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Schrift und Schreiben über die Fächer hinaus

GSa169_Feb_25_ES

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www.grundschulverband.de · Februar 2025 · D9607F

Grundschule aktuell

Zeitschrift des Grundschulverbandes · Heft 169

Schrift und Schreiben

über die Fächer hinaus

Zum Thema

• Die Rolle der Schriften

• Schreiben erleben: vom ersten

Wort zum Schreibzeit-Tag

Forschung

Wie sich Kinder die Rechtschreibung

mit einer

Rechtschreib-App erschließen

Rundschau

• Jahrestagung in Halle

• Eckpunkte des GSV zur

Ganztagsschule


Inhalt

Tagebuch

S. 2 Ich bin im GSV, weil … (K. Weichold)

Thema: Schrift und Schreiben

S. 3 100 Jahre Schriftenwechsel (H. Bartnitzky)

S. 5 Immer noch umstritten: die Rolle der Schriften im

Deutschunterricht der Grundschule (K. Kumschlies)

S. 6 „Einfach um irgendwas zu tun für meine

Handschrift“ (M. Teuscher)

S. 9 Grundschrift als Konzept (A. Fruhen-Witzke)

Praxis: Schrift und Schreiben

über die Fächer hinaus

S. 13 Was hat die Bewegung mit dem Schreibenlernen

zu tun? (J. Endisch, B. Habermann)

S. 16 Wie verbindest du? Wo hast du mit Schwung

geschrieben? (P. Ruf, K. Kumschlies)

S. 18 Geläufig, flüssig und leserlich schreiben üben

(A. Fruhen-Witzke)

S. 21 Schreiben lernen mit der Grundschrift (L. Kindler)

S. 24 Schreiben erleben: vom ersten Wort zum

Schreibzeit-Tag (J. Wolz)

S. 26 Ressource Schriftvielfalt für die Entwicklung der

(persönlichen) Handschrift (M. Gutzmann)

S. 28 Kinderbücher zum Thema Schrift und Schreiben

(K. Kumschlies, M. Gutzmann)

Aus der Forschung

S. 30 Wie sich Kinder die Rechtschreibung mit einer

Rechtschreib-App erschließen (R. Böhme,

M. Munser-Kiefer, B. Exley, S. Prestridge)

Rundschau

S. 34 Aus dem Vorstand: Optimiert für Mitglieder und

Gäste: die neue Website des GSV (Th. Irion)

S. 35 Jahrestagung des GSV: Literatur auf der Spur.

Literarische Bildung für die Grundschule

(M. Gutzmann)

S. 36 Projekt Eine Welt: Karten, Kontinente,

Kontroversen (R. Rentz)

S. 37 Meine Reise als Quereinsteigerin (K. van der Meer)

S. 39 Ein Erfahrungsbericht über das Grundschullehramtsstudium

in Berlin und Wien (S. Wendt)

S. 40 Der Rechtsanspruch auf ganztägige Bildung – Eckpunkte

des GSV zur Ganztagsschule (M. Lassek)

Landesgruppen aktuell – unter anderem:

S. 44 Hessen: Voller Erfolg! – Das Onlineformat Talk im

Südwesten

S. 47 Thüringen: Ein herzliches Dankeschön an

Steffi Jünemann. Mitgliederversammlung – neuer

Vorstand

UIII

Erinnerungen von und an Otto Herz

(H. Brügelmann)

Was hat die Bewegung mit dem Schreibenlernen zu tun?

In diesem Beitrag beschreiben Judith Endisch und Britta Habermann

die Bedeutung des Bewegungslernens für das

Schreibenlernen. Wichtige Schreibvoraussetzungen hierzu

werden bereits vor dem Schuleintritt entwickelt, wie z. B. die

Stifthaltung. Geschicklichkeit und Feinmotorik der Hände werden

sowohl bei Alltagstätigkeiten als auch beim Malen und

beim Schreiben gefördert. Die Integration der Förderung der

Feinmotorik in den Unterricht ist von großer Bedeutung. An

einem konkreten Beispiel wird neben der Durchführung auch

die Reflexion der Übung mit den Kindern aufgezeigt. Weitere

Praxisbeispiele für das Trainieren der Handgeschicklichkeit sowie

Anleitungen für die Übungen sind über Youtube zu finden.

Seiten 13–15

Der Blaue Engel – das Umweltzeichen

Durch die Verwendung eines mit dem „Blauen Engel“

umweltzertifizierten Papiers für unsere Fachzeitschrift

„Grundschule aktuell“ ist der Grundschulverband

hier von nun an berechtigt, das Umweltzeichen

„Blauer Engel“ zu führen. Da uns Umwelt- und Gesundheitsschutz

am Herzen liegen, wir verantwortungsvoll mit Ressourcen umgehen

möchten, freuen wir uns, auf diesem Weg einen Beitrag leisten zu

können.

Mit besten Grüßen, Ihr Grundschulverband e. V.

Impressum

Ein kleines Rätsel zum Titel:

Erkennen Sie die unterschiedlichen Handschriften?

Welche Zeilen wurden von einem

Kind und welche von einem Erwachsenen

geschrieben? Die Lösung finden Sie auf

Seite 46 in diesem Heft

GRUNDSCHULE AKTUELL, die Zeitschrift des Grundschulverbandes,

erscheint vierteljährlich und wird allen Mitgliedern zugestellt

(ausgenommen Unterstützer:innen).

Das einzelne Heft kostet 12,00 € (zzgl. Versand);

ab zehn Exemplaren 9,50 € (zzgl. Versand).

Verlag: Grundschulverband e. V., Frankfurt am Main

Frankfurter Straße 74–76, 63263 Neu-Isenburg

Tel. 06102 8821660, Fax: 06102 8821664

www.grundschulverband.de, info@grundschulverband.de

Herausgeber: der Vorstand des Grundschulverbandes

Redaktion: marion.gutzmann@vs-grundschulverband.de,

gabriele.klenk@grundschuleaktuell.de

Fotos und Grafiken: Titelbild/novuprint unter Verwendung der Fotos von

A. Fruhen-Witzke, Autorinnen und Autoren (soweit nicht anders vermerkt)

Herstellung: novuprint Agentur GmbH, 30175 Hannover

Anzeigen: Grundschulverband e. V., Tel. 06102 8821660,

info@grundschulverband.de

Druck: Strube Druck & Medien GmbH, 34587 Felsberg

ISSN 1860-8604 / Bestellnummer: 6113

Beilage: Friedrich-Verlag GmbH,

TOUSSINI-circus mobile (Teilbeilage)

In manchen Beiträgen dieser Zeitschrift bringen Autorinnen und Autoren

ihr Bemühen um eine gendersensible Sprache durch be son dere schriftsprachliche

Zeichen zum Ausdruck. Da es zurzeit keine allgemein anerkannte

Lösung für das Problem „gendersen sibler“ (Schrift-)Sprache gibt, verwendet

jede Autorin und jeder Autor ihre oder seine bevorzugte Form.

UII

GS aktuell 169 • Februar 2025


Diesmal

Schreiben erleben: vom ersten Wort

zum Schreibzeit-Tag

Johannes Wolz macht deutlich, dass Schreiben zu den

Schlüsselkompetenzen von Kindern gehört und im eigenen

„Milobuch“ für alle Kinder seiner Klasse von Anfang an

stattfindet. Schreiben ist weit mehr als das Beherrschen von

Buchstaben und Rechtschreibung. Schreiben ist persönlich

und wertvoll und eröffnet einen kreativen Raum, um Gedanken,

Ideen und Erlebnisse festzuhalten. Anhand der fest im

Stundenplan verankerten Schreibzeit nach Beate Leßmann

zeigt er in konkreten Beispielen auf, dass die Kinder auf der

Basis klarer Strukturen, kreativer Impulse und eines gezielten

Einsatzes der Konzeption Grundschrift Kompetenzen entwickeln

können, die weit über die Grundschulzeit hinauswirken.

Noch mehr Grundschulverband?

Sie finden uns auf Social Media,

Stichwort „Grundschulverband“

und unseren Podcast direkt

auf unserer Homepage:

https://grundschulverband.de

Newsletter noch nicht abonniert?

Mit diesem QR-Code gelangen Sie

direkt zur Anmeldung:

www.

grundschule-aktuell.info

Hier finden Sie Informationen zu „Grundschule aktuell“

und hier das Archiv der Zeitschrift:

www.

grundschulverband.de/archiv/

Seiten 24–25

Meine Reise als Quereinsteigerin

Kristin van der Meer beschreibt ihre Reise als Quereinsteigerin

in eine Brandenburger Grundschule, die sie als

Mutter von vier Kindern kennengelernt und die sie zu diesem

Weg inspiriert hatte. Sie durfte eine erste Klasse übernehmen,

was für sie eine wundervolle Aufgabe darstellte.

Ab Tag eins in der Schule wollte sie den Kindern einen Start ins

selbstregulierte Lernen ermöglichen. Ihre „Reisestationen“ zeigen

auf, wie sie mit zunehmend gestärktem Selbstvertrauen zu

einer Öffnung der Klassenzimmertür und letztendlich zur Offenheit

in sozialen Netzwerken fand. Dabei erlebte sie Selbstzweifel,

Herausforderungen und Widerstände ebenso wie

Unterstützung, Mut und die Zuversicht, Kinder auf dem Weg

zu selbstbewussten, mündigen Bürger:innen zu begleiten.

Seiten 37–39

Liebe Leser:innen,

nur wenige Wochen vor dem Erscheinen der Februarausgabe

von Grundschule aktuell wurde am 23. Januar der Welttag der

Handschrift begangen, der alljährlich Öffentlichkeit und Schulpraxis

für das Schreiben mit der Hand sensibilisiert und anregt.

Wenn mit diesem Tag an John Hancock erinnert wird, der

vor über 200 Jahren als einer der Ersten die amerikanische Unabhängigkeitserklärung

unterzeichnet hat – natürlich mit der

Hand, kunstvoll und markant, am größten und am besten lesbar

–, lohnt sich sicherlich ein erster Blick in den Beitrag „100

Jahre Schriftenwechsel“ von Horst Bartnitzky. Anhand der berühmten

Hansa-Fibel zeigt er in seinem Beitrag an Beispielen

auf, wie die Schriften je nach politischer Situation wechselten.

Für den Autor ein Anlass für den abschließenden Impuls: „… an

das Reformkonzept zur Ausgangsschrift von vor hundert Jahren

anzuknüpfen und es zeitgemäß weiterzuentwickeln. Der Grundschulverband

hat dazu eine praxiserprobte Konzeption vorgelegt:

die Grundschrift als Ausgangs- und Entwicklungsschrift“.

Vor allem das Konzept, die persönliche Handschrift direkt aus

der Druckschrift zu entwickeln, verdient eine breite Aufmerksamkeit.

Auch die vielen Impulse für einen guten Handschreibunterricht

und die Entwicklung einer persönlichen, flüssigen

und gut leserlichen Handschrift lassen sich auf andere (länderseitig

vorgegebene) Schriften übertragen. Ein großer Dank gilt

Anna Fruhen-Witzke, die den thematischen Teil der Zeitschrift

gemeinsam mit weiteren Mitgliedern der Projektgruppe Grundschrift,

Mareike Teuscher, Kirsten Kumschlies, Priska Ruf sowie

Lisa Kindler, zusammengestellt und moderiert hat. 2005

von Horst Bartnitzky und Ulrich Hecker initiiert und von Erika

Brinkmann wissenschaftlich begleitet, ist seitdem die Projektgruppe

nicht nur in den Veröffentlichungen des Grundschulverbandes

präsent. Ihrem Engagement ist es zu verdanken, dass die

Grundschrift in die KMK-Empfehlungen von 2023 zur Arbeit

in der Grundschule auch mit Verweisen auf das Konzept aufgenommen

worden ist, bundesweit zahlreiche Fortbildungsveranstaltungen

angeboten werden und ihre vielfältigen Aktivitäten

im Newsletter und im Veranstaltungskalender auf der Website

als länderübergreifende Einladung ausgesprochen werden.

Im Februar findet die diesjährige Jahrestagung des Grundschulverbandes

in Halle statt, zu der wir Sie herzlich einladen.

Vielleicht haben Sie Zeit und Interesse, sich am Vorabend der

Tagung an einer Lesung mit einer Kinderbuchautorin zu beteiligen

und am 22.02.2025 mit anderen über die Thematik „Literatur

auf der Spur. Literarische Bildung für Grundschulkinder“

in den Austausch zu gehen.

Auch wenn das Jahr erst begonnen hat, scheint die Umsetzung

des Rechtsanspruchs auf eine ganztägige Förderung an

Fahrt aufzunehmen. Lesen Sie dazu die Position des Grundschulverbandes

im Beitrag von Maresi Lassek nach. Zudem

ist der aktualisierte Standpunkt für BNE seit November auf

unserer neuen Website zugänglich. Er bietet Ihnen gute Argumente

und konkrete Anstöße für die zukünftige Arbeit an

Ihren Schulen.Wir wünschen Ihnen, liebe Leserinnen und Leser,

einen guten Jahresstart und bleiben Sie auch weiterhin mit

uns im Gespräch.

Herzlichst

Marion Gutzmann, Gabriele Klenk

sowie Maresi Lassek, Hans Brügelmann und Michael Töpler

GS aktuell 169 • Februar 2025

1


Tagebuch

Ich bin im GSV, weil …

Kevin Weichold

Vorsitzender und Schatzmeister

der Landesgruppe Thüringen,

stellvertretender Schulleiter an der

Jakob-Schule Eisenach

Die erste Begegnung mit dem Grundschulverband ist mir

bis heute lebhaft in Erinnerung, weil sie für meine Entwicklung

als Lehrkraft richtungsweisend war. Damals

befand ich mich mitten in den Vorbereitungen für meine

benotete Lehrprobe. Das Thema „Erzählen im Deutschunterricht“

hatte ich bewusst gewählt, weil ich es für zentral

in der Sprachförderung und der Persönlichkeitsentwicklung

von Grundschulkindern halte. Doch trotz intensiver

Recherchen in der universitären Fachliteratur fiel es

mir schwer, wirklich praxisnahe und gleichzeitig theoretisch

fundierte Unterstützung zu finden.

In diesem Moment entdeckte ich in der Universitätsbibliothek

den Band 139 des Grundschulverbands mit dem

Titel „Erzählen – zum Schmökern anregen“. Schon beim

ersten Durchblättern war ich begeistert: Der Band bot

nicht nur wissenschaftlich fundierte Hintergrundinformationen,

sondern auch konkrete Anregungen und Beispiele

für die Unterrichtsgestaltung. Diese Kombination

war genau das, was ich suchte.

Doch es blieb nicht bei dieser ersten Begegnung. Der

Band hatte meine Neugier geweckt, und ich begann, mich

intensiver mit den Publikationen und den Zielen des

Grundschulverbands zu beschäftigen. Dabei wurde mir

klar, dass der Verband weit mehr als nur eine Sammlung

hilfreicher Fachliteratur bietet. Vielmehr vertritt er eine

klare Vision für die Grundschule als eigenständige Schulform,

die Kinder nicht nur fachlich, sondern auch sozial

und emotional stärkt.

Mein Engagement im Vorstand der Landesgruppe Thüringen

des Grundschulverbands ist eine bewusste Entscheidung,

die aus meiner tiefen Überzeugung für die

Bedeutung der Grundschule als Fundament unserer Bildung

resultiert. Die Grundschule ist der Ort, an dem die

Weichen für die Bildungsbiografie eines Kindes gestellt

werden. Hier wird nicht nur das Grundwissen in Lesen,

Schreiben und Rechnen vermittelt, sondern auch die Freude

am Lernen geweckt und die Basis für das soziale Miteinander

gelegt.

Nachdem ich Mitglied des Grundschulverbands geworden

war und an mehreren Mitgliederversammlungen

teilgenommen hatte, spürte ich schnell, wie wertvoll

der Austausch mit Gleichgesinnten ist. Die Diskussionen

über pädagogische Konzepte, die Interpretation aktueller

Forschungsergebnisse und der gemeinsame Blick auf bildungspolitische

Herausforderungen machten mir deutlich,

dass wir als Pädagog:innen eine starke Gemeinschaft

brauchen, um unsere Stimme wirkungsvoll in die Gesellschaft

und die Politik zu tragen.

Mir war bald klar, dass ich nicht nur ein passiver Teilnehmer

sein wollte, sondern aktiv etwas bewegen möchte.

Der Vorstand der Landesgruppe bietet eine hervorragende

Möglichkeit, Einfluss zu nehmen und sich für die Belange

der Grundschule starkzumachen. Besonders die bildungspolitischen

Forderungen und Stellungnahmen des

Verbands, die auf fundierter Expertise basieren, schienen

mir ein idealer Ausgangspunkt, um das Bewusstsein für

die Bedeutung der Grundschule zu schärfen und Veränderungen

anzustoßen.

Ich möchte dazu beitragen, dass wir nicht nur Missstände

benennen, sondern auch konkrete Lösungen entwickeln

und vorantreiben können. Dabei ist es mir ein

besonderes Anliegen, die Perspektive der Praktiker:innen

einzubringen – derjenigen, die tagtäglich in den Klassenzimmern

stehen und die Auswirkungen bildungspolitischer

Entscheidungen unmittelbar erleben.

Eine der größten Stärken des Grundschulverbands ist

die Vernetzung seiner Mitglieder. Im Vorstand der Landesgruppe

habe ich die Möglichkeit, nicht nur mit Kolleg:innen

aus Thüringen, sondern auch aus anderen Bundesländern

zusammenzuarbeiten.

Ein weiteres wichtiges Ziel meines Engagements ist es,

die Mitglieder des Grundschulverbands in Thüringen stärker

zu vernetzen. Durch Workshops, Tagungen und regelmäßige

Treffen möchten wir den Austausch zwischen den

Schulen fördern und den Lehrkräften eine Plattform bieten,

um ihre Erfahrungen und Ideen zu teilen. Denn ich

bin überzeugt, dass wir gemeinsam mehr erreichen können

als allein.

Abschließend möchte ich sagen, dass mein Engagement

im Vorstand der Landesgruppe Thüringen im GSV

für mich eine Möglichkeit ist, meine Leidenschaft für die

Bildung und meinen Wunsch nach Veränderung in die Tat

umzusetzen. Es ist eine Aufgabe, die herausfordernd, aber

auch unglaublich erfüllend ist, und ich bin dankbar, Teil

dieser starken Gemeinschaft zu sein.

2

GS aktuell 169 • Februar 2025


Thema: Schrift und Schreiben

Horst Bartnitzky

100 Jahre Schriftenwechsel

1914 kam die Reformfibel von Otto Zimmermann heraus. Reformfibel, weil

sie „Licht und Leben“ in Fibel und Anfangsunterricht bringen sollte – anders

als die üblichen Fibeln mit kindfernen Wörterpäckchen und stupiden Sätzen.

Hansa-Fibel hieß die Hamburger Ur-Ausgabe. In der Folge wurde sie dank

zahlreicher Regionalausgaben mit unterschiedlichen Titeln die am meisten

verbreitete Fibel in Deutschland. Sie überlebte gut vier Jahrzehnte bis in die

Nachkriegszeit des 2. Weltkriegs. Möglich war das durch Anpassungen, durch

die Verlag und Autor die Erfolgsfibel auf dem Schulbuchmarkt halten wollten.

Ein Aspekt der Anpassungen war die Fibelschrift, die durchgehend auch die

Schreibausgangsschrift war.

Abb. 2

Horst Bartnitzky

geb. 1940, Dr. h. c., Dipl.-Päd., war

Lehrer, Schulleiter, in der Lehrerbildung

und der Schulaufsicht tätig. 2000

bis 2010 Vorsitzender des Grundschulverbands.

Er war viele Jahre

Herausgeber und Autor der Zeitschrift

Grundschule aktuell, der Fachbuchreihe

Lehrerbücherei Grundschule sowie von

Schulbuchwerken, unter anderem zum

Anfangsunterricht.

Herausgeber von www.schulfibeln.de

Abb. 1

Am Anfang wählte Otto Zimmermann

entgegen der üblichen Praxis mit den

deutschen Druck- und Schreibschriften

(Fraktur und Kurrent) die lateinischen

Druckbuchstaben, zunächst die großen

(Antiqua), dann dazu die kleinen

(gemischte Antiqua). Apodiktisch

erklärte Zimmermann in der Begleitschrift:

„In dieser umstrittenen Frage

kann sich der gewissenhafte Fibelverfasser

nur durch Gründe

der Zweckmäßigkeit leiten

lassen. Darum ist meine

Anordnung nur pädagogisch,

nämlich an psychologischen,

lesetechnischen

und schreibtechnischen

Tatsachen orientiert.“

(Zimmermann 1927, 20;

Abb. 1)

Ein Grund war, dass die Kinder die

Buchstabenformen „nachmalen“, Wörter

und Sätze damit früh schreiben könnten.

Als weiteren Schritt empfahl Zimmermann,

den Vorschlägen Fritz Kuhlmanns

zu folgen. Der hatte die Kinder aus

der Druckschrift eine verbundene Schrift

entwickeln lassen und in seiner Schrift

„Schreiben in neuem Geiste“ Schreibentwicklungen

der Kinder dokumentiert

(Kuhlmann, zuerst 1916; Abb. 2).

Ein Beispiel: Es beginnt mit dem

Wort „Eis“. Kuhlmann zu den Kindern:

„Nun wollen wir versuchen, ob

uns wohl gelingt, ein ganzes Wort zu

‚schreiben‘, das heißt also, es schnell

in einem einzigen Zuge zu machen.

Die Kinder (…) sollen die Verbindung

der Buchstaben suchen. Entweder versucht

jedes für sich auf dem Versuchsblatt,

oder wir suchen gemeinsam an

der Wandtafel. – Wie gelangen wir vom

E zum i und von hier zu s, und zwar so,

dass wir nichts Ungeschicktes machen,

nicht Wege doppelt begehen? – Das

Suchen und Begutachten löst die rege

Teilnahme der Kleinen aus.“ (Kuhlmann

1923, 33 f.; Abb. 3)

Abb. 3

GS aktuell 169 • Februar 2025

3


Thema: Schrift und Schreiben

Abb. 4

Trotz der klaren Position in der

Schriftfrage ließen Autor und Verlag Varianten

zu. So erfüllten sie die Wünsche

nach einer Ausgabe mit der deutschen

Ausgangsschrift, die Ludwig Sütterlin

1911 für das preußische Ministerium

gestaltet hatte:

„Da sich Sütterlins Werk der Förderung

des preußischen Ministeriums (…)

erfreut, beginnt ein Teil meiner Heimatfibeln

auf Wunsch der Herausgeber mit

seiner Ausgangsschrift (S-Ausgaben)“

(Zimmermann 1927, 28). So die Ausgabe

für Südniedersachsen mit dem Regionaltitel

Ringel-Rangel-Rosen. Anstelle der

Stadtversion mit der Hutszene trat eine

Spielsituation im Ländlichen (Abb. 4).

Abb. 5

Mit den Nationalsozialisten und dem

Lehrplan von 1935 wurde die deutsche

Schrift als Deutsche Volksschrift verbindlich:

die Fraktur und die Kurrent nach Sütterlin.

Die Zimmermann-Fibel mit dem

neuen Titel Hand in Hand fürs Vaterland

galt nun als Referenzfibel für alle

Regionalausgaben. Aus der Hutszene zum

Buchstaben H wurde der Vorbeimarsch

der SA, dazu das Leitwort „heil“ (Abb. 5).

Abb. 6

1941 stellte die politische Führung

fest, dass die deutschen Schriften Fraktur

und Sütterlin-Kurrent in den besetzten

Gebieten nicht bekannt waren. Sie

wurden nun absurderweise als „Juden-

Lettern“ diffamiert und ersetzt durch die

international lesbare Lateinschrift, die

Deutsche Normalschrift genannt wurde.

Sie sollte auch die erste Fibelschrift

sein. Damit erschien z. B. für den Gau

Magdeburg-Anhalt 1942 die Fibel mit

dem Titel Jung-Deutschland.

Otto Zimmermann hatte seine anfangs

so entschieden formulierte pädagogische

Entscheidung für die lateinische

Druckschrift als Lese- und erste

Schreibschrift längst beiseitegelegt.

Autor und Verlag vollzogen stattdessen

alle Wendungen des Schriftenwechsels

mit – je nach Zeitläuften, Nachfragen

und politischen Vorgaben. (Abb. 6)

Abb. 7

Nach dem Zweiten Weltkrieg war

Deutschland von den Siegermächten

besetzt. Fibeln aus der NS-Zeit wurden

verboten. Zunächst wurden Notfibeln

von den Militärregierungen genehmigt,

bis neue Fibeln erarbeitet waren. In der

britischen Besatzungszone wurde u. a.

eine Regionalausgabe der Hansa-Fibel

von 1930 bestimmt: Kinderwelt. Wieder

aufgenommen wurde der Beginn mit der

lateinischen Druckschrift (Abb. 7)

Das Schreiben der Druckschrift, erst

recht ihre Weiterführung zur eigenen

Handschrift war allerdings jahrzehntelang

kein Thema mehr. Stattdessen

wurden neue Schreibausgangsschriften

eingeführt: 1953 in der BRD die Lateinische

Ausgangsschrift, 1968 in der

DDR die Schulausgangsschrift, in den

1970er-Jahren die Vereinfachte Ausgangsschrift,

um die schreibtechnisch

besonders schwierige Lateinische Ausgangsschrift

abzulösen, was aber schulpolitisch

nicht realisiert wurde. Am

Ende waren es drei Schreibschriften: die

Lateinische, die Vereinfachte und die

Schulausgangsschrift. Sie konkurrieren

bis heute miteinander, wobei einzelne

Bundesländer wiederum eine unterschiedliche

Auswahl treffen.

In der außerschulischen Realität ist

dagegen die Druckschrift die Schrift der

Wahl: Vorschulisch beginnen Kinder

mit Druckbuchstaben zu schreiben, die

Kommunikation in den digitalen Medien

kennt nur die Druckschrift, in Schreibtexten

Jugendlicher und Erwachsener finden

sich entsprechend vor allem Handschriften,

die an der Druckschrift orientiert

sind. Da wirken die drei Schulausgangschriften

wie aus der Zeit gefallen.

Zwingender denn je ist dagegen die

Reformidee, die lateinische Druckschrift

als Leseschrift und als Vorlage für die

Entwicklung einer persönlichen Handschrift

zu nutzen. Otto Zimmermann

hatte dies seiner Hansa-Fibel zunächst

mit auf den Weg gegeben. Seine Gründe

seien „pädagogisch, nämlich an psychologischen,

lesetechnischen und schreibtechnischen

Tatsachen orientiert“ (s. o.).

Dies gilt auch heute noch, hinzu kommt

die Ergänzung: und an der Lebenswirklichkeit.

Zeit also, an das Reformkonzept zur

Ausgangsschrift von vor hundert Jahren

anzuknüpfen und es zeitgemäß weiterzuentwickeln.

Der Grundschulverband

hat dazu eine praxiserprobte Konzeption

vorgelegt: die Grundschrift als Ausgangsund

Entwicklungsschrift.

Literaturangaben zum Artikel

können Sie von unserer Website herunterladen:

https://t1p.de/GSa169Lit

4 GS aktuell 169 • Februar 2025


Thema: Schrift und Schreiben

Kirsten Kumschlies

Immer noch umstritten

Die Rolle der Schriften im Deutschunterricht der Grundschule

Für manche mag es ein alter Hut sein, für andere ein Nischenthema der

Deutschdidaktik und für wieder andere ein politischer Zankapfel: Lateinische

Ausgangsschrift, Vereinfachte Ausgangsschrift, Schulausgangsschrift oder die

Grundschrift? Was führt Grundschulkinder zu einer formklaren, lesbaren und

flüssigen Handschrift? Der Artikel fasst den aktuellen Stand der Diskussion zusammen.

nische Ausgangsschrift (LA), Vereinfachte

Ausgangsschrift (VA), Schulausgangsschrift

(SAS) und die Grundschrift

(vgl. dazu Bartnitzky 2016). Die Lateinische

Ausgangsschrift löste 1953 die

deutsche Normalschrift ab und wurde

verbindlich in den westdeutschen Bundesländern,

während in der damaligen

DDR die Schulausgangsschrift konzipiert

und vermittelt wurde. Die LA geriet

wegen der vielen Drehrichtungswechsel

und des Zwangs zum durchgehenden

Verbinden ab den 1970ern in die

Kritik und wurde in vielen alten Bundesländern

durch die von Heinrich Grünewald

konzipierte VA abgelöst (in Rheinland-Pfalz

wird bis heute in den meisten

Grundschulen die LA gelehrt, vgl. Bundesländervergleich).

Grünewald vereinfachte

die Großbuchstaben und rückte

diese im Schriftbild näher an die Druckschrift

heran (zur Kritik Topsch 1996).

Zudem sind alle Kleinbuchstaben der

VA so aufgebaut, dass sie ihren Beginn

und ihr Ende an der Oberkante des Mittelbands

haben.

Die SAS wurde 1968 verbindlich in

der DDR eingeführt. Während die Großbuchstaben

in ihrer Form den Druckbuchstaben

ähneln, sind die Kleinbuchstaben

fast alle mit denen der LA identisch,

im Bewegungsablauf jedoch auch

vereinfacht. Eine wichtige Orientierungshilfe

bietet die Unterscheidung von

Grundstrich und Aufstrich, wodurch

Buchstaben und Verbindungen flüssiger

geschrieben werden können.

Vertreter:innen der Siegener Erklärung

veröffentlichten eine Petition

(Steinig et al. 2019) gegen Druck- und

Grundschrift. Im Anschluss daran sprechen

sich auch graphematisch argumentierende

Deutschdidaktiker:innen

Kirsten Kumschlies

Dr. Kirsten Kumschlies ist Akademische

Rätin für Grundschuldidaktik Deutsch

an der Universität Trier.

Dass die Frage nach der

geeigneten Schreibschrift die

Gemüter mancherorts erhitzt,

macht das Verbot der Grundschrift in

Hessen und in Baden-Württemberg

deutlich (dort wurde es zu Beginn des

Schuljahres 2024/2025 wieder aufgehoben).

Auf der einen Seite stehen

Vertreter:innen, die in der Vermittlung

einer der normierten Ausgangsschriften

sowohl Kulturgut als auch den einzig

gangbaren Weg sehen, um die Kinder

bis zum Ende der Grundschulzeit zu

einer lesbaren, flüssigen und formklaren

Handschrift zu führen. Auf der anderen

Seite wird für weniger normierte Konzepte

argumentiert, die Kindern den

Weg über eine genormte Schreibschrift

ersparen und sie in der Entwicklung

einer eigenen Handschrift unterstützen

(vgl. dazu Fruhen-Witzke in diesem

Heft). Die KMK-Bildungsstandards stellen

den Schulen die Wahl der Schrift

frei. Ziel für das Ende der Grundschulzeit

ist:

Die Schülerinnen und Schüler

● schreiben Buchstaben, Wörter,

Wortgruppen und kurze Sätze flüssig,

d. h. zügig, sicher und korrekt (automatisiert)

● schreiben Texte in leserlicher Handschrift

und mithilfe digitaler Schreibwerkzeuge

● gestalten Texten (handschriftlich

und mithilfe digitaler Schreibwerkzeuge)

zielorientiert und übersichtlich,

z. B. hinsichtlich Schriftgröße, Blattaufteilung,

Seitenränder, Absätze (KMK

2022, 24)

Mit dieser Vorgabe gehen die einzelnen

Bundesländer unterschiedlich um

(vgl. Artikel zu den Bundesländern in

diesem Heft). Zur Wahl stehen Lateiwie

Ursula Bredel für die Vermittlung

der SAS als Erstschrift aus, welche die

Druckschrift zu ersetzen habe:

„Unter bewegungsökonomischer Perspektive

sind die LA und die SAS, die

eine flüssige Buchstabenverbindung begünstigen,

als Grundlage für einen zielführenden

Unterricht am geeignetsten.

Noch bessere Erfolge könnten vermutlich

erzielt werden, wenn die Kinder

unter Verzicht auf die Druckschrift das

Handschreiben mit der LA oder der SAS

lernen würden.“ (Bredel 2024, 251)

Konträr dazu sehen Vertreter:innen

der Grundschrift, die in den 2000er-Jahren

vom Grundschulverband entwickelt

wurde, es als zentral an, die Kinder direkt

von der Druckschrift zu einer individuellen

Handschrift zu führen (vgl. in

diesem Heft).

Vor- oder Nachteile der jeweiligen

Schrift sind indes empirisch kaum belegt:

Die Diskussion in Deutschland fokussiert

überwiegend die Ausgangsschrift.

Es gibt aber bisher keine Längsschnittstudie,

die Unterschiede zwischen den

verwendeten Ausgangsschriften aufklärt

und dabei die Entwicklung der Handschriften

bis in die Sekundarstufe hinein

begleitet und evaluiert. Allerdings

zeigen die vorhandenen Studien, dass

nicht die Ausgangsschrift selbst, sondern

ihre Vermittlung und die Begleitung

der Schüler:innen bei der indivi-

GS aktuell 169 • Februar 2025

5


Thema: Schrift und Schreiben

duellen Weiterentwicklung der zunächst

erlernten Richtformen zu einer persönlichen

Handschrift ausschlaggebend sind

(Odersky et al. 2021, 87).

Sichtet man aktuelle Studien (Hurschler

Lichtsteiner et al. 2010, Mesch/

Barkow/Wild 2019, Werling 2024), so

kristallisiert sich eine leichte Überlegenheit

der Grundschrift gegenüber den anderen

Ausgangsschriften heraus: „Die

Grundschrift hat im empirischen Vergleich

gegenüber der LA und der VA in

der Leserlichkeit leichte Vorteile“ (Reinken

2023, 72).

Hillesheim/Menzel fassen zusammen:

„Aus Sicht der Schriftspracherwerbsdidaktik

spricht nach dieser Zusammenschau

vieles für die Verwendung der

Grundschrift, nicht zuletzt der Zeitgewinn

durch den Verzicht auf eine zweite

Schrift. Hinzu kommt, dass die Vorteile

einer teilweise verbundenen Schrift, wie

sie die meisten Erwachsenen nutzen,

aufgrund handphysiologischer Aspekte,

Momente der Entspannung deutlich

mehr genutzt werden können. Dieser Effekt

zeigt sich auch bei Grundschulkindern.“

(Hillesheim/Menzel 2023, 167)

Hinzuzufügen ist mit Brügelmann, dass

alle empirischen Studien mit Vorsicht zu

genießen sind und „Entscheidungsexperimente

zwischen alternativen Ansätzen“

(Brügelmann 2016, 55) oft kaum möglich

sind, weil zwangsläufig zu viele Einflussfaktoren

ausgeblendet werden.

Einigkeit besteht aber weitgehend darin,

dass es im Handschreibunterricht

darauf ankommt, den Kindern „klare

und eindeutige Bewegungsmuster“

(Bredel 2024, 151) anzubieten und ihnen

„Zeit zum Ausprobieren und zum Üben“

(ebd.) einzuräumen (vgl. dazu den Beitrag

von Teuscher in diesem Heft).

