Schrift und Schreiben über die Fächer hinaus
GSa169_Feb_25_ES
GSa169_Feb_25_ES
Verwandeln Sie Ihre PDFs in ePaper und steigern Sie Ihre Umsätze!
Nutzen Sie SEO-optimierte ePaper, starke Backlinks und multimediale Inhalte, um Ihre Produkte professionell zu präsentieren und Ihre Reichweite signifikant zu maximieren.
www.grundschulverband.de · Februar 2025 · D9607F
Grundschule aktuell
Zeitschrift des Grundschulverbandes · Heft 169
Schrift und Schreiben
über die Fächer hinaus
Zum Thema
• Die Rolle der Schriften
• Schreiben erleben: vom ersten
Wort zum Schreibzeit-Tag
Forschung
Wie sich Kinder die Rechtschreibung
mit einer
Rechtschreib-App erschließen
Rundschau
• Jahrestagung in Halle
• Eckpunkte des GSV zur
Ganztagsschule
Inhalt
Tagebuch
S. 2 Ich bin im GSV, weil … (K. Weichold)
Thema: Schrift und Schreiben
S. 3 100 Jahre Schriftenwechsel (H. Bartnitzky)
S. 5 Immer noch umstritten: die Rolle der Schriften im
Deutschunterricht der Grundschule (K. Kumschlies)
S. 6 „Einfach um irgendwas zu tun für meine
Handschrift“ (M. Teuscher)
S. 9 Grundschrift als Konzept (A. Fruhen-Witzke)
Praxis: Schrift und Schreiben
über die Fächer hinaus
S. 13 Was hat die Bewegung mit dem Schreibenlernen
zu tun? (J. Endisch, B. Habermann)
S. 16 Wie verbindest du? Wo hast du mit Schwung
geschrieben? (P. Ruf, K. Kumschlies)
S. 18 Geläufig, flüssig und leserlich schreiben üben
(A. Fruhen-Witzke)
S. 21 Schreiben lernen mit der Grundschrift (L. Kindler)
S. 24 Schreiben erleben: vom ersten Wort zum
Schreibzeit-Tag (J. Wolz)
S. 26 Ressource Schriftvielfalt für die Entwicklung der
(persönlichen) Handschrift (M. Gutzmann)
S. 28 Kinderbücher zum Thema Schrift und Schreiben
(K. Kumschlies, M. Gutzmann)
Aus der Forschung
S. 30 Wie sich Kinder die Rechtschreibung mit einer
Rechtschreib-App erschließen (R. Böhme,
M. Munser-Kiefer, B. Exley, S. Prestridge)
Rundschau
S. 34 Aus dem Vorstand: Optimiert für Mitglieder und
Gäste: die neue Website des GSV (Th. Irion)
S. 35 Jahrestagung des GSV: Literatur auf der Spur.
Literarische Bildung für die Grundschule
(M. Gutzmann)
S. 36 Projekt Eine Welt: Karten, Kontinente,
Kontroversen (R. Rentz)
S. 37 Meine Reise als Quereinsteigerin (K. van der Meer)
S. 39 Ein Erfahrungsbericht über das Grundschullehramtsstudium
in Berlin und Wien (S. Wendt)
S. 40 Der Rechtsanspruch auf ganztägige Bildung – Eckpunkte
des GSV zur Ganztagsschule (M. Lassek)
Landesgruppen aktuell – unter anderem:
S. 44 Hessen: Voller Erfolg! – Das Onlineformat Talk im
Südwesten
S. 47 Thüringen: Ein herzliches Dankeschön an
Steffi Jünemann. Mitgliederversammlung – neuer
Vorstand
UIII
Erinnerungen von und an Otto Herz
(H. Brügelmann)
Was hat die Bewegung mit dem Schreibenlernen zu tun?
In diesem Beitrag beschreiben Judith Endisch und Britta Habermann
die Bedeutung des Bewegungslernens für das
Schreibenlernen. Wichtige Schreibvoraussetzungen hierzu
werden bereits vor dem Schuleintritt entwickelt, wie z. B. die
Stifthaltung. Geschicklichkeit und Feinmotorik der Hände werden
sowohl bei Alltagstätigkeiten als auch beim Malen und
beim Schreiben gefördert. Die Integration der Förderung der
Feinmotorik in den Unterricht ist von großer Bedeutung. An
einem konkreten Beispiel wird neben der Durchführung auch
die Reflexion der Übung mit den Kindern aufgezeigt. Weitere
Praxisbeispiele für das Trainieren der Handgeschicklichkeit sowie
Anleitungen für die Übungen sind über Youtube zu finden.
Seiten 13–15
Der Blaue Engel – das Umweltzeichen
Durch die Verwendung eines mit dem „Blauen Engel“
umweltzertifizierten Papiers für unsere Fachzeitschrift
„Grundschule aktuell“ ist der Grundschulverband
hier von nun an berechtigt, das Umweltzeichen
„Blauer Engel“ zu führen. Da uns Umwelt- und Gesundheitsschutz
am Herzen liegen, wir verantwortungsvoll mit Ressourcen umgehen
möchten, freuen wir uns, auf diesem Weg einen Beitrag leisten zu
können.
Mit besten Grüßen, Ihr Grundschulverband e. V.
Impressum
Ein kleines Rätsel zum Titel:
Erkennen Sie die unterschiedlichen Handschriften?
Welche Zeilen wurden von einem
Kind und welche von einem Erwachsenen
geschrieben? Die Lösung finden Sie auf
Seite 46 in diesem Heft
GRUNDSCHULE AKTUELL, die Zeitschrift des Grundschulverbandes,
erscheint vierteljährlich und wird allen Mitgliedern zugestellt
(ausgenommen Unterstützer:innen).
Das einzelne Heft kostet 12,00 € (zzgl. Versand);
ab zehn Exemplaren 9,50 € (zzgl. Versand).
Verlag: Grundschulverband e. V., Frankfurt am Main
Frankfurter Straße 74–76, 63263 Neu-Isenburg
Tel. 06102 8821660, Fax: 06102 8821664
www.grundschulverband.de, info@grundschulverband.de
Herausgeber: der Vorstand des Grundschulverbandes
Redaktion: marion.gutzmann@vs-grundschulverband.de,
gabriele.klenk@grundschuleaktuell.de
Fotos und Grafiken: Titelbild/novuprint unter Verwendung der Fotos von
A. Fruhen-Witzke, Autorinnen und Autoren (soweit nicht anders vermerkt)
Herstellung: novuprint Agentur GmbH, 30175 Hannover
Anzeigen: Grundschulverband e. V., Tel. 06102 8821660,
info@grundschulverband.de
Druck: Strube Druck & Medien GmbH, 34587 Felsberg
ISSN 1860-8604 / Bestellnummer: 6113
Beilage: Friedrich-Verlag GmbH,
TOUSSINI-circus mobile (Teilbeilage)
In manchen Beiträgen dieser Zeitschrift bringen Autorinnen und Autoren
ihr Bemühen um eine gendersensible Sprache durch be son dere schriftsprachliche
Zeichen zum Ausdruck. Da es zurzeit keine allgemein anerkannte
Lösung für das Problem „gendersen sibler“ (Schrift-)Sprache gibt, verwendet
jede Autorin und jeder Autor ihre oder seine bevorzugte Form.
UII
GS aktuell 169 • Februar 2025
Diesmal
Schreiben erleben: vom ersten Wort
zum Schreibzeit-Tag
Johannes Wolz macht deutlich, dass Schreiben zu den
Schlüsselkompetenzen von Kindern gehört und im eigenen
„Milobuch“ für alle Kinder seiner Klasse von Anfang an
stattfindet. Schreiben ist weit mehr als das Beherrschen von
Buchstaben und Rechtschreibung. Schreiben ist persönlich
und wertvoll und eröffnet einen kreativen Raum, um Gedanken,
Ideen und Erlebnisse festzuhalten. Anhand der fest im
Stundenplan verankerten Schreibzeit nach Beate Leßmann
zeigt er in konkreten Beispielen auf, dass die Kinder auf der
Basis klarer Strukturen, kreativer Impulse und eines gezielten
Einsatzes der Konzeption Grundschrift Kompetenzen entwickeln
können, die weit über die Grundschulzeit hinauswirken.
Noch mehr Grundschulverband?
Sie finden uns auf Social Media,
Stichwort „Grundschulverband“
und unseren Podcast direkt
auf unserer Homepage:
https://grundschulverband.de
Newsletter noch nicht abonniert?
Mit diesem QR-Code gelangen Sie
direkt zur Anmeldung:
www.
grundschule-aktuell.info
Hier finden Sie Informationen zu „Grundschule aktuell“
und hier das Archiv der Zeitschrift:
www.
grundschulverband.de/archiv/
Seiten 24–25
Meine Reise als Quereinsteigerin
Kristin van der Meer beschreibt ihre Reise als Quereinsteigerin
in eine Brandenburger Grundschule, die sie als
Mutter von vier Kindern kennengelernt und die sie zu diesem
Weg inspiriert hatte. Sie durfte eine erste Klasse übernehmen,
was für sie eine wundervolle Aufgabe darstellte.
Ab Tag eins in der Schule wollte sie den Kindern einen Start ins
selbstregulierte Lernen ermöglichen. Ihre „Reisestationen“ zeigen
auf, wie sie mit zunehmend gestärktem Selbstvertrauen zu
einer Öffnung der Klassenzimmertür und letztendlich zur Offenheit
in sozialen Netzwerken fand. Dabei erlebte sie Selbstzweifel,
Herausforderungen und Widerstände ebenso wie
Unterstützung, Mut und die Zuversicht, Kinder auf dem Weg
zu selbstbewussten, mündigen Bürger:innen zu begleiten.
Seiten 37–39
Liebe Leser:innen,
nur wenige Wochen vor dem Erscheinen der Februarausgabe
von Grundschule aktuell wurde am 23. Januar der Welttag der
Handschrift begangen, der alljährlich Öffentlichkeit und Schulpraxis
für das Schreiben mit der Hand sensibilisiert und anregt.
Wenn mit diesem Tag an John Hancock erinnert wird, der
vor über 200 Jahren als einer der Ersten die amerikanische Unabhängigkeitserklärung
unterzeichnet hat – natürlich mit der
Hand, kunstvoll und markant, am größten und am besten lesbar
–, lohnt sich sicherlich ein erster Blick in den Beitrag „100
Jahre Schriftenwechsel“ von Horst Bartnitzky. Anhand der berühmten
Hansa-Fibel zeigt er in seinem Beitrag an Beispielen
auf, wie die Schriften je nach politischer Situation wechselten.
Für den Autor ein Anlass für den abschließenden Impuls: „… an
das Reformkonzept zur Ausgangsschrift von vor hundert Jahren
anzuknüpfen und es zeitgemäß weiterzuentwickeln. Der Grundschulverband
hat dazu eine praxiserprobte Konzeption vorgelegt:
die Grundschrift als Ausgangs- und Entwicklungsschrift“.
Vor allem das Konzept, die persönliche Handschrift direkt aus
der Druckschrift zu entwickeln, verdient eine breite Aufmerksamkeit.
Auch die vielen Impulse für einen guten Handschreibunterricht
und die Entwicklung einer persönlichen, flüssigen
und gut leserlichen Handschrift lassen sich auf andere (länderseitig
vorgegebene) Schriften übertragen. Ein großer Dank gilt
Anna Fruhen-Witzke, die den thematischen Teil der Zeitschrift
gemeinsam mit weiteren Mitgliedern der Projektgruppe Grundschrift,
Mareike Teuscher, Kirsten Kumschlies, Priska Ruf sowie
Lisa Kindler, zusammengestellt und moderiert hat. 2005
von Horst Bartnitzky und Ulrich Hecker initiiert und von Erika
Brinkmann wissenschaftlich begleitet, ist seitdem die Projektgruppe
nicht nur in den Veröffentlichungen des Grundschulverbandes
präsent. Ihrem Engagement ist es zu verdanken, dass die
Grundschrift in die KMK-Empfehlungen von 2023 zur Arbeit
in der Grundschule auch mit Verweisen auf das Konzept aufgenommen
worden ist, bundesweit zahlreiche Fortbildungsveranstaltungen
angeboten werden und ihre vielfältigen Aktivitäten
im Newsletter und im Veranstaltungskalender auf der Website
als länderübergreifende Einladung ausgesprochen werden.
Im Februar findet die diesjährige Jahrestagung des Grundschulverbandes
in Halle statt, zu der wir Sie herzlich einladen.
Vielleicht haben Sie Zeit und Interesse, sich am Vorabend der
Tagung an einer Lesung mit einer Kinderbuchautorin zu beteiligen
und am 22.02.2025 mit anderen über die Thematik „Literatur
auf der Spur. Literarische Bildung für Grundschulkinder“
in den Austausch zu gehen.
Auch wenn das Jahr erst begonnen hat, scheint die Umsetzung
des Rechtsanspruchs auf eine ganztägige Förderung an
Fahrt aufzunehmen. Lesen Sie dazu die Position des Grundschulverbandes
im Beitrag von Maresi Lassek nach. Zudem
ist der aktualisierte Standpunkt für BNE seit November auf
unserer neuen Website zugänglich. Er bietet Ihnen gute Argumente
und konkrete Anstöße für die zukünftige Arbeit an
Ihren Schulen.Wir wünschen Ihnen, liebe Leserinnen und Leser,
einen guten Jahresstart und bleiben Sie auch weiterhin mit
uns im Gespräch.
Herzlichst
Marion Gutzmann, Gabriele Klenk
sowie Maresi Lassek, Hans Brügelmann und Michael Töpler
GS aktuell 169 • Februar 2025
1
Tagebuch
Ich bin im GSV, weil …
Kevin Weichold
Vorsitzender und Schatzmeister
der Landesgruppe Thüringen,
stellvertretender Schulleiter an der
Jakob-Schule Eisenach
Die erste Begegnung mit dem Grundschulverband ist mir
bis heute lebhaft in Erinnerung, weil sie für meine Entwicklung
als Lehrkraft richtungsweisend war. Damals
befand ich mich mitten in den Vorbereitungen für meine
benotete Lehrprobe. Das Thema „Erzählen im Deutschunterricht“
hatte ich bewusst gewählt, weil ich es für zentral
in der Sprachförderung und der Persönlichkeitsentwicklung
von Grundschulkindern halte. Doch trotz intensiver
Recherchen in der universitären Fachliteratur fiel es
mir schwer, wirklich praxisnahe und gleichzeitig theoretisch
fundierte Unterstützung zu finden.
In diesem Moment entdeckte ich in der Universitätsbibliothek
den Band 139 des Grundschulverbands mit dem
Titel „Erzählen – zum Schmökern anregen“. Schon beim
ersten Durchblättern war ich begeistert: Der Band bot
nicht nur wissenschaftlich fundierte Hintergrundinformationen,
sondern auch konkrete Anregungen und Beispiele
für die Unterrichtsgestaltung. Diese Kombination
war genau das, was ich suchte.
Doch es blieb nicht bei dieser ersten Begegnung. Der
Band hatte meine Neugier geweckt, und ich begann, mich
intensiver mit den Publikationen und den Zielen des
Grundschulverbands zu beschäftigen. Dabei wurde mir
klar, dass der Verband weit mehr als nur eine Sammlung
hilfreicher Fachliteratur bietet. Vielmehr vertritt er eine
klare Vision für die Grundschule als eigenständige Schulform,
die Kinder nicht nur fachlich, sondern auch sozial
und emotional stärkt.
Mein Engagement im Vorstand der Landesgruppe Thüringen
des Grundschulverbands ist eine bewusste Entscheidung,
die aus meiner tiefen Überzeugung für die
Bedeutung der Grundschule als Fundament unserer Bildung
resultiert. Die Grundschule ist der Ort, an dem die
Weichen für die Bildungsbiografie eines Kindes gestellt
werden. Hier wird nicht nur das Grundwissen in Lesen,
Schreiben und Rechnen vermittelt, sondern auch die Freude
am Lernen geweckt und die Basis für das soziale Miteinander
gelegt.
Nachdem ich Mitglied des Grundschulverbands geworden
war und an mehreren Mitgliederversammlungen
teilgenommen hatte, spürte ich schnell, wie wertvoll
der Austausch mit Gleichgesinnten ist. Die Diskussionen
über pädagogische Konzepte, die Interpretation aktueller
Forschungsergebnisse und der gemeinsame Blick auf bildungspolitische
Herausforderungen machten mir deutlich,
dass wir als Pädagog:innen eine starke Gemeinschaft
brauchen, um unsere Stimme wirkungsvoll in die Gesellschaft
und die Politik zu tragen.
Mir war bald klar, dass ich nicht nur ein passiver Teilnehmer
sein wollte, sondern aktiv etwas bewegen möchte.
Der Vorstand der Landesgruppe bietet eine hervorragende
Möglichkeit, Einfluss zu nehmen und sich für die Belange
der Grundschule starkzumachen. Besonders die bildungspolitischen
Forderungen und Stellungnahmen des
Verbands, die auf fundierter Expertise basieren, schienen
mir ein idealer Ausgangspunkt, um das Bewusstsein für
die Bedeutung der Grundschule zu schärfen und Veränderungen
anzustoßen.
Ich möchte dazu beitragen, dass wir nicht nur Missstände
benennen, sondern auch konkrete Lösungen entwickeln
und vorantreiben können. Dabei ist es mir ein
besonderes Anliegen, die Perspektive der Praktiker:innen
einzubringen – derjenigen, die tagtäglich in den Klassenzimmern
stehen und die Auswirkungen bildungspolitischer
Entscheidungen unmittelbar erleben.
Eine der größten Stärken des Grundschulverbands ist
die Vernetzung seiner Mitglieder. Im Vorstand der Landesgruppe
habe ich die Möglichkeit, nicht nur mit Kolleg:innen
aus Thüringen, sondern auch aus anderen Bundesländern
zusammenzuarbeiten.
Ein weiteres wichtiges Ziel meines Engagements ist es,
die Mitglieder des Grundschulverbands in Thüringen stärker
zu vernetzen. Durch Workshops, Tagungen und regelmäßige
Treffen möchten wir den Austausch zwischen den
Schulen fördern und den Lehrkräften eine Plattform bieten,
um ihre Erfahrungen und Ideen zu teilen. Denn ich
bin überzeugt, dass wir gemeinsam mehr erreichen können
als allein.
Abschließend möchte ich sagen, dass mein Engagement
im Vorstand der Landesgruppe Thüringen im GSV
für mich eine Möglichkeit ist, meine Leidenschaft für die
Bildung und meinen Wunsch nach Veränderung in die Tat
umzusetzen. Es ist eine Aufgabe, die herausfordernd, aber
auch unglaublich erfüllend ist, und ich bin dankbar, Teil
dieser starken Gemeinschaft zu sein.
2
GS aktuell 169 • Februar 2025
Thema: Schrift und Schreiben
Horst Bartnitzky
100 Jahre Schriftenwechsel
1914 kam die Reformfibel von Otto Zimmermann heraus. Reformfibel, weil
sie „Licht und Leben“ in Fibel und Anfangsunterricht bringen sollte – anders
als die üblichen Fibeln mit kindfernen Wörterpäckchen und stupiden Sätzen.
Hansa-Fibel hieß die Hamburger Ur-Ausgabe. In der Folge wurde sie dank
zahlreicher Regionalausgaben mit unterschiedlichen Titeln die am meisten
verbreitete Fibel in Deutschland. Sie überlebte gut vier Jahrzehnte bis in die
Nachkriegszeit des 2. Weltkriegs. Möglich war das durch Anpassungen, durch
die Verlag und Autor die Erfolgsfibel auf dem Schulbuchmarkt halten wollten.
Ein Aspekt der Anpassungen war die Fibelschrift, die durchgehend auch die
Schreibausgangsschrift war.
Abb. 2
Horst Bartnitzky
geb. 1940, Dr. h. c., Dipl.-Päd., war
Lehrer, Schulleiter, in der Lehrerbildung
und der Schulaufsicht tätig. 2000
bis 2010 Vorsitzender des Grundschulverbands.
Er war viele Jahre
Herausgeber und Autor der Zeitschrift
Grundschule aktuell, der Fachbuchreihe
Lehrerbücherei Grundschule sowie von
Schulbuchwerken, unter anderem zum
Anfangsunterricht.
Herausgeber von www.schulfibeln.de
Abb. 1
Am Anfang wählte Otto Zimmermann
entgegen der üblichen Praxis mit den
deutschen Druck- und Schreibschriften
(Fraktur und Kurrent) die lateinischen
Druckbuchstaben, zunächst die großen
(Antiqua), dann dazu die kleinen
(gemischte Antiqua). Apodiktisch
erklärte Zimmermann in der Begleitschrift:
„In dieser umstrittenen Frage
kann sich der gewissenhafte Fibelverfasser
nur durch Gründe
der Zweckmäßigkeit leiten
lassen. Darum ist meine
Anordnung nur pädagogisch,
nämlich an psychologischen,
lesetechnischen
und schreibtechnischen
Tatsachen orientiert.“
(Zimmermann 1927, 20;
Abb. 1)
Ein Grund war, dass die Kinder die
Buchstabenformen „nachmalen“, Wörter
und Sätze damit früh schreiben könnten.
Als weiteren Schritt empfahl Zimmermann,
den Vorschlägen Fritz Kuhlmanns
zu folgen. Der hatte die Kinder aus
der Druckschrift eine verbundene Schrift
entwickeln lassen und in seiner Schrift
„Schreiben in neuem Geiste“ Schreibentwicklungen
der Kinder dokumentiert
(Kuhlmann, zuerst 1916; Abb. 2).
Ein Beispiel: Es beginnt mit dem
Wort „Eis“. Kuhlmann zu den Kindern:
„Nun wollen wir versuchen, ob
uns wohl gelingt, ein ganzes Wort zu
‚schreiben‘, das heißt also, es schnell
in einem einzigen Zuge zu machen.
Die Kinder (…) sollen die Verbindung
der Buchstaben suchen. Entweder versucht
jedes für sich auf dem Versuchsblatt,
oder wir suchen gemeinsam an
der Wandtafel. – Wie gelangen wir vom
E zum i und von hier zu s, und zwar so,
dass wir nichts Ungeschicktes machen,
nicht Wege doppelt begehen? – Das
Suchen und Begutachten löst die rege
Teilnahme der Kleinen aus.“ (Kuhlmann
1923, 33 f.; Abb. 3)
Abb. 3
GS aktuell 169 • Februar 2025
3
Thema: Schrift und Schreiben
Abb. 4
Trotz der klaren Position in der
Schriftfrage ließen Autor und Verlag Varianten
zu. So erfüllten sie die Wünsche
nach einer Ausgabe mit der deutschen
Ausgangsschrift, die Ludwig Sütterlin
1911 für das preußische Ministerium
gestaltet hatte:
„Da sich Sütterlins Werk der Förderung
des preußischen Ministeriums (…)
erfreut, beginnt ein Teil meiner Heimatfibeln
auf Wunsch der Herausgeber mit
seiner Ausgangsschrift (S-Ausgaben)“
(Zimmermann 1927, 28). So die Ausgabe
für Südniedersachsen mit dem Regionaltitel
Ringel-Rangel-Rosen. Anstelle der
Stadtversion mit der Hutszene trat eine
Spielsituation im Ländlichen (Abb. 4).
Abb. 5
Mit den Nationalsozialisten und dem
Lehrplan von 1935 wurde die deutsche
Schrift als Deutsche Volksschrift verbindlich:
die Fraktur und die Kurrent nach Sütterlin.
Die Zimmermann-Fibel mit dem
neuen Titel Hand in Hand fürs Vaterland
galt nun als Referenzfibel für alle
Regionalausgaben. Aus der Hutszene zum
Buchstaben H wurde der Vorbeimarsch
der SA, dazu das Leitwort „heil“ (Abb. 5).
Abb. 6
1941 stellte die politische Führung
fest, dass die deutschen Schriften Fraktur
und Sütterlin-Kurrent in den besetzten
Gebieten nicht bekannt waren. Sie
wurden nun absurderweise als „Juden-
Lettern“ diffamiert und ersetzt durch die
international lesbare Lateinschrift, die
Deutsche Normalschrift genannt wurde.
Sie sollte auch die erste Fibelschrift
sein. Damit erschien z. B. für den Gau
Magdeburg-Anhalt 1942 die Fibel mit
dem Titel Jung-Deutschland.
Otto Zimmermann hatte seine anfangs
so entschieden formulierte pädagogische
Entscheidung für die lateinische
Druckschrift als Lese- und erste
Schreibschrift längst beiseitegelegt.
Autor und Verlag vollzogen stattdessen
alle Wendungen des Schriftenwechsels
mit – je nach Zeitläuften, Nachfragen
und politischen Vorgaben. (Abb. 6)
Abb. 7
Nach dem Zweiten Weltkrieg war
Deutschland von den Siegermächten
besetzt. Fibeln aus der NS-Zeit wurden
verboten. Zunächst wurden Notfibeln
von den Militärregierungen genehmigt,
bis neue Fibeln erarbeitet waren. In der
britischen Besatzungszone wurde u. a.
eine Regionalausgabe der Hansa-Fibel
von 1930 bestimmt: Kinderwelt. Wieder
aufgenommen wurde der Beginn mit der
lateinischen Druckschrift (Abb. 7)
Das Schreiben der Druckschrift, erst
recht ihre Weiterführung zur eigenen
Handschrift war allerdings jahrzehntelang
kein Thema mehr. Stattdessen
wurden neue Schreibausgangsschriften
eingeführt: 1953 in der BRD die Lateinische
Ausgangsschrift, 1968 in der
DDR die Schulausgangsschrift, in den
1970er-Jahren die Vereinfachte Ausgangsschrift,
um die schreibtechnisch
besonders schwierige Lateinische Ausgangsschrift
abzulösen, was aber schulpolitisch
nicht realisiert wurde. Am
Ende waren es drei Schreibschriften: die
Lateinische, die Vereinfachte und die
Schulausgangsschrift. Sie konkurrieren
bis heute miteinander, wobei einzelne
Bundesländer wiederum eine unterschiedliche
Auswahl treffen.
In der außerschulischen Realität ist
dagegen die Druckschrift die Schrift der
Wahl: Vorschulisch beginnen Kinder
mit Druckbuchstaben zu schreiben, die
Kommunikation in den digitalen Medien
kennt nur die Druckschrift, in Schreibtexten
Jugendlicher und Erwachsener finden
sich entsprechend vor allem Handschriften,
die an der Druckschrift orientiert
sind. Da wirken die drei Schulausgangschriften
wie aus der Zeit gefallen.
Zwingender denn je ist dagegen die
Reformidee, die lateinische Druckschrift
als Leseschrift und als Vorlage für die
Entwicklung einer persönlichen Handschrift
zu nutzen. Otto Zimmermann
hatte dies seiner Hansa-Fibel zunächst
mit auf den Weg gegeben. Seine Gründe
seien „pädagogisch, nämlich an psychologischen,
lesetechnischen und schreibtechnischen
Tatsachen orientiert“ (s. o.).
Dies gilt auch heute noch, hinzu kommt
die Ergänzung: und an der Lebenswirklichkeit.
Zeit also, an das Reformkonzept zur
Ausgangsschrift von vor hundert Jahren
anzuknüpfen und es zeitgemäß weiterzuentwickeln.
Der Grundschulverband
hat dazu eine praxiserprobte Konzeption
vorgelegt: die Grundschrift als Ausgangsund
Entwicklungsschrift.
Literaturangaben zum Artikel
können Sie von unserer Website herunterladen:
https://t1p.de/GSa169Lit
4 GS aktuell 169 • Februar 2025
Thema: Schrift und Schreiben
Kirsten Kumschlies
Immer noch umstritten
Die Rolle der Schriften im Deutschunterricht der Grundschule
Für manche mag es ein alter Hut sein, für andere ein Nischenthema der
Deutschdidaktik und für wieder andere ein politischer Zankapfel: Lateinische
Ausgangsschrift, Vereinfachte Ausgangsschrift, Schulausgangsschrift oder die
Grundschrift? Was führt Grundschulkinder zu einer formklaren, lesbaren und
flüssigen Handschrift? Der Artikel fasst den aktuellen Stand der Diskussion zusammen.
nische Ausgangsschrift (LA), Vereinfachte
Ausgangsschrift (VA), Schulausgangsschrift
(SAS) und die Grundschrift
(vgl. dazu Bartnitzky 2016). Die Lateinische
Ausgangsschrift löste 1953 die
deutsche Normalschrift ab und wurde
verbindlich in den westdeutschen Bundesländern,
während in der damaligen
DDR die Schulausgangsschrift konzipiert
und vermittelt wurde. Die LA geriet
wegen der vielen Drehrichtungswechsel
und des Zwangs zum durchgehenden
Verbinden ab den 1970ern in die
Kritik und wurde in vielen alten Bundesländern
durch die von Heinrich Grünewald
konzipierte VA abgelöst (in Rheinland-Pfalz
wird bis heute in den meisten
Grundschulen die LA gelehrt, vgl. Bundesländervergleich).
Grünewald vereinfachte
die Großbuchstaben und rückte
diese im Schriftbild näher an die Druckschrift
heran (zur Kritik Topsch 1996).
Zudem sind alle Kleinbuchstaben der
VA so aufgebaut, dass sie ihren Beginn
und ihr Ende an der Oberkante des Mittelbands
haben.
Die SAS wurde 1968 verbindlich in
der DDR eingeführt. Während die Großbuchstaben
in ihrer Form den Druckbuchstaben
ähneln, sind die Kleinbuchstaben
fast alle mit denen der LA identisch,
im Bewegungsablauf jedoch auch
vereinfacht. Eine wichtige Orientierungshilfe
bietet die Unterscheidung von
Grundstrich und Aufstrich, wodurch
Buchstaben und Verbindungen flüssiger
geschrieben werden können.
Vertreter:innen der Siegener Erklärung
veröffentlichten eine Petition
(Steinig et al. 2019) gegen Druck- und
Grundschrift. Im Anschluss daran sprechen
sich auch graphematisch argumentierende
Deutschdidaktiker:innen
Kirsten Kumschlies
Dr. Kirsten Kumschlies ist Akademische
Rätin für Grundschuldidaktik Deutsch
an der Universität Trier.
Dass die Frage nach der
geeigneten Schreibschrift die
Gemüter mancherorts erhitzt,
macht das Verbot der Grundschrift in
Hessen und in Baden-Württemberg
deutlich (dort wurde es zu Beginn des
Schuljahres 2024/2025 wieder aufgehoben).
Auf der einen Seite stehen
Vertreter:innen, die in der Vermittlung
einer der normierten Ausgangsschriften
sowohl Kulturgut als auch den einzig
gangbaren Weg sehen, um die Kinder
bis zum Ende der Grundschulzeit zu
einer lesbaren, flüssigen und formklaren
Handschrift zu führen. Auf der anderen
Seite wird für weniger normierte Konzepte
argumentiert, die Kindern den
Weg über eine genormte Schreibschrift
ersparen und sie in der Entwicklung
einer eigenen Handschrift unterstützen
(vgl. dazu Fruhen-Witzke in diesem
Heft). Die KMK-Bildungsstandards stellen
den Schulen die Wahl der Schrift
frei. Ziel für das Ende der Grundschulzeit
ist:
Die Schülerinnen und Schüler
● schreiben Buchstaben, Wörter,
Wortgruppen und kurze Sätze flüssig,
d. h. zügig, sicher und korrekt (automatisiert)
● schreiben Texte in leserlicher Handschrift
und mithilfe digitaler Schreibwerkzeuge
● gestalten Texten (handschriftlich
und mithilfe digitaler Schreibwerkzeuge)
zielorientiert und übersichtlich,
z. B. hinsichtlich Schriftgröße, Blattaufteilung,
Seitenränder, Absätze (KMK
2022, 24)
Mit dieser Vorgabe gehen die einzelnen
Bundesländer unterschiedlich um
(vgl. Artikel zu den Bundesländern in
diesem Heft). Zur Wahl stehen Lateiwie
Ursula Bredel für die Vermittlung
der SAS als Erstschrift aus, welche die
Druckschrift zu ersetzen habe:
„Unter bewegungsökonomischer Perspektive
sind die LA und die SAS, die
eine flüssige Buchstabenverbindung begünstigen,
als Grundlage für einen zielführenden
Unterricht am geeignetsten.
