RA 02/2025 - Entscheidung des Monats
Im Mittelpunkt des Urteils steht die höchstrichterlich noch nicht geklärte Frage, ob eine Partei den Austritt einer Gemeinde aus einer privatrechtlichen Vereinigung verlangen kann, wenn diese sich wiederholt kritisch über die Partei äußert.
Im Mittelpunkt des Urteils steht die höchstrichterlich noch nicht geklärte Frage, ob eine Partei den Austritt einer Gemeinde aus einer privatrechtlichen Vereinigung verlangen kann, wenn diese sich wiederholt kritisch über die Partei äußert.
Verwandeln Sie Ihre PDFs in ePaper und steigern Sie Ihre Umsätze!
Nutzen Sie SEO-optimierte ePaper, starke Backlinks und multimediale Inhalte, um Ihre Produkte professionell zu präsentieren und Ihre Reichweite signifikant zu maximieren.
02/2025
ENTSCHEIDUNGDESMONATS
ÖFFENTLICHESRECHT
MitgliedschafteinerStadtineiner„Alianz
gegenRechtsextremismus“
WHERE
TALENT
MEETS
OPPORTUNITY
Die Zukunft fest im Blick
Erfolge sind so unterschiedlich wie die Wege dahin. Unser Stipendienprogramm unterstützt
Nachwuchs juristinnen und -juristen von Anfang an! Wir freuen uns darauf, Ihnen Einblicke in
das Kanzleileben zu geben und Sie mit #teamlinklaters in Kontakt zu bringen.
Machen Sie mehr aus Ihrem Studium – mit dem
Linklaters Stipendienprogramm werden Sie Teil
unserer Talent Community! Wir begleiten Sie mit
persönlicher Betreuung, exklusiven Veranstaltungen
sowie individueller und gezielter Karriereberatung
durch ein persönliches Mentoring. Mit einem Zugang
zur Jurafuchs-App und einem Gutschein für Fachliteratur
unterstützen wir Sie zusätzlich.
Alle Stipendienleistungen auf einen Blick:
» Begleitung durch ein persönliches Mentoring
» Büchergutschein für Fachliteratur
» Zugang zur Lern-App „Jurafuchs“
» Exklusive Einladungen zu Workshops,
Fachvorträgen und Events
» Kennenlernen der Linklaters Talent Community
Bewerbungszeitraum
vom 1. Dezember 2024 bis 28. Februar 2025
Bei Fragen zu unserem Stipendienprogramm
wenden Sie sich gern an:
Linklaters LLP / Lars Lindenblatt
Recruitment / +49 69 71003 241
recruitment.germany@linklaters.com
Für weitere Informationen zu
Auswahlkriterien, Ablauf und
Inhalten des Programms
QR-Code scannen!
career.linklaters.de @linklaters_germany Linklaters Germany
Hast du was im KASTEN?
Bereite dich optimal auf das
1. juristische Staatsexamen vor - mit
unseren Karteikarten für das 1. Examen!
Neuauflagen
erscheinen
demnächst - jetzt
einschreiben!
Ob Prüfungsschemata, Definitionen,
Strukturen, Meinungsstreitigkeiten oder
Kurzfälle - unsere umfassenden Karteikarten
helfen Dir, den Überblick zu behalten und
sicher in die Prüfung zu gehen!
Deine Vorteile:
• Aktuell & relevant: Die Karteikarten
werden jährlich aktualisiert und
enthalten nur examensrelevante
Themen
• Länderspezifisch im öffentlichen
Recht: Für die Bundesländer Baden-
Württemberg, Bayern, Berlin,
Brandenburg, Bremen, Hamburg,
Hessen, Niedersachsen, NRW,
Rheinland-Pfalz, Saarland, Sachsen,
Sachsen-Anhalt und Thüringen
• Nachhaltig verpackt: Praktische
Karteikartenkästen aus Karton
Speziell für Kursteilnehmer
Unsere Kurskarteikarten:
verlag.jura-intensiv.de/karteikarten/
karteikarten-fuer-kursteilnehmer/1.-examen/
Stand: Januar 2025
90 Öffentliches Recht
RA 02/2025
Problem: Mitgliedschaft einer Stadt in einer „Allianz
gegen Rechtsextremismus“
Einordnung: Kommunalrecht / Staatsorganisationsrecht
VGH München, Urteil vom 14.11.2024
4 B 23.2005
LEITSATZ
Ist eine Kommune Mitglied einer
mehrheitlich von Privaten gebildeten
Vereinigung, deren Vertreter
sich in der Öffentlichkeit kritisch
über eine bestimmte Partei äußern,
so kann der betroffene Kreisverband
dieser Partei den
Austritt der Kommune aus
der Vereinigung verlangen.