Literaturangaben zum Artikel

können Sie von unserer Website herunterladen:

https://t1p.de/GSa169Lit

Mareike Teuscher

„Einfach um irgendwas zu tun

für meine Handschrift“

Üben im Schreibunterricht

Trotz der zunehmenden Bedeutung digitaler Medien bleiben Handschreiben

und Handschrift wichtige Kommunikationsmittel und Lernmedien. Eine leserliche

und flüssige Handschrift ist daher für die Lernenden unerlässlich; Lehrpersonen

beklagen hier jedoch oft deutliche Schwierigkeiten. Durch gezieltes Üben

kann die Handschrift verbessert und weiterentwickelt werden. Dieser Beitrag

geht der Frage nach, wie das Üben im Schreibunterricht gestaltet werden kann.

Im Unterricht wird das geübt, was

zuvor erarbeitet oder gelernt wurde.

Geübt wird auch das, was noch nicht

vollständig beherrscht wird oder wo eine

Verbesserung der Fertigkeiten angestrebt

wird. Üben wird dabei häufig mit

Wiederholung und Automatisierung in

Verbindung gebracht (Heins et al. 2022).

Dieses Verständnis spiegelt sich ebenfalls

in den Perspektiven der Schüler Emil und

Karl wider, wenn sie über das Üben des

Handschreibens sprechen.

Perspektiven von Lernenden

Karl, ein Schüler der vierten Klasse,

beschreibt das Üben des Handschreibens

als ein reines Abschreiben:

„Ich hab auch ein Buch, wo ich selber

Rezepte abschreibe, einfach um irgendwas

((Schulterzucken)) zu tun für meine

Schrift, und es nützt ja auch was, weil

dann habe ich Rezepte.“ 1 Dabei besteht

das Ziel des Übens darin, die Handschrift

in irgendeiner Weise zu verbessern.

Der Übungseffekt ist, dass

Karl nun eine Sammlung von handgeschriebenen

Rezepten besitzt. Karl ist

sich bewusst, dass dieses außerschulische

Üben sein eigentliches Ziel, nämlich die

Verbesserung seiner Handschrift, nicht

erreicht. Indirekt stellt er seine Übungspraxis

sogar infrage, weil er nicht weiß,

wie das Üben gelingen kann: „Und wahrscheinlich

soll ich halt was machen, um

meine Schrift ein bisschen zu verbessern,

ich weiß jetzt aber auch nicht genau, wie

ich die verbessern kann.“

Emil: Meine Lehrerin sagt, dass ich

noch mehr üben soll, obwohl ich schon

die ganzen Ferien geschrieben habe.

Interviewerin: Sie möchte, dass du

noch mehr übst?

Emil: Nein, sie sagt, meine Handschrift

ist noch nicht okay. Aber ich

kann ganz schnell Schreibschrift schreiben

– in zehn Sekunden kann ich einen

Satz schreiben. Eigentlich MEHR GE-

SAGT einen halben Satz in zehn Sekunden.

Emil, 2. Klasse)

Auch Emil, ein Schüler der zweiten

Klasse, beschreibt das Üben des Handschreibens

als eine schreibmotorische

Tätigkeit, die er wiederholt ausführt. Ein

Effekt seines Übens ist, dass er nun sehr

schnell schreiben kann. Es wird deutlich,

dass Emil weiß, dass zunehmend

ein höheres Schreibtempo im Unterricht

1

Alle Aussagen der Schüler und Interviewpassagen

stammen aus dem Datenmaterial

der Dissertation der Autorin

(Teuscher i. V.).

6 GS aktuell 169 • Februar 2025


Thema: Schrift und Schreiben

erwartet und gefordert wird und dass

sein Üben insofern erfolgreich ist. Dies

zeigt sich insbesondere in seiner Selbsteinschätzung.

Dennoch bewertet seine

Lehrerin das Üben als nicht erfolgreich;

sie ist weiterhin unzufrieden mit seiner

Handschrift.

Beide Schüler haben Schwierigkeiten

mit dem Handschreiben und mit ihrer

Handschrift. Sie begegnen diesem Problem

durch ein unspezifisches außerschulisches

Üben, das vor allem darin

besteht, mehr zu schreiben – nach dem

Motto: Viel schreiben hilft auch viel. Der

Erfolg dieses Übens bleibt allerdings

fraglich. Beide Schüler scheinen nicht

genau zu wissen, worin ihr Problem besteht,

und können es daher nur vage benennen.

Ihnen fehlt der entsprechende

Fachwortschatz.

Üben

Was tun diese beiden Schüler, wenn

sie Handschreiben üben? Sie schreiben

wiederholt Wörter und Sätze ab, um

ihre Handschrift in Bezug auf Leserlichkeit

und Formklarheit zu verbessern.

Hierbei spielt die Schreibmotorik eine

zentrale Rolle – sowohl für die Automatisierung

als auch für die Formklarheit.

Erst automatisiertes und leserliches

Schreiben macht die Handschrift zu

einem funktionalen Medium (vgl. Börjesson

et al. 2021). Beim Üben geht es

darum, Bewegungsmuster auszubilden

und zu festigen, mit denen die jeweiligen

Buchstaben formklar und leserlich

abgebildet werden können (Bredel/Pieper

2022). Die Schreibmotorik

spielt dabei eine doppelte Rolle: „Eine

frühe Automatisierung erfordert

schwungvolle Bewegungsabläufe. Eine

zunehmend koordinierte Steuerung der

Schreibbewegung ermöglicht die klare

Formwiedergabe“ (Börjesson et al. 2021,

2). In beiden Aussagen der Schüler wird

jedoch deutlich, dass nichts Erkennbares

unternommen wird, um die (routinierten)

Schreibbewegungen zu verändern

oder gezielt an der Koordination

zu arbeiten, um die Form zu verbessern.

Vielmehr stellt sich das Üben des Handschreibens

hier als ein bloßes Wiederholen

dar, das letztlich kaum Wirkung

zeigt. Wie aber kann das Üben im

Handschreibunterricht gelingen?

Handschriften einschätzen

Bevor gezielt an der Handschrift

gearbeitet werden kann, ist eine

kriteriengestützte Einschätzung notwendig,

um mögliche Problemstellen

zu identifizieren. Gleichzeitig bieten die

Kriterien eine Fachsprache, die es den

Lernenden ermöglicht, sich angemessen

über ihre Handschrift auszutauschen.

Das sind beispielsweise die Leserlichkeit,

klare Buchstabenformen, glatte

Verbindungen, eine gleichmäßige Neigung

der Schrift und gleichmäßige Proportionen

der Buchstaben (Rüb 2018).

Die Analyse der Schriftprobe von

Theo (Abb. 2) zeigt eine auf dem Papier

verbundene Handschrift, die eher ungleichmäßig

wirkt. Unter anderem sind

die Buchstabenverbindungen nicht glatt,

die Proportionen der Buchstaben variieren,

und die Kreisformen in den Buchstaben

a, d, g sind nicht formklar bzw.

nicht vollständig geschlossen. Auch die

Lineatur (oder Grundlinie) wird nicht

immer eingehalten.

Mareike Teuscher

Dr. des. Mareike Teuscher ist wissenschaftliche

Mitarbeiterin am Institut

für Schulpädagogik und Grundschuldidaktik

der Martin-Luther-Universität

Halle-Wittenberg.

Handschreiben üben

Ausgehend von Theos Schriftprobe wird

eine Übungsmethode für den Handschreibunterricht

skizziert, die sich an

den Grundsätzen zur Förderung des

Handschreibens nach Sturm und Weder

(2016) orientiert: Geübt wird in kurzen

Sequenzen von 10 bis 15 Minuten,

der Übungsfokus wird explizit thematisiert

und das Üben wird mit der Textproduktion

verknüpft.

Kurze Übungssequenzen

Eine mögliche Aufgabe besteht darin,

dass die Lernenden einen Textabschnitt

mehrmals unter einem bestimmten

Fokus abschreiben. So kann beispielsweise

das Schreibtempo erhöht oder die

Form bestimmter Buchstaben gezielt

geübt werden. In dieser Weise kann über

einen begrenzten Zeitraum von einigen

Wochen täglich geübt werden. Diese

Art des Übens lässt sich mit Geläufigkeitsübungen

beim Klavierspielen vergleichen,

bei denen eine ausgewählte

Tonfolge isoliert und wiederholt geübt

wird, bevor das ganze Stück gespielt wird.

Reine Abschreibübungen zeigen hingegen

kaum Übungseffekte, wie die Aus-

Abb. 1: Schreiben mit der Hand üben

Abb. 2: Handschriftprobe von Theo

GS aktuell 169 • Februar 2025

7


Thema: Schrift und Schreiben

sagen von Emil und Karl verdeutlichen.

Es bedarf einer bewussten Auseinandersetzung

und gezielten Vermittlung im

Handschreiben (Sturm/Weder 2016 und

Ruf u. a. in diesem Heft).

Explizite Auseinandersetzung

Theos Schriftprobe zeigt verschiedene

Schwierigkeiten, an denen explizit

gearbeitet werden kann. Exemplarisch

soll hier die Buchstabengruppe

a/d/g betrachtet werden. Diese Buchstaben

gehören zu einer Bewegungsgruppe,

da sie jeweils ein Linksoval mit

Drehrichtung gegen den Uhrzeigersinn

aufweisen (s. die Gruppierung nach

gemeinsamen Form- und Bewegungselementen

im Kasten, Mahrhofer-Bernt

2011, Abb. 3). Bei Theos Handschrift

fällt auf, dass die Kreisformen oft nicht

geschlossen sind. Der Abstrich ist nicht

sorgfältig mit dem Linksoval verbunden,

sodass die Buchstaben als nicht formklar

beschrieben werden können. Es ist wichtig,

dass die Lehrperson den Lernenden

das Problem erklärt, denn nur so wird

das Üben für die Schüler:innen sinnvoll.

Die so identifizierte Problemstelle

kann modellverarbeitend geübt werden.

Modellverarbeitend bedeutet, dass

Modelle, etwa in Form von Vorlagen,

als Orientierung im Übungsprozess dienen,

jedoch nicht als strikte Vorgaben.

Die Buchstaben müssen keineswegs

exakt kopiert werden (Bredel/Pieper

2022). Vielmehr soll eine bewusste Auseinandersetzung

mit den Buchstabenformen

den Schüler:innen eine visuelle

und verbale Orientierung geben (Topsch

2003). Dabei wird der Bewegungsverlauf

explizit thematisiert, z. B. durch

Anregungen zu Start- und Wendepunkten

beim Schreiben oder durch

Hinweise zur sorgfältigen Verbindung

des Linksovals mit dem Abstrich. Diese

Thematisierung umfasst ebenso das

Erproben verschiedener Schreibweisen

der Buchstaben. Dabei kann gemeinsam

überlegt werden, ob der Aufstrich beim

Buchstaben a notwendig ist oder ob es

für Theo schreibmotorisch effektiver

Abb. 3:

Bewegungsgruppen

mit

gleichen Schreibbewegungen

(aus Mahrhofer-

Bernt 2011)

wäre, den Buchstaben am oberen Mittelband

der Lineatur zu beginnen.

Textproduktion

Ein solches Üben zielt darauf ab,

einzelne Aspekte isoliert zu trainieren,

um sie zu festigen und später flexibel

anzuwenden. Damit das Schreiben

als sinnhafte Tätigkeit erlebt wird,

ist es jedoch wichtig, das Üben mit der

Textproduktion zu verbinden. Ähnlich

wie bei Fingerübungen im Klavierspiel

werden nach den isolierten Übungen

die erlernten Bewegungsabläufe in

das gesamte Musikstück integriert. Auf

diese Weise findet das Geübte seinen

Platz in einem größeren Zusammenhang

(Sturm/Weder 2016).

Fazit

Die Perspektiven von Karl und Emil zeigen,

wie wichtig ein gezieltes und strukturiertes

Üben im weiterführenden Handschreibunterricht

ist. Ihre Erfahrungen

verdeutlichen, dass ein unspezifisches

„Mehr vom Gleichen“ – also reines

Abschreiben – oft wenig zielführend ist.

Effektives Üben geht weit über das bloße

Wiederholen hinaus. Es erfordert eine

bewusste Auseinandersetzung mit der

eigenen Handschrift, individuelle Rückmeldungen,

die Erprobung verschiedener

Buchstabenformen und -verbindungen

sowie die Verknüpfung mit sinnvollen

Schreibanlässen. So wird das Handschreiben

zu einem funktionalen Werkzeug

und unterstützt gleichzeitig die Entwicklung

einer persönlichen, flüssigen

und leserlichen Handschrift.

Literaturangaben zum Artikel

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Weitere geeignete Aufgaben

zu diesem Thema

finden Sie hier:

• Projekt Grundschrift (o. J.):

Schreibmotorik fördern.

Praxishilfen und Impulskarten.

Grundschulverband: Frankfurt a. M.

• Kleeblattheft 4 – Grundschrift:

Das rote Heft zum Lernen und

Üben – Mit Schrift gestalten.

Grundschulverband: Frankfurt a. M.

8 GS aktuell 169 • Februar 2025


Thema: Schrift und Schreiben

Anna Fruhen-Witzke

Grundschrift als Konzept

Damit Kinder besser schreiben lernen – immer noch

Für die moderne, kombinierte Lese-Schreib-Didaktik ist die Vermittlung einer

formklaren, flüssigen und leserlichen Handschrift grundlegend. Einer Schrift,

die Vorerfahrungen der Kinder aufgreift und die Entwicklung einer individuellen

Handschrift auch über die Grundschulzeit hinaus ermöglicht.

Die Grundschrift ist eine an

die Schreibmotorik angepasste

Druckschrift, aus der Kinder

ohne Umweg über eine weitere Ausgangsschrift

eine flüssige, formklare und gut

leserliche Handschrift entwickeln können.

Das Konzept Grundschrift wird in

diesem Beitrag vorgestellt und die grundsätzlichen

Prinzipien werden skizziert.

Warum Kinder nur eine

Ausgangschrift brauchen

Seit 2004 engagiert sich der Grundschulverband

dafür, dass Kinder aus der

handgeschriebenen Druckschrift ihre

Handschrift entwickeln können.

Die zweite Ausgangsschrift ist ein Überbleibsel

aus der Zeit, in der das Lesen und

das Schreiben getrennt voneinander unterrichtet

worden sind: Lesen mit den lateinischen

Druckbuchstaben und Schreiben

mit einer für den damaligen Anfangsschreibunterricht

entwickelten verbundenen

Ausgangsschrift (vgl. auch Bartnitzky

in diesem Heft). Mit der Orientierung an

der Lebenswelt der Kinder beim Lesenund

Schreibenlernen hat sich die handgeschriebene

Druckschrift als erste Schrift

im Anfangsunterricht durchgesetzt. Sie ist

heute bundesweit in allen Lehrplänen als

Ausgangsschrift vorgegeben und ist die

passende Schrift zur heutigen kombinierten

Lese-Schreib-Didaktik im Anfangsunterricht.

Die zweite Ausgangsschrift,

an die sich viele gewöhnt haben – Jüngere

haben es gar nicht anders kennengelernt

–, ist ein festgehaltenes Überbleibsel

der überholten Zweiwegedidaktik beim

Lesen- und Schreibenlernen (Bartnitzky

2011, 12). Nach über 20 Jahren liegen zum

Konzept mehrere Karteien, Übungs- und

Schreibhefte zur Unterstützung der praktischen

Umsetzung vor. Mitglieder der Projektgruppe

arbeiten an der Verbreitung ud

der Akzeptanz des Konzeptes.

Aktualität

Die KMK empfiehlt in ihren aktuellsten

Empfehlungen zur Arbeit in der

Grundschule von 2024 die Grundschrift

als eine verbundene Schrift. Sie

wird neben den „alten“ Schulschriften

als verbundene Handschrift dargelegt.

Im Konzept selbst werden viele Grundsätze

für die Handschriftentwicklung

angesprochen, die im Grundschriftkonzept

grundsätzliche Prinzipien sind

(KMK 2024, Anlage 2).

In den Initiativen BiSS und BiSS-

Transfer und deren Ansätzen zur Förderung

der Schreibflüssigkeit wird die

Handschrift als basale Fertigkeit als

grundlegend dargestellt. Schreibflüssigkeit

ist eine komplexe Fertigkeit, die in

unterschiedliche Fertigkeiten aufgeteilt

werden kann. Hierarchieniedrige Fertigkeiten

sind dabei die Schreibbewegungen

von Hand und auf der Tastatur und

die Anwendung der Rechtschreibung.

Wenn die basalen Fertigkeiten Handschrift,

Rechtschreibung und auch später

Tastaturschreiben nicht gut automatisiert

sind, stehen sie einer flüssigen

Textproduktion im Weg (Stanat/Sturm/

Becker-Mrotzeck 2019, 5 f.).

Grundschrift als Schrift für

einen zeitgemäßen Unterricht

Die Grundschrift begünstigt den tendenziell

eigenaktiven, produktiven wie reflektierenden

Schriftspracherwerb. Schrift

wird dabei funktional im Zusammenhang

von Schreiben und Lesen sowie beim

Sprechen über Schrift und Verschriftung

und nicht lehrgangsmäßig erarbeitet.

Eine Ausgangsschrift zur Entwicklung

der persönlichen Handschrift sollte den

didaktischen Qualitätsmerkmalen eines

zeitgemäßen Unterrichts entsprechen.

Die beiden Prinzipien „Lernen als Selbst-

Anna Fruhen-Witzke

ist Grundschullehrerin in NRW und

arbeitet in der Projektgruppe Grundschrift

des Grundschulverbands mit. Sie

unterrichtet die Fächer Sport, Deutsch,

Mathe und Englisch.

aneignung der Welt“ und „Grundschule

als Leistungsschule“ der neun Prinzipien

zeitgemäßer Grundschularbeit finden im

Grundschriftkonzept Anwendung (vgl.

Bartnitzky 2011, 19).

„Lernen als Selbstaneignung der Welt“:

Viele Kinder beginnen schon vor der

Schule zu schreiben, und Druckbuchstaben

sind in ihrem Lebensumfeld

präsent. Hier setzt die Grundschrift als

handgeschriebene Ausgangsschrift an,

greift die Lebenserfahrungen der Kinder,

die Druckbuchstaben, auf und entwickelt

sie weiter. Kindern ohne solche

vorschulischen Erfahrungen müssen sie

in der Schule ermöglicht werden. In der

Weiterentwicklung probieren Kinder aus,

welche Buchstaben sie miteinander verbinden

können. Welche Möglichkeiten

ihnen gut von der Hand gehen, erfahren

sie dabei. Diese Möglichkeiten werden

sie in ihre Handschrift übernehmen (vgl.

Bartnitzky 2011, 19).

„Grundschule als Leistungsschule“:

Handschrift soll qualitätsvoll, aber mit

individuellen Bandbreiten lernbar sein.

Die Qualität der eigenen Schrift wird

regelmäßig im Sinne einer pädagogischen

Leistungskultur mithilfe der Kriterien

Formklarheit, Leserlichkeit und

Geläufigkeit reflektiert und bewertet.

GS aktuell 169 • Februar 2025

9


Thema: Schrift und Schreiben

Ergänzende Elemente:

Schriften erkunden: früher, in anderen

Ländern, Handschriften, Computerschriften,

Schreibanlässe, Schriften ausprobieren

(bspw. Handlettering)

Gestalten mit Schrift: Texte, Schmuckschriften,

Schriftbilder, Verschenktexte,

Briefe

Grundschrift als geläufige

Handschrift der Kinder –

Grundsätze

Das Grundschriftkonzept bietet Grundsätze,

die eine zielgerichtete Entwicklung

der Handschrift zu einer

formklaren, leserlichen und geläufigen

Schrift ermöglichen. Dabei werden traditionelle

Elemente des Schreibunterrichts

mit neuen Aspekten verknüpft

(vgl. Marhofer-Bernt 2011b, 71).

Die Form der Buchstaben –

handgeschriebene Druckschrift

Die Grundschrift ist eine bewegungsorientierte,

handgeschriebene Druckschrift.

Die Buchstabenformen sind

bewusst nicht gedruckt, sondern mit

der Hand geschriebene Buchstaben als

Vorlagen. Die Buchstabenformen sind

Richtformen, an deren Form die eigene

Schreibung orientiert wird. Das kleine

e ist bspw. bewusst rund und nicht mit

einem geraden Strich wie das gedruckte

e als Schreibmodell vorgegeben.

Abb. 1: Bewegungsrichtung blaues Heft

Ökonomischer Bewegungsablauf

Es gibt Anhaltspunkte für Bewegungsabläufe,

die geläufiges Schreiben begünstigen

und auf Dauer die Buchstaben formklar

halten. Unsere Schrift hat eine Lese- und

Schreibrichtung von links nach rechts.

Zudem sind Abwärtsstriche durch die

Beugung der Finger klarer zu führen (vgl.

Bartnitzky 2011, 22).

Deshalb gelten für die Bewegungsabläufe

der Grundschriftbuchstaben die

beiden Grundsätze:

- von links nach rechts,

- von oben nach unten.

Falls Kinder nach dem Ausprobieren

einen anderen Bewegungsablauf bevorzugen,

ist dieser individuelle Weg möglich,

wenn die Buchstaben formklar sind

und formstabil bleiben (Abb. 1).

Bewegungsgruppen

Ein Kernpunkt des Grundschriftkonzeptes

sind die in Bewegungsgruppen

sortierten Buchstaben. Sie fassen

Buchstaben mit gleichem oder ähnlichem

Bewegungsverlauf zusammen

und ermöglichen eine gezielte Erarbeitung

der Schreibbewegung. Die

Zuordnung zu den Gruppen erleichtert

es, Bewegungen zu erlernen, weil

ähnliche Bewegungen zusammengefasst

werden oder von den Kindern

gesammelt und reflektiert werden können.

Die Grundschriftkarteien und die

entsprechenden Kleeblatthefte sind nach

Abb. 2: Üben in Bewegungsgruppen

Bewegungsgruppen geordnet und farblich

gekennzeichnet. Die Bewegungsgruppen

finden im Erstschreibunterricht,

bei Schriftgesprächen sowie als Förderimpulse

in der Weiterentwicklung der

Handschrift Anwendung (vgl. Marhofer-

Bernt 2011b, 72 f.; Abb. 2).

Wendebogen als schwungvolle

Verbindungsstelle

Wendebögen bei allen Buchstaben,

die auf der Grundlinie enden, ermöglichen

schwungvolle Verbindungen. Das

sind meist auch die Verbindungen, die

bewegungsökonomisch ohne Umwege

auf dem Papier zu schreiben sind.

Verbindungen und Buchstabenvarianten

werden den Kindern angeboten,

geübt, reflektiert und, wenn sie gut

zu schreiben sind und der Schreibgeläufigkeit

dienen, in die Handschrift übernommen

und genutzt (Abb. 3).

Verbindungen und Varianten beim

weiterführenden Schreiben: Schreiben

mit Schwung

Der Bewegungsgedanke „Schreiben mit

Schwung“ ermöglicht die Bewegungsvorstellung

des geläufigen Schreibens.

Kinder verstehen so anschaulich, was

damit gemeint ist, wenn eine Verbindung

bewegungssinnvoll ist, dann

z. B., wenn man am Ende des einen

Buchstabens am Anfang des nächsten

ankommt, etwa bei au, a, ei oder ie.

In der Kartei 2 werden 14 Buchstabenfolgen

zum Üben der Verbindungen vorgestellt.

Sie bieten die Möglichkeit, aus

ihnen heraus mithilfe der Bewegungsverwandtschaften

und des schwungvollen

Schreibens weitere Verbindungen zu

finden und zu erproben. Dabei gelten für

die individuelle Schriftentwicklung die

drei Kriterien Geläufigkeit, Formklarheit

und Leserlichkeit (Abb. 4a und 4b).

Abb. 3: Wendebögen

und Verbindungen

Abb. 4a und 4b: Verbindungen üben

10 GS aktuell 169 • Februar 2025


Thema: Schrift und Schreiben

Abb. 5: Bewegungsrichtung ohne Lineaturen üben – Klasse 1

Abb. 6: Reflexion von Anfang an – Gelungenes einkreisen

Lineaturen

„Die Orientierung an den klassischen

Lineaturen ist aber ein didaktischer

Kunstfehler.“ (Bartnitzky 2011, 24)

Lineaturen sollen Orientierung, nicht

Bewegungsbegrenzung geben. Wissenschaftliche

Befunde belegen, dass die

mehrbändige Lineatur (die klassische

Erstes- und Zweites-Schuljahr-Lineatur)

die Schreibgeläufigkeit der Kinder mehr

hemmt als fördert (vgl. Marhofer-Bernt

2011a, 39f.).

Vor allem beim anfänglichen Schreiben,

bei dem es um die Einübung der

Schreibbewegung geht, sollte gänzlich

auf Lineatur verzichtet werden. Die

schwungvolle Schreibbewegung und individuelle

Schriftgrößen stehen hier im

Mittelpunkt und würden durch die Begrenzung

einer Lineatur gehemmt werden.

Im weiterführenden Schreiben können

Lineaturen als hilfreiche Fördermöglichkeit

eingesetzt werden. Für die

Orientierung und zum Erlernen der Proportionen

werden den Kindern Schreibräume

angeboten: Vorlagen mit grau

markiertem Mittelband und Orientierungsbalken

links und rechts. Dazu sind

in Kooperation mit den Sedulus-Werkstätten

Hefte mit Schreibräumen passend

zum Grundschriftkonzept erarbeitet

worden. Sedulus bietet außerdem

Hefte mit Grundlinien mit größerem

Abstand an. Aber auch die klassische Lineatur

für das dritte Schuljahr kann je

nach Schriftgröße eingesetzt werden.

Lineaturen werden nicht für alle Kinder

gleich vorgegeben, sondern Kinder

und Lehrkraft wählen jeweils geeignete

aus:

– gänzlicher Verzicht auf Lineatur

– Schreiben auf Grundlinien in verschiedenen

Abständen

– Schreiben in Schreibräumen

(vgl. Bartnitzky 2011, 26; Abb. 5)

Schriftgespräche – Reflexion und

Rückmeldungen

Die Qualität der Handschrift ist durch

Kriterien abgesichert. Sie soll formklar,

leserlich und geläufig (schwungvoll und

zügig zu schreiben) sein.

Sie werden in Selbsteinschätzungen

reflektiert und in Schriftgesprächen

besprochen und reflektiert und

bei Rückmeldungen durch die Lehrkraft

genutzt.

Mit der Frage „Habe ich gut geschrieben?“

werden die Kinder ab den ersten

Schreibübungen ermutigt, ihre Ergebnisse

zu reflektieren und gelungene

Buchstaben oder Wörter einzukreisen.

Im weiteren Verlauf können auch besonders

gelungene Seiten im Schreibheft

von den Kindern markiert werden.

Dabei geht es zunächst hauptsächlich

um das Kriterium der Formklarheit.

Dazu tritt die Lehrkraft mit den Kindern

in einen Dialog, indem sie Rückmeldungen

zur Schrift und Anregungen

zu Reflexionen gibt. Rückmeldebögen

und Anlässe zur Reflexion bietet das

Grundschriftkonzept als Kopiervorlagen

(vgl. van der Donk/Kindler 2011,

94 ff.).

Im zweiten Teil der Kartei Schreibmotorik

fördern sind zudem Reflexionsanlässe

für Schriftgespräche zusammengestellt

(vgl. Ruf und Kumschlies in diesem

Heft; Abb. 6).

Abb. 7: Lernwörter und Schrifttraining

Klasse 1

Übungsmöglichkeiten für das

weiterführende Schreiben

Für das weiterführende Schreiben

werden Experimente zur bewussten

Entwicklung der Handschrift und

Trainingsaufgaben für eine leserliche,

formklare und schwungvolle Schrift

angeboten. Dabei können Wort- und

Textmaterialien fächerübergreifend

genutzt werden und die Übungsarbeit

zur Schrift bspw. mit dem Lernwörteroder

dem Abschreibtraining verbunden

werden (vgl. Fruhen-Witzke in diesem

Heft; Abb. 7).

Individuelle Fördermöglichkeiten

Kinder beginnen zu unterschiedlichen

Zeitpunkten im ersten und im zweiten

Schuljahr mit dem Erproben und

Einüben der Verbindungen, wenn die

GS aktuell 169 • Februar 2025

11


Thema: Schrift und Schreiben

Grundformen der Buchstaben formklar

und flüssig geschrieben werden. Verschiedene

Lineaturen können zur individuellen

Förderung angeboten werden.

Auch im dritten und im vierten Schuljahr

und in der Sekundarstufe können

Bewegungsabläufe gezielt geübt werden.

Mit einem Training können Kinder

auch bereits verfestigte Bewegungsmuster

in ihrer Handschrift verändern, damit

Buchstaben formstabil notiert werden

können und die Schrift leserlicher wird.

Dazu eignen sich Reflexionen mit Impulsen

zur Veränderung der eigenen Schrift

oder Übungen mithilfe der Bewegungsgruppen

sowie Trainings zur Schnelligkeit

(vgl. Fruhen-Witzke in diesem Heft).

In der Kartei Schreibmotorik fördern

sind sowohl Praxisanregungen zur Förderung

der Feinmotorik als auch Impulse

zu Reflexionsmöglichkeiten in

Schriftgesprächen zusammengestellt.

Kindern werden individuelle Bewegungsmuster

für ihre Handschriften ermöglicht.

Nicht alle verbinden dieselben

Buchstabengruppen, manche Kinder

schreiben in einer flüssigen Schrift ohne

sichtbare Verbindungen auf dem Papier.

Eine weitere individuelle Fördermöglichkeit

ist die Reflexion der eigenen

Schrift, die zur Weiterentwicklung der

Handschrift anregt.

Blick über den Tellerrand –

Blick in die Schweiz

In der Schweiz hat es in den deutschsprachigen

Kantonen ungefähr zur gleichen

Zeit der Entwicklung der Grundschrift

in Deutschland eine ähnliche Entwicklung

gegeben. Die dort genutzte komplett

papierverbundene „Schnüerlischrift“

wurde hinterfragt und die der Grundschrift

ähnliche Schweizer Basisschrift

wurde entwickelt. Die Schweizer Basisschrift

basiert wie die Grundschrift auf

einem handschriftdidaktischen Konzept

zu den lateinischen Buchstabenformen

mit Teilverbindungen. Die Schweizer

Basisschrift wurde durch die Erziehungsdirektorenkonferenz

empfohlen und

bereits 2013 hat sie die „Schnüerlischrift“

in allen deutschsprachigen Kantonen

abgelöst (vgl. Brügelmann 2016, 82).

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Anmeldung Newsletter

Weitere Informationen

zur Grundschrift: Im

Newsletter des Grundschulverbandes

werden

regelmäßig digitale Veranstaltungen

zum Thema angekündigt.

Überblick über Materialbausteine des Grundschulverbandes

• Grundschriftkartei: Teil 1 Die Buchstaben und Teil 2 Schreiben

mit Schwung, Grundschulverband e. V. (2011): Grundschrift:

Kartei zum Lernen und Üben. Frankfurt a. M.

• Vier Kleeblatthefte: grün – die Großbuchstaben (Förderheft),

blau – alle Buchstaben, orange – Schreiben mit Schwung, rot –

Geläufigkeitstraining und Gestalten mit Schrift, Grundschulverband

e. V. (2014): Die Kleeblatthefte zur Grundschrift. Frankfurt a. M.

• Anlauttabelle mit zugehörigem Anlautrap und Anlautschrift

(online)

• Schreibhefte in vier Varianten: blanco, mit größeren und

kleineren Schreibräumen, mit Häuschen (Sedulus)

• Kartei Schreibmotorik fördern, Grundschulverband e. V. (2019):

Kartei Schreibmotorik fördern

Die Materialien sind

zu beziehen über

www.sedulus.de

→ Grundschulverband

In der Broschüre

Grundschrift – Gewusst wie … und wo!

Grundlagen, Publikationen, Material

findet man ausführliche Erklärungen zu allen Materialien zum

Grundschriftkonzept.

Ergänzende Materialien

als Download: Kartei mit

Schrift gestalten, Computerschrift, Grundschrift

oder ein Arbeitsplan Schrift und Schreiben sind

auf www.die-grundschrift.de zu finden.

UNFÄLLE IM

STRAßENVERKEHR

durch Smartphones?

Unterrichtsmaterial

für die 4. Klasse hier

kostenlos herunterladen

12 GS aktuell 169 • Februar 2025


Praxis: Schrift und Schreiben über die Fächer hinaus

Judith Endisch, Britta Habermann

Was hat die Bewegung mit dem

Schreibenlernen zu tun?

Handschreiben ist ein wichtiges Werkzeug für das Lernen. Beim Handschreiben

setzen wir uns intensiv mit den Inhalten auseinander. Es hilft uns dabei, komplexe

Zusammenhänge besser zu verstehen und zu behalten. Wichtige Schreibvoraussetzungen

werden bereits vor der Einschulung geschaffen. So festigt sich

die Stifthaltung bei Kindern oft schon im Kindergartenalter.

Im Rahmen des Erasmus+-Projekts

„HS-Tutorials – Praktische Module

zur Förderung von Schreibfertigkeiten

in Schulen und im Übergang Kindergarten

– Schule“ (www.hs-tutorials.eu/)

schulte die Regierung von Mittelfranken

und die Regierung von Niederbayern

Lehrkräfte, mit dem Ziel, den Handschrifterwerb

von Schülerinnen und

Schülern zu unterstützen.

Schreibenlernen ist

Bewegungslernen

Wie jedes motorische Lernen ist

Schreibenlernen Bewegungslernen.

Folglich geht es beim Schreibenlernen

nicht nur um schönes, sondern v. a. auch

um bewegungsgünstiges Schreiben. Wie

in anderen Bereichen motorischen Lernens

(z. B. Fahrradfahren) müssen Kinder

mit allen Sinnen erfahren, auf welche

Bewegungsabläufe es ankommt

(Diaz Meyer et al. 2015). Und es gilt:

Durch Abwechslung und das Zulassen

von Fehlern lernt es sich einfacher und

mit mehr Freude. „Beim Radfahren

sind es vor allem Gleichgewichtsgefühl,

Beschleunigung, Bremsen und

Richtungswechsel. Erst dann klappt

Fahrrad fahren – mit zunehmender

Routine auch auf anspruchsvollen, längeren

Strecken. Dabei übt und lernt

jedes Kind in seinem eigenen Tempo.

Das Gleiche gilt für das Schreibenlernen.

Für die Schreibhand ist genau

wie beim Fahrradfahren das Erleben von

individuellen Bewegungsausführungen

entscheidend. Aus Geschwindigkeit,

Beschleunigung, Größenskalierung und

Druck entstehen dann die Buchstaben –

und mit zunehmender Routine auch

längere und anspruchsvollere Texte.“

(vgl. Schreibmotorik Institut 2017/2)

Was macht eine gute

Handschrift aus?

Eine gute Handschrift ist lesbar, flüssig,

effizient, beschwerdefrei und individuell.

Sie ist nicht in erster Linie nur

schön und ordentlich, sondern geht den

Kindern leicht, flüssig und auch bei längerem

Schreiben ohne Schmerzen von

der Hand. Doch was heißt das genau?