Noch bessere Erfolge könnten vermutlich
erzielt werden, wenn die Kinder
unter Verzicht auf die Druckschrift das
Handschreiben mit der LA oder der SAS
lernen würden.“ (Bredel 2024, 251)
Konträr dazu sehen Vertreter:innen
der Grundschrift, die in den 2000er-Jahren
vom Grundschulverband entwickelt
wurde, es als zentral an, die Kinder direkt
von der Druckschrift zu einer individuellen
Handschrift zu führen (vgl. in
diesem Heft).
Vor- oder Nachteile der jeweiligen
Schrift sind indes empirisch kaum belegt:
Die Diskussion in Deutschland fokussiert
überwiegend die Ausgangsschrift.
Es gibt aber bisher keine Längsschnittstudie,
die Unterschiede zwischen den
verwendeten Ausgangsschriften aufklärt
und dabei die Entwicklung der Handschriften
bis in die Sekundarstufe hinein
begleitet und evaluiert. Allerdings
zeigen die vorhandenen Studien, dass
nicht die Ausgangsschrift selbst, sondern
ihre Vermittlung und die Begleitung
der Schüler:innen bei der indivi-
GS aktuell 169 • Februar 2025
5
Thema: Schrift und Schreiben
duellen Weiterentwicklung der zunächst
erlernten Richtformen zu einer persönlichen
Handschrift ausschlaggebend sind
(Odersky et al. 2021, 87).
Sichtet man aktuelle Studien (Hurschler
Lichtsteiner et al. 2010, Mesch/
Barkow/Wild 2019, Werling 2024), so
kristallisiert sich eine leichte Überlegenheit
der Grundschrift gegenüber den anderen
Ausgangsschriften heraus: „Die
Grundschrift hat im empirischen Vergleich
gegenüber der LA und der VA in
der Leserlichkeit leichte Vorteile“ (Reinken
2023, 72).
Hillesheim/Menzel fassen zusammen:
„Aus Sicht der Schriftspracherwerbsdidaktik
spricht nach dieser Zusammenschau
vieles für die Verwendung der
Grundschrift, nicht zuletzt der Zeitgewinn
durch den Verzicht auf eine zweite
Schrift. Hinzu kommt, dass die Vorteile
einer teilweise verbundenen Schrift, wie
sie die meisten Erwachsenen nutzen,
aufgrund handphysiologischer Aspekte,
Momente der Entspannung deutlich
mehr genutzt werden können. Dieser Effekt
zeigt sich auch bei Grundschulkindern.“
(Hillesheim/Menzel 2023, 167)
Hinzuzufügen ist mit Brügelmann, dass
alle empirischen Studien mit Vorsicht zu
genießen sind und „Entscheidungsexperimente
zwischen alternativen Ansätzen“
(Brügelmann 2016, 55) oft kaum möglich
sind, weil zwangsläufig zu viele Einflussfaktoren
ausgeblendet werden.
Einigkeit besteht aber weitgehend darin,
dass es im Handschreibunterricht
darauf ankommt, den Kindern „klare
und eindeutige Bewegungsmuster“
(Bredel 2024, 151) anzubieten und ihnen
„Zeit zum Ausprobieren und zum Üben“
(ebd.) einzuräumen (vgl. dazu den Beitrag
von Teuscher in diesem Heft).
Literaturangaben zum Artikel
können Sie von unserer Website herunterladen:
https://t1p.de/GSa169Lit
Mareike Teuscher
„Einfach um irgendwas zu tun
für meine Handschrift“
Üben im Schreibunterricht
Trotz der zunehmenden Bedeutung digitaler Medien bleiben Handschreiben
und Handschrift wichtige Kommunikationsmittel und Lernmedien. Eine leserliche
und flüssige Handschrift ist daher für die Lernenden unerlässlich; Lehrpersonen
beklagen hier jedoch oft deutliche Schwierigkeiten. Durch gezieltes Üben
kann die Handschrift verbessert und weiterentwickelt werden. Dieser Beitrag
geht der Frage nach, wie das Üben im Schreibunterricht gestaltet werden kann.
Im Unterricht wird das geübt, was
zuvor erarbeitet oder gelernt wurde.
Geübt wird auch das, was noch nicht
vollständig beherrscht wird oder wo eine
Verbesserung der Fertigkeiten angestrebt
wird. Üben wird dabei häufig mit
Wiederholung und Automatisierung in
Verbindung gebracht (Heins et al. 2022).
Dieses Verständnis spiegelt sich ebenfalls
in den Perspektiven der Schüler Emil und
Karl wider, wenn sie über das Üben des
Handschreibens sprechen.
Perspektiven von Lernenden
Karl, ein Schüler der vierten Klasse,
beschreibt das Üben des Handschreibens
als ein reines Abschreiben:
„Ich hab auch ein Buch, wo ich selber
Rezepte abschreibe, einfach um irgendwas
((Schulterzucken)) zu tun für meine
Schrift, und es nützt ja auch was, weil
dann habe ich Rezepte.“ 1 Dabei besteht
das Ziel des Übens darin, die Handschrift
in irgendeiner Weise zu verbessern.
Der Übungseffekt ist, dass
Karl nun eine Sammlung von handgeschriebenen
Rezepten besitzt. Karl ist
sich bewusst, dass dieses außerschulische
Üben sein eigentliches Ziel, nämlich die
Verbesserung seiner Handschrift, nicht
erreicht. Indirekt stellt er seine Übungspraxis
sogar infrage, weil er nicht weiß,
wie das Üben gelingen kann: „Und wahrscheinlich
soll ich halt was machen, um
meine Schrift ein bisschen zu verbessern,
ich weiß jetzt aber auch nicht genau, wie
ich die verbessern kann.“
Emil: Meine Lehrerin sagt, dass ich
noch mehr üben soll, obwohl ich schon
die ganzen Ferien geschrieben habe.
Interviewerin: Sie möchte, dass du
noch mehr übst?
Emil: Nein, sie sagt, meine Handschrift
ist noch nicht okay. Aber ich
kann ganz schnell Schreibschrift schreiben
– in zehn Sekunden kann ich einen
Satz schreiben. Eigentlich MEHR GE-
SAGT einen halben Satz in zehn Sekunden.
Emil, 2. Klasse)
Auch Emil, ein Schüler der zweiten
Klasse, beschreibt das Üben des Handschreibens
als eine schreibmotorische
Tätigkeit, die er wiederholt ausführt. Ein
Effekt seines Übens ist, dass er nun sehr
schnell schreiben kann. Es wird deutlich,
dass Emil weiß, dass zunehmend
ein höheres Schreibtempo im Unterricht
1
Alle Aussagen der Schüler und Interviewpassagen
stammen aus dem Datenmaterial
der Dissertation der Autorin
(Teuscher i. V.).
6 GS aktuell 169 • Februar 2025
Thema: Schrift und Schreiben
erwartet und gefordert wird und dass
sein Üben insofern erfolgreich ist. Dies
zeigt sich insbesondere in seiner Selbsteinschätzung.
Dennoch bewertet seine
Lehrerin das Üben als nicht erfolgreich;
sie ist weiterhin unzufrieden mit seiner
Handschrift.
Beide Schüler haben Schwierigkeiten
mit dem Handschreiben und mit ihrer
Handschrift. Sie begegnen diesem Problem
durch ein unspezifisches außerschulisches
Üben, das vor allem darin
besteht, mehr zu schreiben – nach dem
Motto: Viel schreiben hilft auch viel. Der
Erfolg dieses Übens bleibt allerdings
fraglich. Beide Schüler scheinen nicht
genau zu wissen, worin ihr Problem besteht,
und können es daher nur vage benennen.
Ihnen fehlt der entsprechende
Fachwortschatz.
Üben
Was tun diese beiden Schüler, wenn
sie Handschreiben üben? Sie schreiben
wiederholt Wörter und Sätze ab, um
ihre Handschrift in Bezug auf Leserlichkeit
und Formklarheit zu verbessern.
Hierbei spielt die Schreibmotorik eine
zentrale Rolle – sowohl für die Automatisierung
als auch für die Formklarheit.
Erst automatisiertes und leserliches
Schreiben macht die Handschrift zu
einem funktionalen Medium (vgl. Börjesson
et al. 2021). Beim Üben geht es
darum, Bewegungsmuster auszubilden
und zu festigen, mit denen die jeweiligen
Buchstaben formklar und leserlich
abgebildet werden können (Bredel/Pieper
2022). Die Schreibmotorik
spielt dabei eine doppelte Rolle: „Eine
frühe Automatisierung erfordert
schwungvolle Bewegungsabläufe. Eine
zunehmend koordinierte Steuerung der
Schreibbewegung ermöglicht die klare
Formwiedergabe“ (Börjesson et al. 2021,
2). In beiden Aussagen der Schüler wird
jedoch deutlich, dass nichts Erkennbares
unternommen wird, um die (routinierten)
Schreibbewegungen zu verändern
oder gezielt an der Koordination
zu arbeiten, um die Form zu verbessern.
Vielmehr stellt sich das Üben des Handschreibens
hier als ein bloßes Wiederholen
dar, das letztlich kaum Wirkung
zeigt. Wie aber kann das Üben im
Handschreibunterricht gelingen?
Handschriften einschätzen
Bevor gezielt an der Handschrift
gearbeitet werden kann, ist eine
kriteriengestützte Einschätzung notwendig,
um mögliche Problemstellen
zu identifizieren. Gleichzeitig bieten die
Kriterien eine Fachsprache, die es den
Lernenden ermöglicht, sich angemessen
über ihre Handschrift auszutauschen.
Das sind beispielsweise die Leserlichkeit,
klare Buchstabenformen, glatte
Verbindungen, eine gleichmäßige Neigung
der Schrift und gleichmäßige Proportionen
der Buchstaben (Rüb 2018).
Die Analyse der Schriftprobe von
Theo (Abb. 2) zeigt eine auf dem Papier
verbundene Handschrift, die eher ungleichmäßig
wirkt. Unter anderem sind
die Buchstabenverbindungen nicht glatt,
die Proportionen der Buchstaben variieren,
und die Kreisformen in den Buchstaben
a, d, g sind nicht formklar bzw.
nicht vollständig geschlossen. Auch die
Lineatur (oder Grundlinie) wird nicht
immer eingehalten.
Mareike Teuscher
Dr. des. Mareike Teuscher ist wissenschaftliche
Mitarbeiterin am Institut
für Schulpädagogik und Grundschuldidaktik
der Martin-Luther-Universität
Halle-Wittenberg.
Handschreiben üben
Ausgehend von Theos Schriftprobe wird
eine Übungsmethode für den Handschreibunterricht
skizziert, die sich an
den Grundsätzen zur Förderung des
Handschreibens nach Sturm und Weder
(2016) orientiert: Geübt wird in kurzen
Sequenzen von 10 bis 15 Minuten,
der Übungsfokus wird explizit thematisiert
und das Üben wird mit der Textproduktion
verknüpft.
Kurze Übungssequenzen
Eine mögliche Aufgabe besteht darin,
dass die Lernenden einen Textabschnitt
mehrmals unter einem bestimmten
Fokus abschreiben. So kann beispielsweise
das Schreibtempo erhöht oder die
Form bestimmter Buchstaben gezielt
geübt werden. In dieser Weise kann über
einen begrenzten Zeitraum von einigen
Wochen täglich geübt werden. Diese
Art des Übens lässt sich mit Geläufigkeitsübungen
beim Klavierspielen vergleichen,
bei denen eine ausgewählte
Tonfolge isoliert und wiederholt geübt
wird, bevor das ganze Stück gespielt wird.
Reine Abschreibübungen zeigen hingegen
kaum Übungseffekte, wie die Aus-
Abb. 1: Schreiben mit der Hand üben
Abb. 2: Handschriftprobe von Theo
GS aktuell 169 • Februar 2025
7
Thema: Schrift und Schreiben
sagen von Emil und Karl verdeutlichen.
Es bedarf einer bewussten Auseinandersetzung
und gezielten Vermittlung im
Handschreiben (Sturm/Weder 2016 und
Ruf u. a. in diesem Heft).
Explizite Auseinandersetzung
Theos Schriftprobe zeigt verschiedene
Schwierigkeiten, an denen explizit
gearbeitet werden kann. Exemplarisch
soll hier die Buchstabengruppe
a/d/g betrachtet werden. Diese Buchstaben
gehören zu einer Bewegungsgruppe,
da sie jeweils ein Linksoval mit
Drehrichtung gegen den Uhrzeigersinn
aufweisen (s. die Gruppierung nach
gemeinsamen Form- und Bewegungselementen
im Kasten, Mahrhofer-Bernt
2011, Abb. 3). Bei Theos Handschrift
fällt auf, dass die Kreisformen oft nicht
geschlossen sind. Der Abstrich ist nicht
sorgfältig mit dem Linksoval verbunden,
sodass die Buchstaben als nicht formklar
beschrieben werden können. Es ist wichtig,
dass die Lehrperson den Lernenden
das Problem erklärt, denn nur so wird
das Üben für die Schüler:innen sinnvoll.
Die so identifizierte Problemstelle
kann modellverarbeitend geübt werden.
Modellverarbeitend bedeutet, dass
Modelle, etwa in Form von Vorlagen,
als Orientierung im Übungsprozess dienen,
jedoch nicht als strikte Vorgaben.
Die Buchstaben müssen keineswegs
exakt kopiert werden (Bredel/Pieper
2022). Vielmehr soll eine bewusste Auseinandersetzung
mit den Buchstabenformen
den Schüler:innen eine visuelle
und verbale Orientierung geben (Topsch
2003). Dabei wird der Bewegungsverlauf
explizit thematisiert, z. B. durch
Anregungen zu Start- und Wendepunkten
beim Schreiben oder durch
Hinweise zur sorgfältigen Verbindung
des Linksovals mit dem Abstrich. Diese
Thematisierung umfasst ebenso das
Erproben verschiedener Schreibweisen
der Buchstaben. Dabei kann gemeinsam
überlegt werden, ob der Aufstrich beim
Buchstaben a notwendig ist oder ob es
für Theo schreibmotorisch effektiver
Abb. 3:
Bewegungsgruppen
mit
gleichen Schreibbewegungen
(aus Mahrhofer-
Bernt 2011)
wäre, den Buchstaben am oberen Mittelband
der Lineatur zu beginnen.
Textproduktion
Ein solches Üben zielt darauf ab,
einzelne Aspekte isoliert zu trainieren,
um sie zu festigen und später flexibel
anzuwenden. Damit das Schreiben
als sinnhafte Tätigkeit erlebt wird,
ist es jedoch wichtig, das Üben mit der
Textproduktion zu verbinden. Ähnlich
wie bei Fingerübungen im Klavierspiel
werden nach den isolierten Übungen
die erlernten Bewegungsabläufe in
das gesamte Musikstück integriert. Auf
diese Weise findet das Geübte seinen
Platz in einem größeren Zusammenhang
(Sturm/Weder 2016).
Fazit
Die Perspektiven von Karl und Emil zeigen,
wie wichtig ein gezieltes und strukturiertes
Üben im weiterführenden Handschreibunterricht
ist. Ihre Erfahrungen
verdeutlichen, dass ein unspezifisches
„Mehr vom Gleichen“ – also reines
Abschreiben – oft wenig zielführend ist.
Effektives Üben geht weit über das bloße
Wiederholen hinaus. Es erfordert eine
bewusste Auseinandersetzung mit der
eigenen Handschrift, individuelle Rückmeldungen,
die Erprobung verschiedener
Buchstabenformen und -verbindungen
sowie die Verknüpfung mit sinnvollen
Schreibanlässen. So wird das Handschreiben
zu einem funktionalen Werkzeug
und unterstützt gleichzeitig die Entwicklung
einer persönlichen, flüssigen
und leserlichen Handschrift.
Literaturangaben zum Artikel
können Sie von unserer Website herunterladen:
https://t1p.de/GSa169Lit
Weitere geeignete Aufgaben
zu diesem Thema
finden Sie hier:
• Projekt Grundschrift (o. J.):
Schreibmotorik fördern.
Praxishilfen und Impulskarten.
Grundschulverband: Frankfurt a. M.
• Kleeblattheft 4 – Grundschrift:
Das rote Heft zum Lernen und
Üben – Mit Schrift gestalten.
Grundschulverband: Frankfurt a. M.
8 GS aktuell 169 • Februar 2025
Thema: Schrift und Schreiben
Anna Fruhen-Witzke
Grundschrift als Konzept
Damit Kinder besser schreiben lernen – immer noch
Für die moderne, kombinierte Lese-Schreib-Didaktik ist die Vermittlung einer
formklaren, flüssigen und leserlichen Handschrift grundlegend. Einer Schrift,
die Vorerfahrungen der Kinder aufgreift und die Entwicklung einer individuellen
Handschrift auch über die Grundschulzeit hinaus ermöglicht.
Die Grundschrift ist eine an
die Schreibmotorik angepasste
Druckschrift, aus der Kinder
ohne Umweg über eine weitere Ausgangsschrift
eine flüssige, formklare und gut
leserliche Handschrift entwickeln können.
Das Konzept Grundschrift wird in
diesem Beitrag vorgestellt und die grundsätzlichen
Prinzipien werden skizziert.
Warum Kinder nur eine
Ausgangschrift brauchen
Seit 2004 engagiert sich der Grundschulverband
dafür, dass Kinder aus der
handgeschriebenen Druckschrift ihre
Handschrift entwickeln können.
Die zweite Ausgangsschrift ist ein Überbleibsel
aus der Zeit, in der das Lesen und
das Schreiben getrennt voneinander unterrichtet
worden sind: Lesen mit den lateinischen
Druckbuchstaben und Schreiben
mit einer für den damaligen Anfangsschreibunterricht
entwickelten verbundenen
Ausgangsschrift (vgl. auch Bartnitzky
in diesem Heft). Mit der Orientierung an
der Lebenswelt der Kinder beim Lesenund
Schreibenlernen hat sich die handgeschriebene
Druckschrift als erste Schrift
im Anfangsunterricht durchgesetzt. Sie ist
heute bundesweit in allen Lehrplänen als
Ausgangsschrift vorgegeben und ist die
passende Schrift zur heutigen kombinierten
Lese-Schreib-Didaktik im Anfangsunterricht.
Die zweite Ausgangsschrift,
an die sich viele gewöhnt haben – Jüngere
haben es gar nicht anders kennengelernt
–, ist ein festgehaltenes Überbleibsel
der überholten Zweiwegedidaktik beim
Lesen- und Schreibenlernen (Bartnitzky
2011, 12). Nach über 20 Jahren liegen zum
Konzept mehrere Karteien, Übungs- und
Schreibhefte zur Unterstützung der praktischen
Umsetzung vor. Mitglieder der Projektgruppe
arbeiten an der Verbreitung ud
der Akzeptanz des Konzeptes.
Aktualität
Die KMK empfiehlt in ihren aktuellsten
Empfehlungen zur Arbeit in der
Grundschule von 2024 die Grundschrift
als eine verbundene Schrift. Sie
wird neben den „alten“ Schulschriften
als verbundene Handschrift dargelegt.
Im Konzept selbst werden viele Grundsätze
für die Handschriftentwicklung
angesprochen, die im Grundschriftkonzept
grundsätzliche Prinzipien sind
(KMK 2024, Anlage 2).
In den Initiativen BiSS und BiSS-
Transfer und deren Ansätzen zur Förderung
der Schreibflüssigkeit wird die
Handschrift als basale Fertigkeit als
grundlegend dargestellt. Schreibflüssigkeit
ist eine komplexe Fertigkeit, die in
unterschiedliche Fertigkeiten aufgeteilt
werden kann. Hierarchieniedrige Fertigkeiten
sind dabei die Schreibbewegungen
von Hand und auf der Tastatur und
die Anwendung der Rechtschreibung.
Wenn die basalen Fertigkeiten Handschrift,
Rechtschreibung und auch später
Tastaturschreiben nicht gut automatisiert
sind, stehen sie einer flüssigen
Textproduktion im Weg (Stanat/Sturm/
Becker-Mrotzeck 2019, 5 f.).
Grundschrift als Schrift für
einen zeitgemäßen Unterricht
Die Grundschrift begünstigt den tendenziell
eigenaktiven, produktiven wie reflektierenden
Schriftspracherwerb. Schrift
wird dabei funktional im Zusammenhang
von Schreiben und Lesen sowie beim
Sprechen über Schrift und Verschriftung
und nicht lehrgangsmäßig erarbeitet.
Eine Ausgangsschrift zur Entwicklung
der persönlichen Handschrift sollte den
didaktischen Qualitätsmerkmalen eines
zeitgemäßen Unterrichts entsprechen.
Die beiden Prinzipien „Lernen als Selbst-
Anna Fruhen-Witzke
ist Grundschullehrerin in NRW und
arbeitet in der Projektgruppe Grundschrift
des Grundschulverbands mit. Sie
unterrichtet die Fächer Sport, Deutsch,
Mathe und Englisch.
aneignung der Welt“ und „Grundschule
als Leistungsschule“ der neun Prinzipien
zeitgemäßer Grundschularbeit finden im
Grundschriftkonzept Anwendung (vgl.
Bartnitzky 2011, 19).
„Lernen als Selbstaneignung der Welt“:
Viele Kinder beginnen schon vor der
Schule zu schreiben, und Druckbuchstaben
sind in ihrem Lebensumfeld
präsent. Hier setzt die Grundschrift als
handgeschriebene Ausgangsschrift an,
greift die Lebenserfahrungen der Kinder,
die Druckbuchstaben, auf und entwickelt
sie weiter. Kindern ohne solche
vorschulischen Erfahrungen müssen sie
in der Schule ermöglicht werden. In der
Weiterentwicklung probieren Kinder aus,
welche Buchstaben sie miteinander verbinden
können. Welche Möglichkeiten
ihnen gut von der Hand gehen, erfahren
sie dabei. Diese Möglichkeiten werden
sie in ihre Handschrift übernehmen (vgl.
Bartnitzky 2011, 19).
„Grundschule als Leistungsschule“:
Handschrift soll qualitätsvoll, aber mit
individuellen Bandbreiten lernbar sein.
Die Qualität der eigenen Schrift wird
regelmäßig im Sinne einer pädagogischen
Leistungskultur mithilfe der Kriterien
Formklarheit, Leserlichkeit und
Geläufigkeit reflektiert und bewertet.
GS aktuell 169 • Februar 2025
9
Thema: Schrift und Schreiben
Ergänzende Elemente:
Schriften erkunden: früher, in anderen
Ländern, Handschriften, Computerschriften,
Schreibanlässe, Schriften ausprobieren
(bspw. Handlettering)
Gestalten mit Schrift: Texte, Schmuckschriften,
Schriftbilder, Verschenktexte,
Briefe
Grundschrift als geläufige
Handschrift der Kinder –
Grundsätze
Das Grundschriftkonzept bietet Grundsätze,
die eine zielgerichtete Entwicklung
der Handschrift zu einer
formklaren, leserlichen und geläufigen
Schrift ermöglichen. Dabei werden traditionelle
Elemente des Schreibunterrichts
mit neuen Aspekten verknüpft
(vgl. Marhofer-Bernt 2011b, 71).
Die Form der Buchstaben –
handgeschriebene Druckschrift
Die Grundschrift ist eine bewegungsorientierte,
handgeschriebene Druckschrift.
Die Buchstabenformen sind
bewusst nicht gedruckt, sondern mit
der Hand geschriebene Buchstaben als
Vorlagen. Die Buchstabenformen sind
Richtformen, an deren Form die eigene
Schreibung orientiert wird. Das kleine
e ist bspw. bewusst rund und nicht mit
einem geraden Strich wie das gedruckte
e als Schreibmodell vorgegeben.
Abb. 1: Bewegungsrichtung blaues Heft
Ökonomischer Bewegungsablauf
Es gibt Anhaltspunkte für Bewegungsabläufe,
die geläufiges Schreiben begünstigen
und auf Dauer die Buchstaben formklar
halten. Unsere Schrift hat eine Lese- und
Schreibrichtung von links nach rechts.
Zudem sind Abwärtsstriche durch die
Beugung der Finger klarer zu führen (vgl.
Bartnitzky 2011, 22).
Deshalb gelten für die Bewegungsabläufe
der Grundschriftbuchstaben die
beiden Grundsätze:
- von links nach rechts,
- von oben nach unten.
Falls Kinder nach dem Ausprobieren
einen anderen Bewegungsablauf bevorzugen,
ist dieser individuelle Weg möglich,
wenn die Buchstaben formklar sind
und formstabil bleiben (Abb. 1).
Bewegungsgruppen
Ein Kernpunkt des Grundschriftkonzeptes
sind die in Bewegungsgruppen
sortierten Buchstaben. Sie fassen
Buchstaben mit gleichem oder ähnlichem
Bewegungsverlauf zusammen
und ermöglichen eine gezielte Erarbeitung
der Schreibbewegung. Die
Zuordnung zu den Gruppen erleichtert
es, Bewegungen zu erlernen, weil
ähnliche Bewegungen zusammengefasst
werden oder von den Kindern
gesammelt und reflektiert werden können.
Die Grundschriftkarteien und die
entsprechenden Kleeblatthefte sind nach
Abb. 2: Üben in Bewegungsgruppen
Bewegungsgruppen geordnet und farblich
gekennzeichnet. Die Bewegungsgruppen
finden im Erstschreibunterricht,
bei Schriftgesprächen sowie als Förderimpulse
in der Weiterentwicklung der
Handschrift Anwendung (vgl. Marhofer-
Bernt 2011b, 72 f.; Abb. 2).
Wendebogen als schwungvolle
Verbindungsstelle
Wendebögen bei allen Buchstaben,
die auf der Grundlinie enden, ermöglichen
schwungvolle Verbindungen. Das
sind meist auch die Verbindungen, die
bewegungsökonomisch ohne Umwege
auf dem Papier zu schreiben sind.
Verbindungen und Buchstabenvarianten
werden den Kindern angeboten,
geübt, reflektiert und, wenn sie gut
zu schreiben sind und der Schreibgeläufigkeit
dienen, in die Handschrift übernommen
und genutzt (Abb. 3).
Verbindungen und Varianten beim
weiterführenden Schreiben: Schreiben
mit Schwung
Der Bewegungsgedanke „Schreiben mit
Schwung“ ermöglicht die Bewegungsvorstellung
des geläufigen Schreibens.
Kinder verstehen so anschaulich, was
damit gemeint ist, wenn eine Verbindung
bewegungssinnvoll ist, dann
z. B., wenn man am Ende des einen
Buchstabens am Anfang des nächsten
ankommt, etwa bei au, a, ei oder ie.
In der Kartei 2 werden 14 Buchstabenfolgen
zum Üben der Verbindungen vorgestellt.
Sie bieten die Möglichkeit, aus
ihnen heraus mithilfe der Bewegungsverwandtschaften
und des schwungvollen
Schreibens weitere Verbindungen zu
finden und zu erproben. Dabei gelten für
die individuelle Schriftentwicklung die
drei Kriterien Geläufigkeit, Formklarheit
und Leserlichkeit (Abb. 4a und 4b).
Abb. 3: Wendebögen
und Verbindungen
Abb. 4a und 4b: Verbindungen üben
10 GS aktuell 169 • Februar 2025
Thema: Schrift und Schreiben
Abb. 5: Bewegungsrichtung ohne Lineaturen üben – Klasse 1
Abb. 6: Reflexion von Anfang an – Gelungenes einkreisen
Lineaturen
„Die Orientierung an den klassischen
Lineaturen ist aber ein didaktischer
Kunstfehler.“ (Bartnitzky 2011, 24)
Lineaturen sollen Orientierung, nicht
Bewegungsbegrenzung geben. Wissenschaftliche
Befunde belegen, dass die
mehrbändige Lineatur (die klassische
Erstes- und Zweites-Schuljahr-Lineatur)
die Schreibgeläufigkeit der Kinder mehr
hemmt als fördert (vgl. Marhofer-Bernt
2011a, 39f.).
Vor allem beim anfänglichen Schreiben,
bei dem es um die Einübung der
Schreibbewegung geht, sollte gänzlich
auf Lineatur verzichtet werden. Die
schwungvolle Schreibbewegung und individuelle
Schriftgrößen stehen hier im
Mittelpunkt und würden durch die Begrenzung
einer Lineatur gehemmt werden.
Im weiterführenden Schreiben können
Lineaturen als hilfreiche Fördermöglichkeit
eingesetzt werden. Für die
Orientierung und zum Erlernen der Proportionen
werden den Kindern Schreibräume
angeboten: Vorlagen mit grau
markiertem Mittelband und Orientierungsbalken
links und rechts. Dazu sind
in Kooperation mit den Sedulus-Werkstätten
Hefte mit Schreibräumen passend
zum Grundschriftkonzept erarbeitet
worden. Sedulus bietet außerdem
Hefte mit Grundlinien mit größerem
Abstand an. Aber auch die klassische Lineatur
für das dritte Schuljahr kann je
nach Schriftgröße eingesetzt werden.
Lineaturen werden nicht für alle Kinder
gleich vorgegeben, sondern Kinder
und Lehrkraft wählen jeweils geeignete
aus:
– gänzlicher Verzicht auf Lineatur
– Schreiben auf Grundlinien in verschiedenen
Abständen
– Schreiben in Schreibräumen
(vgl. Bartnitzky 2011, 26; Abb. 5)
Schriftgespräche – Reflexion und
Rückmeldungen
Die Qualität der Handschrift ist durch
Kriterien abgesichert. Sie soll formklar,
leserlich und geläufig (schwungvoll und
zügig zu schreiben) sein.
Sie werden in Selbsteinschätzungen
reflektiert und in Schriftgesprächen
besprochen und reflektiert und
bei Rückmeldungen durch die Lehrkraft
genutzt.
Mit der Frage „Habe ich gut geschrieben?“
werden die Kinder ab den ersten
Schreibübungen ermutigt, ihre Ergebnisse
zu reflektieren und gelungene
Buchstaben oder Wörter einzukreisen.
Im weiteren Verlauf können auch besonders
gelungene Seiten im Schreibheft
von den Kindern markiert werden.
Dabei geht es zunächst hauptsächlich
um das Kriterium der Formklarheit.
Dazu tritt die Lehrkraft mit den Kindern
in einen Dialog, indem sie Rückmeldungen
zur Schrift und Anregungen
zu Reflexionen gibt. Rückmeldebögen
und Anlässe zur Reflexion bietet das
Grundschriftkonzept als Kopiervorlagen
(vgl. van der Donk/Kindler 2011,
94 ff.).
Im zweiten Teil der Kartei Schreibmotorik
fördern sind zudem Reflexionsanlässe
für Schriftgespräche zusammengestellt
(vgl. Ruf und Kumschlies in diesem
Heft; Abb. 6).
Abb. 7: Lernwörter und Schrifttraining
Klasse 1
Übungsmöglichkeiten für das
weiterführende Schreiben
Für das weiterführende Schreiben
werden Experimente zur bewussten
Entwicklung der Handschrift und
Trainingsaufgaben für eine leserliche,
formklare und schwungvolle Schrift
angeboten. Dabei können Wort- und
Textmaterialien fächerübergreifend
genutzt werden und die Übungsarbeit
zur Schrift bspw. mit dem Lernwörteroder
dem Abschreibtraining verbunden
werden (vgl. Fruhen-Witzke in diesem
Heft; Abb. 7).
Individuelle Fördermöglichkeiten
Kinder beginnen zu unterschiedlichen
Zeitpunkten im ersten und im zweiten
Schuljahr mit dem Erproben und
Einüben der Verbindungen, wenn die
GS aktuell 169 • Februar 2025
11
Thema: Schrift und Schreiben
Grundformen der Buchstaben formklar
und flüssig geschrieben werden. Verschiedene
Lineaturen können zur individuellen
Förderung angeboten werden.
Auch im dritten und im vierten Schuljahr
und in der Sekundarstufe können
Bewegungsabläufe gezielt geübt werden.
Mit einem Training können Kinder
auch bereits verfestigte Bewegungsmuster
in ihrer Handschrift verändern, damit
Buchstaben formstabil notiert werden
können und die Schrift leserlicher wird.
Dazu eignen sich Reflexionen mit Impulsen
zur Veränderung der eigenen Schrift
oder Übungen mithilfe der Bewegungsgruppen
sowie Trainings zur Schnelligkeit
(vgl. Fruhen-Witzke in diesem Heft).
In der Kartei Schreibmotorik fördern
sind sowohl Praxisanregungen zur Förderung
der Feinmotorik als auch Impulse
zu Reflexionsmöglichkeiten in
Schriftgesprächen zusammengestellt.
Kindern werden individuelle Bewegungsmuster
für ihre Handschriften ermöglicht.
