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Frauenfussball Hans Spuhler – ein Leben für die Ken 1. Klassen ...

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3/11<br />

IntervIew<br />

<strong>Frauenfussball</strong><br />

<strong>Hans</strong> <strong>Spuhler</strong> <strong>–</strong> <strong>ein</strong> <strong>Leben</strong> <strong>für</strong> <strong>die</strong> <strong>Ken</strong><br />

FototermIn<br />

<strong>1.</strong> <strong>Klassen</strong><br />

wortScHatz<br />

Spaghetti al mare<br />

Info-Magazin der Kantonsschule Enge Zürich


2 kenzeichen 3/11<br />

EdItorIal<br />

Bildung ist wichtig <strong>–</strong> und sie ist <strong>die</strong> Hauptstütze<br />

unseres Wohlstands. Wer etwas erreichen<br />

will, braucht Bildung, Fortbildung und Weiterbildung,<br />

benötigt Zeugnisse, Diplome und Zertifikate,<br />

hat Primarschule, Sekundarschule, Gymnasium, Fachhochschule,<br />

Universität und mindestens <strong>ein</strong> Postgraduate-Institut<br />

besucht.<br />

Und ist er damit <strong>für</strong>s <strong>Leben</strong> gewappnet?<br />

Vielleicht.<br />

<strong>Hans</strong> <strong>Spuhler</strong> betont im Interview, das in <strong>die</strong>ser Ausgabe<br />

auf S. 13 wiedergegeben ist, <strong>die</strong> Wichtigkeit der humanistischen<br />

Bildung und kritisiert <strong>die</strong> zunehmende Pädagogisierung<br />

der Lehrerausbildung. Damit legt er wohl den Zeigefinger<br />

auf <strong>ein</strong>en wunden Punkt unserer Zeit <strong>–</strong> Bildung,<br />

<strong>die</strong> in zu deutlich vorgegebenen Bahnen verläuft, birgt <strong>die</strong><br />

Gefahr in sich, dass sich Lernende nicht mehr als Zentrum<br />

der Bildung erfahren, sondern als Abhängige <strong>ein</strong>es vielleicht<br />

gut gem<strong>ein</strong>ten, aber überregulierten Systems.<br />

Und das ist im Grunde genommen schlimm. Denn Bildung<br />

ist immer auch <strong>ein</strong> Weg der persönlichen Suche. Und zu<br />

<strong>die</strong>ser gehört es auch, zu leiden, hartnäckig zu bleiben,<br />

auf Abwege zu geraten, gar zu fallen, wieder aufzustehen,<br />

zu forschen, in neue Gebiete vorzudringen, neugierig zu<br />

bleiben, etwas zu durchleuchten, nicht alles zu glauben,<br />

sich an Autoritäten zu orientieren, sie intellektuell herauszufordern,<br />

sie gar überbieten zu wollen, Lust an der<br />

Diskussion über <strong>ein</strong>e Sache finden und…und…und…<br />

Kurz: Substanzieller Bildungserwerb kann nicht direkt<br />

und in allzu strikten Bahnen verlaufen, er braucht Musse,<br />

braucht Freiräume und verlangt nach Eigeninitiative. Es<br />

sind <strong>die</strong>s Forderungen, denen gewiss in <strong>ein</strong>em vielschichtigen<br />

Bildungsbetrieb wie der KEN Sorge getragen wird <strong>–</strong><br />

sei es im regulären Unterricht oder zum Beispiel in <strong>ein</strong>em<br />

Projekt der IPA (Bericht S. 7), an <strong>ein</strong>em Schreibwettbewerb<br />

(Bericht S. 5) und im Ringen um <strong>ein</strong>e Kurzgeschichte<br />

(Wortschatz S. 18) <strong>–</strong> es sind <strong>die</strong>s aber auch Forderungen,<br />

<strong>die</strong> in <strong>ein</strong>er durchstrukturierten und zertifikatsgläubigen<br />

Bildungsgesellschaft gelegentlich zu kurz kommen oder<br />

gar ganz unter den Tisch fallen.<br />

Darum: Eine Bildungs<strong>ein</strong>richtung sollte bemüht s<strong>ein</strong>, <strong>ein</strong>e<br />

optimale Balance zwischen dem Beharren auf zwingenden<br />

Vorgaben und dem Gewähren von Freiräumen zu finden.<br />

Davon hängt letztlich wohl auch das Wohlbefinden der<br />

Lernenden und der Lehrpersonen ab.<br />

Viel Vergnügen bei der Lektüre <strong>die</strong>ses kenzeichens wünscht<br />

Impressum<br />

Kantonsschule Enge<br />

Redaktion kenzeichen<br />

St<strong>ein</strong>entischstrasse 10,<br />

8002 Zürich<br />

Urs Bigler<br />

Info-Magazin der<br />

Kantonsschule Enge Zürich<br />

Nr.3, Oktober 2011<br />

www.ken.ch/kenzeichen<br />

Inhalt<br />

Editorial<br />

Urs Bigler<br />

rEktorat<br />

Chancen und Gewalt 3<br />

Christoph Wittmer<br />

BErichtE<br />

Elias <strong>–</strong> Chorkonzert in der Grossen Kirche Fluntern 4<br />

Golzar Piranfar (N3b)<br />

Herzklopfen vor der Diplomprüfung 5<br />

Valentina Ivic (Handelsdiplom 2011)<br />

Casinotheater Winterthur: der lustigste Text<br />

wieder von der KEN 5<br />

Louisa Pajarola (W4d)<br />

Maccabiah 6<br />

Avner Schächter (W3e) und Ethan Messinger (W4d)<br />

Schawuot <strong>–</strong> <strong>ein</strong> jüdisches Wochenfest 6<br />

Julia Rabner (N2a), Géraldine Nordmann (N4a), Ana Rabner (N4a)<br />

IPA hilft, bildet und sensibilisiert 7<br />

Niklas Zeller (H2b)<br />

Swiss Youth Ragtime Piano Competition 2011 8<br />

Martin Jäger (Musik)<br />

FototErmin<br />

intErviEw<br />

Fussball <strong>–</strong> Frauen erobern den Rasen 11<br />

Nubia Sivec (Handelsdiplom 11)<br />

<strong>Hans</strong> <strong>Spuhler</strong> <strong>–</strong> <strong>ein</strong> <strong>Leben</strong> <strong>für</strong> <strong>die</strong> KEN 13<br />

Tiffany Sigg (N4b), Dorian Wiederkehr (H2a)<br />

Der Blick von aussen auf <strong>die</strong> KEN 14<br />

Angelika Bühler (N2a)<br />

EhEmaligE<br />

Sieben Jahre nach dem Handelsdiplom in<br />

verantwortungsvoller Position 15<br />

Janine Waldvogel (Handelsdiplom 11)<br />

kEnatur<br />

Der kl<strong>ein</strong>e Zoo an der KEN 17<br />

Liliane Preissle (Handelsdiplom 11)<br />

wortschatz<br />

Spaghetti al mare <strong>–</strong><br />

oder <strong>die</strong> Familie m<strong>ein</strong>es Freundes 18<br />

Vanessa Da Cruz (W4d)<br />

tErminE<br />

Oktober 2011 bis Januar 2012 20<br />

Herausgeber: KEN-Media (urs.bigler@ken.ch)<br />

Auflage: 1250 Exemplare<br />

Redaktion: Urs Bigler, Andreas Haag<br />

Layout: Markus Kachel<br />

Druck: Bader+Niederöst AG<br />

Titelbild: Andreas Haag


Bild: Andreas Haag<br />

rEktorat<br />

Chancen und Gewalt<br />

Die «Kruste der Zivilisation» sei dünn, schreibt der ungarische<br />

Schriftsteller György Konrad in <strong>ein</strong>em Essayband, der in <strong>die</strong>sem<br />

Herbst veröffentlicht wird und aus dem er kürzlich im Zürcher<br />

Literaturhaus gelesen hat. Der Schriftsteller bezieht sich auf s<strong>ein</strong>e<br />

Erfahrungen mit der ungarischen Geschichte, auf <strong>die</strong> Diktaturen<br />

des 20. Jahrhunderts und auf <strong>die</strong> aktuelle Entwicklung in s<strong>ein</strong>em<br />

Land, in dem <strong>die</strong> Freiheit der M<strong>ein</strong>ungsäusserung wieder <strong>ein</strong>geschränkt<br />

wird.<br />

Wie rasch <strong>ein</strong>e Gesellschaft, <strong>die</strong> als sicher <strong>ein</strong>gestuft wird, erschüttert<br />

werden kann, zeigen auch <strong>die</strong> Ereignisse in London<br />

im vergangenen Sommer. Kommentatoren verweisen auf <strong>die</strong><br />

fehlenden Bildungschancen und Zukunftsperspektiven in den<br />

von Ausschreitungen betroffenen Gebieten. Es herrsche <strong>ein</strong>e Art<br />

Analphabetismus, <strong>ein</strong>e sprachlose Wut der Jugend, <strong>die</strong> sich in<br />

Plünderungen Ausdruck zu verschaffen suche.<br />

Ob <strong>die</strong>s tatsächlich Gründe <strong>für</strong> <strong>die</strong> Krawalle sind, kann noch<br />

nicht mit Sicherheit gesagt werden; sicher ist aber, dass Bildung<br />

<strong>die</strong> Chance bietet, sich <strong>die</strong> Welt sprachlich anzueignen, <strong>die</strong> Geschichte<br />

und <strong>die</strong> Mechanismen der eigenen Gesellschaft zu erkennen<br />

und sich Perspektiven <strong>für</strong> das eigene <strong>Leben</strong> zu erarbeiten.<br />

In <strong>ein</strong>em Aufsatz schreibt <strong>ein</strong> Schüler der Kantonsschule Enge<br />

zu <strong>die</strong>sem Thema: «Angesichts der Tatsache, dass Schweizer Jugendliche<br />

unabhängig von ihrer sozialen Herkunft <strong>die</strong> Möglichkeit<br />

haben, an <strong>ein</strong>er guten Universität zu stu<strong>die</strong>ren, halte ich es <strong>für</strong><br />

sehr unwahrsch<strong>ein</strong>lich, dass sich Krawalle solchen Ausmasses hier<br />

entwickeln können.» Mit ihrem dualen Bildungssystem biete <strong>die</strong><br />

Schweiz dem Einzelnen ausserdem auch ohne Stu<strong>die</strong>nplatz <strong>ein</strong>e<br />

lebenswerte Zukunft. Der Schüler verweist in <strong>die</strong>sem Zusammenhang<br />

auch auf <strong>die</strong> vergleichsweise tiefe Jugendarbeitslosigkeit<br />

in unserem Land.<br />

Tatsächlich bietet <strong>die</strong> Schweiz <strong>ein</strong>malige Bildungs- und Berufschancen:<br />

Unsere Maturanden und Berufsmaturanden beginnen<br />

<strong>ein</strong> Studium an <strong>ein</strong>er Universität oder Fachhochschule in der<br />

Schweiz oder im Ausland, sie vertiefen ihre Sprachkenntnisse in<br />

<strong>ein</strong>em Zwischenjahr, ergreifen <strong>ein</strong> Bankpraktikum oder treten<br />

sofort ins Berufsleben <strong>ein</strong>. Es gibt wohl weltweit k<strong>ein</strong>en schulischen<br />

Werdegang, der mehr möglich macht.<br />

Die Mittelschule ist denn auch <strong>ein</strong> sehr gefragter Weg <strong>für</strong> junge<br />

Menschen. Wir begrüssten nach den Sommerferien an unserer<br />

Schule mehr Erstklässlerinnen und Erstklässler als je zuvor,<br />

und auch <strong>die</strong> Anzahl der Maturandinnen und Maturanden war<br />

noch nie so hoch wie in <strong>die</strong>sem Jahr. Es ist <strong>ein</strong>e schöne Aufgabe,<br />

in <strong>ein</strong>er grossen Schulgem<strong>ein</strong>schaft zusammen Perspektiven<br />

zu eröffnen; damit verbunden ist aber auch <strong>die</strong> Verantwortung,<br />

sich da<strong>für</strong> <strong>ein</strong>zusetzen, dass Bildung dazu genutzt wird, den Zusammenhalt<br />

in unserer Gesellschaft zu stärken, wo er gefährdet<br />

sch<strong>ein</strong>t. Denn gute Bildungssysteme sind <strong>–</strong> <strong>die</strong>s zeigt <strong>die</strong> Geschichte<br />

deutlich <strong>–</strong> nur dann <strong>ein</strong> Garant <strong>für</strong> Zukunftssicherheit<br />

und Freiheit, wenn sie Arbeit ermöglichen und wenn der soziale<br />

Friede nicht gefährdet ist.<br />

Christoph Wittmer<br />

3


4 kenzeichen 3/11<br />

BErIchtE<br />

Elias <strong>–</strong> Chorkonzert in der Grossen Kirche Fluntern<br />

Bild: Golzar Piranfar<br />

Felix Mendelssohn war <strong>ein</strong> Genie. Das dachten bestimmt<br />

auch <strong>die</strong> Musikfachlehrer der Kantonsschulen<br />

Enge und Freudenberg, als sie nach <strong>ein</strong>em geeigneten<br />

Werk <strong>für</strong> das <strong>die</strong>sjährige Chorprojekt suchten und<br />

sich schliesslich auf Mendelssohns Oratorium Elias <strong>ein</strong>igten<br />

(Begriffserklärung <strong>für</strong> <strong>die</strong> Musik-Banausen unter uns: Ein<br />

Oratorium ist <strong>die</strong> Vertonung <strong>ein</strong>er geistlichen Handlung,<br />

geschrieben <strong>für</strong> Solisten, Chor und Orchester).<br />

Im August 2010 begannen <strong>die</strong> Proben zu <strong>die</strong>sem grossartigen<br />

Stück, und im Mai 2011 fand <strong>die</strong> Aufführung in der Grossen<br />

Kirche Fluntern statt. Neun Monate dauerte das Erlernen,<br />

Proben, Verstehen, Verinnerlichen, Spüren, Liebgewinnen,<br />

Leids<strong>ein</strong>, Umsetzen, Wieder-Liebgewinnen, Sich-überzeugen-Lassen,<br />