Eine Schrift ist lesbar, solange die charakteristische

Buchstabenform gewahrt

bleibt. Sie ist flüssig, wenn das Schreiben

mit gleichmäßigem, zügigem Schreibrhythmus

erfolgt. Sie ist ermüdungsarm,

solange der Schreibdruck gering und

gleichmäßig bleibt. Sie ist effizient, wenn

zügiges und dennoch ermüdungsarmes

Schreiben gelingt. Und sie ist individuell

durch die persönliche Ausgestaltung

der Schrift (vgl. Schreibmotorik Institut

2017/1). Auf dem Weg zu einer guten

Handschrift brauchen Kinder Unterstützung,

konkrete Hilfestellungen und

regelmäßige Gespräche über Schrift. In

der ersten oder zweiten Klasse bemerken

Lehrkräfte oft, dass die feinmotorischen

Kompetenzen der Kinder im Vergleich

zu früher abgenommen haben. Eine gut

ausgebildete Feinmotorik der Hände bildet

eine wichtige Grundlage für den späteren

Erwerb der Handschrift und die

Entwicklung einer guten Schreibmotorik.

Ungeschicklichkeit und schwache Feinmotorik

der Hände bei Alltagstätigkeiten

Schwache feinmotorische Kompetenzen

der Hände wirken sich häufig in mehreren

Bereichen aus. So hat das Kind

z. B. Probleme beim Ausschneiden, Falten,

Aufkleben von Objekten, Anspitzen

von Stiften oder auch Sortieren von

Materialien. Das Kind ermüdet dann

unter Umständen schnell oder ent-

Britta Habermann (links) ist Seminarrektorin

im Nürnberger Land.

Judith Endisch ist Seminarrektorin in

der Stadt Nürnberg.

wickelt eine hohe Frustration gegenüber

der entsprechenden Tätigkeit aufgrund

„unschöner“ Arbeitsergebnisse. Dies

kann sich auch negativ auf die Motivation

zum Schreibenlernen auswirken.

Aber auch in alltagsrelevanten Bereichen,

wie Reißverschluss oder Knöpfe schließen,

zeigt sich die Feinmotorik der

Hände. Das Kind benötigt dann für das

Umkleiden viel Zeit oder Unterstützung.

Um die Feinmotorik der Hände intensiv

zu trainieren, ist es notwendig, auch

die Eltern einzubeziehen. Auch wenn es

selbstverständlich erscheint, geben Sie

Anregungen zur Förderung der Feinmotorik

beim Elternabend weiter. Motivieren

Sie die Eltern, regelmäßig mit

ihren Kindern zu basteln, zu backen oder

Brettspiele zu spielen.

Ungeschicklichkeit und schwache Feinmotorik

der Hände beim Malen und

beim Schreiben

Hat das Kind Probleme mit differenzierten

Bewegungen der Fingergelenke

und des Handgelenks? Die Finger

sind zum Beispiel nicht beweglich

genug, um schwungvolle, geschmeidige

Bewegungen auszuführen. Malen und

Schreiben kommen durch eine Kombination

von Aufwärts- und Abwärtsbewegungen

des Handgelenks, Vorwärts-

und Rückwärtsbewegungen der

Finger und den Transportbewegungen

des Armes (z. B. Bewegung der Hand

GS aktuell 169 • Februar 2025

13


Praxis: Schrift und Schreiben über die Fächer hinaus

in Schreibrichtung) zustande. Dadurch

können die Buchstaben in der Breite

(z. B. der große Buchstabe B) und Höhe

(z. B. das Schreibschrift-l) ausgestaltet

werden. Kreisende Bewegungen wie z. B.

beim Buchstaben O ergeben sich aus

einer Kombination von Fingergelenkund

Handgelenkbewegungen. Bei mangelnder

Beweglichkeit der Finger oder

des Handgelenks können die Buchstaben

nur erschwert ausgeführt werden.

Dies kann dazu führen, dass die Kinder

unleserlich oder langsam schreiben.

Fällt dem Kind die Kombination beider

Bewegungen schwer, zeigt sich dies

möglicherweise beim Schreiben runder

Buchstaben wie dem O. Mangelnde

Beweglichkeit kann auch zu heftigen

Bewegungen der Finger, des Handgelenks

oder des gesamten Arms führen.

Die Bewegungen wirken dann steif und

abgehackt, die Buchstabengröße und die

Proportionen sind mitunter nicht ausgewogen.

Oft halten Kinder den Stift

zu fest und verkrampfen sich, ohne es

zu merken. Dies erkennt man daran,

dass z. B. das letzte Fingergelenk vom

Zeigefinger überstreckt ist und weiß

hervortritt. In der Folge ist die Vor- und

Zurückbewegung von Zeigefinger und

Daumen blockiert. Auch die Beweglichkeit

des Handgelenks kann blockiert

sein, beispielsweise durch eine zu starke

Beugung des Handgelenks in Form einer

Hakenhaltung.

Für die Entwicklung der eigenen Handschrift

ist die Integration der Feinmotorik

in den Unterricht von großer

Bedeutung

Durch abwechslungsreiche und kreative

Aktivitäten in verschiedenen Fächern

können Lehrkräfte dazu beitragen, die

Schwungübungen

mit dem Band

Allgemeines zu dieser Übung

• Zu Beginn wird der Umgang mit dem

Band besprochen.

• Verschiedene „Schwungformen“ und der

entsprechende Wortschatz werden zuerst

gemeinsam eingeführt und vorgemacht.

• Stabhaltung (vgl. Foto).

• Der Stab wird in Verlängerung des

Armes gehalten.

• Das Stabende liegt in der Handinnenfläche

und entlang des Zeigefingers.

• Der Stab wird locker von der Hand

gehalten.

Durchführung der Übung

• das Band den Schüler:innen zur Erforschung geben

• Stabfassung (vgl. Foto) gemeinsam besprechen

• Schwungformen (Kreise, Schlangen etc.) zuerst vormachen

und Wortspeicher erarbeiten

• mit den Fingern am Stab entlangklettern

• mit den Fingern am Band entlangklettern

• verschiedene Schwungformen erproben (Kreise, Achter,

Zickzack, Schlangen, Spiralen, Arkaden,

Girlanden, Schleifen)

• weitere Formen/Zeichen/Buchstaben/Zahlen erproben

• eigene Choreografie mit mehreren Schwungformen hintereinander

erarbeiten

• Schwungformen in Bewegung ausführen

Reflexionsfragen und Erwartungshorizont

• Mit welchen Körperteilen setzt du das Band

in Bewegung bzw. hältst du es in Bewegung?

– Handgelenk, Unterarm, ganzer Arm

• Wie kannst du die Schwungformen größer/kleiner machen?

– aus dem ganzen Arm/nur aus dem Handgelenk schwingen

• Wie schaffst du große/kleine Formen/Buchstaben beim Schreiben auf dem Papier?

– nur Fingerbewegungen am Stift

– das Handgelenk mitbewegen

Vivienne Semmelmann, Grundschullehrerin an der Grundschule Stein

Abb. 4 und 5:

aus „Schreibmotorik fördern – Praxishilfen und Impulskarten“

14

GS aktuell 169 • Februar 2025


Praxis: Schrift und Schreiben über die Fächer hinaus

Abb. 6: Michelle Mahr, Grundschullehrerin an der Grundschule Stein

motorischen Fähigkeiten der Schülerinnen

und Schüler zu verbessern und

ihnen gleichzeitig Freude am Lernen

zu vermitteln. Im Fach Werken und

Gestalten wird die Feinmotorik durch

das Arbeiten mit verschiedenen Materialien

wie Papier, Holz oder Textilien

geschult. Das Schneiden, Kleben und

Falten von Materialien erfordert präzise

Handbewegungen und fördert die

Fingerfertigkeit. Im Musikunterricht

können Instrumente wie Blockflöten,

Trommeln oder kleine Percussion-Instrumente

eingesetzt werden, um die

Feinmotorik zu schulen. Das Spielen

von Instrumenten benötigt exakte

Fingerbewegungen und Koordination.

Auch im Sportunterricht können neben

Übungen der Grobmotorik gezielte

Übungen zur Verbesserung der Feinmotorik

durchgeführt werden. Aktivitäten

wie Ballspiele, bei denen die Kinder

den Ball fangen, werfen oder dribbeln

müssen, fördern die Hand-Augen-

Koordination und die Geschicklichkeit.

Auch das Balancieren auf verschiedenen

Geräten oder das Ausführen von

Bewegungsabläufen, die präzise Handbewegungen

erfordern, tragen zur Schulung

der Feinmotorik sowie der Grobmotorik

bei.

Um Kindern systematisch und angeleitet

beim Erlernen von Buchstaben

und deren Schreibbewegungen zu helfen,

ist es sinnvoll, die Buchstaben in

Bewegungsgruppen einzuteilen. Diese

Einteilung basiert auf den ähnlichen Bewegungsabläufen,

die für das Schreiben

Abb. 7: Michelle Mahr; Grundschullehrerin an der Grundschule Stein

Praxisbeispiele für

das Training der

Handgeschicklichkeit

Planen Sie Pausen in der Schulwoche

ein, in der Sie feinmotorische Spiele

angeleitet durchführen, oder nutzen

Sie in regelmäßigen Abständen die

„Vorviertelstunde“, die Innenpausen

an Regentagen etc. Stellen Sie dafür

eine ausgewählte Spielesammlung

zusammen, z. B. Mikado, Lego, Steckspiele,

Puzzle, Knete oder Origamipapier

mit Faltvorschlägen.

Anleitungen zu Übungen

finden Sie auf Youtube

• Fingerfahrrad

https://t1p.de/0jiep

• Hungriger Tennisball

https://t1p.de/tzkhp

• Wedel-Wettbewerb

https://t1p.de/0ukgc

• Wandern mit Klammern

https://t1p.de/4vg1u

• Turmbau

https://t1p.de/41uc8

der Buchstaben erforderlich sind. Indem

Kinder die Gemeinsamkeiten in den Bewegungen

erkennen, können sie die

Buchstaben leichter lernen und sich die

Schreibweise besser einprägen. Die Kartei

„Schreibmotorik fördern – Praxishilfen

und Impulskarten“ des Grundschulverbands

bietet in diesem Kontext wertvolle

Hilfestellungen und Praxisbeispiele

(Impulskarten 1–13).

In Bezug auf günstige und ungünstige

Bedingungen für die Bewegungsausführung

beim Schreiben, z. B. Körperhaltung,

Stifthaltung, Schreibdruck,

Schreibtempo und Buchstabenanbindungen,

sind regelmäßige „Gespräche

über Schrift“ im Unterricht notwendig

(Impulskarten 14–25).

Die Bedeutung von Bewegung in

der frühen Kindheit sollte nicht unterschätzt

werden. Sie ist ein fundamentaler

Baustein für das Lernen und die

Lebensqualität der Kinder. Indem Kindergärten

und Grundschulen gemeinsam

an einem Strang ziehen, können sie

eine solide Grundlage für die zukünftige

Entwicklung und das Lernen der

Kinder schaffen.

GS aktuell 169 • Februar 2025

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Praxis: Schrift und Schreiben über die Fächer hinaus

Priska Ruf, Kirsten Kumschlies

Wie verbindest du? Wo hast du

mit Schwung geschrieben?

Schriftgespräche in Klasse 3 und 4

Der Beitrag stellt dar, wie in der dritten und der vierten Klasse mit Schriftgesprächen

gearbeitet wird, um die Reflexion und das Entwickeln einer eigenen

Handschrift zu fördern. „Das schriftdidaktische Grundschrift-Konzept (…) holt

das Schreibenlernen in die moderne Didaktik: selbstständiges Tun und Entdecken

statt Imitieren, Kommunikation statt isolierter Alleinarbeit und fachdidaktisch:

Schriftentwicklung als funktional für Lesen und Schreiben und nicht

als isolierter Lehrgang.“ (Bartnitzky 2016, 122)

Während die Formklarheit und

die Leserlichkeit meist im

Fokus von Schreibanfänger:innen

stehen, ist für Kinder in den

höheren Grundschuljahren oft die

Geläufigkeit ein zentrales Thema, denn

die Texte, die sie nun schreiben, werden

zunehmend länger und komplexer. Um

Geläufigkeit für die Kinder anschaulich

zu machen, wird im Grundschriftkonzept

der kindgemäße Ausdruck „Schreiben

mit Schwung“ genutzt. Auch im dritten

und im vierten Schuljahr werden immer

wieder verschiedene Übungen angeboten,

um schneller zu schreiben. Das schnelle

Schreiben wird z. B. mit Abschreibsätzen

oder -texten trainiert. Die Entwicklung

der eigenen Handschrift ist ein Anliegen

aller Grundschuljahre und auch darüber

hinaus, weil die Entwicklung mit dem

Ende der Grundschulzeit nicht

abgeschlossen ist.

Beim Grundschriftkonzept gehören

Schriftgespräche von Beginn an zur

Entwicklung der Handschrift der Kinder.

Solche Gespräche werden in jedem

Schuljahr geführt. Im dritten und im

vierten Schuljahr können die Kinder in

der Regel selbstständig damit umgehen,

zumal sie schon häufig über ihre Schrift

nachdenken. Dennoch werden sie immer

wieder gezielt angeregt, über bestimmte

Aspekte ihrer Schrift zu reflektieren.

Im Unterricht werden verschiedene

Möglichkeiten genutzt:

1. Schriftgespräche im Plenum oder

in der Gruppe, die an Rechtschreibgespräche

bzw. den „Satz des Tages“

angebunden sind

2. Arbeit mit der Kartei „Schreibmotorik

fördern, Praxishilfen und Impulskarten“

(2. Teil zur Schriftreflexion)

Schriftgespräche und der Satz des

Tages

Der Satz des Tages bietet in Kombination

mit den Gesprächen über Rechtschreibung

eine vielfältige Möglichkeit,

Schriftgespräche mit allen Kindern zu

führen. Am Beispielsatz „Das Kind geht

in die Schule“ wird dies im Folgenden

illustriert.

Ideen zum Vorgehen

beim Schreiben

● Die Lehrkraft bespricht mit den Kindern

zunächst die Kriterien, die dem

Grundschriftkonzept zugrunde liegen.

Die Schrift muss formklar, leserlich und

flüssig sein. Diese Kriterien sind den

Kindern aus den ersten beiden Schuljahren

bekannt und es bedarf keiner näheren

Erklärung.

● Die die Lehrkraft diktiert den Satz

des Tages und die Kinder haben vorher

den Auftrag erhalten, darauf zu achten,

an welchen Stellen sie besonders

schwungvoll oder flüssig schreiben. Der

Satz des Tages wird zunächst in einem

Rechtschreibgespräch perspektiviert.

Nun haben die Kinder einen orthografisch

richtigen Satz vor sich, even-

Priska Ruf (links)

ist Grundschullehrerin in Rheinland-

Pfalz und Vorstandsmitglied der Landesgruppe

des Grundschulverbands. Sie ist

Mitglied der Projektgruppe Grundschrift

im Grundschulverband.

Dr. Kirsten Kumschlies

ist Akademische Rätin für Grundschuldidaktik

Deutsch an der Universität Trier.

tuell schreiben sie diesen noch mal auf.

Nun beginnt die Reflexion des Schriftbilds.

Die Stellen, die flüssig und somit

mit Schwung geschrieben wurden,

werden markiert. Anschließend kann

jedes Kind mit einem Partnerkind die

schwungvollen Stellen vergleichen. Zu

thematisieren, ob eine schwungvolle

Stelle immer eine verbundene Stelle ist,

birgt Potenzial für die Weiterentwicklung

der Handschrift. Hier kann thematisiert

werden, dass es Verbindungen

gibt, die einem Kind flüssig, einem anderen

Kind weniger flüssig gelingen.

● Wenn in der Klasse ein fehlertolerantes

Lernklima herrscht, kann ein Kind den

Satz freiwillig an der Tafel mitschreiben

und markiert entsprechend schwungvoll

geschriebene Stellen. Das bietet die

Möglichkeit, über den Aspekt der Leserlichkeit

und der Formklarheit oder über

günstige und ungünstige Verbindungen

mit allen Kindern zu sprechen.

Im Gespräch mit den Kindern wird

schnell klar, dass es unterschiedliche

Möglichkeiten gibt, mit Schwung zu

schreiben. Das Konzept der Grundschrift

bietet verschiedene Möglichkeiten

16

GS aktuell 169 • Februar 2025


Praxis: Schrift und Schreiben über die Fächer hinaus

Ideen für Schriftgespräche im Plenum

Wird der Satz im Plenum besprochen, begleitet

die Lehrkraft das Gespräch mit Impulsen.

Diese könnten wie folgt lauten (mögliche

Antworten der Kinder sind beigefügt,

um Potenziale für Schriftgespräche zu veranschaulichen):

Was kann man gut verbinden, was nicht

gut? „‚die‘ kann ich gut verbinden. Da haben

alle Buchstaben einen Wendebogen und ich

kann das ganze Wort mit Schwung schreiben.“

Wo hast du mit Schwung geschrieben? „Ich

habe bei ‚Kind‘ das ‚i‘ und das ‚n‘ verbunden.“

„Ich habe auch noch das ‚K‘ mit dem ‚i‘ verbunden.

Drei Buchstaben sind das insgesamt.“ „Ich

und Varianten. Durch die Kriterien Formklarheit

und Leserlichkeit ist das Schreiben

mit der Grundschrift trotz der individuellen

Möglichkeiten nicht beliebig.

Die Kombination mit Rechtschreibgesprächen

und dem bewährten „Satz des

Tages“ vereinfacht die Implementierung

von Schriftgesprächen in den Deutschunterricht.

Eine Anbindung an „Autorenrunden“

im Sinne Beate Leßmanns

(2020), in denen Kinder ihre eigenen

Texte vorstellen, ist ebenfalls eine denkbare

Option. Auch in anderen Fächern

als dem Deutschunterricht spielt Schrift

eine Rolle. So könnte z. B. beim Gestalten

von Plakaten im Sachunterricht oder

in anderen Fächern die Leserlichkeit der

Schrift ein wichtiges Kriterium sein.

Schriftgespräche und Üben mit

der Kartei „Schreibmotorik fördern,

Praxishilfen und Impulskarten“ –

Teil 2 Schriftreflexion

habe das ‚ch‘ in ‚Schule‘ verbunden.“ „Das habe

ich nicht verbunden. Für mich ist das eine Verbindung,

die ich nicht gut kann. Ich komme

vom ‚c‘ nicht direkt oben beim ‚h‘ an.“

Wo hast du nicht verbunden? Warum? „Bei

‚Das‘ habe ich nichts verbunden. Das geht

nicht.“ „Kein Buchstabe hat einen Wendebogen.“

Hast du überall formklar geschrieben? „Beim

‚s‘ muss ich aufpassen, dass man unterscheiden

kann, ob es groß oder klein ist.“ „Genau: Frau Ruf

sagt immer, es gibt keine mittelgroßen Buchstaben.“

„Beim ‚L‘ ist das auch schwierig. Das kleine

‚l‘ muss einen deutlichen Spazierstockhaken haben

und das große ‚L‘ eine Ecke.“

Während mithilfe des „Satzes des Tages“

wie oben beschrieben über die Handschrift

reflektiert wird, bietet die Arbeit

mit der Schreibmotorik-Kartei weitere

Möglichkeiten für individuelle Übungen.

Im ersten Teil der Kartei werden Übungen

zu Bewegungsgrundformen und

Schreiben mit Schwung angeboten. Hierbei

geht es in erster Linie um schreibmotorische

Vorübungen, um Kindern

mit feinmotorischem Förderbedarf

Übungsmöglichkeiten zu bieten. Im Folgenden

wird auf den zweiten Teil der

Kartei eingegangen, der Impulskarten

zu Reflexionen und Schriftgesprächen

umfasst.

Die Kartei bietet dazu verschiedene

Reflexionsschwerpunkte für ein Schriftgespräch

an. Grundsätzlich geht es nochmals

um die Kriterien Leserlichkeit,

Formklarheit und Flüssigkeit der eigenen

Handschrift. Dazu werden Karteikarten

zur Reflexion innerhalb eines

Schriftgesprächs angeboten. Außerdem

bietet die Kartei verschiedene Reflexionsaspekte

zur Entwicklung der Handschrift:

● Stifthaltung

● Lineatur

● Schreibdruck

● Schreibtempo

● Stiftauswahl

● Schriftgröße

● Proportionen.

Dabei wählen die Kinder ihren eigenen

Schwerpunkt aus oder sie besprechen

den zu übenden Schwerpunkt mit

ihrer Lehrerin.

Eine Schreibübung bildet die Grundlage

zur Reflexion. Zunächst wählen die

Kinder eine Karteikarte mit dem Schwerpunkt

aus, den sie üben und anschließend

im Schriftgespräch besprechen möchten.

Sie schreiben den Text, der auf einer Seite

der Karteikarte steht, ab und folgen den

Anweisungen auf der Karte.

Bei der Übung im Bereich „Proportionen“

zum Beispiel lautet der Impuls:

„Markiere: Diese Buchstaben und Wörter

sind formklar und gut lesbar.“

Buchstaben, die den Schwerpunkt

des anschließenden Schriftgesprächs

bilden, sind im Abschreibtext markiert.

Dies sind Buchstaben wie „S, s“,

„K, k“, „V, v“, „Z, z“, „P, p“, und „W, w“.

Die Kinder kreisen für sie Gelungenes

ein. Wenn das Kind damit fertig

ist, entscheidet es, mit wem

es über sein Geschriebenes

Schreibmotorikkartei:

verschiedene Schwerpunkte

und somit über seine Handschrift sprechen

möchte. Dazu werden immer die

gleichen Möglichkeiten angeboten: Das

Kind entscheidet, ob es allein, mit einem

Partnerkind, in der Kleingruppe oder

mit der Lehrkraft spricht. Dabei gilt immer

der Grundsatz, dass zunächst gelobt

und nötigenfalls ein Tipp zur Verbesserung

der Handschrift gegeben wird. Im

Fall des Schwerpunktes „Proportionen“

wäre dies z.B.: „Hier ist nicht genau zu

erkennen, ob das ‚S‘ groß- oder kleingeschrieben

ist.“

Ein anderes Beispiel stellt die Reflexion

der „Stiftauswahl“ dar. Die Lehrkraft

stellt den Kindern verschiedene

Schreibwerkzeuge zur Auswahl. Da der

Bleistift im dritten und im vierten Schuljahr

ein zur Genüge erprobtes Schreibwerkzeug

ist, kann auf diesen bei dieser

Übung verzichtet werden. Im dritten

und im vierten Schuljahr liegt hier der

Schwerpunkt oft auf den Schreibgeräten

mit „Tinte“ im weitesten Sinn. Das

können der klassische Füller mit Feder

und mehrere verschiedene Tintenschreiber

sein. Inzwischen ist hier die Auswahl

sehr groß und es bietet sich an, die Kinder

verschiedene Tintenschreiber ausprobieren

zu lassen. Auch Filzstifte oder

GS aktuell 169 • Februar 2025

17


Praxis: Schrift und Schreiben über die Fächer hinaus

Fineliner können erprobt werden. Ziel

kann oder soll sein, ein für sich geeignetes

Schreibwerkzeug zur Entwicklung der

eigenen Handschrift zu finden, aber auch

Schreibgeräte für verschiedene Anlässe

(z. B. Plakate) zu reflektieren. Auch hier

stehen die Kriterien Leserlichkeit, Formklarheit

und Flüssigkeit im Vordergrund.

Die Übung kann erweitert werden um das

Kriterium Schreibdruck Beispielhaft können

folgende Kriterien von den Kindern

in ihrem Reflexionsgespräch besprochen

werden:

Reflexionsimpulse Stiftauswahl

„Welches Schreibwerkzeug liegt am besten

in meiner Hand?“ · „Mit welchem kann ich

am flüssigsten schreiben?“ · „Kratzt die

Feder und kann ich mit einem Tintenschreiber

oder -roller besser schreiben?“ ·

„Wie ist der Schreibdruck?“ · „Mit welchem

Schreibgerät fühlt sich meine Hand am

besten an?“ · „Strengt mich ein Schreibwerkzeug

mehr an?“ · „Drückt dieser Stift

durch das Papier?“ · „Wofür eignet sich ein

dicker Filzstift?“

Kinder, die mit diesen Schreibgeräten

mühelos schreiben, können ihre Reflexion

erweitern, indem sie die Korrektur

von Fehlern in ihre Übung und die

anschließende Reflexion aufnehmen.

„Wie werden Fehler korrigiert, wenn ich

keinen Radiergummi benutzen kann?“

Kinder können mit dem „Tintenkiller“

üben und sich ausprobieren. Sie können

Wörter mit Lineal durchstreichen

und entdecken dabei, dass Tinte in Verbindung

mit einem Lineal verschmieren

kann. Sie versuchen sich darin, möglichst

wenig bis gar nichts zu verschmieren,

und finden somit ihren eigenen Weg der

Fehlerkorrektur mit dem entsprechenden

Schreibwerkzeug. Besonders für Kinder,

die linkshändig schreiben, bietet

die Reflexionskarte zur Stiftauswahl in

der Schreibmotorikkartei eine wichtige

Übungs- und Reflexionsform.

Auch in diesen Reflexionen wählen

die Kinder aus, mit wem sie sich besprechen

wollen. Insbesondere Kinder, die

Probleme mit ihrer Schrift haben, wählen

häufig die Option, mit der Lehrkraft

zu sprechen. Für diese ist im Schriftgespräch

eine wertschätzende Rückmeldung

wichtig. Sie gibt Tipps, wo man

Verbindungen setzen könnte oder wie

der Weg zu mehr Leserlichkeit gelingen

kann. Das ist auch für die Arbeit

der Kinder in der Kleingruppe zentral.

Sie schauen auf das, was an der Schrift

gut gelungen ist, und kreisen die besonders

gelungenen (leserlichen, formklaren)

Stellen ein. Die Arbeit folgt damit

den im Schriftspracherwerb und in

der Förderdiagnostik bewährten Fragen

von Mechthild Dehn, die eine „Könnensperspektive“

einnehmen: „Was kann

das Kind schon? Was muss es noch lernen?

Was kann es als Nächstes lernen?“

(Dehn/Hüttis-Graff 2006, 18)

Die Arbeit mit den Karteikarten, die

das Schriftgespräch als Ziel haben, kann

auch im Rahmen einer Stationenarbeit

oder in Tages- oder Wochenplänen angeboten

werden.

Im dritten und im vierten Schuljahr

ist bei einigen Kindern die Entwicklung

der eigenen Handschrift schon sehr weit

fortgeschritten und nicht jedes Kind

muss seine Handschrift mit den Kriterien

Formklarheit, Leserlichkeit und

Flüssigkeit reflektieren, weil diese schon

gegeben sind. Diese Kinder kann man,

während die anderen Schüler*innen die

Bewegungsabläufe weiter üben und verfeinern,

mit Schrift gestalten lassen. Der

Bereich „Gestalten mit Schrift“ gehört

als ein Baustein zum Grundschriftkonzept.

Sie können beispielsweise ein Gedicht

besonders schön abschreiben und

zur Präsentation gestalten, beispielsweise

mit dem Computer verschiedene

Schriften ausprobieren. Weitere Aufgaben

zum Gestalten mit Schrift sind im

roten Kleeblattheft zusammengefasst.

Literaturangaben zum Artikel

können Sie von unserer Website herunterladen:

https://t1p.de/GSa169Lit

Anna Fruhen-Witzke

Geläufig, flüssig und

leserlich schreiben üben

Kinder wissen häufig nicht, wie sie ihre Schrift verbessern können (vgl. Teuscher

in diesem Heft). Das Grundschriftkonzept bietet für die Jahrgangsstufen 3 und

4 Ansätze und Materialien zur Übung und zur Weiterentwicklung der persönlichen

Handschrift. Dabei werden die Kinder durch Rückmeldungen und Reflexionen

begleitet. In diesem Beitrag wird dargestellt, welche Übungsangebote das

Grundschriftkonzept nach dem Erlernen der Schreibbewegungen bietet.

In der Schuleingangsphase haben die

Kinder die Druckbuchstaben der

Grundschrift und die vorgeschlagenen

Verbindungen gelernt und geübt. In der

zweiten Hälfte der Grundschulzeit haben

die Kinder die Schreibbewegungsrichtungen

der Buchstaben bereits weitgehend

automatisiert. Bewegungsrichtungen

werden in Jahrgangsstufe 3

und 4 mit dem Ziel der Erhöhung des

Schreibtempos beim Verschriftlichen von

Wörtern und Sätzen weiter geübt.

Ungünstige Bewegungsrichtungen können

noch verändert werden und das

Anna Fruhen-Witzke

ist Grundschullehrerin in NRW und

arbeitet in der Projektgruppe Grundschrift

des Grundschulverbands mit. Sie

unterrichtet die Fächer Sport, Deutsch,

Mathe und Englisch.

Schriftbild wird im Sinne der Formklarheit

und der Leserlichkeit verbessert und

weiterentwickelt. Auch in den ersten

Klassenstufen der weiterführenden Schulen

kann ein Fokus auf die Schrift und die

18

GS aktuell 169 • Februar 2025


Praxis: Schrift und Schreiben über die Fächer hinaus

Abb. 1: Geläufig schreiben üben mit

kurzen Texten – möglichst schnell und

leserlich schreiben

klare Form der lateinischen Buchstaben

sowie das flüssige Schreiben gelegt werden.

Kinder mit Zuwanderungsgeschichte

aus Ländern, in denen andere Schriftzeichen

genutzt werden, profitieren von

der Arbeit mit den Materialien des Grundschriftkonzeptes.

Wie kann mit der Grundschrift

geübt werden?

Grundlage für die Weiterentwicklung

der eigenen Handschrift ist die reflektierende

Betrachtung der Schrift und des

motorischen Schreibprozesses. Daran

schließt sich die motorische Übung mit

verschiedenen Schwerpunkten an.

Im dritten und im vierten Schuljahr

schreiben die Kinder in allen Unterrichtsfächern

zunehmend längere Texte sowohl

als Abschreibtexte oder beim „Schönschreiben“

von Gedichten als auch beim

Verfassen von Texten und Sachtexten in

anderen Fächern. Dabei wird gleichzeitig

immer auch die Automatisierung der

Schrift geübt, wenn den Kindern durch die

reflektierende Betrachtung klar ist, welche

Aspekte des Handschreibens geübt werden

sollen. Dabei sind die Reflexion und das

Üben der Schrift nicht ausschließlich auf

den Deutschunterricht reduziert. Auch im

Sachunterricht oder im Religionsunterricht

kann bspw. bei der Plakaterstellung thematisiert

und geübt werden, wie die Anordnung

der geschriebenen Teile übersichtlich

gestaltet werden kann. Die Wichtigkeit der

Leserlichkeit und der Formklarheit für die

Plakatbetrachter:innen kann reflektiert

werden.

Regelmäßige, kurze, gezielte Aufgaben

zur Entwicklung der Handschrift mit dem

Schwerpunkt Geläufigkeit und Flüssigkeit

werden im Deutschunterricht oder als

Wochenplanaufgabe bearbeitet. Eine Auswahl

an Übungen ist im roten Kleeblattheft

zusammengestellt. Diese Aufgaben

Abb. 2: Verbindungen üben und reflektieren

sind exemplarisch und können auch auf

andere kurze Texte zur weiteren Übung

des Handschreibens übertragen werden.

Es werden kurze Sätze und Texte mit

verschiedenen Übungsschwerpunkten

wiederholt geschrieben, sodass die

Kinder erproben und vertiefen können,

wie sie ihre Schrift optimieren können.

Nach der Übung wird mithilfe der drei

Kriterien die Qualität der eigenen Handschrift

überprüft (Abb. 1).

Kriterien für die Handschrift

• formklar

• leserlich

• flüssig

Die Kriterien zur Handschrift für die Grundschulzeit

und darüber hinaus.

Grundschriftverbindungen im Blick

Die Kinder haben nach der Erarbeitung

der Druckbuchstaben die Verbindungen

kennengelernt und geübt. Im dritten und

im vierten Schuljahr findet eine weitere

Automatisierung der flüssigen Schreibbewegung

statt, sodass die Kinder eine

geläufige und zügig zu schreibende Handschrift

entwickeln. Die Grundschriftverbindungen

werden weiter thematisiert

und geübt. Dazu können die Karteikarten

der Grundschriftkartei genutzt werden.

Davon ausgehend erarbeiten die Kinder

mit der Lehrkraft im Plenum oder

in Schriftgesprächen, in Kleingruppen

oder mit verschiedenen Partner:innen

weitere Verbindungsmöglichkeiten

(Bartnitzky 2011, 26ff.). Die Bewegungsgruppen

der Buchstaben, Verbindungsversuche

der Mitschüler:innen und auch

Erwachsenenschriften werden betrachtet

und in Schriftgesprächen reflektiert.

In Schriftübungseinheiten werden die

besprochenen Aspekte angewendet. Die

Betrachtung der Schriften anderer trägt

zur Weiterentwicklung der eigenen Schrift

bei. Die drei Kriterien als Leitlinie für die

persönliche Handschrift (siehe Kasten)

sind den Kindern bereits aus der Schuleingangsphase

bekannt.

Es bieten sich viele Möglichkeiten an,

in Reflexionsgesprächen Verbindungen

zu entdecken und für die eigene Schrift

zu nutzen:

● Bewegungsgruppen betrachten (Rückseiten

der Grundschriftkarteikarten) und

weitere Verbindungen finden: bspw. „du“

kann wie „au“ verbunden werden.

● Buchstaben mit Wendebögen betrachten:

Alle Buchstaben, die mit einem

Wendebogen auf der Grundlinie weitergeschrieben

werden, können gut verbunden

werden.

● Schreiben mit dem Reflexionsanlass:

„Achte darauf, mit Schwung zu schreiben.“

Im anschließenden Gespräch mit

einem Partnerkind können die Kinder

sehen, dass jede:r an unterschiedlichen

Stellen, die nicht zwangsläufig verbunden

sein müssen, mit Schwung schreibt.

Die Kinder können auch neue Verbindungsmöglichkeiten

entdecken sowie

ungünstige Verbindungen herausstellen.

Dabei ist eine Begleitung durch die

Lehrkraft, die Aspekte der Gespräche im

Plenumsgespräch aufgreift, wichtig. Hier

können auch häufig auftretende ungünstige

Verbindungen wie z. B. die Verbindung

zum kleinen s thematisiert werden.

● Stehen die Buchstaben im Wort eng

beieinander, wirkt die Schrift für die Leser:in

deutlich verbundener. Mit den Kindern

kann thematisiert werden, dass die

Wortlücken deutlich erkennbar und die

Abstände zwischen den Buchstaben im

Wort eher klein sein müssen. Dadurch

werden auch schwungvolle Verbindungen

von Buchstaben mit Wendebögen

leichter ermöglicht. (Abb. 2)

Weitere Reflexionsanlässe und ausführliche

Beispiele für Schriftgespräche

sind bei Kumschlies und Ruf in diesem

Heft beschrieben.