Nicht alle verbinden dieselben
Buchstabengruppen, manche Kinder
schreiben in einer flüssigen Schrift ohne
sichtbare Verbindungen auf dem Papier.
Eine weitere individuelle Fördermöglichkeit
ist die Reflexion der eigenen
Schrift, die zur Weiterentwicklung der
Handschrift anregt.
Blick über den Tellerrand –
Blick in die Schweiz
In der Schweiz hat es in den deutschsprachigen
Kantonen ungefähr zur gleichen
Zeit der Entwicklung der Grundschrift
in Deutschland eine ähnliche Entwicklung
gegeben. Die dort genutzte komplett
papierverbundene „Schnüerlischrift“
wurde hinterfragt und die der Grundschrift
ähnliche Schweizer Basisschrift
wurde entwickelt. Die Schweizer Basisschrift
basiert wie die Grundschrift auf
einem handschriftdidaktischen Konzept
zu den lateinischen Buchstabenformen
mit Teilverbindungen. Die Schweizer
Basisschrift wurde durch die Erziehungsdirektorenkonferenz
empfohlen und
bereits 2013 hat sie die „Schnüerlischrift“
in allen deutschsprachigen Kantonen
abgelöst (vgl. Brügelmann 2016, 82).
Literaturangaben zum Artikel
können Sie von unserer Website herunterladen:
https://t1p.de/GSa169Lit
Anmeldung Newsletter
Weitere Informationen
zur Grundschrift: Im
Newsletter des Grundschulverbandes
werden
regelmäßig digitale Veranstaltungen
zum Thema angekündigt.
Überblick über Materialbausteine des Grundschulverbandes
• Grundschriftkartei: Teil 1 Die Buchstaben und Teil 2 Schreiben
mit Schwung, Grundschulverband e. V. (2011): Grundschrift:
Kartei zum Lernen und Üben. Frankfurt a. M.
• Vier Kleeblatthefte: grün – die Großbuchstaben (Förderheft),
blau – alle Buchstaben, orange – Schreiben mit Schwung, rot –
Geläufigkeitstraining und Gestalten mit Schrift, Grundschulverband
e. V. (2014): Die Kleeblatthefte zur Grundschrift. Frankfurt a. M.
• Anlauttabelle mit zugehörigem Anlautrap und Anlautschrift
(online)
• Schreibhefte in vier Varianten: blanco, mit größeren und
kleineren Schreibräumen, mit Häuschen (Sedulus)
• Kartei Schreibmotorik fördern, Grundschulverband e. V. (2019):
Kartei Schreibmotorik fördern
Die Materialien sind
zu beziehen über
www.sedulus.de
→ Grundschulverband
In der Broschüre
Grundschrift – Gewusst wie … und wo!
Grundlagen, Publikationen, Material
findet man ausführliche Erklärungen zu allen Materialien zum
Grundschriftkonzept.
Ergänzende Materialien
als Download: Kartei mit
Schrift gestalten, Computerschrift, Grundschrift
oder ein Arbeitsplan Schrift und Schreiben sind
auf www.die-grundschrift.de zu finden.
UNFÄLLE IM
STRAßENVERKEHR
durch Smartphones?
Unterrichtsmaterial
für die 4. Klasse hier
kostenlos herunterladen
12 GS aktuell 169 • Februar 2025
Praxis: Schrift und Schreiben über die Fächer hinaus
Judith Endisch, Britta Habermann
Was hat die Bewegung mit dem
Schreibenlernen zu tun?
Handschreiben ist ein wichtiges Werkzeug für das Lernen. Beim Handschreiben
setzen wir uns intensiv mit den Inhalten auseinander. Es hilft uns dabei, komplexe
Zusammenhänge besser zu verstehen und zu behalten. Wichtige Schreibvoraussetzungen
werden bereits vor der Einschulung geschaffen. So festigt sich
die Stifthaltung bei Kindern oft schon im Kindergartenalter.
Im Rahmen des Erasmus+-Projekts
„HS-Tutorials – Praktische Module
zur Förderung von Schreibfertigkeiten
in Schulen und im Übergang Kindergarten
– Schule“ (www.hs-tutorials.eu/)
schulte die Regierung von Mittelfranken
und die Regierung von Niederbayern
Lehrkräfte, mit dem Ziel, den Handschrifterwerb
von Schülerinnen und
Schülern zu unterstützen.
Schreibenlernen ist
Bewegungslernen
Wie jedes motorische Lernen ist
Schreibenlernen Bewegungslernen.
Folglich geht es beim Schreibenlernen
nicht nur um schönes, sondern v. a. auch
um bewegungsgünstiges Schreiben. Wie
in anderen Bereichen motorischen Lernens
(z. B. Fahrradfahren) müssen Kinder
mit allen Sinnen erfahren, auf welche
Bewegungsabläufe es ankommt
(Diaz Meyer et al. 2015). Und es gilt:
Durch Abwechslung und das Zulassen
von Fehlern lernt es sich einfacher und
mit mehr Freude. „Beim Radfahren
sind es vor allem Gleichgewichtsgefühl,
Beschleunigung, Bremsen und
Richtungswechsel. Erst dann klappt
Fahrrad fahren – mit zunehmender
Routine auch auf anspruchsvollen, längeren
Strecken. Dabei übt und lernt
jedes Kind in seinem eigenen Tempo.
Das Gleiche gilt für das Schreibenlernen.
Für die Schreibhand ist genau
wie beim Fahrradfahren das Erleben von
individuellen Bewegungsausführungen
entscheidend. Aus Geschwindigkeit,
Beschleunigung, Größenskalierung und
Druck entstehen dann die Buchstaben –
und mit zunehmender Routine auch
längere und anspruchsvollere Texte.“
(vgl. Schreibmotorik Institut 2017/2)
Was macht eine gute
Handschrift aus?
Eine gute Handschrift ist lesbar, flüssig,
effizient, beschwerdefrei und individuell.
Sie ist nicht in erster Linie nur
schön und ordentlich, sondern geht den
Kindern leicht, flüssig und auch bei längerem
Schreiben ohne Schmerzen von
der Hand. Doch was heißt das genau?
Eine Schrift ist lesbar, solange die charakteristische
Buchstabenform gewahrt
bleibt. Sie ist flüssig, wenn das Schreiben
mit gleichmäßigem, zügigem Schreibrhythmus
erfolgt. Sie ist ermüdungsarm,
solange der Schreibdruck gering und
gleichmäßig bleibt. Sie ist effizient, wenn
zügiges und dennoch ermüdungsarmes
Schreiben gelingt. Und sie ist individuell
durch die persönliche Ausgestaltung
der Schrift (vgl. Schreibmotorik Institut
2017/1). Auf dem Weg zu einer guten
Handschrift brauchen Kinder Unterstützung,
konkrete Hilfestellungen und
regelmäßige Gespräche über Schrift. In
der ersten oder zweiten Klasse bemerken
Lehrkräfte oft, dass die feinmotorischen
Kompetenzen der Kinder im Vergleich
zu früher abgenommen haben. Eine gut
ausgebildete Feinmotorik der Hände bildet
eine wichtige Grundlage für den späteren
Erwerb der Handschrift und die
Entwicklung einer guten Schreibmotorik.
Ungeschicklichkeit und schwache Feinmotorik
der Hände bei Alltagstätigkeiten
Schwache feinmotorische Kompetenzen
der Hände wirken sich häufig in mehreren
Bereichen aus. So hat das Kind
z. B. Probleme beim Ausschneiden, Falten,
Aufkleben von Objekten, Anspitzen
von Stiften oder auch Sortieren von
Materialien. Das Kind ermüdet dann
unter Umständen schnell oder ent-
Britta Habermann (links) ist Seminarrektorin
im Nürnberger Land.
Judith Endisch ist Seminarrektorin in
der Stadt Nürnberg.
wickelt eine hohe Frustration gegenüber
der entsprechenden Tätigkeit aufgrund
„unschöner“ Arbeitsergebnisse. Dies
kann sich auch negativ auf die Motivation
zum Schreibenlernen auswirken.
Aber auch in alltagsrelevanten Bereichen,
wie Reißverschluss oder Knöpfe schließen,
zeigt sich die Feinmotorik der
Hände. Das Kind benötigt dann für das
Umkleiden viel Zeit oder Unterstützung.
Um die Feinmotorik der Hände intensiv
zu trainieren, ist es notwendig, auch
die Eltern einzubeziehen. Auch wenn es
selbstverständlich erscheint, geben Sie
Anregungen zur Förderung der Feinmotorik
beim Elternabend weiter. Motivieren
Sie die Eltern, regelmäßig mit
ihren Kindern zu basteln, zu backen oder
Brettspiele zu spielen.
Ungeschicklichkeit und schwache Feinmotorik
der Hände beim Malen und
beim Schreiben
Hat das Kind Probleme mit differenzierten
Bewegungen der Fingergelenke
und des Handgelenks? Die Finger
sind zum Beispiel nicht beweglich
genug, um schwungvolle, geschmeidige
Bewegungen auszuführen. Malen und
Schreiben kommen durch eine Kombination
von Aufwärts- und Abwärtsbewegungen
des Handgelenks, Vorwärts-
und Rückwärtsbewegungen der
Finger und den Transportbewegungen
des Armes (z. B. Bewegung der Hand
GS aktuell 169 • Februar 2025
13
Praxis: Schrift und Schreiben über die Fächer hinaus
in Schreibrichtung) zustande. Dadurch
können die Buchstaben in der Breite
(z. B. der große Buchstabe B) und Höhe
(z. B. das Schreibschrift-l) ausgestaltet
werden. Kreisende Bewegungen wie z. B.
beim Buchstaben O ergeben sich aus
einer Kombination von Fingergelenkund
Handgelenkbewegungen. Bei mangelnder
Beweglichkeit der Finger oder
des Handgelenks können die Buchstaben
nur erschwert ausgeführt werden.
Dies kann dazu führen, dass die Kinder
unleserlich oder langsam schreiben.
Fällt dem Kind die Kombination beider
Bewegungen schwer, zeigt sich dies
möglicherweise beim Schreiben runder
Buchstaben wie dem O. Mangelnde
Beweglichkeit kann auch zu heftigen
Bewegungen der Finger, des Handgelenks
oder des gesamten Arms führen.
Die Bewegungen wirken dann steif und
abgehackt, die Buchstabengröße und die
Proportionen sind mitunter nicht ausgewogen.
Oft halten Kinder den Stift
zu fest und verkrampfen sich, ohne es
zu merken. Dies erkennt man daran,
dass z. B. das letzte Fingergelenk vom
Zeigefinger überstreckt ist und weiß
hervortritt. In der Folge ist die Vor- und
Zurückbewegung von Zeigefinger und
Daumen blockiert. Auch die Beweglichkeit
des Handgelenks kann blockiert
sein, beispielsweise durch eine zu starke
Beugung des Handgelenks in Form einer
Hakenhaltung.
Für die Entwicklung der eigenen Handschrift
ist die Integration der Feinmotorik
in den Unterricht von großer
Bedeutung
Durch abwechslungsreiche und kreative
Aktivitäten in verschiedenen Fächern
können Lehrkräfte dazu beitragen, die
Schwungübungen
mit dem Band
Allgemeines zu dieser Übung
• Zu Beginn wird der Umgang mit dem
Band besprochen.
• Verschiedene „Schwungformen“ und der
entsprechende Wortschatz werden zuerst
gemeinsam eingeführt und vorgemacht.
• Stabhaltung (vgl. Foto).
• Der Stab wird in Verlängerung des
Armes gehalten.
• Das Stabende liegt in der Handinnenfläche
und entlang des Zeigefingers.
• Der Stab wird locker von der Hand
gehalten.
Durchführung der Übung
• das Band den Schüler:innen zur Erforschung geben
• Stabfassung (vgl. Foto) gemeinsam besprechen
• Schwungformen (Kreise, Schlangen etc.) zuerst vormachen
und Wortspeicher erarbeiten
• mit den Fingern am Stab entlangklettern
• mit den Fingern am Band entlangklettern
• verschiedene Schwungformen erproben (Kreise, Achter,
Zickzack, Schlangen, Spiralen, Arkaden,
Girlanden, Schleifen)
• weitere Formen/Zeichen/Buchstaben/Zahlen erproben
• eigene Choreografie mit mehreren Schwungformen hintereinander
erarbeiten
• Schwungformen in Bewegung ausführen
Reflexionsfragen und Erwartungshorizont
• Mit welchen Körperteilen setzt du das Band
in Bewegung bzw. hältst du es in Bewegung?
– Handgelenk, Unterarm, ganzer Arm
• Wie kannst du die Schwungformen größer/kleiner machen?
– aus dem ganzen Arm/nur aus dem Handgelenk schwingen
• Wie schaffst du große/kleine Formen/Buchstaben beim Schreiben auf dem Papier?
– nur Fingerbewegungen am Stift
– das Handgelenk mitbewegen
Vivienne Semmelmann, Grundschullehrerin an der Grundschule Stein
Abb. 4 und 5:
aus „Schreibmotorik fördern – Praxishilfen und Impulskarten“
14
GS aktuell 169 • Februar 2025
Praxis: Schrift und Schreiben über die Fächer hinaus
Abb. 6: Michelle Mahr, Grundschullehrerin an der Grundschule Stein
motorischen Fähigkeiten der Schülerinnen
und Schüler zu verbessern und
ihnen gleichzeitig Freude am Lernen
zu vermitteln. Im Fach Werken und
Gestalten wird die Feinmotorik durch
das Arbeiten mit verschiedenen Materialien
wie Papier, Holz oder Textilien
geschult. Das Schneiden, Kleben und
Falten von Materialien erfordert präzise
Handbewegungen und fördert die
Fingerfertigkeit. Im Musikunterricht
können Instrumente wie Blockflöten,
Trommeln oder kleine Percussion-Instrumente
eingesetzt werden, um die
Feinmotorik zu schulen. Das Spielen
von Instrumenten benötigt exakte
Fingerbewegungen und Koordination.
Auch im Sportunterricht können neben
Übungen der Grobmotorik gezielte
Übungen zur Verbesserung der Feinmotorik
durchgeführt werden. Aktivitäten
wie Ballspiele, bei denen die Kinder
den Ball fangen, werfen oder dribbeln
müssen, fördern die Hand-Augen-
Koordination und die Geschicklichkeit.
Auch das Balancieren auf verschiedenen
Geräten oder das Ausführen von
Bewegungsabläufen, die präzise Handbewegungen
erfordern, tragen zur Schulung
der Feinmotorik sowie der Grobmotorik
bei.
Um Kindern systematisch und angeleitet
beim Erlernen von Buchstaben
und deren Schreibbewegungen zu helfen,
ist es sinnvoll, die Buchstaben in
Bewegungsgruppen einzuteilen. Diese
Einteilung basiert auf den ähnlichen Bewegungsabläufen,
die für das Schreiben
Abb. 7: Michelle Mahr; Grundschullehrerin an der Grundschule Stein
Praxisbeispiele für
das Training der
Handgeschicklichkeit
Planen Sie Pausen in der Schulwoche
ein, in der Sie feinmotorische Spiele
angeleitet durchführen, oder nutzen
Sie in regelmäßigen Abständen die
„Vorviertelstunde“, die Innenpausen
an Regentagen etc. Stellen Sie dafür
eine ausgewählte Spielesammlung
zusammen, z. B. Mikado, Lego, Steckspiele,
Puzzle, Knete oder Origamipapier
mit Faltvorschlägen.
Anleitungen zu Übungen
finden Sie auf Youtube
• Fingerfahrrad
https://t1p.de/0jiep
• Hungriger Tennisball
https://t1p.de/tzkhp
• Wedel-Wettbewerb
https://t1p.de/0ukgc
• Wandern mit Klammern
https://t1p.de/4vg1u
• Turmbau
https://t1p.de/41uc8
der Buchstaben erforderlich sind. Indem
Kinder die Gemeinsamkeiten in den Bewegungen
erkennen, können sie die
Buchstaben leichter lernen und sich die
Schreibweise besser einprägen. Die Kartei
„Schreibmotorik fördern – Praxishilfen
und Impulskarten“ des Grundschulverbands
bietet in diesem Kontext wertvolle
Hilfestellungen und Praxisbeispiele
(Impulskarten 1–13).
In Bezug auf günstige und ungünstige
Bedingungen für die Bewegungsausführung
beim Schreiben, z. B. Körperhaltung,
Stifthaltung, Schreibdruck,
Schreibtempo und Buchstabenanbindungen,
sind regelmäßige „Gespräche
über Schrift“ im Unterricht notwendig
(Impulskarten 14–25).
Die Bedeutung von Bewegung in
der frühen Kindheit sollte nicht unterschätzt
werden. Sie ist ein fundamentaler
Baustein für das Lernen und die
Lebensqualität der Kinder. Indem Kindergärten
und Grundschulen gemeinsam
an einem Strang ziehen, können sie
eine solide Grundlage für die zukünftige
Entwicklung und das Lernen der
Kinder schaffen.
GS aktuell 169 • Februar 2025
15
Praxis: Schrift und Schreiben über die Fächer hinaus
Priska Ruf, Kirsten Kumschlies
Wie verbindest du? Wo hast du
mit Schwung geschrieben?
Schriftgespräche in Klasse 3 und 4
Der Beitrag stellt dar, wie in der dritten und der vierten Klasse mit Schriftgesprächen
gearbeitet wird, um die Reflexion und das Entwickeln einer eigenen
Handschrift zu fördern. „Das schriftdidaktische Grundschrift-Konzept (…) holt
das Schreibenlernen in die moderne Didaktik: selbstständiges Tun und Entdecken
statt Imitieren, Kommunikation statt isolierter Alleinarbeit und fachdidaktisch:
Schriftentwicklung als funktional für Lesen und Schreiben und nicht
als isolierter Lehrgang.“ (Bartnitzky 2016, 122)
Während die Formklarheit und
die Leserlichkeit meist im
Fokus von Schreibanfänger:innen
stehen, ist für Kinder in den
höheren Grundschuljahren oft die
Geläufigkeit ein zentrales Thema, denn
die Texte, die sie nun schreiben, werden
zunehmend länger und komplexer. Um
Geläufigkeit für die Kinder anschaulich
zu machen, wird im Grundschriftkonzept
der kindgemäße Ausdruck „Schreiben
mit Schwung“ genutzt. Auch im dritten
und im vierten Schuljahr werden immer
wieder verschiedene Übungen angeboten,
um schneller zu schreiben. Das schnelle
Schreiben wird z. B. mit Abschreibsätzen
oder -texten trainiert. Die Entwicklung
der eigenen Handschrift ist ein Anliegen
aller Grundschuljahre und auch darüber
hinaus, weil die Entwicklung mit dem
Ende der Grundschulzeit nicht
abgeschlossen ist.
Beim Grundschriftkonzept gehören
Schriftgespräche von Beginn an zur
Entwicklung der Handschrift der Kinder.
Solche Gespräche werden in jedem
Schuljahr geführt. Im dritten und im
vierten Schuljahr können die Kinder in
der Regel selbstständig damit umgehen,
zumal sie schon häufig über ihre Schrift
nachdenken. Dennoch werden sie immer
wieder gezielt angeregt, über bestimmte
Aspekte ihrer Schrift zu reflektieren.
Im Unterricht werden verschiedene
Möglichkeiten genutzt:
1. Schriftgespräche im Plenum oder
in der Gruppe, die an Rechtschreibgespräche
bzw. den „Satz des Tages“
angebunden sind
2. Arbeit mit der Kartei „Schreibmotorik
fördern, Praxishilfen und Impulskarten“
(2. Teil zur Schriftreflexion)
Schriftgespräche und der Satz des
Tages
Der Satz des Tages bietet in Kombination
mit den Gesprächen über Rechtschreibung
eine vielfältige Möglichkeit,
Schriftgespräche mit allen Kindern zu
führen. Am Beispielsatz „Das Kind geht
in die Schule“ wird dies im Folgenden
illustriert.
Ideen zum Vorgehen
beim Schreiben
● Die Lehrkraft bespricht mit den Kindern
zunächst die Kriterien, die dem
Grundschriftkonzept zugrunde liegen.
Die Schrift muss formklar, leserlich und
flüssig sein. Diese Kriterien sind den
Kindern aus den ersten beiden Schuljahren
bekannt und es bedarf keiner näheren
Erklärung.
● Die die Lehrkraft diktiert den Satz
des Tages und die Kinder haben vorher
den Auftrag erhalten, darauf zu achten,
an welchen Stellen sie besonders
schwungvoll oder flüssig schreiben. Der
Satz des Tages wird zunächst in einem
Rechtschreibgespräch perspektiviert.
Nun haben die Kinder einen orthografisch
richtigen Satz vor sich, even-
Priska Ruf (links)
ist Grundschullehrerin in Rheinland-
Pfalz und Vorstandsmitglied der Landesgruppe
des Grundschulverbands. Sie ist
Mitglied der Projektgruppe Grundschrift
im Grundschulverband.
Dr. Kirsten Kumschlies
ist Akademische Rätin für Grundschuldidaktik
Deutsch an der Universität Trier.
tuell schreiben sie diesen noch mal auf.
Nun beginnt die Reflexion des Schriftbilds.
Die Stellen, die flüssig und somit
mit Schwung geschrieben wurden,
werden markiert. Anschließend kann
jedes Kind mit einem Partnerkind die
schwungvollen Stellen vergleichen. Zu
thematisieren, ob eine schwungvolle
Stelle immer eine verbundene Stelle ist,
birgt Potenzial für die Weiterentwicklung
der Handschrift. Hier kann thematisiert
werden, dass es Verbindungen
gibt, die einem Kind flüssig, einem anderen
Kind weniger flüssig gelingen.
● Wenn in der Klasse ein fehlertolerantes
Lernklima herrscht, kann ein Kind den
Satz freiwillig an der Tafel mitschreiben
und markiert entsprechend schwungvoll
geschriebene Stellen. Das bietet die
Möglichkeit, über den Aspekt der Leserlichkeit
und der Formklarheit oder über
günstige und ungünstige Verbindungen
mit allen Kindern zu sprechen.
Im Gespräch mit den Kindern wird
schnell klar, dass es unterschiedliche
Möglichkeiten gibt, mit Schwung zu
schreiben. Das Konzept der Grundschrift
bietet verschiedene Möglichkeiten
16
GS aktuell 169 • Februar 2025
Praxis: Schrift und Schreiben über die Fächer hinaus
Ideen für Schriftgespräche im Plenum
Wird der Satz im Plenum besprochen, begleitet
die Lehrkraft das Gespräch mit Impulsen.
Diese könnten wie folgt lauten (mögliche
Antworten der Kinder sind beigefügt,
um Potenziale für Schriftgespräche zu veranschaulichen):
Was kann man gut verbinden, was nicht
gut? „‚die‘ kann ich gut verbinden. Da haben
alle Buchstaben einen Wendebogen und ich
kann das ganze Wort mit Schwung schreiben.“
Wo hast du mit Schwung geschrieben? „Ich
habe bei ‚Kind‘ das ‚i‘ und das ‚n‘ verbunden.“
„Ich habe auch noch das ‚K‘ mit dem ‚i‘ verbunden.
Drei Buchstaben sind das insgesamt.“ „Ich
und Varianten. Durch die Kriterien Formklarheit
und Leserlichkeit ist das Schreiben
mit der Grundschrift trotz der individuellen
Möglichkeiten nicht beliebig.
Die Kombination mit Rechtschreibgesprächen
und dem bewährten „Satz des
Tages“ vereinfacht die Implementierung
von Schriftgesprächen in den Deutschunterricht.
Eine Anbindung an „Autorenrunden“
im Sinne Beate Leßmanns
(2020), in denen Kinder ihre eigenen
Texte vorstellen, ist ebenfalls eine denkbare
Option. Auch in anderen Fächern
als dem Deutschunterricht spielt Schrift
eine Rolle. So könnte z. B. beim Gestalten
von Plakaten im Sachunterricht oder
in anderen Fächern die Leserlichkeit der
Schrift ein wichtiges Kriterium sein.
Schriftgespräche und Üben mit
der Kartei „Schreibmotorik fördern,
Praxishilfen und Impulskarten“ –
Teil 2 Schriftreflexion
habe das ‚ch‘ in ‚Schule‘ verbunden.“ „Das habe
ich nicht verbunden. Für mich ist das eine Verbindung,
die ich nicht gut kann. Ich komme
vom ‚c‘ nicht direkt oben beim ‚h‘ an.“
Wo hast du nicht verbunden? Warum? „Bei
‚Das‘ habe ich nichts verbunden. Das geht
nicht.“ „Kein Buchstabe hat einen Wendebogen.“
Hast du überall formklar geschrieben? „Beim
‚s‘ muss ich aufpassen, dass man unterscheiden
kann, ob es groß oder klein ist.“ „Genau: Frau Ruf
sagt immer, es gibt keine mittelgroßen Buchstaben.“
„Beim ‚L‘ ist das auch schwierig. Das kleine
‚l‘ muss einen deutlichen Spazierstockhaken haben
und das große ‚L‘ eine Ecke.“
Während mithilfe des „Satzes des Tages“
wie oben beschrieben über die Handschrift
reflektiert wird, bietet die Arbeit
mit der Schreibmotorik-Kartei weitere
Möglichkeiten für individuelle Übungen.
Im ersten Teil der Kartei werden Übungen
zu Bewegungsgrundformen und
Schreiben mit Schwung angeboten. Hierbei
geht es in erster Linie um schreibmotorische
Vorübungen, um Kindern
mit feinmotorischem Förderbedarf
Übungsmöglichkeiten zu bieten. Im Folgenden
wird auf den zweiten Teil der
Kartei eingegangen, der Impulskarten
zu Reflexionen und Schriftgesprächen
umfasst.
Die Kartei bietet dazu verschiedene
Reflexionsschwerpunkte für ein Schriftgespräch
an. Grundsätzlich geht es nochmals
um die Kriterien Leserlichkeit,
Formklarheit und Flüssigkeit der eigenen
Handschrift. Dazu werden Karteikarten
zur Reflexion innerhalb eines
Schriftgesprächs angeboten. Außerdem
bietet die Kartei verschiedene Reflexionsaspekte
zur Entwicklung der Handschrift:
● Stifthaltung
● Lineatur
● Schreibdruck
● Schreibtempo
● Stiftauswahl
● Schriftgröße
● Proportionen.
Dabei wählen die Kinder ihren eigenen
Schwerpunkt aus oder sie besprechen
den zu übenden Schwerpunkt mit
ihrer Lehrerin.
Eine Schreibübung bildet die Grundlage
zur Reflexion. Zunächst wählen die
Kinder eine Karteikarte mit dem Schwerpunkt
aus, den sie üben und anschließend
im Schriftgespräch besprechen möchten.
Sie schreiben den Text, der auf einer Seite
der Karteikarte steht, ab und folgen den
Anweisungen auf der Karte.
Bei der Übung im Bereich „Proportionen“
zum Beispiel lautet der Impuls:
„Markiere: Diese Buchstaben und Wörter
sind formklar und gut lesbar.“
Buchstaben, die den Schwerpunkt
des anschließenden Schriftgesprächs
bilden, sind im Abschreibtext markiert.
Dies sind Buchstaben wie „S, s“,
„K, k“, „V, v“, „Z, z“, „P, p“, und „W, w“.
Die Kinder kreisen für sie Gelungenes
ein. Wenn das Kind damit fertig
ist, entscheidet es, mit wem
es über sein Geschriebenes
Schreibmotorikkartei:
verschiedene Schwerpunkte
und somit über seine Handschrift sprechen
möchte. Dazu werden immer die
gleichen Möglichkeiten angeboten: Das
Kind entscheidet, ob es allein, mit einem
Partnerkind, in der Kleingruppe oder
mit der Lehrkraft spricht. Dabei gilt immer
der Grundsatz, dass zunächst gelobt
und nötigenfalls ein Tipp zur Verbesserung
der Handschrift gegeben wird. Im
Fall des Schwerpunktes „Proportionen“
wäre dies z.B.: „Hier ist nicht genau zu
erkennen, ob das ‚S‘ groß- oder kleingeschrieben
ist.“
Ein anderes Beispiel stellt die Reflexion
der „Stiftauswahl“ dar. Die Lehrkraft
stellt den Kindern verschiedene
Schreibwerkzeuge zur Auswahl. Da der
Bleistift im dritten und im vierten Schuljahr
ein zur Genüge erprobtes Schreibwerkzeug
ist, kann auf diesen bei dieser
Übung verzichtet werden. Im dritten
und im vierten Schuljahr liegt hier der
Schwerpunkt oft auf den Schreibgeräten
mit „Tinte“ im weitesten Sinn. Das
können der klassische Füller mit Feder
und mehrere verschiedene Tintenschreiber
sein. Inzwischen ist hier die Auswahl
sehr groß und es bietet sich an, die Kinder
verschiedene Tintenschreiber ausprobieren
zu lassen. Auch Filzstifte oder
GS aktuell 169 • Februar 2025
17
Praxis: Schrift und Schreiben über die Fächer hinaus
Fineliner können erprobt werden. Ziel
kann oder soll sein, ein für sich geeignetes
Schreibwerkzeug zur Entwicklung der
eigenen Handschrift zu finden, aber auch
Schreibgeräte für verschiedene Anlässe
(z. B. Plakate) zu reflektieren. Auch hier
stehen die Kriterien Leserlichkeit, Formklarheit
und Flüssigkeit im Vordergrund.
Die Übung kann erweitert werden um das
Kriterium Schreibdruck Beispielhaft können
folgende Kriterien von den Kindern
in ihrem Reflexionsgespräch besprochen
werden:
Reflexionsimpulse Stiftauswahl
„Welches Schreibwerkzeug liegt am besten
in meiner Hand?“ · „Mit welchem kann ich
am flüssigsten schreiben?“ · „Kratzt die
Feder und kann ich mit einem Tintenschreiber
oder -roller besser schreiben?“ ·
„Wie ist der Schreibdruck?“ · „Mit welchem
Schreibgerät fühlt sich meine Hand am
besten an?“ · „Strengt mich ein Schreibwerkzeug
mehr an?“ · „Drückt dieser Stift
durch das Papier?“ · „Wofür eignet sich ein
dicker Filzstift?“
Kinder, die mit diesen Schreibgeräten
mühelos schreiben, können ihre Reflexion
erweitern, indem sie die Korrektur
von Fehlern in ihre Übung und die
anschließende Reflexion aufnehmen.
„Wie werden Fehler korrigiert, wenn ich
keinen Radiergummi benutzen kann?“
Kinder können mit dem „Tintenkiller“
üben und sich ausprobieren. Sie können
Wörter mit Lineal durchstreichen
und entdecken dabei, dass Tinte in Verbindung
mit einem Lineal verschmieren
kann. Sie versuchen sich darin, möglichst
wenig bis gar nichts zu verschmieren,
und finden somit ihren eigenen Weg der
Fehlerkorrektur mit dem entsprechenden
Schreibwerkzeug. Besonders für Kinder,
die linkshändig schreiben, bietet
die Reflexionskarte zur Stiftauswahl in
der Schreibmotorikkartei eine wichtige
Übungs- und Reflexionsform.
Auch in diesen Reflexionen wählen
die Kinder aus, mit wem sie sich besprechen
wollen. Insbesondere Kinder, die
Probleme mit ihrer Schrift haben, wählen
häufig die Option, mit der Lehrkraft
zu sprechen. Für diese ist im Schriftgespräch
eine wertschätzende Rückmeldung
wichtig. Sie gibt Tipps, wo man
Verbindungen setzen könnte oder wie
der Weg zu mehr Leserlichkeit gelingen
kann. Das ist auch für die Arbeit
der Kinder in der Kleingruppe zentral.
Sie schauen auf das, was an der Schrift
gut gelungen ist, und kreisen die besonders
gelungenen (leserlichen, formklaren)
Stellen ein. Die Arbeit folgt damit
den im Schriftspracherwerb und in
der Förderdiagnostik bewährten Fragen
von Mechthild Dehn, die eine „Könnensperspektive“
einnehmen: „Was kann
das Kind schon? Was muss es noch lernen?
Was kann es als Nächstes lernen?“
(Dehn/Hüttis-Graff 2006, 18)
Die Arbeit mit den Karteikarten, die
das Schriftgespräch als Ziel haben, kann
auch im Rahmen einer Stationenarbeit
oder in Tages- oder Wochenplänen angeboten
werden.