Sich-tragen-Lassen, Sympathie-Entwickeln…<br />

Neun Monate wurde das Kind Elias gehegt, gepflegt, zurechtgestutzt,<br />

gelobt und grossgezogen, bis es dann bereit<br />

war, in <strong>die</strong> Welt entlassen zu werden.<br />

Das Oratorium handelt vom Propheten Elias, der über das<br />

Volk unter König Ahab und Königin Isebel <strong>ein</strong>en Dürrefluch<br />

ausspricht. Die Gründe da<strong>für</strong> sind in unheilvoller<br />

Romantik zu suchen: Ahab, über und über in s<strong>ein</strong>e Isebel<br />

verliebt, erlaubt s<strong>ein</strong>em Volk mit der Zeit immer mehr, <strong>die</strong><br />

fremden Götter s<strong>ein</strong>er Frau anzubeten, allen voran den<br />

Gott Baal. Somit wird der wahre Gottglaube immer rarer in<br />

Israel, und Elias ist gezwungen, Gottes Dürrefluch auszusprechen.<br />

Dürre, Hungersnöte, Leid und Elend suchen das<br />

Land heim. Währenddessen versucht Elias, den König zur<br />

Vernunft zu bringen, wird aber nur von Isebel ernst genommen,<br />

<strong>die</strong> ihn als wahrhaftige Gefahr ansieht und deswegen<br />

beschliesst, ihn töten zu lassen.<br />

Einige weitere mirakulöse Vorkommnisse<br />

führen schliesslich<br />

dazu, dass <strong>die</strong> Baalspriester nach<br />

erfolglosem Beschwören ihres<br />

Gottes vernichtet werden und<br />

durch Elias‘ Gebet endlich Wolken<br />

aufziehen. Dennoch gelingt<br />

es Isebel, das Volk gegen den<br />

Propheten aufzuhetzen und ihn<br />

in <strong>die</strong> Wüste zu jagen. Dort wird<br />

er von Gott und s<strong>ein</strong>en Engeln<br />

ermuntert, zurückzukehren und<br />

der Rebellion <strong>ein</strong> Ende zu setzen,<br />

was dann auch geschieht. Elias‘ <strong>Leben</strong> endet damit, dass<br />

er in <strong>ein</strong>em feurigen Wagen zum Himmel hochfährt.<br />

Das Projekt bestand aus Rezitativen, Chören, Arien, Terzetten<br />

und Quartetten, Ariosa und Sprechchören und wurde<br />

von Konrad Jenny geleitet. Neben den Chören, <strong>die</strong> sich aus<br />

Schüler/innen und Lehrpersonen der KEN und KFR zusammensetzten,<br />

waren auch Fabrice Raviola (Elias), Rafael<br />

von Matt (Sprecher), Christina Bosbach (Sopran), Barbara<br />

Schroeder (Alt), Andri Calonder (Tenor) und Erwin Heusser<br />

(Bass) mit von der Partie. Begleitet wurden <strong>die</strong> Sänger/<br />

innen vom Orchester La Partita. Eines der Highlights war<br />

der Engelschor, bestehend aus 12 Schülerinnen, der auf der<br />

Empore der Kirche platziert war und mehrere solistische<br />

Einlagen hatte.<br />

Nach den beiden Auftritten (25. Mai 2011 und 27. Mai 2011)<br />

machte sich bestimmt bei allen (oder den meisten) <strong>die</strong>se berühmte<br />

Wehmut bemerkbar, <strong>die</strong> sich immer nach Abschluss<br />

<strong>ein</strong>er grossen Sache meldet, <strong>für</strong> <strong>die</strong> man in <strong>ein</strong>er Gem<strong>ein</strong>schaft<br />

viel Zeit und Herzblut hergegeben hat. Rückblickend<br />

kann man sagen, dass das Repertoire des KEN-Chors um<br />

<strong>ein</strong> weiteres überragendes Werk und das Erinnerungsvermögen<br />

der Chormitglieder um <strong>ein</strong>e weitere grossartige, unvergessliche<br />

Erinnerung reicher sind. Ich glaube, ich werde<br />

mit Freude an <strong>die</strong>ses Erlebnis zurückdenken. Auf jeden Fall<br />

wäre Mendelssohn stolz auf uns, da bin ich sicher.<br />

Golzar Piranfar (N3b)


Herzklopfen vor<br />

der Diplomprüfung<br />

Von allen Seiten hört man, wie man<br />

sich auf <strong>die</strong> bevorstehenden Sommerferien<br />

freut.<br />

Nur noch wenige Wochen, bis zur schönsten<br />

Zeit im Jahr!<br />

Für jemanden in m<strong>ein</strong>er Situation ist es allerdings<br />

schwierig, <strong>die</strong>se Freude zu teilen. Der<br />

Grund sind <strong>die</strong> Diplomprüfungen, <strong>die</strong> in genau<br />

vier Wochen anstehen. M<strong>ein</strong>e <strong>Klassen</strong>kameraden<br />

und mich erwartet <strong>ein</strong> Monat voller Lernstress<br />

und Angst, in der verbleibenden Zeit<br />

genug <strong>für</strong> <strong>die</strong> Prüfungen zu lernen.<br />

In jedem Fach versuchen uns <strong>die</strong> Lehrer bestmöglich<br />

vorzubereiten, womit sie uns manchmal<br />

zusätzlich verunsichern. Zu Hause gibt<br />

man sich Mühe, sich zu konzentrieren, was<br />

nicht immer gelingt. Man schafft es vielleicht<br />

höchstens, s<strong>ein</strong>e Blätter zu ordnen. Und irgendwann<br />

ist man von der Menge erschlagen,<br />

<strong>die</strong> es eigentlich zu bewältigen gilt. Man bemerkt,<br />

welche Spuren drei Schuljahre hinterlassen<br />

haben. Der innere Schw<strong>ein</strong>ehund<br />

meldet sich und wird kurz vor dem Diplom<br />

womöglich noch siegen.<br />

In der Tutoratswoche beschäftigen sich <strong>ein</strong>ige<br />

zum ersten Mal ernsthaft mit den bevorstehenden<br />

Prüfungen. Davor kann man sich auch<br />

schwer drücken, da <strong>die</strong> Anwesenheitszeiten,<br />

<strong>die</strong> unglaubliche acht Stunden betragen,<br />

streng kontrolliert werden. Die nächsten zwei<br />

Wochen bringen <strong>ein</strong>e Achterbahnfahrt der Gefühle.<br />

Zuversicht und Zweifel wechseln ab. Die<br />

Nervosität steigt. In den verbleibenden Lektionen<br />

sehen Lehrer von <strong>ein</strong>er strengen Stoffvermittlung<br />

ab und lassen sich zu Gesprächen<br />

hinreissen, andere halten bis zuletzt an ihrem<br />

Unterrichtsplan fest.<br />

Zu Hause ist man müde wie sonst, allerdings<br />

hat man schnell <strong>ein</strong> schlechtes Gewissen,<br />

wenn man nicht lernt. Einige legen nach <strong>ein</strong>em<br />

Nickerchen Nachtschichten <strong>ein</strong>, andere<br />

gönnen sich den Schlaf des Sorglosen.<br />

Egal <strong>für</strong> welche Lernmethode man sich entscheidet,<br />

hinter <strong>die</strong> Bücher muss jeder, und<br />

zwar nicht nur am vorherigen Abend, wie es<br />

sonst oft der Fall ist. Auch wenn <strong>die</strong> Angst<br />

stark ist, werden <strong>die</strong> meisten <strong>die</strong> Diplomprüfungen<br />

positiv abschliessen und mit <strong>ein</strong>em<br />

lachenden und <strong>ein</strong>em w<strong>ein</strong>enden Auge an der<br />

Diplomfeier teilnehmen, im Wissen, dass <strong>ein</strong><br />

Abschnitt ihres <strong>Leben</strong>s nun vorbei ist.<br />

Valentina Ivic (Handelsdiplom 2011)<br />

Casinotheater Winterthur:<br />

der lustigste Text wieder<br />

von der KEN<br />

<strong>ein</strong> erlebnisbericht (Louisa Pajarola w4d)<br />

Bild: Urs Bigler<br />

Das Licht der unzähligen Sch<strong>ein</strong>werfer blendete mich und machte es mir unmöglich,<br />

mehr als schemenhafte Schatten im Publikum zu erkennen. Ich zitterte leicht und hoffte,<br />

nicht zu stolpern, den Hosenstall nicht sperrangelweit offen oder nicht irgendwo auf<br />

m<strong>ein</strong>en Kleidern <strong>ein</strong>en Fleck zu haben, geschweige denn, vor <strong>die</strong>ser lachwilden Meute<br />

nicht irgendetwas Dämliches rauszulassen.<br />

Eigentlich hatte ich k<strong>ein</strong>e Wahnsinnsaufgabe, ich sollte nur auf <strong>die</strong> Bühne stehen, den<br />

Herren Komiker unseren Sketch überreichen und noch etwas zur Idee und zum Schreibprozess<br />

sagen. Ein Kinderspiel. Nur, was gab es da zu erzählen?<br />

«Wir mussten in der Deutschstunde in Zweiergruppen <strong>ein</strong>fach irgend<strong>ein</strong>en Sketch <strong>für</strong><br />

Sie schreiben. Also haben wir (Vanessa und ich) uns hingesetzt und angefangen, <strong>die</strong><br />

dümmsten (logischerweise fallen <strong>ein</strong>em so auf Knopfdruck immer <strong>die</strong> allerbesten Witze<br />

<strong>ein</strong>) Sachen in <strong>ein</strong>en Dialog zwischen Gott und <strong>ein</strong>em Engel zu packen. Anschliessend<br />

führte jede Gruppe ihr Stück der Klasse vor und <strong>die</strong> Besten kamen <strong>ein</strong>e Runde weiter<br />

an <strong>die</strong> KENComedy. Einige unserer Lehrer schlüpften in <strong>die</strong> Rolle von Schauspielern und<br />

führten <strong>die</strong> von den Schülerinnen und Schülern verfassten Sketche auf. Die Zuschauer<br />

stimmten ab, welche es ins Casinotheater Winterthur schaffen sollten. Nach der Auslosung<br />

folgte <strong>ein</strong>e äusserst spannende Aus<strong>ein</strong>andersetzung darüber, inwiefern Ideen bei<br />

namhaften Künstlern geborgt werden können <strong>–</strong> <strong>ein</strong> Prozess, bei dem <strong>ein</strong> Gewinner aus<br />

dem Rennen fiel. Unsere Arbeit durfte nachrücken. Und so kamen wir mit den anderen<br />

Gewinnergruppen der KEN am heutigen Dienstagabend hierher und hier stehe ich jetzt.»<br />

Ich kam zum Schluss, dass sie das alles sicher nicht ganz so genau wissen wollten und<br />

reduzierte unseren Werdegang auf zwei prägnante Sätze. Ich glaube, das Publikum war<br />

dankbar da<strong>für</strong>.<br />

Viktor und Mike spielten <strong>die</strong> Dialoge aller Anwärter vor und alle amüsierten sich recht<br />

gut. Vor allem <strong>die</strong> Witze, in denen Mike <strong>ein</strong>en ausländischen Akzent imitieren musste,<br />

begeisterten, und zum Schluss gewann auch <strong>ein</strong> Sketch mit <strong>die</strong>sem Sujet. Die Gruppe<br />

(Samantha Schrepfer, H2b, und Enrico Cannazza, H2b) stammte ebenfalls aus unserer<br />

Schule, und mich hatte ihr Werk schon an der KENComedy zum Lachen gebracht. So bekam<br />

es auch hier den meisten Zuspruch und wurde vom Applausometer der Zuschauer<br />

zum Sieger gekürt.<br />

Als <strong>die</strong> Show vorbei war, durften wir den Kabarettisten <strong>die</strong> Hände schütteln und <strong>ein</strong><br />

Erinnerungsfoto machen. Sie waren sehr locker und entspannt und machten uns Komplimente<br />

zu unserem Gott-und-Engel-Text. Ich war positiv überrascht, dass sie so natürlich,<br />

menschlich und frei von jeglichen Starallüren auf uns zu gekommen waren.<br />

Als wir erwähnten, dass wir ab und zu ihre Sendungen guckten, gaben sie uns <strong>ein</strong>e Visitenkarte,<br />

damit wir uns <strong>für</strong> <strong>ein</strong>en Live-Besuch anmelden konnten.<br />

Alles in allem war der Abend sehr amüsant und unterhaltsam, und es war interessant,<br />

<strong>die</strong>sen beiden Schauspielern, <strong>die</strong> man sonst nur aus dem Fernsehen kennt, auch mal<br />

persönlich zu begegnen.<br />

Louisa Pajarola (W4d)<br />

5<br />

Gewinner des Wettbewerbs:<br />

Enrico Cannazza und<br />

Samantha Schrepfer (H2b)


6 kenzeichen 3/11<br />

Maccabiah<br />

Vom 5.<strong>–</strong>13. Juli wurden in Wien <strong>die</strong> europäischen Maccabiah-<br />

Spiele durchgeführt. Hierbei handelt es sich um <strong>die</strong> grösste<br />

internationale jüdische Sportveranstaltung, <strong>die</strong> alle vier Jahre<br />

in Israel <strong>–</strong> und um zwei Jahre verschoben <strong>–</strong> in Europa oder<br />

an <strong>ein</strong>em anderen Ort auf der Welt stattfindet. Dieses Mal<br />

nahmen über 2000 Athleten aus 37 Nationen daran teil und<br />

massen sich im Golf, Tennis, Fechten, Schwimmen, Basketball<br />

und in vielen anderen Sportarten mehr.<br />

Wir durften <strong>die</strong> Schweiz mit <strong>ein</strong>er Fussballmannschaft vertreten.<br />

Die Spiele wurden während <strong>ein</strong>er Eröffnungsfeier in<br />

der Innenstadt mit diversen show acts eröffnet; danach konnte<br />

es mit dem Kräftemessen losgehen. Unsere Gegner waren<br />

Mexiko, England, Belgien und das Gastgeberland Österreich.<br />

Zwei von vier Spielen entschieden wir <strong>für</strong> uns, <strong>die</strong> anderen<br />

beiden verloren wir.<br />

Auch wenn wir uns am Schluss mit dem sechsten Rang begnügen<br />

mussten, so war all<strong>ein</strong>e <strong>die</strong> Teilnahme an <strong>ein</strong>em<br />

solchen Anlass <strong>ein</strong> unvergessliches Erlebnis. Das Durchschnittsalter<br />

unserer Mannschaft war mit Abstand das tiefste,<br />

vielleicht war auch das mit <strong>ein</strong> Grund, weshalb wir <strong>die</strong><br />

Zeit so geniessen konnten. Unser Teamgeist blieb trotz den<br />

Niederlagen ungebrochen, und da sehr viele Spiele am gleichen<br />

Ort stattfanden, nützten wir <strong>die</strong> Gelegenheit, andere<br />

Wettkämpfe zu besuchen und unsere Sportkollegen in den<br />

anderen Disziplinen anzufeuern.<br />

Während der spielfreien Zeit waren wir meistens als Mannschaft<br />

unterwegs und konnten <strong>ein</strong> wenig <strong>die</strong> Stadt mit ihren<br />

Sehenswürdigkeiten erleben.<br />

Insgesamt sahen sich 60’000 Zuschauer <strong>die</strong> sportlichen Anlässe<br />

an, unter anderem auch unsere Fussballspiele.<br />

In <strong>ein</strong>em solch grossen Rahmen mit anderen Sportlern zusammenzutreffen<br />

war <strong>ein</strong> <strong>ein</strong>maliges, bereicherndes und unvergessliches<br />