GS aktuell 169 • Februar 2025

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Praxis: Schrift und Schreiben über die Fächer hinaus

Abb. 3: Üben mit Bewegungsgruppen

der Buchstaben, Klasse 2

Training des flüssigen und

geläufigen Schreibens

mit der Grundschrift

Bewegungsgruppen der Buchstaben

Durch die Einteilung der Buchstaben in

Bewegungsgruppen können Kinder nach

Beratung mit der Lehrkraft individuell

an den Bewegungsrichtungen arbeiten,

bei denen noch Übungsbedarf besteht.

Schreibt ein Kind das kleine a bspw. oben

offen, sodass es wie ein u aussieht, bietet

sich die Übung und Wiederholung aller

Linksovalbuchstaben (c, C, O, o, e, a, d,

G, g, Qu, qu) an. Das Üben ist so vielseitiger

und dennoch wird der gleiche

Fehlerschwerpunkt geübt. Außerdem

gelingen einige der Buchstaben einer

Bewegungsgruppe häufig schon.

Ein weiteres Beispiel: Haben Kinder

eine unklare Bewegungsrichtung bei der

Schreibung des kleinen d entwickelt und

der Buchstabe ist dadurch nicht formklar

geschrieben, kann die Bewegungsgruppe

bei der Übung helfen. Über die Thematisierung

der Bewegungsverwandtschaft

zum kleinen a, das oftmals richtig

geschrieben wird, kann die richtige

Schreibrichtung des d geübt, fokussiert

und in die eigene Alltagsschrift übernommen

werden. Auf den Rückseiten

der Buchstabenkarte ist die jeweilige Bewegungsgruppe

komplett abgedruckt.

Die Karten der Grundschriftkartei können

als Fördermaterial bis in Sekundarstufe

genutzt werden (Abb. 3).

Experimente und Reflexionen – bewusst

an der Handschriftentwicklung arbeiten

In Experimenten sollen die Kinder verschiedene

Schwerpunkte erproben und

reflektieren, die eine leserliche, formklare

und flüssige Handschrift ausmachen.

Zu den Experimenten gehört

auch immer die Reflexion des geübten

Schwerpunktes mithilfe der drei Kriterien,

damit die Kinder eine Einschätzung

erhalten, welche Variante

auch die Kriterien erfüllt.

● Schriften Erwachsener sammeln und

analysieren

Über die Betrachtung der Schriften

schreibgeübter Erwachsener können

Kinder Vorbilder für Varianten für ihre

eigene Handschrift finden, aber auch

herausfinden, was unleserlich ist und

anders geschrieben werden müsste. Zum

Beispiel, wenn Erwachsene das n wie ein

u schreiben.

● Schriftgröße ändern – besonders

groß oder klein schreiben

Kinder haben bei diesem Experiment die

Möglichkeit, mit ihrer eigenen Schriftgröße

zu spielen und auszuprobieren,

welche Größe für sie gut zu schreiben

und für andere gut leserlich ist.

● Schreibtempo variieren – unterschiedlich

schnell schreiben

Das Schreibtempo beeinflusst die Leserlichkeit

der Schrift. Ziel dieser Übung

ist es, so schnell und flüssig wie möglich

und dabei immer noch gut leserlich und

formklar zu schreiben.

● Schreibgeräte erproben – den richtigen

Stift für sich finden

Jedem Kind liegen Schreibgeräte unterschiedlich

in der Hand und es ist wichtig,

dass jedes Kind den für sich passenden

Stift findet. Das ist sicherlich in der

Grundschule oft der Bleistift, aber spätestens

beim Übergang in die weiterführende

Schule kommt der Aspekt der

Dokumentenechtheit hinzu und der Bleistift

wird nicht mehr als Schreibgerät

akzeptiert. Deshalb ist es Aufgabe der

Grundschule, gemeinsam mit den Kindern

verschiedene Stifte zu erproben.

Auch dicke Filzstifte gehören zu diesen

Erprobungen dazu und es wird reflektiert,

dass diese für große Schriftgrößen

bspw. auf Plakaten das richtige Schreibwerkzeug

sind. Das Tippen mit der Tastatur

zu reflektieren, kann im Rahmen dieser

Aufgabe auch angesprochen werden.

● Den eigenen Namen trainieren –

Unterschrift

Der eigene Name kann besonders motivierend

sein, um besonders schwungvoll

zu schreiben oder Buchstabenvarianten

auszuprobieren. Dabei kann thematisiert

werden, ob man mehrere Varianten

benötigt, den eigenen Namen zu schreiben:

besonders formklar und leserlich

beim Ausfüllen von Formularen

und besonders schwungvoll, sogar verschnörkelt

oder nicht leserlich bei der

eigenen Unterschrift. Wann muss ich

was anwenden?

Die Ideen der Experimente können als

Schreibübungen in den Unterricht integriert

und beispielsweise mit der Rechtschreibübung

„Satz des Tages“ kombiniert

werden. Zusammengefasst sind sie

im roten Kleeblattheft, in dem die individuelle

Bearbeitung durch die Kinder

möglich ist.

Abb. 4: Experiment Schreibtempo im roten Kleeblattheft

Trainingsangebote zum Schreibtempo

Im Abschnitt Training werden im roten

Kleeblattheft Wörter und kurze Texte

angeboten, die immer mit einer knappen

Zeitvorgabe schnell geschrieben werden

sollen. Dadurch soll das Schreibtempo bei

einer gleichzeitig leserlichen und formklaren

Schrift gesteigert werden. Die Texte

20

GS aktuell 169 • Februar 2025


Praxis: Schrift und Schreiben über die Fächer hinaus

sind auch geeignet, im eigenen Heft nochmals

geschrieben zu werden und dazu

einen der oben beschriebenen Experimentschwerpunkte

zu bearbeiten.

Die Experimente zum Schreibtempo,

zum Schreibgerät und zur Schriftgröße

sowie das Training zum Schreibtempo

können regelmäßig mit anderen Bereichen

des Deutschunterrichts kombiniert

werden, z. B. mit Lernwörterübungen,

Abschreibtexten oder Wortschatztrainings

zum Grundwortschatz (Abb. 4).

Gestalten mit Schrift

Zur Übung und Entwicklung der Handschrift

gehört auch der Aspekt Gestalten

mit Schrift. Schriftgestaltung ist die

ästhetische Bearbeitung mit oder von

Buchstaben und Handschrift, aber auch

die Ausarbeitung von Schriftdesign an

digitalen Geräten.

Beim Abschreiben von Gedichten,

bspw. in Bezug zu den Jahreszeiten, können

Abschreiben und Gestaltung des

Gedichts als Kombination von Ästhetik

und Formklarheit und Lesbarkeit reflektiert

werden. Aufgaben zum Gestalten

mit Schrift sind im zweiten Teil des roten

Kleeblattheftes zu finden. In der zweiten

Hälfte der Grundschulzeit kann ein

Unterrichtsthema zur Schrift angeboten

werden: „Schriften der Welt“ oder

„Schriften früher und heute“. In diesem

Bereich ist fächerübergreifendes Arbeiten

mit dem Kunstunterricht möglich.

Die Arbeit an der Schrift im dritten

und im vierten Schuljahr kann die Schule

in einem schulinternen Arbeitsplan

festhalten. Ein Beispiel für einen Arbeitsplan

ist zu finden auf der Homepage des

Grundschulverbandes unter dem Punkt

Grundschrift im Downloadbereich à

Zusatzmaterialien Grundschrift.

Weitere Informationen

finden Sie hier:

Kleeblattheft 4 Grundschrift:

Das rote Heft

zum Lernen und Üben

– Mit Schrift gestalten

Schulinterner

Arbeitsplan Schrift

Literatur und Links

Bartnitzky, H. (2011): Grundschrift: Konzept

und Begründungen. In: Bartnitzky, H.,

Hecker, U., Mahrhofer-Bernt, C. (Hrsg.):

Grundschrift. Damit Kinder besser schreiben

lernen. Frankfurt am Main. Grundschulverband,

12–30.

Linda Kindler

Schreiben lernen mit der Grundschrift

Mit Schwung durch den Anfangsunterricht

Wie kann das Buchstabenlernen mit der Grundschriftkartei im ersten Schuljahr

aussehen? Und wie gelingt die Erarbeitung der Buchstabenverbindungen im Anschluss?

Vor dem Hintergrund vieler Jahre

Erfahrungen mit der Grundschrift

gebe ich in diesem Artikel

Einblicke in meinen Unterricht,

zeige Abläufe auf, die sich bewährt

haben, und weise auf Stolpersteine hin.

Kennenlernen der Kartei 1

Ich starte mit der Einführung der

Grundschriftkartei in unserer ersten

Schreibstunde, meist in der zweiten

oder dritten Schulwoche. Wir versammeln

uns im Kreis, die Karteikarten

liegen auf dem Boden verteilt, manche

mit der Rückseite nach oben. Abhängig

von den Lernvoraussetzungen der Kinder

nehme ich die Groß- und Kleinbuchstaben

oder lasse die Kleinbuch-

Buchstaben der orangenen Gruppe mit

einer Zickzackbewegung geschrieben

wurden, räumen wir auch diese Karten

ein. Die Kinder versehen die Karteikästen

mit den entsprechenden Übersichten

der Buchstaben. So wissen sie immer, in

welchem Kasten sie einen Buchstaben

finden. Wir besprechen noch den Platz

im Deutschregal für die Grundschriftstaben

in dieser Stunde noch weg. Die

Kinder erzählen, welche Buchstaben sie

schon kennen, finden die Anfangsbuchstaben

ihrer Namen, wir sprechen und

lachen über einige Grafiken und probieren

die dargestellten Bewegungen aus.

Schließlich frage ich nach: Wie können

wir die Karteikarten sortieren, damit

du schnell den Buchstaben findest, den

du schreiben möchtest? Schnell kommen

die Kinder auf die Idee, nach Farben

zu sortieren, und wir stecken jede

Gruppe in einen Karteikasten. Die Karten

der orangefarbenen Gruppe lege ich

noch einmal in die Kreismitte, denn ich

möchte nachhaken: Warum gehören

denn diese Buchstaben zu einer Gruppe?

Was haben sie gemeinsam? Nachdem die

Kinder herausgefunden haben, dass alle

Linda Kindler

ist Sprecherin der Projektgruppe

Grundschrift im GSV und Grundschullehrerin

in Köln.

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Praxis: Schrift und Schreiben über die Fächer hinaus

Die Karteikarten liegen in der Mitte des

Sitzkreises und regen die Kinder zu Gesprächen

und Bewegungen an

kartei: unter dem Plakat „So übe ich die

Grundschrift“. In der zweiten Schreibstunde

bespreche ich mit den Kindern

anhand dessen die einzelnen Arbeitsschritte.

Somit haben wir den Leitfaden

für unsere Schreibstunden. Als Einstiege,

die die Kinder auf das Schreiben einstimmen

und gleichzeitig die Schreibmotorik

fördern und helfen, die Bewegungsabläufe

der Buchstaben zu verinnerlichen,

nutze ich:

● einem Partner auf den Rücken malen

(Buchstabengrundformen, dazu passende

Bilder, ganze Buchstaben)

● Schreiben (Buchstabengrundformen,

Buchstaben) oder Schwungübungen zu

leiser Musik

● Bewegungen einer Bewegungsgruppe

gemeinsam ausprobieren

● Bewegungsabläufe großräumig trainieren

(in der Luft mit dem Schreibarm,

an der Tafel, auf großem Papier)

● Bewegungsabläufe auf „Klebebandstraßen“

nachfahren (mit dem Finger,

einer Figur, einem Auto)

Schreiben mit der Kartei 1

Die Kinder wählen einen Buchstaben

aus, den sie üben möchten. Nach einiger

Zeit reflektiere ich mit den Kindern

deren Auswahl und berate sie

gegebenenfalls, z. B. mit einfachen

Bewegungsgruppen zu starten oder ähnliche

Buchstaben nacheinander

zu üben. Zu Anfang halte ich

mich bewusst beobachtend

zurück, denn mich haben

viele Kinder schon oft

dahingehend überrascht,

wie viel Sinn

ihre Auswahl der

Buchstaben ergibt.

Bevor die Kinder

den gewählten Buchstaben

in ihr Heft

schreiben, fahren sie

diesen mit dem Zeigefinger

fünfmal auf der

Karte nach, anschließend

fünfmal auf dem Tisch. Dabei

ist es mir sehr wichtig, dass

sich die Kinder an die vorgegebene

Bewegungsrichtung halten. Erst

dann kommt der Stift zum Einsatz. Die

Wörter auf den Karteikarten dienen der

Differenzierung und dürfen ebenfalls

geschrieben werden. Nach dem Schreibenüben

gehen die Kinder miteinander

ins Gespräch: „Welche sind die schönsten

Buchstaben? Bitte kreise sie ein.“

Anfangs hilft es, die Karteikarte zum

Vergleich neben das Heft zu legen, um

Rückmeldungen zur Formklarheit zu ermöglichen.

Nun wählen die Kinder den

nächsten Buchstaben zum Schreiben aus.

Wann haben die Kinder einen

Buchstaben „genug“ geübt?

Im Austausch mit anderen Lehrkräften

habe ich schon häufiger gehört, dass

diese den Kindern vorgeben, wie häufig

der Buchstabe geübt werden muss: eine

Seite voll, zehnmal … Ich verzichte auf

diese Vorgabe ganz bewusst, weil der

Übungsbedarf so unterschiedlich ist,

das Ziel gleichzeitig so klar: Der Buchstabe

muss formklar sein, das A beispielsweise

muss aussehen wie ein A.

Ich und andere müssen es gut erkennen

können. Auf diese Weise ermögliche ich

den Kindern, nach individuellem Bedarf

zu üben, und suggeriere nicht, dass alle

Kinder nach einer gewissen Anzahl

geschriebener Buchstaben „fertig“ sind.

Üben alle Kinder von Beginn an

Groß- und Kleinbuchstaben?

Da die Kinder wie in allen Bereichen

mit sehr unterschiedlichen Lernvoraussetzungen

im Schreiben in die Schule

kommen, rate ich einzelnen Kindern,

zunächst nur bei den Großbuchstaben

zu bleiben. Ich lasse ihnen allerdings

immer gern die Chance, selbst auf

diese Idee zu kommen. Manche Kinder

sind zu Schulbeginn mit dem Schreiben

eines ganzen Buchstabens noch überfordert.

Sie lasse ich zunächst die Buchstabengrundformen

mithilfe der Kartei

„Schreibmotorik fördern“ üben. Der

große Vorteil der Bewegungsübungen

dieser Kartei im Unterschied zu vielen

Schwungübungen in Heften oder

auf Kopiervorlagen ist, dass die Kinder

nicht seitenweise Wellen, Zickzack o. Ä.

im Kontext von Bildern üben, sondern

die geübte Bewegung ganz gezielt auf

das Schreiben einer Gruppe von Buchstaben

vorbereitet. Alle Kinder arbeiten

also am Schreiben der Buchstaben mithilfe

einer Kartei.

Wer schreibt in welches Heft?

Ich lasse die Kinder zunächst so lange in

Blankohefte schreiben, wie sie viel Platz

für flüssige Schreibbewegungen brauchen,

und lege den Schwerpunkt auf das

Schreiben mit Schwung. Denn Schreiben

ist Bewegung, und neue Bewegungen

brauchen Platz. Wenn die Kinder die

Buchstabenbewegungen automatisiert

haben, können sie ihre Aufmerksamkeit

leicht auf Proportionen richten und ihre

Schriftgröße wird sich mit zunehmender

Schreibübung verkleinern. Also erhalten

die Kinder das Häuschenheft, um die Proportionen

der Buchstaben unterscheiden

zu lernen, im zweiten Schritt. Auf die klassische

Lineatur für das erste Schuljahr

verzichte ich weitgehend. Erwiesenermaßen

erhöhen wir beim Schreiben in

Begrenzungslineaturen unseren Schreibdruck

und verlangsamen dabei unser

Schreibtempo. Nicht selten sind insbesondere

schreibungeübte Kinder durch

zu frühes Schreiben in Begrenzungslineaturen

sehr schnell frustriert und

wenig motiviert, zu schreiben. Für mich

ist es selbstverständlich, dass in meinen

Klassen Kinder in unterschiedliche Hefte

schreiben. Ich halte diese Art der Differenzierung

bei aller Unterschiedlichkeit der

Schreibentwicklungen und Schriftgrößen

für unumgänglich. Damit löst sich der

Unterricht von der Zuweisung der klassischen

Lineaturen für die Klassen 1 bis 4,

denn hier hält sich etwas sehr hartnäckig,

was „einfach schon immer so war“.

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GS aktuell 169 • Februar 2025


Praxis: Schrift und Schreiben über die Fächer hinaus

Sprechen über Schrift

und Schreiben – ohne

Reflexionen funktioniert das

Grundschriftkonzept nicht

Die Reflexionen zu Beginn der Arbeit

mit der Grundschriftkartei sind in der

Regel gemeinsame Kreisgespräche am

Ende der Schreibstunde. Manchmal

gelingen mir auch schon kurze Schriftgespräche

mit einzelnen Kindern während

der Schreibphase. In den gemeinsamen

Reflexionen präsentieren Kinder ihre

geübten Buchstaben. Dabei ist das genaue

Zuschauen, während ein Kind schreibt,

ganz besonders wichtig, um den Schwung

zu beobachten. Jeder Buchstabe wird

gelobt und die Kinder geben freundliches

Feedback zum Weiterlernen. Hilfreiche

Fragen können sein: Welchen Buchstaben

hat … geschrieben? Kannst du den Buchstaben

gut erkennen? Hat … den Buchstaben

mit Schwung geschrieben? Woran

hast du das gesehen? Welchen Buchstaben

könnte … als Nächstes üben?

Häufige Tipps sind:

– Schreibe den Buchstaben/den Strich

von oben nach unten.

– Schreibe den Buchstaben/den Strich

von links nach rechts.

– Drücke etwas weniger mit dem

Stift auf.

– Schreibe mit etwas mehr Schwung.

Die Kinder, die an der Kartei Schreibmotorik

fördern arbeiten, lassen sich

ohne Komplikationen in die Reflexionen

integrieren, denn sie haben ja die

einzelnen Bestandteile der Buchstaben

geübt und können diese ganz gezielt

präsentieren, z. B. den Abstrich von

oben nach unten.

Ist die Zeit am Ende der Stunde doch

einmal zu knapp für eine ausführliche

Reflexion, bietet es sich an, Fotos von

den Heften der Kinder zu machen und

diese per Beamer oder Smartboard zu

präsentieren, um die Schreibarbeit der

Kinder zu würdigen.

Ich versuche, das gesamte erste Schuljahr

über eine feste Schreibstunde im

Stundenplan zu installieren. Zusätzlich

ist die Arbeit an der Grundschriftkartei

eine Aufgabe des Buchstabenplans.

Wie geht es nach den Buchstaben

weiter? Die Kartei 2

Die Grundschriftkartei 2 knüpft an das

Schreiben der einzelnen Buchstaben

Vor- und Rückansicht der Karteikarten,

Häuschenheft und Übungsanleitung

an und bietet eine übersichtliche

Anzahl häufig vorkommender

Buchstabenverbindungen und

–varianten an. Wichtig ist, gut zu

beobachten, wann die Kinder bereit für

den nächsten Schritt sind. Hier helfen

die drei Kriterien für die Handschrift:

Formklarheit, Lesbarkeit und Flüssigkeit

– und etwas Gelassenheit in Bezug

auf den Zeitpunkt. Erfahrungsgemäß

schadet es der Handschriftentwicklung

nicht, wenn Kinder ein paar Wochen

länger flüssig ohne Verbindungen auf

dem Papier schreiben. Versuchen sich

Kinder hingegen zu früh mit dem Verbinden

von Buchstaben, kommen Buchstabenverbindungen

auf Umwegen

zustande oder Verformungen der Buchstaben.

Es empfiehlt sich daher, die Kinder

individuell oder in kleinen Gruppen

mit der Kartei 2 starten zu lassen. Wenn

das Schreiben mit der Kartei 1 gut etabliert

ist, lässt sich der Ablauf leicht auf

Kartei 2 übertragen – mit einigen wichtigen

Anmerkungen. Im Unterschied zu

Kartei 1 leite ich die Kinder bei den Verbindungen

so an, dass sie sich für jede

einzelne Teilaufgabe viel Zeit nehmen

und nicht versuchen, eine Karteikarte in

einer Schreibstunde „zu erledigen“. Nur

so steht das Schreiben mit Schwung weiter

an erster Stelle.

● Ausgiebiges Ausprobieren und

Schreiben der Verbindungen: mit dem

Finger auf der Kartei/dem Tisch, auf

großem Papier mit verschiedenen Stiften,

an der Tafel/dem Whiteboard, Verbindungen

ins Schreibheft schreiben

und wie gewohnt reflektieren

● erst wenn die Verbindung flüssig gelingt,

die Wörter von der Karteikarte

üben

● weiter auf Wortebene üben: Wörter

und Namen finden und schreiben

● wenn das Schreiben einzelner Wörter

gelingt, einfache Sätze schreiben üben

● Übungstext von der Karteikarte

schreiben

Wie gehen die Verbindungen in

die Handschrift der Kinder über?

Bis Kinder eine Buchstabenverbindung

auch im alltäglichen Schreiben selbstverständlich

verwenden, kann es eine

ganze Weile dauern und viel Schreibtraining

eforderlich sein. Wichtig sind

hier zum einen möglichst viele Schreibgelegenheiten,

bei denen auch außerhalb

der Schreibstunde geübt werden

kann, wie das Schreiben von Lernwörtern,

Übungstexten etc. Zum anderen

hilft es, immer wieder kurze Reflexionen

einzubauen, um auf mögliche

Verbindungen hinzuweisen, wie z. B. ein

kurzer Kommentar zu meinem eigenen

Tafelanschrieb: „Schaut mal, ich verbinde

ch, wenn ich ‚Englisch‘ schreibe.

Wie machst du das?“ Diese kleinen

und natürlich auch die ausführlichen

Gespräche über Schrift und Schreiben

sind ein wesentlicher Baustein des

Grundschriftkonzepts (vgl. Ruf in diesem

Heft).

GS aktuell 169 • Februar 2025

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Praxis: Schrift und Schreiben über die Fächer hinaus

Johannes Wolz

Schreiben erleben: vom ersten Wort

zum Schreibzeit-Tag

Schreiben gehört zu den Schlüsselkompetenzen, die Kinder während der Grundschulzeit

entwickeln. Es ist weit mehr als das Beherrschen von Buchstaben und

Rechtschreibung: Schreiben eröffnet einen kreativen Raum, in dem Gedanken,

Ideen und Erlebnisse festgehalten und weiterentwickelt werden können. Um

diesen Raum optimal zu nutzen, sind klare Strukturen und inspirierende Methoden

essenziell, die Schüler:innen gezielt unterstützen und motivieren.

Unser „Milobuch“ bildet in meinem

Unterricht den Ausgangspunkt

für eine Schreibzeit nach

Beate Leßmann, die jedem Raum bietet,

entsprechend der eigenen Fähigkeiten

und Interessen zu schreiben. Am Tag

der Einschulung erhalten alle Erstklässler*innen

ihr persönliches Exemplar,

in das ich vorab einen kurzen

Begrüßungstext eingeklebt habe.

Gemeinsam schreiben wir dann das

erste Wort: SCHULE. Dieses Ritual

markiert den Beginn einer Reise, die

zum Ende der Grundschulzeit in einem

besonderen Schreibzeit-Tag ihren

Höhepunkt findet.

Schreiben von Anfang an

Mit dem „Milobuch“ erleben bereits

die Jüngsten am ersten Schultag, dass

Schreiben etwas Persönliches und Wertvolles

ist. Dieses Schreibbuch begleitet

die Lernenden über mehrere Schuljahre

hinweg und dokumentiert ihre

individuellen Fortschritte. Ich nutze

dafür robuste Notizbücher im Format

A4 mit Blankoseiten, die ausreichend

Platz für Texte und Zeichnungen

bieten. Die unlinierte Struktur

eröffnet Möglichkeiten für individuelle

Gestaltungen, da weiße Seiten auch

für Textsorten wie Comics oder Bildergeschichten

geeignet sind. In den ersten

Schreibzeiten notieren die Kinder

bekannte Buchstaben, Wörter und – je

nach Ausgangslage – vielleicht sogar

schon Sätze. Ergänzend runden sie ihre

Texte durch Zeichnungen oder kleine

Illustrationen ab. Manche entdecken

auch über das Malen den Zugang zum

Schreiben. Bereits zu Beginn unterstützt

die Grundschrift diesen Prozess:

Die Buchstaben werden durch

Bewegungsgruppen eingeführt, die eine

klare, flüssige und lesbare Schrift fördern.

Ab der zweiten Schulwoche steht

eine individuell angepasste Schreibtabelle

zur Verfügung, die auf der Lauttabelle

von Katja Siekmann (unter katjasiekmann.de,

Abruf am 05.11.2024)

basiert. Begriffe wie m in Milo, e in Ole

oder g in Gerda (die Klassentiere unserer

drei ersten Klassen) erleichtern das

Finden der Laute und stärken die Verbindung

zur Lebenswelt der Schüler:innen.

Ein weiteres Element im Anfangsunterricht

ist das „Schreiblabor“, in

dem verschiedene Schreibwerkzeuge

(Stifte, Lineaturen, Grundschriftkartei

zum Lernen und Üben – Teil 1, Schreibunterlagen

…) frei ausprobiert werden

können. So entdecken die Kinder spielerisch

ihre Vorlieben und lernen, bewusst

mit Materialien umzugehen. Ein Beispiel

aus dem Unterricht zeigt, wie solche

Erfahrungen Lernprozesse fördern:

Ein Schüler begann, mit einem Textmarker

zu schreiben, war jedoch überrascht,

dass dieser so „grob schreibt“.

Gemeinsam besprachen wir die Funktion

eines Textmarkers und testeten ihn

an verschiedenen Beispielen. Seitdem

markieren viele begeistert ihre „Lieblingswörter“

– ein kreativer Zugang, der

das Bewusstsein für den funktionalen

Einsatz von Schreibmaterialien stärkt.

Lieblingsritual Schreibzeit

Als fester Bestandteil des Stundenplans

schafft die Schreibzeit nach Beate Leßmann

regelmäßig Raum, Gedanken

kreativ umzusetzen und Schreibkompetenzen

zu erweitern. Sie findet

bei uns beispielsweise jeden Freitag in

der dritten Stunde statt. Dieses wöchentliche

Ritual ermöglicht es, vielfältige

Johannes Wolz

ist stellv. Schulleiter in Rheinland-Pfalz

und Vorstandsmitglied der Landesgruppe

des Grundschulverbands. Seit

2021 führt er den Blog „Milos Welt“ mit

Einblicken in die eigene Unterrichtspraxis

und selbst gestalteten Materialien.

Textarten zu entwickeln – ob Geschichten,

Tagebucheinträge, Wunschzettel,

Comics, Wortlisten oder kurze Notizen.

Die Schüler:innen entdecken dabei, wie

unterschiedlich Schriftstücke gestaltet

sind, und lernen, Ideen, Erlebnisse und

Stimmungen schriftlich auszudrücken.

Während der Schreibzeiten bin ich als

Lehrkraft äußerst präsent: Ich beobachte

genau, unterstütze bei Unsicherheiten,

gebe Rückmeldungen und Tipps oder

schreibe Wörter vor, wenn gewünscht.

Diese individuelle Begleitung stärkt

nicht nur die Schreibfertigkeiten, sondern

auch das Selbstvertrauen der Kinder

und macht sie offen für neue Lernprozesse.

Thematisch passende Impulse

wie „Wer ist im Ei?“, „Mein Zoo“ oder

„Hilfe, Ungeheuer!“ regen die Fantasie

an und bieten bei Bedarf einen

sicheren Einstieg. Ab einem späteren

Zeitpunkt, etwa im zweiten Lernjahr,

wird die Schreibzeit durch weitere systematische

Elemente bereichert, die

den Schreibprozess gezielt strukturieren.

So vertiefen die Lernenden ihre

Kenntnisse der Grundschrift, indem

sie Buchstabenverbindungen üben und

ihre Handschrift in Schriftgesprächen

reflektieren. Das Beachten der Kriterien

formklar, flüssig und lesbar dient nicht

nur als Orientierung, sondern auch als

Leitfaden, um die Entwicklung eines

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GS aktuell 169 • Februar 2025


Praxis: Schrift und Schreiben über die Fächer hinaus

sicheren, individuellen Schriftbildes zu

gewährleisten. Ein wichtiger Bestandteil

ist außerdem der „Satz des Tages“,

der zeigt, wie Kreativität und systematische

Schreibförderung ineinandergreifen.

Dabei gehen wir in folgenden

fünf Schritten vor:

1. Stolperstellen erkennen und markieren

2. Strategien finden und anwenden

3. Wortartensymbole (nach M. Montessori)

zuordnen

4. Passende Verbindungen gemäß

Grundschrift ausprobieren

5. Umstellen

Diese strukturierte Arbeit ergänzt die

kreativen Phasen ideal und unterstützt

kontinuierlich die Entwicklung wesentlicher

Schreibkompetenzen. Zeitgleich

bieten sich zahlreiche Gelegenheiten,

die Vielseitigkeit und die Individualität

von Texten zu erkunden. Der Prozess

wird besonders in Zweier- oder Dreierteams

lebendig, die sich gegenseitig

inspirieren. Ob allein oder gemeinsam –

die Schreibzeit lädt dazu ein, Selbstwirksamkeit

sowie Freude am Gestalten

von Texten zu erleben. Ergänzend zur

Schreibzeit bietet eine tägliche Lesezeit,

das sogenannte „Leseband“, vielfältige

Impulse für die Lernenden, neue

Ausdrucksformen auszuprobieren.

Vorleserunden mit Büchern wie Eine

Woche voller Samstage (Paul Maar) oder

Buchstabendschungel (Ursula Poznanski)

schaffen eine inspirierende Atmosphäre.

Auch Comics oder textlose

Bilderbücher aus der Klassenbibliothek

erweitern Wissen über Textsorten und

zeigen anschaulich, wie abwechslungsreich

Texte gestaltet sein können. Mit

der Zeit wächst das Verständnis für

Strukturen und Schreibarten nahezu

unbemerkt und birgt somit neue

Anregung, um eigene Schreibideen zu

entwickeln. Gemeinsame Lesestunden

mit der Patenklasse bieten zusätzliche

Chancen für den Austausch und stärken

die Motivation (Abb. 1).

Die Autorenrunde:

Reflexion und Inspiration

Ein zentraler Bestandteil der Schreibzeit

ist die Autorenrunde, die in Klasse

2 oder im späteren Verlauf des ersten

Schuljahres eingeführt wird. Sie bildet

deren Auftakt und schafft eine Atmosphäre

der Konzentration und Wertschätzung.

Jede Autorenrunde folgt

einem festen Fahrplan, der von Beate

Leßmann entwickelt wurde: Das gefällt

mir an dem Text, Schreibgeheimnisse,

Textsorte, Gedanken und Tipps. Dieses

strukturierte Vorgehen hilft den

Kindern, sich gezielt mit den Texten

ihrer Mitschüler:innen auseinanderzusetzen

und die eigene Kreativität zu

wecken. Geäußerte Ideen zu Schreibgeheimnissen

und Textsorten werden

auf bunten Karten notiert und im

Klassenzimmer aufgehängt. Als wertvolle

Impulse können sie von allen Kindern

genutzt werden und den kollektiven

Austausch fördern. Die Autorenrunde

bietet darüber hinaus Impulse

für die Weiterarbeit in der Schreibzeit:

Die Kinder entwickeln Texte weiter,

überarbeiten sie oder probieren neue

Textsorten aus. Partner- und Gruppenarbeiten

unterstützen diesen Prozess

und fördern zugleich die soziale Kompetenz.

Die fertigen Werke werden

anschließend in der Klasse präsentiert,

in einem Klassenbuch gesammelt oder

in der Schulzeitung veröffentlicht. Diese

Wertschätzung fördert nicht nur die

Identifikation mit den eigenen Texten,

sondern auch die Freude am Schreiben

nachhaltig.

Kreativität entfalten,

Selbstwirksamkeit erleben

Abb. 1: „Milobuch“ und

Ergebnisse einer Autorenrunde

Meine letzte vierte Klasse erfüllte sich

den Wunsch nach einem ganzen Tag

Schreibzeit. Dieser besondere Tag, im

Klassenrat eigenständig geplant, zeigte

eindrucksvoll, wie kreativ und eigenverantwortlich

Viertklässler:innen

arbeiten können, wenn sie den Raum

dafür erhalten. Sie brachten Federkiele,

Schreibfedern, Schreibmaschinen und

andere Materialien mit. Verschiedene

Angebote wie das Schreiben ägyptischer

Hieroglyphen mit Schablonen,

das Ausprobieren der Sütterlinschrift,

das Erlernen von Kalligrafie

oder erste Schritte in Latein sorgten

für eine abwechslungsreiche und produktive

Arbeitsatmosphäre. Auch bei

solch besonderen Projekten blieben die

Schreibbücher zentrale Begleiter. Sie

dokumentieren nicht nur kreative Ideen

und individuelle Fortschritte, sondern

dienen auch als wertvolles Werkzeug für

das weitere Lernen. In den Texten spiegeln

sich authentische Rechtschreibleistungen

wider, die gezielt weiterentwickelt

werden können.

Darüber hinaus bieten die „Milobücher“

nicht nur den Lernenden selbst

Einblick in ihre Entwicklung, sondern

sind auch für Eltern eine wertvolle

Grundlage. In Elterngesprächen ermöglichen

sie es, persönliche Entwicklungen

sichtbar zu machen und konkrete Lernschritte

nachvollziehbar darzustellen.

Die Schreibzeit ist weit mehr als ein

Unterrichtsformat – sie begleitet die

Schüler:innen über Jahre hinweg auf

ihrem individuellen Lernweg. Im Zusammenspiel

von klaren Strukturen, kreativen

Impulsen und dem gezielten Einsatz

der Grundschrift entwickeln sich Kompetenzen,

die weit über die Grundschulzeit

hinauswirken. Die Lernenden erweitern

ihren Horizont, indem sie neue Schreibstile

und Ausdrucksformen erkunden,

Gedanken klar formulieren, Texte überarbeiten,

Ideen verschriften – und auch

verwerfen –, ihre Handschrift verfeinern

und eigene Perspektiven durch die Auseinandersetzung

mit anderen Texten ergänzen

bzw. erneuern. Dabei erkennen

sie, dass Schreiben nicht nur ein kreatives

Werkzeug ist, um die eigene Welt zu

gestalten und mit anderen zu teilen, sondern

auch eine Möglichkeit, bleibende

Spuren zu hinterlassen.

GS aktuell 169 • Februar 2025

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Praxis: Schrift und Schreiben über die Fächer hinaus

Marion Gutzmann

Ressource Schriftvielfalt für die

Entwicklung der (persönlichen)

Handschrift

Längst halten in den Klassenzimmern nicht nur die Herkunftssprachen der Kinder

Einzug. Auch die Vielfalt der Schriften und Handschriften stellt eine der

Ressourcen dar, die u. a. für Schriftgespräche bewusst genutzt werden können.

