltung ordnen
sich dem städtebaulichen Kontext unter.
Idealtypisch entstehen so Stadthäuser mit
langfristig und differenziert nutzbaren Typologien,
die wandelbar sind und bleiben.
ORIENTIERUNG AN
VORDERER BAUFLUCHT
VERNETZUNG VON
EINZELHANDEL UND
GEWERBE IM QUARTIER
Einzelhandelsnutzungen sollen als vernetzte
Einkaufsquartiere geplant werden. Sie
integrieren sich in mehrgeschossige Gebäude
und öffnen sich zum öffentlichen
Stadtraum. Einzelhandelsnutzungen platzieren
sich an der vorderen Bauflucht. Ihre
Fassaden sollen anspruchsvoll entwickelt
und gegliedert werden, auch wenn klassische
Fenster in diesen Nutzungen nicht
zwingend notwendig sind.
INTEGRATION IN
MEHRGESCHOSSIGEN
GEBÄUDEN
EINZELHANDEL
GEWERBE
ÖFFNUNG ZUM STADTRAUM
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GESTALTUNGSLEITLINIEN STADTRAUM
SEITE 86
GEBÄUDEBEZOGENE
PRINZIPIEN
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GEBÄUDEBEZOGENE PRINZIPIEN
GESTALTUNGSLEITLINIEN STADTRAUM
Die Gestaltungsleitlinien Stadtraum am Beispiel Dresden
thematisieren auch die Gestaltung der Gebäude selbst.
Den Ausgangspunkt dieser Überlegungen bilden die
Erfahrungen der letzten Jahren im alltäglichen Baugeschehen
Dresdens: Rationalisierungen und Optimierungen
in den jeweiligen Gebäudetypologien sowie
architektonische Lösungen für Standorte, denen mitunter
auch die Eignung für die gestellte Bauaufgabe
fehlt, sind oftmals aus einem funktional, technisch und
wirtschaftlich ausgereiftem Denken heraus entstanden,
wirken allerdings im Einzelfal nachhaltig unbefriedigend
auf den Stadtraum. Der Fokus soll stattdessen auf dem
Charakter des Städtischen, auf dem menschlichen Maßstab
und einer dem jeweiligen Ort angemessenen Lösung
liegen. Die Leitlinie will eine mögliche Vielfalt in der
städtischen Gestaltung nicht einschränken, vielmehr die
Beliebigkeit in der architektonischen Gestaltung hinterfragen.
Der Lebenswert einer Stadt steigt für seine
Bewohner umso mehr, je sensibler und qualitätvoller
Stadt und Stadtraum aus dem Gebauten entstehen.
Inhaltlich gehen die nachfolgenden Prinzipien somit in
Wort und Bild der Frage nach, was das städtische Bauen
typisch macht und woran sich architektonische Entwürfe
in Dresden orientieren mögen. Prinzipiell sollte
dieser Teil selbsterklärlich sein.
Angesichts der Vernachlässigung, mit der in den vergangenen
Jahren auch scheinbar selbstverständliche
Grundlagen in der architektonischen Gestaltung bedacht
wurden, erscheint es aber unumgänglich, diese Ausführungen
in die Gestaltungsleitlinien aufzunehmen.
Die Vielzahl von Aspekten zur Gestaltung eines städtischen
Hauses und seines Umfeldes sei nachfolgend überschlägig
umrissen. Im Einzelnen geht es um:
• das Bewusstsein für das Gebäuderelief eines
städtischen Hauses, zu dem neben der Differenzierung
in Sockel, Mittelteil und oberem Abschluss,
der horizontalen und vertikalen Gliederung, auch
die Detaillierung von Fenstern, Balkonen, Loggien,
Erkern zählt;
• die Erreichbarkeit des Hofraums vom Treppenhaus
aus und die Anhebung von Wohnungen auf Hochparterre,
um eine Privatheit auf dieser Ebene zu
gewährleisten;
• die Gestaltung von Vorgärten, von Zuwegen und Zufahrten,
von Parkplätzen und die Forderung nach Anpflanzung
von Bäumen auf dem eigenen Grundstück;
• die Varianz in der Fassadengestaltung von gewerblichen
Bauten mit ihren typisierten Rastermaßen,
wie auch um die Frage einer angemessenen Werbung
auf der Fassade;
• die Gestaltung der Ecke im Block als wichtigem
städtebaulichen Kreuzungspunkt;
• die Gestaltung der Dachlandschaft im Dialog zum
Haus sowie in der Betrachtung der stadträumlichen
Wirkung, die sich aus dem Blick über die Dächer ergibt;
• die Vermeidung von sichtbaren Aufbauten und
Anbauten technischer Art.
Der Begriff des städtischen Hauses meint dabei nicht
nur Wohn- und Geschäftshäuser, sondern auch Gebäude
für Bildung und Kultur, für Sport und städtische
Infrastruktur.
Nicht aus dem Blick zu verlieren ist dabei die einfache
Annäherung an ein städtisches Haus – und das ist die
Wahrnehmung von Architektur als Passant, als Fußgänger,
als Stadtspaziergänger. Von einem städtischen
Haus erwarten wir daher eine Wechselwirkung zwischen
Architektur und öffentlichem Raum – vor allem an
jenen Stellen, an denen sich der Übergang vom Öffentlichem
zum Privaten hin vollzieht. Damit ist der
Gestaltung des Erdgeschosses eine besondere Aufmerksamkeit
zu widmen, da diese Zone in unserer Wahrnehmung
derienige Bereich eines Hauses ist, dem wir
auf Augenhöhe begegnen – auf der Straße, an Plätzen,
an der einfachen Straßenecke.