Erlebnis.<br />

Trotzdem sei kurz erwähnt, dass alle Delegationen bei jedem<br />

Transport mit dem Bus vom Hotel zu den Austragungsorten<br />

von Polizisten begleitet und wir auch im Hotel rund um<br />

<strong>die</strong> Uhr von Sicherheitsleuten bewacht wurden. Wir können<br />

nicht beurteilen, ob das mit der Grösse des Anlasses zu tun<br />

hatte oder eher damit, dass Maccabiah <strong>ein</strong>e jüdische Veranstaltung<br />

ist <strong>–</strong> unserer Freude konnte es k<strong>ein</strong>en Abbruch tun.<br />

Wir danken <strong>für</strong> <strong>die</strong> Gelegenheit, <strong>die</strong> uns hier gegeben wurde<br />

<strong>–</strong> wir genossen <strong>die</strong> Zeit in Wien sehr!<br />

Avner Schächter (W3e) und Ethan Messinger (W4d)<br />

Schawuot <strong>–</strong> <strong>ein</strong> jüdisches<br />

Wochenfest<br />

Gelegentlich bleiben Schüler/innen der KEN vom Unterricht fern, weil<br />

sie mit ihrer Familie <strong>ein</strong> religiöses Fest feiern. Julia Rabner (N2a), Géraldine<br />

Nordmann (N4a) und Ana Rabner (N4a) berichten im folgenden<br />

Artikel über das jüdische Wochenfest Schawuot, das 50 Tage nach dem<br />

Pessachfest stattfindet und <strong>die</strong>ses Jahr auf den 8. Juni fiel.<br />

Der herrliche Duft frisch gebackenen Käsekuchens steigt uns direkt in <strong>die</strong> Nase,<br />

wenn wir an Schawuot denken. Die ganze Familie ist versammelt, es werden<br />

zahlreiche Freunde <strong>ein</strong>geladen, der Tisch ist festlich angerichtet und in der<br />

Küche steht das Essen bereit. Im Judentum beginnt <strong>die</strong>ses Fest mit Sonnenuntergang.<br />

Das bedeutet, dass der Feiertag am Abend anfängt. Wenn wir von<br />

der Schule nach Hause kommen, helfen wir bei den Vorbereitungen. Meistens<br />

müssen in der Küche noch <strong>die</strong> letzten Köstlichkeiten fertig hergerichtet, <strong>die</strong><br />

Tische gedeckt oder sonstige kl<strong>ein</strong>ere Arbeiten abgeschlossen werden. Wenn im<br />

Haus alles erledigt ist, bereiten wir uns selbst auch vor, indem wir uns mit Vorfreude<br />

auf den Anlass festlich anziehen. Auf dem Weg in <strong>die</strong> Synagoge lassen<br />

wir den Alltag hinter uns und freuen uns auf <strong>die</strong> folgende Zeit im Familien- und<br />

Freundeskreis. In der Synagoge beginnt der Feiertag nun richtig. Es werden<br />

spezielle Gebete gesagt, wir singen viel und <strong>ein</strong>e fröhliche Stimmung verbreitet<br />

sich. Nach dem Gottes<strong>die</strong>nst spazie-<br />

ren wir mit knurrenden Mägen nach<br />

Hause. Wir empfangen unsere Gäste<br />

oder werden von den Gastgebern<br />

empfangen. Das köstliche Essen wird<br />

aufgetischt. An <strong>die</strong>sem Feiertag verzehren<br />

wir k<strong>ein</strong>e Fleischprodukte,<br />

sondern vorzugsweise Milchspeisen.<br />

Am nächsten Morgen stehen wir relativ<br />

früh auf, um rechtzeitig zum<br />

Gottes<strong>die</strong>nst in der Synagoge zu<br />

ersch<strong>ein</strong>en. Den Höhepunkt des Gebets<br />

bildet <strong>die</strong> Lesung aus dem Buche<br />

Ruth. In <strong>die</strong>sem Buch wird <strong>die</strong><br />

Geschichte der Moabiterin Ruth erzählt,<br />

<strong>die</strong> aus Liebe zu ihrer Schwiegermutter<br />

Noomi zum Judentum<br />

konvertiert.<br />

Zusätzlich zur Lesung aus dem Buche<br />

Ruth wird <strong>ein</strong> Abschnitt aus<br />

der Tora, der Bibel, vorgelesen. Im<br />

Mittelpunkt steht hier <strong>die</strong> Aufzäh-<br />

Milchspeisen<br />

Im Judentum befolgen wir strikte<br />

Regeln hinsichtlich der Trennung<br />

von Milch und Fleisch. Dies<br />

geht darauf zurück, dass in der<br />

Tora (altes Testament) dreimal<br />

folgender Vers vorkommt: «Du<br />

sollst <strong>ein</strong> Zickl<strong>ein</strong> nicht in der<br />

Milch s<strong>ein</strong>er Mutter garen.»<br />

Daraus schlossen <strong>die</strong> Weisen,<br />

dass Milch- und Fleischkonsum<br />

komplett zu trennen seien.<br />

An Schawuot pflegen wir vorwiegend<br />

Milchspeisen zu essen,<br />

da in der Tora steht: «Und ich<br />

bin herniedergefahren, dass<br />

ich sie errette aus der Ägypter<br />

Hand und sie herausführe aus<br />

<strong>die</strong>sem Lande in <strong>ein</strong> gutes und<br />

weites Land, in <strong>ein</strong> Land, darin<br />

Milch und Honig fliesst.»


Buch ruth<br />

Im Judentum gibt es fünf verschiedene<br />

«Megilloth», Buchrollen, <strong>die</strong> je an <strong>ein</strong>em<br />

Feiertag in der Synagoge vorgelesen<br />

werden.<br />

Das Buch Ruth erzählt <strong>die</strong> Geschichte <strong>ein</strong>er<br />

jüdischen Familie, <strong>die</strong> wegen <strong>ein</strong>er Hungersnot<br />

in ihrer Heimat Betlehem nach Moab<br />

flieht. Elimelech und Noomi, <strong>die</strong> Eltern,<br />

ziehen mit ihren beiden Söhnen Machlon<br />

und Kiljion in <strong>die</strong> Fremde, wo bald darauf<br />

Elimelech stirbt. Beide Söhne heiraten <strong>ein</strong>e<br />

Moabiterin, Ruth und Orpa. Kurz nach der<br />

Heirat sterben beide Söhne, und Noomi<br />

bleibt als verwitwete Frau mit ihren beiden<br />

ebenfalls verwitweten Schwiegertöchtern<br />

all<strong>ein</strong> zurück.<br />

Als Noomi sich entscheidet, in ihre Heimat<br />

zurückzukehren, bleibt Orpa in Moab. Ruth<br />

jedoch zieht mit ihrer Schwiegermutter<br />

nach Israel.<br />

lung der zehn Gebote. Diese werden je<br />

nach Brauch der Synagoge von der ganzen<br />

Gem<strong>ein</strong>de gesungen, manchmal sogar im<br />

Stehen.<br />

Nach dem Gottes<strong>die</strong>nst kehrt man nach<br />

Hause zurück, um mit der Familie und den<br />

Gästen zu Mittag zu essen. Auch hier pflegt<br />

man nur milchige Speisen zu sich zu nehmen.<br />

Auf den kulinarischen Genuss folgt<br />

<strong>die</strong> Ruhezeit. Wir gehen dann gerne an <strong>die</strong><br />

frische Luft, später bleibt immer noch genug<br />

Zeit <strong>für</strong> <strong>ein</strong>en kl<strong>ein</strong>en Mittagsschlaf.<br />

Am Abend findet in der Synagoge das<br />

Abendgebet statt, an dem jedoch meist<br />

nur unsere Väter teilnehmen.<br />

Da, wie schon erwähnt, der Tag im Judentum<br />

am Abend zuvor beginnt, ist am Abend<br />

Schawuot zu Ende, und wir freuen uns<br />

schon auf den nächsten Feiertag.<br />

Julia Rabner (N2a),<br />

Géraldine Nordmann (N4a),<br />

Ana Rabner (N4a)<br />

IPA hilft, bildet und sensibilisiert<br />

Bild: Pietro Tomasini<br />

Während <strong>ein</strong>es Lehrer-Austausches<br />

im Jahre 1993<br />

bat <strong>ein</strong> albanischer Französischlehrer<br />

den Geschichtslehrer Pietro<br />

Tomasini um Hilfe <strong>für</strong> s<strong>ein</strong>e Schule in Gjirokastër<br />

(Südalbanien). Diese war in <strong>ein</strong>em<br />

desolaten Zustand, auch mangelte es den<br />

Menschen an Kleidern, Essen, Büchern und<br />

vielen anderen Dingen des alltäglichen <strong>Leben</strong>s.<br />

Pietro Tomasini beschloss zusammen<br />

mit s<strong>ein</strong>er Partnerin zu helfen und begann<br />

mit <strong>ein</strong>er Gruppe von Schülern und Lehrern<br />

der KEN Material zu sammeln, das anschliessend<br />

nach Gjirokastër transportiert wurde.<br />

Schon bald interessierten sich auch andere<br />

Bildungs<strong>ein</strong>richtungen in <strong>die</strong>ser Stadt <strong>für</strong><br />

<strong>die</strong> Hilfe aus der Schweiz, und so unterstützte<br />

der Ver<strong>ein</strong> Partner <strong>für</strong> Gjirokastër (PfG)<br />

<strong>die</strong>se mit grossem Engagement. Mit steigendem<br />

Aufwand wuchs auch <strong>die</strong> Zahl der<br />

freiwilligen Helfer <strong>–</strong> es waren <strong>die</strong>s vor allem<br />

Schülerinnen und Schüler der Kantonsschulen<br />

Enge und Wiedikon. Nach <strong>ein</strong>em Dutzend<br />

erfolgreichen Hilfstransporten entschieden<br />

P. Tomasini und s<strong>ein</strong>e Partnerin, dass das<br />

Hobbyprojekt mittlerweile zu umfangreich<br />

geworden sei und nicht mehr <strong>ein</strong>fach vom<br />

Lehrerpult bzw. vom Schülertisch aus betrieben<br />

werden könne. Also folgten <strong>die</strong> Umbenennung<br />

zu International Project Aid (IPA)<br />

und der Umzug in <strong>ein</strong> eigenes kl<strong>ein</strong>es Büro<br />

an der Wildbachstrasse (gegenwärtige Adresse:<br />

Bederstrasse). P. Tomasini reduzierte<br />

<strong>die</strong> Zahl s<strong>ein</strong>er Lektionen und konzentrierte<br />

sich von da an auf <strong>die</strong> Weiterentwicklung<br />

des kl<strong>ein</strong>en Hilfswerks.<br />

IPA zeichnet sich dadurch aus, dass man mit<br />

Schweizer Jugendlichen zusammenarbeitet<br />

und <strong>die</strong> gleich strengen Qualitätsanforde-<br />

7<br />

rungen wie andere namhafte Organisationen<br />

erfüllt (ZEWO-Gütesiegel). Neben Projekten<br />

in Albanien kamen mit der Zeit auch<br />

solche in Kamerun dazu.<br />

Obwohl P. Tomasini gerne überall helfen<br />

würde, hat er sich vorläufig auf <strong>die</strong>se beiden<br />

Länder beschränkt. IPA investiert vor<br />

allem in Bildungsprojekte, denn P. Tomasini<br />

ist der M<strong>ein</strong>ung, dass Bildung der Schlüssel<br />

zu Wohlstand sei. Ungebildete Menschen<br />

seien oft nicht fähig, sich zu organisieren<br />

oder Aufgaben aufzuteilen. Hilfe zur Selbsthilfe,<br />

das ist der Leitspruch von P. Tomasini,<br />

den er möglichst in allen Projekten umsetzen<br />

möchte. Das Geld <strong>für</strong> <strong>die</strong>se kommt von<br />

grossen Stiftungen und auch von privaten<br />

Spendern.<br />

Eine Kernkompetenz von IPA ist <strong>die</strong> Zusammenarbeit<br />

mit Schulen. Die Schülerinnen<br />

und Schüler haben <strong>die</strong> Möglichkeit, sich<br />

<strong>ein</strong> Projekt von IPA auszusuchen und es<br />

dann selbständig zu betreuen. Dazu gehört:<br />

Abklären und planen des Projekts<br />

in Zusammenarbeit mit lokalen Partnern,<br />

Budget erstellen, Projekt beschreiben und<br />

präsentieren und sich um das Fundraising<br />

kümmern <strong>–</strong> kurz: das Erlernen von Projektmanagement<br />

in <strong>ein</strong>em sozialen Einsatz.<br />

Meist sind innovative Ideen gefragt, z.B.<br />

veranstalteten Schüler auch schon Konzerte<br />

und sammelten so Geld <strong>für</strong> ihr eigenes Projekt.<br />

Bei <strong>die</strong>sen Jugend-Projekten geht es<br />

P. Tomasini nicht um <strong>die</strong> Geldsammlung. Im<br />

Zentrum stehen <strong>die</strong> Schülerinnen und Schüler.<br />

Sie sollen fachliche und überfachliche<br />

Kompetenzen erlernen und <strong>für</strong> Fragen der<br />

Entwicklungszusammenarbeit sensibilisiert<br />

werden. Diese Arbeit ist es denn auch, <strong>die</strong> P.<br />

Tomasini sehr viel Spass macht.<br />

Niklas Zeller (H2b)


8 kenzeichen 3/11<br />

Swiss Youth ragtime<br />

Piano competition 2011<br />

«Ragtime is a good time» <strong>–</strong> mit <strong>die</strong>sem Motto endete der erste Jugendwettbewerb<br />

<strong>für</strong> Ragtime-Piano, der am Freitag, dem 16. September 2011, in der Aula<br />

der Kantonsschule Enge über <strong>die</strong> Bühne ging. Fünf junge Kantonsschüler/innen<br />

im Alter von 15 bis 18 Jahren spielten um den ersten Preis: <strong>ein</strong>e Reise in <strong>die</strong> USA<br />

ans West Coast Ragtime Festival im November 201<strong>1.</strong> Nach <strong>ein</strong>em spannenden Final<br />

mit ausgezeichneten Leistungen entschied <strong>die</strong> 16-jährige Valerie Kazik von der<br />

Kantonsschule Zürcher Oberland das Rennen <strong>für</strong> sich. Mit Scott Joplins Rag-Walzer<br />

Bethena und Vincent Youmans Tea For Two überzeugte sie <strong>die</strong> fünfköpfige Jury<br />

am meisten. Den Publikumspreis erhielt der jüngste Teilnehmer, der 15-jährige<br />

Maurice Imhof von der Kantonsschule K+S Rämibühl.<br />

Vor dem Wettbewerb und während der Pause spielten verschiedene Ragtime-<br />

Ensembles aus den USA im Foyer. Damit verbreiteten sie schon im Eingang der<br />

Aula <strong>ein</strong>e freudige Ragtime-Atmosphäre. Nach der Pause präsentierte das in den<br />