Inspiriert durch den Materialbeitrag „Nachdenken über Handschriften“ von

Beate Leßmann in Grundschulunterricht Deutsch 1/2019 werden im Beitrag

Anregungen zu Schriftgesprächen vorgestellt, die u. a. dazu beitragen, „Handschriften

bewusster als kulturelles Werkzeug und Ausdruck sprachlicher Vielfalt

wahrzunehmen“ (Leßmann 2019, 37).

Der dreieinhalbjährige Emil deutete

beim gemeinsamen Bilderbuchbetrachten

mit seiner

Großmutter auf ein besonders hervorgehobenes

E von „Es war …“ und sagte:

„Mit diesem Geschreibe bin ich

geboren!“ Wie Emil interessieren sich

viele Kinder meist schon recht früh für

Schrift und entdecken in ihrer Umwelt

Spuren von Schrift, die für sie bald auch

eine Bedeutung tragen. Schriftspuren,

Schreibproben und Handschriften zu

sammeln, gehört seit Langem zur

Gestaltung eines reflexiv angelegten

Schreib- und Handschreibunterrichts

und trägt dazu bei, im Rahmen des

Schriftspracherwerbs die Bedeutung

von Schrift und die Kulturtechnik des

Schreibens zu erfahren. Ein Blick auf die

Schriften aller Kinder und ihrer Familien

lohnt sich und lädt dazu ein,

Schriftbilder als Merkmale unterschiedlicher

Kulturen wertzuschätzen. Anhand

von Schreibproben können sich die Kinder

mit den verschiedenen Schriften

auseinandersetzen und Schreibkriterien

wie Lesbarkeit, Geläufigkeit bzw.

Schreibtempo und Formklarheit thematisieren.

Vielfalt der sprachlichen

Voraussetzungen beachten

„Mehrsprachigkeit gilt prinzipiell als

Ressource und als konstitutive Dimension

der Ausrichtung des Unterrichts:

Sie ist die Grundlage für die sprachlichen

Aneignungs- und Lernprozesse

im Deutschen“ (Trägerkonsortium

BiSS-Transfer 2021, 8). Auch beim

Schriftspracherwerb und dem Erwerb

der Druckbuchstaben sowie einer verbundenen

Schrift als Übergangsschrift

zur persönlichen Handschrift sind die

unterschiedlichen Voraussetzungen der

Kinder aufzugreifen und zu beachten. So

macht es einen Unterschied, ob ein Kind

bisher noch in keiner Sprache alphabetisiert

worden ist. Hier ist eine generelle

Einführung in das Schriftsystem

und in die Bedeutung bzw. Funktion

von Schrift bedeutsam. Kinder, die in

kyrillischer Schrift alphabetisiert worden

sind (z. B. Russisch, Serbisch), lernen

das lateinische Alphabet mit der

für das Deutsche üblichen Phonem-

Graphem-Korrespondenz kennen und

Den Handschriften

der Kinder in

Schriftgesprächen

Wertschätzung

schenken

können ihre Schrifterfahrungen z. B.

im geläufigen und verbundenen Schreiben

gut einbringen. Wer in arabischer

Schrift, einer Konsonantenschrift, alphabetisiert

worden ist (z. B. Arabischsprecher:innen

aus dem Irak, aus Syrien oder

Afghanistan), lernen nun eine Buchstabenschrift

kennen, in der auch Vokale

notiert werden müssen. Für sie ist auch

Marion Gutzmann ist Vorsitzende des

Grundschulverbandes, Vorstandsmitglied

der Landesgruppe Brandenburg

und Rektorin i. R., und Mitglied des

Redaktionsteams Grundschule aktuell

die Gewöhnung an eine andere Schreibrichtung,

an Groß- und Kleinbuchstaben,

Druck- und Schreibschrift eine

besondere Herausforderung. Kinder,

die in einer Zeichen- oder Wortschrift

alphabetisiert sind (z. B. Chinesisch),

benötigen Unterstützung beim Kennenlernen

der generellen Funktionsweise

einer Buchstabenschrift mit einer spezifischen

Graphem-Phonem-Korrespondenz.

Vielfalt der Schriften als

sprachliche Bildungsressource

Die Anknüpfung an Herkunftssprachen

und damit auch an die Schriften der

Kinder wird so sichtbar und hörbar zum

Gegenstand des Sprach- und Schreibunterrichtes

und stellt eine besondere

sprachliche Bildungsressource dar. In

den KMK-Bildungsstandards wird

diese Ressource hervorgehoben, bezieht

jedoch die Schrift nicht explizit ein:

„Die Berücksichtigung von Herkunftssprachen,

Regionalsprachen und Dialekten,

auch der Deutschen Gebärdensprache

regt zum Nachdenken über

Sprache und Sprachen an und fördert

so die metasprachlichen Fähigkeiten

sowie die Sprachbewusstheit“

(KMK 2022, 20). Schrift in allen Hoch-

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Praxis: Schrift und Schreiben über die Fächer hinaus

Abb. 1: Schriftprobe in zwei Sprachen: arabisch, deutsch (© Beate Leßmann 2019)

Wie im Themen- und Praxisteil dieser

Zeitschrift mehrmals betont wird, stellen

die Schriftgespräche ein Herzstück

des Grundschriftkonzeptes dar, sind

aber auch auf andere empfohlene Schriften

übertragbar. Sowohl zu Beginn des

Handschreibens als auch beim Übergang

zur Entwicklung einer persönlichen

Handschrift richten die Schriftgespräche

sowohl den Blick auf den

Anspruch der Klarheit der Form und

damit einer besseren Lesbarkeit als auch

auf die Flüssigkeit der Bewegung.

Anhand der Schriftproben, die die

Kinder selbst geschrieben haben bzw. die

im familiären und kulturellen Umfeld

oder in der schulischen Gemeinschaft

von anderen Kindern und von Erwachsenen

gesammelt wurden oder von Personen,

die in zwei oder mehreren Sprachen

sprechen und schreiben können,

werden die Kinder nicht nur zum Nachdenken

angeregt, sondern auch zum

Ausprobieren und In-Beziehung-Setzen

persönlicher Schriftproben und Schriften

anderer.

Angelehnt an den Materialbeitrag von

Beate Leßmann können für Schriftgespräche

anhand der Untersuchung von

Schriftproben folgende Impulse gesetzt

werden:

Eine Handschrift soll gut lesbar sein.

● Welche Schrift ist gut lesbar?

● Welche Schrift kannst du nicht so gut

lesen? Warum?

● An welchen Stellen hattest du beim

Lesen Mühe?

Abb. 2: Schriftprobe in zwei Sprachen: slowakisch, deutsch (© Beate Leßmann 2019)

Eine Handschrift soll schön sein und

kann auch etwas Besonderes haben.

● Welche Schrift ist besonders schön

geschrieben? Was gefällt dir besonders

an dieser Schrift?

● Spure zwei der Schriftproben mit

dem Bleistift nach. Was fällt dir beim

Nachspuren auf?

kulturen ermöglicht seit jeher eine

unveränderte Weitergabe von Informationen

über große Entfernungen, an

spätere Generationen und über Landes-

und Kulturgrenzen hinweg. Der

Standard „Die Schülerinnen und Schüler

untersuchen an ausgewählten Beispielen

Gemeinsamkeiten und Unterschiede

verschiedener Sprachen“ (KMK

2022, 20) bietet, auch übertragen auf

die verschiedenen Schriften, in der die

Kinder alphabetisiert worden sind,

Möglichkeiten des Vergleichs (vgl.

Abbildung 1 und 2).

Auf phonologischer Ebene können die

Kinder die Aussprache der Wörter bzw.

einzelner Laute vergleichen (Wie klingt

bzw. spricht/liest man das Wort Slowakei,

wie klingt bzw. spricht/liest man das

Wort Slovenska?). Auf graphischer bzw.

auf graphemischer Ebene können Buchstabenformen

oder die Schreibrichtung

verglichen werden (Welche Buchstaben

ähneln sich? Welche Buchstaben

gibt es in anderen Schriften auch?

Gibt es Druck- und Schreibbuchstaben?

In welche Richtung wurde der Satz geschrieben?).

Auf syntaktischer und semantischer

Ebene können die Kinder

Satzstrukturen untersuchen (Wie viele

Wörter gehören zu einem Satz? Gibt

es Artikel? Werden Personalpronomen

genutzt? Wie wird das Wort / die Wortgruppe

in der anderen Sprache benannt?).

Generell können in Bezug auf

die verschiedenen Schriften und Herkunftssprachen

der Kinder auch beim

Betrachten von zwei- oder mehrsprachigen

Kinderbüchern Vergleiche zur

typografischen Gestaltung unternommen

werden: Sind die Texte z. B. in einer

besonderen Schriftart, Schriftanordnung

oder Schriftgröße verfasst? Gibt es einen

Schriftartenwechsel? Welche Gemeinsamkeiten

gibt es zwischen den verschiedenen

Schriften?

In Schriftgesprächen

Wertschätzung erfahren

Eine Handschrift soll schnelles Schreiben

ermöglichen.

● Welche Schrift ist wahrscheinlich

schnell geschrieben?

● Welche Buchstaben wurden auf dem

Papier verbunden, welche nicht?

● Welchen Tipp hast du für andere, um

schneller schreiben zu können?

Eine Handschrift kann ein Modell für

ein gutes / dein eigenes Schriftbild sein.

● Was möchtest du für deine Handschrift

übernehmen? Warum?

● Worüber möchtest du dich mit anderen

austauschen?

All diese Anregungen können sowohl

der Entwicklung der persönlichen Handschrift

einen reflexiven Rahmen geben

als auch der Mehrsprachigkeit der Kinder

und ihren Schriften eine besondere

Aufmerksamkeit und einmalige Wertschätzung

bieten.

Literatur:

Beate Leßmann (2019): Nachdenken über

Handschriften. In: Grundschulunterricht

Deutsch 1/2019, 37–45

KMK (2022): Bildungsstandards für das

Fach Deutsch. Primarbereich.

2022_06_23-Bista-Primarbereich-Deutsch.pdf

Trägerkonsortium BiSS-Transfer (Hrsg.)

(2021). Deutsch als Zweitsprache im Kontext

von Mehrsprachigkeit – Gemeinsame

Leitlinien für curriculare Grundlagen.

Sprachliche Bildung für neu zugewanderte

Kinder und Jugendliche in Kitas und

Schulen. Köln: Mercator-Institut für Sprachförderung

und Deutsch als Zweitsprache.

Deutsch als Zweitsprache im Kontext von

Mehrsprachigkeit

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Praxis: Schrift und Schreiben über die Fächer hinaus

Kirsten Kumschlies, Marion Gutzmann

Kinderbücher zum Thema

Schrift und Schreiben

Schrift und Schreiben sind spannende Themen, die Grundschulkinder

ab Beginn des Schriftspracherwerbs nahezu zwangsläufig beschäftigen.

Auch die Kinderliteratur nimmt sich dieses Themenkomplexes auf vielfältige

Art und Weise an. Sachbilderbücher präsentieren die Geschichte

der Schrift, Kinderromane setzen sich mit der Funktion von Schrift und

Schreiben in unserer Gesellschaft auseinander und verweisen auf ihre immense

Bedeutung.

Ekaterina Stepanenko und Natalja Jaskina legen eine eindrucksvolle

und reich bebilderte Geschichte der Schrift für Kinder

vor, in der auch Erwachsene noch viel lernen und entdecken

können. Der hier aufgemachte Blick auf die Schriftgeschichte

ist sehr weit. Denn es geht nicht nur um die Historie der Schrift,

sondern auch um die Geschichte des Buchdrucks vom Pergament

bis zu Gutenberg, um alte Bibliotheken, die Bibel, Buchkunst

und Literatur im Mittelalter (von Edda bis Tristan) und

schlussendlich auch auf einer Doppelseite um „die Geburt des

Kinderbuchs“. Die Informationen sind kompakt gebündelt und

werden stets anschaulich auf Doppelseiten präsentiert, auf denen die Illustrationen

von Natalja Jaskina breiten Raum einnehmen.

So ist das Sachbilderbuch eine reichhaltige

historische Fundgrube, die sowohl für die

häusliche als auch die schulische Lektüre zu

empfehlen ist.

(Ab 12 Jahren)

Diese umfangreiche Schriftgeschichte bietet interessierten

Kindern ab zehn Jahren einen Überblick über die Genese

der Schrift in Form einer Graphic Novel. Dabei ist der Blick

nicht eurozentrisch, sondern räumt vor allem asiatischen

Schriftsystemen breiten Raum ein und widmet auch Kunstschriften,

z. B. Tolkiens Kreationen für Elben, Zwerge und

Hobbits, ein eigenes Kapitel. Das großformatige Buch ist

sehr komplex und detailreich, die Zeichnungen sind überwiegend

schwarz-weiß gehalten und setzen nicht nur auf

die Darstellung der historischen und aktuellen Sachverhalte,

sondern vor allem auch auf Witz und Komik. Diese drückt sich zum Beispiel in dem

personifizierten Kothaufen-Emoji aus, das in den Dialog mit den Codierungsstandards

für Mobiltelefone in den 1990er-Jahren geht. Damit spannt das Comic-Sachbuch

einen Bogen von der Gegenwart, in der

wir von Typografie und Schrift umgeben sind,

über 5500 Jahre Schriftgeschichte zurück. Mit

Recht wurde die Graphic Novel im Jahr 2020

für den Deutschen Jugendliteraturpreis in der

Sparte Sachbuch nominiert.

(Ab 10 Jahren)

Ekaterina Stepanenko (2024):

Die Geschichte der Schrift

Aus dem Russischen

Verlagshaus Jacoby & Stuart

63 Seiten, € 20,00

Vitali Konstantinov (2019):

Es steht geschrieben.

Von der Keilschrift zum Emoji

Gerstenberg Verlag

80 Seiten, € 25,00

Salila wächst bei

ihrer liebevollen

Großmutter in

einem Düsseldorfer

Mietshaus auf. Die

Mutter ist bei der

Geburt gestorben.

Das Verhältnis

zwischen Oma

und Enkelin ist in

diesem spannenden Kinderroman sehr

sensibel gezeichnet und durch starkes

Vertrauen zueinander geprägt. Doch

plötzlich tauchen Briefe des Vermieters

auf, welche die Großmutter ungelesen

beiseitelegt. Nach und nach wird der

kindlichen Protagonistin die Brisanz der

Situation bewusst. Das Haus wird saniert

und von einer Hamburger Firma übernommen,

die Nachbar:innen ziehen alle

aus. Warum nur liest die Oma die Briefe

nicht? Schließlich deckt die Ich-Erzählerin

das Geheimnis auf: Ihre Großmutter kann

nicht lesen und schreiben und hat dies

aus Scham immer geschickt verborgen.

Ein spannender, realistischer Kinderroman,

der sich des wichtigen Themas

Analphabetismus annimmt und durch

sensible Figurenkonzeption überzeugt.

Am Ende erkennt die Großmutter, dass

sie auch im fortgeschrittenen Alter noch

lesen und schreiben lernen kann. Lieskes

Kinderroman präsentiert die Relevanz des

Schriftspracherwerbs und erhebt diesen

auch zum politischen Thema, indem sie

ihn mit den Folgen der Gentrifizierung

verbindet, gegen die sich Großmutter

und Enkelin zu wehren wissen – das funktioniert

aber nur mithilfe der Schrift.

(Ab 8 Jahren)

Tanya Lieske (2012):

Oma, die Miethaie und ich

Beltz & Gelberg

211 Seiten, € 7,00

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Praxis: Schrift und Schreiben über die Fächer hinaus

Die niederländische Autorin Enne Koens, die kinderliterarisch

bereits mit so eindringlichen Romanen wie

„Dieser Sommer mit Jente“ oder „Ich bin Vincent und

ich habe keine Angst“ brilliert hat, erzählt hier von

einem Mädchen, das sich – ausgelöst durch die Ankunft

eines geheimnisvollen Briefs – auf die Suche nach der

eigenen Herkunft macht. Denn Deetje weiß bis zum

Zeitpunkt der Erzählgegenwart nichts über ihren Vater. Sie wächst bei einer

alleinerziehenden Mutter auf, die ihr irgendwie fremd ist. Als eines Tages ein

seltsamer Brief eintrifft, gerät Deetjes Welt aus den Fugen. Es handelt sich um

einen Liebesbrief in vermeintlich weiblicher Handschrift, der mit dem Hinweis

„Retour an Absender“ versehen ist. Mit detektivischem Gespür macht

sich Deetje auf die Suche – von wem mag der Brief sein? Im Zuge ihrer

Ermittlungen, auf denen sie ihre Freunde Vito und Kevin begleiten, stößt sie

auf die Frage nach der eigenen Herkunft und entfremdet sich zunehmend von

ihrer Mutter, die jedes offene Gespräch verweigert. So verfolgt die Ich-Erzählerin

die fixe Idee, adoptiert worden zu sein. Koens bleibt in der Erzählweise ganz

nah an den Gedanken und den Gefühlen der Protagonistin, wodurch sie eine

eindringliche Sensibilität entfaltet, die beim Lesen unter die Haut geht.

Sie zeigt, wie wichtig es für Identitätsbildungsprozesse ist, die eigenen Wurzeln

zu kennen und ihnen nachzuspüren. Sie verweist damit auch auf die Bewahrfunktion

von Schrift, denn die Erinnerung der Mutter ist in dem Brief aufgehoben,

den Deetje findet. Schließlich ermöglicht das offene Gespräch den An-

Enne Koens (2024):

Von hier aus kann man

die ganze Welt sehen

Aus dem Niederländischen

Gerstenberg Verlag

208 Seiten, € 17,00

näherungsprozess zwischen Mutter und

Tochter. Ein eindrucksvoller Kinderroman,

der sehr zu empfehlen ist, sensibel

in der Figurenkonzeption und voller

symbolischer Kraft.

(Ab 9 Jahren)

Es ist Winter, der Wald ist verschneit. Alles beginnt mit

einem kleinen Zettel auf dem Acker. Botschaften auf

Zetteln, ausgelegt auf dem Acker, besondere Wörter,

Buchstaben und kleine Zeichnungen, eingeritzt in

Baumrinde, Gänse im Winkelflug, sich als U oder V formierend

– alle haben ihr eigenes Alphabet, denkt Anna.

In Morkels Baumhaus treffen sich die beiden und finden

eine besondere Freude am Entdecken der Natur und

was mit den Buchstaben geschieht, wenn sie zu Wörtern oder Sätzen werden,

und wie sie klingen. Mit den letzten Zugvögeln ist auch Morkel verschwunden.

Als es Frühling wird und auch die Vögel zurückkehren, legt Anna Zettel

mit Botschaften aus – endlich liegt auch wieder ein Zettel von Morkel auf dem

Acker … Jeder neue Textabschnitt beginnt mit einem ausgeschmückten und

verzierten Großbuchstaben als Initiale. „Ich habe dich gesehen“, schrieb Anna

auf den ersten Zettel. Ein besonderer Satz, der die entstehende Freundschaft

der beiden begleitet. Versteckt Morkel auf dem Cover noch sein Gesicht, zeigt

er es später unverhüllt. Zum Schluss liegen Anna und Morkel Kopf an Kopf

im Gras unter einem blühenden Baum. Stian Hole, norwegischer Autor und

Illustrator, vereint in seinen Bilderbüchern Fotos, Zeichnungen, realistische

Motive und surreale Verfremdungen zu digitalen Collagen und erschafft so

traumähnliche Wirklichkeiten. 2016 erhielt er für „Morkels Alphabet“ einen

großen Illustrationspreis, den Preis des Gemeinschaftswerks der Evangelischen

Publizistik. Das Bilderbuch lädt ein zum experimentellen Umgang mit Schrift

sowie dem Prozess des Schreibens, z. B.

Stian Hole (2016):

Morkels Alphabet

Aus dem Norwegischen

Carl Hanser Verlag

48 Seiten, € 14,90

beim Verfassen geheimer Botschaften und

beim Experimentieren mit unterschiedlichen

Schreibwerkzeugen und Materialien, auf denen

Botschaften hinterlassen werden können.

(Ab 6 Jahren)

Ein Stapel mit 14 Postkarten für Duncan:

mit Grüßen vom Teppich, vom Sofa, vom

Pool im Urlaub, versendet von Neonrot,

Rostbraun und Erbsengrün, vom Leuchtfarbstift

aus dem Keller, vom Türkis aus

dem Wäschetrockner. Überall hat Duncan

seine Farbstifte verloren, vergessen, vernachlässigt. Doch

fast alle Farbstifte wollen zu ihm zurück, manche wollen

dagegen vorher noch die weite Welt bereisen. Und so gibt es

auch überraschende Postkarten, z. B. von den Pyramiden aus

Berlin oder vom Amazonas im Schnee. In amüsanten kleinen

Geschichten kommen die Farbstifte auf je einer Doppelseite

zu Wort und erzählen per Postkarte von ihren kleinen

Abenteuern, ihren Gefühlen und Wünschen. Humorvolle

und ausdrucksstarke Illustrationen ergänzen die Postkartentexte.

Natürlich will Duncan seine Farbstifte wieder glücklich

machen und baut eine große Farbstiftbox, in der sich

alle wohlfühlen können. Mit dem vielfältig und originell

illustrierten Bilderbuch „Die Heimkehr der Farben“ schließen

Drew Daywalt und der preisgekrönte Illustrator Oliver Jeffers

an den Erfolg von „Der Streik der Farben“ an. Ein Buch, das

zum Erzählen, Schreiben,

Zeichnen und Erproben von

Stiften anregt.

(Ab 4 Jahren)

Im Mittelpunkt des dezent und

zurückhaltend illustrierten Bilderbuches

von Agnès de Lestrade steht

der große blaue Bär, oft in surrealen

Umgebungen, Ausschnitten und

wechselnden Perspektiven, mit

dem die Lesenden die unterschiedlichsten

Situationen und Gefühle erleben: Glück, Trauer,

Langeweile, Stille. Jeder Situation, jedem Gefühl werden

in einer eher nachdenklich-ruhigen Grundstimmung

zwei Doppelseiten mit bezaubernden Sprachkreationen

gewidmet. Mit „Ganz am Rand …“ beginnt der neue Text,

zwei Wörter werden jeweils typografisch hervorgehoben

und auf der zweiten Doppelseite als neue Verbschöpfung

vorgestellt. Gemeinsam mit dem Bären kann die Schönheit

der Wörter entdeckt werden: „Morgen werde ich

eiszapfenglitzern … meerrieseln … tränenschwimmen.“ In

seinem Buchzelt, umgeben von Buchstaben, ist Stille der

König. Wörter, die den Bären necken, schubsen und kratzen

– werden ihn morgen stillenecken. Mit „Morgen werde

ich randspringen“ endet das Bilderbuch, nun mit warmen

Farben illustriert und einem gelben Bären in einer sanft

schaukelnden Hängematte. Nicht sicher, ob er springen

wird. Bild und Sprache lassen in diesem Bilderbuch viel

Raum zum Träumen, Fühlen, Nachdenken und Philosophieren

mit Kindern, sicherlich auch eine unerschöpfliche

Quelle zum Erfinden

von Wörtern

und Gestalten des

Wörterglitzerns

mit Schrift.

(Ab 4 Jahren)

Drew Daywalt (2018):

Die Heimkehr der Farben

Aus dem Amerikanischen

NordSüd Verlag

40 Seiten, € 16,00

Agnès de Lestrade (2015):

Der Bär und das Wörterglitzern

Aus dem Französischen

Mixtvision Mediengesellschaft

48 Seiten, € 17,00

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Aus Praxis: der Schrift Forschung und Schreiben über die Fächer hinaus

Richard Böhme, Meike Munser-Kiefer, Beryl Exley und Sarah Prestridge

Wie sich Kinder die Rechtschreibung

mit einer Rechtschreib-App erschließen

Zusammenfassung

Der Artikel untersucht, wie Kinder die Rechtschreibung in einer digitalen Lernumgebung

erlernen und welches Rechtschreibverhalten sie dabei zeigen. Durch

die Nutzung der speziell entwickelten App talidu wurde nicht nur das Schreibergebnis,

sondern auch der zugrunde liegende Lernprozess sichtbar gemacht. Die

Analyse zeigte kaum Unterschiede in der Fehlerart, jedoch bei den Fehlerkorrekturen

und der Nutzung von Hilfsmitteln wie Audios, insbesondere bei Schüler:innen

mit hoher oder niedriger Rechtschreibleistung. Die Ergebnisse verdeutlichen

die Bedeutung einer mediengestützten Förderung, die kognitive Aktivierung und

selbst gesteuertes Lernen ermöglicht. Vor diesem Hintergrund wird für didaktische

Konzepte in einer Kultur der Digitalität plädiert, die konstruktive Schreibexperimente

fördern und es den Kindern erlauben, ihre Rechtschreibstrategien

individuell zu entwickeln und zu reflektieren. Wie dies gelingen kann, wird in

einem Ausblick anhand der weiterentwickelten talidu-App veranschaulicht.

Warum ändert sich der Rechtschreiberwerb

in der Digitalität?

Kinder sammeln heute multimodal

(mit verschiedenen Sinnen) und multimedial

(mit verschiedenen Medien)

Erfahrungen mit Schriftsprache. Dabei

sind digitale Medien mittlerweile fester

Bestandteil – einerseits als Teil der

Lebenswelt und andererseits als Ausgangs-

und Zielpunkt von Unterricht

(Hauck-Thum/Franz 2024).

Im Unterricht geht es um mehr als die

bloße Digitalisierung analoger Inhalte in

Interessantes zur Gesamtstichprobe

digitale Formate. Digitalität im Sinne

Stalders (2017) beschreibt eine Kultur,

in der digitale Medien nicht nur Werkzeuge

sind, sondern unsere Lernprozesse

verändern und prägen. Dies kann Lehrund

Lernsettings durch neue Formen

von Interaktion, Kollaboration und Reflexion

transformieren.

Beim Rechtschreiberwerb können

Kinder z. B. in digitalen Lernumgebungen

aktiv in Rechtschreibprozesse durch

multimodale und multimediale Zugänge

eingebunden werden. Sie können durch

individuelles, unmittelbares und / oder

Tablet-Erfahrung. Alle Schüler:innen gaben an, bereits Erfahrungen im Umgang mit

Tablets zu haben. An sechs der elf Schulen wurden Tablets bereits regelmäßig im Unterricht

eingesetzt.

Tippfähigkeit. Die Tippgeschwindigkeit der Kinder hing signifikant mit dem Alter und

der Rechtschreibleistung zusammen. In der Tippgenauigkeit fanden sich keine bedeutsamen

Zusammenhänge.

Familiensprache. Es gab kaum Unterschiede in der Rechtschreibleistung zwischen

Kindern mit Deutsch als Erst- oder Zweitsprache. Das entspricht den Ergebnissen des

IQB-Bildungstrends (Stanat et al. 2022).

Geschlecht. Es gab keine signifikanten Unterschiede in der Rechtschreibleistung zwischen

Jungen und Mädchen. Das weicht von den IQB-Ergebnissen ab. Allerdings handelt

es sich bei der IQB-Stichprobe um Viertklässler:innen. Dagegen zeigen Studien

mit (auch) jüngeren Schüler:innen eine Entwicklung von geringen Unterschieden zu

Beginn und größeren zum Ende der Grundschulzeit (z. B. Dummert et al. 2014, Schneider/Näslund

1997).

elaboriertes Feedback kognitiv aktiviert

werden, um aus ihren Rechtschreibfehlern

zu lernen. Sie können Rechtschreibstrategien

schnell und unkompliziert

testen. Bilder und Audiohinweise können

helfen, Sprache und Sprachgebrauch

besser zu verstehen. Korrekturmöglichkeiten

regen zur Reflexion an, was hilft,

den Lernprozess (mit) zu regulieren.

Zur Frage, welche digitalen Prozesse

und Interaktionen sich beim Rechtschreiberwerb

konkret beobachten lassen

und wie sich diese je nach Rechtschreibleistung

unterscheiden, ist bislang

wenig bekannt (ausführlich: Böhme

2024). Entsprechend fehlen wichtige

Informationen, um das Rechtschreiblernen

im digitalen – aber auch analogen

– Raum (quasi „onlife“, Floridi 2015)

unterstützen zu können.

Was wissen wir bereits über das

Rechtschreiben beim Kind?

Kinder unterscheiden sich in ihrem

kognitiven und metakognitiven Rechtschreibwissen

sowie in ihrer Fähigkeit,

es zielgerichtet anzuwenden. Dieses

Wissen ist nicht direkt beobachtbar –

es ist latent. Wenn Kinder es jedoch

anwenden, dann wird es im Lernprozess

als Rechtschreibverhalten sichtbar. Dieses

Verhalten ist direkt beobachtbar –

also manifest. In dieser Logik kann

das Rechtschreibverhalten Hinweise

auf die unterschiedlichen Facetten des

Rechtschreibwissens und die konkreten

Lernprozesse geben (siehe ausführlich:

Böhme 2024). Das wird in der hier vorgestellten

Studie genutzt.

Worum geht es in der Studie?

In der Studie wurde das digitale Rechtschreibverhalten

von Schüler:innen mit

unterschiedlicher Rechtschreibleistung

beim Verschriften von Wörtern untersucht.

Die Basis sind Log-Daten aus

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GS aktuell 169 • Februar 2025


Praxis: Schrift und Schreiben über Aus die der Fächer Forschung hinaus

der eigens entwickelten Rechtschreib-

App talidu. Diese zeigen nicht nur –

wie bislang in der Forschung oft üblich

– das Rechtschreibergebnis, sondern

auch den zugrunde liegenden Lernprozess.

Dadurch können Erkenntnisse

zu Rechtschreibprozessen im digitalen

Raum gewonnen werden, um diese

für den Rechtschreibunterricht in einer

Kultur der Digitalität zu nutzen – mit

dem Ziel, Lehrkräfte beim Unterrichten

und Kinder beim Lernen gezielt zu

unterstützen.

Forschungsfrage

Wie unterscheidet sich das digitale

Rechtschreibverhalten von Erst- und

Zweitklässler:innen mit hoher und mit

niedriger Rechtschreibleistung in …

1. den Fehlerarten und der Fehleranzahl,

2. den Eingaben und den Korrekturen

unter Verwendung von Feedback aus

der App und

3. der Nutzung von Audios?

Wie ist die Studie aufgebaut?

Die Forschungsdaten wurden in der

Rechtschreib-App talidu in zwei Phasen

erhoben:

Die Baseline-Phase diente der Erhebung

von Ausgangsdaten zu Schüler:innenfähigkeiten

(Rechtschreibleistung, Tippfähigkeit)

sowie Hintergrundmerkmalen

(Alter, Geschlecht, Familiensprache).

In der Übungsphase wurde das digitale

Rechtschreibverhalten der Schüler:innen

in der Interaktion mit der App vollständig

erfasst (jeweils mit Zeitstempeln: Eingabe-

und Löschvorgänge, Nutzung der Hilfestellungen).

Dabei arbeiteten die Kinder

(von links)

Dr. Richard Böhme ist Akademischer Rat a. Z. am Lehrstuhl für Grundschulpädagogik

und -didaktik (Schwerpunkt Diversität) an der Universität Regensburg.

Prof. Dr. Meike Munser-Kiefer ist Inhaberin des Lehrstuhls für Grundschulpädagogik

und -didaktik (Schwerpunkt Diversität) an der Universität Regensburg.

Prof. Dr. Beryl Exley ist Professorin für Didaktik des Schriftspracherwerbs, Englischdidaktik

und Lehrkräftebildung an der Griffith University Brisbane (Australien).

Prof. Dr. Sarah Prestridge ist Professorin für digitale Pädagogik und Lehrkräftebildung

an der Griffith University Brisbane (Australien).

an einer Aufgabe, bei der Zielwörter verschriftet

werden sollten. Diese Wörter

stammten aus den Grund- und Orientierungswortschätzen

der Bundesländer, die

im Vorfeld einer Korpusanalyse unterzogen

wurden (Böhme 2024). Diese Analyse

ergab, dass 87 Prozent der Wörter graphematisch

rekonstruierbar sind, sodass

sie sich aus den Rechtschreibprinzipien

regelhaft herleiten lassen.

Abbildung 1 zeigt Hilfestellungen,

die in der App angeboten wurden: Jedes

Zielwort (hier am Beispiel „umkippen“)

wurde mit einem Bild erklärend

illustriert. Wort- und Satzaudio konnten

(wiederholt) abgerufen werden. Die

Kinder hatten bis zu drei Versuche, ein

Wort korrekt zu schreiben. Nach jedem

Schreibversuch gab die App ein einfaches

Feedback, ob die Eingabe richtig

oder falsch war. Bei Falscheingaben

wurden die fehlerhaften Stellen zusätzlich

hervorgehoben, um Selbstkorrekturen

anzuregen. Beim dritten Versuch

gab es zusätzliche Unterstützung (kurze

Anzeige der richtigen Schreibweise, Reduktion

der Tastatur auf die benötigten

Buchstaben).

So wurde talidu über mehrere Wochen

im regulären Unterricht und im

pädagogisch-didaktischen Ermessen der

Lehrkraft eingesetzt.

Wer nahm an der Studie teil?

An der Studie nahmen insgesamt 685

Schüler:innen (50,5 Prozent weiblich;

49,5 Prozent männlich) der ersten und

zweiten Klasse aus sieben Stadt- und

vier Landschulen teil.

Für die Forschungsfrage in diesem

Artikel wurden Kinder mit hoher und

niedriger Rechtschreibleistung ausgewählt.

Dazu wurden die untersten und

obersten zehn Prozent des Leistungsspektrums

identifiziert (n = 16). Um

das individuelle Rechtschreibverhalten

nicht mit Problemen bei der Nutzung

einer bislang unbekannten App zu vermischen,

wurde sichergestellt, dass jedes

dieser Kinder mindestens 100 Wörter

geschrieben hatte.

Was sind die Ergebnisse?

Abb. 1: Funktionen der Übung in der App talidu mit Hilfestellungen (Feedback,

Wort- und Satzaudio, reduzierte Tastatur)

Im Folgenden werden die Rechtschreibverläufe

der Versuche 1 bis 3

beschrieben, um dann (1) die Fehlerarten

und -anzahl, (2) die Eingaben und

GS aktuell 169 • Februar 2025

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Aus Praxis: der Schrift Forschung und Schreiben über die Fächer hinaus

Korrekturen unter Verwendung von

Feedback aus der App und (3) die Nutzung

von Audios darzustellen.

Rechtschreibverläufe. Abbildung 2

zeigt, wie viel Prozent der geschriebenen

Wörter nach Versuch 1 (V1) noch

fehlerhaft sind und welche qualitativen

Änderungen die Schüler:innen in ihren

Verschriftungen bei den Versuchen 2

und 3 (V2, V3) vornehmen. Dabei werden

die Schüler:innen mit hoher Rechtschreibleistung

(links) denen mit niedriger

Rechtschreibleistung (rechts) maßstabsgetreu

gegenübergestellt.

Abb. 2: Rechtschreibverläufe (Versuche 1 bis 3) von Kindern mit hoher und niedriger

Rechtschreibleistung.