Im dritten und im vierten Schuljahr
ist bei einigen Kindern die Entwicklung
der eigenen Handschrift schon sehr weit
fortgeschritten und nicht jedes Kind
muss seine Handschrift mit den Kriterien
Formklarheit, Leserlichkeit und
Flüssigkeit reflektieren, weil diese schon
gegeben sind. Diese Kinder kann man,
während die anderen Schüler*innen die
Bewegungsabläufe weiter üben und verfeinern,
mit Schrift gestalten lassen. Der
Bereich „Gestalten mit Schrift“ gehört
als ein Baustein zum Grundschriftkonzept.
Sie können beispielsweise ein Gedicht
besonders schön abschreiben und
zur Präsentation gestalten, beispielsweise
mit dem Computer verschiedene
Schriften ausprobieren. Weitere Aufgaben
zum Gestalten mit Schrift sind im
roten Kleeblattheft zusammengefasst.
Literaturangaben zum Artikel
können Sie von unserer Website herunterladen:
https://t1p.de/GSa169Lit
Anna Fruhen-Witzke
Geläufig, flüssig und
leserlich schreiben üben
Kinder wissen häufig nicht, wie sie ihre Schrift verbessern können (vgl. Teuscher
in diesem Heft). Das Grundschriftkonzept bietet für die Jahrgangsstufen 3 und
4 Ansätze und Materialien zur Übung und zur Weiterentwicklung der persönlichen
Handschrift. Dabei werden die Kinder durch Rückmeldungen und Reflexionen
begleitet. In diesem Beitrag wird dargestellt, welche Übungsangebote das
Grundschriftkonzept nach dem Erlernen der Schreibbewegungen bietet.
In der Schuleingangsphase haben die
Kinder die Druckbuchstaben der
Grundschrift und die vorgeschlagenen
Verbindungen gelernt und geübt. In der
zweiten Hälfte der Grundschulzeit haben
die Kinder die Schreibbewegungsrichtungen
der Buchstaben bereits weitgehend
automatisiert. Bewegungsrichtungen
werden in Jahrgangsstufe 3
und 4 mit dem Ziel der Erhöhung des
Schreibtempos beim Verschriftlichen von
Wörtern und Sätzen weiter geübt.
Ungünstige Bewegungsrichtungen können
noch verändert werden und das
Anna Fruhen-Witzke
ist Grundschullehrerin in NRW und
arbeitet in der Projektgruppe Grundschrift
des Grundschulverbands mit. Sie
unterrichtet die Fächer Sport, Deutsch,
Mathe und Englisch.
Schriftbild wird im Sinne der Formklarheit
und der Leserlichkeit verbessert und
weiterentwickelt. Auch in den ersten
Klassenstufen der weiterführenden Schulen
kann ein Fokus auf die Schrift und die
18
GS aktuell 169 • Februar 2025
Praxis: Schrift und Schreiben über die Fächer hinaus
Abb. 1: Geläufig schreiben üben mit
kurzen Texten – möglichst schnell und
leserlich schreiben
klare Form der lateinischen Buchstaben
sowie das flüssige Schreiben gelegt werden.
Kinder mit Zuwanderungsgeschichte
aus Ländern, in denen andere Schriftzeichen
genutzt werden, profitieren von
der Arbeit mit den Materialien des Grundschriftkonzeptes.
Wie kann mit der Grundschrift
geübt werden?
Grundlage für die Weiterentwicklung
der eigenen Handschrift ist die reflektierende
Betrachtung der Schrift und des
motorischen Schreibprozesses. Daran
schließt sich die motorische Übung mit
verschiedenen Schwerpunkten an.
Im dritten und im vierten Schuljahr
schreiben die Kinder in allen Unterrichtsfächern
zunehmend längere Texte sowohl
als Abschreibtexte oder beim „Schönschreiben“
von Gedichten als auch beim
Verfassen von Texten und Sachtexten in
anderen Fächern. Dabei wird gleichzeitig
immer auch die Automatisierung der
Schrift geübt, wenn den Kindern durch die
reflektierende Betrachtung klar ist, welche
Aspekte des Handschreibens geübt werden
sollen. Dabei sind die Reflexion und das
Üben der Schrift nicht ausschließlich auf
den Deutschunterricht reduziert. Auch im
Sachunterricht oder im Religionsunterricht
kann bspw. bei der Plakaterstellung thematisiert
und geübt werden, wie die Anordnung
der geschriebenen Teile übersichtlich
gestaltet werden kann. Die Wichtigkeit der
Leserlichkeit und der Formklarheit für die
Plakatbetrachter:innen kann reflektiert
werden.
Regelmäßige, kurze, gezielte Aufgaben
zur Entwicklung der Handschrift mit dem
Schwerpunkt Geläufigkeit und Flüssigkeit
werden im Deutschunterricht oder als
Wochenplanaufgabe bearbeitet. Eine Auswahl
an Übungen ist im roten Kleeblattheft
zusammengestellt. Diese Aufgaben
Abb. 2: Verbindungen üben und reflektieren
sind exemplarisch und können auch auf
andere kurze Texte zur weiteren Übung
des Handschreibens übertragen werden.
Es werden kurze Sätze und Texte mit
verschiedenen Übungsschwerpunkten
wiederholt geschrieben, sodass die
Kinder erproben und vertiefen können,
wie sie ihre Schrift optimieren können.
Nach der Übung wird mithilfe der drei
Kriterien die Qualität der eigenen Handschrift
überprüft (Abb. 1).
Kriterien für die Handschrift
• formklar
• leserlich
• flüssig
Die Kriterien zur Handschrift für die Grundschulzeit
und darüber hinaus.
Grundschriftverbindungen im Blick
Die Kinder haben nach der Erarbeitung
der Druckbuchstaben die Verbindungen
kennengelernt und geübt. Im dritten und
im vierten Schuljahr findet eine weitere
Automatisierung der flüssigen Schreibbewegung
statt, sodass die Kinder eine
geläufige und zügig zu schreibende Handschrift
entwickeln. Die Grundschriftverbindungen
werden weiter thematisiert
und geübt. Dazu können die Karteikarten
der Grundschriftkartei genutzt werden.
Davon ausgehend erarbeiten die Kinder
mit der Lehrkraft im Plenum oder
in Schriftgesprächen, in Kleingruppen
oder mit verschiedenen Partner:innen
weitere Verbindungsmöglichkeiten
(Bartnitzky 2011, 26ff.). Die Bewegungsgruppen
der Buchstaben, Verbindungsversuche
der Mitschüler:innen und auch
Erwachsenenschriften werden betrachtet
und in Schriftgesprächen reflektiert.
In Schriftübungseinheiten werden die
besprochenen Aspekte angewendet. Die
Betrachtung der Schriften anderer trägt
zur Weiterentwicklung der eigenen Schrift
bei. Die drei Kriterien als Leitlinie für die
persönliche Handschrift (siehe Kasten)
sind den Kindern bereits aus der Schuleingangsphase
bekannt.
Es bieten sich viele Möglichkeiten an,
in Reflexionsgesprächen Verbindungen
zu entdecken und für die eigene Schrift
zu nutzen:
● Bewegungsgruppen betrachten (Rückseiten
der Grundschriftkarteikarten) und
weitere Verbindungen finden: bspw. „du“
kann wie „au“ verbunden werden.
● Buchstaben mit Wendebögen betrachten:
Alle Buchstaben, die mit einem
Wendebogen auf der Grundlinie weitergeschrieben
werden, können gut verbunden
werden.
● Schreiben mit dem Reflexionsanlass:
„Achte darauf, mit Schwung zu schreiben.“
Im anschließenden Gespräch mit
einem Partnerkind können die Kinder
sehen, dass jede:r an unterschiedlichen
Stellen, die nicht zwangsläufig verbunden
sein müssen, mit Schwung schreibt.
Die Kinder können auch neue Verbindungsmöglichkeiten
entdecken sowie
ungünstige Verbindungen herausstellen.
Dabei ist eine Begleitung durch die
Lehrkraft, die Aspekte der Gespräche im
Plenumsgespräch aufgreift, wichtig. Hier
können auch häufig auftretende ungünstige
Verbindungen wie z. B. die Verbindung
zum kleinen s thematisiert werden.
● Stehen die Buchstaben im Wort eng
beieinander, wirkt die Schrift für die Leser:in
deutlich verbundener. Mit den Kindern
kann thematisiert werden, dass die
Wortlücken deutlich erkennbar und die
Abstände zwischen den Buchstaben im
Wort eher klein sein müssen. Dadurch
werden auch schwungvolle Verbindungen
von Buchstaben mit Wendebögen
leichter ermöglicht. (Abb. 2)
Weitere Reflexionsanlässe und ausführliche
Beispiele für Schriftgespräche
sind bei Kumschlies und Ruf in diesem
Heft beschrieben.
GS aktuell 169 • Februar 2025
19
Praxis: Schrift und Schreiben über die Fächer hinaus
Abb. 3: Üben mit Bewegungsgruppen
der Buchstaben, Klasse 2
Training des flüssigen und
geläufigen Schreibens
mit der Grundschrift
Bewegungsgruppen der Buchstaben
Durch die Einteilung der Buchstaben in
Bewegungsgruppen können Kinder nach
Beratung mit der Lehrkraft individuell
an den Bewegungsrichtungen arbeiten,
bei denen noch Übungsbedarf besteht.
Schreibt ein Kind das kleine a bspw. oben
offen, sodass es wie ein u aussieht, bietet
sich die Übung und Wiederholung aller
Linksovalbuchstaben (c, C, O, o, e, a, d,
G, g, Qu, qu) an. Das Üben ist so vielseitiger
und dennoch wird der gleiche
Fehlerschwerpunkt geübt. Außerdem
gelingen einige der Buchstaben einer
Bewegungsgruppe häufig schon.
Ein weiteres Beispiel: Haben Kinder
eine unklare Bewegungsrichtung bei der
Schreibung des kleinen d entwickelt und
der Buchstabe ist dadurch nicht formklar
geschrieben, kann die Bewegungsgruppe
bei der Übung helfen. Über die Thematisierung
der Bewegungsverwandtschaft
zum kleinen a, das oftmals richtig
geschrieben wird, kann die richtige
Schreibrichtung des d geübt, fokussiert
und in die eigene Alltagsschrift übernommen
werden. Auf den Rückseiten
der Buchstabenkarte ist die jeweilige Bewegungsgruppe
komplett abgedruckt.
Die Karten der Grundschriftkartei können
als Fördermaterial bis in Sekundarstufe
genutzt werden (Abb. 3).
Experimente und Reflexionen – bewusst
an der Handschriftentwicklung arbeiten
In Experimenten sollen die Kinder verschiedene
Schwerpunkte erproben und
reflektieren, die eine leserliche, formklare
und flüssige Handschrift ausmachen.
Zu den Experimenten gehört
auch immer die Reflexion des geübten
Schwerpunktes mithilfe der drei Kriterien,
damit die Kinder eine Einschätzung
erhalten, welche Variante
auch die Kriterien erfüllt.
● Schriften Erwachsener sammeln und
analysieren
Über die Betrachtung der Schriften
schreibgeübter Erwachsener können
Kinder Vorbilder für Varianten für ihre
eigene Handschrift finden, aber auch
herausfinden, was unleserlich ist und
anders geschrieben werden müsste. Zum
Beispiel, wenn Erwachsene das n wie ein
u schreiben.
● Schriftgröße ändern – besonders
groß oder klein schreiben
Kinder haben bei diesem Experiment die
Möglichkeit, mit ihrer eigenen Schriftgröße
zu spielen und auszuprobieren,
welche Größe für sie gut zu schreiben
und für andere gut leserlich ist.
● Schreibtempo variieren – unterschiedlich
schnell schreiben
Das Schreibtempo beeinflusst die Leserlichkeit
der Schrift. Ziel dieser Übung
ist es, so schnell und flüssig wie möglich
und dabei immer noch gut leserlich und
formklar zu schreiben.
● Schreibgeräte erproben – den richtigen
Stift für sich finden
Jedem Kind liegen Schreibgeräte unterschiedlich
in der Hand und es ist wichtig,
dass jedes Kind den für sich passenden
Stift findet. Das ist sicherlich in der
Grundschule oft der Bleistift, aber spätestens
beim Übergang in die weiterführende
Schule kommt der Aspekt der
Dokumentenechtheit hinzu und der Bleistift
wird nicht mehr als Schreibgerät
akzeptiert. Deshalb ist es Aufgabe der
Grundschule, gemeinsam mit den Kindern
verschiedene Stifte zu erproben.
Auch dicke Filzstifte gehören zu diesen
Erprobungen dazu und es wird reflektiert,
dass diese für große Schriftgrößen
bspw. auf Plakaten das richtige Schreibwerkzeug
sind. Das Tippen mit der Tastatur
zu reflektieren, kann im Rahmen dieser
Aufgabe auch angesprochen werden.
● Den eigenen Namen trainieren –
Unterschrift
Der eigene Name kann besonders motivierend
sein, um besonders schwungvoll
zu schreiben oder Buchstabenvarianten
auszuprobieren. Dabei kann thematisiert
werden, ob man mehrere Varianten
benötigt, den eigenen Namen zu schreiben:
besonders formklar und leserlich
beim Ausfüllen von Formularen
und besonders schwungvoll, sogar verschnörkelt
oder nicht leserlich bei der
eigenen Unterschrift. Wann muss ich
was anwenden?
Die Ideen der Experimente können als
Schreibübungen in den Unterricht integriert
und beispielsweise mit der Rechtschreibübung
„Satz des Tages“ kombiniert
werden. Zusammengefasst sind sie
im roten Kleeblattheft, in dem die individuelle
Bearbeitung durch die Kinder
möglich ist.
Abb. 4: Experiment Schreibtempo im roten Kleeblattheft
Trainingsangebote zum Schreibtempo
Im Abschnitt Training werden im roten
Kleeblattheft Wörter und kurze Texte
angeboten, die immer mit einer knappen
Zeitvorgabe schnell geschrieben werden
sollen. Dadurch soll das Schreibtempo bei
einer gleichzeitig leserlichen und formklaren
Schrift gesteigert werden. Die Texte
20
GS aktuell 169 • Februar 2025
Praxis: Schrift und Schreiben über die Fächer hinaus
sind auch geeignet, im eigenen Heft nochmals
geschrieben zu werden und dazu
einen der oben beschriebenen Experimentschwerpunkte
zu bearbeiten.
Die Experimente zum Schreibtempo,
zum Schreibgerät und zur Schriftgröße
sowie das Training zum Schreibtempo
können regelmäßig mit anderen Bereichen
des Deutschunterrichts kombiniert
werden, z. B. mit Lernwörterübungen,
Abschreibtexten oder Wortschatztrainings
zum Grundwortschatz (Abb. 4).
Gestalten mit Schrift
Zur Übung und Entwicklung der Handschrift
gehört auch der Aspekt Gestalten
mit Schrift. Schriftgestaltung ist die
ästhetische Bearbeitung mit oder von
Buchstaben und Handschrift, aber auch
die Ausarbeitung von Schriftdesign an
digitalen Geräten.
Beim Abschreiben von Gedichten,
bspw. in Bezug zu den Jahreszeiten, können
Abschreiben und Gestaltung des
Gedichts als Kombination von Ästhetik
und Formklarheit und Lesbarkeit reflektiert
werden. Aufgaben zum Gestalten
mit Schrift sind im zweiten Teil des roten
Kleeblattheftes zu finden. In der zweiten
Hälfte der Grundschulzeit kann ein
Unterrichtsthema zur Schrift angeboten
werden: „Schriften der Welt“ oder
„Schriften früher und heute“. In diesem
Bereich ist fächerübergreifendes Arbeiten
mit dem Kunstunterricht möglich.
Die Arbeit an der Schrift im dritten
und im vierten Schuljahr kann die Schule
in einem schulinternen Arbeitsplan
festhalten. Ein Beispiel für einen Arbeitsplan
ist zu finden auf der Homepage des
Grundschulverbandes unter dem Punkt
Grundschrift im Downloadbereich à
Zusatzmaterialien Grundschrift.
Weitere Informationen
finden Sie hier:
Kleeblattheft 4 Grundschrift:
Das rote Heft
zum Lernen und Üben
– Mit Schrift gestalten
Schulinterner
Arbeitsplan Schrift
Literatur und Links
Bartnitzky, H. (2011): Grundschrift: Konzept
und Begründungen. In: Bartnitzky, H.,
Hecker, U., Mahrhofer-Bernt, C. (Hrsg.):
Grundschrift. Damit Kinder besser schreiben
lernen. Frankfurt am Main. Grundschulverband,
12–30.
Linda Kindler
Schreiben lernen mit der Grundschrift
Mit Schwung durch den Anfangsunterricht
Wie kann das Buchstabenlernen mit der Grundschriftkartei im ersten Schuljahr
aussehen? Und wie gelingt die Erarbeitung der Buchstabenverbindungen im Anschluss?
Vor dem Hintergrund vieler Jahre
Erfahrungen mit der Grundschrift
gebe ich in diesem Artikel
Einblicke in meinen Unterricht,
zeige Abläufe auf, die sich bewährt
haben, und weise auf Stolpersteine hin.
Kennenlernen der Kartei 1
Ich starte mit der Einführung der
Grundschriftkartei in unserer ersten
Schreibstunde, meist in der zweiten
oder dritten Schulwoche. Wir versammeln
uns im Kreis, die Karteikarten
liegen auf dem Boden verteilt, manche
mit der Rückseite nach oben. Abhängig
von den Lernvoraussetzungen der Kinder
nehme ich die Groß- und Kleinbuchstaben
oder lasse die Kleinbuch-
Buchstaben der orangenen Gruppe mit
einer Zickzackbewegung geschrieben
wurden, räumen wir auch diese Karten
ein. Die Kinder versehen die Karteikästen
mit den entsprechenden Übersichten
der Buchstaben. So wissen sie immer, in
welchem Kasten sie einen Buchstaben
finden. Wir besprechen noch den Platz
im Deutschregal für die Grundschriftstaben
in dieser Stunde noch weg. Die
Kinder erzählen, welche Buchstaben sie
schon kennen, finden die Anfangsbuchstaben
ihrer Namen, wir sprechen und
lachen über einige Grafiken und probieren
die dargestellten Bewegungen aus.
Schließlich frage ich nach: Wie können
wir die Karteikarten sortieren, damit
du schnell den Buchstaben findest, den
du schreiben möchtest? Schnell kommen
die Kinder auf die Idee, nach Farben
zu sortieren, und wir stecken jede
Gruppe in einen Karteikasten. Die Karten
der orangefarbenen Gruppe lege ich
noch einmal in die Kreismitte, denn ich
möchte nachhaken: Warum gehören
denn diese Buchstaben zu einer Gruppe?
Was haben sie gemeinsam? Nachdem die
Kinder herausgefunden haben, dass alle
Linda Kindler
ist Sprecherin der Projektgruppe
Grundschrift im GSV und Grundschullehrerin
in Köln.
GS aktuell 169 • Februar 2025
21
Praxis: Schrift und Schreiben über die Fächer hinaus
Die Karteikarten liegen in der Mitte des
Sitzkreises und regen die Kinder zu Gesprächen
und Bewegungen an
kartei: unter dem Plakat „So übe ich die
Grundschrift“. In der zweiten Schreibstunde
bespreche ich mit den Kindern
anhand dessen die einzelnen Arbeitsschritte.
Somit haben wir den Leitfaden
für unsere Schreibstunden. Als Einstiege,
die die Kinder auf das Schreiben einstimmen
und gleichzeitig die Schreibmotorik
fördern und helfen, die Bewegungsabläufe
der Buchstaben zu verinnerlichen,
nutze ich:
● einem Partner auf den Rücken malen
(Buchstabengrundformen, dazu passende
Bilder, ganze Buchstaben)
● Schreiben (Buchstabengrundformen,
Buchstaben) oder Schwungübungen zu
leiser Musik
● Bewegungen einer Bewegungsgruppe
gemeinsam ausprobieren
● Bewegungsabläufe großräumig trainieren
(in der Luft mit dem Schreibarm,
an der Tafel, auf großem Papier)
● Bewegungsabläufe auf „Klebebandstraßen“
nachfahren (mit dem Finger,
einer Figur, einem Auto)
Schreiben mit der Kartei 1
Die Kinder wählen einen Buchstaben
aus, den sie üben möchten. Nach einiger
Zeit reflektiere ich mit den Kindern
deren Auswahl und berate sie
gegebenenfalls, z. B. mit einfachen
Bewegungsgruppen zu starten oder ähnliche
Buchstaben nacheinander
zu üben. Zu Anfang halte ich
mich bewusst beobachtend
zurück, denn mich haben
viele Kinder schon oft
dahingehend überrascht,
wie viel Sinn
ihre Auswahl der
Buchstaben ergibt.
Bevor die Kinder
den gewählten Buchstaben
in ihr Heft
schreiben, fahren sie
diesen mit dem Zeigefinger
fünfmal auf der
Karte nach, anschließend
fünfmal auf dem Tisch. Dabei
ist es mir sehr wichtig, dass
sich die Kinder an die vorgegebene
Bewegungsrichtung halten. Erst
dann kommt der Stift zum Einsatz. Die
Wörter auf den Karteikarten dienen der
Differenzierung und dürfen ebenfalls
geschrieben werden. Nach dem Schreibenüben
gehen die Kinder miteinander
ins Gespräch: „Welche sind die schönsten
Buchstaben? Bitte kreise sie ein.“
Anfangs hilft es, die Karteikarte zum
Vergleich neben das Heft zu legen, um
Rückmeldungen zur Formklarheit zu ermöglichen.
Nun wählen die Kinder den
nächsten Buchstaben zum Schreiben aus.
Wann haben die Kinder einen
Buchstaben „genug“ geübt?
Im Austausch mit anderen Lehrkräften
habe ich schon häufiger gehört, dass
diese den Kindern vorgeben, wie häufig
der Buchstabe geübt werden muss: eine
Seite voll, zehnmal … Ich verzichte auf
diese Vorgabe ganz bewusst, weil der
Übungsbedarf so unterschiedlich ist,
das Ziel gleichzeitig so klar: Der Buchstabe
muss formklar sein, das A beispielsweise
muss aussehen wie ein A.
Ich und andere müssen es gut erkennen
können. Auf diese Weise ermögliche ich
den Kindern, nach individuellem Bedarf
zu üben, und suggeriere nicht, dass alle
Kinder nach einer gewissen Anzahl
geschriebener Buchstaben „fertig“ sind.
Üben alle Kinder von Beginn an
Groß- und Kleinbuchstaben?
Da die Kinder wie in allen Bereichen
mit sehr unterschiedlichen Lernvoraussetzungen
im Schreiben in die Schule
kommen, rate ich einzelnen Kindern,
zunächst nur bei den Großbuchstaben
zu bleiben. Ich lasse ihnen allerdings
immer gern die Chance, selbst auf
diese Idee zu kommen. Manche Kinder
sind zu Schulbeginn mit dem Schreiben
eines ganzen Buchstabens noch überfordert.
Sie lasse ich zunächst die Buchstabengrundformen
mithilfe der Kartei
„Schreibmotorik fördern“ üben. Der
große Vorteil der Bewegungsübungen
dieser Kartei im Unterschied zu vielen
Schwungübungen in Heften oder
auf Kopiervorlagen ist, dass die Kinder
nicht seitenweise Wellen, Zickzack o. Ä.
im Kontext von Bildern üben, sondern
die geübte Bewegung ganz gezielt auf
das Schreiben einer Gruppe von Buchstaben
vorbereitet. Alle Kinder arbeiten
also am Schreiben der Buchstaben mithilfe
einer Kartei.
Wer schreibt in welches Heft?
Ich lasse die Kinder zunächst so lange in
Blankohefte schreiben, wie sie viel Platz
für flüssige Schreibbewegungen brauchen,
und lege den Schwerpunkt auf das
Schreiben mit Schwung. Denn Schreiben
ist Bewegung, und neue Bewegungen
brauchen Platz. Wenn die Kinder die
Buchstabenbewegungen automatisiert
haben, können sie ihre Aufmerksamkeit
leicht auf Proportionen richten und ihre
Schriftgröße wird sich mit zunehmender
Schreibübung verkleinern. Also erhalten
die Kinder das Häuschenheft, um die Proportionen
der Buchstaben unterscheiden
zu lernen, im zweiten Schritt. Auf die klassische
Lineatur für das erste Schuljahr
verzichte ich weitgehend. Erwiesenermaßen
erhöhen wir beim Schreiben in
Begrenzungslineaturen unseren Schreibdruck
und verlangsamen dabei unser
Schreibtempo. Nicht selten sind insbesondere
schreibungeübte Kinder durch
zu frühes Schreiben in Begrenzungslineaturen
sehr schnell frustriert und
wenig motiviert, zu schreiben. Für mich
ist es selbstverständlich, dass in meinen
Klassen Kinder in unterschiedliche Hefte
schreiben. Ich halte diese Art der Differenzierung
bei aller Unterschiedlichkeit der
Schreibentwicklungen und Schriftgrößen
für unumgänglich. Damit löst sich der
Unterricht von der Zuweisung der klassischen
Lineaturen für die Klassen 1 bis 4,
denn hier hält sich etwas sehr hartnäckig,
was „einfach schon immer so war“.
22
GS aktuell 169 • Februar 2025
Praxis: Schrift und Schreiben über die Fächer hinaus
Sprechen über Schrift
und Schreiben – ohne
Reflexionen funktioniert das
Grundschriftkonzept nicht
Die Reflexionen zu Beginn der Arbeit
mit der Grundschriftkartei sind in der
Regel gemeinsame Kreisgespräche am
Ende der Schreibstunde. Manchmal
gelingen mir auch schon kurze Schriftgespräche
mit einzelnen Kindern während
der Schreibphase. In den gemeinsamen
Reflexionen präsentieren Kinder ihre
geübten Buchstaben. Dabei ist das genaue
Zuschauen, während ein Kind schreibt,
ganz besonders wichtig, um den Schwung
zu beobachten. Jeder Buchstabe wird
gelobt und die Kinder geben freundliches
Feedback zum Weiterlernen. Hilfreiche
Fragen können sein: Welchen Buchstaben
hat … geschrieben? Kannst du den Buchstaben
gut erkennen? Hat … den Buchstaben
mit Schwung geschrieben? Woran
hast du das gesehen? Welchen Buchstaben
könnte … als Nächstes üben?
Häufige Tipps sind:
– Schreibe den Buchstaben/den Strich
von oben nach unten.
– Schreibe den Buchstaben/den Strich
von links nach rechts.
– Drücke etwas weniger mit dem
Stift auf.
– Schreibe mit etwas mehr Schwung.
Die Kinder, die an der Kartei Schreibmotorik
fördern arbeiten, lassen sich
ohne Komplikationen in die Reflexionen
integrieren, denn sie haben ja die
einzelnen Bestandteile der Buchstaben
geübt und können diese ganz gezielt
präsentieren, z. B. den Abstrich von
oben nach unten.
Ist die Zeit am Ende der Stunde doch
einmal zu knapp für eine ausführliche
Reflexion, bietet es sich an, Fotos von
den Heften der Kinder zu machen und
diese per Beamer oder Smartboard zu
präsentieren, um die Schreibarbeit der
Kinder zu würdigen.
Ich versuche, das gesamte erste Schuljahr
über eine feste Schreibstunde im
Stundenplan zu installieren. Zusätzlich
ist die Arbeit an der Grundschriftkartei
eine Aufgabe des Buchstabenplans.
Wie geht es nach den Buchstaben
weiter? Die Kartei 2
Die Grundschriftkartei 2 knüpft an das
Schreiben der einzelnen Buchstaben
Vor- und Rückansicht der Karteikarten,
Häuschenheft und Übungsanleitung
an und bietet eine übersichtliche
Anzahl häufig vorkommender
Buchstabenverbindungen und
–varianten an. Wichtig ist, gut zu
beobachten, wann die Kinder bereit für
den nächsten Schritt sind. Hier helfen
die drei Kriterien für die Handschrift:
Formklarheit, Lesbarkeit und Flüssigkeit
– und etwas Gelassenheit in Bezug
auf den Zeitpunkt. Erfahrungsgemäß
schadet es der Handschriftentwicklung
nicht, wenn Kinder ein paar Wochen
länger flüssig ohne Verbindungen auf
dem Papier schreiben. Versuchen sich
Kinder hingegen zu früh mit dem Verbinden
von Buchstaben, kommen Buchstabenverbindungen
auf Umwegen
zustande oder Verformungen der Buchstaben.
Es empfiehlt sich daher, die Kinder
individuell oder in kleinen Gruppen
mit der Kartei 2 starten zu lassen. Wenn
das Schreiben mit der Kartei 1 gut etabliert
ist, lässt sich der Ablauf leicht auf
Kartei 2 übertragen – mit einigen wichtigen
Anmerkungen. Im Unterschied zu
Kartei 1 leite ich die Kinder bei den Verbindungen
so an, dass sie sich für jede
einzelne Teilaufgabe viel Zeit nehmen
und nicht versuchen, eine Karteikarte in
einer Schreibstunde „zu erledigen“. Nur
so steht das Schreiben mit Schwung weiter
an erster Stelle.
● Ausgiebiges Ausprobieren und
Schreiben der Verbindungen: mit dem
Finger auf der Kartei/dem Tisch, auf
großem Papier mit verschiedenen Stiften,
an der Tafel/dem Whiteboard, Verbindungen
ins Schreibheft schreiben
und wie gewohnt reflektieren
● erst wenn die Verbindung flüssig gelingt,
die Wörter von der Karteikarte
üben
● weiter auf Wortebene üben: Wörter
und Namen finden und schreiben
● wenn das Schreiben einzelner Wörter
gelingt, einfache Sätze schreiben üben
● Übungstext von der Karteikarte
schreiben
Wie gehen die Verbindungen in
die Handschrift der Kinder über?
Bis Kinder eine Buchstabenverbindung
auch im alltäglichen Schreiben selbstverständlich
verwenden, kann es eine
ganze Weile dauern und viel Schreibtraining
eforderlich sein. Wichtig sind
hier zum einen möglichst viele Schreibgelegenheiten,
bei denen auch außerhalb
der Schreibstunde geübt werden
kann, wie das Schreiben von Lernwörtern,
Übungstexten etc. Zum anderen
hilft es, immer wieder kurze Reflexionen
einzubauen, um auf mögliche
Verbindungen hinzuweisen, wie z. B. ein
kurzer Kommentar zu meinem eigenen
Tafelanschrieb: „Schaut mal, ich verbinde
ch, wenn ich ‚Englisch‘ schreibe.
Wie machst du das?“ Diese kleinen
und natürlich auch die ausführlichen
Gespräche über Schrift und Schreiben
sind ein wesentlicher Baustein des
Grundschriftkonzepts (vgl. Ruf in diesem
Heft).
GS aktuell 169 • Februar 2025
23
Praxis: Schrift und Schreiben über die Fächer hinaus
Johannes Wolz
Schreiben erleben: vom ersten Wort
zum Schreibzeit-Tag
Schreiben gehört zu den Schlüsselkompetenzen, die Kinder während der Grundschulzeit
entwickeln. Es ist weit mehr als das Beherrschen von Buchstaben und
Rechtschreibung: Schreiben eröffnet einen kreativen Raum, in dem Gedanken,
Ideen und Erlebnisse festgehalten und weiterentwickelt werden können. Um
diesen Raum optimal zu nutzen, sind klare Strukturen und inspirierende Methoden
essenziell, die Schüler:innen gezielt unterstützen und motivieren.
Unser „Milobuch“ bildet in meinem
Unterricht den Ausgangspunkt
für eine Schreibzeit nach
Beate Leßmann, die jedem Raum bietet,
entsprechend der eigenen Fähigkeiten
und Interessen zu schreiben. Am Tag
der Einschulung erhalten alle Erstklässler*innen
ihr persönliches Exemplar,
in das ich vorab einen kurzen
Begrüßungstext eingeklebt habe.
Gemeinsam schreiben wir dann das
erste Wort: SCHULE. Dieses Ritual
markiert den Beginn einer Reise, die
zum Ende der Grundschulzeit in einem
besonderen Schreibzeit-Tag ihren
Höhepunkt findet.