USA äusserst beliebte Ragtime-Duo Ivory & Gold mit Jeff Barnhart (Piano) und<br />

Anne Barnhart (Querflöte) <strong>ein</strong> musikalisches Programm der Extraklasse. Neben<br />

Ragtime wurden auch atemberaubende Stride-Stücke von Fats Waller und <strong>ein</strong>e<br />

spezielle Version von Gershwins Summertime dargeboten: Anne Barnhart spielte<br />

mit der Querflöte in den Resonanzkörper des Konzertflügels hin<strong>ein</strong> und zauberte<br />

damit unerahnte Klänge hervor.<br />

Im letzten Teil kam auch der Chor der Kantonsschule (Leitung: Martin Jäger) zu<br />

<strong>ein</strong>em Auftritt. Mit Songs von Irving Berlin wie Simple Melody und Alexander’s<br />

Ragtime Band begeisterten <strong>die</strong> jungen Leute das Publikum. Dazwischen boten<br />

<strong>die</strong> Gäste aus den USA <strong>ein</strong>e witzig-romantische Ragtime-Barbershopnummer<br />

dar, in welcher <strong>die</strong> Tuba das ersehnte Girl im<br />

Mondensch<strong>ein</strong> paro<strong>die</strong>rte. Nach dem alten Ragtime-Klassiker<br />

Dill Pickles von Chas Johnson, den ich zusammen mit den Musikern<br />

aus den USA spielte, endete der vielfältige Abend mit dem<br />

Chorblues Mailtrain. Ein langer Applaus des Publikums bestätigte,<br />

dass Ragtime auch heute noch <strong>ein</strong> äusserst unterhaltsamer<br />

Musikstil ist.<br />

Martin Jäger (Musik)<br />

Bilder: Andreas Haag


FototErMIn<br />

Bilder: Andreas Haag<br />

A1a<br />

N1a<br />

N1b<br />

9


10 kenzeichen 3/11<br />

N1d<br />

H1a<br />

H1b


IntErvIEw<br />

Fussball <strong>–</strong> Frauen erobern den Rasen<br />

Fragen von nubia Sivec (Handelsdiplom 11)<br />

Bild: Andreas Haag<br />

«Was, du spielsch Fuessball?!» Ein Lachen der Verunsicherung<br />

folgt. Warum reagieren alle ungläubig auf<br />

m<strong>ein</strong>e Antwort, dass ich Fussball spiele? Nur, weil ich<br />

nicht aussehe wie <strong>ein</strong> Mannsweib? Offenbar ist es <strong>für</strong><br />

viele immer noch nicht selbstverständlich, dass Frauen<br />

Fussball spielen, und viele muten mir <strong>die</strong>sen Sport<br />

nicht zu. Ich habe mich also gefragt, was man <strong>für</strong> <strong>ein</strong>e<br />

Einstellung vor zwanzig Jahren hatte, als <strong>Frauenfussball</strong><br />

noch unüblicher war. Eine Deutschlehrerin der KEN,<br />

Frau Valeria Soriani, <strong>die</strong> schon vor über zwanzig Jahren<br />

mit <strong>die</strong>sem Sport begonnen hatte, erklärte sich bereit,<br />

m<strong>ein</strong>e Fragen zu beantworten.<br />

Wann fingen Sie an, Fussball zu spielen?<br />

Ich begann bereits mit sechs Jahren, Fussball<br />

zu spielen beim FC Dielsdorf (im gleichnamigen<br />

Dorf im Zürcher Unterland wuchs<br />

ich auf). Damals gab es noch k<strong>ein</strong>e Juniorinnen,<br />

also spielte ich mit den Jungs. Das<br />

ging so lange gut, bis ich <strong>ein</strong> gewisses Alter<br />

erreichte.<br />

Warum begannen Sie mit <strong>die</strong>sem Sport?<br />

Waren es Männer in Ihrem Haushalt, <strong>die</strong> Sie<br />

dazu brachten?<br />

Obschon ich mit zwei grossen Brüdern<br />

aufwuchs, war Fussball zu Hause nie <strong>ein</strong><br />

Thema. Sie mochten den Sport beide nicht<br />

und spielten später Handball. M<strong>ein</strong>e Leidenschaft<br />

galt hingegen schon immer dem<br />

Fussball. Woher ich <strong>die</strong> habe, weiss ich<br />

nicht, denn m<strong>ein</strong>e Eltern waren dagegen,<br />

dass ich mit dem Fussballspielen anfing,<br />

und <strong>die</strong>ser Sport war in unserer Familie<br />

nicht besonders populär.<br />

Faszination Fussball <strong>–</strong> können Sie <strong>die</strong><br />

erklären?<br />

Oh ja, natürlich. Ich bin ja selber <strong>ein</strong> «Opfer»<br />

<strong>die</strong>ser Faszination, jeden Sonntag erwacht<br />

sie von neuem auf dem Fussballfeld <strong>–</strong> sch<strong>ein</strong>t<br />

<strong>die</strong> Sonne, steigt mir der Duft des frisch gemähten<br />

Rasens in <strong>die</strong> Nase und pfeift der<br />

Schiedsrichter das Spiel an, steigt m<strong>ein</strong> Puls,<br />

und ich verspüre <strong>ein</strong>e angenehme Aufregung,<br />

<strong>die</strong> mich alles andere vergessen lässt.<br />

Mich fasziniert <strong>die</strong> Vielseitigkeit <strong>die</strong>ses<br />

11<br />

Sports. Körperlich wird man stark gefordert,<br />

gleichzeitig muss man aber auch den<br />

Kopf bei der Sache haben, Spielzüge der<br />

Mitspielerinnen vorausahnen, mitdenken,<br />

allzeit bereit s<strong>ein</strong>. Die Spielsituation kann<br />

blitzschnell ändern, und dann muss man<br />

angemessen reagieren. Teil der Faszination<br />

ist gewiss auch das Hochgefühl, wenn man<br />

<strong>ein</strong> Tor schiesst oder an der Aktion, <strong>die</strong> dazu<br />

führt, beteiligt ist. Der Teamzusammenhalt<br />

<strong>–</strong> in guten und in schlechten Zeiten <strong>–</strong> ist<br />

ebenfalls <strong>ein</strong> Aspekt, der mich fasziniert.<br />

Man steht alles zusammen durch, motiviert<br />

sich im Fall <strong>ein</strong>er Niederlage und feiert <strong>ein</strong>en<br />

erfolgreichen Fussballtag im Team.<br />

Gerade wenn man viele Jahre in derselben<br />

Mannschaft spielt, kommen da <strong>ein</strong>ige tolle


12 kenzeichen 3/11<br />

und verbindende Erlebnisse zusammen <strong>–</strong><br />

auch abseits des Rasens.<br />

Ich gucke mir zudem auch gerne Spiele<br />

im Fernsehen an, und finde <strong>die</strong>se oft sogar<br />

spannender als irgend<strong>ein</strong>en Krimi,<br />

vornehmlich aus denselben Gründen wie<br />

oben beschrieben.<br />

Haben Sie auch Widerstände in Ihrem<br />

Umfeld gespürt bzw. Unverständnis?<br />

Wie bereits erwähnt, waren m<strong>ein</strong>e Eltern<br />

dagegen, dass ich <strong>ein</strong>em Frauenteam beitrat.<br />

Sie fanden, Fussball sei k<strong>ein</strong> Sport<br />

<strong>für</strong> Frauen und <strong>die</strong> Verletzungsgefahr sei<br />

viel höher als in anderen Sportarten. Ein<br />

grosses Thema war damals auch <strong>die</strong> Homosexualität<br />

im <strong>Frauenfussball</strong> <strong>–</strong> sicherlich<br />

nicht bloss <strong>ein</strong> Klischee. Als ich mit<br />

18 in der Nationalliga A beim SV Seebach<br />

spielte, war <strong>die</strong> Hälfte der Spielerinnen homosexuell.<br />

Mir machte das jedoch nichts<br />

aus und es be<strong>ein</strong>flusste mich weder positiv<br />

noch negativ. M<strong>ein</strong>e Eltern blieben aber<br />

konsequent und weigerten sich, mich ins<br />

Nachbardorf zum Training zu fahren <strong>–</strong> es<br />

gab nur da <strong>ein</strong>e Frauenmannschaft. Ich<br />

setzte mich dennoch durch, behalf mich<br />

mit dem Fahrrad oder nahm den Zug. Da<br />

ich bereits zu <strong>ein</strong>er Zeit Fussball spielte, in<br />

der es eher ungewöhnlich war, wenn <strong>ein</strong><br />

Mädchen <strong>die</strong>se Sportart ausübte, musste<br />

ich hin und wieder anderen Menschen<br />

erklären, warum ich mich ausgerechnet<br />

<strong>für</strong> <strong>die</strong>sen Sport entschieden hatte. Im Gegensatz<br />

zu m<strong>ein</strong>en Eltern brachten mir <strong>die</strong><br />

meisten Mitmenschen aber eher Bewunderung<br />

als Unverständnis entgegen.<br />

Homosexualität im <strong>Frauenfussball</strong> <strong>–</strong> k<strong>ein</strong><br />

Klischee?<br />

Noch vor 20-25 Jahren gab es im Fussball<br />

tatsächlich viele homosexuelle Spielerinnen.<br />

Ich vermute, das lag unter anderem<br />

daran, dass <strong>die</strong>ser früher <strong>ein</strong>fach <strong>ein</strong>e absolute<br />

Männerdomäne war, von der man<br />

sagte, es gehe in ihr ruppig zu und her.<br />

Dass <strong>ein</strong>e solche Sportart eher Frauen anzieht,<br />

<strong>die</strong> körperlich kämpfen und zupacken<br />

können, liegt auf der Hand. Zudem<br />

gab es lange k<strong>ein</strong>e Juniorinnenmannschaften,<br />

also mussten Frauen mit Jungs zusammen<br />

spielen. Wenn <strong>ein</strong>e Frau in <strong>die</strong>sem<br />

Fall nicht auf der Bank sitzen wollte, musste<br />

sie <strong>ein</strong>stecken können und unzimperlich<br />

in den Zweikampf <strong>ein</strong>steigen.<br />

Natürlich gab es auch schon immer <strong>–</strong> wie<br />

in m<strong>ein</strong>em Fall <strong>–</strong> Mädchen, <strong>die</strong> nicht homosexuell<br />

sind und gerne Fussball spielen.<br />

Im Laufe der letzten 20 Jahre hat sich der<br />

<strong>Frauenfussball</strong> zudem völlig verändert.<br />

Unzählige Frauenmannschaften (was <strong>für</strong><br />

<strong>ein</strong> dämliches Wort!) wurden neu gegründet,<br />

ebenso Clubs mit Juniorinnen, und<br />

heute überwiegt der Anteil der heterosexuellen<br />

Mädchen und Frauen im Fussball <strong>–</strong><br />

zumindest in den tieferen Ligen. Letztlich<br />

spielt es m<strong>ein</strong>er M<strong>ein</strong>ung nach aber k<strong>ein</strong>e<br />

Rolle, ob <strong>ein</strong>e Fussballerin homo- oder heterosexuell<br />

ist. Was zählt, ist der Spass und<br />

<strong>die</strong> Fairness auf dem Platz!<br />

Was sagen Sie zum Vorurteil, Frauen könnten<br />

k<strong>ein</strong>en Fussball spielen?<br />

In gewisser Hinsicht ist es unbestritten,<br />

dass <strong>die</strong> weibliche Anatomie schwächer<br />

und <strong>die</strong> körperliche Leistungsfähigkeit<br />

begrenzter ist als <strong>die</strong> der Männer. Auch<br />

da gibt es natürlich Ausnahmen, aber im<br />

Grossen und Ganzen sind das biologische<br />

Tatsachen. In Länderspielen beobachte ich<br />

immer wieder, dass <strong>Frauenfussball</strong> langsamer,<br />

weniger athletisch, da<strong>für</strong> aber oft<br />

auch etwas gepflegter ist. Man sieht haufenweise<br />

schöne Spielzüge, weil das Spieltempo<br />

niedriger ist. Mit Können hat das<br />

m<strong>ein</strong>er M<strong>ein</strong>ung nach jedoch wenig zu<br />

tun. <strong>Frauenfussball</strong> ist <strong>ein</strong>fach anders als<br />

Männerfussball; ich würde das nicht werten.<br />

Was Technik und Taktik anbelangt,<br />

stehen Frauen m<strong>ein</strong>er M<strong>ein</strong>ung nach den<br />

Männern in nichts nach.<br />

Karriere im <strong>Frauenfussball</strong> <strong>–</strong> was <strong>für</strong> Tipps<br />

können Sie geben bzw. was müsste sich<br />

ändern, damit frau davon leben könnte?<br />

In der Schweiz würde ich jeder Frau raten,<br />

k<strong>ein</strong>e Karriere anzustreben oder nicht allzu<br />

viel da<strong>für</strong> zu opfern. Da wir k<strong>ein</strong>e Profiliga<br />

haben wie zum Beispiel Deutschland oder<br />

<strong>die</strong> USA, wird der <strong>Frauenfussball</strong> kaum<br />

gefördert und man kann ihn höchstens als<br />

aufwändiges Hobby betreiben, da man k<strong>ein</strong>en<br />

Lohn erhält. Ich habe in m<strong>ein</strong>en «jungen<br />

Jahren» in der obersten Liga gespielt<br />

und <strong>ein</strong> wenig <strong>die</strong>se Luft geschnuppert.<br />

Der Konkurrenzkampf ist beträchtlich,<br />

und ich habe mich schnell <strong>ein</strong>mal gefragt,<br />

wo<strong>für</strong> ich den Aufwand treibe: Dreimal in<br />

der Woche Training und am Wochenende<br />

<strong>ein</strong>e lange Anreise zu <strong>ein</strong>em Match irgendwo<br />

in der Schweiz <strong>–</strong> das zehrt an der<br />

Substanz, wenn man gleichzeitig versucht,<br />

<strong>die</strong> Matura erfolgreich zu bestehen. Hätte<br />

man in der Schweiz wirklich <strong>die</strong> Möglichkeit,<br />

<strong>ein</strong>e Profikarriere anzustreben, dann<br />

lohnte sich der Einsatz auf alle Fälle, aber<br />

mit den momentanen Perspektiven würde<br />

ich jeder abraten, vom Fussball leben zu<br />

wollen <strong>–</strong> oder ihr nahelegen, im Ausland<br />

ihr Glück zu versuchen. Ich denke nicht,<br />

dass <strong>Frauenfussball</strong> in der Schweiz je <strong>ein</strong>e<br />

grosse Rolle spielen wird. Wir sind k<strong>ein</strong>e<br />

Fussballnation und <strong>die</strong> Frauen werden viel<br />

zu wenig gefördert. Es ist aber schön, mitzuerleben,<br />

wie stark <strong>die</strong> Zahl der aktiven<br />

Mädchen und Frauen zugenommen hat<br />

und hoffentlich noch weiter zunimmt!<br />

Wie würden Sie den <strong>Frauenfussball</strong> an der<br />

KEN fördern? Warum sollen Ihrer M<strong>ein</strong>ung<br />

nach mehr Frauen Fussball spielen?<br />

Eine schwierige Frage, da ich denke, dass<br />

<strong>die</strong> Kernaufgabe der KEN nicht darin besteht,<br />

den <strong>Frauenfussball</strong> zu fördern. Es<br />

gibt heute zahlreiche Clubs, <strong>die</strong> <strong>ein</strong> Frauenteam<br />

haben, und somit steht der Weg<br />

aufs Fussballfeld jedem Mädchen und<br />

jeder Frau offen. Es ist heute nicht mehr<br />

schwierig, Anschluss an <strong>ein</strong>e Mannschaft<br />

in der Nähe des Wohnorts zu finden.<br />

Man könnte natürlich an der Fussballnacht<br />

<strong>ein</strong> r<strong>ein</strong>es Frauenteam stellen oder<br />

<strong>ein</strong> Freifach <strong>Frauenfussball</strong> anbieten. Eine<br />

weitere Möglichkeit wäre natürlich auch,<br />

<strong>ein</strong>e Mannschaft zu gründen <strong>für</strong> <strong>die</strong> Alternativliga,<br />