Abb. 3: Fehlerverteilung bei Versuch 1 in Prozent.

Abb. 4: Beispiele für Schreibprozesse von Versuch 1 bis 3.

Bei den Kindern mit hoher Rechtschreibleistung

sind nach V1 nur noch

sechs Prozent der Wörter fehlerhaft.

Dieser Anteil sinkt bereits bei V2 deutlich,

da die meisten Fehler direkt korrigiert

werden. Qualitative Verschlechterungen

oder Versuche ohne klare Korrekturabsicht

kommen bei dieser Gruppe

kaum vor.

Im Vergleich findet sich bei den Kindern

mit niedriger Rechtschreibleistung

ein deutlich höherer Fehleranteil von 34

Prozent nach V1. Obwohl auch hier ein

Großteil der Wörter gleich korrekt geschrieben

oder verbessert wird, fallen

bei V2 viele Schreibversuche auf, die keine

ernsthafte Korrekturabsicht erkennen

lassen. Wird ein Schreibversuch unternommen,

verbessert dieser von V2 zu V3

das Ergebnis tendenziell. Allerdings ist

das Bild unruhiger und zeigt sehr unterschiedliche

Pfade. Die folgenden Analysen

zeigen, was dies inhaltlich bedeutet.

Fehlerarten und -anzahl. Die Fehlerverteilung

bezieht sich hier auf die Laute

eines Wortes und deren regelhafte Verschriftung.

Diese kann phonematisch

(Laut), syllabisch (Silbe), morphematisch

(Wortstamm) oder lexikalisch (Bedeutung)

orientiert erfolgen. Das Wort

„fragt“ hat z. B. fünf Grapheme: ‹f›, ‹r›, ‹a›

und ‹t› sind phonematisch und ‹g› morphematisch

herleitbar. In Abbildung 3 ist

die Fehlerverteilung in V1 dargestellt.

Hier ist zu erkennen, dass sich die

Gruppen stärker quantitativ (Fehleranzahl)

als qualitativ (Fehlerart) unterscheiden.

Eingaben und Korrekturen unter

Verwendung von Feedback aus der

App. Es gibt Korrekturen zwischen und

innerhalb von Versuchen.

Die Detailanalysen von Korrekturen

zwischen den Versuchen zeigen:

1. Kinder mit hoher Rechtschreibleistung

korrigieren systematischer als

Kinder mit niedriger Rechtschreibleistung

und nutzen gezielter das Feedback

aus der App.

Beispiel „Bäcker“ (Abbildung 4, oben):

Ausgangssituation und Feedback sind

in beiden Gruppen gleich. Allerdings

scheint nur das Kind aus der Hochleistungsgruppe

(links) das Feedback für

sich zu nutzen, um die richtige Stelle zu

korrigieren. Das Kind aus der Niedrigleistungsgruppe

(rechts) korrigiert

hingegen bei V2 und V3 jeweils andere

Stellen, die eigentlich schon korrekt

waren. Dabei tauscht es zudem mehrere

Stellen gleichzeitig aus.

2. Kinder mit niedriger Rechtschreibleistung

zeigen (vor allem bei V2) mehr

Vermeidungsverhalten (vgl. Abbildung 2).

Beispiel „zählen“ (Abbildung 4, unten):

Das Kind startet rein phonematisch mit

„ZELN“. Im App-Feedback sieht das

Kind daher mehrere Stellen, die es korrigieren

müsste. Bei V2 gibt es (ohne

erkennbaren Sinn) „RN“ ein, überspringt

diesen Versuch also und geht

direkt zu V3 mit zusätzlichen Hilfestellungen

über.

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GS aktuell 169 • Februar 2025


Praxis: Schrift und Schreiben über Aus die der Fächer Forschung hinaus

Korrekturen innerhalb von Versuchen

zeigen auch Unterschiede zwischen

den Gruppen. Diese sind – wie

bei die Fehlerverteilung – eher quantitativer

als qualitativer Natur. So korrigieren

die Schüler:innen mit niedriger

Rechtschreibleistung mehr Wörter und

sind dabei weniger erfolgreich als die

Schüler:innen mit hoher Rechtschreibleistung.

In der Art und Weise der Korrektur

unterscheiden sich die Gruppen

aber weniger: Beide korrigieren in der

Regel direkt nach dem Auftreten eines

Fehlers (statt z. B. am Ende des Wortes).

Zum größten Teil handelt es sich um

Tippfehler sowie orthografische Fehler.

Es zeigen sich zudem orthografische Unsicherheiten:

Beide Gruppen korrigieren

auch Lupenstellen, die bereits richtig waren

– mit jeweils etwa 50 Prozent „Verschlimmbesserungen“.

Nutzung von Audios. Schüler:innen

mit hoher Rechtschreibleistung hören

sich die Satzaudios insgesamt häufiger

an. Sie scheinen auch zu erkennen, wenn

dies unbedingt erforderlich ist (z. B. bei

Synsemantika = Wörter, die ihre Bedeutung

durch den Kontext bekommen wie

„ist“ im Unterschied zu „isst“). Dies machen

sie vor allem bei V2. Schüler:innen

mit niedriger Rechtschreibleistung nutzen

dies auffällig wenig.

Was bedeuten diese Ergebnisse?

Die Analyse der Fehler zeigt, dass sich

Kinder mit hoher und niedriger Rechtschreibleistung

weniger in der Fehlerart,

sondern mehr in der Fehleranzahl

unterscheiden.

Unterschiede finden sich jedoch im

(digitalen) Rechtschreibverhalten. Zunächst

zeigt die Analyse des Rechtschreibverlaufs,

dass mit jedem Versuch

weitere Informationen über das

(digitale) Rechtschreibverhalten gewonnen

werden können: Im ersten Versuch

werden Teile des Rechtschreibwissens

sichtbar; der zweite Versuch

zeigt, ob weiteres Wissen vorhanden

ist, ob dieses in einem systematischen

Problemlöseprozess angewandt werden

kann und/oder, ob das Kind Vermeidungsverhalten

zeigt, was Ausdruck

von Unterstützungsbedarf oder

Hinweis auf ungünstige motivationale

Aspekte (z. B. Motivation, Selbstkonzept,

Selbstwirksamkeitserwartungen)

sein könnte.

Sowohl Kinder mit hoher als auch mit

niedriger Rechtschreibleistung setzen sich

aktiv mit den Rechtschreibphänomenen

auseinander und zeigen produktive Konstruktionsleistungen.

Allerdings schreiben

Kinder mit hoher Rechtschreibleistung sicherer;

sie scheinen sensibler für relevante

Fehler- bzw. Lupenstellen zu sein, setzen

sich aktiver mit Fehlerkorrekturen

auseinander und nutzen dabei Unterstützung

zielgerichteter und testen Hypothesen

systematischer. Kinder mit niedrigerer

Rechtschreibleistung scheinen eine

geringere kognitive Klarheit im Rechtschreibwissen

zu haben (vgl. Valtin 2000);

sie wenden verstärkt Versuch-und-Irrtum-

Strategien an und zeigen Vermeidungsverhalten

– was beides eine ungünstige Wechselwirkung

aus fehlendem Kompetenzerleben

und sinkender Motivation auslösen

kann (vgl. Deci/Ryan 1985), die sich wiederum

negativ auf die Kompetenz auswirkt

(vgl. Möller/Trautwein 2020).

Medienspezifische Effekte (z. B. Umgang

mit Tippfehlern, Korrekturen,

Nutzung von Hilfen) konnten in beiden

Gruppen festgestellt werden. Dies unterstreicht,

dass das Medium die Lernprozesse

erweitern und verändern kann.

Was könn(t)en wir aus diesen

Ergebnissen für die Praxis lernen?

Die Ergebnisse der Studie machen deutlich,

dass Kinder im Rechtschreiberwerb

konstruktiv aktiv werden.

Insofern sind auch bzw. gerade in einer

Kultur der Digitalität methodischdidaktische

Ansätze erforderlich, die

(sozial)konstruktive Schreibexperimente

zulassen und es den Schüler:innen

erlauben, ihre Rechtschreibprozesse

selbst zu steuern, Fehler eigenständig zu

analysieren und zu korrigieren sowie

alternative Schreibweisen selbstständig

zu erproben. Damit die Kinder effektiv

vorankommen, sollte – so die Ergebnisse

dieser Studie und das Plädoyer

z. B. von Philipp (2019) – neben dem

Handschreiben auch das Tastaturschreiben

gefördert werden.

Die Ergebnisse zeigen zudem, dass

systematisches Hypothesentesten (z. B.

Richtiges und Falsches identifizieren,

korrigieren und kontrollieren) und die

Nutzung von (medienspezifischen)

Hilfestellungen (z. B. Feedback, Audios)

– im Sinne einer Hilfe zur Selbsthilfe –

vermittelt werden sollten.

Bislang kommen im Rechtschreibunterricht

oft Apps zum Einsatz, die eher

einer behavioristischen Logik folgen

und bei denen reproduktiv aus einer Reihe

von Antwortalternativen gewählt wird.

Die Rückmeldung in solchen Apps zielt

oft auf richtig und falsch und belohnt mit

extrinsischen Anreizen, statt einen Einblick

in die Fehlerart zu geben und intrinsisch

mit dem Lernerfolg zum Weiterlernen

zu motivieren. Bei solchen Ansätzen

ist zudem davon auszugehen, dass die kognitive

Aktivierung eher gering bleibt.

Wie geht es weiter?

Die talidu-App wurde auf Basis dieser

Ergebnisse sowie der Rückmeldungen

zahlreicher Lehrkräfte weiterentwickelt.

Die Ergebnisse zum digitalen Rechtschreibverhalten

wurden z. B. dafür

genutzt, künstlich-intelligente Algorithmen

zu trainieren (vgl. Böhme et

al. 2024), um Inhalte, Feedback und

Übungen an den Lernstand des Kindes

anpassen zu können (vgl. Munser-Kiefer

et al. im Druck). Darüber hinaus dient

es der Diagnose und wird im Dashboard

als Lernanalyse angezeigt. Dies

ermöglicht z. B., Kinder nach ihrem

Lernstand im Unterricht zu gruppieren,

ungünstiges Rechtschreibverhalten wie

Versuch-und-Irrtum-Strategien zu thematisieren

und dabei zu unterstützen,

Feedback und digitale Hilfen sinnvoll

zu nutzen. Gleichzeitig kann das selbst

gesteuerte Lernen damit gefördert werden,

wenn Kinder darüber reflektieren,

was sie schon können, woran sie weiterarbeiten

und wie sie ihr Rechtschreibverhalten

verbessern können.

Literaturangaben zum Artikel

können Sie von unserer Website herunterladen:

https://t1p.de/GSa169Lit

GS aktuell 169 • Februar 2025

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Praxis: Rundschau Schrift und Schreiben über die Fächer hinaus

Aus dem Vorstand

Optimiert für Mitglieder und Gäste:

die neue Website des Grundschulverbands

Sicherlich haben Sie es schon

bemerkt: Am 8. November 2024

ging unsere neue Website an den

Start! Wir freuen uns, Ihnen hiermit die

positiven Neuerungen der aktuellen

Website vorstellen zu dürfen.

Die Website des Grundschulverbands

(www.grundschulverband.de) ist die

zentrale Informationsplattform für alle

an der Grundschule und der Programmatik

des Verbandes Interessierten. Um

den gewachsenen Anforderungen und

technologischen Entwicklungen gerecht

zu werden, wurde diese in einem

aufwendigen Relaunch neu strukturiert

und gestaltet.

Ziel des Relaunchs war es, die Sichtbarkeit

und die Reichweite der Website

zu verbessern, ihre Navigation zu optimieren

und die Funktionalität insbesondere

für Mitglieder zu optimieren.

Die Entwicklung der Website

Die Entwicklung der neuen Website

wurde von einer eigens gegründeten

Strategiegruppe begleitet. Diese Gruppe

entstand im Rahmen der Strategieworkshops,

die vom damaligen Vorsitzenden

Edgar Bohn im November

2020 ins Leben gerufen worden waren.

Der Website-AG gehörten Edgar Bohn

(ehemaliger Vorsitzender des Grundschulverbands),

Marion Gutzmann

(aktuelle Vorsitzende des Grundschulverbands),

Thomas Irion, Svenja Telle,

Abigail Montwé und Johannes Wolz an.

Immer wieder haben sich weitere engagierte

Mitdenker:innen in die Arbeit

eingebracht. Insbesondere in den letzten

Wochen gebührt der Dank den Mitarbeiterinnen

der Geschäftsstelle, Abigail

Montwé, Susanne Hirsch, Heike Schumann

und Jana Haag. Die Koordination

der Aktivitäten lag in den Händen von

Thomas Irion und Svenja Telle, die mit

ihrem Engagement maßgeblich zur

Umsetzung des Projekts beitrugen. Mehrere

Vorstellungen des Arbeitsstandes

und die wiederholte Sammlung von

Anforderungen in Vorstandssitzungen

und Delegiertenversammlungen stellten

sicher, dass die Ideen der Delegierten

und die Ziele des Verbands in der Website

optimal umgesetzt wurden.

Navigationsstruktur

Ein zentrales Merkmal der neuen Website

ist die klar strukturierte Navigation.

Das Hauptmenü umfasst die folgenden

Kategorien:

1. Der Verband: Wir über uns, Unsere

Standpunkte, Presseschau, Landesgruppen,

Spenden.

2. Aktuelles: Neuigkeiten, Veranstaltungen

und Pressemitteilungen.

3. Publikationen: Buchreihe, Zeitschrift,

Expertisen, Grundschrift, Downloads.

4. Themen: Schwerpunktbereiche wie

Lernräume, Sprachbildung, Inklusion

oder Medienbildung.

5. Projekte: Laufende und abgeschlossene

Initiativen des Verbands.

6. Mitgliedschaft: Vorteile einer Mitgliedschaft,

Beitrittsinformationen und

Zugang zum geschützten Mitgliederbereich.

Diese übersichtliche Navigation erleichtert

den Nutzer:innen den schnellen

Zugriff auf relevante Inhalte und fördert

eine intuitive Bedienung der Website.

Suchmaschinenoptimierung

Ein Schwerpunkt des Relaunchs lag

auf der Suchmaschinenoptimierung

(SEO – Search Engine Optimization).

Um die Sichtbarkeit des Verbandes, seiner

Publikationen und seiner bildungspolitischen

Stellungnahmen zu erhöhen,

war eine aufwendige Suchmaschinenoptimierung

erforderlich geworden.

Dazu gehörte die Überarbeitung von

Seitenbeschreibungen, die Verwendung

relevanter Schlüsselwörter und Kurzzusammenfassungen

sowie die Optimierung

von Texten. Gleichzeitig wurde

großer Wert auf eine Optimierung der

Navigation gelegt. Die Ergebnisse sprechen

für sich: Die Texte des Grundschulverbands

erscheinen in den Suchergebnissen

weiter oben und erreichen

damit ein breiteres Publikum.

Restrukturierung der Website

Ein Herzstück des Relaunchs war die

Neustrukturierung des Publikationsbereichs.

Hier finden Mitglieder

schneller und übersichtlicher Zugang

zu Expertisen, Mitgliedsbänden und

Pressemitteilungen.

Zusätzlich wurde ein geschützter Mitgliederbereich

mit Log-in-Funktion eingeführt.

Dieser Bereich bietet nun die

Möglichkeit für personalisierte Inhalte

und exklusive Materialien wie Vorlagen

und weiterführende Informationen. Besondere

Bedeutung hatte die datensichere

Anbindung des Shopsystems an die

Mitgliederverwaltung auch bei Bestellvorgängen.

Dies führt nicht nur zu komfortablen

Bestellmöglichkeiten für Mitglieder

und Gäste, sondern auch zu einer

Entlastung von Verlag und Geschäftsstelle

bei der Bearbeitung von Bestellungen

und Zahlungen. Zudem eröffnet der

Mitgliederbereich ganz neue Möglichkeiten

für künftige Entwicklungen der

Mitgliederangebote.

Fazit

Der Relaunch der Website markiert

einen wichtigen Schritt in der digitalen

Weiterentwicklung des Grundschulverbands.

Mit der verbesserten

Navigationsstruktur, neuen Funktionen,

einer höheren Sichtbarkeit und einer

nutzerfreundlichen Struktur bietet die

Website optimale Unterstützung für die

Arbeit des Verbands und seiner Mitglieder.

Mit dem Website-Relaunch mit neuer

Navigationsstruktur und verbesserten

Funktionalitäten für Mitglieder und

Gäste hat der Grundschulverband einen

wichtigen Ausgangspunkt geschaffen,

sein über 50-jähriges Engagement noch

wirkungsvoller zu entfalten und seine

Vision einer zeitgemäßen, kind- und

chancengerechten Grundschule für alle

weiter voranzutreiben.

Thomas Irion

Fachreferent des GSV für

„Future Learning und Digitalität“

34

GS aktuell 169 • Februar 2025


Praxis: Schrift und Schreiben über die Fächer Rundschau hinaus

Rundschau

Noch eine gute Nachricht:

Der Standpunkt Bildung für nachhaltige

Entwicklung (BNE) wurde von der

Delegiertenversammlung verabschiedet!

Dank der gemeinsamen Arbeit im

Vorstand mit den Fachreferent:innen

und den Delegierten, insbesondere

dank der Arbeit des Beirats im Projekt

Eine Welt, kann der Verband einen weiteren

bedeutsamen Standpunkt in aktualisierter

Form vorweisen. Eine lange,

mehr als einjährige Phase der Diskussion

liegt hinter dem Standpunkt zur

Bildung für nachhaltige Entwicklung

(BNE). Als Ergebnis dieses transparenten

Entwicklungsweges hat die Position

des Verbandes zum Thema BNE eine

gute Ausschärfung erhalten und steht

mit dem fachwissenschaftlichen Diskurs

im Einklang. Der Standpunkt bietet für

die Arbeit in den Schulen eine wertvolle

Positionierung. (https://t1p.de/9i05g)

Für den Vorstand und das Planungsteam

Marion Gutzmann

Jahrestagung des GSV

Literatur auf der Spur.

Literarische Bildung für die Grundschule

Nur noch wenige Tage bis zur diesjährigen Jahrestagung des Grundschulverbandes!

Gerahmt von einem Grundlagenvortrag und einem Diskussionsforum erwartet Sie

ein anregungsreiches Tagungsangebot. Der AJuM der GEW Sachsen-Anhalt lädt

am Vorabend, Freitag 21. Februar, um 17.30 Uhr zu einer Buchlesung mit einer

Kinderbuchautor:in als literarischem Einstieg ein. Wir freuen uns auf Sie!

21. / 22. Februar

2025 in Halle

(Saale)

Hier geht’s zum ausführlichen

Programm und zur Anmeldung

Programmablauf

Vorabendprogramm: Freitag, 21.02.2025, 17.30 Uhr

Ort: Franckesche Stiftungen, Haus 31, Lernwerkstatt (Raum 020)

Lesung und Werkstattgespräch mit der Kinderbuchautorin Frauke Angel,

Moderation: Dr. Nadine Naugk und Dr. Alexandra Ritter

Ab ca. 19.30 Uhr besteht die Möglichkeit, den Abend in geselliger Runde im Restaurant Taparazzi ausklingen lassen.

Samstag, 22.02.2025

Ort: Franckesche Stiftungen, Institut für Schulpädagogik und

Grundschuldidaktik, Haus 31

9.30 Uhr Einstimmung und Grußworte

10.00 Uhr „Springt er ins Wasser?“

Lesenlernen im literarischen Kontext

Prof. Dr. Lis Schüler

10.45 Uhr Kaffeepause

11.15 Uhr Workshop Band I

● Jedes Kind liest sein eigenes Buch?

Heterogenität als Chance

Astrid Dörnhoff, Berlin

● Die Gestaltung von Raum und Impulsen für das selbstständige

Lesen von Kinderliteratur im Unterricht

Claudia Baark und Nicole Tietze

● Mehrsprachigkeit als Chance – interkulturelles

Lernen mit Kinderbüchern

Dr. Nadine Naugk und Nina Conzen

● Willkommen im Literarischen Café!

Dr. Claudia Rathmann

● Interaktive Literaturzugänge durch

digitale Medien ermöglichen

Ralph Thielbeer und Thekla Mayerhofer

● Meet und Talk: Mit Mitgliedern des GSV im Austausch

Chris Barnick, Bremen

12.45 Uhr Mittagspause

13.45 Uhr Diskurs: Literarische Bildung im Zeitalter der

Mindeststandards – ein Widerspruch?

Marion Gutzmann und Dr. Stefanie Granzow,

Moderation: Dr. Christoph Jantzen

14.45 Uhr Kaffeepause

15.00 Uhr Workshop Band II

● Book Slam – Bücher im Wettstreit um

die Gunst der Kinder

Dr. Stephanie Jentgens

● Politisch denken lernen mit einem Bilderbuch – oder:

Kommt hier wirklich keiner durch?

Dr. Christian Fischer und Prof. Dr. Michael Ritter

● Und was denkst du? Gespräche über Literatur

Dr. Alexandra Ritter und Dr. Christoph Jantzen

● Lese-Hör-Kisten als (Vor-)Schuleinstieg in

den Schriftspracherwerb

Dr. Astrid Henning-Mohr

● Selbstwirksamkeit durch literarische Zukunftsreisen:

Impulse für eine nachhaltigkeitsorientierte Literaturdidaktik

Dr. Elisabeth Hollerweger

● Meet und Talk: Mit Mitgliedern des GSV im Austausch

Chris Barnick, Bremen

16.30 Uhr Get-together

GS aktuell 169 • Februar 2025

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Praxis: Rundschau Schrift und Schreiben über die Fächer hinaus

Norden ist oben, Europa in der Mitte – so bin ich aufgewachsen, das habe ich in der Schule gelernt

Karten, Kontinente, Kontroversen

Geografische Karten sind Nachbildungen

der Erde. Wobei ein

dreidimensionales Gebilde niemals

auf einer zweidimensionalen Fläche

eins zu eins dargestellt werden kann.

Das ist das Dilemma der Kartenerstellung:

Die Oberfläche einer Kugel

kann nicht ohne Verzerrung in einer

Ebene abgebildet werden, es handelt

sich also um eine Projektion. Immer

gibt es Abstriche bei Winkeln, Streckenlängen

oder Flächen. Es kann also keine

„richtige“ Projektion geben.

Karten vereinfachen die

Wirklichkeit, aber sie schaffen sie

dadurch auch

Ich habe die Erde mithilfe einer Mercator-Karte

kennengelernt. Gerhard

Mercator versuchte, eine winkelgetreue

Karte der Welt zu erstellen, die in der

Seefahrt zur Navigation eingesetzt werden

konnte. Er nutzte die zylindrische

Projektion, um die Länder vom Globus

auf eine Karte zu übersetzen: Jeder

Punkt des Globus wird von seinem

Mittelpunkt aus auf einen theoretisch

umliegenden Zylinder projiziert, der die

Erde am Äquator berührt. Damit erhält

man eine rechtwinklige Karte.

Das Problem in der Darstellung der

Länder fällt vielen Betrachtenden vielleicht

zunächst gar nicht auf. So wie

ich in der Schule die Mercator-Projektion

kennenlernte, ging auch ich davon

aus, dass das die „richtige“ Art der

geografischen Darstellung der Erde ist.

Die Größe der Länder ist jedoch nicht

wirklichkeitsgetreu, denn je weiter man

Richtung Pole schaut, desto größer werden

die Länder dargestellt. Das bezeichnet

man in der Kartografie auch als das

Grönland-Problem: Grönland sieht fast

so groß aus, wie der komplette afrikanische

oder südamerikanische Kontinent.

Schauen Sie dazu heute Abend mal aufmerksam

hinter die Nachrichtensprecherin

bei der Tagesschau. In Wirklichkeit

passt Grönland aber 14-mal in die

Fläche von Afrika. Wie das genau aussieht,

lässt sich mithilfe einer interaktiven

Karte ausprobieren (siehe Infokasten).

Für die Navigation auf See mag die

Winkeltreue wichtiger gewesen sein, als

die Flächentreue, aber heutzutage wird

auf See mithilfe von GPS-Daten navigiert.

Warum hält sich die Mercator-

Projektion bis heute als Standard? Sie ist

weiterhin die Grundlage für viele Kartendienste

und Routenplaner wie Google

Maps. Rechtwinklige Straßen sind auch

auf der Karte rechtwinklig angezeigt, daran

kann man sich gut orientieren und

im Nahbereich ist die Größenverzerrung

minimal. Aber auch die zentrale Position

Europas in der Mitte oben hat ihren Anteil

daran, dass sich diese Kartenvariante

hartnäckig hält, schreibt sich damit doch

die globale Hegemoniestellung über die

Jahrhunderte hinweg fort.

Rachel Rentz

M. A. Kulturwissenschaft, seit Januar

2023 wissenschaftliche Mitarbeiterin im

Projekt „Eine Welt in der Schule“

Perspektiven wechseln!

Es macht einen Unterschied, wie ich

etwas lerne und wie sich meine Bilder

im Kopf zusammensetzen. Bekomme

ich in der Schule Angebote, mich mit

anderen Perspektiven auseinanderzusetzen?

In meiner Schulzeit war das

nicht der Fall. Erst auf einem Seminar

wurden meine Sehgewohnheiten durcheinandergeschüttelt.

Da hing eine Karte

„auf dem Kopf “. Der Nordpol war unten

und alle Länder- und Hauptstadtnamen

in dieser Ausrichtung lesbar. Überschrieben

war sie mit der Aufforderung:

„Perspektiven wechseln!“

Diese Karte begegnete mir dann einige

Jahre später hier im Projekt wieder.

Neben ihr haben wir noch weitere

große Karten im Ausleihservice, die,

aus Lkw-Plane hergestellt, gut dafür geeignet

sind, sie auf dem Schulhof oder

im Klassenraum auszulegen und zu begehen

(zwei Praxisbeispiele dazu finden

sich in unserer Projektzeitschrift, siehe

Infokasten). Bei allen Karten handelt es

sich um die flächengetreue Gall-Peters-

Projektion, und es ist nicht klar festgelegt,

wo „oben“ und „unten“ ist.

Neben den Karten gibt es drei Holzpuzzles

im Ausleihbestand: Afrika, Lateinamerika

und Asien. Die Puzzles sind dafür

geeignet, sich die Dimensionen von

Kontinenten klarzumachen, die mitunter

unscharf als „ein“ Land im Diskurs benannt

werden. Bei allen Puzzles, ebenfalls

in der Gall-Peters-Projektion, ist ein Vergleichspuzzlestück

von Deutschland dabei,

um z. B. über Größe und Bedeutung

von Ländern ins Gespräch zu kommen.

Die Arbeit mit den Puzzles kann Antworten

geben auf Fragen wie: Aus welchen

und wie vielen einzelnen Ländern setzt

sich ein Kontinent zusammen? Wie fühlen

sich Staatsgrenzen an und warum sind

manche Grenzen wie mit dem Lineal gezogen?

Wie groß sind Länder im Vergleich

mit Deutschland? Durch den haptischen

Zugang können die Kontinente in ihren

Ausmaßen und Formen „begreifbar“ und

„befühlbar“ gemacht werden. Auch Kolonialismus,

westlicher Imperialismus und

Eurozentrismus lassen sich damit einführen

und anschaulich besprechen.

Mithilfe dieser Materialien können

Schüler:innen ihre eigene Positionierung

in der Welt kritisch betrachten und hinterfragen.

Zentraler Gedanke dabei ist,

dass Darstellungen nicht nur versuchen,

die Wirklichkeit abzubilden, sondern

auch die Wirklichkeit im eigenen Kopf

schaffen. Aus diesem Grund ist es wich-

Perspektiven wechseln

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GS aktuell 169 • Februar 2025


Praxis: Schrift und Schreiben über die Fächer Rundschau hinaus

Rundschau

tig, sich bewusst zu machen, dass es nicht

nur eine Sichtweise auf die Erde gibt, sondern

vielfältige Darstellungen nebeneinander

existieren, auch wenn Google Maps

uns vielleicht einen anderen Eindruck

vermittelt. Spannender Gedanke, Europa

mal als asiatische Halbinsel zu sehen,

oder? Ermöglichen Sie Ihren Schüler:innen

einen Perspektivwechsel, sodass ihre

Sehgewohnheiten nicht erst als Erwachsene

(oder nie) aufgebrochen werden!

Rachel Rentz

Linktipps

Wie verändern sich Ländergrößen je nach Lage auf der Mercator-Karte?

www.thetruesize.com

Können Sie die Länderumrisse auf der Mercator-Karte richtig zuordnen?

www.bramus.github.io/mercator-puzzle-redux

Unterschiedliche Projektionsarten: Warum sieht die Erde hier ganz anders aus?

www.jasondavies.com/maps/transition

Praxisbeispiele für die Weltkarte als Planen finden sich in Eine Welt in der Schule

Nr. 153/Dez. 2023, beziehbar unter

www.weltinderschule.uni-bremen.de/die-zeitschrift/inhalte-ausgaben.html

Meine Reise als Quereinsteigerin

Zwischen Wachstumsschmerz und

dem Mut zur Veränderung

Nachdem wir Grundschule aktuell 167 der Thematik Lehramt studieren – Lehrkraft werden

– Lehrkraft sein gewidmet haben, greifen wir punktuell in der Rundschau weitere

Beiträge zur Lehrkräftebildung auf.

Mit dem folgenden Beitrag stellt sich Kristin van der Meer als Quereinsteigerin vor. Als

Gegenbild zu den immer wieder publizierten Geschichten des Scheiterns ist dies eine

Ermutigung, die auch zeigt, wie sehr es auf die einzelne Person ankommt. Als ein Beispiel

für einen gelingenden Quereinstieg steht aber auch die Schule, die viel Vertrauen

und Freiraum für die Erprobung neuer Lernwege bereitgestellt hat.

In einem weiteren Beitrag beschreibt Stefanie Wendt ihre Erfahrungen mit Unterschieden

der Lehramtsausbildung in Berlin und Wien. Mit Blick auf den Bologna-Prozess stellt

sie fest, dass Studienleistungen eben nicht länderübergreifend gleiche Anerkennung

finden. Sie analysiert Wirkungen auf ihre persönliche Professionalisierung und sieht auf

Basis der unterschiedlichen Stärken Entwicklungschancen für beide Systeme.

Ich heiße Kristin van der Meer, bin

43 Jahre alt und Mutter von vier

Kindern. Mein Weg in die Schule

begann jedoch an einem ganz anderen

Ort. Ursprünglich habe ich Politik studiert

und viele Jahre in diesem Bereich

gearbeitet. Irgendwann entschloss ich

mich, wegen meiner Kinder in den

öffentlichen Dienst zu wechseln, und

verbrachte acht Jahre bei der Arbeitsagentur.

Die Arbeit dort hatte Struktur,

Stabilität – all das, was ich als Mutter in

einer großen Familie schätzte.

Danach bewarb ich mich an der

Grundschule meiner Kinder – einem

Ort, der mich schon lange inspirierte.

Die Neue Grundschule Potsdam hatte

meinem eigenen Kind und mir als Familie

Halt gegeben, als wir das Gefühl hat-

ten, dass das System uns im Stich ließ.

Die Schulleitung hatte mich damals als

Mutter ernst genommen, unsere Herausforderungen

erkannt und mir das Gefühl

gegeben, wirklich gesehen und verstanden

zu werden. Diese Schule wollte Veränderung.

Hier wurden neue Wege eingeschlagen,

hier gab es den Mut, Schule

anders zu denken – und das faszinierte

mich von Anfang an. Also wagte ich den

Schritt: das Leben meiner Familie und

mein eigenes Leben in neue Bahnen zu

lenken und vom strukturierten Alltag der

Arbeitsagentur in die lebendige Welt der

Grundschule einzutauchen.

Meinen ersten Tag als Lehrerin werde

ich wohl nie vergessen: Kaum angekommen,

übernahm ich die Klassenleitung

einer fünften Klasse. Von Anfang

Kristin van der Meer

ist seit 2017 Lehrerin an der Neuen

Grundschule Potsdam. Neben ihrer

Tätigkeit als Lehrerin engagiert sie sich

als Bildungsinfluencerin, um innovative

Ideen und inspirierende Ansätze mit

anderen zu teilen.

an wurde ich von dem Kollegium unterstützt

und begleitet, und doch waren da

all die Unsicherheiten eines Quereinstiegs.

In Brandenburg beginnt man als

Quereinsteigerin mit einer pädagogischen

Grundqualifikation von 500 Fortbildungsstunden,

bevor man eine unbefristete

Unterrichtserlaubnis erhält.

Auch heute höre ich oft den Satz „Aber

ich habe es ja studiert“, wenn es um den

Lehrerberuf geht – als ob das Studium

allein genügte, um den Herausforderungen

des Schulalltags gerecht zu werden.

Doch auch ich habe studiert. Zudem

habe ich als Mutter von neurodivergenten

Kindern die Schwächen des Bil-

GS aktuell 169 • Februar 2025

37


Praxis: Rundschau Schrift und Schreiben über die Fächer hinaus

dungssystems kennengelernt. Ich spürte

tief in mir den Wunsch, nicht länger nur

Zuschauerin zu sein, sondern aktiv etwas

zu verändern.

Und so begann mein Abenteuer im

Schulwesen – ein Schritt ins Unbekannte,

mit der festen Absicht, die Welt für

meine Kinder und all die anderen Kinder

ein Stück weit besser zu machen. Die

ersten Tage waren aufregend, herausfordernd

und voller neuer Erfahrungen.

Meine neue Rolle als Lehrerin öffnete

mir einen völlig anderen Blick auf das

Schulsystem, und ich erkannte schnell,

dass es hier nicht nur um Lehrpläne und

Fächer ging. Hier ging es darum, den

Kindern zuzuhören, ihnen Raum zu geben

und sie auf ihrem individuellen Weg

zu fördern.

Der Weg zur Kompetenzorientierung:

mehr als nur

Stoffvermittlung

Nach dem Lockdown kehrten die Schülerinnen

und Schüler in einem Wechselbetrieb

in die Schule zurück, und plötzlich

war alles anders. Der Unterricht,

wie wir ihn kannten, funktionierte nicht

mehr. Die Kinder waren nicht mehr

in der Lage, sich 90 Minuten lang auf

Frontalunterricht zu konzentrieren.

Diese Erfahrung gab mir die Möglichkeit,

endlich den Unterricht zu öffnen

und neue Wege zu gehen – weil es gar

nicht anders ging. Mir wurde klar, dass

das bloße Abschreiben eines Merksatzes

von der Tafel noch lange nicht bedeutet,

dass die Kinder den Inhalt wirklich verstehen.

Abschreiben allein ist nur ein

mechanischer Vorgang, ähnlich wie

Copy and Paste, und ohne tieferes Verständnis

führt er nicht zum Kompetenzerwerb.