Schreiben von Anfang an
Mit dem „Milobuch“ erleben bereits
die Jüngsten am ersten Schultag, dass
Schreiben etwas Persönliches und Wertvolles
ist. Dieses Schreibbuch begleitet
die Lernenden über mehrere Schuljahre
hinweg und dokumentiert ihre
individuellen Fortschritte. Ich nutze
dafür robuste Notizbücher im Format
A4 mit Blankoseiten, die ausreichend
Platz für Texte und Zeichnungen
bieten. Die unlinierte Struktur
eröffnet Möglichkeiten für individuelle
Gestaltungen, da weiße Seiten auch
für Textsorten wie Comics oder Bildergeschichten
geeignet sind. In den ersten
Schreibzeiten notieren die Kinder
bekannte Buchstaben, Wörter und – je
nach Ausgangslage – vielleicht sogar
schon Sätze. Ergänzend runden sie ihre
Texte durch Zeichnungen oder kleine
Illustrationen ab. Manche entdecken
auch über das Malen den Zugang zum
Schreiben. Bereits zu Beginn unterstützt
die Grundschrift diesen Prozess:
Die Buchstaben werden durch
Bewegungsgruppen eingeführt, die eine
klare, flüssige und lesbare Schrift fördern.
Ab der zweiten Schulwoche steht
eine individuell angepasste Schreibtabelle
zur Verfügung, die auf der Lauttabelle
von Katja Siekmann (unter katjasiekmann.de,
Abruf am 05.11.2024)
basiert. Begriffe wie m in Milo, e in Ole
oder g in Gerda (die Klassentiere unserer
drei ersten Klassen) erleichtern das
Finden der Laute und stärken die Verbindung
zur Lebenswelt der Schüler:innen.
Ein weiteres Element im Anfangsunterricht
ist das „Schreiblabor“, in
dem verschiedene Schreibwerkzeuge
(Stifte, Lineaturen, Grundschriftkartei
zum Lernen und Üben – Teil 1, Schreibunterlagen
…) frei ausprobiert werden
können. So entdecken die Kinder spielerisch
ihre Vorlieben und lernen, bewusst
mit Materialien umzugehen. Ein Beispiel
aus dem Unterricht zeigt, wie solche
Erfahrungen Lernprozesse fördern:
Ein Schüler begann, mit einem Textmarker
zu schreiben, war jedoch überrascht,
dass dieser so „grob schreibt“.
Gemeinsam besprachen wir die Funktion
eines Textmarkers und testeten ihn
an verschiedenen Beispielen. Seitdem
markieren viele begeistert ihre „Lieblingswörter“
– ein kreativer Zugang, der
das Bewusstsein für den funktionalen
Einsatz von Schreibmaterialien stärkt.
Lieblingsritual Schreibzeit
Als fester Bestandteil des Stundenplans
schafft die Schreibzeit nach Beate Leßmann
regelmäßig Raum, Gedanken
kreativ umzusetzen und Schreibkompetenzen
zu erweitern. Sie findet
bei uns beispielsweise jeden Freitag in
der dritten Stunde statt. Dieses wöchentliche
Ritual ermöglicht es, vielfältige
Johannes Wolz
ist stellv. Schulleiter in Rheinland-Pfalz
und Vorstandsmitglied der Landesgruppe
des Grundschulverbands. Seit
2021 führt er den Blog „Milos Welt“ mit
Einblicken in die eigene Unterrichtspraxis
und selbst gestalteten Materialien.
Textarten zu entwickeln – ob Geschichten,
Tagebucheinträge, Wunschzettel,
Comics, Wortlisten oder kurze Notizen.
Die Schüler:innen entdecken dabei, wie
unterschiedlich Schriftstücke gestaltet
sind, und lernen, Ideen, Erlebnisse und
Stimmungen schriftlich auszudrücken.
Während der Schreibzeiten bin ich als
Lehrkraft äußerst präsent: Ich beobachte
genau, unterstütze bei Unsicherheiten,
gebe Rückmeldungen und Tipps oder
schreibe Wörter vor, wenn gewünscht.
Diese individuelle Begleitung stärkt
nicht nur die Schreibfertigkeiten, sondern
auch das Selbstvertrauen der Kinder
und macht sie offen für neue Lernprozesse.
Thematisch passende Impulse
wie „Wer ist im Ei?“, „Mein Zoo“ oder
„Hilfe, Ungeheuer!“ regen die Fantasie
an und bieten bei Bedarf einen
sicheren Einstieg. Ab einem späteren
Zeitpunkt, etwa im zweiten Lernjahr,
wird die Schreibzeit durch weitere systematische
Elemente bereichert, die
den Schreibprozess gezielt strukturieren.
So vertiefen die Lernenden ihre
Kenntnisse der Grundschrift, indem
sie Buchstabenverbindungen üben und
ihre Handschrift in Schriftgesprächen
reflektieren. Das Beachten der Kriterien
formklar, flüssig und lesbar dient nicht
nur als Orientierung, sondern auch als
Leitfaden, um die Entwicklung eines
24
GS aktuell 169 • Februar 2025
Praxis: Schrift und Schreiben über die Fächer hinaus
sicheren, individuellen Schriftbildes zu
gewährleisten. Ein wichtiger Bestandteil
ist außerdem der „Satz des Tages“,
der zeigt, wie Kreativität und systematische
Schreibförderung ineinandergreifen.
Dabei gehen wir in folgenden
fünf Schritten vor:
1. Stolperstellen erkennen und markieren
2. Strategien finden und anwenden
3. Wortartensymbole (nach M. Montessori)
zuordnen
4. Passende Verbindungen gemäß
Grundschrift ausprobieren
5. Umstellen
Diese strukturierte Arbeit ergänzt die
kreativen Phasen ideal und unterstützt
kontinuierlich die Entwicklung wesentlicher
Schreibkompetenzen. Zeitgleich
bieten sich zahlreiche Gelegenheiten,
die Vielseitigkeit und die Individualität
von Texten zu erkunden. Der Prozess
wird besonders in Zweier- oder Dreierteams
lebendig, die sich gegenseitig
inspirieren. Ob allein oder gemeinsam –
die Schreibzeit lädt dazu ein, Selbstwirksamkeit
sowie Freude am Gestalten
von Texten zu erleben. Ergänzend zur
Schreibzeit bietet eine tägliche Lesezeit,
das sogenannte „Leseband“, vielfältige
Impulse für die Lernenden, neue
Ausdrucksformen auszuprobieren.
Vorleserunden mit Büchern wie Eine
Woche voller Samstage (Paul Maar) oder
Buchstabendschungel (Ursula Poznanski)
schaffen eine inspirierende Atmosphäre.
Auch Comics oder textlose
Bilderbücher aus der Klassenbibliothek
erweitern Wissen über Textsorten und
zeigen anschaulich, wie abwechslungsreich
Texte gestaltet sein können. Mit
der Zeit wächst das Verständnis für
Strukturen und Schreibarten nahezu
unbemerkt und birgt somit neue
Anregung, um eigene Schreibideen zu
entwickeln. Gemeinsame Lesestunden
mit der Patenklasse bieten zusätzliche
Chancen für den Austausch und stärken
die Motivation (Abb. 1).
Die Autorenrunde:
Reflexion und Inspiration
Ein zentraler Bestandteil der Schreibzeit
ist die Autorenrunde, die in Klasse
2 oder im späteren Verlauf des ersten
Schuljahres eingeführt wird. Sie bildet
deren Auftakt und schafft eine Atmosphäre
der Konzentration und Wertschätzung.
Jede Autorenrunde folgt
einem festen Fahrplan, der von Beate
Leßmann entwickelt wurde: Das gefällt
mir an dem Text, Schreibgeheimnisse,
Textsorte, Gedanken und Tipps. Dieses
strukturierte Vorgehen hilft den
Kindern, sich gezielt mit den Texten
ihrer Mitschüler:innen auseinanderzusetzen
und die eigene Kreativität zu
wecken. Geäußerte Ideen zu Schreibgeheimnissen
und Textsorten werden
auf bunten Karten notiert und im
Klassenzimmer aufgehängt. Als wertvolle
Impulse können sie von allen Kindern
genutzt werden und den kollektiven
Austausch fördern. Die Autorenrunde
bietet darüber hinaus Impulse
für die Weiterarbeit in der Schreibzeit:
Die Kinder entwickeln Texte weiter,
überarbeiten sie oder probieren neue
Textsorten aus. Partner- und Gruppenarbeiten
unterstützen diesen Prozess
und fördern zugleich die soziale Kompetenz.
Die fertigen Werke werden
anschließend in der Klasse präsentiert,
in einem Klassenbuch gesammelt oder
in der Schulzeitung veröffentlicht. Diese
Wertschätzung fördert nicht nur die
Identifikation mit den eigenen Texten,
sondern auch die Freude am Schreiben
nachhaltig.
Kreativität entfalten,
Selbstwirksamkeit erleben
Abb. 1: „Milobuch“ und
Ergebnisse einer Autorenrunde
Meine letzte vierte Klasse erfüllte sich
den Wunsch nach einem ganzen Tag
Schreibzeit. Dieser besondere Tag, im
Klassenrat eigenständig geplant, zeigte
eindrucksvoll, wie kreativ und eigenverantwortlich
Viertklässler:innen
arbeiten können, wenn sie den Raum
dafür erhalten. Sie brachten Federkiele,
Schreibfedern, Schreibmaschinen und
andere Materialien mit. Verschiedene
Angebote wie das Schreiben ägyptischer
Hieroglyphen mit Schablonen,
das Ausprobieren der Sütterlinschrift,
das Erlernen von Kalligrafie
oder erste Schritte in Latein sorgten
für eine abwechslungsreiche und produktive
Arbeitsatmosphäre. Auch bei
solch besonderen Projekten blieben die
Schreibbücher zentrale Begleiter. Sie
dokumentieren nicht nur kreative Ideen
und individuelle Fortschritte, sondern
dienen auch als wertvolles Werkzeug für
das weitere Lernen. In den Texten spiegeln
sich authentische Rechtschreibleistungen
wider, die gezielt weiterentwickelt
werden können.
Darüber hinaus bieten die „Milobücher“
nicht nur den Lernenden selbst
Einblick in ihre Entwicklung, sondern
sind auch für Eltern eine wertvolle
Grundlage. In Elterngesprächen ermöglichen
sie es, persönliche Entwicklungen
sichtbar zu machen und konkrete Lernschritte
nachvollziehbar darzustellen.
Die Schreibzeit ist weit mehr als ein
Unterrichtsformat – sie begleitet die
Schüler:innen über Jahre hinweg auf
ihrem individuellen Lernweg. Im Zusammenspiel
von klaren Strukturen, kreativen
Impulsen und dem gezielten Einsatz
der Grundschrift entwickeln sich Kompetenzen,
die weit über die Grundschulzeit
hinauswirken. Die Lernenden erweitern
ihren Horizont, indem sie neue Schreibstile
und Ausdrucksformen erkunden,
Gedanken klar formulieren, Texte überarbeiten,
Ideen verschriften – und auch
verwerfen –, ihre Handschrift verfeinern
und eigene Perspektiven durch die Auseinandersetzung
mit anderen Texten ergänzen
bzw. erneuern. Dabei erkennen
sie, dass Schreiben nicht nur ein kreatives
Werkzeug ist, um die eigene Welt zu
gestalten und mit anderen zu teilen, sondern
auch eine Möglichkeit, bleibende
Spuren zu hinterlassen.
GS aktuell 169 • Februar 2025
25
Praxis: Schrift und Schreiben über die Fächer hinaus
Marion Gutzmann
Ressource Schriftvielfalt für die
Entwicklung der (persönlichen)
Handschrift
Längst halten in den Klassenzimmern nicht nur die Herkunftssprachen der Kinder
Einzug. Auch die Vielfalt der Schriften und Handschriften stellt eine der
Ressourcen dar, die u. a. für Schriftgespräche bewusst genutzt werden können.
Inspiriert durch den Materialbeitrag „Nachdenken über Handschriften“ von
Beate Leßmann in Grundschulunterricht Deutsch 1/2019 werden im Beitrag
Anregungen zu Schriftgesprächen vorgestellt, die u. a. dazu beitragen, „Handschriften
bewusster als kulturelles Werkzeug und Ausdruck sprachlicher Vielfalt
wahrzunehmen“ (Leßmann 2019, 37).
Der dreieinhalbjährige Emil deutete
beim gemeinsamen Bilderbuchbetrachten
mit seiner
Großmutter auf ein besonders hervorgehobenes
E von „Es war …“ und sagte:
„Mit diesem Geschreibe bin ich
geboren!“ Wie Emil interessieren sich
viele Kinder meist schon recht früh für
Schrift und entdecken in ihrer Umwelt
Spuren von Schrift, die für sie bald auch
eine Bedeutung tragen. Schriftspuren,
Schreibproben und Handschriften zu
sammeln, gehört seit Langem zur
Gestaltung eines reflexiv angelegten
Schreib- und Handschreibunterrichts
und trägt dazu bei, im Rahmen des
Schriftspracherwerbs die Bedeutung
von Schrift und die Kulturtechnik des
Schreibens zu erfahren. Ein Blick auf die
Schriften aller Kinder und ihrer Familien
lohnt sich und lädt dazu ein,
Schriftbilder als Merkmale unterschiedlicher
Kulturen wertzuschätzen. Anhand
von Schreibproben können sich die Kinder
mit den verschiedenen Schriften
auseinandersetzen und Schreibkriterien
wie Lesbarkeit, Geläufigkeit bzw.
Schreibtempo und Formklarheit thematisieren.
Vielfalt der sprachlichen
Voraussetzungen beachten
„Mehrsprachigkeit gilt prinzipiell als
Ressource und als konstitutive Dimension
der Ausrichtung des Unterrichts:
Sie ist die Grundlage für die sprachlichen
Aneignungs- und Lernprozesse
im Deutschen“ (Trägerkonsortium
BiSS-Transfer 2021, 8). Auch beim
Schriftspracherwerb und dem Erwerb
der Druckbuchstaben sowie einer verbundenen
Schrift als Übergangsschrift
zur persönlichen Handschrift sind die
unterschiedlichen Voraussetzungen der
Kinder aufzugreifen und zu beachten. So
macht es einen Unterschied, ob ein Kind
bisher noch in keiner Sprache alphabetisiert
worden ist. Hier ist eine generelle
Einführung in das Schriftsystem
und in die Bedeutung bzw. Funktion
von Schrift bedeutsam. Kinder, die in
kyrillischer Schrift alphabetisiert worden
sind (z. B. Russisch, Serbisch), lernen
das lateinische Alphabet mit der
für das Deutsche üblichen Phonem-
Graphem-Korrespondenz kennen und
Den Handschriften
der Kinder in
Schriftgesprächen
Wertschätzung
schenken
können ihre Schrifterfahrungen z. B.
im geläufigen und verbundenen Schreiben
gut einbringen. Wer in arabischer
Schrift, einer Konsonantenschrift, alphabetisiert
worden ist (z. B. Arabischsprecher:innen
aus dem Irak, aus Syrien oder
Afghanistan), lernen nun eine Buchstabenschrift
kennen, in der auch Vokale
notiert werden müssen. Für sie ist auch
Marion Gutzmann ist Vorsitzende des
Grundschulverbandes, Vorstandsmitglied
der Landesgruppe Brandenburg
und Rektorin i. R., und Mitglied des
Redaktionsteams Grundschule aktuell
die Gewöhnung an eine andere Schreibrichtung,
an Groß- und Kleinbuchstaben,
Druck- und Schreibschrift eine
besondere Herausforderung. Kinder,
die in einer Zeichen- oder Wortschrift
alphabetisiert sind (z. B. Chinesisch),
benötigen Unterstützung beim Kennenlernen
der generellen Funktionsweise
einer Buchstabenschrift mit einer spezifischen
Graphem-Phonem-Korrespondenz.
Vielfalt der Schriften als
sprachliche Bildungsressource
Die Anknüpfung an Herkunftssprachen
und damit auch an die Schriften der
Kinder wird so sichtbar und hörbar zum
Gegenstand des Sprach- und Schreibunterrichtes
und stellt eine besondere
sprachliche Bildungsressource dar. In
den KMK-Bildungsstandards wird
diese Ressource hervorgehoben, bezieht
jedoch die Schrift nicht explizit ein:
„Die Berücksichtigung von Herkunftssprachen,
Regionalsprachen und Dialekten,
auch der Deutschen Gebärdensprache
regt zum Nachdenken über
Sprache und Sprachen an und fördert
so die metasprachlichen Fähigkeiten
sowie die Sprachbewusstheit“
(KMK 2022, 20). Schrift in allen Hoch-
26
GS aktuell 169 • Februar 2025
Praxis: Schrift und Schreiben über die Fächer hinaus
Abb. 1: Schriftprobe in zwei Sprachen: arabisch, deutsch (© Beate Leßmann 2019)
Wie im Themen- und Praxisteil dieser
Zeitschrift mehrmals betont wird, stellen
die Schriftgespräche ein Herzstück
des Grundschriftkonzeptes dar, sind
aber auch auf andere empfohlene Schriften
übertragbar. Sowohl zu Beginn des
Handschreibens als auch beim Übergang
zur Entwicklung einer persönlichen
Handschrift richten die Schriftgespräche
sowohl den Blick auf den
Anspruch der Klarheit der Form und
damit einer besseren Lesbarkeit als auch
auf die Flüssigkeit der Bewegung.
Anhand der Schriftproben, die die
Kinder selbst geschrieben haben bzw. die
im familiären und kulturellen Umfeld
oder in der schulischen Gemeinschaft
von anderen Kindern und von Erwachsenen
gesammelt wurden oder von Personen,
die in zwei oder mehreren Sprachen
sprechen und schreiben können,
werden die Kinder nicht nur zum Nachdenken
angeregt, sondern auch zum
Ausprobieren und In-Beziehung-Setzen
persönlicher Schriftproben und Schriften
anderer.
Angelehnt an den Materialbeitrag von
Beate Leßmann können für Schriftgespräche
anhand der Untersuchung von
Schriftproben folgende Impulse gesetzt
werden:
Eine Handschrift soll gut lesbar sein.
● Welche Schrift ist gut lesbar?
● Welche Schrift kannst du nicht so gut
lesen? Warum?
● An welchen Stellen hattest du beim
Lesen Mühe?
Abb. 2: Schriftprobe in zwei Sprachen: slowakisch, deutsch (© Beate Leßmann 2019)
Eine Handschrift soll schön sein und
kann auch etwas Besonderes haben.
● Welche Schrift ist besonders schön
geschrieben? Was gefällt dir besonders
an dieser Schrift?
● Spure zwei der Schriftproben mit
dem Bleistift nach. Was fällt dir beim
Nachspuren auf?
kulturen ermöglicht seit jeher eine
unveränderte Weitergabe von Informationen
über große Entfernungen, an
spätere Generationen und über Landes-
und Kulturgrenzen hinweg. Der
Standard „Die Schülerinnen und Schüler
untersuchen an ausgewählten Beispielen
Gemeinsamkeiten und Unterschiede
verschiedener Sprachen“ (KMK
2022, 20) bietet, auch übertragen auf
die verschiedenen Schriften, in der die
Kinder alphabetisiert worden sind,
Möglichkeiten des Vergleichs (vgl.
Abbildung 1 und 2).
Auf phonologischer Ebene können die
Kinder die Aussprache der Wörter bzw.
einzelner Laute vergleichen (Wie klingt
bzw. spricht/liest man das Wort Slowakei,
wie klingt bzw. spricht/liest man das
Wort Slovenska?). Auf graphischer bzw.
auf graphemischer Ebene können Buchstabenformen
oder die Schreibrichtung
verglichen werden (Welche Buchstaben
ähneln sich? Welche Buchstaben
gibt es in anderen Schriften auch?
Gibt es Druck- und Schreibbuchstaben?
In welche Richtung wurde der Satz geschrieben?).
Auf syntaktischer und semantischer
Ebene können die Kinder
Satzstrukturen untersuchen (Wie viele
Wörter gehören zu einem Satz? Gibt
es Artikel? Werden Personalpronomen
genutzt? Wie wird das Wort / die Wortgruppe
in der anderen Sprache benannt?).
Generell können in Bezug auf
die verschiedenen Schriften und Herkunftssprachen
der Kinder auch beim
Betrachten von zwei- oder mehrsprachigen
Kinderbüchern Vergleiche zur
typografischen Gestaltung unternommen
werden: Sind die Texte z. B. in einer
besonderen Schriftart, Schriftanordnung
oder Schriftgröße verfasst? Gibt es einen
Schriftartenwechsel? Welche Gemeinsamkeiten
gibt es zwischen den verschiedenen
Schriften?
In Schriftgesprächen
Wertschätzung erfahren
Eine Handschrift soll schnelles Schreiben
ermöglichen.
● Welche Schrift ist wahrscheinlich
schnell geschrieben?
● Welche Buchstaben wurden auf dem
Papier verbunden, welche nicht?
● Welchen Tipp hast du für andere, um
schneller schreiben zu können?
Eine Handschrift kann ein Modell für
ein gutes / dein eigenes Schriftbild sein.
● Was möchtest du für deine Handschrift
übernehmen? Warum?
● Worüber möchtest du dich mit anderen
austauschen?
All diese Anregungen können sowohl
der Entwicklung der persönlichen Handschrift
einen reflexiven Rahmen geben
als auch der Mehrsprachigkeit der Kinder
und ihren Schriften eine besondere
Aufmerksamkeit und einmalige Wertschätzung
bieten.
Literatur:
Beate Leßmann (2019): Nachdenken über
Handschriften. In: Grundschulunterricht
Deutsch 1/2019, 37–45
KMK (2022): Bildungsstandards für das
Fach Deutsch. Primarbereich.
2022_06_23-Bista-Primarbereich-Deutsch.pdf
Trägerkonsortium BiSS-Transfer (Hrsg.)
(2021). Deutsch als Zweitsprache im Kontext
von Mehrsprachigkeit – Gemeinsame
Leitlinien für curriculare Grundlagen.
Sprachliche Bildung für neu zugewanderte
Kinder und Jugendliche in Kitas und
Schulen. Köln: Mercator-Institut für Sprachförderung
und Deutsch als Zweitsprache.
Deutsch als Zweitsprache im Kontext von
Mehrsprachigkeit
GS aktuell 169 • Februar 2025
27
Praxis: Schrift und Schreiben über die Fächer hinaus
Kirsten Kumschlies, Marion Gutzmann
Kinderbücher zum Thema
Schrift und Schreiben
Schrift und Schreiben sind spannende Themen, die Grundschulkinder
ab Beginn des Schriftspracherwerbs nahezu zwangsläufig beschäftigen.
Auch die Kinderliteratur nimmt sich dieses Themenkomplexes auf vielfältige
Art und Weise an. Sachbilderbücher präsentieren die Geschichte
der Schrift, Kinderromane setzen sich mit der Funktion von Schrift und
Schreiben in unserer Gesellschaft auseinander und verweisen auf ihre immense
Bedeutung.
Ekaterina Stepanenko und Natalja Jaskina legen eine eindrucksvolle
und reich bebilderte Geschichte der Schrift für Kinder
vor, in der auch Erwachsene noch viel lernen und entdecken
können. Der hier aufgemachte Blick auf die Schriftgeschichte
ist sehr weit. Denn es geht nicht nur um die Historie der Schrift,
sondern auch um die Geschichte des Buchdrucks vom Pergament
bis zu Gutenberg, um alte Bibliotheken, die Bibel, Buchkunst
und Literatur im Mittelalter (von Edda bis Tristan) und
schlussendlich auch auf einer Doppelseite um „die Geburt des
Kinderbuchs“. Die Informationen sind kompakt gebündelt und
werden stets anschaulich auf Doppelseiten präsentiert, auf denen die Illustrationen
von Natalja Jaskina breiten Raum einnehmen.
So ist das Sachbilderbuch eine reichhaltige
historische Fundgrube, die sowohl für die
häusliche als auch die schulische Lektüre zu
empfehlen ist.
(Ab 12 Jahren)
Diese umfangreiche Schriftgeschichte bietet interessierten
Kindern ab zehn Jahren einen Überblick über die Genese
der Schrift in Form einer Graphic Novel. Dabei ist der Blick
nicht eurozentrisch, sondern räumt vor allem asiatischen
Schriftsystemen breiten Raum ein und widmet auch Kunstschriften,
z. B. Tolkiens Kreationen für Elben, Zwerge und
Hobbits, ein eigenes Kapitel. Das großformatige Buch ist
sehr komplex und detailreich, die Zeichnungen sind überwiegend
schwarz-weiß gehalten und setzen nicht nur auf
die Darstellung der historischen und aktuellen Sachverhalte,
sondern vor allem auch auf Witz und Komik. Diese drückt sich zum Beispiel in dem
personifizierten Kothaufen-Emoji aus, das in den Dialog mit den Codierungsstandards
für Mobiltelefone in den 1990er-Jahren geht. Damit spannt das Comic-Sachbuch
einen Bogen von der Gegenwart, in der
wir von Typografie und Schrift umgeben sind,
über 5500 Jahre Schriftgeschichte zurück. Mit
Recht wurde die Graphic Novel im Jahr 2020
für den Deutschen Jugendliteraturpreis in der
Sparte Sachbuch nominiert.
(Ab 10 Jahren)
Ekaterina Stepanenko (2024):
Die Geschichte der Schrift
Aus dem Russischen
Verlagshaus Jacoby & Stuart
63 Seiten, € 20,00
Vitali Konstantinov (2019):
Es steht geschrieben.
Von der Keilschrift zum Emoji
Gerstenberg Verlag
80 Seiten, € 25,00
Salila wächst bei
ihrer liebevollen
Großmutter in
einem Düsseldorfer
Mietshaus auf. Die
Mutter ist bei der
Geburt gestorben.
Das Verhältnis
zwischen Oma
und Enkelin ist in
diesem spannenden Kinderroman sehr
sensibel gezeichnet und durch starkes
Vertrauen zueinander geprägt. Doch
plötzlich tauchen Briefe des Vermieters
auf, welche die Großmutter ungelesen
beiseitelegt. Nach und nach wird der
kindlichen Protagonistin die Brisanz der
Situation bewusst. Das Haus wird saniert
und von einer Hamburger Firma übernommen,
die Nachbar:innen ziehen alle
aus. Warum nur liest die Oma die Briefe
nicht? Schließlich deckt die Ich-Erzählerin
das Geheimnis auf: Ihre Großmutter kann
nicht lesen und schreiben und hat dies
aus Scham immer geschickt verborgen.
Ein spannender, realistischer Kinderroman,
der sich des wichtigen Themas
Analphabetismus annimmt und durch
sensible Figurenkonzeption überzeugt.
Am Ende erkennt die Großmutter, dass
sie auch im fortgeschrittenen Alter noch
lesen und schreiben lernen kann. Lieskes
Kinderroman präsentiert die Relevanz des
Schriftspracherwerbs und erhebt diesen
auch zum politischen Thema, indem sie
ihn mit den Folgen der Gentrifizierung
verbindet, gegen die sich Großmutter
und Enkelin zu wehren wissen – das funktioniert
aber nur mithilfe der Schrift.
(Ab 8 Jahren)
Tanya Lieske (2012):
Oma, die Miethaie und ich
Beltz & Gelberg
211 Seiten, € 7,00
28
GS aktuell 169 • Februar 2025
Praxis: Schrift und Schreiben über die Fächer hinaus
Die niederländische Autorin Enne Koens, die kinderliterarisch
bereits mit so eindringlichen Romanen wie
„Dieser Sommer mit Jente“ oder „Ich bin Vincent und
ich habe keine Angst“ brilliert hat, erzählt hier von
einem Mädchen, das sich – ausgelöst durch die Ankunft
eines geheimnisvollen Briefs – auf die Suche nach der
eigenen Herkunft macht. Denn Deetje weiß bis zum
Zeitpunkt der Erzählgegenwart nichts über ihren Vater. Sie wächst bei einer
alleinerziehenden Mutter auf, die ihr irgendwie fremd ist. Als eines Tages ein
seltsamer Brief eintrifft, gerät Deetjes Welt aus den Fugen. Es handelt sich um
einen Liebesbrief in vermeintlich weiblicher Handschrift, der mit dem Hinweis
„Retour an Absender“ versehen ist. Mit detektivischem Gespür macht
sich Deetje auf die Suche – von wem mag der Brief sein? Im Zuge ihrer
Ermittlungen, auf denen sie ihre Freunde Vito und Kevin begleiten, stößt sie
auf die Frage nach der eigenen Herkunft und entfremdet sich zunehmend von
ihrer Mutter, die jedes offene Gespräch verweigert. So verfolgt die Ich-Erzählerin
die fixe Idee, adoptiert worden zu sein. Koens bleibt in der Erzählweise ganz
nah an den Gedanken und den Gefühlen der Protagonistin, wodurch sie eine
eindringliche Sensibilität entfaltet, die beim Lesen unter die Haut geht.
Sie zeigt, wie wichtig es für Identitätsbildungsprozesse ist, die eigenen Wurzeln
zu kennen und ihnen nachzuspüren. Sie verweist damit auch auf die Bewahrfunktion
von Schrift, denn die Erinnerung der Mutter ist in dem Brief aufgehoben,
den Deetje findet. Schließlich ermöglicht das offene Gespräch den An-
Enne Koens (2024):
Von hier aus kann man
die ganze Welt sehen
Aus dem Niederländischen
Gerstenberg Verlag
208 Seiten, € 17,00
näherungsprozess zwischen Mutter und
Tochter. Ein eindrucksvoller Kinderroman,
der sehr zu empfehlen ist, sensibel
in der Figurenkonzeption und voller
symbolischer Kraft.
(Ab 9 Jahren)
Es ist Winter, der Wald ist verschneit. Alles beginnt mit
einem kleinen Zettel auf dem Acker. Botschaften auf
Zetteln, ausgelegt auf dem Acker, besondere Wörter,
Buchstaben und kleine Zeichnungen, eingeritzt in
Baumrinde, Gänse im Winkelflug, sich als U oder V formierend
– alle haben ihr eigenes Alphabet, denkt Anna.
In Morkels Baumhaus treffen sich die beiden und finden
eine besondere Freude am Entdecken der Natur und
was mit den Buchstaben geschieht, wenn sie zu Wörtern oder Sätzen werden,
und wie sie klingen. Mit den letzten Zugvögeln ist auch Morkel verschwunden.
Als es Frühling wird und auch die Vögel zurückkehren, legt Anna Zettel
mit Botschaften aus – endlich liegt auch wieder ein Zettel von Morkel auf dem
Acker … Jeder neue Textabschnitt beginnt mit einem ausgeschmückten und
verzierten Großbuchstaben als Initiale. „Ich habe dich gesehen“, schrieb Anna
auf den ersten Zettel. Ein besonderer Satz, der die entstehende Freundschaft
der beiden begleitet. Versteckt Morkel auf dem Cover noch sein Gesicht, zeigt
er es später unverhüllt. Zum Schluss liegen Anna und Morkel Kopf an Kopf
im Gras unter einem blühenden Baum. Stian Hole, norwegischer Autor und
Illustrator, vereint in seinen Bilderbüchern Fotos, Zeichnungen, realistische
Motive und surreale Verfremdungen zu digitalen Collagen und erschafft so
traumähnliche Wirklichkeiten. 2016 erhielt er für „Morkels Alphabet“ einen
großen Illustrationspreis, den Preis des Gemeinschaftswerks der Evangelischen
Publizistik. Das Bilderbuch lädt ein zum experimentellen Umgang mit Schrift
sowie dem Prozess des Schreibens, z. B.
Stian Hole (2016):
Morkels Alphabet
Aus dem Norwegischen
Carl Hanser Verlag
48 Seiten, € 14,90
beim Verfassen geheimer Botschaften und
beim Experimentieren mit unterschiedlichen
Schreibwerkzeugen und Materialien, auf denen
Botschaften hinterlassen werden können.
(Ab 6 Jahren)
Ein Stapel mit 14 Postkarten für Duncan:
mit Grüßen vom Teppich, vom Sofa, vom
Pool im Urlaub, versendet von Neonrot,
Rostbraun und Erbsengrün, vom Leuchtfarbstift
aus dem Keller, vom Türkis aus
dem Wäschetrockner. Überall hat Duncan
seine Farbstifte verloren, vergessen, vernachlässigt. Doch
fast alle Farbstifte wollen zu ihm zurück, manche wollen
dagegen vorher noch die weite Welt bereisen. Und so gibt es
auch überraschende Postkarten, z. B. von den Pyramiden aus
Berlin oder vom Amazonas im Schnee. In amüsanten kleinen
Geschichten kommen die Farbstifte auf je einer Doppelseite
zu Wort und erzählen per Postkarte von ihren kleinen
Abenteuern, ihren Gefühlen und Wünschen. Humorvolle
und ausdrucksstarke Illustrationen ergänzen die Postkartentexte.