Allein mit dem Einhalten der architektonischen Gestaltungsprinzipien
wird noch nicht zwingend gute oder
gar herausragende Architektur entstehen. Städtische
Architektur, die diesen Namen verdient, besteht aus
mehr als der Anwendung der hier aufgeführten gebäudebezogenen
Gestaltungsprinzipien. Sie entsteht aus einer
architektonischen Idee in ihrem scheinbar selbstverständlichen
Zusammenspiel eines zeitgemäßen, doch
dauerhaft brauchbaren Grundrisses mit der Ausformulierung
der Fassade im Sinne eines stadträumlich
wahrnehmbaren Beitrags zum städtischen Haus und
der Bezugnahme auf die spezifische Historie und die
Bautypologie von Dresden. Es liegt im Auftrag und in
der Verpflichtung der Bauherren, diese maßgebliche
Idee einer Architektur für Dresden zu entwickeln.
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GESTALTUNGSPRINZIP DER
FASSADE EINES STADTHAUSES
Das grundlegende Gestaltungsprinzip bei Fassaden
von Stadthäusern soll die ablesbare Gliederung in
Sockelzone (a), Mittelteil (b) und oberen Abschluss (c)
sein. Die Sockelzone erhält zum Stadtraum z. B. durch
ihre Materialität eine konstruktive oder gestalterische
Überhöhung.
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GEBÄUDEBEZOGENE PRINZIPIEN
FASSADENGLIEDERUNG IN RÄUMLICHER TIEFE
GESTALTUNGSLEITLINIEN STADTRAUM
Die Außenwände eines Gebäudes bilden zugleich die
Innenseiten eines Stadtraumes. Die Fassaden der Häuser
stellen den gestalteten Rahmen der Stadt dar. Eine Gliederung
der Fassaden mit einer Staffelung in räumlicher
Tiefe und die Vermeidung von seriellen Abwicklungen
lässt ortsspezifische Identitäten entstehen und trägt zu
der Unverwechselbarkeit eines Ortes bei. Die gestalterische
Individualität sollte in jedem einzelnen Haus wahrnehmbar
sein.
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IN DEN STRASSENRAUM
REICHENDE GEBÄUDETEILE
Loggien, Balkone und Erker, die in den Straßenraum
reichen, sollen in ihrer Tiefe dergestalt ausgelegt werden,
dass sie den Straßenraum nicht unangemessen bedrängen
und den Bewohnern dennoch eine gute Nutzbarkeit
ermöglichen. Das konkrete Maß der Auskragung aus dem
Baukörper soll dabei in Abstimmung mit der unmittelbaren
Umgebung gewählt werden. Als Anhaltspunkt für
eine Auskragung dient ein Maß von 60 bis 120 Zentimeter.
Die tatsächlich nutzbare Tiefe von Loggien und
Balkonen als Außenfreisitze mit Mobiliar kann durch
Einschnitte in den Baukörper entsprechend größer ausfallen
(+ X).
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GEBÄUDEBEZOGENE PRINZIPIEN
ERSCHLIESSUNG DES INNENHOFES
Im Geschosswohnungsbau soll der Hof direkt vom Treppenhaus
erschlossen werden, sodass alle Bewohner den
gemeinsamen Hofraum unmittelbar erreichen können.
WOHNEN IM ERDGESCHOSS
ALS HOCHPARTERRE
GESTALTUNGSLEITLINIEN STADTRAUM
Neubauten mit Wohngeschossen in der ersten Ebene
sollen zur Gewährung eines Sozialabstandes als Hochparterre
mit einer angemessenen Höhe (X) über dem
Straßenniveau ausgebildet werden. Angemessen ist eine
Höhe des Fußbodens im Hochparterre von mindestens
60 Zentimetern über dem Fußweg.
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PRINZIP DES DURCHWOHNENS
Die anzustrebende Grundrissgestaltung sieht beim städtischen
Wohnhaus das Prinzip des Durchwohnens vor,
demzufolge jede Wohnung sowohl zur Straßen- wie zur
Hofseite hin orientiert ist. Neben der guten Durchlüftbarkeit
einer Wohnung können so auch Feuerwehreinfahrten
oder -umfahrten vermieden werden. Unvermeidbare
Angebote für zweite Rettungswege sollen gestalterisch
hochwertig ausgebildet werden. Verbleibende Aufstellflächen
für die Feuerwehr sollen mit überlagerten
Wegen und Nutzflächen in die Freiraumgestaltung eingebunden
werden.
ANORDNUNG VON NUTZUNGEN
Z
Z
Z
Z
Z
Z
Z
Z
Z
Sowohl Wohnflächen wie auch gewerbliche Nutzungen
sollen sich zu einem lebendigen öffentlichen Raum hin wahrnehmbar
artikulieren. Aneinanderreihungen von Schlafräumen,
Lagerflächen und Funktionsflächen zum Stadtraum
leisten keinen Beitrag an den öffentlichen Raum.
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