Anspruch aus Art. 21 I GG
Zum Aufbau: Die Darstellung folgt
dem Prüfungsaufbau des VGH.
Alternativ wäre der übliche Prüfungsaufbau
(Anspruchsgrundlage
und -voraussetzungen) möglich.
Recht auf Chancengleichheit der Parteien
• staatliche Neutralitätspflicht
Neutralitätspflicht gilt auch für Kommunen
(vgl. BVerwG, Urteil vom
13.09.2017, 10 C 6.16, RA 1/2018,
29, 31)
EINLEITUNG
Im Mittelpunkt des Urteils steht die höchstrichterlich noch nicht geklärte
Frage, ob eine Partei den Austritt einer Gemeinde aus einer privatrechtlichen
Vereinigung verlangen kann, wenn diese sich wiederholt kritisch über die
Partei äußert.
SACHVERHALT
Die Stadt Nürnberg ist Gründungsmitglied der „Allianz gegen Rechtsextremismus
in der Metropolregion Nürnberg“, einem nicht eingetragenen gemeinnützigen
Verein. Diesem gehören 165 Städte, Gemeinden und Landkreise und 322 zivilgesellschaftliche
Organisationen an. In den vergangenen Jahren äußerte sich
die Allianz gegen Rechtsextremismus vielfach in der Öffentlichkeit kritisch zur
AfD. Einen aus diesem Grund von der AfD-Fraktion gestellten Antrag auf Austritt
lehnte der Nürnberger Stadtrat mehrheitlich ab. Mit der daraufhin erhobenen
Klage macht der zuständige AfD-Kreisverband geltend, die Allianz beziehe beispielsweise
auf ihrer Homepage oder in Pressemitteilungen öffentlich Stellung
gegen die AfD. Diese Äußerungen müsse sich die Stadt Nürnberg als Mitglied
der Allianz zurechnen lassen. Die Stadt verstoße daher durch die Mitgliedschaft
gegen ihre Pflicht zur parteipolitischen Neutralität und sei deshalb verpflichtet,
aus der Allianz auszutreten.
Kann der AfD-Kreisverband von der Stadt Nürnberg verlangen, aus der Allianz
gegen Rechtsextremismus auszutreten?
LÖSUNG
Der AfD-Kreisverband kann von der Stadt Nürnberg verlangen, aus der Allianz
auszutreten, wenn ihm ein entsprechender Anspruch zusteht. Ein solcher
Anspruch könnte sich aus Art. 21 I GG ergeben.
I. Neutralitätspflicht staatlicher Organe
„[31] Der von Art. 21 Abs. 1 GG geschützte verfassungsrechtliche Status der
Parteien gewährleistet […] das Recht, gleichberechtigt am politischen
Wettbewerb teilzunehmen. […] Ihre chancengleiche Beteiligung an der
politischen Willensbildung des Volkes macht es erforderlich, dass Staatsorgane
im politischen Wettbewerb der Parteien Neutralität wahren.
[…] Staatliche Organe dürfen keine negativen oder positiven Werturteile
über bestimmte Parteien abgeben; sie müssen sich der offenen
oder versteckten Werbung für oder gegen einzelne miteinander konkurrierende
Parteien enthalten. […]
[32] Da das verfassungsrechtliche Gebot parteipolitischer Neutralität für die
kommunale Ebene in gleicher Weise gilt, ist auch die Beklagte als örtlicher
Träger der kommunalen Selbstverwaltung bei allen an die Öffentlichkeit gerichteten
Verlautbarungen daran gebunden. Es macht dabei keinen Unterschied,
© Jura Intensiv Verlags UG & Co. KG
RA 02/2025
Öffentliches Recht
91
ob sich ein einzelner Amtsträger bzw. der Stadtrat als Vertretungsorgan in
seiner jeweiligen Funktion zu Wort meldet oder ob eine Äußerung allgemein
namens der Beklagten als Gebietskörperschaft abgegeben wird.“
II. Verstoß gegen Neutralitätspflicht
Gegen die so umrissene Neutralitätspflicht könnte die Stadt Nürnberg verstoßen
haben.