<strong>die</strong> <strong>ein</strong>e eigene Meisterschaft<br />

hat und jeden Sonntag auf dem Hardhof<br />

Spiele veranstaltet. Das Training ist etwas<br />

lockerer als in den Clubs und weniger verbindlich,<br />

und es steht der Spass im Vordergrund,<br />

sich <strong>ein</strong>mal in der Woche zum<br />

Kicken zu treffen.<br />

Ich finde nicht, dass mehr Frauen Fussball<br />

spielen sollen, sondern bin vielmehr der<br />

Ansicht, dass jeder <strong>die</strong> Sportart findet und<br />

ausübt, <strong>die</strong> er/sie will <strong>–</strong> das gilt natürlich<br />

auch <strong>für</strong> <strong>die</strong> Männer. <strong>Frauenfussball</strong> ist<br />

k<strong>ein</strong> Tabuthema und das Spiel mit dem<br />

runden Leder k<strong>ein</strong>e r<strong>ein</strong>e Männerdomäne<br />

mehr, wie das früher der Fall war, deshalb<br />

kann heute jedes Mädchen/jede Frau völlig<br />

frei entscheiden, ob sie <strong>die</strong>se Sportart ausüben<br />

will.<br />

Nubia Sivec (Handelsdiplom 11)


<strong>Hans</strong> <strong>Spuhler</strong> <strong>–</strong> <strong>ein</strong> <strong>Leben</strong> <strong>für</strong> <strong>die</strong> KEN<br />

<strong>Hans</strong> <strong>Spuhler</strong>, ehemaliger Schüler, Lehrer<br />

und Prorektor der KEN, verlässt unsere<br />

Schule auf Ende des Sommersemesters.<br />

Wenige Menschen kennen <strong>die</strong> Kantonsschule<br />

Enge schon so lange und haben <strong>die</strong> stetigen<br />

Veränderungen selbst miterlebt wie<br />

er. Das veranlasste uns dazu, <strong>ein</strong> ausführliches<br />

Interview mit <strong>ein</strong>em Langzeitkenner<br />

der Schule zu führen.<br />

Ende <strong>die</strong>ses Semester treten Sie nach 41 Jahren<br />

im Dienste der KEN in den Ruhestand <strong>–</strong><br />

welche Funktionen haben Sie während <strong>die</strong>ser<br />

Zeit ausgeübt?<br />

Seit 1970 arbeite ich als Deutsch- und Geschichtslehrer<br />

an der Kantonsschule. Dies tat ich 17 Jahre, um dann<br />

weitere 17 Jahre als Prorektor <strong>die</strong> Schule mitzugestalten.<br />

Nun bin ich seit sieben Jahren wieder ausschliesslich<br />

Lehrer und unterrichte <strong>ein</strong> volles Pensum.<br />

Als sie als Lehrer begannen, wie war das Schulklima an<br />

der KEN?<br />

Ich kannte <strong>die</strong> Schule schon von früher, denn ich war<br />

hier selbst <strong>ein</strong>mal Schüler. Als ich 1961, also vor 50 Jahren,<br />

an <strong>die</strong> KEN kam, herrschte <strong>ein</strong> anderes Klima. Seitdem<br />

vollzog sich <strong>ein</strong> grosser Strukturwandel, schon <strong>die</strong><br />

Namensveränderung bringt das zum Ausdruck. Damals<br />

hiess unsere Schule noch Handelsschule und war viel stärker<br />

auf <strong>die</strong> Wirtschaftsfächer ausgelegt. Zu Beginn waren k<strong>ein</strong>e Frauen<br />

im Lehrerzimmer oder in den Unterrichtsräumen anzutreffen,<br />

weder Lehrerinnen noch Schülerinnen. Mit der Zeit änderte sich<br />

der «Geist der Schule», er wurde offener und transparenter.<br />

Gab es Lehrer, <strong>die</strong> Sie in Ihrer Art zu unterrichten, be<strong>ein</strong>flussten?<br />

Da gab es wohl welche, <strong>die</strong> mich be<strong>ein</strong>flussten <strong>–</strong> m<strong>ein</strong> Deutsch-<br />

und m<strong>ein</strong> Geschichtslehrer zum Beispiel. Ersterer unterrichtete<br />

damals mit modernen Methoden, er verwendete u.a. <strong>ein</strong> Tonband<br />

und engagierte sich stark <strong>für</strong> s<strong>ein</strong>e Schüler. Letzterer überzeugte<br />

mich mit s<strong>ein</strong>er Didaktik, s<strong>ein</strong>er Art, den Stoff <strong>ein</strong>zuführen und<br />

stets <strong>für</strong> den Überblick besorgt zu s<strong>ein</strong>.<br />

Was waren Ihre Ziele, als Sie sich <strong>für</strong> das Amt des Schulleiters<br />

bewarben?<br />

Sicher war da <strong>ein</strong> Bedürfnis, <strong>ein</strong>e Schule mitzugestalten. Ganz im<br />

Sinne der offenen Architektur Schaders waren mir Transparenz<br />

<strong>ein</strong> Anliegen sowie <strong>die</strong> Bereitschaft der Lehrpersonen und Schüler/innen,<br />

eigenständig und kritisch zu denken.<br />

Welche Projekte lagen Ihnen als Schulleiter besonders am Herzen?<br />

Mir lag viel daran, Reformen vernünftig umzusetzen, insbesondere<br />

<strong>die</strong> noch heute bestehende Reform der Oberstufe mit dem<br />

Wahlkurssystem. Aber auch <strong>die</strong> Erweiterung des Unterrichtsspektrums<br />

war mir wichtig. So führten wir 1989, als der Eiserne<br />

Vorhang aufging, Russisch <strong>ein</strong>, damals fast <strong>ein</strong>e Pionierleistung.<br />

Später setzte ich mich z.B. <strong>für</strong> <strong>die</strong> Fächer Chinesisch, Arabisch<br />

und Hebräisch <strong>ein</strong>. Die ersten beiden wurden schliesslich auch im<br />

Unterrichtsangebot aufgenommen.<br />

Gab es auch Enttäuschungen?<br />

N<strong>ein</strong>, ich habe stets versucht, mir realistische Ziele zu setzen.<br />

Wenn man sich k<strong>ein</strong>e Illusionen macht, ist man eher zufrieden.<br />

Wie viele Rektoren haben Sie erlebt? Wie war <strong>die</strong> Zusammenarbeit<br />

mit ihnen?<br />

Wenn ich m<strong>ein</strong>e eigene Schulzeit <strong>ein</strong>rechne, so waren es sechs,<br />

sonst vier. Die Zusammenarbeit klappte eigentlich gut, es ist <strong>ein</strong>e<br />

wichtige Eigenschaft <strong>ein</strong>es Prorektors, dass man mit vielen unterschiedlichen<br />

Charakteren produktiv zusammenarbeiten kann.<br />

Sehr schön war es, mit Rektor Wüthrich und den Prorektoren<br />

Wyss und Limacher <strong>die</strong> Schule zu führen, wir bildeten <strong>ein</strong> richtiges<br />

Dream-Team.<br />

Geschichtsstudium <strong>–</strong> hat Sie Ihr Interesse <strong>für</strong> Politik dazu bewogen?<br />

Schon im Alter von 10 Jahren interessierte ich mich <strong>für</strong> Politik <strong>–</strong><br />

<strong>die</strong> Welt sprach von der Suez-Krise und dem Ungarnaufstand. Mit<br />

13<br />

Bild: Andreas Haag


14 kenzeichen 3/11<br />

<strong>die</strong>sem Interesse ist natürlich auch jenes <strong>für</strong> Geschichte verbunden,<br />

denn Politik ist ja immer auch aktuelle Geschichte. Dieses Interesse<br />

liess nie nach, so dass ich mich nach der Matura entschied, das Studium<br />

der Geschichte aufzunehmen.<br />

Stichwort Schulpolitik in den letzten 40 Jahren <strong>–</strong> gibt es Politiker<br />

bzw. Tendenzen, <strong>die</strong> in Ihren Augen förderlich <strong>für</strong> den Schulbetrieb<br />

waren? Oder ihm gar schadeten?<br />

Vor <strong>ein</strong> paar Jahrzehnten war das Konzept <strong>ein</strong>er Dezentralisierung<br />

der Mittelschulen aktuell, es sah vor, im Kanton Zürich mehrere<br />

Mittelschulen an verschiedenen Orten, z.B. auch in Horgen, <strong>ein</strong>zurichten.<br />

Stattdessen beschloss man, den Standort Zürich weiter auszubauen,<br />

sodass <strong>ein</strong> riesiger Mittelschul-Komplex entstand. M<strong>ein</strong>er<br />

M<strong>ein</strong>ung nach war das auf längere Sicht <strong>ein</strong> Fehlentscheid. Denn<br />

<strong>die</strong> Schüler nehmen teilweise lange Schulwege in Kauf, <strong>die</strong> Schulen<br />

werden grösser und somit anonymer, was <strong>die</strong> Offenheit, von der ich<br />

gesprochen habe, hemmt. Weiter ist mir aufgefallen, dass sich <strong>die</strong><br />

Mittelschule in den letzten Jahren immer mehr zur Erziehungsanstalt<br />

gemausert hat und somit <strong>die</strong> Jugendlichen mehr als Schüler/<br />

innen und weniger als Gymnasiasten und Gymnasiastinnen wahrgenommen<br />

werden.<br />

Als Schulleiter haben Sie <strong>ein</strong>ige Lehrer <strong>ein</strong>gestellt <strong>–</strong> mit welchen<br />

Qualitäten konnten <strong>die</strong> Kandidaten bei Ihnen Punkte sammeln?<br />

Ich habe in m<strong>ein</strong>er Auswahl vor allem auf zwei Kriterien geschaut,<br />

<strong>die</strong> mir wichtig waren: zum <strong>ein</strong>en auf <strong>die</strong> Bereitschaft zum Engagement<br />

und zum anderen auf <strong>ein</strong>e humanistische Grund<strong>ein</strong>stellung.<br />

Eine zukünftige Lehrperson sollte sich <strong>für</strong> <strong>die</strong> KEN <strong>ein</strong>setzen und<br />

<strong>ein</strong>e humanistische Haltung auch in den Schülern wecken können.<br />

Ich wollte es vermeiden, Fachidioten anzustellen.<br />

Würden Sie wieder Lehrer werden? Den Beruf auch weiterempfehlen?<br />

(Antwortet schnell und entschlossen) Ja, wobei das Weiterempfehlen<br />

schon wieder etwas ganz anderes ist. Die Ausbildung unterscheidet<br />

sich heutzutage wesentlich von jener zu m<strong>ein</strong>er Zeit. M<strong>ein</strong>er<br />

M<strong>ein</strong>ung nach werden Lehramtskandidaten zu fest <strong>ein</strong>geschränkt<br />

und in ihrer Ausbildung zu fest pädagogisiert. Eine Einengung, <strong>die</strong><br />

fragwürdig ist. Ich finde, man sollte <strong>die</strong>ser Tendenz entgegenwirken<br />

und den Lehrpersonen wieder den nötigen Freiraum gewähren.<br />

Die Zukunft der KEN- was wäre wünschenswert, was weniger?<br />

Ich würde mir wünschen, dass der Geist der Schule, den ich im Verlauf<br />

des Interviews schon <strong>ein</strong>ige Male erwähnt habe (Transparenz,<br />

Offenheit, breites Spektrum), von der Schulleitung auch weiterhin<br />

getragen und gefördert wird, was m<strong>ein</strong>er Ansicht nach zurzeit der<br />

Fall ist.<br />

Wenn man an <strong>ein</strong>e vollgepackte Agenda gewöhnt ist- erweist sich<br />

dann der Ruhestand nicht als <strong>ein</strong>e Herausforderung? (Ihre Pläne?)<br />

Das ist <strong>die</strong> Frage, <strong>die</strong> mir derzeit am meisten gestellt wird, und ich<br />

muss Ihnen ehrlich sagen, ich beantworte sie nicht so gerne, da ich<br />

mir noch nicht allzu grosse Gedanken darüber gemacht habe. Ich<br />

werde aber versuchen, m<strong>ein</strong>e neuen Freiräume auszuleuchten, etwas<br />

lässt sich dabei sicher finden. Ich bin optimistisch.<br />

Tiffany Sigg (N4b), Dorian Wiederkehr (H2a)<br />

Der Blick von<br />

aussen auf <strong>die</strong> KEN<br />

Wie nimmt man unsere Schule und unsere<br />

Umgebung wahr, wenn man aus<br />

<strong>ein</strong>em anderen Kulturraum kommt?<br />

Angelika Bühler (AB, N2a) nützte <strong>die</strong> Gelegenheit, im<br />

folgenden Interview mit Janina Jentner (JJ, N2a) <strong>die</strong>ser<br />

Frage nachzugehen. Janina besuchte sechs<strong>ein</strong>halb<br />

Jahre das Albert-Schweitzer-Gymnasium in Erlangen und<br />

ist seit Februar 2011 Schülerin der KEN.<br />

Bild: Angelika Bühler<br />

AB: Die KEN und Zürich <strong>–</strong> <strong>ein</strong> Kulturschock oder<br />

<strong>ein</strong> Eintauchen in <strong>ein</strong>e neue spannende Welt?<br />

JJ: Den Ausdruck Kulturschock halte ich <strong>für</strong> unpassend.<br />

Allerdings gibt es deutliche kulturelle<br />

Unterschiede. Ich habe den Eindruck, dass <strong>die</strong><br />

Lehrer hier höheren Respekt geniessen und deshalb<br />

unnahbarer ersch<strong>ein</strong>en.<br />

Unnahbar, wie m<strong>ein</strong>st du das?<br />

Mit unnahbar m<strong>ein</strong>e ich distanziert, vielleicht<br />

nicht so kumpelhaft wie in Deutschland. Ich erlebte<br />

zum Beispiel in Deutschland Lehrpersonen, <strong>die</strong><br />

<strong>die</strong> ganze Klasse zu sich nach Hause <strong>ein</strong>luden und<br />

mit Pizza verköstigten. Oder sie organisierten <strong>ein</strong>en<br />

Grillabend zum Abschluss <strong>ein</strong>es Englischleistungskurses.<br />

Das sind aber seltene Einzelfälle.<br />

Dieser erste vergleichende Eindruck hat sich allerdings<br />

in den letzten Wochen gar nicht mehr bestätigt.<br />

Die persönliche Anteilnahme und auch das<br />

Engagement der KEN-Lehrer <strong>für</strong> <strong>die</strong> Klasse ist der<br />

Regelfall und nicht <strong>die</strong> Ausnahme, das ist <strong>für</strong> mich<br />

ungewohnt und ich weiss es zu schätzen.<br />

Was <strong>die</strong> Freizeitaktivität angeht, so habe ich gehört,<br />

dass auch an <strong>die</strong>ser Schule <strong>ein</strong>ige Lehrer manches<br />

veranstalten <strong>für</strong> <strong>die</strong> Schüler <strong>–</strong> vielleicht ist <strong>die</strong> Bereitschaft<br />

zur ausserschulischen Aktivität ja wirklich<br />

von Lehrperson zu Lehrperson verschieden. Könnte<br />

d<strong>ein</strong> Erst<strong>ein</strong>druck daher kommen, dass Deutsche<br />

<strong>ein</strong>en anderen Umgang mit<strong>ein</strong>ander pflegen?


