immobilia 2025/02 - SVIT
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
BAU & HAUS
FASSADEN
NACH DER SONNE
GEBAUT
Thermische Speicherfassaden
nehmen tagsüber solare Energie auf,
die in der Nacht wieder nach aussen
ab gegeben wird. Dadurch lässt
sich der Wärmeverlust im Gebäude
deutlich verringern.
TEXT— THOMAS WÜEST*
Das Musterhaus mit der 3D-Solar-Fassade von Energy Independence AG.
BILD: HSLU T&A
TROMBE-WAND
Gebäudehüllen spielen eine Schlüsselrolle
bei der Erreichung von Klimaschutzund
Energiezielen und beeinflussen
gleichzeitig das Wohlbefinden der Gebäudenutzer.
Dies erkannten bereits die frühen
Baumeister und passten die Bauformen der
Klimaregion entsprechend den lokalen Gegebenheiten
an. Dabei wurde auch bewusst
«nach der Sonne gebaut», um eine sommerliche
Überhitzung zu vermeiden und die
winterliche Sonnenenergienutzung zu ermöglichen.
Die gezielte saisonabhängige
Verschattung und die solare Wärmespeicherung
in den Baumaterialien wird heute
mit den Begriffen passive Solarnutzung
und Solararchitektur beschrieben.
Typische Beispiele moderner, passiver
Solarnutzung sind Wintergärten und Gewächshäuser,
wobei letztere auch namensgebend
für den Treibhauseffekt sind. Dabei
wird ein verglaster Raum erwärmt, indem
die kurzwellige Solarstrahlung nahezu ungehindert
durch die Verglasung eintritt und
durch die Oberflächen in langwellige Wärmestrahlung
umgewandelt wird, die nicht
mehr nach aussen dringen kann. Dieser
passive Energiegewinn beheizt die verglasten
Räume im Winter, kann aber im Sommer
zu einer Überhitzung führen.
In den 1950er-Jahren machte sich der
Franzose Félix Trombe den Treibhauseffekt
zu Nutze und erfand die sogenannte
Trombe-Wand als erste solarthermische
Speicherwand in Europa (auch Kollektorfassade
genannt). Dabei wird eine möglichst
dunkle und stark absorbierende
massive Wand hinter einer Verglasung angeordnet,
sodass die Wand sich nach dem
Treibhauseffekt aufheizt und die Sonnenwärme
speichert. Mit einer zeitlichen Verzögerung
gelangt die Wärme durch die
Wand nach innen und erwärmt den Raum,
bzw. verliert auch bei sehr tiefen Aussentemperaturen
kaum Wärme nach aussen.
Basierend auf denselben Prinzipien gibt
es verschiedenste Ausführungen, auch mit
Luftlenkung, Belüftung oder technischen
Ergänzungen. Die transparente Wärmedämmung
(TWD) stellt ebenfalls eine
Weiterentwicklung für besonnte opake
Aussenwände dar. Anstelle einer Verglasung
mit Luftzwischenraum wird die Wand
mit einer lichtdurchlässigen und isolierenden
Waben-, Kapillar- bzw. Granulatstruktur
verkleidet. Auch diese hat das Ziel, die
Sonnenenergie zwecks Wärmespeicherung
auf die massive Wand zu leiten und die
Wärmeabgabe nach aussen zu reduzieren.
FORSCHUNGSPROJEKT I: SOLAR
ENERGY BALANCED FAÇADE
Parallel zur Entwicklung der TWD wurden
in den 1980er-Jahren doppelschalige
Glasfassaden (DSF) in hohen Büro- und
Verwaltungsgebäuden eingesetzt. Diese
boten ebenfalls eine gute thermische sowie
akustische Leistung und konnten die Beschattungsvorrichtungen
vor Schmutz und
Windböen schützen, ohne die Sicht nach
aussen zu beinträchtigen. Hierbei fand
aber nicht die gewünschte Sonnenenergienutzung
statt. Die DHF waren hingegen oft
für die sommerliche Überhitzung der Räume
verantwortlich.
An diesem Punkt setzt die «Solar Energy
Balanced Façade» (SEBF) an, welche an
der Hochschule Luzern im Bereich Technik
& Architektur (HSLU T & A) entwickelt
FASSADEN
Fassaden haben sich technologisch
stark weiterentwickelt und spielen
eine zentrale Rolle für die Energieeffizienz
von Gebäuden. Moderne
Fassadensysteme nutzen innovative
Materialien wie Hochleistungsdämmstoffe,
Photovoltaikmodule
oder adaptive Elemente, die sich an
Wetterbedingungen anpassen. Diese
Entwicklungen tragen dazu bei, den
Energieverbrauch zu senken und
den CO2-Ausstoss zu minimieren.
Gerade in der Schweiz, wo strenge
energetische Vorgaben gelten, ist
die Sanierung der Gebäudehülle ein
wichtiger Hebel für mehr Nachhaltigkeit.
Viele Bestandsbauten sind energetisch
unzureichend, sodass eine
nachträgliche Dämmung oder der Einsatz
intelligenter Fassadentechnologien
grosse Einsparpotenziale bietet.
Förderprogramme wie das Gebäudeprogramm
des Bundes unterstützen
diese Massnahmen finanziell.
Neben der Energieeffizienz spielen
auch ästhetische und denkmalpflegerische
Aspekte eine Rolle. Besonders
in historischen Stadtbildern müssen
Lösungen gefunden werden, die
Modernisierung und den Bestandsschutz
in Einklang bringen.
Die Kombination aus innovativer
Technik und architektonischer Qualität
macht Fassaden zu einem
Schlüsselelement des nachhaltigen
Bauens in der Schweiz.
34
IMMOBILIA / Februar 2025