Natürlich will Duncan seine Farbstifte wieder glücklich
machen und baut eine große Farbstiftbox, in der sich
alle wohlfühlen können. Mit dem vielfältig und originell
illustrierten Bilderbuch „Die Heimkehr der Farben“ schließen
Drew Daywalt und der preisgekrönte Illustrator Oliver Jeffers
an den Erfolg von „Der Streik der Farben“ an. Ein Buch, das
zum Erzählen, Schreiben,
Zeichnen und Erproben von
Stiften anregt.
(Ab 4 Jahren)
Im Mittelpunkt des dezent und
zurückhaltend illustrierten Bilderbuches
von Agnès de Lestrade steht
der große blaue Bär, oft in surrealen
Umgebungen, Ausschnitten und
wechselnden Perspektiven, mit
dem die Lesenden die unterschiedlichsten
Situationen und Gefühle erleben: Glück, Trauer,
Langeweile, Stille. Jeder Situation, jedem Gefühl werden
in einer eher nachdenklich-ruhigen Grundstimmung
zwei Doppelseiten mit bezaubernden Sprachkreationen
gewidmet. Mit „Ganz am Rand …“ beginnt der neue Text,
zwei Wörter werden jeweils typografisch hervorgehoben
und auf der zweiten Doppelseite als neue Verbschöpfung
vorgestellt. Gemeinsam mit dem Bären kann die Schönheit
der Wörter entdeckt werden: „Morgen werde ich
eiszapfenglitzern … meerrieseln … tränenschwimmen.“ In
seinem Buchzelt, umgeben von Buchstaben, ist Stille der
König. Wörter, die den Bären necken, schubsen und kratzen
– werden ihn morgen stillenecken. Mit „Morgen werde
ich randspringen“ endet das Bilderbuch, nun mit warmen
Farben illustriert und einem gelben Bären in einer sanft
schaukelnden Hängematte. Nicht sicher, ob er springen
wird. Bild und Sprache lassen in diesem Bilderbuch viel
Raum zum Träumen, Fühlen, Nachdenken und Philosophieren
mit Kindern, sicherlich auch eine unerschöpfliche
Quelle zum Erfinden
von Wörtern
und Gestalten des
Wörterglitzerns
mit Schrift.
(Ab 4 Jahren)
Drew Daywalt (2018):
Die Heimkehr der Farben
Aus dem Amerikanischen
NordSüd Verlag
40 Seiten, € 16,00
Agnès de Lestrade (2015):
Der Bär und das Wörterglitzern
Aus dem Französischen
Mixtvision Mediengesellschaft
48 Seiten, € 17,00
GS aktuell 169 • Februar 2025
29
Aus Praxis: der Schrift Forschung und Schreiben über die Fächer hinaus
Richard Böhme, Meike Munser-Kiefer, Beryl Exley und Sarah Prestridge
Wie sich Kinder die Rechtschreibung
mit einer Rechtschreib-App erschließen
Zusammenfassung
Der Artikel untersucht, wie Kinder die Rechtschreibung in einer digitalen Lernumgebung
erlernen und welches Rechtschreibverhalten sie dabei zeigen. Durch
die Nutzung der speziell entwickelten App talidu wurde nicht nur das Schreibergebnis,
sondern auch der zugrunde liegende Lernprozess sichtbar gemacht. Die
Analyse zeigte kaum Unterschiede in der Fehlerart, jedoch bei den Fehlerkorrekturen
und der Nutzung von Hilfsmitteln wie Audios, insbesondere bei Schüler:innen
mit hoher oder niedriger Rechtschreibleistung. Die Ergebnisse verdeutlichen
die Bedeutung einer mediengestützten Förderung, die kognitive Aktivierung und
selbst gesteuertes Lernen ermöglicht. Vor diesem Hintergrund wird für didaktische
Konzepte in einer Kultur der Digitalität plädiert, die konstruktive Schreibexperimente
fördern und es den Kindern erlauben, ihre Rechtschreibstrategien
individuell zu entwickeln und zu reflektieren. Wie dies gelingen kann, wird in
einem Ausblick anhand der weiterentwickelten talidu-App veranschaulicht.
Warum ändert sich der Rechtschreiberwerb
in der Digitalität?
Kinder sammeln heute multimodal
(mit verschiedenen Sinnen) und multimedial
(mit verschiedenen Medien)
Erfahrungen mit Schriftsprache. Dabei
sind digitale Medien mittlerweile fester
Bestandteil – einerseits als Teil der
Lebenswelt und andererseits als Ausgangs-
und Zielpunkt von Unterricht
(Hauck-Thum/Franz 2024).
Im Unterricht geht es um mehr als die
bloße Digitalisierung analoger Inhalte in
Interessantes zur Gesamtstichprobe
digitale Formate. Digitalität im Sinne
Stalders (2017) beschreibt eine Kultur,
in der digitale Medien nicht nur Werkzeuge
sind, sondern unsere Lernprozesse
verändern und prägen. Dies kann Lehrund
Lernsettings durch neue Formen
von Interaktion, Kollaboration und Reflexion
transformieren.
Beim Rechtschreiberwerb können
Kinder z. B. in digitalen Lernumgebungen
aktiv in Rechtschreibprozesse durch
multimodale und multimediale Zugänge
eingebunden werden. Sie können durch
individuelles, unmittelbares und / oder
Tablet-Erfahrung. Alle Schüler:innen gaben an, bereits Erfahrungen im Umgang mit
Tablets zu haben. An sechs der elf Schulen wurden Tablets bereits regelmäßig im Unterricht
eingesetzt.
Tippfähigkeit. Die Tippgeschwindigkeit der Kinder hing signifikant mit dem Alter und
der Rechtschreibleistung zusammen. In der Tippgenauigkeit fanden sich keine bedeutsamen
Zusammenhänge.
Familiensprache. Es gab kaum Unterschiede in der Rechtschreibleistung zwischen
Kindern mit Deutsch als Erst- oder Zweitsprache. Das entspricht den Ergebnissen des
IQB-Bildungstrends (Stanat et al. 2022).
Geschlecht. Es gab keine signifikanten Unterschiede in der Rechtschreibleistung zwischen
Jungen und Mädchen. Das weicht von den IQB-Ergebnissen ab. Allerdings handelt
es sich bei der IQB-Stichprobe um Viertklässler:innen. Dagegen zeigen Studien
mit (auch) jüngeren Schüler:innen eine Entwicklung von geringen Unterschieden zu
Beginn und größeren zum Ende der Grundschulzeit (z. B. Dummert et al. 2014, Schneider/Näslund
1997).
elaboriertes Feedback kognitiv aktiviert
werden, um aus ihren Rechtschreibfehlern
zu lernen. Sie können Rechtschreibstrategien
schnell und unkompliziert
testen. Bilder und Audiohinweise können
helfen, Sprache und Sprachgebrauch
besser zu verstehen. Korrekturmöglichkeiten
regen zur Reflexion an, was hilft,
den Lernprozess (mit) zu regulieren.
Zur Frage, welche digitalen Prozesse
und Interaktionen sich beim Rechtschreiberwerb
konkret beobachten lassen
und wie sich diese je nach Rechtschreibleistung
unterscheiden, ist bislang
wenig bekannt (ausführlich: Böhme
2024). Entsprechend fehlen wichtige
Informationen, um das Rechtschreiblernen
im digitalen – aber auch analogen
– Raum (quasi „onlife“, Floridi 2015)
unterstützen zu können.
Was wissen wir bereits über das
Rechtschreiben beim Kind?
Kinder unterscheiden sich in ihrem
kognitiven und metakognitiven Rechtschreibwissen
sowie in ihrer Fähigkeit,
es zielgerichtet anzuwenden. Dieses
Wissen ist nicht direkt beobachtbar –
es ist latent. Wenn Kinder es jedoch
anwenden, dann wird es im Lernprozess
als Rechtschreibverhalten sichtbar. Dieses
Verhalten ist direkt beobachtbar –
also manifest. In dieser Logik kann
das Rechtschreibverhalten Hinweise
auf die unterschiedlichen Facetten des
Rechtschreibwissens und die konkreten
Lernprozesse geben (siehe ausführlich:
Böhme 2024). Das wird in der hier vorgestellten
Studie genutzt.
Worum geht es in der Studie?
In der Studie wurde das digitale Rechtschreibverhalten
von Schüler:innen mit
unterschiedlicher Rechtschreibleistung
beim Verschriften von Wörtern untersucht.
Die Basis sind Log-Daten aus
30
GS aktuell 169 • Februar 2025
Praxis: Schrift und Schreiben über Aus die der Fächer Forschung hinaus
der eigens entwickelten Rechtschreib-
App talidu. Diese zeigen nicht nur –
wie bislang in der Forschung oft üblich
– das Rechtschreibergebnis, sondern
auch den zugrunde liegenden Lernprozess.
Dadurch können Erkenntnisse
zu Rechtschreibprozessen im digitalen
Raum gewonnen werden, um diese
für den Rechtschreibunterricht in einer
Kultur der Digitalität zu nutzen – mit
dem Ziel, Lehrkräfte beim Unterrichten
und Kinder beim Lernen gezielt zu
unterstützen.
Forschungsfrage
Wie unterscheidet sich das digitale
Rechtschreibverhalten von Erst- und
Zweitklässler:innen mit hoher und mit
niedriger Rechtschreibleistung in …
1. den Fehlerarten und der Fehleranzahl,
2. den Eingaben und den Korrekturen
unter Verwendung von Feedback aus
der App und
3. der Nutzung von Audios?
Wie ist die Studie aufgebaut?
Die Forschungsdaten wurden in der
Rechtschreib-App talidu in zwei Phasen
erhoben:
Die Baseline-Phase diente der Erhebung
von Ausgangsdaten zu Schüler:innenfähigkeiten
(Rechtschreibleistung, Tippfähigkeit)
sowie Hintergrundmerkmalen
(Alter, Geschlecht, Familiensprache).
In der Übungsphase wurde das digitale
Rechtschreibverhalten der Schüler:innen
in der Interaktion mit der App vollständig
erfasst (jeweils mit Zeitstempeln: Eingabe-
und Löschvorgänge, Nutzung der Hilfestellungen).
Dabei arbeiteten die Kinder
(von links)
Dr. Richard Böhme ist Akademischer Rat a. Z. am Lehrstuhl für Grundschulpädagogik
und -didaktik (Schwerpunkt Diversität) an der Universität Regensburg.
Prof. Dr. Meike Munser-Kiefer ist Inhaberin des Lehrstuhls für Grundschulpädagogik
und -didaktik (Schwerpunkt Diversität) an der Universität Regensburg.
Prof. Dr. Beryl Exley ist Professorin für Didaktik des Schriftspracherwerbs, Englischdidaktik
und Lehrkräftebildung an der Griffith University Brisbane (Australien).
Prof. Dr. Sarah Prestridge ist Professorin für digitale Pädagogik und Lehrkräftebildung
an der Griffith University Brisbane (Australien).
an einer Aufgabe, bei der Zielwörter verschriftet
werden sollten. Diese Wörter
stammten aus den Grund- und Orientierungswortschätzen
der Bundesländer, die
im Vorfeld einer Korpusanalyse unterzogen
wurden (Böhme 2024). Diese Analyse
ergab, dass 87 Prozent der Wörter graphematisch
rekonstruierbar sind, sodass
sie sich aus den Rechtschreibprinzipien
regelhaft herleiten lassen.
Abbildung 1 zeigt Hilfestellungen,
die in der App angeboten wurden: Jedes
Zielwort (hier am Beispiel „umkippen“)
wurde mit einem Bild erklärend
illustriert. Wort- und Satzaudio konnten
(wiederholt) abgerufen werden. Die
Kinder hatten bis zu drei Versuche, ein
Wort korrekt zu schreiben. Nach jedem
Schreibversuch gab die App ein einfaches
Feedback, ob die Eingabe richtig
oder falsch war. Bei Falscheingaben
wurden die fehlerhaften Stellen zusätzlich
hervorgehoben, um Selbstkorrekturen
anzuregen. Beim dritten Versuch
gab es zusätzliche Unterstützung (kurze
Anzeige der richtigen Schreibweise, Reduktion
der Tastatur auf die benötigten
Buchstaben).
So wurde talidu über mehrere Wochen
im regulären Unterricht und im
pädagogisch-didaktischen Ermessen der
Lehrkraft eingesetzt.
Wer nahm an der Studie teil?
An der Studie nahmen insgesamt 685
Schüler:innen (50,5 Prozent weiblich;
49,5 Prozent männlich) der ersten und
zweiten Klasse aus sieben Stadt- und
vier Landschulen teil.
Für die Forschungsfrage in diesem
Artikel wurden Kinder mit hoher und
niedriger Rechtschreibleistung ausgewählt.
Dazu wurden die untersten und
obersten zehn Prozent des Leistungsspektrums
identifiziert (n = 16). Um
das individuelle Rechtschreibverhalten
nicht mit Problemen bei der Nutzung
einer bislang unbekannten App zu vermischen,
wurde sichergestellt, dass jedes
dieser Kinder mindestens 100 Wörter
geschrieben hatte.
Was sind die Ergebnisse?
Abb. 1: Funktionen der Übung in der App talidu mit Hilfestellungen (Feedback,
Wort- und Satzaudio, reduzierte Tastatur)
Im Folgenden werden die Rechtschreibverläufe
der Versuche 1 bis 3
beschrieben, um dann (1) die Fehlerarten
und -anzahl, (2) die Eingaben und
GS aktuell 169 • Februar 2025
31
Aus Praxis: der Schrift Forschung und Schreiben über die Fächer hinaus
Korrekturen unter Verwendung von
Feedback aus der App und (3) die Nutzung
von Audios darzustellen.
Rechtschreibverläufe. Abbildung 2
zeigt, wie viel Prozent der geschriebenen
Wörter nach Versuch 1 (V1) noch
fehlerhaft sind und welche qualitativen
Änderungen die Schüler:innen in ihren
Verschriftungen bei den Versuchen 2
und 3 (V2, V3) vornehmen. Dabei werden
die Schüler:innen mit hoher Rechtschreibleistung
(links) denen mit niedriger
Rechtschreibleistung (rechts) maßstabsgetreu
gegenübergestellt.
Abb. 2: Rechtschreibverläufe (Versuche 1 bis 3) von Kindern mit hoher und niedriger
Rechtschreibleistung.
Abb. 3: Fehlerverteilung bei Versuch 1 in Prozent.
Abb. 4: Beispiele für Schreibprozesse von Versuch 1 bis 3.
Bei den Kindern mit hoher Rechtschreibleistung
sind nach V1 nur noch
sechs Prozent der Wörter fehlerhaft.
Dieser Anteil sinkt bereits bei V2 deutlich,
da die meisten Fehler direkt korrigiert
werden. Qualitative Verschlechterungen
oder Versuche ohne klare Korrekturabsicht
kommen bei dieser Gruppe
kaum vor.
Im Vergleich findet sich bei den Kindern
mit niedriger Rechtschreibleistung
ein deutlich höherer Fehleranteil von 34
Prozent nach V1. Obwohl auch hier ein
Großteil der Wörter gleich korrekt geschrieben
oder verbessert wird, fallen
bei V2 viele Schreibversuche auf, die keine
ernsthafte Korrekturabsicht erkennen
lassen. Wird ein Schreibversuch unternommen,
verbessert dieser von V2 zu V3
das Ergebnis tendenziell. Allerdings ist
das Bild unruhiger und zeigt sehr unterschiedliche
Pfade. Die folgenden Analysen
zeigen, was dies inhaltlich bedeutet.
Fehlerarten und -anzahl. Die Fehlerverteilung
bezieht sich hier auf die Laute
eines Wortes und deren regelhafte Verschriftung.
Diese kann phonematisch
(Laut), syllabisch (Silbe), morphematisch
(Wortstamm) oder lexikalisch (Bedeutung)
orientiert erfolgen. Das Wort
„fragt“ hat z. B. fünf Grapheme: ‹f›, ‹r›, ‹a›
und ‹t› sind phonematisch und ‹g› morphematisch
herleitbar. In Abbildung 3 ist
die Fehlerverteilung in V1 dargestellt.
Hier ist zu erkennen, dass sich die
Gruppen stärker quantitativ (Fehleranzahl)
als qualitativ (Fehlerart) unterscheiden.
Eingaben und Korrekturen unter
Verwendung von Feedback aus der
App. Es gibt Korrekturen zwischen und
innerhalb von Versuchen.
Die Detailanalysen von Korrekturen
zwischen den Versuchen zeigen:
1. Kinder mit hoher Rechtschreibleistung
korrigieren systematischer als
Kinder mit niedriger Rechtschreibleistung
und nutzen gezielter das Feedback
aus der App.
Beispiel „Bäcker“ (Abbildung 4, oben):
Ausgangssituation und Feedback sind
in beiden Gruppen gleich. Allerdings
scheint nur das Kind aus der Hochleistungsgruppe
(links) das Feedback für
sich zu nutzen, um die richtige Stelle zu
korrigieren. Das Kind aus der Niedrigleistungsgruppe
(rechts) korrigiert
hingegen bei V2 und V3 jeweils andere
Stellen, die eigentlich schon korrekt
waren. Dabei tauscht es zudem mehrere
Stellen gleichzeitig aus.
2. Kinder mit niedriger Rechtschreibleistung
zeigen (vor allem bei V2) mehr
Vermeidungsverhalten (vgl. Abbildung 2).
Beispiel „zählen“ (Abbildung 4, unten):
Das Kind startet rein phonematisch mit
„ZELN“. Im App-Feedback sieht das
Kind daher mehrere Stellen, die es korrigieren
müsste. Bei V2 gibt es (ohne
erkennbaren Sinn) „RN“ ein, überspringt
diesen Versuch also und geht
direkt zu V3 mit zusätzlichen Hilfestellungen
über.
32
GS aktuell 169 • Februar 2025
Praxis: Schrift und Schreiben über Aus die der Fächer Forschung hinaus
Korrekturen innerhalb von Versuchen
zeigen auch Unterschiede zwischen
den Gruppen. Diese sind – wie
bei die Fehlerverteilung – eher quantitativer
als qualitativer Natur. So korrigieren
die Schüler:innen mit niedriger
Rechtschreibleistung mehr Wörter und
sind dabei weniger erfolgreich als die
Schüler:innen mit hoher Rechtschreibleistung.
In der Art und Weise der Korrektur
unterscheiden sich die Gruppen
aber weniger: Beide korrigieren in der
Regel direkt nach dem Auftreten eines
Fehlers (statt z. B. am Ende des Wortes).
Zum größten Teil handelt es sich um
Tippfehler sowie orthografische Fehler.
Es zeigen sich zudem orthografische Unsicherheiten:
Beide Gruppen korrigieren
auch Lupenstellen, die bereits richtig waren
– mit jeweils etwa 50 Prozent „Verschlimmbesserungen“.
Nutzung von Audios. Schüler:innen
mit hoher Rechtschreibleistung hören
sich die Satzaudios insgesamt häufiger
an. Sie scheinen auch zu erkennen, wenn
dies unbedingt erforderlich ist (z. B. bei
Synsemantika = Wörter, die ihre Bedeutung
durch den Kontext bekommen wie
„ist“ im Unterschied zu „isst“). Dies machen
sie vor allem bei V2. Schüler:innen
mit niedriger Rechtschreibleistung nutzen
dies auffällig wenig.
Was bedeuten diese Ergebnisse?
Die Analyse der Fehler zeigt, dass sich
Kinder mit hoher und niedriger Rechtschreibleistung
weniger in der Fehlerart,
sondern mehr in der Fehleranzahl
unterscheiden.
Unterschiede finden sich jedoch im
(digitalen) Rechtschreibverhalten. Zunächst
zeigt die Analyse des Rechtschreibverlaufs,
dass mit jedem Versuch
weitere Informationen über das
(digitale) Rechtschreibverhalten gewonnen
werden können: Im ersten Versuch
werden Teile des Rechtschreibwissens
sichtbar; der zweite Versuch
zeigt, ob weiteres Wissen vorhanden
ist, ob dieses in einem systematischen
Problemlöseprozess angewandt werden
kann und/oder, ob das Kind Vermeidungsverhalten
zeigt, was Ausdruck
von Unterstützungsbedarf oder
Hinweis auf ungünstige motivationale
Aspekte (z. B. Motivation, Selbstkonzept,
Selbstwirksamkeitserwartungen)
sein könnte.
Sowohl Kinder mit hoher als auch mit
niedriger Rechtschreibleistung setzen sich
aktiv mit den Rechtschreibphänomenen
auseinander und zeigen produktive Konstruktionsleistungen.
Allerdings schreiben
Kinder mit hoher Rechtschreibleistung sicherer;
sie scheinen sensibler für relevante
Fehler- bzw. Lupenstellen zu sein, setzen
sich aktiver mit Fehlerkorrekturen
auseinander und nutzen dabei Unterstützung
zielgerichteter und testen Hypothesen
systematischer. Kinder mit niedrigerer
Rechtschreibleistung scheinen eine
geringere kognitive Klarheit im Rechtschreibwissen
zu haben (vgl. Valtin 2000);
sie wenden verstärkt Versuch-und-Irrtum-
Strategien an und zeigen Vermeidungsverhalten
– was beides eine ungünstige Wechselwirkung
aus fehlendem Kompetenzerleben
und sinkender Motivation auslösen
kann (vgl. Deci/Ryan 1985), die sich wiederum
negativ auf die Kompetenz auswirkt
(vgl. Möller/Trautwein 2020).
Medienspezifische Effekte (z. B. Umgang
mit Tippfehlern, Korrekturen,
Nutzung von Hilfen) konnten in beiden
Gruppen festgestellt werden. Dies unterstreicht,
dass das Medium die Lernprozesse
erweitern und verändern kann.
Was könn(t)en wir aus diesen
Ergebnissen für die Praxis lernen?
Die Ergebnisse der Studie machen deutlich,
dass Kinder im Rechtschreiberwerb
konstruktiv aktiv werden.
Insofern sind auch bzw. gerade in einer
Kultur der Digitalität methodischdidaktische
Ansätze erforderlich, die
(sozial)konstruktive Schreibexperimente
zulassen und es den Schüler:innen
erlauben, ihre Rechtschreibprozesse
selbst zu steuern, Fehler eigenständig zu
analysieren und zu korrigieren sowie
alternative Schreibweisen selbstständig
zu erproben. Damit die Kinder effektiv
vorankommen, sollte – so die Ergebnisse
dieser Studie und das Plädoyer
z. B. von Philipp (2019) – neben dem
Handschreiben auch das Tastaturschreiben
gefördert werden.
Die Ergebnisse zeigen zudem, dass
systematisches Hypothesentesten (z. B.
Richtiges und Falsches identifizieren,
korrigieren und kontrollieren) und die
Nutzung von (medienspezifischen)
Hilfestellungen (z. B. Feedback, Audios)
– im Sinne einer Hilfe zur Selbsthilfe –
vermittelt werden sollten.
Bislang kommen im Rechtschreibunterricht
oft Apps zum Einsatz, die eher
einer behavioristischen Logik folgen
und bei denen reproduktiv aus einer Reihe
von Antwortalternativen gewählt wird.
Die Rückmeldung in solchen Apps zielt
oft auf richtig und falsch und belohnt mit
extrinsischen Anreizen, statt einen Einblick
in die Fehlerart zu geben und intrinsisch
mit dem Lernerfolg zum Weiterlernen
zu motivieren. Bei solchen Ansätzen
ist zudem davon auszugehen, dass die kognitive
Aktivierung eher gering bleibt.
Wie geht es weiter?
Die talidu-App wurde auf Basis dieser
Ergebnisse sowie der Rückmeldungen
zahlreicher Lehrkräfte weiterentwickelt.
Die Ergebnisse zum digitalen Rechtschreibverhalten
wurden z. B. dafür
genutzt, künstlich-intelligente Algorithmen
zu trainieren (vgl. Böhme et
al. 2024), um Inhalte, Feedback und
Übungen an den Lernstand des Kindes
anpassen zu können (vgl. Munser-Kiefer
et al. im Druck). Darüber hinaus dient
es der Diagnose und wird im Dashboard
als Lernanalyse angezeigt. Dies
ermöglicht z. B., Kinder nach ihrem
Lernstand im Unterricht zu gruppieren,
ungünstiges Rechtschreibverhalten wie
Versuch-und-Irrtum-Strategien zu thematisieren
und dabei zu unterstützen,
Feedback und digitale Hilfen sinnvoll
zu nutzen. Gleichzeitig kann das selbst
gesteuerte Lernen damit gefördert werden,
wenn Kinder darüber reflektieren,
was sie schon können, woran sie weiterarbeiten
und wie sie ihr Rechtschreibverhalten
verbessern können.
Literaturangaben zum Artikel
können Sie von unserer Website herunterladen:
https://t1p.de/GSa169Lit
GS aktuell 169 • Februar 2025
33
Praxis: Rundschau Schrift und Schreiben über die Fächer hinaus
Aus dem Vorstand
Optimiert für Mitglieder und Gäste:
die neue Website des Grundschulverbands
Sicherlich haben Sie es schon
bemerkt: Am 8. November 2024
ging unsere neue Website an den
Start! Wir freuen uns, Ihnen hiermit die
positiven Neuerungen der aktuellen
Website vorstellen zu dürfen.
Die Website des Grundschulverbands
(www.grundschulverband.de) ist die
zentrale Informationsplattform für alle
an der Grundschule und der Programmatik
des Verbandes Interessierten. Um
den gewachsenen Anforderungen und
technologischen Entwicklungen gerecht
zu werden, wurde diese in einem
aufwendigen Relaunch neu strukturiert
und gestaltet.
Ziel des Relaunchs war es, die Sichtbarkeit
und die Reichweite der Website
zu verbessern, ihre Navigation zu optimieren
und die Funktionalität insbesondere
für Mitglieder zu optimieren.
Die Entwicklung der Website
Die Entwicklung der neuen Website
wurde von einer eigens gegründeten
Strategiegruppe begleitet. Diese Gruppe
entstand im Rahmen der Strategieworkshops,
die vom damaligen Vorsitzenden
Edgar Bohn im November
2020 ins Leben gerufen worden waren.
Der Website-AG gehörten Edgar Bohn
(ehemaliger Vorsitzender des Grundschulverbands),
Marion Gutzmann
(aktuelle Vorsitzende des Grundschulverbands),
Thomas Irion, Svenja Telle,
Abigail Montwé und Johannes Wolz an.
Immer wieder haben sich weitere engagierte
Mitdenker:innen in die Arbeit
eingebracht. Insbesondere in den letzten
Wochen gebührt der Dank den Mitarbeiterinnen
der Geschäftsstelle, Abigail
Montwé, Susanne Hirsch, Heike Schumann
und Jana Haag. Die Koordination
der Aktivitäten lag in den Händen von
Thomas Irion und Svenja Telle, die mit
ihrem Engagement maßgeblich zur
Umsetzung des Projekts beitrugen. Mehrere
Vorstellungen des Arbeitsstandes
und die wiederholte Sammlung von
Anforderungen in Vorstandssitzungen
und Delegiertenversammlungen stellten
sicher, dass die Ideen der Delegierten
und die Ziele des Verbands in der Website
optimal umgesetzt wurden.
Navigationsstruktur
Ein zentrales Merkmal der neuen Website
ist die klar strukturierte Navigation.
Das Hauptmenü umfasst die folgenden
Kategorien:
1. Der Verband: Wir über uns, Unsere
Standpunkte, Presseschau, Landesgruppen,
Spenden.
2. Aktuelles: Neuigkeiten, Veranstaltungen
und Pressemitteilungen.
3. Publikationen: Buchreihe, Zeitschrift,
Expertisen, Grundschrift, Downloads.
4. Themen: Schwerpunktbereiche wie
Lernräume, Sprachbildung, Inklusion
oder Medienbildung.
5. Projekte: Laufende und abgeschlossene
Initiativen des Verbands.
6. Mitgliedschaft: Vorteile einer Mitgliedschaft,
Beitrittsinformationen und
Zugang zum geschützten Mitgliederbereich.
Diese übersichtliche Navigation erleichtert
den Nutzer:innen den schnellen
Zugriff auf relevante Inhalte und fördert
eine intuitive Bedienung der Website.
Suchmaschinenoptimierung
Ein Schwerpunkt des Relaunchs lag
auf der Suchmaschinenoptimierung
(SEO – Search Engine Optimization).
Um die Sichtbarkeit des Verbandes, seiner
Publikationen und seiner bildungspolitischen
Stellungnahmen zu erhöhen,
war eine aufwendige Suchmaschinenoptimierung
erforderlich geworden.
Dazu gehörte die Überarbeitung von
Seitenbeschreibungen, die Verwendung
relevanter Schlüsselwörter und Kurzzusammenfassungen
sowie die Optimierung
von Texten. Gleichzeitig wurde
großer Wert auf eine Optimierung der
Navigation gelegt. Die Ergebnisse sprechen
für sich: Die Texte des Grundschulverbands
erscheinen in den Suchergebnissen
weiter oben und erreichen
damit ein breiteres Publikum.
Restrukturierung der Website
Ein Herzstück des Relaunchs war die
Neustrukturierung des Publikationsbereichs.
Hier finden Mitglieder
schneller und übersichtlicher Zugang
zu Expertisen, Mitgliedsbänden und
Pressemitteilungen.
Zusätzlich wurde ein geschützter Mitgliederbereich
mit Log-in-Funktion eingeführt.
Dieser Bereich bietet nun die
Möglichkeit für personalisierte Inhalte
und exklusive Materialien wie Vorlagen
und weiterführende Informationen. Besondere
Bedeutung hatte die datensichere
Anbindung des Shopsystems an die
Mitgliederverwaltung auch bei Bestellvorgängen.
Dies führt nicht nur zu komfortablen
Bestellmöglichkeiten für Mitglieder
und Gäste, sondern auch zu einer
Entlastung von Verlag und Geschäftsstelle
bei der Bearbeitung von Bestellungen
und Zahlungen. Zudem eröffnet der
Mitgliederbereich ganz neue Möglichkeiten
für künftige Entwicklungen der
Mitgliederangebote.
Fazit
Der Relaunch der Website markiert
einen wichtigen Schritt in der digitalen
Weiterentwicklung des Grundschulverbands.
Mit der verbesserten
Navigationsstruktur, neuen Funktionen,
einer höheren Sichtbarkeit und einer
nutzerfreundlichen Struktur bietet die
Website optimale Unterstützung für die
Arbeit des Verbands und seiner Mitglieder.
Mit dem Website-Relaunch mit neuer
Navigationsstruktur und verbesserten
Funktionalitäten für Mitglieder und
Gäste hat der Grundschulverband einen
wichtigen Ausgangspunkt geschaffen,
sein über 50-jähriges Engagement noch
wirkungsvoller zu entfalten und seine
Vision einer zeitgemäßen, kind- und
chancengerechten Grundschule für alle
weiter voranzutreiben.
Thomas Irion
Fachreferent des GSV für
„Future Learning und Digitalität“
34
GS aktuell 169 • Februar 2025
Praxis: Schrift und Schreiben über die Fächer Rundschau hinaus
Rundschau
Noch eine gute Nachricht:
Der Standpunkt Bildung für nachhaltige
Entwicklung (BNE) wurde von der
Delegiertenversammlung verabschiedet!
Dank der gemeinsamen Arbeit im
Vorstand mit den Fachreferent:innen
und den Delegierten, insbesondere
dank der Arbeit des Beirats im Projekt
Eine Welt, kann der Verband einen weiteren
bedeutsamen Standpunkt in aktualisierter
Form vorweisen. Eine lange,
mehr als einjährige Phase der Diskussion
liegt hinter dem Standpunkt zur
Bildung für nachhaltige Entwicklung
(BNE). Als Ergebnis dieses transparenten
Entwicklungsweges hat die Position
des Verbandes zum Thema BNE eine
gute Ausschärfung erhalten und steht
mit dem fachwissenschaftlichen Diskurs
im Einklang. Der Standpunkt bietet für
die Arbeit in den Schulen eine wertvolle
Positionierung. (https://t1p.de/9i05g)
Für den Vorstand und das Planungsteam
Marion Gutzmann
Jahrestagung des GSV
Literatur auf der Spur.
Literarische Bildung für die Grundschule
Nur noch wenige Tage bis zur diesjährigen Jahrestagung des Grundschulverbandes!
Gerahmt von einem Grundlagenvortrag und einem Diskussionsforum erwartet Sie
ein anregungsreiches Tagungsangebot. Der AJuM der GEW Sachsen-Anhalt lädt
am Vorabend, Freitag 21. Februar, um 17.30 Uhr zu einer Buchlesung mit einer
Kinderbuchautor:in als literarischem Einstieg ein. Wir freuen uns auf Sie!