Das war der Beginn meines persönlichen

Weges zur Frage: Was möchte ich

erreichen? Was sollen die Schülerinnen

und Schüler wirklich können, wenn sie

meine Klasse verlassen? Dabei begann

ich, mich intensiv mit dem Begriff der

Kompetenz auseinanderzusetzen. Unser

Rahmenlehrplan ist seit 2017 kompetenzorientiert,

doch mir war aufgefallen,

dass im Kollegium und auch in den Gesprächen

mit Fachleuten selten konkret

darüber gesprochen wurde, was Kompetenz

in der Praxis bedeutet. Ich entschied,

den Rahmenlehrplan Stück für

Stück aufzubereiten und Kompetenzraster

zu erstellen.

Dabei wurde mir bewusst: Wissen allein

reicht nicht. Eine Kompetenz entsteht

erst, wenn man Wissen in die Praxis

umsetzen kann. Ein Beispiel: Das

Einmaleins auswendig zu lernen, ist

Wissen. Aber erst die Fähigkeit, es in

einer Alltagssituation anzuwenden, wie

das Anpassen eines Rezepts für mehrere

Personen, macht es zu einer Kompetenz.

Dieses Verständnis eröffnete mir neue

Möglichkeiten. Anstatt nur Buchseiten

und Arbeitshefte abzuarbeiten, richtete

ich meinen Unterricht nun darauf aus,

den Schülerinnen und Schülern Werkzeuge

an die Hand zu geben, die sie tatsächlich

brauchen, um selbstständig und

anwendungsorientiert zu lernen.

So begann ich, meinen Unterricht zu

transformieren – weg vom reinen Stoff

und hin zu echten, lebendigen Kompetenzen.

Der Start ins selbstregulierte

Lernen: Vertrauen und

Partizipation ab Tag eins

Dann bekam ich von meiner Schulleitung

eine wundervolle Aufgabe, die

mein weiteres pädagogisches Wirken

entscheidend prägen sollte. Sie schenkte

mir, einer Quereinsteigerin, großes

Vertrauen und übergab mir die Verantwortung

für eine erste Klasse. Dieser

Schritt war für mich der Beginn einer

intensiven Reise ins selbstregulierte Lernen.

Ohne dass ich das Churer Modell

kannte, folgte ich meinem Bauchgefühl

und setzte von Anfang an auf Partizipation.

Für mich als Diplompolitologin

war es logisch: Kinder brauchen

keine extra Unterrichtseinheit, um

Demokratie zu verstehen oder mündige

Bürger:innen zu werden – sie müssen

Demokratie erleben. Deshalb entschied

ich, meinen Unterricht nicht nur für

die Kinder zu konzipieren, sondern mit

ihnen gemeinsam zu gestalten.

Natürlich gab es Momente des Zweifelns.

Ich fragte mich oft, ob ich es wirklich

schaffen würde, ob die Kinder bei mir

das Lesen und Schreiben lernen würden.

Doch meine Schulleitung stand fest hinter

mir und ermutigte mich: „Du wirst

es schaffen. Jeder lernt irgendwann lesen

und schreiben.“ So begann ich, meinen

Unterricht zunächst hinter verschlossenen

Türen zu gestalten, aus Angst, dass mein

unkonventioneller Ansatz infrage gestellt

werden könnte, da ich ihn zunächst nur

aus dem Bauch heraus gestaltete.

Nach und nach begann ich jedoch,

mein Vorgehen auch wissenschaftlich zu

fundieren, mich tiefer mit dem selbstregulierten

Lernen auseinanderzusetzen,

um meine Ansätze besser begründen zu

können. Das stärkte mein Selbstvertrauen,

und so öffnete ich langsam meine

Klassentür, legte den vorgegebenen Wochenplan

zur Seite und ließ die Kinder

im eigenen Tempo und nach eigenen Interessen

arbeiten. Das fühlte sich richtig

an, und die Evaluationen, darunter auch

die VERA-Orientierungsarbeiten, bestätigten

den Erfolg. Es war ein guter und

richtiger Weg, den die Schülerinnen und

Schüler zusammen mit mir gingen.

Offenheit in sozialen Netzwerken

und der Weg zur digitalen

Transformation

Es blieb nicht nur bei der Öffnung meiner

Klassentür; ich begann auch, mich

den sozialen Netzwerken zu öffnen.

Immer noch hatte ich die Worte meiner

Seminarleiterin im Kopf: „Machen

Sie eine Lobby für Quereinsteigerinnen

und Quereinsteiger.“ Ich sah nun meine

Chance, zu zeigen, dass wir Quereinsteigerinnen

und Quereinsteiger den

Mut haben, anders zu denken, Neues zu

wagen und auszuprobieren – auch ohne

die Gewissheit, dass es funktioniert.

Einfach machen. Und darüber habe ich

gesprochen, laut und öffentlich.

Mit wachsender Präsenz in den sozialen

Medien wurde auch unsere Schule

immer sichtbarer. Dieser Weg wäre ohne

den Rückhalt meiner Schulleitung und

Kolleginnen und Kollegen nicht möglich

gewesen. Oft hatte ich mit Selbstzweifeln

zu kämpfen, fragte mich, ob ich die Herausforderungen

und die Widerstände

bewältigen könnte. Doch die Unterstützung

und der Mut, den ich in mir fand,

halfen mir, weiterzugehen und das zu

tun, woran ich glaubte: Kinder auf ihrem

Weg zu selbstbewussten, mündigen Bürgerinnen

und Bürgern zu begleiten.

Gleichzeitig begann ich, meinen

Unterricht zu digitalisieren, was eine

enorme Entlastung für mich und die

Kinder war. Die Schülerinnen und Schüler

konnten schneller Feedback erhalten,

ohne ständig auf mich warten zu müssen.

Über die sozialen Netzwerke traf

ich auf eine Kollegin aus Bayern, die

meinem Aufruf folgte, digitale Lernbüros

für das Fach Deutsch gemeinsam zu

erstellen.

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GS aktuell 169 • Februar 2025


Praxis: Schrift und Schreiben über die Fächer Rundschau hinaus

Rundschau

Diese Zusammenarbeit eröffnete neue

Möglichkeiten: Wieso sollten solche Einheiten

nicht bundesweit gemeinsam entwickelt

werden? Die Inhalte sind doch in

allen Bundesländern ähnlich.

Diese Kollegin führte mich in ein

Netzwerk ein, in dem ich heute vor Hunderten

von Lehrkräften Webinare halte

und meinen Ansatz des selbstregulierten

Lernens teile. Sie zeigte mir das Konzept

der Atelierarbeit, das mir besonders

im Sachunterricht neue Wege eröffnete,

aber auch in anderen Fächern einsetzbar

ist. Die Differenzierung erfolgt hier über

das Thema, sodass alle Kinder auf ihrem

eigenen Niveau arbeiten können, ohne

auf einen Nachteilsausgleich angewiesen

zu sein.

Mein Weg ist nicht immer leicht, aber

ich habe den nötigen Rückhalt, und ich

weiß, dass vielen Kolleginnen und Kollegen

in Deutschland dieser fehlt. Deshalb

nutze ich weiterhin meine Stimme

in den sozialen Netzwerken, um Mut zu

machen und andere zu inspirieren, sich

ebenfalls auf diesen Weg zu begeben

und vielleicht sogar in diesen wunderbaren

Beruf einzusteigen.

Ich werde wohl nie das Gefühl verlieren,

dass ich mich anstrengen muss, um

meinen Platz im System zu finden. Doch

inzwischen habe ich erkannt, dass dieser

Druck auch eine Stärke ist: Er hält mich

wach, neugierig und offen für neue Impulse.

Indem ich mich ständig fortbilde und

bereit bin, meine pädagogische Praxis zu

hinterfragen, entwickle ich mich selbst immer

weiter und bleibe an den Bedürfnissen

der Schülerinnen und Schüler orientiert.

Kristin van der Meer

Was Deutschland und Österreich voneinander lernen können

Ein Erfahrungsbericht über das

Grundschullehramtsstudium in Berlin und Wien

Die Ausbildung von Grundschullehrkräften

ist ein zentraler

Baustein für die Qualität des

Bildungssystems. Ein Vergleich der

Lehramtsausbildung in Berlin und Wien

offenbart interessante Unterschiede.

Als ich mich in Berlin exmatrikulierte,

rechnete ich damit, dass der Wechsel

nach Österreich reibungslos funktionieren

würde. Schließlich förderte der

Bologna-Prozess die Anerkennung von

Studienleistungen innerhalb Europas.

So weit die Theorie, die Realität sah anders

aus: Um den vollen Anforderungen

in Wien gerecht zu werden, musste ich

mein Bachelorstudium der Primarstufenpädagogik

um weitere Semester erweitern.

Dadurch bot sich mir die besondere

Möglichkeit, die Ausbildungsansätze

aus zwei Ländern direkt miteinander

zu vergleichen.

Stefanie Wendt,

Volksschullehrerin mit Schwerpunkt

Sonderpädagogik, studierte in Berlin

und Wien. Sie unterrichtete an einer

Volksschule der Stadt Wien und absolviert

derzeit ihren Master.

Theoretische Tiefe trifft Praxisnähe

Zu Beginn meines Studiums an der

Freien Universität Berlin stand die Wahl

des Schwerpunkts – gesellschaftswissenschaftlich

oder naturwissenschaftlich

– im Vordergrund. Die ersten Vorlesungen

vermittelten mir das Gefühl,

dass mein Studium nun wirklich

begonnen hatte. Besonders in Deutsch

und Mathematik wurden Fachdidaktik

und didaktische Grundlagen klar voneinander

getrennt betrachtet. Der

Sachunterricht ermöglichte vielfältige

Zugänge und war geprägt von umfangreichen

Prüfungen. Die erste Praxiserfahrung

bot ein sechswöchiges Praktikum

im zweiten Semester. Besonders

schätzte ich die Begegnungen mit Studierenden

aller Schulformen auf dem

Campus. Durch meine Tätigkeit als

Werkstudentin in Forschungsprojekten

konnte ich die Berliner Forschungskultur

erleben, die Theorie und empirische

Bildungsforschung eng verknüpft.

2020 ergab sich durch ein berufliches

Angebot an meinen Mann die Möglichkeit,

nach Wien zu ziehen. Mit meinen

Erfahrungen als examinierte Gesundheits-

und Krankenpflegerin reizte mich

besonders die Perspektive, an der Heilstättenschule

zu arbeiten. Ziel der Heilstättenschule

ist – egal ob in Kliniken,

im Hausunterricht, den Basalen Klassen

oder den Mobilen Bereichen – die bestmögliche

kognitive und soziale Teilhabe

und Förderung aller Kinder. Während

ich in Berlin in Bibliotheken Theorie

büffelte, stand ich in Wien plötzlich

im Klassenzimmer und wendete meine

Kenntnisse praktisch an – ein Unterschied,

der mich forderte und inspirierte.

Die Pädagogische Hochschule Wien

überraschte mich mit einem praxisorientierten

Ansatz und einem breit gefächerten

Curriculum, das auch kreative

Fächer wie Musik und Sport umfasste.

Die „pädagogisch-praktischen Studien“

stellen hier das Herzstück der Ausbildung

dar: Studierende verbringen jedes

Semester zwölf Tage an Schulen, erhalten

begleitetes Feedback und besuchen

Seminare zur Reflexion ihrer Erfahrungen.

Ab dem vierten Semester werden

Spezialisierungen wie Inklusion, sprachliche

Bildung, Science and Health sowie

Kreativität angeboten. Anders als in Berlin

ist die Forschung hier eher isoliert:

Der Austausch und der Einsatz studentischer

Hilfskräfte fehlen, was den Zugang

zur wissenschaftlichen Arbeit einschränkt.

GS aktuell 169 • Februar 2025

39


Praxis: Rundschau Schrift und Schreiben über die Fächer hinaus

Unterschiedliche Wege,

gemeinsames Ziel

Neben den strukturellen Unterschieden

fällt die unterschiedliche gesellschaftliche

Wahrnehmung der Studiengänge

in beiden Ländern auf. In Berlin studieren

angehende Grundschullehrkräfte

gemeinsam mit jenen für die Sekundarstufen

I und II, was zu einer deutlich

tieferen fachlichen Ausbildung führt.

Die intensive Auseinandersetzung mit

den Fachdisziplinen befähigt deutsche

Grundschullehrkräfte, als spezialisierte

Fachlehrer:innen zu agieren – sei

es in Mathematik, Deutsch oder den

Naturwissenschaften. Diese fachliche

Tiefe ermöglicht einen qualitativ hochwertigen

und differenzierten Fachunterricht

von Anfang an.

In Wien konzentriert sich die Ausbildung

ausschließlich auf die Volksschule.

Dies schafft eine intensive Praxisnähe

und ermöglicht eine spezifische Fokussierung

auf die individuellen Bedürfnisse

und Entwicklungswege der Kinder. Besonders

beeindruckt hat mich, dass verschiedene

pädagogische Konzepte wie

Montessori und Reggio oder Elemente

der sensorischen Integrationstherapie

und der fächerübergreifenden Rhythmik

(Musik, Bewegung, Sprache, Medien)

nicht nur theoretisch behandelt,

sondern aktiv im Studium gelebt werden.

Diese pädagogische Vielfalt ermöglicht es

den künftigen Lehrkräften, bewusst ihren

eigenen Unterrichtsstil zu entwickeln und

flexibel auf die unterschiedlichen Persönlichkeitstypen

ihrer Schüler:innen einzugehen.

Der Fokus liegt dabei stärker auf

der ganzheitlichen Entwicklung des Kindes

und der pädagogischen Vermittlung

grundlegender Inhalte als auf der fachlichen

Durchdringung der einzelnen

Unterrichtsfächer.

Fazit und Ausblick

Trotz der komplementären Stärken beider

Ausbildungssysteme und deren

Potenzial für eine vielfältigere Bildungslandschaft

durch die unterschiedlichen

Erfahrungen der Lehrpersonen bleibt

ein reibungsloser Wechsel zwischen den

Systemen schwierig. Entgegen den Zielen

des Bologna-Prozesses, der eigentlich

die Mobilität von Studierenden fördern

sollte, verhindert die mangelnde

gegenseitige Anerkennung von Studienleistungen

einen direkten Übergang.

Deutsche Universitäten zweifeln an

der Gleichwertigkeit praxisorientierter

österreichischer Module, während

österreichische Hochschulen die theoretische

Ausrichtung deutscher Studienleistungen

als praxisfern einstufen.

Beide Ansätze haben ihre Stärken.

Das praxisorientierte, ganzheitliche

Wiener Modell bildet Lehrkräfte aus,

die dem Grundschulalltag souverän begegnen

können. Der Berliner Ansatz

vermittelt eine tiefer gehende fachliche

und theoretische Fundierung. Eine Balance

zwischen den Stärken beider Systeme

wäre wünschenswert: Die Implementierung

semesterbegleitender Schulpraktika

in Deutschland, eine Stärkung

der Forschungskultur in Österreich sowie

Kooperationsprogramme zwischen

den Hochschulen und Universitäten beider

Länder. So könnte eine Lehrkräftebildung

entstehen, die Theorie und Praxis

optimal verbindet und dem Grundschullehramt

in beiden Ländern zu

mehr Anerkennung verhilft.

Stefanie Wendt

Zeit für Kinder

Der Rechtsanspruch auf ganztägige Bildung – Eckpunkte

des Grundschulverbands zur Ganztagsschule

Seit 2003 von der damaligen

Bundesbildungsministerin Bulmahn

mit dem Investitionsprogramm

„Zukunft Bildung und

Betreuung“ die Weichen für Ganztagsschulen

gestellt wurden, hat sich der

Ganztagsschulausbau in Deutschland

nur sehr langsam und, der föderalen

Struktur geschuldet, in großer Unterschiedlichkeit

entwickelt. Gleichzeitig

sorgten seitdem der gesellschaftliche

und kulturelle Wandel dafür, dass sich

die Erwartungen an Schulen und deren

Bildungsauftrag ständig erhöhten. Die

Forderung nach mehr Chancengerechtigkeit

und der Bedarf an mehr

Ganztagsversorgung, um die Berufs-

tätigkeit von Eltern, insbesondere von

Müttern, zu ermöglichen, brachten weitere

Herausforderungen für die Grundschulen.

Da der Rechtsanspruch auf

einen Platz in Kindertageseinrichtungen

und in der Kindertagespflege längst

gesetzlich festgelegt war, war die Ausweitung

der Schul- und Bildungszeit in

der Grundschule eine konsequente und

logische Folge. Als bildungs-, familienund

sozialpolitisches Vorhaben von

Bund und Ländern wurde der Rechtsanspruch

auf ganztägige Bildung,

Betreuung und Förderung von Kindern

im Grundschulalter schließlich 2021 im

Achten Sozialgesetzbuch verankert und

soll ab 2026 stufenweise umgesetzt werden.

Im Zusammenhang mit den seit

Jahren stetig steigenden Schüler:innenzahlen

stehen die Länder und Kommunen

damit personell und finanziell vor

einer Mammutaufgabe.

Ganztagsschule braucht

Entwicklungszeit und ist kein

Selbstläufer

Die Grundschule ist Ort der Begegnung

von Kindern aus unterschiedlichen

Lebenskontexten und Kulturen und

die Bildungseinrichtung, die für die

Vermittlung der Kulturtechniken Verantwortung

trägt. Sie braucht im Rahmen

des Auftrags zur Ganztagsentwicklung

die Absicherung von Res-

40

GS aktuell 169 • Februar 2025


Praxis: Schrift und Schreiben über die Fächer Rundschau hinaus

Rundschau

sourcen und Unterstützung, um die

strukturellen und organisatorischen

Veränderungen schultern zu können.

Wenn Kindern durch ganztägige Förderung

eine chancengerechtere und weniger

von der Herkunft abhängige Bildungsentwicklung

ermöglicht werden

soll, wenn für Eltern mit dem Ganztagsausbau

eine bessere Vereinbarkeit

von Familie, Beruf und Schule zu schaffen

ist, was insbesondere im Interesse

der Wirtschaft liegt, müssen Bedingungen

angepasst werden. Neben dem

inklusiven Anspruch auf individuelle

und chancengerechte Bildungsentwicklung

gilt es gerade im Ganztag, vielfältige

Möglichkeiten für Partizipation zu

schaffen, um die Teilhabe der Schülerinnen

und Schüler an Entscheidungen

über ihren Lernprozess und über die Gestaltung

des Schullebens zu sichern und

um den anspruchsvollen Unterrichtsund

Schulentwicklungsprozess gelingend

gestalten zu können.

Aus Sicht des Grundschulverbands

müssen Ganztagsschulen neben ihrem

emanzipatorischen Auftrag, attraktive

Bildungsorte sein, die allen Kindern

gute Bildungsangebote bereitstellen. Die

Ganztagsschule muss mehr sein als die

Verlängerung der Schultage, sie muss für

alle Kinder der Schulgemeinschaft einen

rhythmisierten Tages- und Wochenablauf

gewährleisten.

Ganztagsschulen sind inzwischen

in allen Bundesländern Teil der Schullandschaften,

eine Entwicklung, die der

Grundschulverband begrüßt, dabei aber

gleichzeitig auf den hohen Ausbaubedarf

hinweist sowie auf die Notwendigkeit,

einen abgestimmten Qualitätsrahmen

zu vereinbaren. Die ohnehin zögerliche

Entwicklung der Ganztagsförderung hat

primär in den westlichen Bundesländern

zu einer Vielfalt an Organisationsformen

geführt, die von der traditionellen oder

verlässlichen Halbtagsschule mit freiwilligen

nachmittäglichen Betreuungsangeboten

bis zur gebundenen Ganztagsschule

mit obligatorischer Anwesenheit

aller Kinder am Nachmittag reicht. Dieser

Vielfalt liegen bildungspolitische Erwägungen

der Länder, der jeweilige Ressourcenrahmen,

die unterschiedlichen

Bedarfslagen von Eltern sowie lokale

Entwicklungen zugrunde.

Klarzustellen ist, dass Systeme, die

additiv oder als „offene Ganztagsschule“

organisiert sind, nicht für alle Kinder

Maresi Lassek,

Landesgruppe Bremen, Schulleiterin i. R.,

von 2010 bis 2020 Vorsitzende des

Grundschulverbands

neue Lernchancen bereitstellen (können).

Solche Konzepte führen zwangsläufig

den traditionellen Halbtagsunterricht

nach Stundentafel für alle weiter

und bieten darüber hinaus zusätzliche

nachmittägliche Bildungs- und Betreuungsangebote

für den Teil der Kinder,

deren Eltern dies wünschen oder auf

eine den Unterricht ergänzende Betreuung

angewiesen sind und die Zusatzkosten

finanziell aufbringen können. Verbundkonzepte

zwischen Schule und Jugendhilfe

mit additiven Hort- und Betreuungsangeboten

haben ähnliche

Voraussetzungen. Diese Konzepte können

Schritte sein in Richtung auf eine

gebundene Ganztagsschule, die den pädagogischen

Ansprüchen einer qualitätsvollen

längeren und rhythmisierten

Lernzeit für alle Kinder gerechter werden

kann.

Fast alle Grundschulen, die durch

Auszeichnungen wie dem deutschen

Schulpreis als Modelle für zeitgemäße

Grundschulpädagogik gewürdigt wurden,

sind gebundene Ganztagsschulen.

Die gebundene Form schafft den

zeitlichen Rahmen für einen ganztägig

durchgestalteten, rhythmisierten Tagesablauf

unter Beachtung der Bedürfnisse

der einzelnen Kinder. Es entfallen Gruppenwechsel

und vor allem eine Reihe

von Aushandlungsprozessen (meist mit

Eltern) über Abholzeiten.

Ganztägige Bildung – Qualitätsstandards

und Eckpunkte

Bisher fehlen bundeseinheitliche Standards

für Qualität, Konzeption, Ausstattung

und Organisation von Ganztagsschulangeboten,

sodass eine

Vergleichbarkeit oder verbindliche

Definition von Ganztagsschulen nicht

möglich ist. Um dem Auftrag zur Schaffung

von mehr Bildungsgerechtigkeit

nachkommen zu können und damit

inklusiver zu wirken, muss die Qualität

von Ganztagsschule(n) in den Mittelpunkt

der pädagogischen und politischen

Diskussion gestellt werden. Da

bundesweit große quantitative und

qualitative Unterschiede zwischen den

Ganztagsangeboten bestehen, sollte das

Ganztagsförderungsgesetz (GaFöG)

zu einer in allen Bundesländern qualitativ

anspruchsvollen Umsetzung beitragen,

Unterschiede ausgleichen, mehr

Chancengerechtigkeit sichern und zur

Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse

im Bundesgebiet beitragen. Der

Dreiklang von Bildung, Betreuung

und Erziehung, der für die frühkindliche

Bildung gilt, muss sich in Bildung,

Förderung und Betreuung von

Kindern im Grundschulalter fortsetzen.

Da trotz aller Empfehlungen die

Umsetzung in den Ländern zu unterschiedlich

ist, gilt es, unabhängig von

der Organisationsform (offene oder

gebundene Ganztagsschule, Hort und

Nachmittagsangebote) und der Trägerschaft

bundeslandübergreifende Qualitätsbereiche

zu beschreiben und als

verbindlichen Qualitätsrahmen festzulegen:

Zeitrahmen, Raumausstattung,

personelle Ausstattung, Kooperation

und das Essensangebot (s. auch https://

awo.org/wp-content/uploads/Pressemeldungen/2023/Verbaende-Aufruffuer-einen-guten-Ganztag_05_2023_0.

pdf). Dieser Qualitätsrahmen muss

darauf ausgerichtet sein, für die Kinder

Mitgestaltungsmöglichkeiten in den sie

betreffenden Angelegenheiten zu schaffen,

damit sie den Tag in seinen unterschiedlichen

Phasen aktiv und interessiert

erleben können. Ziel muss sein,

dass insbesondere junge Kinder, aber

auch Jugendliche den ganzen Tag über

ihre Zeit gern in der Schule verbringen.

● Zeit für das Lernen in rhythmisiert

gestalteten Tagesabläufen

Mit längeren schulischen Bildungszeiten

für alle Kinder soll die Grundschule den

veränderten Lebensbedingungen der

heranwachsenden Generation gerecht

werden. Ganztagsgrundschulen brauchen

einen rhythmisierten Schultag mit

Unterricht, Pausen, Essenszeiten und

unterschiedlichen Angeboten. Rhythmisierung

meint den Wechsel von

anstrengenden und entspannten Tätigkeiten,

von Ruhe und Bewegung. Basis

GS aktuell 169 • Februar 2025

41


Praxis: Rundschau Schrift und Schreiben über die Fächer hinaus

dafür ist ein umfassender Bildungsbegriff,

der neben fachlichen Kompetenzen

die Bedeutung sozial-emotionalen

Lernens, von Gesundheit, Bewegung

und der individuellen Persönlichkeitsentwicklung

einbezieht.

● Eine hochwertige Lernumwelt –

Raum für ganztägige Bildung und

Gesundheit

Das Ambiente, das wir den Kindern

zum Lernen bieten, ist von großer

Bedeutung für ihr Wohlbefinden und

elementare Voraussetzung für Lernfreude

und Schulerfolg. Je mehr Zeit

die Kinder im Schulhaus verbringen,

umso mehr wachsen die berechtigten

Ansprüche an die ästhetische Gestaltung

des Gebäudes und der Außenanlagen.

Umbauten und Neubauten bei der Einrichtung

von Ganztagsschulen brauchen

hochwertige architektonische Entwürfe.

Ganztagsfähige Schulgebäude und

Schulgelände müssen den Anforderungen

von individuellem und gemeinsamem

Lernen und von Freizeit gerecht

werden. Dazu gehören: die Bereitstellung

von mehr Fläche pro Kind, Bewegungsflächen

im Gebäude und auf dem

Außengelände, Begegnungsräume, Rückzugsmöglichkeiten,

Fachräume, auch Bibliothek

/ Mediathek und der Essensbereich.

Möglichkeiten der multifunktionalen

Nutzung des vorhandenen Raumpotenzials

können durch Raumangebote

im Umfeld der Schule ergänzt werden.

Arbeitsräume für die Mitarbeiterinnen

und Mitarbeiter sowie Beratungsräume

sind fester Bestandteil des Raumkonzepts.

Eine an gesundheitlichen und ökologischen

Maßstäben ausgerichtete und

kostenfreie Mittagsverpflegung ist elementar

für eine gute Ganztagsschule.

● Eine allseitig und fächerübergreifend

ausgerichtete Lernkultur

Eine gute Ganztagsschule orientiert sich

an den Stärken und den Interessen ihrer

Schülerinnen und Schüler. Wesentlicher

Gelingensfaktor ist ein pädagogisches

Konzept, das auf einer gemeinsamen

pädagogischen Grundhaltung basiert

und im besten Fall von allen an der Schule

beteiligten Lehrkräften, pädagogischen

und weiteren Fachkräften, Eltern

und Kindern erarbeitet, weiterentwickelt

und getragen wird. Neben den zentralen

Lernbereichen gehören vielfältige

Angebote aus Sport, Musik, Kunst und

Theater dazu, damit jedes Kind seine

besonderen Talente und Fähigkeiten einsetzen

und entwickeln kann.

● Multiprofessionelle Personalausstattung

– Kooperation und Teamarbeit –

Beteiligung und Verantwortung

Die Ganztagsschule braucht eine

bedarfsgerechte und multiprofessionelle

Personalausstattung (Fachkraft-Kind-

Relation), die nach fachlichen und

wissenschaftlichen Erkenntnissen

für den Unterricht, den Betreuungsund

den Freizeitbereich sowie für

Kooperationsanforderungen berechnet

ist. Die Ganztagsschule verändert Aufgaben

und Arbeitszeiten von Lehrkräften

und sozialpädagogischen Fachkräften.

Unterrichtliche Tätigkeit, pädagogische

und kooperative Aufgaben

sowie die Zusammenarbeit mit Eltern

und außerschulischen Partnern sind in

der Berechnung zu berücksichtigen.

Leitungskräften bzw. Leitungsteams

von Ganztagsschulen müssen erweiterte

Zeitressourcen zugewiesen werden,

um Teamprozesse und Konzepte zur

Schulentwicklung mit allen Beteiligten

erarbeiten und organisieren sowie die

erhöhten organisatorischen Planungen

leisten zu können.

Multiprofessionalität und Teamarbeit

machen eine gute Ganztagsschule aus.

Unterrichten, Erziehen und Betreuen

sind aufeinander bezogene Dimensionen

pädagogischen Handelns – keine organisatorisch

und personell trennbaren Bereiche.

Damit die unterschiedlichen Kompetenzen

von Lehrkräften und pädagogischen

Fachkräften wirksam zusammenkommen,

bedarf es enger Kooperation

und gleichberechtigter Teamarbeit, auch

um gemeinsame Verantwortung zu ermöglichen.

Für das Gelingen von Teamarbeit

sind feste Kooperationszeiten elementar.

Kooperation und Partizipation

auf allen Ebenen des Systems sind zudem

Voraussetzung für eine gelingende Schulentwicklung.

Gerade an Ganztagsschulen

ist die Beteiligung aller, insbesondere von

Kindern und Eltern, wesentlich, da hier

sehr unterschiedliche Interessen und Bedürfnisse

aufeinandertreffen.

● Zusammenarbeit im Stadtteil und

in der Region

Die Ganztagsschule bindet einen großen

Teil der Zeit von Kindern und Jugendlichen.

Erfahrungen und Bindungen

im Umfeld der Schule wie kulturelle,

sportliche, musische, künstlerische oder

soziale Angebote aus dem Stadtteil bieten

sich zur Erweiterung schulischer

Aufgaben gerade auch mit Blick auf

Teilhabe an. Außerschulische Partner

in die Schule zu holen und regelmäßig

außerschulische Lernorte zu nutzen,

verbindet die Ganztagsschularbeit mit

dem sozialen Milieu und dem Wohnumfeld.

● Schulentwicklung und Prozessbegleitung

Für die Entwicklung der Ganztagsgrundschule

gilt es, unter Beachtung der

Bedingungen der Einzelschule Konzepte

zu finden. Diese müssen dem Erziehungs-

und Bildungsauftrag sowie den

Standortbedingungen der Schule gerecht

werden, die Bedürfnisse der Kinder

berücksichtigen und, wenn möglich, die

Wünsche und Bedingungen der Eltern

einbeziehen. Der Aufbau einer Ganztagsschule

ist eine komplexe und anspruchsvolle

Schulentwicklungsaufgabe. Zuverlässige

Rahmenvorgaben und professionelle

Prozessberatung sind Voraussetzung,

auch um die Konzeptionsentwicklung

partizipativ und inklusiv zu gestalten und

die Qualitätsentwicklung zu begleiten und

zu sichern.

● Sicherung der Ressourcen

Alle Grundschulen sind durch eine ihrer

Aufgabe entsprechende personelle, sachliche

und räumliche Ausstattung in die

Lage zu versetzen, sich zu echten Ganztagsschulen

zu entwickeln. Der Grundschulverband

lehnt „Billiglösungen“ im

Bereich der institutionalisierten Kindererziehung

ab. Die Finanzierung muss

vom Schulträger, vom Bundesland, aber

auch vom Bund in angemessener Weise

getragen werden. Das Kooperationsverbot

zwischen Bund und Ländern darf

an dieser Stelle nicht zu Lasten der Kinder

gehen, die in Deutschland ohnehin

unter ungleichen Bildungsbedingungen

leben und lernen.

Maresi Lassek

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GS aktuell 169 • Februar 2025


aktuell … aus den Landesgruppen

Baden-Württemberg

Kontakt: Edgar Bohn

edgar.bohn@gsv-bw.de, https://gsv-bw.de

Neuer Vorstand gewählt

Im Anschluss an den gut

besuchten Grundschultag in

Stuttgart fand die ordentliche

Mitgliederversammlung

mit Neuwahlen statt. Noch

standen bis zum Jahresende

einige Veranstaltungen bevor,

aber der Vorstand konnte

von sehr aktiven vier Jahren

berichten. Schon zur Routine

sind inzwischen die Regelgespräch

mit Politik und

Verwaltungsspitze geworden,

daneben die Tagungen in

Präsenz und auch online.

Acht Gewählte bilden den

neuen Kollektivvorstand (in

alphabetischer Reihenfolge):

Edgar Bohn, Inken Broocks,

Susanne Doll, Gabriele Doderer,

Taha Kuzu, Annette Pohl,

Katharina Rohrbach-Holzinger

und Christoph Straub.

Erfreulich, dass daneben

noch eine Reihe weiterer

Personen zur themenbezogenen

Mitwirkung gewonnen

werden konnten.

In der konstituierenden

Sitzung des neuen Vorstands

Ende November wurden

Von links: Katharina Rohrbach Holzinger, Inken Broocks,

Annette Pohl, Christoph Straub, Gabi Doderer, Taha Kuzu,

Susanne Doll, Thomas Irion (kooptiert), Edgar Bohn

sodann die Aufgabengebiete

neu verteilt.

Für die Landesgruppe:

Edgar Bohn

Bayern

Vorsitzende: Gabriele Klenk, Konstanze von Unold

https://grundschulverband-bayern.de

Grundschultag in Pullach

Ende November fand in

Pullach der Grundschultag

zum Thema „NachHALTig und

FAIRtieft lernen: Bildungsräume

der Zukunft“ statt.

Über 150 Interessierte aus

Schulpraxis, -verwaltung

und -forschung kamen an

diesem Samstag im Bürgerhaus

zusammen. Mit seinem

Impulsvortrag „Schule für den

ganzen Tag. Bildungsräume

für die Zukunft“ brachte

Prof. Dr. Jörg Ramseger auf

den Punkt, was es für eine

vollumfängliche, ganztätige

Bildung braucht. Er zeigte

auf, welche Veränderungen

im Klassenzimmer sofort

umsetzbar sind, indem man

beispielsweise Räume mutig

verändert und so einen kindund

zeitgemäßen Lebensraum

gestaltet. Anhand

eindrucksvoller Beispiele

aus der Schulpraxis wurde

deutlich, dass es nicht darum

geht, Kinder den ganzen Tag

zu betreuen, sondern ihnen

Bildung über den ganzen Tag

hinweg zu ermöglichen.

In den anschließenden

Workshops zum Churer-

Modell, zu mathematischen

Basiskompetenzen oder

zur kooperativen Ganztagsbildung

bis hin zum Draußen

lernen – Unterricht im Wald

– konnte jeder und jede

eigene Schwerpunkte für sich

wahrnehmen. Bei der großen

Auswahl an Themen fiel die

Wahl nicht immer leicht. In

den Pausen wurde deshalb

intensiv diskutiert und neue

Kontakte wurden geknüpft.

Genau solche Begegnungen

und ein Netzwerk mit

Gleichgesinnten braucht es

immer wieder im Schulalltag

zur eigenen Motivation, um

Überzeugungsarbeit leisten

Prof. Dr. Jörg Ramseger beim

Grundschultag Bayern

zu können und Resilienz zu

entwickeln.

In der Abschlussrunde

formulierten die TeilnehmerInnen

ihren Eindruck zu

dieser Veranstaltung in Form

einer Schlagzeile, die den

Ertrag dieses Tages möglichst

prägnant in Worte fassen

sollte.