1. Öffentliche Äußerungen über die AfD
„[34] Zwar bezeichnet die Satzung der 2009 gegründeten Allianz gegen
Rechtsextremismus es nicht ausdrücklich als Ziel der Vereinigung, in
der Öffentlichkeit vor als rechtsextrem eingeschätzten Parteien in der
Metropolregion Nürnberg zu warnen oder ihre politischen Programme
inhaltlich zu bewerten. Die Auseinandersetzung mit der AfD bildet aber
seit längerem einen Schwerpunkt der publizistischen Tätigkeit der
Allianz. Dies zeigen die auf ihrer Homepage […] abrufbaren Berichte über die
Mitgliederversammlungen der Jahre 2017 […], 2018 […], 2019 […] und 2020
[…] ebenso wie die auf ihrem Instagram-Account (Stand 13.11.2024) abrufbaren
Wortmeldungen ihres Vorsitzenden, in denen er u.a. die Erfolge der AfD
bei den jüngsten Wahlen zum Europaparlament sowie zu den Landtagen in
Sachsen und Thüringen anprangert und die politische Ausrichtung dieser
Partei kritisiert […]. Auch in zahlreichen von der Klägerseite vorgelegten oder
im Internet abrufbaren Pressemitteilungen und Interviewäußerungen aus
neuerer Zeit haben Vertreter der Allianz gegen Rechtsextremismus explizit
gegen die AfD und deren Politik Stellung genommen […].“
2. Zurechnung der Äußerungen
Da es sich hier um Äußerungen eines gemeinnützigen Vereins handelt, ist
allerdings fraglich, ob sich die Stadt Nürnberg diese Äußerungen zurechnen
lassen muss.
„[36] Eine kommunale Gebietskörperschaft kann sich ihrer verfassungsrechtlich
begründeten Neutralitätspflicht nicht durch den organisatorischen
Zusammenschluss mit anderen selbständigen Rechtsträgern entziehen.
Sie ist an das für alle Inhaber von Staatsgewalt geltende Verbot der
offenen oder versteckten Werbung für oder gegen einzelne Parteien
auch gebunden, wenn sie sich in einem Verbund mit gleichgesinnten
Akteuren an die Öffentlichkeit wendet und dabei andere für sich sprechen
lässt. Bei solchen Kooperationen muss die Gebietskörperschaft parteipolitische
Neutralität nicht nur dann wahren, wenn dem Zusammenschluss
ausschließlich Gebietskörperschaften oder sonstige Hoheitsträger angehören,
sondern ebenso bei einer Beteiligung Privater. Sie bleibt zur
Neutralität auch verpflichtet, wenn ihr und den weiteren Trägern
öffentlicher Gewalt keine beherrschende Stellung innerhalb der
Vereinigung zukommt, wie es bei der Allianz gegen Rechtsextremismus
wegen der überwiegenden Zahl gleichberechtigter zivilgesellschaftlicher
Vereinsmitglieder anzunehmen ist.
[37] Zwar spricht alles dafür, dass eine aus privaten und öffentlich-rechtlichen
Mitgliedern bestehende „gemischte“ Vereinigung selbst nicht dem
Gebot parteipolitischer Neutralität unterliegt, sofern dort die privaten
Mitglieder wegen ihres mehrheitlichen Anteils oder aufgrund interner
Regelungen den maßgebenden Einfluss ausüben; die Vereinigung kann
sich daher in einem solchen Fall auf das Grundrecht der Meinungsfreiheit
Öffentliche Äußerungen der Allianz
gegen Rechtsextremismus über die
AfD
Problem: Äußerungen erfolgten
durch privatrechtlichen Verein
Staatliche Neutralitätspflicht gilt unabhängig
von Organisationsstruktur
„Gemischte“ Vereinigung mit beherrschendem
Einfluss Privater ist zwar
selbst nicht an Neutralitätspflicht
gebunden.
Aber: Kommune darf nicht
„gemischte“ Vereinigung bei Eingriffen
in den parteipolitischen
Wettbewerb unterstützen.
© Jura Intensiv Verlags UG & Co. KG
92 Öffentliches Recht
RA 02/2025
berufen. An grundrechtsgeschützten Betätigungen eines privatrechtlich
organisierten Vereins darf sich aber eine Kommune nicht durch ihre
Mitgliedschaft oder sonstige Unterstützungshandlungen beteiligen,
wenn durch die Äußerungen der Vereinsvertreter wiederholt und gezielt
in den politischen Wettbewerb der Parteien eingegriffen wird. […]“
Folglich muss sich die Stadt Nürnberg die Äußerungen der Allianz gegen
Rechtsextremismus zurechnen lassen, sodass sie mittelbar in das Recht des
AfD-Kreisverbands aus Art. 21 I GG eingreift.