21. / 22. Februar
2025 in Halle
(Saale)
Hier geht’s zum ausführlichen
Programm und zur Anmeldung
Programmablauf
Vorabendprogramm: Freitag, 21.02.2025, 17.30 Uhr
Ort: Franckesche Stiftungen, Haus 31, Lernwerkstatt (Raum 020)
●
Lesung und Werkstattgespräch mit der Kinderbuchautorin Frauke Angel,
Moderation: Dr. Nadine Naugk und Dr. Alexandra Ritter
Ab ca. 19.30 Uhr besteht die Möglichkeit, den Abend in geselliger Runde im Restaurant Taparazzi ausklingen lassen.
Samstag, 22.02.2025
Ort: Franckesche Stiftungen, Institut für Schulpädagogik und
Grundschuldidaktik, Haus 31
9.30 Uhr Einstimmung und Grußworte
10.00 Uhr „Springt er ins Wasser?“
Lesenlernen im literarischen Kontext
Prof. Dr. Lis Schüler
10.45 Uhr Kaffeepause
11.15 Uhr Workshop Band I
● Jedes Kind liest sein eigenes Buch?
Heterogenität als Chance
Astrid Dörnhoff, Berlin
● Die Gestaltung von Raum und Impulsen für das selbstständige
Lesen von Kinderliteratur im Unterricht
Claudia Baark und Nicole Tietze
● Mehrsprachigkeit als Chance – interkulturelles
Lernen mit Kinderbüchern
Dr. Nadine Naugk und Nina Conzen
● Willkommen im Literarischen Café!
Dr. Claudia Rathmann
● Interaktive Literaturzugänge durch
digitale Medien ermöglichen
Ralph Thielbeer und Thekla Mayerhofer
● Meet und Talk: Mit Mitgliedern des GSV im Austausch
Chris Barnick, Bremen
12.45 Uhr Mittagspause
13.45 Uhr Diskurs: Literarische Bildung im Zeitalter der
Mindeststandards – ein Widerspruch?
Marion Gutzmann und Dr. Stefanie Granzow,
Moderation: Dr. Christoph Jantzen
14.45 Uhr Kaffeepause
15.00 Uhr Workshop Band II
● Book Slam – Bücher im Wettstreit um
die Gunst der Kinder
Dr. Stephanie Jentgens
● Politisch denken lernen mit einem Bilderbuch – oder:
Kommt hier wirklich keiner durch?
Dr. Christian Fischer und Prof. Dr. Michael Ritter
● Und was denkst du? Gespräche über Literatur
Dr. Alexandra Ritter und Dr. Christoph Jantzen
● Lese-Hör-Kisten als (Vor-)Schuleinstieg in
den Schriftspracherwerb
Dr. Astrid Henning-Mohr
● Selbstwirksamkeit durch literarische Zukunftsreisen:
Impulse für eine nachhaltigkeitsorientierte Literaturdidaktik
Dr. Elisabeth Hollerweger
● Meet und Talk: Mit Mitgliedern des GSV im Austausch
Chris Barnick, Bremen
16.30 Uhr Get-together
GS aktuell 169 • Februar 2025
35
Praxis: Rundschau Schrift und Schreiben über die Fächer hinaus
Norden ist oben, Europa in der Mitte – so bin ich aufgewachsen, das habe ich in der Schule gelernt
Karten, Kontinente, Kontroversen
Geografische Karten sind Nachbildungen
der Erde. Wobei ein
dreidimensionales Gebilde niemals
auf einer zweidimensionalen Fläche
eins zu eins dargestellt werden kann.
Das ist das Dilemma der Kartenerstellung:
Die Oberfläche einer Kugel
kann nicht ohne Verzerrung in einer
Ebene abgebildet werden, es handelt
sich also um eine Projektion. Immer
gibt es Abstriche bei Winkeln, Streckenlängen
oder Flächen. Es kann also keine
„richtige“ Projektion geben.
Karten vereinfachen die
Wirklichkeit, aber sie schaffen sie
dadurch auch
Ich habe die Erde mithilfe einer Mercator-Karte
kennengelernt. Gerhard
Mercator versuchte, eine winkelgetreue
Karte der Welt zu erstellen, die in der
Seefahrt zur Navigation eingesetzt werden
konnte. Er nutzte die zylindrische
Projektion, um die Länder vom Globus
auf eine Karte zu übersetzen: Jeder
Punkt des Globus wird von seinem
Mittelpunkt aus auf einen theoretisch
umliegenden Zylinder projiziert, der die
Erde am Äquator berührt. Damit erhält
man eine rechtwinklige Karte.
Das Problem in der Darstellung der
Länder fällt vielen Betrachtenden vielleicht
zunächst gar nicht auf. So wie
ich in der Schule die Mercator-Projektion
kennenlernte, ging auch ich davon
aus, dass das die „richtige“ Art der
geografischen Darstellung der Erde ist.
Die Größe der Länder ist jedoch nicht
wirklichkeitsgetreu, denn je weiter man
Richtung Pole schaut, desto größer werden
die Länder dargestellt. Das bezeichnet
man in der Kartografie auch als das
Grönland-Problem: Grönland sieht fast
so groß aus, wie der komplette afrikanische
oder südamerikanische Kontinent.
Schauen Sie dazu heute Abend mal aufmerksam
hinter die Nachrichtensprecherin
bei der Tagesschau. In Wirklichkeit
passt Grönland aber 14-mal in die
Fläche von Afrika. Wie das genau aussieht,
lässt sich mithilfe einer interaktiven
Karte ausprobieren (siehe Infokasten).
Für die Navigation auf See mag die
Winkeltreue wichtiger gewesen sein, als
die Flächentreue, aber heutzutage wird
auf See mithilfe von GPS-Daten navigiert.
Warum hält sich die Mercator-
Projektion bis heute als Standard? Sie ist
weiterhin die Grundlage für viele Kartendienste
und Routenplaner wie Google
Maps. Rechtwinklige Straßen sind auch
auf der Karte rechtwinklig angezeigt, daran
kann man sich gut orientieren und
im Nahbereich ist die Größenverzerrung
minimal. Aber auch die zentrale Position
Europas in der Mitte oben hat ihren Anteil
daran, dass sich diese Kartenvariante
hartnäckig hält, schreibt sich damit doch
die globale Hegemoniestellung über die
Jahrhunderte hinweg fort.
Rachel Rentz
M. A. Kulturwissenschaft, seit Januar
2023 wissenschaftliche Mitarbeiterin im
Projekt „Eine Welt in der Schule“
Perspektiven wechseln!
Es macht einen Unterschied, wie ich
etwas lerne und wie sich meine Bilder
im Kopf zusammensetzen. Bekomme
ich in der Schule Angebote, mich mit
anderen Perspektiven auseinanderzusetzen?
In meiner Schulzeit war das
nicht der Fall. Erst auf einem Seminar
wurden meine Sehgewohnheiten durcheinandergeschüttelt.
Da hing eine Karte
„auf dem Kopf “. Der Nordpol war unten
und alle Länder- und Hauptstadtnamen
in dieser Ausrichtung lesbar. Überschrieben
war sie mit der Aufforderung:
„Perspektiven wechseln!“
Diese Karte begegnete mir dann einige
Jahre später hier im Projekt wieder.
Neben ihr haben wir noch weitere
große Karten im Ausleihservice, die,
aus Lkw-Plane hergestellt, gut dafür geeignet
sind, sie auf dem Schulhof oder
im Klassenraum auszulegen und zu begehen
(zwei Praxisbeispiele dazu finden
sich in unserer Projektzeitschrift, siehe
Infokasten). Bei allen Karten handelt es
sich um die flächengetreue Gall-Peters-
Projektion, und es ist nicht klar festgelegt,
wo „oben“ und „unten“ ist.
Neben den Karten gibt es drei Holzpuzzles
im Ausleihbestand: Afrika, Lateinamerika
und Asien. Die Puzzles sind dafür
geeignet, sich die Dimensionen von
Kontinenten klarzumachen, die mitunter
unscharf als „ein“ Land im Diskurs benannt
werden. Bei allen Puzzles, ebenfalls
in der Gall-Peters-Projektion, ist ein Vergleichspuzzlestück
von Deutschland dabei,
um z. B. über Größe und Bedeutung
von Ländern ins Gespräch zu kommen.
Die Arbeit mit den Puzzles kann Antworten
geben auf Fragen wie: Aus welchen
und wie vielen einzelnen Ländern setzt
sich ein Kontinent zusammen? Wie fühlen
sich Staatsgrenzen an und warum sind
manche Grenzen wie mit dem Lineal gezogen?
Wie groß sind Länder im Vergleich
mit Deutschland? Durch den haptischen
Zugang können die Kontinente in ihren
Ausmaßen und Formen „begreifbar“ und
„befühlbar“ gemacht werden. Auch Kolonialismus,
westlicher Imperialismus und
Eurozentrismus lassen sich damit einführen
und anschaulich besprechen.
Mithilfe dieser Materialien können
Schüler:innen ihre eigene Positionierung
in der Welt kritisch betrachten und hinterfragen.
Zentraler Gedanke dabei ist,
dass Darstellungen nicht nur versuchen,
die Wirklichkeit abzubilden, sondern
auch die Wirklichkeit im eigenen Kopf
schaffen. Aus diesem Grund ist es wich-
Perspektiven wechseln
36
GS aktuell 169 • Februar 2025
Praxis: Schrift und Schreiben über die Fächer Rundschau hinaus
Rundschau
tig, sich bewusst zu machen, dass es nicht
nur eine Sichtweise auf die Erde gibt, sondern
vielfältige Darstellungen nebeneinander
existieren, auch wenn Google Maps
uns vielleicht einen anderen Eindruck
vermittelt. Spannender Gedanke, Europa
mal als asiatische Halbinsel zu sehen,
oder? Ermöglichen Sie Ihren Schüler:innen
einen Perspektivwechsel, sodass ihre
Sehgewohnheiten nicht erst als Erwachsene
(oder nie) aufgebrochen werden!
Rachel Rentz
Linktipps
Wie verändern sich Ländergrößen je nach Lage auf der Mercator-Karte?
www.thetruesize.com
Können Sie die Länderumrisse auf der Mercator-Karte richtig zuordnen?
www.bramus.github.io/mercator-puzzle-redux
Unterschiedliche Projektionsarten: Warum sieht die Erde hier ganz anders aus?
www.jasondavies.com/maps/transition
Praxisbeispiele für die Weltkarte als Planen finden sich in Eine Welt in der Schule
Nr. 153/Dez. 2023, beziehbar unter
www.weltinderschule.uni-bremen.de/die-zeitschrift/inhalte-ausgaben.html
Meine Reise als Quereinsteigerin
Zwischen Wachstumsschmerz und
dem Mut zur Veränderung
Nachdem wir Grundschule aktuell 167 der Thematik Lehramt studieren – Lehrkraft werden
– Lehrkraft sein gewidmet haben, greifen wir punktuell in der Rundschau weitere
Beiträge zur Lehrkräftebildung auf.
Mit dem folgenden Beitrag stellt sich Kristin van der Meer als Quereinsteigerin vor. Als
Gegenbild zu den immer wieder publizierten Geschichten des Scheiterns ist dies eine
Ermutigung, die auch zeigt, wie sehr es auf die einzelne Person ankommt. Als ein Beispiel
für einen gelingenden Quereinstieg steht aber auch die Schule, die viel Vertrauen
und Freiraum für die Erprobung neuer Lernwege bereitgestellt hat.
In einem weiteren Beitrag beschreibt Stefanie Wendt ihre Erfahrungen mit Unterschieden
der Lehramtsausbildung in Berlin und Wien. Mit Blick auf den Bologna-Prozess stellt
sie fest, dass Studienleistungen eben nicht länderübergreifend gleiche Anerkennung
finden. Sie analysiert Wirkungen auf ihre persönliche Professionalisierung und sieht auf
Basis der unterschiedlichen Stärken Entwicklungschancen für beide Systeme.
Ich heiße Kristin van der Meer, bin
43 Jahre alt und Mutter von vier
Kindern. Mein Weg in die Schule
begann jedoch an einem ganz anderen
Ort. Ursprünglich habe ich Politik studiert
und viele Jahre in diesem Bereich
gearbeitet. Irgendwann entschloss ich
mich, wegen meiner Kinder in den
öffentlichen Dienst zu wechseln, und
verbrachte acht Jahre bei der Arbeitsagentur.
Die Arbeit dort hatte Struktur,
Stabilität – all das, was ich als Mutter in
einer großen Familie schätzte.
Danach bewarb ich mich an der
Grundschule meiner Kinder – einem
Ort, der mich schon lange inspirierte.
Die Neue Grundschule Potsdam hatte
meinem eigenen Kind und mir als Familie
Halt gegeben, als wir das Gefühl hat-
ten, dass das System uns im Stich ließ.
Die Schulleitung hatte mich damals als
Mutter ernst genommen, unsere Herausforderungen
erkannt und mir das Gefühl
gegeben, wirklich gesehen und verstanden
zu werden. Diese Schule wollte Veränderung.
Hier wurden neue Wege eingeschlagen,
hier gab es den Mut, Schule
anders zu denken – und das faszinierte
mich von Anfang an. Also wagte ich den
Schritt: das Leben meiner Familie und
mein eigenes Leben in neue Bahnen zu
lenken und vom strukturierten Alltag der
Arbeitsagentur in die lebendige Welt der
Grundschule einzutauchen.
Meinen ersten Tag als Lehrerin werde
ich wohl nie vergessen: Kaum angekommen,
übernahm ich die Klassenleitung
einer fünften Klasse. Von Anfang
Kristin van der Meer
ist seit 2017 Lehrerin an der Neuen
Grundschule Potsdam. Neben ihrer
Tätigkeit als Lehrerin engagiert sie sich
als Bildungsinfluencerin, um innovative
Ideen und inspirierende Ansätze mit
anderen zu teilen.
an wurde ich von dem Kollegium unterstützt
und begleitet, und doch waren da
all die Unsicherheiten eines Quereinstiegs.
In Brandenburg beginnt man als
Quereinsteigerin mit einer pädagogischen
Grundqualifikation von 500 Fortbildungsstunden,
bevor man eine unbefristete
Unterrichtserlaubnis erhält.
Auch heute höre ich oft den Satz „Aber
ich habe es ja studiert“, wenn es um den
Lehrerberuf geht – als ob das Studium
allein genügte, um den Herausforderungen
des Schulalltags gerecht zu werden.
Doch auch ich habe studiert. Zudem
habe ich als Mutter von neurodivergenten
Kindern die Schwächen des Bil-
GS aktuell 169 • Februar 2025
37
Praxis: Rundschau Schrift und Schreiben über die Fächer hinaus
dungssystems kennengelernt. Ich spürte
tief in mir den Wunsch, nicht länger nur
Zuschauerin zu sein, sondern aktiv etwas
zu verändern.
Und so begann mein Abenteuer im
Schulwesen – ein Schritt ins Unbekannte,
mit der festen Absicht, die Welt für
meine Kinder und all die anderen Kinder
ein Stück weit besser zu machen. Die
ersten Tage waren aufregend, herausfordernd
und voller neuer Erfahrungen.
Meine neue Rolle als Lehrerin öffnete
mir einen völlig anderen Blick auf das
Schulsystem, und ich erkannte schnell,
dass es hier nicht nur um Lehrpläne und
Fächer ging. Hier ging es darum, den
Kindern zuzuhören, ihnen Raum zu geben
und sie auf ihrem individuellen Weg
zu fördern.
Der Weg zur Kompetenzorientierung:
mehr als nur
Stoffvermittlung
Nach dem Lockdown kehrten die Schülerinnen
und Schüler in einem Wechselbetrieb
in die Schule zurück, und plötzlich
war alles anders. Der Unterricht,
wie wir ihn kannten, funktionierte nicht
mehr. Die Kinder waren nicht mehr
in der Lage, sich 90 Minuten lang auf
Frontalunterricht zu konzentrieren.
Diese Erfahrung gab mir die Möglichkeit,
endlich den Unterricht zu öffnen
und neue Wege zu gehen – weil es gar
nicht anders ging. Mir wurde klar, dass
das bloße Abschreiben eines Merksatzes
von der Tafel noch lange nicht bedeutet,
dass die Kinder den Inhalt wirklich verstehen.
Abschreiben allein ist nur ein
mechanischer Vorgang, ähnlich wie
Copy and Paste, und ohne tieferes Verständnis
führt er nicht zum Kompetenzerwerb.
Das war der Beginn meines persönlichen
Weges zur Frage: Was möchte ich
erreichen? Was sollen die Schülerinnen
und Schüler wirklich können, wenn sie
meine Klasse verlassen? Dabei begann
ich, mich intensiv mit dem Begriff der
Kompetenz auseinanderzusetzen. Unser
Rahmenlehrplan ist seit 2017 kompetenzorientiert,
doch mir war aufgefallen,
dass im Kollegium und auch in den Gesprächen
mit Fachleuten selten konkret
darüber gesprochen wurde, was Kompetenz
in der Praxis bedeutet. Ich entschied,
den Rahmenlehrplan Stück für
Stück aufzubereiten und Kompetenzraster
zu erstellen.
Dabei wurde mir bewusst: Wissen allein
reicht nicht. Eine Kompetenz entsteht
erst, wenn man Wissen in die Praxis
umsetzen kann. Ein Beispiel: Das
Einmaleins auswendig zu lernen, ist
Wissen. Aber erst die Fähigkeit, es in
einer Alltagssituation anzuwenden, wie
das Anpassen eines Rezepts für mehrere
Personen, macht es zu einer Kompetenz.
Dieses Verständnis eröffnete mir neue
Möglichkeiten. Anstatt nur Buchseiten
und Arbeitshefte abzuarbeiten, richtete
ich meinen Unterricht nun darauf aus,
den Schülerinnen und Schülern Werkzeuge
an die Hand zu geben, die sie tatsächlich
brauchen, um selbstständig und
anwendungsorientiert zu lernen.
So begann ich, meinen Unterricht zu
transformieren – weg vom reinen Stoff
und hin zu echten, lebendigen Kompetenzen.
Der Start ins selbstregulierte
Lernen: Vertrauen und
Partizipation ab Tag eins
Dann bekam ich von meiner Schulleitung
eine wundervolle Aufgabe, die
mein weiteres pädagogisches Wirken
entscheidend prägen sollte. Sie schenkte
mir, einer Quereinsteigerin, großes
Vertrauen und übergab mir die Verantwortung
für eine erste Klasse. Dieser
Schritt war für mich der Beginn einer
intensiven Reise ins selbstregulierte Lernen.
Ohne dass ich das Churer Modell
kannte, folgte ich meinem Bauchgefühl
und setzte von Anfang an auf Partizipation.
Für mich als Diplompolitologin
war es logisch: Kinder brauchen
keine extra Unterrichtseinheit, um
Demokratie zu verstehen oder mündige
Bürger:innen zu werden – sie müssen
Demokratie erleben. Deshalb entschied
ich, meinen Unterricht nicht nur für
die Kinder zu konzipieren, sondern mit
ihnen gemeinsam zu gestalten.
Natürlich gab es Momente des Zweifelns.
Ich fragte mich oft, ob ich es wirklich
schaffen würde, ob die Kinder bei mir
das Lesen und Schreiben lernen würden.
Doch meine Schulleitung stand fest hinter
mir und ermutigte mich: „Du wirst
es schaffen. Jeder lernt irgendwann lesen
und schreiben.“ So begann ich, meinen
Unterricht zunächst hinter verschlossenen
Türen zu gestalten, aus Angst, dass mein
unkonventioneller Ansatz infrage gestellt
werden könnte, da ich ihn zunächst nur
aus dem Bauch heraus gestaltete.
Nach und nach begann ich jedoch,
mein Vorgehen auch wissenschaftlich zu
fundieren, mich tiefer mit dem selbstregulierten
Lernen auseinanderzusetzen,
um meine Ansätze besser begründen zu
können. Das stärkte mein Selbstvertrauen,
und so öffnete ich langsam meine
Klassentür, legte den vorgegebenen Wochenplan
zur Seite und ließ die Kinder
im eigenen Tempo und nach eigenen Interessen
arbeiten. Das fühlte sich richtig
an, und die Evaluationen, darunter auch
die VERA-Orientierungsarbeiten, bestätigten
den Erfolg. Es war ein guter und
richtiger Weg, den die Schülerinnen und
Schüler zusammen mit mir gingen.
Offenheit in sozialen Netzwerken
und der Weg zur digitalen
Transformation
Es blieb nicht nur bei der Öffnung meiner
Klassentür; ich begann auch, mich
den sozialen Netzwerken zu öffnen.
Immer noch hatte ich die Worte meiner
Seminarleiterin im Kopf: „Machen
Sie eine Lobby für Quereinsteigerinnen
und Quereinsteiger.“ Ich sah nun meine
Chance, zu zeigen, dass wir Quereinsteigerinnen
und Quereinsteiger den
Mut haben, anders zu denken, Neues zu
wagen und auszuprobieren – auch ohne
die Gewissheit, dass es funktioniert.
Einfach machen. Und darüber habe ich
gesprochen, laut und öffentlich.
Mit wachsender Präsenz in den sozialen
Medien wurde auch unsere Schule
immer sichtbarer. Dieser Weg wäre ohne
den Rückhalt meiner Schulleitung und
Kolleginnen und Kollegen nicht möglich
gewesen. Oft hatte ich mit Selbstzweifeln
zu kämpfen, fragte mich, ob ich die Herausforderungen
und die Widerstände
bewältigen könnte. Doch die Unterstützung
und der Mut, den ich in mir fand,
halfen mir, weiterzugehen und das zu
tun, woran ich glaubte: Kinder auf ihrem
Weg zu selbstbewussten, mündigen Bürgerinnen
und Bürgern zu begleiten.
Gleichzeitig begann ich, meinen
Unterricht zu digitalisieren, was eine
enorme Entlastung für mich und die
Kinder war. Die Schülerinnen und Schüler
konnten schneller Feedback erhalten,
ohne ständig auf mich warten zu müssen.
Über die sozialen Netzwerke traf
ich auf eine Kollegin aus Bayern, die
meinem Aufruf folgte, digitale Lernbüros
für das Fach Deutsch gemeinsam zu
erstellen.
38
GS aktuell 169 • Februar 2025
Praxis: Schrift und Schreiben über die Fächer Rundschau hinaus
Rundschau
Diese Zusammenarbeit eröffnete neue
Möglichkeiten: Wieso sollten solche Einheiten
nicht bundesweit gemeinsam entwickelt
werden? Die Inhalte sind doch in
allen Bundesländern ähnlich.
Diese Kollegin führte mich in ein
Netzwerk ein, in dem ich heute vor Hunderten
von Lehrkräften Webinare halte
und meinen Ansatz des selbstregulierten
Lernens teile. Sie zeigte mir das Konzept
der Atelierarbeit, das mir besonders
im Sachunterricht neue Wege eröffnete,
aber auch in anderen Fächern einsetzbar
ist. Die Differenzierung erfolgt hier über
das Thema, sodass alle Kinder auf ihrem
eigenen Niveau arbeiten können, ohne
auf einen Nachteilsausgleich angewiesen
zu sein.
Mein Weg ist nicht immer leicht, aber
ich habe den nötigen Rückhalt, und ich
weiß, dass vielen Kolleginnen und Kollegen
in Deutschland dieser fehlt. Deshalb
nutze ich weiterhin meine Stimme
in den sozialen Netzwerken, um Mut zu
machen und andere zu inspirieren, sich
ebenfalls auf diesen Weg zu begeben
und vielleicht sogar in diesen wunderbaren
Beruf einzusteigen.
Ich werde wohl nie das Gefühl verlieren,
dass ich mich anstrengen muss, um
meinen Platz im System zu finden. Doch
inzwischen habe ich erkannt, dass dieser
Druck auch eine Stärke ist: Er hält mich
wach, neugierig und offen für neue Impulse.
Indem ich mich ständig fortbilde und
bereit bin, meine pädagogische Praxis zu
hinterfragen, entwickle ich mich selbst immer
weiter und bleibe an den Bedürfnissen
der Schülerinnen und Schüler orientiert.
Kristin van der Meer
Was Deutschland und Österreich voneinander lernen können
Ein Erfahrungsbericht über das
Grundschullehramtsstudium in Berlin und Wien
Die Ausbildung von Grundschullehrkräften
ist ein zentraler
Baustein für die Qualität des
Bildungssystems. Ein Vergleich der
Lehramtsausbildung in Berlin und Wien
offenbart interessante Unterschiede.
Als ich mich in Berlin exmatrikulierte,
rechnete ich damit, dass der Wechsel
nach Österreich reibungslos funktionieren
würde. Schließlich förderte der
Bologna-Prozess die Anerkennung von
Studienleistungen innerhalb Europas.
So weit die Theorie, die Realität sah anders
aus: Um den vollen Anforderungen
in Wien gerecht zu werden, musste ich
mein Bachelorstudium der Primarstufenpädagogik
um weitere Semester erweitern.
Dadurch bot sich mir die besondere
Möglichkeit, die Ausbildungsansätze
aus zwei Ländern direkt miteinander
zu vergleichen.
Stefanie Wendt,
Volksschullehrerin mit Schwerpunkt
Sonderpädagogik, studierte in Berlin
und Wien. Sie unterrichtete an einer
Volksschule der Stadt Wien und absolviert
derzeit ihren Master.
Theoretische Tiefe trifft Praxisnähe
Zu Beginn meines Studiums an der
Freien Universität Berlin stand die Wahl
des Schwerpunkts – gesellschaftswissenschaftlich
oder naturwissenschaftlich
– im Vordergrund. Die ersten Vorlesungen
vermittelten mir das Gefühl,
dass mein Studium nun wirklich
begonnen hatte. Besonders in Deutsch
und Mathematik wurden Fachdidaktik
und didaktische Grundlagen klar voneinander
getrennt betrachtet. Der
Sachunterricht ermöglichte vielfältige
Zugänge und war geprägt von umfangreichen
Prüfungen. Die erste Praxiserfahrung
bot ein sechswöchiges Praktikum
im zweiten Semester. Besonders
schätzte ich die Begegnungen mit Studierenden
aller Schulformen auf dem
Campus. Durch meine Tätigkeit als
Werkstudentin in Forschungsprojekten
konnte ich die Berliner Forschungskultur
erleben, die Theorie und empirische
Bildungsforschung eng verknüpft.
2020 ergab sich durch ein berufliches
Angebot an meinen Mann die Möglichkeit,
nach Wien zu ziehen. Mit meinen
Erfahrungen als examinierte Gesundheits-
und Krankenpflegerin reizte mich
besonders die Perspektive, an der Heilstättenschule
zu arbeiten. Ziel der Heilstättenschule
ist – egal ob in Kliniken,
im Hausunterricht, den Basalen Klassen
oder den Mobilen Bereichen – die bestmögliche
kognitive und soziale Teilhabe
und Förderung aller Kinder. Während
ich in Berlin in Bibliotheken Theorie
büffelte, stand ich in Wien plötzlich
im Klassenzimmer und wendete meine
Kenntnisse praktisch an – ein Unterschied,
der mich forderte und inspirierte.
Die Pädagogische Hochschule Wien
überraschte mich mit einem praxisorientierten
Ansatz und einem breit gefächerten
Curriculum, das auch kreative
Fächer wie Musik und Sport umfasste.
Die „pädagogisch-praktischen Studien“
stellen hier das Herzstück der Ausbildung
dar: Studierende verbringen jedes
Semester zwölf Tage an Schulen, erhalten
begleitetes Feedback und besuchen
Seminare zur Reflexion ihrer Erfahrungen.
Ab dem vierten Semester werden
Spezialisierungen wie Inklusion, sprachliche
Bildung, Science and Health sowie
Kreativität angeboten. Anders als in Berlin
ist die Forschung hier eher isoliert:
Der Austausch und der Einsatz studentischer
Hilfskräfte fehlen, was den Zugang
zur wissenschaftlichen Arbeit einschränkt.
GS aktuell 169 • Februar 2025
39
Praxis: Rundschau Schrift und Schreiben über die Fächer hinaus
Unterschiedliche Wege,
gemeinsames Ziel
Neben den strukturellen Unterschieden
fällt die unterschiedliche gesellschaftliche
Wahrnehmung der Studiengänge
in beiden Ländern auf. In Berlin studieren
angehende Grundschullehrkräfte
gemeinsam mit jenen für die Sekundarstufen
I und II, was zu einer deutlich
tieferen fachlichen Ausbildung führt.
Die intensive Auseinandersetzung mit
den Fachdisziplinen befähigt deutsche
Grundschullehrkräfte, als spezialisierte
Fachlehrer:innen zu agieren – sei
es in Mathematik, Deutsch oder den
Naturwissenschaften. Diese fachliche
Tiefe ermöglicht einen qualitativ hochwertigen
und differenzierten Fachunterricht
von Anfang an.
In Wien konzentriert sich die Ausbildung
ausschließlich auf die Volksschule.
Dies schafft eine intensive Praxisnähe
und ermöglicht eine spezifische Fokussierung
auf die individuellen Bedürfnisse
und Entwicklungswege der Kinder. Besonders
beeindruckt hat mich, dass verschiedene
pädagogische Konzepte wie
Montessori und Reggio oder Elemente
der sensorischen Integrationstherapie
und der fächerübergreifenden Rhythmik
(Musik, Bewegung, Sprache, Medien)
nicht nur theoretisch behandelt,
sondern aktiv im Studium gelebt werden.
Diese pädagogische Vielfalt ermöglicht es
den künftigen Lehrkräften, bewusst ihren
eigenen Unterrichtsstil zu entwickeln und
flexibel auf die unterschiedlichen Persönlichkeitstypen
ihrer Schüler:innen einzugehen.
Der Fokus liegt dabei stärker auf
der ganzheitlichen Entwicklung des Kindes
und der pädagogischen Vermittlung
grundlegender Inhalte als auf der fachlichen
Durchdringung der einzelnen
Unterrichtsfächer.
Fazit und Ausblick
Trotz der komplementären Stärken beider
Ausbildungssysteme und deren
Potenzial für eine vielfältigere Bildungslandschaft
durch die unterschiedlichen
Erfahrungen der Lehrpersonen bleibt
ein reibungsloser Wechsel zwischen den
Systemen schwierig. Entgegen den Zielen
des Bologna-Prozesses, der eigentlich
die Mobilität von Studierenden fördern
sollte, verhindert die mangelnde
gegenseitige Anerkennung von Studienleistungen
einen direkten Übergang.
Deutsche Universitäten zweifeln an
der Gleichwertigkeit praxisorientierter
österreichischer Module, während
österreichische Hochschulen die theoretische
Ausrichtung deutscher Studienleistungen
als praxisfern einstufen.
Beide Ansätze haben ihre Stärken.
Das praxisorientierte, ganzheitliche
Wiener Modell bildet Lehrkräfte aus,
die dem Grundschulalltag souverän begegnen
können. Der Berliner Ansatz
vermittelt eine tiefer gehende fachliche
und theoretische Fundierung. Eine Balance
zwischen den Stärken beider Systeme
wäre wünschenswert: Die Implementierung
semesterbegleitender Schulpraktika
in Deutschland, eine Stärkung
der Forschungskultur in Österreich sowie
Kooperationsprogramme zwischen
den Hochschulen und Universitäten beider
Länder. So könnte eine Lehrkräftebildung
entstehen, die Theorie und Praxis
optimal verbindet und dem Grundschullehramt
in beiden Ländern zu
mehr Anerkennung verhilft.
Stefanie Wendt
Zeit für Kinder
Der Rechtsanspruch auf ganztägige Bildung – Eckpunkte
des Grundschulverbands zur Ganztagsschule
Seit 2003 von der damaligen
Bundesbildungsministerin Bulmahn
mit dem Investitionsprogramm
„Zukunft Bildung und
Betreuung“ die Weichen für Ganztagsschulen
gestellt wurden, hat sich der
Ganztagsschulausbau in Deutschland
nur sehr langsam und, der föderalen
Struktur geschuldet, in großer Unterschiedlichkeit
entwickelt. Gleichzeitig
sorgten seitdem der gesellschaftliche
und kulturelle Wandel dafür, dass sich
die Erwartungen an Schulen und deren
Bildungsauftrag ständig erhöhten. Die
Forderung nach mehr Chancengerechtigkeit
und der Bedarf an mehr
Ganztagsversorgung, um die Berufs-
tätigkeit von Eltern, insbesondere von
Müttern, zu ermöglichen, brachten weitere
Herausforderungen für die Grundschulen.