Vielleicht könnte man ihn lockerer nennen. Sitzt<br />

man zum Beispiel in Deutschland in <strong>ein</strong>em Bus,<br />

so kommt man fast immer mit jemandem ins Gespräch.<br />

Und man geht viel direkter auf <strong>ein</strong>e unbekannte<br />

Person zu. Direktheit ist wohl <strong>ein</strong>e Eigenschaft,<br />

<strong>für</strong> <strong>die</strong> wir Deutschen bekannt sind. Diese<br />

Direktheit ist gewöhnungsbedürftig und kann auch<br />

auf <strong>die</strong> Nerven gehen, deshalb wäre manchmal<br />

mehr Zurückhaltung gut.<br />

Und in der Schule, Thema Lockerheit?<br />

Die Schule ist wohl strenger hier. Schüler werden<br />

im Unterricht gefordert <strong>–</strong> wer sich im Gymnasium<br />

hängen lässt, kriegt <strong>die</strong>s schneller zu spüren, wird<br />

viel schneller provisorisch oder muss wiederholen.<br />

Auch was <strong>die</strong> Kleidervorstellung angeht, so ist jene<br />

in Deutschland wohl lockerer. Hier sollte man wohl<br />

nicht mit <strong>ein</strong>em überkurzen Minirock durch <strong>die</strong><br />

Halle der KEN stöckeln.<br />

Weniger streng an der Schule <strong>–</strong> ist der Umgang unter<br />

den Schülern auch freier, lockerer?<br />

Frei, locker <strong>–</strong> ich weiss nicht recht, ob <strong>die</strong>se Begriffe<br />

in <strong>die</strong>sem Zusammenhang angebracht sind. Ich denke<br />

aber, dass <strong>die</strong> deutschen Schüler respektloser gegenüber<br />

Gleichaltrigen sind und ihren Respekt nur<br />

gegenüber Autoritätspersonen wie Lehrern zeigen,<br />

<strong>die</strong>s aber immer weniger tun. An der KEN geben sich<br />

Schüler im Umgang mit<strong>ein</strong>ander sehr harmonisch,<br />

Lehrer werden als Autoritätspersonen anerkannt. Für<br />

mich neu waren hier der sehr respektvolle Umgang<br />

der Schüler unter<strong>ein</strong>ander und <strong>die</strong> gegenseitige Toleranz.<br />

Man steht sich in der Klasse nah, da man mehr<br />

gem<strong>ein</strong>sam unternimmt.<br />

Verbundenheit in der Klasse <strong>–</strong> wie steht es mit der<br />

Verbundenheit der Schweizer mit den Europäern?<br />

Wenn man Verbundenheit als <strong>ein</strong>e künstliche<br />

Gruppierung von europäischen Staaten mit gem<strong>ein</strong>samer<br />

Währung sieht, dann hat sich <strong>die</strong><br />

Schweiz <strong>ein</strong>e hohe Eigenständigkeit bewahrt. Dies<br />

ist zwar nicht immer unproblematisch, trotzdem<br />

blicken manche Staaten der Eurozone eher neidisch<br />

auf <strong>die</strong> Eidgenossen.<br />

Die Schweiz geht mit anderen Kulturen positiv um.<br />

All<strong>ein</strong>e in Zürich leben Mitmenschen aus rund 160<br />

Nationen weitgehend harmonisch neben- und mit<strong>ein</strong>ander.<br />

Toleranz in allen Bereichen wird hier aktiv<br />

gelebt und nicht nur auf dem Papier gefordert.<br />

Ich denke, dass Spitzenpositionen der Schweiz bei<br />

<strong>Leben</strong>squalität, Kultur, Gesellschaft, politischer Mitbestimmung<br />

und in anderen Bereichen das Ergebnis<br />

<strong>ein</strong>er <strong>für</strong> <strong>die</strong> Schweiz ausgewogenen Mischung aus<br />

Eigenständigkeit und internationaler Verantwortung<br />

sowie Verbundenheit ist.<br />

Vielen Dank <strong>für</strong> d<strong>ein</strong>e Schilderungen und Eindrücke.<br />

Ich wünsche dir <strong>ein</strong>e erlebnisreiche Zeit an der KEN!<br />

EhEMalIgE<br />

Sieben Jahre nach<br />

dem Handelsdiplom in<br />

verantwortungsvoller Position<br />

Viele Schüler/innen verlassen jedes Jahr <strong>die</strong> KEN mit dem Handelsdiplom<br />

oder mit der Maturität. Welches ist ihr weiterer Werdegang?<br />

Janine Waldvogel (Handelsdiplom 11) befragte Priska<br />

Fröhli, <strong>die</strong> von 2001 bis 2004 <strong>die</strong> KEN besuchte. Für das Profil<br />

HMS+ hatte sie sich entschieden, weil es sie reizte, länger <strong>die</strong><br />

Schulbank zu drücken als in <strong>ein</strong>er gewöhnlichen KV-Lehre. Besonders<br />

in Erinnerung geblieben sind ihr <strong>die</strong> Arbeitswoche in<br />

Prag und das Konzert mit Freddy Washington. Stünde sie wieder<br />

vor der Wahl, würde sie erneut <strong>die</strong> KEN besuchen.<br />

Was <strong>für</strong> <strong>ein</strong> Praktikum absolviertest du nach den drei Jahren HMs+?<br />

M<strong>ein</strong> Praktikum absolvierte ich bei der Invico Capital Corporation AG in<br />

Zürich, <strong>ein</strong>er kl<strong>ein</strong>en internationalen Treuhandfirma. Nach der Schule,<br />

während der man verhältnismässig viel Freizeit und Ferien geniesst, war<br />

es <strong>ein</strong>e rechte Umstellung, ins Berufsleben <strong>ein</strong>zusteigen. Nach kurzer Zeit<br />

gewöhnte ich mich jedoch an den neuen Rhythmus, <strong>die</strong> Arbeit war spannend,<br />

und ich konnte vieles lernen.<br />

Du arbeitetest in der Buchhaltung <strong>–</strong> war das nicht am Anfang <strong>ein</strong>e Überforderung?<br />

M<strong>ein</strong>e Arbeit bestand im Betreuen von Buchhaltungen, aber auch andere<br />

Aufgaben hatte ich zu erledigen. Nach der Einführung durch <strong>ein</strong>en Mitarbeiter<br />

konnte ich schon bald relativ selbständig <strong>ein</strong>fache Buchhaltungen<br />

übernehmen. Ich finde, <strong>die</strong> Praxis ist ganz anders als <strong>die</strong> Theorie.<br />

Wenn man selber <strong>ein</strong>e Buchhaltung führt, versteht man <strong>die</strong> Zusammenhänge<br />

und <strong>die</strong> Theorie um <strong>ein</strong>iges besser.<br />

15


16 kenzeichen 3/11<br />

Wie fühltest du dich, als du den ersten Lohn bekamst?<br />

Grossartig! Es war <strong>ein</strong> tolles Erlebnis, als mir zum ersten<br />

Mal der Lohn ausbezahlt worden war. Ich empfand <strong>die</strong>s<br />

als <strong>ein</strong>en weiteren Schritt in <strong>die</strong> Selbständigkeit. Ich war<br />

nicht mehr auf das Sackgeld der Eltern angewiesen und<br />

konnte mir auch mal etwas leisten, was zuvor nicht in<br />

Frage gekommen war.<br />

Hast du dich weitergebildet?<br />

Nach dem Praktikum arbeitete ich noch <strong>ein</strong> halbes Jahr<br />

zu 100% in derselben Unternehmung und ging danach<br />

sechs Monate nach Kanada, um m<strong>ein</strong> Englisch zu verbessern<br />

und um zu reisen. Anschliessend begann ich <strong>ein</strong><br />

Teilzeitstudium in Betriebsökonomie an der ZHAW in<br />

Winterthur, das ich soeben abgeschlossen habe. In <strong>die</strong>ser<br />

Zeit arbeitete ich zu 80%, wechselte in der Hälfte des<br />

Studiums den Arbeitgeber und stu<strong>die</strong>rte <strong>ein</strong> Semester in<br />

Finnland.<br />

Warum wechseltest du den Arbeitgeber?<br />

Bei Invico lernte ich sehr viel und hatte Einblick in <strong>die</strong><br />

verschiedensten Bereiche <strong>ein</strong>er Treuhandgesellschaft.<br />

Dadurch, dass im Schnitt nur immer ca. 7-10 Leute bei<br />

Invico arbeiteten, wurde ich schon im Praktikum relativ<br />

schnell wie <strong>ein</strong>e vollwertige Mitarbeiterin behandelt<br />

und konnte (natürlich mit Unterstützung vom Vorgesetzten)<br />

<strong>die</strong> unterschiedlichsten Aufgaben selbständig<br />

übernehmen (Buchhaltungen, Gesellschaftsgründungen,<br />

Liquidationen, Administration von Gesellschaften,<br />

GV organisieren und protokollieren, etc.). Nach<br />

fünf Jahren wollte ich jedoch <strong>ein</strong>e etwas grössere Unternehmung<br />

kennenlernen und entschied mich <strong>für</strong> <strong>die</strong><br />

KENDRIS private AG.<br />

Welches ist d<strong>ein</strong>e Funktion?<br />

Im Moment bin ich noch Junior Trust Officer, doch im<br />

Herbst, wenn das neue Geschäftsjahr beginnt, werde ich<br />

aufgrund m<strong>ein</strong>er abgeschlossenen Ausbildung befördert.<br />

Was sind d<strong>ein</strong>e Aufgaben?<br />

Ich arbeite in der Trust and Corporate Administration-<br />

Abteilung der <strong>Ken</strong>dris. M<strong>ein</strong>e Aufgabe sind <strong>die</strong> tägliche<br />

Betreuung von Trusts und Gesellschaften sowie <strong>die</strong><br />

Vermögensverwaltung. Die Trusts und Gesellschaften<br />

können verschiedene Vermögenswerte halten wie zum<br />

Beispiel Geld, Autos, Häuser, Yachten, Flugzeuge, Wohnungen<br />

etc. Die Vermögenswerte müssen richtig versichert<br />

s<strong>ein</strong> und können verkauft oder gekauft werden. In<br />

m<strong>ein</strong>en Verantwortungsbereich gehören zudem Buchhaltungen<br />

<strong>für</strong> Trusts und Gesellschaften sowie <strong>die</strong> Erstellung<br />

von Protokollen. Auch stehe ich in Kontakt mit<br />

Banken, Anwälten und Partnerfirmen.<br />

Wenn du an <strong>die</strong> KEN zurückdenkst, was kommt dir<br />

spontan in den Sinn?<br />

Die Anreise mit dem Zug, <strong>die</strong> Pausen in der Raucherecke<br />

(obwohl ich nie geraucht habe), <strong>die</strong> unerträgliche<br />

Hitze im Schulzimmer während des Sommers, der Blick<br />

auf den Stundenplan in der Hoffnung, dass wieder <strong>ein</strong>e<br />

Stunde ausgefallen ist, Prüfungen schreiben …<br />

Was gefällt dir besser <strong>–</strong> Schule oder Arbeit?<br />

Nach der Schule war ich froh, nur noch zu arbeiten,<br />

doch nach <strong>ein</strong>iger Zeit reizte es mich wieder, etwas<br />

Neues zu lernen. Weil ich <strong>die</strong> Arbeit nicht aufgeben<br />

wollte, entschied ich mich <strong>für</strong> <strong>ein</strong> Teilzeitstudium. Im<br />

Augenblick freue ich mich, nur zu arbeiten und nicht<br />

mehr nebenbei auch noch zur Schule gehen zu müssen.<br />

Es wird allerdings bestimmt wieder der Zeitpunkt<br />

kommen, zu dem ich beschliesse, <strong>ein</strong>e zusätzliche Weiterbildung<br />

zu absolvieren (sie muss ja nicht mehr unbedingt<br />

vier Jahre dauern).<br />

Die KEN <strong>–</strong> <strong>ein</strong> Sprungbrett <strong>für</strong>s <strong>Leben</strong>?<br />

M<strong>ein</strong>er M<strong>ein</strong>ung nach schon. Ich würde <strong>die</strong>selbe Wahl<br />

treffen.<br />

Noch <strong>ein</strong>en Rat <strong>für</strong> gegenwärtige HMS+-Schüler/innen?<br />

Versucht, <strong>ein</strong>e Praktikumsstelle in <strong>ein</strong>em Bereich zu<br />

finden, der euch interessiert. Das macht <strong>die</strong> Umstellung<br />

<strong>ein</strong>facher und ihr seid motivierter <strong>für</strong> <strong>die</strong> Arbeit. Und<br />

verbringt eure Freizeit nicht nur mit Lernen, sondern behaltet<br />

eure Hobbys!<br />

Janine Waldvogel (Handelsdiplom 11)<br />

Bilder: Liliane Preissle


kEn atur<br />

Der kl<strong>ein</strong>e Zoo an der KEN<br />

Ich bin verabredet mit Daniel Blaser. Er ist <strong>für</strong> <strong>die</strong> verschiedenen<br />

Tiere der KEN und KFR zuständig und betreut <strong>ein</strong>en<br />

kl<strong>ein</strong>en Zoo, in dem Amphibien, Reptilien, Nager und andere<br />