3. Rechtfertigung des mittelbaren Eingriffs
Der mittelbare Eingriff in Art. 21 I GG könnte durch die Befugnis zur kommunalen
Öffentlichkeitsarbeit gerechtfertigt sein.
Befugnis des Staates zur Öffentlichkeitsarbeit
Gilt auch für Kommunen im Rahmen
ihres Aufgabenbereichs (vgl. BVerwG,
Urteil vom 13.09.2017, 10 C 6.16,
RA 1/2018, 29, 29 f.)
Aber: Recht zur Öffentlichkeitsarbeit
rechtfertigt nicht parteipolitische
Äußerungen.
Zudem keine Angelegenheit der örtlichen
Gemeinschaft
„[39] Die Öffentlichkeitsarbeit staatlicher Stellen umfasst die Darlegung
und Erläuterung der Politik hinsichtlich getroffener Maßnahmen
und künftiger Vorhaben sowie die sachgerechte, objektiv gehaltene
Information über die Bürgerinnen und Bürger unmittelbar betreffende
Fragen und wichtige Vorgänge auch außerhalb oder weit im Vorfeld der
eigenen gestaltenden politischen Tätigkeit. Daraus ergibt sich für die
Organe und die gewählten Amtsträger einer Kommune im Rahmen ihrer
Aufgabenzuweisung eine prinzipielle Befugnis zu kommunalpolitischen
Stellungnahmen zu allen Themen, welche die Angelegenheiten
der örtlichen Gemeinschaft betreffen.
[40] Auf diese allgemeine Äußerungsbefugnis kann die Beklagte zur Rechtfertigung
ihrer Mitgliedschaft in der Allianz gegen Rechtsextremismus
aber jedenfalls solange nicht verweisen, wie deren Vertreter sich in öffentlichen
Stellungnahmen ausdrücklich und in kritischer Form mit der AfD
auseinandersetzen. Denn auch im Rahmen der kommunalen Öffentlichkeitsarbeit
gilt […] das aus Art. 21 GG folgende Neutralitätsgebot im
Verhältnis zu den politischen Parteien.
[41] Es erscheint ohnehin bereits fraglich, ob das von der Allianz verfolgte
Ziel, durch gemeinsame Aktionen und Projekte die Prävention
gegen rechtsextremes Gedankengut zu optimieren (§ 2 Abs. 1 Satz 2
der Satzung), in dieser allgemeinen Form eine Aufgabe des eigenen
Wirkungskreises der Beklagten […] darstellt und daher Gegenstand kommunaler
Öffentlichkeitsarbeit sein kann. […] Durch die Beschränkung [des]
Zugriffsrechts auf Angelegenheiten, die in der örtlichen Gemeinschaft
wurzeln oder auf sie einen spezifischen Bezug haben, bleibt es ihnen
[…] verwehrt, unter Berufung auf ihre Allzuständigkeit allgemeinpolitische
Fragen zum Gegenstand ihrer Tätigkeit zu machen. Um eine
solche Aufgabe ohne spezifischen Ortsbezug dürfte es sich aber bei
der von der Allianz gegen Rechtsextremismus erklärtermaßen in
den Mittelpunkt ihrer Aktivitäten gestellten Bekämpfung rechtsextremen
Gedankenguts handeln. Das Ziel, die Bevölkerung in der
Metropolregion Nürnberg über eine bestimmte Erscheinungsform verfassungsfeindlicher
Einstellungen aufzuklären, wurzelt nicht in der örtlichen
Gemeinschaft, sondern liegt im gesamtstaatlichen Interesse; die
Gemeinden sind nicht zur selbständigen Wahrnehmung solcher originären
Verfassungsschutzaufgaben berufen.“
Somit ist der mittelbare Eingriff nicht durch die Befugnis zur kommunalen
Öffentlichkeitsarbeit gerechtfertigt, sodass der AfD-Kreisverband in seinem
Recht aus Art. 21 I GG verletzt ist.
© Jura Intensiv Verlags UG & Co. KG
RA 02/2025
Öffentliches Recht
93
III. Rechtsfolge
Fraglich ist, ob der AfD-Kreisverband als Rechtsfolge des aufgezeigten
Verstoßes gegen Art. 21 I GG verlangen kann, dass die Stadt Nürnberg aus der
Allianz gegen Rechtsextremismus austreten muss.