Hier ein Auszug:

„Räume öffnen und Kinder

das Lernen gestalten lassen.“

„Habt Mut und macht!“

„Schule – dynamisch denken“

„Mutig sein und ermutigen.“

„Gute Bildung können wir ab

morgen umsetzen.“

Für die Landesgruppe:

Kathrin Ettner

GS aktuell 169 • Februar 2025

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Praxis: aktuell Schrift … aus und den Schreiben Landesgruppen über die Fächer hinaus

Brandenburg

Vorsitzende: Denise Sommer

Gsv-Brandenburg@posteo.de, www.grundschulverband.de

Chance verpasst – Brandenburg

bleibt Mittelmaß

Das Bildungsministerium in

Brandenburg bleibt nach

der Landtagswahl in der

Verantwortung der SPD und

wird weiterhin von Minister

Freiberg geleitet. Der Koalitionspartner

BSW hätte

das Ressort nach eigenen

Aussagen gern übernommen.

Die bisherigen Festlegungen

im Koalitionsvertrag sind aus

der Sicht der Grundschulverbandes

wenig innovativ

und nicht zukunftsorientiert,

sondern eher ein „weiter so“.

Die verbindliche Einführung

von Lese- und Rechenband

soll den Bildungsbereich

nach „vorne bringen“.

Neben Fachkräftesicherung

und Qualitätssicherung

sollen Brandenburger

Grundschulen die Kernkompetenzen

Lesen, Schreiben

und Rechnen „vermitteln“.

Schon hier liegt der Widerspruch,

denn Kompetenzen

lassen sich nicht einfach

durch verbindliche Lehrpläne

„vermitteln“. Der Vorrang der

analogen Medien gegenüber

den digitalen, das Verstauen

der privaten digitalen

Endgeräte der Schülerinnen

und Schüler in den Taschen

und Schließfächern haben es

als Festlegungen in diesen

Vertrag geschafft. Ohne

die privaten Endgeräte der

Eltern hätten in der Corona-

Pandemie viele Kinder keinen

Zugang zu digitalen Lernangeboten

gehabt. Immer

noch gibt es Brandenburger

Grundschulen, die trotz des

Digitalpaktes kein einziges

digitales Endgerät für ihre

Schülerinnen und Schüler zur

Verfügung haben. Auch die

angekündigten Dienstgeräte

für Lehrkräfte sind noch nicht

bei allen Kolleginnen und

Kollegen angekommen.

Wer glaubt, dass die Einführung

verbindlicher Lehrpläne

Lehrkräfte entlastet und

gleichzeitig das Unterrichtsniveau

sichert, kennt die

Komplexität von Schule und

die Lernprozesse der Kinder

nicht. Statt eines wirklich

guten Ganztagskonzeptes

zur Bildung aller Kinder in

gemeinsamer Verantwortung

von Schule und Hort

wird Ganztagsbetreuung

favorisiert statt ganztägiger

Bildung. Immerhin soll die

Bildungsbiografie des Kindes

im Mittelpunkt stehen und

die kulturelle Bildung in

Schulentwicklungsprozessen

gestärkt werden. Unser Dank

gilt den engagierten und

motivierten Lehrkräften, die

nach wie vor mit besonderem

Blick auf das Lernen und oft

nicht einfache Leben der

Kinder an den Brandenburger

Grundschulen tätig sind.

Save the date:

Einladung zum

Grundschultag 2025

Nach dem zweiten erfolgreichen

Grundschultag 2024

„Basiskompetenzen UND

Future Skills stärken“. an

der Freien Schule Potsdam

laden wir herzlich zum ersten

Grundschultag 2025 ein. Ein

besonderes Dankeschön

gilt im Rückblick nochmals

Wenke Funke und ihrem

Kollegium, die ein herzliches

Willkommen für die Teilnehmenden

geschaffen haben.

Ein besonderer Dank gebührt

insbesondere den vier

Kolleg:innen der Schule, die

in zwei Workshoprunden ihre

Erfahrungen zur Gestaltung

eines zukunftsfähigen Grundschulunterrichts

vorgestellt

haben.

Bitte vormerken:

Thema: Schreiben im

(Fach-)Unterricht – Wie

Wörter, Sätze und Texte

„wachsen“

Ort: Grundschule Glienick,

Am Sportplatz 8,

15806 Zossen

Zeit: 8. April 2025

Für den Vorstand

Denise Sommer

Hessen

Vorsitzender: Mario Michel

mario.michel@gsvhessen.de, www.gsvhessen.de

Voller Erfolg!

Das neue Online-Format „Talk

im Südwesten“, das gemeinsam

mit den Landesgruppen

von Baden-Württemberg

und Rheinland-Pfalz aus der

Taufe gehoben wurde, kann

für den ersten Termin als

„voller Erfolg“ bezeichnet

werden. Am 21.11.2024 von

18.30 Uhr bis 19.30 Uhr trafen

sich online 52 Teilnehmende,

die sich einen Vortrag von

Martina Hehn-Oldiges als

kompetenter Expertin zum

Thema „Ermahnungssysteme

aus kinderrechtlicher Sicht“

anhörten und in den Austausch

miteinander und mit

der Expertin traten. Alle drei

Landesgruppen sind stolz

und voller Freude über die

gelungene Veranstaltung,

die offensichtlich thematisch

dicht an den Bedürfnissen

der GrundschulkollegInnen

platziert war. Einen Termin für

den zweiten „Talk im Südwesten“

gibt es auch schon

bereits. Am 6.2.2025 wird es

ein weiteres Online-Angebot

geben. Titel und Thema

werden wieder rechtzeitig

über verschiedene Kanäle

transportiert werden.

Neben dieser „Erfolgsgeschichte“

gibt es auch von

einem Präsenztreffen des Vorstandes

der Landesgruppe zu

berichten. Am 16.11.24 traf

sich dieser in der Kleeblattschule,

Langgöns-Oberkleen,

an der unser Vorstandsmitglied

Heidi Fischer die

Schulleiterin ist.

Hier war, neben der Rückmeldung

aus der kürzlich

zurückliegenden Delegiertenversammlung,

unter

anderem der zuletzt aus

Finanzierungsgründen verschobene

Hessische Grundschultag

Thema. Stattfinden

soll dieser nun im September

2025, voraussichtlich an der

Uni Gießen. Weitere Informationen

folgen.

Für die Landesgruppe Hessen

Pia Hölzel

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GS aktuell 169 • Februar 2025


aktuell … aus den Landesgruppen

Bremen

Vorstandssprecher: Chris Barnick, c.barnick@uni-bremen.de

www.grundschulverband-bremen.de

Am 7.11. hat die Landesgruppe

zu einer Veranstaltung

zum Thema „Kinder – Zukunft

–BNE Was hat das mit

der Grundschule zu tun?“

ins Landesinstitut für Schule

eingeladen. Nach einer engagierten

Einführung durch

Ulrike Oltmanns (Projekt

„Eine Welt in der Schule“)

kamen die Teilnehmer / innen

an vier Tischen miteinander

zu folgenden Themen ins

Gespräch: Handreichung

und Materialien zu den

17 Sustain able Development

Goals; Kinder rechte; Die Welt

in Karten; Slow Fashion und

Regenwald. Die Folien des

Vortrags sind erhältlich über:

https://grundschulverband-

bremen.de/fachvortrag-

2024-bne/

Die diesjährige Mitgliederversammlung

der Landesgruppe

fand am 21.11.

im ISSU-Labor/ Lese- und

Schreibwerkstatt an der

Universität Bremen statt.

Neben einer Bilanz der Arbeit

im Jahr 2024 und einem

Ausblick auf die in 2025 anstehenden

Aufgaben haben

sich die Mitglieder darüber

ausgetauscht, wie das

„Startchancen“-Programm

in Bremen umgesetzt wird.

Dieses Thema soll durch Gespräche

mit Mitgliedsschulen

weiter verfolgt werden, um

eventuell konkrete Rückfragen

an die senatorische

Behörde zu den inhaltlichen

Schwerpunkten und dem

Verfahren der Umsetzung zu

stellen. Aus Anlass von lange

verschleppten Problemen

in einer Schule gilt das auch

für die Etablierung eines

wirksameren Beschwerde-

Managements.

In einer konzertierten Aktion

mit anderen Verbänden hat

sich die Landesgruppe mit

einem Positionspapier zur

dramatischen Lage im Bildungsbereich

an den Bremer

Senat und die in der Bürgerschaft

vertretenen Parteien

gewandt, um sie daran zu

erinnern, „das Wohl und die

Bildung der Kinder und Jugendlichen

in Bremen endlich

als Gesamtaufgabe des Senats

und aller politisch Verantwortlichen

anzunehmen und Ihrer

Verpflichtung nachzukommen,

für die junge Generation gute

und gerechte Bedingungen zu

schaffen, um damit auch die

Zukunft unserer Gesellschaft

und Demokratie zu sichern.“

Als ersten Schritt fordern die

Verbände die „Einrichtung

eines ‚Runden Tisches’ zum

Thema ‚Stärkung der Bremer

Bildung’ unter Beteiligung

des Bremer Bürgermeisters,

der Leitungen der Ressorts

Finanzen, Gesundheit,

Soziales und Bildung, der

jeweils Verantwortlichen in

der Bremer Senatskanzlei,

und der bildungspolitischen

Sprecher*innen der Parteien.

Erste Ergebnisse dieses „runden

Tisches“ sollten spätestens im

Frühjahr 2025 (Ende März) der

Bürgerschaft zur Abstimmung

vorliegen.

Wie inzwischen schon

Tradition trifft sich der Vorstand

in den ersten Wochen

des neuen Jahres zu einem

Abschlussessen, um gemeinsam

Bilanz zu ziehen und

Perspektiven für die Arbeit in

2025 zu entwickeln.

Für die Landesgruppe

Hans Brügelmann

Berlin

Kontakt: Ines Garlisch, Sabine Jennerjahn, Agnieszka von Prondzinski, vorstand@gsv-berlin.de

Wir hatten in unserem letzten

Landesgruppenbericht angekündigt,

von unserem im

ersten Schulhalbjahr 2024/25

geplanten „Herbstfest“ und

der Veranstaltung „Das mehrsprachige

Klassenzimmer“

zu berichten. Leider müssen

wir nun konstatieren, dass

hoffnungsfroh Geplantes

ziemlich schief gehen kann:

Am „Herbstfest“ Ende

September unter den

schönen alten Bäumen des

Schulhofs einer Grundschule

in Berlin-Prenzlauer Berg

war das Wetter zwar herrlich,

die Stimmung bei Kaffee

und Keksen vergnügt – aber

leider nur in der kleinen

Gruppe unserer erweiterten

Vorstandstruppe plus drei

neugierigen Mitgliedern.

Alle vorbereiteten Interaktionsangebote

konnten

wir da natürlich in die Tonne

werfen – schade!

Mehr als schade war dann

das nächste Desaster: Für

den 21. November hatten

wir zu einer Veranstaltung

„Das mehrsprachige

Klassenzimmer“ in die

schulpreisgeehrte Friedenauer

Gemeinschaftsschule

eingeladen. Breit beworben,

als Fortbildung anerkannt. 35

Kolleg*innen (!) hatten sich

bereits angemeldet, und wir

planten schon die Stehplätze

für die nicht angemeldeten

Teilnehmer*innen ein – als

vier Tage vor der Veranstaltung

beide Referentinnen

unvermittelt absagten, keine

Rücksprache mit uns, kein

Ersatz. Den konnten wir

natürlich so schnell auch

nicht organisieren und so

blieb nur übrig, die ganze

Veranstaltung kurzfristig zu

canceln.

Nun hoffen wir, dass unsere

Berliner Mitglieder dennoch

bei der Stange bleiben und

unser für 2025 geplantes

neues Format auf Resonanz

stößt: Ab Januar wollen wir

einen offenen Gesprächskreis

„Aus der Praxis für

die Praxis“ anbieten für

spontanen Ideen-Meinungsaustausch

zu aktuellen

Themen der Schulpraxis.

Abwechselnd je nach Wunsch

der Teilnehmenden online

oder in Präsenz, jeweils

am letzten Montag jeden

Monats. Bei unserem ersten

Themennachmittag am 27.

Januar geht es um „FreiDay

und BNE“; Sabine Jennerjahn

wird als Auftakt von ihren

guten Erfahrungen in einer

Jül-Klasse 4/5 erzählen.

Für die Landesgruppe:

Ines Garlisch,

Ulla Widmer-Rockstroh

GS aktuell 169 • Februar 2025

45


Praxis: aktuell Schrift … aus und den Schreiben Landesgruppen über die Fächer hinaus

Hamburg

Kontakt: Marion Lindner, Plinkstraße 81, 25337 Elmshorn

Lindner_Marion@t-online.de, https://gsvhh.de

Die Landesgruppe im

Gespräche mit der Schulbehörde

Vorstandsmitglieder unserer

Landesgruppe traf sich mit

Grundschulreferentin Frau

Greiner in der Reformschule

Winterhude zum Kennenlernen

und angeregtem

Austausch. Bereits beim

Rundgang durch Lerngruppenräume

und Lernflächen

wurden intensive Gespräche

über Eröffnung neuer

Lernwege und die Weiterentwicklung

des ganztägigen,

individualisierten Lernens

geführt. Bei der Vorstellung

unserer Arbeitsschwerpunkte

machten wir deutlich wie

schwierig es ist neue Mitglieder

zu akquirieren und für

die Mitarbeit im Grundschulverband

zu gewinnen. Frau

Greiner berichtete, dass sich

auch in der Schulbehörde

nur wenige KollegInnen aus

dem Grundschulbereich auf

ausgeschriebene Stellen bewerben

bzw. dort tätig sind.

Ein weiteres Thema waren

die neuen Bildungspläne, die

durch einen umfassenden

Beteiligungsprozess entwickelt

und zum Schuljahr 2023

eingeführt wurden. Auch die

Landesgruppe Hamburg hat

eine umfangreiche Stellungnahme

dazu verfasst und

eingereicht. Noch immer sind

die Bildungspläne überfrachtet

und lassen wenig Raum

für individuelle Schwerpunkte.

Der Individualität der

von links nach rechts: Andrea Karlsberg, Marion Lindner, Senatorin Ksenija Bekeris,

Maik Becker- Pöge, Petra Stumpf, Landesschulrat Thorsten Altenburg- Hack,

Fachaufsicht Grundschulen Susanne von Stebut, Johannes Lagemann

Kinder und ihrer Lernwege

muss unbedingt Rechnung

getragen werden. Die Beobachtungs-

und Bewertungskriterien

für die einzelnen

Fächer und die vorgegeben

Zeitpunkte stehen der Entwicklung

der Grundschule

zu einer inklusiven Schule für

alle Kinder entgegen.

Frau Greiner wies auf die

Möglichkeit einer Stellungnahme

am Ende der Erprobungsphase

der Bildungspläne

hin. Diese Gelegenheit

wird die Landesgruppe auf

jeden Fall nutzen und die

Standpunkte des Grundschulverbandes

einbringen.

Nur wenige Wochen später

waren fünf TeilnehmerInnen

unserer Vorstandsgruppe zu

Gast in der Schulbehörde

bei Frau Senatorin Bekeris,

dem Landesschulrat Herr

Altenburg – Hack und der

Fachaufsicht für Grundschulen

Frau von Stebut. In

dem einstündigen Gespräch

wurden Arbeitsschwerpunkte

der Landesgruppe und der

Behörde vorgestellt und

diskutiert. Besonders Fragen

zur Personalgesundheit und

zu Gestaltung der Übergänge

KITA / Grundschule und

Grundschule / weiterführende

Schule beschäftigen

die Schulbehörde und

unsere Landesgruppe zurzeit

gleichermaßen. Es fand ein

intensiver Austausch in einer

zugewandten und lockeren

Atmosphäre statt. Die

Position des Grundschulverbandes

stets auf das einzelne

Kind und seine Potenziale zu

schauen konnte im Gespräch

verdeutlicht werden.

Von allen TeilnehmerInnen

wurde einvernehmlich

festgestellt, dass in Hamburg

sehr gute Grundschularbeit

geleistet wird. Dies

sollte sowohl von Eltern als

auch im Sozialraum positiv

aufgenommen werden. Ein

gesamtgesellschaftlicher

Schulterschluss ist notwendig,

um die Chancengerechtigkeit

von Schülerinnen und

Schülern besonders in sozial

benachteiligten Lagen zu

verbessern.

Wir hoffen sehr, dass diese

Gespräche zwischen Schulbehörde

und Grundschulverband

erst ein Anfang waren

und nach der anstehenden

Bürgerschaftswahl im

Frühjahr 2025 rasch eine Fortsetzung

finden.

Für die Landesgruppe

Marion Lindner

E

K

K

E

K

E

Auflösung des Rätsels

von Seite 2:

K = Kinderhandschrift

E = Erwachsenenhandschrift

E

K

K

46

GS aktuell 169 • Februar 2025


aktuell … aus den Landesgruppen

Sachsen

Kontakt: Antje Braunreuther

mail@grundschulverband-sachsen.de

Regelmäßiger Austausch

Das Vorstandsteam trifft sich

regelmäßig, um Strategien

für die Landesgruppenarbeit

weiterzuentwickeln. Aktuell

steht dabei die Planung für

das Jahr 2025 im Fokus. Die

Landesgruppe freut sich

über Personen, die Interesse

haben, sich aktiv einzubringen.

Jede/r Interessierte ist

herzlich eingeladen, mit uns

Kontakt aufzunehmen.

Diskussion zur

KMK-Vereinbarung 2024

Vor dem Hintergrund der

Vereinbarung zur Arbeit in

der Grundschule (KMK 2024),

diskutieren wird derzeit

intensiv über die Bedeutung

von Druckschrift, Schreibschrift

und Grundschrift an

sächsischen Schulen. Dafür

sind wir mit verschiedenen

Akteuren im Dialog und

bringen Argumente für die

Grundschrift ein.

Kooperation

Die Landesgruppe pflegt

eine inhaltliche Kooperation

mit der Mathematikdidaktik

Grundschule der TU Dresden.

Über die Landesgruppenkanäle

wird regelmäßig auf

das mathematikdidaktische

Kolloquium der Universität

hingewiesen. Ziel ist es, den

Austausch zwischen Wissenschaft

und Praxis zu fördern

und Lehrkräften Zugang

zu relevanten didaktischen

Themen zu ermöglichen.

Für die Landesgruppe:

Judith Köhler

Thüringen

Vorstand: Kevin Weichold

grundschulverband-thueringen@gmx.de

Ein herzliches Dankeschön

an Steffi Jünemann –

Abschied einer geschätzten

Kollegin

Wir möchten unseren

Landesgruppenbericht dieses

Mal dazu nutzen, um uns

von unserer geschätzten

Vorstandskollegin Steffi

Jünemann zu verabschieden,

die nach etwa 28 Jahren

engagierter und herausragender

Arbeit im Vorstand

der Landesgruppe Thüringen

ihr Amt niederlegt.

Mit ihrer Kompetenz,

ihrem Weitblick und vor

allem ihrer unermüdlichen

Leidenschaft für die Grundschule,

ihre Schüler*innen

und Lehrer*innen hat Steffi

unsere Arbeit maßgeblich

geprägt. Schon zu Beginn

ihrer Mitgliedschaft, vor

etwa 30 Jahren, hat sie sich

für die Lehrer*innenbildung

eingesetzt, denn ihr war klar:

Auf die Lehrkraft kommt es

an! Steffi Jünemann hat viele

politische Stellungnahmen

im Sinne einer modernen

Grundschule verfasst. Sie hat

an Anhörungen teilgenommen

und im Landtag gesprochen.

Dabei hatte Steffi

Jünemann es nicht immer

leicht, denn während ihrer

Amtszeit musste im Jahr 2013

der Verein aufgelöst werden.

Die Landesgruppe Thüringen

gab es nicht mehr. Doch

Steffi war sich sicher, der

Grundschulverband braucht

die Expertise, die Thüringen

zu bieten hat. So suchte sie

nach Mitstreiter*innen, um

den Verein schlussendlich

drei Jahre später wieder

auferstehen zu lassen. Noch

heute gelingt es ihr, durch

ihre inspirierende Persönlichkeit,

das Miteinander in

unserem Team und in der

Landesgruppe zu stärken.

Wir blicken dankbar auf die

gemeinsamen Jahre zurück,

in denen Steffi uns nicht nur

als Vorstandsvorsitzende und

Kollegin, sondern auch als

verlässliche Partnerin und

Freundin zur Seite stand. Ihre

Energie und ihr Engagement

haben uns alle inspiriert und

unsere Arbeit auf ein neues

Level gehoben.

Liebe Steffi, dein Abschied

hinterlässt eine große Lücke,

doch wir wissen, dass dein

Der neue Vorstand der Landesgruppe Thüringen

(v.l.n.r.: Leah Kästner, Jana Stoll, Kevin Weichold,

Katrin Storch, Ursula Zimmer, Antje Klecha)

Wirken auch weiterhin

Spuren hinterlassen wird.

Wir wünschen dir für deine

Zukunft nur das Beste und

hoffen, dass unsere Wege

sich bald wieder kreuzen.

Danke für alles!

Mitgliederversammlung

– Neuer Vorstand

Während wir uns von Steffi

Jünemann verabschieden,

begrüßen wir gleichzeitig

den neuen Vorstand der

Landesgruppe Thüringen,

der am 30.11.2024 auf der

Mitgliederversammlung

gewählt wurde. Neben

einigen bekannten Gesichtern

befinden sich nun zwei

neue Mitglieder den den

Vorstandsreihen. Wir stellen

vor: Kevin Weichold, Antje

Klecha, Katrin Storch, Jana

Stoll, Ursula Zimmer und

Leah Kästner. Wir freuen uns

auf die gemeinsame Arbeit

für die Grundschule.

Für die Landesgruppe:

Leah Kästner

GS aktuell 169 • Februar 2025

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Praxis: aktuell Schrift … aus und den Schreiben Landesgruppen über die Fächer hinaus

Nordrhein-Westfalen

Vorsitzende: Christiane Mika, Auf dem Hilf 50,

58239 Schwerte; www.grundschulverband-nrw.de

Save the date:

Grundschultag 2025

Wir laden alle Mitglieder und

Interessierte herzlich zum

Grundschultag 2025 mit

dem Themenschwerpunkt:

„Wer braucht was? Allen

Kindern gerecht werden im

Spannungsfeld zwischen

Gemeinsamem Lernen und

sonderpädagogischer Förderung“

ein. In diesem Jahr

findet der Grundschultag am

15.03.2025 von 10 –15 Uhr in

der Libellen Grundschule in

Dortmund statt.

Wir freuen uns darauf mit

euch und der Bildungsjournalistin

Dr. Brigitte Schumann

über dieses wichtige Thema

zu diskutieren. In anschließenden

Workshops besteht

die Möglichkeit sich über

Erfahrungen im Bereich der

inklusiven Schulentwicklung

auszutauschen.

Wir freuen uns auf einen

Grundschultag der Mut

macht zum Weiterdenken.

Datum: 15.03.2025,

10–15 Uhr

Ort: Libellen Grundschule,

Burgholzstraße 148,

44145 Dortmund

Kosten: 10 € für Mitglieder,

15 € für nicht Mitglieder

Anmeldung per Mail an:

andre.richter@

libellengrundschule-edu.de

Fortsetzung des pädagogischen

Frühstücks

Am 30.11.2024 fand die

Online-Veranstaltung „Wir

wollen mehr – Räume für

einen qualitätsvollen Ganztag

mit allen Beteiligten

schaffen“ statt, die zahlreiche

interessierte Teilnehmerinnen

und Teilnehmer anzog. Im

Mittelpunkt stand der Austausch

über Herausforderungen

und Lösungsansätze im

Kontext der bevorstehenden

Einführung des Rechtsanspruchs

auf ganztägige

Förderung von Kindern im

Grundschulalter.

Die Veranstaltung bot wertvolle

Einblicke in das Projekt

„Ganztag und Raum“, das sich

mit der Frage beschäftigt,

wie qualitative ganztägige

Bildung bei gleichbleibender

Fläche realisiert werden kann.

Die vorgestellten integrierten

Nutzungskonzepte zielen

darauf ab, die Ganztagsschulentwicklung

durch multiprofessionelle

Teamarbeit,

kindgerechte Rhythmisierung,

angepasste Möblierung

und ein überarbeitetes

Brandschutzkonzept voranzubringen.

Besonders eindrucksvoll war

die Präsentation der Grundschule

am Dichterviertel

in Mülheim an der Ruhr,

die als Beispiel diente, wie

zukunftsfähige, inklusive und

ganztägige Bildung umgesetzt

werden kann. Jana

Groß (Konrektorin) zeigte auf,

dass dies auf Grundlage eines

gemeinsamen Bildungsverständnisses

und mit minimalen

Umbaumaßnahmen

in bestehenden Flächen

möglich ist, ohne dass ein

Neu- oder Anbau erforderlich

ist.

Die anschließende Diskussion

bot den Teilnehmenden die

Gelegenheit, ihre Fragen zu

stellen und eigene Perspektiven

einzubringen. Die rege

Beteiligung und der Austausch

von Ideen verdeutlichten

das große Interesse

an der Thematik und die

Notwendigkeit, gemeinsam

an Lösungen für eine qualitativ

hochwertige ganztägige

Bildung zu arbeiten.

Wir bedanken uns herzlich

bei der Referentin Jana Groß

und allen Teilnehmenden

und freuen uns schon auf

das nächste pädagogische

Frühstück mit euch.

Für den Vorstand der

Landesgruppe NRW:

André Richter

Niedersachsen

Kontakt: www.gsv-nds.de

Anhörfassung des Kerncurriculums

Mathematik

Nachdem wir im August

unsere Stellungnahme

zu der Anhörfassung des

Kerncurriculums Deutsch

eingereicht haben, erhielten

wir nun die Gelegenheit, eine

Stellungnahme zur Anhörfassung

des Kerncurriulums

Mathematik abzugeben.

Auch diese Stellungnahme ist

auf unserer Homepage unter

www.gsv-nds.de einzusehen.

Save the date:

Am Mittwoch, den

05. Februar 2025 findet in

der Zeit von 18.30 Uhr bis

19.30 Uhr wieder ein Klönschnack

im Norden statt.

Diese Mal geht es um das

Thema Jahrgangsgemischte

Lerngruppen funktionieren

nicht und überfordern alle.

Wie immer erhaltet ihr

kurze Insputs, wollen aber

insbesondere mit euch ins

Gespräch kommen. Wir

freuen uns über zahlreiche

Anmeldungen unter

Anmeldung unter gsv.nds@

gmail.com.

Ein Zugangslink wird nach

Anmeldung verschickt.

Für die Landesgruppe:

Eva Maria Osterhues-Bruns

48

GS aktuell 169 • Februar 2025


aktuell … aus den Landesgruppen

Statt eines Nachrufs

Erinnerungen von und an Otto Herz (1944 – 2024)

„Mit HERZlichen Grüßen“, so

unterschrieb Otto Herz gerne

Briefe und Mails. Er war nicht nur

ein heiterer Sprachspieler, sondern

auch ein begnadeter Redner,

der mit seinen Vorträgen, u. a. zu

seinem „ABC der guten Schule“,

viele tausende Lehrerinnen und

Lehrer begeistert hat. Was für ein

unorthodoxes, kunterbuntes und

wirkungsreiches Berufsleben er

geführt hat, wird am anschaulichsten

in einem Interview, das Rainer

Devantié und Christian Timo Zenke

vor einem Jahr mit dem damals

79-Jährigen geführt haben. Darum

lasse ich ihn selber sprechen – in der Hoffnung,

dass die Auszüge aus dem ungemein

lebendigen Gespräch anregen, es ganz zu

lesen.*

Über seine Herkunft erzählte er: Ich bin

ein Arbeiterkind. Überraschenderweise

in Weinheim an der Bergstraße aufs Gymnasium

gekommen, weil mein vier Jahre

älterer Bruder so schlau war, dass ich in

seinem Schatten aufs Gymnasium kam.

Aber im Gegensatz zu meinem schlauen

Bruder war ich ganz schnell verschrien als

dumm, faul und – das Schlimmste – frech.

Und deswegen bin ich in der Obertertia,

also in der 9. Klasse, von der Schule geflogen.

Aber was machst du als 15-Jähriger

in Weinheim an der Bergstraße, wenn

du von der Schule fliegst? Wenn du dann

Glück hattest, dann wurdest du Jungarbeiter

oder sogar Lehrling in der Firma

Freudenberg.

Die besonderen Talente dieses Lehrlings

blieben dem pädagogisch engagierten

Unternehmer Freudenberg, der später

auch Mitglied des Deutschen Bildungsrats

war, nicht lange verborgen:

Und so wurde ich 1962 Industriestipendiat

auf der Odenwaldschule Ober-Hambach,

damals Europas demokratischste,

fortschrittlichste Schule… und dort auch

Präsident des Schülerparlamentes. Nach

dem Abitur wechselte Herz an die Uni

Hamburg, wo er sich im ASTA zunächst als

Bildungsreferent für die Aktion „Student

in die Betriebe“ engagierte. Bald wurde er

zum Hamburger AStA-Vorsitzenden und

1967/68 sogar zum stellvertretenden Vorsitzenden

des Verbandes Deutscher Studentenschaften

(VDS) gewählt. Dadurch

Otto Herz – das Foto wurde an der GS Stein vor seinem

„ABC der guten Schule“ aufgenommen

kam er dann in Kontakt mit Ludwig Huber

aus dem Vorstand der Bundesassistenkonferenz,

einem Mitarbeiter von Hartmut von

Hentig, der ihn anlässlich der Gründung

von Laborschule und Oberstufenkolleg

einlud:

„Otto, wir haben da was Großes vor. Wir

brauchen dich, du kommst bitte zu uns nach

Bielefeld.“ Dann habe ich gesagt: „Ludwig,

ist ja schön, aber ich habe gerade mein Examen

begonnen und ich habe ja schon drei

Jahre pausiert als Studentenrevolutionär,

ich muss jetzt Examen machen.“ „Nein“,

sagte Ludwig, „bei uns mitzumachen ist

wichtiger als dein Examen“. Und so kam ich

als Studentenvertreter nach Bielefeld und

Hentig bat mich, sein persönlicher Assistent

zu werden. Was so komisch ist, so tief

ironisch, weil wir Studenten und Assistenten

ja gerade erst gemeinsam die persönlichen

Assistenten der Ordinarien abschaffen wollten.

Aber da ich die besondere Situation von

Hentig begriffen hatte, hatte ich zugleich die

Souveränität zu sagen: „Okay, dann werde

ich der persönliche Assistent.“

Es war die pädagogische Praxis, die

ihn sein Leben lang fasziniert hat. Irgendwann

hat er dann einen Brief der Universität

Konstanz bekommen,

„… ich sei durchs Examen gefallen. Aha. Da

habe ich in Konstanz angerufen und gesagt:

„Ich habe doch gar keines gemacht.“ Ja, entgegnete

man mir, das sei doch das Problem.

Da war eine Zweijahresfrist abgelaufen. Ich

hatte alle mündlichen Prüfungen und hätte

„nur noch“ meine Arbeit schreiben müssen,

aber da ich in Bielefeld Wichtigeres zu tun

hatte, hatte ich das nie getan.

Nach dem dann doch noch erworbenen

Diplom in Psychologie engagierte

Herz sich vielfältig in konkreten

Reformprojekten und in der bildungspolitischen

Verbandsarbeit:

• von 1980 bis 1982 als Bundesvorsitzender

der Gemeinnützigen

Gesellschaft Gesamtschule;

• von 1981 bis 1984 als letzter

„Oberleiter“ des Spiekerooger

Landerziehungsheims Hermann-

Lietz-Schule; anschließend als

wissenschaftlicher Mitarbeiter

am Institut für Interkulturelle Erziehung

und Bildung der Freien

Universität Berlin;

• ab 1987 am Landesinstitut für

Schule und Weiterbildung in

Soest, verantwortlich für das Projekt „Gestaltung

des Schullebens und Öffnung

von Schule“ (GÖS), für COMED e. V., den

Verein zur Förderung von Community-

Education;

• von 1993 bis 1997 im Vorstandsbereich

Schule der Gewerkschaft Erziehung und

Wissenschaft.

Nach der Wende begründete er mit anderen

die „Nachbarschaftsschule Leipzig“

(eine Gesamtschule von 1 bis 10) und mit

Beginn seiner freiberuflichen Tätigkeit

im Jahr 2000 eine Stiftung zur Förderung

der persönlichen Urteilskraft und der

politischen Handlungsfähigkeit junger

Menschen.

Das Credo des pädagogischen „Missionars“,

als den er sich einmal selbstkritisch

bezeichnete, war in all‘ den Jahren,

„…dass Schule die gemeinsame Verantwortung

von mindestens vier Partnern ist, die

alle gleichwertig und gleichwürdig, aber

doch zugleich ungleichartig sind. Diese vier

Partner sind erstens die Kinder und Jugendlichen,

zweitens deren Eltern, drittens das

pädagogische Fachpersonal und viertens

die Community, die außerschulischen Bildungspartner

– weil ein Förster mehr vom

Wald versteht als ein Biologielehrer.“

Mit dem Tod von Otto Herz verliert die

Schule einen ihrer wichtigsten kritischen

Freunde.

Hans Brügelmann, 30.12.2024

* Abgedruckt in: Zenke, Christian Timo; Devantié, Rainer &

Freke, Nicole (Hrsg.) (2024). Im Alltag der Reform. Gespräche zu

den Gründungs- und Anfangsjahren der Laborschule Bielefeld.

Bad Heilbrunn: Klinkhardt. Open access:

https://library.oapen.org/handle/20.500.12657/92891

GS aktuell 169 • Februar 2025

U III


Grundschule aktuell

Grundschulverband e. V.

Frankfurter Straße 74–76 · 63263 Neu-Isenburg

Tel. 06102 / 88 21 660 · Fax 06102 / 88 21 664

info@grundschulverband.de

www.grundschulverband.de

Ausblick Grundschule aktuell 170

Zur Diskussion: KI in der Grundschule

Im Mai erwartet Sie in der Zeitschriftenreihe Grundschule aktuell das Themenheft

„Zur Diskussion: KI in der Grundschule“. Im Heft möchten wir die Bedeutung und die

Potenziale künstlicher Intelligenz (KI) für die Grundschulpädagogik beleuchten,

die Entwicklungen aber auch kritisch diskutieren und uns mit erforderlichen

Kompetenzen bei Grundschullehrkräften, Eltern und Kindern auseinandersetzen.

Fundierte Beiträge zur grundschulpädagogischen Diskussion über KI, eine verständliche

Einführung in die Funktionsweise dieser Technologien, praxisnahe Beispiele für den Einsatz

von KI im Unterricht, aber auch Diskussionsbeiträge, die unterschiedliche Perspektiven

aufzeigen, bieten Orientierung für die sichere, verantwortungsvolle und gewinnbringende

Einführung und Anwendung künstlicher Intelligenz (KI) in der pädagogischen Praxis.

Die nächsten

Themen

Mai 2024 September 2024

November 2024

Heft 171 | September 2025

Politische Bildung

in der Grundschule

Heft 172 | November 2025

Kinder und Bücher im Kontext

von Mehrsprachigkeit

Heft 173 | Februar 2026

Mathematisches Lernen

in der Grundschule

www.

grundschule-aktuell.info

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