Tiere leben. Als ich deren Zuhause betrete, fällt mir als Erstes<br />

<strong>ein</strong> strenger Geruch auf, dann stelle ich fest, dass der Raum<br />

sehr übersichtlich ist, und<br />

ich bin be<strong>ein</strong>druckt von<br />

den vielen Tieren, <strong>die</strong> ich<br />

erblicke.<br />

Daniel Blaser erklärt mir,<br />

dass der strenge Geruch<br />

von den Mäusen bzw. deren<br />

Ausscheidungen komme,<br />

und ich erfahre, dass<br />

sich <strong>die</strong>se Tiere mit Abstand<br />

am schnellsten fortpflanzen.<br />

Der weibliche<br />

Zyklus der Maus beträgt<br />

vier Tage, ist sie trächtig,<br />

bekommt sie nach drei<br />

Wochen ihren Nachwuchs.<br />

Vier Stunden nach der Geburt<br />

kann sie erneut befruchtet<br />

werden und somit<br />

erreicht sie den Status der<br />

Dauerträchtigkeit <strong>–</strong> mit<br />

jedem Gebären vergrössert<br />

sich der Wurf und erreicht mit 18 Jungen beim sechsten Mal<br />

ihren Höhepunkt. Eine unerhörte Fruchtbarkeit, <strong>die</strong> vom Appetit<br />

der Reptilien in Schranken gehalten wird <strong>–</strong> denn der<br />

Nachwuchs wird als Nahrung <strong>für</strong> Schlangen und allerlei andere<br />

Kaltblüter verwendet. Jungmäuse, <strong>die</strong> nicht verfüttert<br />

werden, <strong>die</strong>nen der weiteren Zucht.<br />

Als Nächstes begebe ich mich zum hinteren Teil des Raumes,<br />

wo zwei Chamäleons in verschiedenen Terrarien ihre<br />

Unterkünfte haben. Vom Gang aus habe ich <strong>die</strong> beiden Echsen<br />

noch nie gesehen, und ich merke, wie m<strong>ein</strong>e Neugierde<br />

wächst. Daniel Blaser will sie mir genauer zeigen, nimmt das<br />

Männchen aus s<strong>ein</strong>em Reich und gibt es mir in <strong>die</strong> Hände.<br />

Ich staune nicht schlecht und betrachte das Wesen, dessen<br />

scherenartige Füsse sich an m<strong>ein</strong>en Händen festklammern<br />

und dessen Augen sich unabhängig von<strong>ein</strong>ander in verschiedene<br />

Richtungen drehen.<br />

Damit es den Tieren gut geht, braucht es <strong>ein</strong>e artgerechte<br />

Haltung. Dazu verhelfen zum Beispiel Wärmelampen bzw.<br />

UV- Lichter, <strong>die</strong> nicht ganz billig sind und alle sechs Monate<br />

erneuert werden müssen. Die richtige Temperatur ist <strong>für</strong> <strong>die</strong><br />

Reptilien <strong>ein</strong> Muss. Aber auch in anderen Belangen wird stets<br />

Wert darauf gelegt, dass den Bedürfnissen der Tiere entsprochen<br />

wird.<br />

Neben dem Terrarium der Chamäleons leben junge Kornnattern.<br />

Eine von ihnen darf ich ebenfalls in <strong>die</strong> Hände nehmen.<br />

17<br />

Schnell bemerke ich, dass ich doch <strong>ein</strong> bisschen mehr Respekt<br />

vor den jungen Schlangen habe als vor dem Chamäleon.<br />

Sie züngelt mich an, bewegt sich langsam und ihre Haut fühlt<br />

sich wie glattes, weiches Leder an.<br />

Nachdem m<strong>ein</strong>e neue Freundin wieder versorgt worden ist,<br />

zeigt Daniel Blaser mir <strong>die</strong> anderen Schlangen. Zuerst stellt<br />

er mir <strong>die</strong> grosse Königspython im Wasser vor, danach <strong>die</strong><br />

<strong>ein</strong>heimische Ringelnatter.<br />

Daniel Blaser, <strong>ein</strong> bekennender Reptilienliebhaber, kann mir<br />

viel über <strong>die</strong> Schlangen berichten. Die Königspython wird oft<br />

<strong>für</strong> den Unterricht gebraucht, da sie von Natur aus gelassener<br />

ist als <strong>die</strong> kl<strong>ein</strong>en Ringelnattern, <strong>die</strong> unter Stress k<strong>ein</strong>en Augenblick<br />

ruhig s<strong>ein</strong> können. Im Ganzen gesehen brauchen <strong>die</strong><br />

Schlangen weniger Aufmerksamkeit als <strong>die</strong> Nager, obschon<br />

<strong>die</strong>se im kl<strong>ein</strong>en Zoo zahlenmässig untervertreten sind. Der<br />

Zeitaufwand <strong>für</strong> <strong>die</strong> Pflege von Echsen, Schildkröten und<br />

Schlangen ist gering, da <strong>ein</strong>e Schlange nur alle <strong>ein</strong> bis zwei<br />

Wochen gefüttert werden muss und dementsprechend wenig<br />

Kot ausscheidet. Im Gegensatz dazu verursacht zum Beispiel<br />

<strong>ein</strong> Degus sehr viel mehr Unrat, denn er hat <strong>ein</strong>en schnelleren<br />

Stoffwechsel und braucht täglich Nahrung.<br />

Der Rundgang durch das kl<strong>ein</strong>e Tierreich geht weiter und ich<br />

sehe von den Tannreks, <strong>ein</strong>er Igelart, bis hin zu den Vogelspinnen<br />

alle Zoobewohner. Manche Tiere machen mir Angst,<br />

andere würde ich am liebsten gleich mitnehmen. Hier lebt<br />

Jung und Alt beisammen. Somit ist mir schnell klar, dass Daniel<br />

Blaser hier auch mit Krankheit und Tod konfrontiert ist.<br />

Berührungsängste darf er in <strong>die</strong>sem Beruf k<strong>ein</strong>e haben, als<br />

Tierpfleger muss er <strong>ein</strong>en natürlichen Zugang zum <strong>Leben</strong> und<br />

Sterben finden. Manche Tiere tötet er lieber fachgerecht, als<br />

sie noch wochenlang leiden zu lassen. Probleme tauchen vor<br />

allem in der Beurteilung von Reptilien auf, <strong>die</strong>sen ist es nicht<br />

so leicht anzusehen, wenn sie leiden. Mit den Krankheiten<br />

wird es gefährlich, wenn <strong>die</strong>se vom Tier auf den Menschen<br />

übertragbar sind. Es handelt sich dann um sogenannte Zoonosen.<br />

Besonders riskant sind Salmonellen, <strong>die</strong>se sind <strong>für</strong><br />

<strong>die</strong> Tiere ungefährlich und können <strong>für</strong> Menschen sogar zu<br />

<strong>ein</strong>er tödlichen <strong>Leben</strong>svergiftung führen. Damit man <strong>die</strong>sen<br />

Gefahren vorbeugen kann, müssen <strong>die</strong> grundsätzlichen Hygienemassnahmen<br />

befolgt werden.<br />

M<strong>ein</strong> Besuch bei Daniel Blaser neigt sich dem Ende zu, und<br />

ich bedanke mich herzlich bei ihm. Ich konnte <strong>ein</strong>ige neue<br />

Eindrücke gewinnen und mir <strong>ein</strong> genaueres Bild von den verschiedenen<br />

Tieren machen, an denen ich tagtäglich vorbeigehe<br />

und <strong>die</strong> ich jetzt <strong>ein</strong> wenig besser kenne als zuvor.<br />

Liliane Preissle (Handelsdiplom 11)<br />

(Red: Herr D. Blaser hat unterdessen <strong>die</strong> KEN verlassen, um <strong>ein</strong>e<br />

Vollzeitstelle anzutreten; s<strong>ein</strong> Nachfolger ist Hr. Roger Meier.)


18 kenzeichen 3/11<br />

wortschatz<br />

Spaghetti al mare <strong>–</strong> oder <strong>die</strong> Familie m<strong>ein</strong>es Freundes<br />

Noch vier Stationen.<br />

Gedankenverloren schaue ich<br />

aus dem Fenster und zähle <strong>die</strong><br />

vorbeirasenden Bäume. In m<strong>ein</strong>em Kopf<br />

sch<strong>ein</strong>t <strong>die</strong> Zeit still zu stehen, während<br />

um mich herum <strong>die</strong> übliche Pendlerhektik<br />

herrscht. Geschäftsleute mit Aktenkoffern<br />

und Frauen in viel zu hohen Absätzen huschen<br />

an mir vorbei.<br />

Noch drei Stationen.<br />

Unruhig rutscht er auf dem Sitz gegenüber<br />

hin und her.<br />

Ob es ihm wohl genauso geht wie mir?<br />

Unsere Blicke treffen sich, und ich versuche<br />

zu lächeln.<br />

Noch zwei Stationen.<br />

K<strong>ein</strong>er von uns spricht <strong>ein</strong> Wort, und ich<br />

widme mich wieder den vorbeirasenden<br />

Bäumen. Draussen erkenne ich schon <strong>die</strong><br />

ersten Wolken am Himmel.<br />

Na super, und ich hab k<strong>ein</strong>en Regenschirm<br />

dabei, auch das noch! Soll ich mich etwa pudelnass<br />

bei s<strong>ein</strong>en Eltern vorstellen?<br />

Er bemerkt m<strong>ein</strong>en Blick und grinst: «K<strong>ein</strong>e<br />

Angst, wir wohnen nicht weit vom Bahnhof<br />

entfernt. D<strong>ein</strong>er Frisur wird schon nichts geschehen!»<br />

Wieso muss er auch m<strong>ein</strong>e Gedanken lesen<br />

können?!<br />

Noch <strong>ein</strong>e Station.<br />

Die letzte Station.<br />

Ich könnte <strong>ein</strong>en Migräneanfall vortäuschen<br />

und <strong>ein</strong>fach wieder umkehren. Oder<br />

unauffällig <strong>die</strong> Notbremse ziehen. Für Notfälle<br />

ist <strong>die</strong> ja da.<br />

N<strong>ein</strong>, versuche ich mir Mut <strong>ein</strong>zureden, da<br />

musst du nun durch. Es ist ja nicht so, dass du<br />

niemals zuvor <strong>ein</strong>e solche Situation erlebt hast.<br />

Ich atme tief <strong>ein</strong> und blicke an mir herunter.<br />

Alles noch sauber, k<strong>ein</strong> Fleck auf m<strong>ein</strong>en<br />

neuen Jeans. Das ist gut so. Man soll nicht<br />

von mir denken, ich liefe mit schmutzigen,<br />

abgenutzten Kleidern herum. So was will<br />

man als Mutter nicht sehen. Würde m<strong>ein</strong><br />

Sohn mir <strong>ein</strong>e Frau mit verdreckten Klamotten<br />

und Hippie-Frisur als s<strong>ein</strong>e neue<br />

Freundin vorstellen, würde ich sie mit <strong>ein</strong>em<br />

Besen aus dem Haus jagen.<br />

Der Zug verlangsamt s<strong>ein</strong> Tempo und fährt<br />

im Bahnhof <strong>ein</strong>.<br />

Eine gute Geschichte entsteht aus dem Bauch heraus <strong>–</strong> <strong>die</strong>se Weisheit ist oft zu<br />

hören und vermutlich so berechtigt wie <strong>die</strong> Behauptung, dass man <strong>für</strong> <strong>ein</strong>e Suppe<br />

Wasser benötige.<br />

Doch wie mit dem Füllen <strong>ein</strong>er Pfanne mit Wasser noch k<strong>ein</strong>e Suppe gekocht ist,<br />

ergeben auch beim Schreiben zündende Einfälle all<strong>ein</strong> noch k<strong>ein</strong>e gute Geschichte.<br />

Erst das Wissen um <strong>die</strong> Zutaten und <strong>die</strong> nötigen Herstellungsschritte sorgt<br />

da<strong>für</strong>, dass das Resultat geniessbar ist.<br />

Verdichten, bildhaftes Umsetzen, Abwechslung im Erzählfluss durch richtigen<br />

Einsatz der erlebten Rede, durch gekonntes Kombinieren von Erzählzeit und<br />

erzählter Zeit etc. <strong>–</strong> aus zahlreichen Zutaten sind im richtigen Augenblick <strong>die</strong><br />

passenden auszuwählen und schmackhaft zu kombinieren, <strong>ein</strong> Handwerk, das<br />

mitunter sehr viel Geduld und Fingerspitzengefühl voraussetzt.<br />

Praktisch geübt hat <strong>die</strong>ses Handwerk <strong>die</strong> Klasse W3d im letzten Sommersemester.<br />

Dabei herausgekommen sind fast zwei Dutzend Geschichten, <strong>die</strong> Einblick in<br />

das Erleben von Jugendlichen geben und alle auf ihre Art unterhaltsam sind. Ein<br />

kl<strong>ein</strong>er Ausschnitt <strong>die</strong>ses Schaffens ist hier abgedruckt: <strong>die</strong> Kurzgeschichte von<br />

Vanessa Cruz (W4d), in der <strong>die</strong> Protagonistin, <strong>ein</strong>e junge Frau, den Eltern ihres<br />

Freundes vorgestellt wird und sich während <strong>ein</strong>es Nachtessens im engen Familienkreis<br />

zu bewähren hat.<br />

Sorgfältig und mit zitternden B<strong>ein</strong>en versuche<br />

ich, mich an <strong>ein</strong>er Kindergartengruppe<br />

vorbeizudrängen, <strong>die</strong> offenbar den ganzen<br />

Waggon in Beschlag genommen hat. Schreiend<br />

und lachend versperren zwei Dutzend<br />

Rotznasen den Gang, während <strong>die</strong> Kindergärtnerin<br />

in Ruhe am Telefon quasselt und<br />

ihren letzten Besuch im Schönheitsstudio so<br />

ausführlich wie nur möglich schildert.<br />

«Ich wollte m<strong>ein</strong>e Nägel in Azurblau, passend<br />

zu m<strong>ein</strong>em neuen Oberteil, und <strong>die</strong><br />

blöde Kuh schmiert mir tatsächlich cyanblauen<br />

Nagellack drauf! C-Y-A-N-B-L-A-U!<br />

Kannst du das fassen?!»<br />

Ich merke, wie mir das Blut in den Kopf<br />

schiesst.<br />

Sie soll sich lieber um ihr Rudel kümmern<br />

und schauen, dass <strong>ein</strong>em <strong>die</strong> wildgewordenen<br />

Affen nicht alle zwischen <strong>die</strong> B<strong>ein</strong>e geraten!<br />