„[44] Anders als bei hoheitlichen Äußerungen, gegen die sich ein Betroffener
mittels eines gegen den jeweiligen öffentlich-rechtlichen Rechtsträger
gerichteten Unterlassungsanspruchs gezielt zur Wehr setzen kann, kann der
Kläger hier von der Beklagten nicht unmittelbar verlangen, dass die ihn
verletzenden Äußerungen künftig unterbleiben. Die Beklagte hat, da sie
nur eines unter mehreren hundert gleichberechtigten Mitgliedern der Allianz
gegen Rechtsextremismus ist, innerhalb dieses nicht rechtsfähigen Vereins
keine beherrschende Stellung und kann daher dessen Öffentlichkeitsarbeit
nicht maßgebend bestimmen. Sie hat auch nicht vorgetragen, über einen so
großen faktischen Einfluss zu verfügen, dass sich der gewählte Vorstand
und die übrigen Organe der Allianz bei ihrer Öffentlichkeitsarbeit
zwingend an ihre inhaltlichen Vorgaben halten würden. Vergleichbar
dem höchstrichterlich entschiedenen Fall, in dem einem Pflichtmitglied
einer Industrie- und Handelskammer ein Anspruch auf Austritt der
Kammer aus einem privatrechtlich organisierten Dachverband zuerkannt
wurde, weil der Verband sich zu allgemeinpolitischen Fragen
geäußert hatte, kann auch der Kläger den Austritt der Beklagten aus der
Allianz gegen Rechtsextremismus verlangen.
[45] Besondere Gründe, die gegen einen solchen Anspruch auf Beendigung
der Mitgliedschaft sprechen, sind weder ersichtlich noch von der Beklagten
geltend gemacht worden. Die gegen die AfD gerichteten Appelle und
Stellungnahmen der Allianz gegen Rechtsextremismus bilden seit
Jahren einen Schwerpunkt ihrer Presse- und Öffentlichkeitsarbeit und
sind demnach keine atypischen Ausnahmefälle („Ausreißer“), aus denen
sich noch keine konkrete Wiederholungsgefahr ableiten ließe. Wie die
Presseerklärungen aus jüngerer Zeit erkennen lassen, hat der Umstand, dass
sich die AfD-Stadtratsfraktion und der Kläger im vorliegenden Verfahren auf
die Unzulässigkeit der gegen ihre Partei gerichteten Äußerungen berufen,
bislang keine Änderungen im öffentlichen Auftreten der Allianz bewirkt.
Deren Satzung enthält auch keine geeigneten Vorkehrungen, durch die
eine Beachtung der parteipolitischen Neutralitätspflicht, der die ihr angehörenden
Gebietskörperschaften unterliegen, für die Zukunft sichergestellt
wäre. Nach den Gesamtumständen ist daher davon auszugehen, dass
sich die Allianz gegen Rechtsextremismus auch in Zukunft mit AfD-kritischen
Äußerungen an die Öffentlichkeit wenden wird.“
Rechtsfolge des Verstoßes gegen
Art. 21 I GG?
Unterlassungsanspruch gegen
Stadt Nürnberg (-), da Äußerung
nicht direkt von ihr stammt und sie
keine beherrschende Stellung in der
Allianz gegen Rechtsextremismus
hat • Anspruch auf Austritt.
Vgl. BVerwG, Urteil vom 23.03.2016,
10 C 4.15, juris Rn 18 ff.
Ausnahmegründe (-)
Somit kann der AfD-Kreisverband von der Stadt Nürnberg verlangen, aus der
Allianz gegen Rechtsextremismus auszutreten.
FAZIT
Examensrelevant sind die Ausführungen des VGH zur Zurechnung der
Äußerungen des privaten Vereins, zu den Grenzen des Selbstverwaltungsrechts
bzgl. des Schutzes der Verfassung und insbesondere zur Rechtsfolgenseite,
bei der das Gericht vom öffentlich-rechtlichen Unterlassungsanspruch
abgrenzt. Da die Frage, welche Folgen sich aus Art. 21 I GG ergeben, wenn
eine Gemeinde einer privatrechtlichen Vereinigung angehört, die sich
anhaltend kritisch über eine bestimmte Partei äußert, bisher höchstrichterlich
nicht geklärt ist, hat der VGH die Revision zugelassen.
© Jura Intensiv Verlags UG & Co. KG
© bernardbodo - stock.adobe.com
Geschmack auf mehr?
Die VOLLVERSION
gibt´s hier!
RA 02/2025
Unsere Zeitschrift
ist als Print- &
Digitalausgabe
erhältlich.
ZUM SHOP
Direkt zum RA-Abo
Ab
4,99 €
Weitere Informationen zu unseren RA-Optionen gibt es
in unserem Online-Shop?
https://verlag.jura-intensiv.de/ra-ausbildungszeitschrift