Mit geballten Fäusten beginne ich den Kampf,<br />

und nach <strong>ein</strong>igen unsanften Schubsern und<br />

Kratzern gelangen wir endlich zur Tür.<br />

Der Zug zischt und quietscht und kurz darauf<br />

sind wir draussen.<br />

Am Himmel schieben dicke Wolken und<br />

k<strong>ein</strong> <strong>ein</strong>ziges blaues Fleckchen ist mehr zu<br />

entdecken. Das kann nur <strong>ein</strong> schlechtes<br />

Omen s<strong>ein</strong>.<br />

Schnellen Schrittes machen wir uns auf den<br />

Weg und begeben uns in Richtung Oberdorf,<br />

bis er vor <strong>ein</strong>em kl<strong>ein</strong>en, all<strong>ein</strong>stehenden<br />

Häuschen haltmacht.<br />

«Bist du so weit?», fragt er und zwinkert mir<br />

zu.<br />

Ich nicke zögerlich und ignoriere <strong>die</strong> Stimme,<br />

<strong>die</strong> in m<strong>ein</strong>em Kopf laut um Hilfe<br />

schreit. Hektisch streiche ich mir <strong>die</strong> verschwitzten<br />

Haare aus dem Gesicht, richte<br />

<strong>ein</strong> letztes Mal m<strong>ein</strong>e Frisur und mache<br />

mich auf das Schlimmste gefasst.<br />

In was bin ich hier nur hin<strong>ein</strong>geraten?<br />

Langsam gehen wir durchs Gartentor und<br />

begeben uns zur Haustür.<br />

M<strong>ein</strong>e Wangen glühen und <strong>die</strong> Knie fühlen<br />

sich ungefähr so weich an wie der grässliche<br />

Wabbel-Pudding, den m<strong>ein</strong>e Schwester gestern<br />

stolz zubereitet hat.<br />

Ich trete <strong>ein</strong>en Schritt hinter ihn, doch es ist<br />

nun zu spät, um sich zu verstecken.<br />

Man hört hastige, sich nähernde Schritte, der<br />

Schlüssel wird umgedreht und <strong>die</strong> Haustür<br />

geöffnet, deren Knarren und Ächzen b<strong>ein</strong>ahe<br />

das laute, unkontrollierte Pochen m<strong>ein</strong>es<br />

Herzens übertönt. Zum Vorsch<strong>ein</strong> kommt<br />

<strong>ein</strong>e kl<strong>ein</strong>e, rundliche Frau mit Schürze und<br />

schwingendem Kochlöffel in der Hand, <strong>die</strong><br />

italienischer nicht s<strong>ein</strong> könnte und mich von<br />

Kopf bis Fuss mustert.


Ich spüre, wie mir das Blut in <strong>die</strong> Wangen<br />

schiesst, und senke schnell m<strong>ein</strong>en Blick.<br />

«Endlich! Das Essen ist schon lange fertig!»,<br />

höre ich sie mit italienischem Akzent sagen,<br />

«und du bist also s<strong>ein</strong>e neue Freundin?»<br />

Sie wendet sich mir zu und streckt mir ihre<br />

Hand hin.<br />

Widerwillig reiche ich ihr <strong>die</strong> m<strong>ein</strong>e und<br />

lasse den knochenzerquetschenden Händedruck<br />

über mich ergehen.<br />

Dieses Gesicht <strong>–</strong> will sie mich mit ihrem<br />

Kochlöffel grün und blau schlagen?<br />

Habe ich den Auftritt schon in den ersten<br />

dreissig Sekunden vermasselt?<br />

Auf wackligen B<strong>ein</strong>en trete ich <strong>ein</strong> und folge<br />

ihr mit etwas Sicherheitsabstand zum<br />

Esstisch, wo sich schon der Rest der Familie<br />

versammelt hat.<br />

Alle Blicke sind auf mich gerichtet, wie Wölfe<br />

gaffen sie mich an.<br />

Wölfe, <strong>die</strong> das Schaf gesichtet haben und nun<br />

in <strong>die</strong> Enge treiben, um es zu zerfleischen.<br />

Jetzt bitte, bitte k<strong>ein</strong> Fettnäpfchen!<br />

Ich danke dem Schicksal, dass ich mit <strong>ein</strong>em<br />

Italiener und k<strong>ein</strong>em Asiaten zusammen<br />

bin und k<strong>ein</strong>en halbjährigen Mit-Stäbchen-<br />

Essen-Für-Anfänger-Kurs habe belegen<br />

müssen.<br />

Was kann bei Pizza, Pasta und Amore schon<br />

falsch laufen?<br />

Ich schaue kurz zu m<strong>ein</strong>em Freund und setze<br />

mich an den Tisch.<br />

«Ich hoffe, du magst Spaghetti al mare.<br />

Christoph hat das Menu <strong>für</strong> heute ausgesucht.»<br />

Verständnislos starre ich sie an, nicke jedoch<br />

aus Höflichkeit.<br />

Spaghetti al WAS?!<br />

Was hat sie gekocht?<br />

M<strong>ein</strong>e mangelnden Italienisch-<strong>Ken</strong>ntnisse<br />

werden mir wieder <strong>ein</strong>mal zum Verhängnis.<br />

Ich schicke <strong>ein</strong> kurzes Stossgebet zum Himmel,<br />

auf dass Christoph, s<strong>ein</strong> Bruder, <strong>ein</strong>en<br />

guten Geschmack in Sachen Essen habe.<br />

Denn <strong>ein</strong>en guten Kleidergeschmack hat er<br />

definitiv nicht - s<strong>ein</strong> grünes, in <strong>die</strong> Hosen<br />

gestopftes Hemd und <strong>die</strong> viel zu engen Jeans<br />

lösen in mir <strong>ein</strong>e Mischung aus Ekel und<br />

Mitleid aus, was ich, s<strong>ein</strong>em irritierten Ausdruck<br />

nach zu schliessen, offenbar schlecht<br />

verbergen kann.<br />

Schlagartig breche ich den Blickkontakt ab<br />

und stiere wieder den vor mir liegenden,<br />

weissen Teller an.<br />

Das Essen wird aufgetischt, ich schaue kurz<br />

ins Innere des riesen Topfes, und das Herz<br />

bleibt mir stehen. Das r<strong>ein</strong>ste Grauen hat<br />

sich in <strong>die</strong>sem Gefäss zusammengefunden:<br />

Dutzende von Muscheln und vielb<strong>ein</strong>igen<br />

Garnelen! Nicht mundgerecht, sondern<br />

zum Knacken und Schälen! Alles, um mich<br />

zu p<strong>ein</strong>igen! Nun hat m<strong>ein</strong> letztes Stündl<strong>ein</strong><br />

geschlagen! Dieser Christoph!<br />

Ich werfe ihm <strong>ein</strong>en bösen Blick zu und<br />

wünsche ihm Hölle und Verderben.<br />

Doch er lacht nur. Ein hinterlistiges, fieses<br />

Lachen.<br />

Lacht er mich aus?!<br />

Oh, wie ich ihm das heimzahlen werde!<br />

Es kommt mir vor, als versuchte er mich<br />

absichtlich zu schikanieren. Ich, der tollpatschigste<br />

Mensch auf <strong>die</strong>ser Welt, komme<br />

kaum 100 Meter weit, ohne zweimal über<br />

m<strong>ein</strong>e eigenen Füsse zu stolpern, und jetzt<br />

soll ich es noch mit <strong>ein</strong>er Horde Hartschalenmuscheln<br />

und tausendb<strong>ein</strong>igen Garnelen<br />

aufnehmen?<br />

M<strong>ein</strong> Gebet ist offensichtlich nicht oben angekommen.<br />

Friedlich grinsend beginnt Teufels-Christoph<br />

Spaghetti und Meeresfrüchte auf s<strong>ein</strong>en<br />

Teller zu schöpfen und kämpft sich vor,<br />

bis jeder am Tisch <strong>ein</strong>e gute Portion vor sich<br />

hat. Nach Hilfe suchend, blicke ich m<strong>ein</strong>en<br />

Freund an.<br />

Das wird <strong>ein</strong> r<strong>ein</strong>es Desaster.<br />

Wie kann er mir nur so etwas antun?<br />

Sieht er nicht, dass s<strong>ein</strong> Bruder Christoph<br />

mich provoziert?<br />

Oder bilde ich mir das nur <strong>ein</strong>?<br />

Nun gut, länger kann ich das Verhängnis<br />

nicht mehr aufschieben. Ich greife zitternd<br />

zur Gabel und beginne mit dem Leichteren:<br />

den Spaghetti.<br />

Langsam, Gabel <strong>für</strong> Gabel, damit k<strong>ein</strong><br />

Saucen-Tröpfchen auf <strong>die</strong> Idee kommt, auf<br />

m<strong>ein</strong>er Kleidung zu landen, fange ich an zu<br />

essen.<br />

«So, du bist also an der gleichen Schule?»,<br />

höre ich <strong>die</strong> Mutter von dem anderen Tischende<br />

fragen, während ich mir gerade <strong>ein</strong>e<br />

riesige Portion Spaghetti in den Mund schiebe.<br />

«Mhmm!», gebe ich von mir, versuche<br />

den grossen Happen hinunterzuschlucken<br />

und bereite mich mental auf das Verhör vor.<br />

Und das folgt auf Fuss: Bist du denn auch gut<br />

in der Schule? Was arbeiten d<strong>ein</strong>e Eltern?<br />

Wo kommst du eigentlich her? Kannst du<br />

Italienisch? Wieso lässt du <strong>die</strong> ganzen Meeresfrüchte<br />

beiseite? Magst du <strong>die</strong> nicht?<br />

Ich kann mir nun vorstellen, wie sich <strong>ein</strong><br />

Gefangener während <strong>ein</strong>er Befragung<br />

durchs FBI fühlt, und entscheide mich, nur<br />

stichwortartig zu antworten und mich stattdessen<br />

demonstrativ mit den Muscheln anzulegen.<br />

Hilflos drehe ich sie hin und her, doch <strong>die</strong><br />

Schalen sch<strong>ein</strong>en absolut dicht zu s<strong>ein</strong>.<br />

19<br />

Ich erkläre den Mistviehern den Krieg, zerre<br />

und schneide, doch <strong>die</strong> Schalen lassen sich<br />

<strong>ein</strong>fach nicht öffnen.<br />

Ich beginne mich zu fragen, wie <strong>die</strong> andern<br />

das Kunststück geschafft haben, denn es<br />

sch<strong>ein</strong>t mir <strong>ein</strong> Ding der Unmöglichkeit zu<br />

s<strong>ein</strong>, in das kostbare Innere <strong>die</strong>ser Schalentiere<br />

zu gelangen.<br />

Ich schaue p<strong>ein</strong>lich berührt in <strong>die</strong> Runde<br />

und hoffe, dass niemand etwas bemerkt.<br />

Doch nichts dergleichen. Die Augen alle<br />

auf mich gerichtet, beobachten sie m<strong>ein</strong>en<br />

Kampf, in dem <strong>die</strong> Schalengegner momentan<br />

ganz klar in Führung sind. M<strong>ein</strong> ganzes<br />

Blut schiesst in den Kopf und das Herz rast<br />

in m<strong>ein</strong>er Brust.<br />

Es hätte ja nicht anders kommen können.<br />

War ja klar, dass ich mich blamiere.<br />

Wütend über mich selbst, steche ich mit der<br />

Gabel auf m<strong>ein</strong>en Teller, doch anstatt <strong>die</strong><br />

gehofften Spaghetti zu treffen, treffe ich <strong>die</strong><br />

Muschel.<br />

Wie <strong>ein</strong> Gummiball spickt <strong>die</strong>ses verdammte<br />

Ding von m<strong>ein</strong>em Teller und findet s<strong>ein</strong><br />

Ziel direkt im Gesicht von Christoph.<br />

Oh Gott!<br />

Ich erstarre. Niemand bewegt sich, niemand<br />

sagt <strong>ein</strong> Wort. Man kann nur noch <strong>die</strong> Grillen<br />

draussen auf der Wiese zirpen hören.<br />

Sekunden vergehen, <strong>die</strong> sich wie Stunden<br />

anfühlen.<br />

Ich merke, wie mir der Schweiss langsam <strong>die</strong><br />

Stirn runterrollt. Ich würde am liebsten heulen.<br />

Das ist also ihr erster Eindruck von mir -<br />

<strong>ein</strong> muschelwerfendes, ungeschicktes Kind!<br />

Ich sollte mich schon mal auf <strong>ein</strong>en Rauswurf<br />

gefasst machen.<br />

Und plötzlich prustet er los. Und mit ihm<br />

<strong>die</strong> ganze Familie.<br />

Christoph mit <strong>ein</strong>em kl<strong>ein</strong>en roten Fleck im<br />

Gesicht kann sich vor Lachen nicht mehr<br />

halten. «Da hast du aber gut gezielt!», grölt er.<br />

Mit grossen Augen schaue ich ihn an.<br />

«Gut gemacht! Der hat es ver<strong>die</strong>nt!», höre<br />

ich den Vater sagen, der zum ersten Mal das<br />

Wort ergreift.<br />

Ich versuche zu lächeln, doch ich spüre immer<br />

noch <strong>die</strong> Anspannung.<br />

Tief durchatmen.<br />

«Er wollte doch s<strong>ein</strong>e Spaghetti al irgendwas.<br />

Da hat er sie!», gebe ich zurück.<br />

Alle lachen und erstmals fühle ich mich<br />

wohl.<br />

Christoph zwinkert mir zu und ich merke,<br />

wie <strong>die</strong> Hand m<strong>ein</strong>es Freundes nach der<br />

m<strong>ein</strong>en tastet.<br />

Vanessa Da Cruz (W4d)


20 kenzeichen 3/11<br />

tErMInE<br />

Oktober 2011 bis Januar 2012<br />

oKtober<br />

Mo. 10. <strong>–</strong> Fr. 2<strong>1.</strong>10. Herbstferien<br />

november<br />

Mi. 23.1<strong>1.</strong> 13.30 Uhr Gesamtkonvent<br />

Unterricht ab 13.10 Uhr <strong>ein</strong>gestellt<br />

Do. 24.1<strong>1.</strong> 18.30 Uhr Gründung YeS mini Unternehmen<br />

(Aula)<br />

Mo. 28.1<strong>1.</strong> 19.00 Uhr Kammermusik-Konzert<br />

(Saal Liceo artistico)<br />

Dezember<br />

Mi. 2<strong>1.</strong>12. 19.00 Uhr weihnachtskonzert blasorchester<br />

Öffentliches Konzert (Aula)<br />

Fr. 23.12. 1<strong>1.</strong>30 Uhr Weihnachtskonzert Blasorchester (Aula)<br />

Mo. 26.12.2011 <strong>–</strong> Fr. 6.<strong>1.</strong>2012 weihnachtsferien<br />

JanUar 2012<br />

Achtung: Termine können im Laufe des Semesters ändern.<br />

Massgebend ist der Terminkalender auf der KEN-Homepage: www.ken.ch.<br />

Schulschluss vor den Weihnachtsferien nach Stundenplan<br />

Mo. 9.<strong>1.</strong>2012 Schulbeginn nach den Weihnachtsferien

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