Da der Rechtsanspruch auf
einen Platz in Kindertageseinrichtungen
und in der Kindertagespflege längst
gesetzlich festgelegt war, war die Ausweitung
der Schul- und Bildungszeit in
der Grundschule eine konsequente und
logische Folge. Als bildungs-, familienund
sozialpolitisches Vorhaben von
Bund und Ländern wurde der Rechtsanspruch
auf ganztägige Bildung,
Betreuung und Förderung von Kindern
im Grundschulalter schließlich 2021 im
Achten Sozialgesetzbuch verankert und
soll ab 2026 stufenweise umgesetzt werden.
Im Zusammenhang mit den seit
Jahren stetig steigenden Schüler:innenzahlen
stehen die Länder und Kommunen
damit personell und finanziell vor
einer Mammutaufgabe.
Ganztagsschule braucht
Entwicklungszeit und ist kein
Selbstläufer
Die Grundschule ist Ort der Begegnung
von Kindern aus unterschiedlichen
Lebenskontexten und Kulturen und
die Bildungseinrichtung, die für die
Vermittlung der Kulturtechniken Verantwortung
trägt. Sie braucht im Rahmen
des Auftrags zur Ganztagsentwicklung
die Absicherung von Res-
40
GS aktuell 169 • Februar 2025
Praxis: Schrift und Schreiben über die Fächer Rundschau hinaus
Rundschau
sourcen und Unterstützung, um die
strukturellen und organisatorischen
Veränderungen schultern zu können.
Wenn Kindern durch ganztägige Förderung
eine chancengerechtere und weniger
von der Herkunft abhängige Bildungsentwicklung
ermöglicht werden
soll, wenn für Eltern mit dem Ganztagsausbau
eine bessere Vereinbarkeit
von Familie, Beruf und Schule zu schaffen
ist, was insbesondere im Interesse
der Wirtschaft liegt, müssen Bedingungen
angepasst werden. Neben dem
inklusiven Anspruch auf individuelle
und chancengerechte Bildungsentwicklung
gilt es gerade im Ganztag, vielfältige
Möglichkeiten für Partizipation zu
schaffen, um die Teilhabe der Schülerinnen
und Schüler an Entscheidungen
über ihren Lernprozess und über die Gestaltung
des Schullebens zu sichern und
um den anspruchsvollen Unterrichtsund
Schulentwicklungsprozess gelingend
gestalten zu können.
Aus Sicht des Grundschulverbands
müssen Ganztagsschulen neben ihrem
emanzipatorischen Auftrag, attraktive
Bildungsorte sein, die allen Kindern
gute Bildungsangebote bereitstellen. Die
Ganztagsschule muss mehr sein als die
Verlängerung der Schultage, sie muss für
alle Kinder der Schulgemeinschaft einen
rhythmisierten Tages- und Wochenablauf
gewährleisten.
Ganztagsschulen sind inzwischen
in allen Bundesländern Teil der Schullandschaften,
eine Entwicklung, die der
Grundschulverband begrüßt, dabei aber
gleichzeitig auf den hohen Ausbaubedarf
hinweist sowie auf die Notwendigkeit,
einen abgestimmten Qualitätsrahmen
zu vereinbaren. Die ohnehin zögerliche
Entwicklung der Ganztagsförderung hat
primär in den westlichen Bundesländern
zu einer Vielfalt an Organisationsformen
geführt, die von der traditionellen oder
verlässlichen Halbtagsschule mit freiwilligen
nachmittäglichen Betreuungsangeboten
bis zur gebundenen Ganztagsschule
mit obligatorischer Anwesenheit
aller Kinder am Nachmittag reicht. Dieser
Vielfalt liegen bildungspolitische Erwägungen
der Länder, der jeweilige Ressourcenrahmen,
die unterschiedlichen
Bedarfslagen von Eltern sowie lokale
Entwicklungen zugrunde.
Klarzustellen ist, dass Systeme, die
additiv oder als „offene Ganztagsschule“
organisiert sind, nicht für alle Kinder
Maresi Lassek,
Landesgruppe Bremen, Schulleiterin i. R.,
von 2010 bis 2020 Vorsitzende des
Grundschulverbands
neue Lernchancen bereitstellen (können).
Solche Konzepte führen zwangsläufig
den traditionellen Halbtagsunterricht
nach Stundentafel für alle weiter
und bieten darüber hinaus zusätzliche
nachmittägliche Bildungs- und Betreuungsangebote
für den Teil der Kinder,
deren Eltern dies wünschen oder auf
eine den Unterricht ergänzende Betreuung
angewiesen sind und die Zusatzkosten
finanziell aufbringen können. Verbundkonzepte
zwischen Schule und Jugendhilfe
mit additiven Hort- und Betreuungsangeboten
haben ähnliche
Voraussetzungen. Diese Konzepte können
Schritte sein in Richtung auf eine
gebundene Ganztagsschule, die den pädagogischen
Ansprüchen einer qualitätsvollen
längeren und rhythmisierten
Lernzeit für alle Kinder gerechter werden
kann.
Fast alle Grundschulen, die durch
Auszeichnungen wie dem deutschen
Schulpreis als Modelle für zeitgemäße
Grundschulpädagogik gewürdigt wurden,
sind gebundene Ganztagsschulen.
Die gebundene Form schafft den
zeitlichen Rahmen für einen ganztägig
durchgestalteten, rhythmisierten Tagesablauf
unter Beachtung der Bedürfnisse
der einzelnen Kinder. Es entfallen Gruppenwechsel
und vor allem eine Reihe
von Aushandlungsprozessen (meist mit
Eltern) über Abholzeiten.
Ganztägige Bildung – Qualitätsstandards
und Eckpunkte
Bisher fehlen bundeseinheitliche Standards
für Qualität, Konzeption, Ausstattung
und Organisation von Ganztagsschulangeboten,
sodass eine
Vergleichbarkeit oder verbindliche
Definition von Ganztagsschulen nicht
möglich ist. Um dem Auftrag zur Schaffung
von mehr Bildungsgerechtigkeit
nachkommen zu können und damit
inklusiver zu wirken, muss die Qualität
von Ganztagsschule(n) in den Mittelpunkt
der pädagogischen und politischen
Diskussion gestellt werden. Da
bundesweit große quantitative und
qualitative Unterschiede zwischen den
Ganztagsangeboten bestehen, sollte das
Ganztagsförderungsgesetz (GaFöG)
zu einer in allen Bundesländern qualitativ
anspruchsvollen Umsetzung beitragen,
Unterschiede ausgleichen, mehr
Chancengerechtigkeit sichern und zur
Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse
im Bundesgebiet beitragen. Der
Dreiklang von Bildung, Betreuung
und Erziehung, der für die frühkindliche
Bildung gilt, muss sich in Bildung,
Förderung und Betreuung von
Kindern im Grundschulalter fortsetzen.
Da trotz aller Empfehlungen die
Umsetzung in den Ländern zu unterschiedlich
ist, gilt es, unabhängig von
der Organisationsform (offene oder
gebundene Ganztagsschule, Hort und
Nachmittagsangebote) und der Trägerschaft
bundeslandübergreifende Qualitätsbereiche
zu beschreiben und als
verbindlichen Qualitätsrahmen festzulegen:
Zeitrahmen, Raumausstattung,
personelle Ausstattung, Kooperation
und das Essensangebot (s. auch https://
awo.org/wp-content/uploads/Pressemeldungen/2023/Verbaende-Aufruffuer-einen-guten-Ganztag_05_2023_0.
pdf). Dieser Qualitätsrahmen muss
darauf ausgerichtet sein, für die Kinder
Mitgestaltungsmöglichkeiten in den sie
betreffenden Angelegenheiten zu schaffen,
damit sie den Tag in seinen unterschiedlichen
Phasen aktiv und interessiert
erleben können. Ziel muss sein,
dass insbesondere junge Kinder, aber
auch Jugendliche den ganzen Tag über
ihre Zeit gern in der Schule verbringen.
● Zeit für das Lernen in rhythmisiert
gestalteten Tagesabläufen
Mit längeren schulischen Bildungszeiten
für alle Kinder soll die Grundschule den
veränderten Lebensbedingungen der
heranwachsenden Generation gerecht
werden. Ganztagsgrundschulen brauchen
einen rhythmisierten Schultag mit
Unterricht, Pausen, Essenszeiten und
unterschiedlichen Angeboten. Rhythmisierung
meint den Wechsel von
anstrengenden und entspannten Tätigkeiten,
von Ruhe und Bewegung. Basis
GS aktuell 169 • Februar 2025
41
Praxis: Rundschau Schrift und Schreiben über die Fächer hinaus
dafür ist ein umfassender Bildungsbegriff,
der neben fachlichen Kompetenzen
die Bedeutung sozial-emotionalen
Lernens, von Gesundheit, Bewegung
und der individuellen Persönlichkeitsentwicklung
einbezieht.
● Eine hochwertige Lernumwelt –
Raum für ganztägige Bildung und
Gesundheit
Das Ambiente, das wir den Kindern
zum Lernen bieten, ist von großer
Bedeutung für ihr Wohlbefinden und
elementare Voraussetzung für Lernfreude
und Schulerfolg. Je mehr Zeit
die Kinder im Schulhaus verbringen,
umso mehr wachsen die berechtigten
Ansprüche an die ästhetische Gestaltung
des Gebäudes und der Außenanlagen.
Umbauten und Neubauten bei der Einrichtung
von Ganztagsschulen brauchen
hochwertige architektonische Entwürfe.
Ganztagsfähige Schulgebäude und
Schulgelände müssen den Anforderungen
von individuellem und gemeinsamem
Lernen und von Freizeit gerecht
werden. Dazu gehören: die Bereitstellung
von mehr Fläche pro Kind, Bewegungsflächen
im Gebäude und auf dem
Außengelände, Begegnungsräume, Rückzugsmöglichkeiten,
Fachräume, auch Bibliothek
/ Mediathek und der Essensbereich.
Möglichkeiten der multifunktionalen
Nutzung des vorhandenen Raumpotenzials
können durch Raumangebote
im Umfeld der Schule ergänzt werden.
Arbeitsräume für die Mitarbeiterinnen
und Mitarbeiter sowie Beratungsräume
sind fester Bestandteil des Raumkonzepts.
Eine an gesundheitlichen und ökologischen
Maßstäben ausgerichtete und
kostenfreie Mittagsverpflegung ist elementar
für eine gute Ganztagsschule.
● Eine allseitig und fächerübergreifend
ausgerichtete Lernkultur
Eine gute Ganztagsschule orientiert sich
an den Stärken und den Interessen ihrer
Schülerinnen und Schüler. Wesentlicher
Gelingensfaktor ist ein pädagogisches
Konzept, das auf einer gemeinsamen
pädagogischen Grundhaltung basiert
und im besten Fall von allen an der Schule
beteiligten Lehrkräften, pädagogischen
und weiteren Fachkräften, Eltern
und Kindern erarbeitet, weiterentwickelt
und getragen wird. Neben den zentralen
Lernbereichen gehören vielfältige
Angebote aus Sport, Musik, Kunst und
Theater dazu, damit jedes Kind seine
besonderen Talente und Fähigkeiten einsetzen
und entwickeln kann.
● Multiprofessionelle Personalausstattung
– Kooperation und Teamarbeit –
Beteiligung und Verantwortung
Die Ganztagsschule braucht eine
bedarfsgerechte und multiprofessionelle
Personalausstattung (Fachkraft-Kind-
Relation), die nach fachlichen und
wissenschaftlichen Erkenntnissen
für den Unterricht, den Betreuungsund
den Freizeitbereich sowie für
Kooperationsanforderungen berechnet
ist. Die Ganztagsschule verändert Aufgaben
und Arbeitszeiten von Lehrkräften
und sozialpädagogischen Fachkräften.
Unterrichtliche Tätigkeit, pädagogische
und kooperative Aufgaben
sowie die Zusammenarbeit mit Eltern
und außerschulischen Partnern sind in
der Berechnung zu berücksichtigen.
Leitungskräften bzw. Leitungsteams
von Ganztagsschulen müssen erweiterte
Zeitressourcen zugewiesen werden,
um Teamprozesse und Konzepte zur
Schulentwicklung mit allen Beteiligten
erarbeiten und organisieren sowie die
erhöhten organisatorischen Planungen
leisten zu können.
Multiprofessionalität und Teamarbeit
machen eine gute Ganztagsschule aus.
Unterrichten, Erziehen und Betreuen
sind aufeinander bezogene Dimensionen
pädagogischen Handelns – keine organisatorisch
und personell trennbaren Bereiche.
Damit die unterschiedlichen Kompetenzen
von Lehrkräften und pädagogischen
Fachkräften wirksam zusammenkommen,
bedarf es enger Kooperation
und gleichberechtigter Teamarbeit, auch
um gemeinsame Verantwortung zu ermöglichen.
Für das Gelingen von Teamarbeit
sind feste Kooperationszeiten elementar.
Kooperation und Partizipation
auf allen Ebenen des Systems sind zudem
Voraussetzung für eine gelingende Schulentwicklung.
Gerade an Ganztagsschulen
ist die Beteiligung aller, insbesondere von
Kindern und Eltern, wesentlich, da hier
sehr unterschiedliche Interessen und Bedürfnisse
aufeinandertreffen.
● Zusammenarbeit im Stadtteil und
in der Region
Die Ganztagsschule bindet einen großen
Teil der Zeit von Kindern und Jugendlichen.
Erfahrungen und Bindungen
im Umfeld der Schule wie kulturelle,
sportliche, musische, künstlerische oder
soziale Angebote aus dem Stadtteil bieten
sich zur Erweiterung schulischer
Aufgaben gerade auch mit Blick auf
Teilhabe an. Außerschulische Partner
in die Schule zu holen und regelmäßig
außerschulische Lernorte zu nutzen,
verbindet die Ganztagsschularbeit mit
dem sozialen Milieu und dem Wohnumfeld.
● Schulentwicklung und Prozessbegleitung
Für die Entwicklung der Ganztagsgrundschule
gilt es, unter Beachtung der
Bedingungen der Einzelschule Konzepte
zu finden. Diese müssen dem Erziehungs-
und Bildungsauftrag sowie den
Standortbedingungen der Schule gerecht
werden, die Bedürfnisse der Kinder
berücksichtigen und, wenn möglich, die
Wünsche und Bedingungen der Eltern
einbeziehen. Der Aufbau einer Ganztagsschule
ist eine komplexe und anspruchsvolle
Schulentwicklungsaufgabe. Zuverlässige
Rahmenvorgaben und professionelle
Prozessberatung sind Voraussetzung,
auch um die Konzeptionsentwicklung
partizipativ und inklusiv zu gestalten und
die Qualitätsentwicklung zu begleiten und
zu sichern.
● Sicherung der Ressourcen
Alle Grundschulen sind durch eine ihrer
Aufgabe entsprechende personelle, sachliche
und räumliche Ausstattung in die
Lage zu versetzen, sich zu echten Ganztagsschulen
zu entwickeln. Der Grundschulverband
lehnt „Billiglösungen“ im
Bereich der institutionalisierten Kindererziehung
ab. Die Finanzierung muss
vom Schulträger, vom Bundesland, aber
auch vom Bund in angemessener Weise
getragen werden. Das Kooperationsverbot
zwischen Bund und Ländern darf
an dieser Stelle nicht zu Lasten der Kinder
gehen, die in Deutschland ohnehin
unter ungleichen Bildungsbedingungen
leben und lernen.
Maresi Lassek
42
GS aktuell 169 • Februar 2025
aktuell … aus den Landesgruppen
Baden-Württemberg
Kontakt: Edgar Bohn
edgar.bohn@gsv-bw.de, https://gsv-bw.de
Neuer Vorstand gewählt
Im Anschluss an den gut
besuchten Grundschultag in
Stuttgart fand die ordentliche
Mitgliederversammlung
mit Neuwahlen statt. Noch
standen bis zum Jahresende
einige Veranstaltungen bevor,
aber der Vorstand konnte
von sehr aktiven vier Jahren
berichten. Schon zur Routine
sind inzwischen die Regelgespräch
mit Politik und
Verwaltungsspitze geworden,
daneben die Tagungen in
Präsenz und auch online.
Acht Gewählte bilden den
neuen Kollektivvorstand (in
alphabetischer Reihenfolge):
Edgar Bohn, Inken Broocks,
Susanne Doll, Gabriele Doderer,
Taha Kuzu, Annette Pohl,
Katharina Rohrbach-Holzinger
und Christoph Straub.
Erfreulich, dass daneben
noch eine Reihe weiterer
Personen zur themenbezogenen
Mitwirkung gewonnen
werden konnten.
In der konstituierenden
Sitzung des neuen Vorstands
Ende November wurden
Von links: Katharina Rohrbach Holzinger, Inken Broocks,
Annette Pohl, Christoph Straub, Gabi Doderer, Taha Kuzu,
Susanne Doll, Thomas Irion (kooptiert), Edgar Bohn
sodann die Aufgabengebiete
neu verteilt.
Für die Landesgruppe:
Edgar Bohn
Bayern
Vorsitzende: Gabriele Klenk, Konstanze von Unold
https://grundschulverband-bayern.de
Grundschultag in Pullach
Ende November fand in
Pullach der Grundschultag
zum Thema „NachHALTig und
FAIRtieft lernen: Bildungsräume
der Zukunft“ statt.
Über 150 Interessierte aus
Schulpraxis, -verwaltung
und -forschung kamen an
diesem Samstag im Bürgerhaus
zusammen. Mit seinem
Impulsvortrag „Schule für den
ganzen Tag. Bildungsräume
für die Zukunft“ brachte
Prof. Dr. Jörg Ramseger auf
den Punkt, was es für eine
vollumfängliche, ganztätige
Bildung braucht. Er zeigte
auf, welche Veränderungen
im Klassenzimmer sofort
umsetzbar sind, indem man
beispielsweise Räume mutig
verändert und so einen kindund
zeitgemäßen Lebensraum
gestaltet. Anhand
eindrucksvoller Beispiele
aus der Schulpraxis wurde
deutlich, dass es nicht darum
geht, Kinder den ganzen Tag
zu betreuen, sondern ihnen
Bildung über den ganzen Tag
hinweg zu ermöglichen.
In den anschließenden
Workshops zum Churer-
Modell, zu mathematischen
Basiskompetenzen oder
zur kooperativen Ganztagsbildung
bis hin zum Draußen
lernen – Unterricht im Wald
– konnte jeder und jede
eigene Schwerpunkte für sich
wahrnehmen. Bei der großen
Auswahl an Themen fiel die
Wahl nicht immer leicht. In
den Pausen wurde deshalb
intensiv diskutiert und neue
Kontakte wurden geknüpft.
Genau solche Begegnungen
und ein Netzwerk mit
Gleichgesinnten braucht es
immer wieder im Schulalltag
zur eigenen Motivation, um
Überzeugungsarbeit leisten
Prof. Dr. Jörg Ramseger beim
Grundschultag Bayern
zu können und Resilienz zu
entwickeln.
In der Abschlussrunde
formulierten die TeilnehmerInnen
ihren Eindruck zu
dieser Veranstaltung in Form
einer Schlagzeile, die den
Ertrag dieses Tages möglichst
prägnant in Worte fassen
sollte.
Hier ein Auszug:
„Räume öffnen und Kinder
das Lernen gestalten lassen.“
„Habt Mut und macht!“
„Schule – dynamisch denken“
„Mutig sein und ermutigen.“
„Gute Bildung können wir ab
morgen umsetzen.“
Für die Landesgruppe:
Kathrin Ettner
GS aktuell 169 • Februar 2025
43
Praxis: aktuell Schrift … aus und den Schreiben Landesgruppen über die Fächer hinaus
Brandenburg
Vorsitzende: Denise Sommer
Gsv-Brandenburg@posteo.de, www.grundschulverband.de
Chance verpasst – Brandenburg
bleibt Mittelmaß
Das Bildungsministerium in
Brandenburg bleibt nach
der Landtagswahl in der
Verantwortung der SPD und
wird weiterhin von Minister
Freiberg geleitet. Der Koalitionspartner
BSW hätte
das Ressort nach eigenen
Aussagen gern übernommen.
Die bisherigen Festlegungen
im Koalitionsvertrag sind aus
der Sicht der Grundschulverbandes
wenig innovativ
und nicht zukunftsorientiert,
sondern eher ein „weiter so“.
Die verbindliche Einführung
von Lese- und Rechenband
soll den Bildungsbereich
nach „vorne bringen“.
Neben Fachkräftesicherung
und Qualitätssicherung
sollen Brandenburger
Grundschulen die Kernkompetenzen
Lesen, Schreiben
und Rechnen „vermitteln“.
Schon hier liegt der Widerspruch,
denn Kompetenzen
lassen sich nicht einfach
durch verbindliche Lehrpläne
„vermitteln“. Der Vorrang der
analogen Medien gegenüber
den digitalen, das Verstauen
der privaten digitalen
Endgeräte der Schülerinnen
und Schüler in den Taschen
und Schließfächern haben es
als Festlegungen in diesen
Vertrag geschafft. Ohne
die privaten Endgeräte der
Eltern hätten in der Corona-
Pandemie viele Kinder keinen
Zugang zu digitalen Lernangeboten
gehabt. Immer
noch gibt es Brandenburger
Grundschulen, die trotz des
Digitalpaktes kein einziges
digitales Endgerät für ihre
Schülerinnen und Schüler zur
Verfügung haben. Auch die
angekündigten Dienstgeräte
für Lehrkräfte sind noch nicht
bei allen Kolleginnen und
Kollegen angekommen.
Wer glaubt, dass die Einführung
verbindlicher Lehrpläne
Lehrkräfte entlastet und
gleichzeitig das Unterrichtsniveau
sichert, kennt die
Komplexität von Schule und
die Lernprozesse der Kinder
nicht. Statt eines wirklich
guten Ganztagskonzeptes
zur Bildung aller Kinder in
gemeinsamer Verantwortung
von Schule und Hort
wird Ganztagsbetreuung
favorisiert statt ganztägiger
Bildung. Immerhin soll die
Bildungsbiografie des Kindes
im Mittelpunkt stehen und
die kulturelle Bildung in
Schulentwicklungsprozessen
gestärkt werden. Unser Dank
gilt den engagierten und
motivierten Lehrkräften, die
nach wie vor mit besonderem
Blick auf das Lernen und oft
nicht einfache Leben der
Kinder an den Brandenburger
Grundschulen tätig sind.
Save the date:
Einladung zum
Grundschultag 2025
Nach dem zweiten erfolgreichen
Grundschultag 2024
„Basiskompetenzen UND
Future Skills stärken“. an
der Freien Schule Potsdam
laden wir herzlich zum ersten
Grundschultag 2025 ein. Ein
besonderes Dankeschön
gilt im Rückblick nochmals
Wenke Funke und ihrem
Kollegium, die ein herzliches
Willkommen für die Teilnehmenden
geschaffen haben.
Ein besonderer Dank gebührt
insbesondere den vier
Kolleg:innen der Schule, die
in zwei Workshoprunden ihre
Erfahrungen zur Gestaltung
eines zukunftsfähigen Grundschulunterrichts
vorgestellt
haben.
Bitte vormerken:
Thema: Schreiben im
(Fach-)Unterricht – Wie
Wörter, Sätze und Texte
„wachsen“
Ort: Grundschule Glienick,
Am Sportplatz 8,
15806 Zossen
Zeit: 8. April 2025
Für den Vorstand
Denise Sommer
Hessen
Vorsitzender: Mario Michel
mario.michel@gsvhessen.de, www.gsvhessen.de
Voller Erfolg!
Das neue Online-Format „Talk
im Südwesten“, das gemeinsam
mit den Landesgruppen
von Baden-Württemberg
und Rheinland-Pfalz aus der
Taufe gehoben wurde, kann
für den ersten Termin als
„voller Erfolg“ bezeichnet
werden. Am 21.11.2024 von
18.30 Uhr bis 19.30 Uhr trafen
sich online 52 Teilnehmende,
die sich einen Vortrag von
Martina Hehn-Oldiges als
kompetenter Expertin zum
Thema „Ermahnungssysteme
aus kinderrechtlicher Sicht“
anhörten und in den Austausch
miteinander und mit
der Expertin traten. Alle drei
Landesgruppen sind stolz
und voller Freude über die
gelungene Veranstaltung,
die offensichtlich thematisch
dicht an den Bedürfnissen
der GrundschulkollegInnen
platziert war. Einen Termin für
den zweiten „Talk im Südwesten“
gibt es auch schon
bereits. Am 6.2.2025 wird es
ein weiteres Online-Angebot
geben. Titel und Thema
werden wieder rechtzeitig
über verschiedene Kanäle
transportiert werden.
Neben dieser „Erfolgsgeschichte“
gibt es auch von
einem Präsenztreffen des Vorstandes
der Landesgruppe zu
berichten. Am 16.11.24 traf
sich dieser in der Kleeblattschule,
Langgöns-Oberkleen,
an der unser Vorstandsmitglied
Heidi Fischer die
Schulleiterin ist.
Hier war, neben der Rückmeldung
aus der kürzlich
zurückliegenden Delegiertenversammlung,
unter
anderem der zuletzt aus
Finanzierungsgründen verschobene
Hessische Grundschultag
Thema. Stattfinden
soll dieser nun im September
2025, voraussichtlich an der
Uni Gießen. Weitere Informationen
folgen.
Für die Landesgruppe Hessen
Pia Hölzel
44
GS aktuell 169 • Februar 2025
aktuell … aus den Landesgruppen
Bremen
Vorstandssprecher: Chris Barnick, c.barnick@uni-bremen.de
www.grundschulverband-bremen.de
Am 7.11. hat die Landesgruppe
zu einer Veranstaltung
zum Thema „Kinder – Zukunft
–BNE Was hat das mit
der Grundschule zu tun?“
ins Landesinstitut für Schule
eingeladen. Nach einer engagierten
Einführung durch
Ulrike Oltmanns (Projekt
„Eine Welt in der Schule“)
kamen die Teilnehmer / innen
an vier Tischen miteinander
zu folgenden Themen ins
Gespräch: Handreichung
und Materialien zu den
17 Sustain able Development
Goals; Kinder rechte; Die Welt
in Karten; Slow Fashion und
Regenwald. Die Folien des
Vortrags sind erhältlich über:
https://grundschulverband-
bremen.de/fachvortrag-
2024-bne/
Die diesjährige Mitgliederversammlung
der Landesgruppe
fand am 21.11.
im ISSU-Labor/ Lese- und
Schreibwerkstatt an der
Universität Bremen statt.
Neben einer Bilanz der Arbeit
im Jahr 2024 und einem
Ausblick auf die in 2025 anstehenden
Aufgaben haben
sich die Mitglieder darüber
ausgetauscht, wie das
„Startchancen“-Programm
in Bremen umgesetzt wird.
Dieses Thema soll durch Gespräche
mit Mitgliedsschulen
weiter verfolgt werden, um
eventuell konkrete Rückfragen
an die senatorische
Behörde zu den inhaltlichen
Schwerpunkten und dem
Verfahren der Umsetzung zu
stellen. Aus Anlass von lange
verschleppten Problemen
in einer Schule gilt das auch
für die Etablierung eines
wirksameren Beschwerde-
Managements.
In einer konzertierten Aktion
mit anderen Verbänden hat
sich die Landesgruppe mit
einem Positionspapier zur
dramatischen Lage im Bildungsbereich
an den Bremer
Senat und die in der Bürgerschaft
vertretenen Parteien
gewandt, um sie daran zu
erinnern, „das Wohl und die
Bildung der Kinder und Jugendlichen
in Bremen endlich
als Gesamtaufgabe des Senats
und aller politisch Verantwortlichen
anzunehmen und Ihrer
Verpflichtung nachzukommen,
für die junge Generation gute
und gerechte Bedingungen zu
schaffen, um damit auch die
Zukunft unserer Gesellschaft
und Demokratie zu sichern.“
Als ersten Schritt fordern die
Verbände die „Einrichtung
eines ‚Runden Tisches’ zum
Thema ‚Stärkung der Bremer
Bildung’ unter Beteiligung
des Bremer Bürgermeisters,
der Leitungen der Ressorts
Finanzen, Gesundheit,
Soziales und Bildung, der
jeweils Verantwortlichen in
der Bremer Senatskanzlei,
und der bildungspolitischen
Sprecher*innen der Parteien.
Erste Ergebnisse dieses „runden
Tisches“ sollten spätestens im
Frühjahr 2025 (Ende März) der
Bürgerschaft zur Abstimmung
vorliegen.
Wie inzwischen schon
Tradition trifft sich der Vorstand
in den ersten Wochen
des neuen Jahres zu einem
Abschlussessen, um gemeinsam
Bilanz zu ziehen und
Perspektiven für die Arbeit in
2025 zu entwickeln.
Für die Landesgruppe
Hans Brügelmann
Berlin
Kontakt: Ines Garlisch, Sabine Jennerjahn, Agnieszka von Prondzinski, vorstand@gsv-berlin.de
Wir hatten in unserem letzten
Landesgruppenbericht angekündigt,
von unserem im
ersten Schulhalbjahr 2024/25
geplanten „Herbstfest“ und
der Veranstaltung „Das mehrsprachige
Klassenzimmer“
zu berichten. Leider müssen
wir nun konstatieren, dass
hoffnungsfroh Geplantes
ziemlich schief gehen kann:
Am „Herbstfest“ Ende
September unter den
schönen alten Bäumen des
Schulhofs einer Grundschule
in Berlin-Prenzlauer Berg
war das Wetter zwar herrlich,
die Stimmung bei Kaffee
und Keksen vergnügt – aber
leider nur in der kleinen
Gruppe unserer erweiterten
Vorstandstruppe plus drei
neugierigen Mitgliedern.
Alle vorbereiteten Interaktionsangebote
konnten
wir da natürlich in die Tonne
werfen – schade!
Mehr als schade war dann
das nächste Desaster: Für
den 21. November hatten
wir zu einer Veranstaltung
„Das mehrsprachige
Klassenzimmer“ in die
schulpreisgeehrte Friedenauer
Gemeinschaftsschule
eingeladen. Breit beworben,
als Fortbildung anerkannt. 35
Kolleg*innen (!) hatten sich
bereits angemeldet, und wir
planten schon die Stehplätze
für die nicht angemeldeten
Teilnehmer*innen ein – als
vier Tage vor der Veranstaltung
beide Referentinnen
unvermittelt absagten, keine
Rücksprache mit uns, kein
Ersatz. Den konnten wir
natürlich so schnell auch
nicht organisieren und so
blieb nur übrig, die ganze
Veranstaltung kurzfristig zu
canceln.
Nun hoffen wir, dass unsere
Berliner Mitglieder dennoch
bei der Stange bleiben und
unser für 2025 geplantes
neues Format auf Resonanz
stößt: Ab Januar wollen wir
einen offenen Gesprächskreis
„Aus der Praxis für
die Praxis“ anbieten für
spontanen Ideen-Meinungsaustausch
zu aktuellen
Themen der Schulpraxis.
Abwechselnd je nach Wunsch
der Teilnehmenden online
oder in Präsenz, jeweils
am letzten Montag jeden
Monats. Bei unserem ersten
Themennachmittag am 27.
Januar geht es um „FreiDay
und BNE“; Sabine Jennerjahn
wird als Auftakt von ihren
guten Erfahrungen in einer
Jül-Klasse 4/5 erzählen.
Für die Landesgruppe:
Ines Garlisch,
Ulla Widmer-Rockstroh
GS aktuell 169 • Februar 2025
45
Praxis: aktuell Schrift … aus und den Schreiben Landesgruppen über die Fächer hinaus
Hamburg
Kontakt: Marion Lindner, Plinkstraße 81, 25337 Elmshorn
Lindner_Marion@t-online.de, https://gsvhh.de
Die Landesgruppe im
Gespräche mit der Schulbehörde
Vorstandsmitglieder unserer
Landesgruppe traf sich mit
Grundschulreferentin Frau
Greiner in der Reformschule
Winterhude zum Kennenlernen
und angeregtem
Austausch. Bereits beim
Rundgang durch Lerngruppenräume
und Lernflächen
wurden intensive Gespräche
über Eröffnung neuer
Lernwege und die Weiterentwicklung
des ganztägigen,
individualisierten Lernens
geführt. Bei der Vorstellung
unserer Arbeitsschwerpunkte
machten wir deutlich wie
schwierig es ist neue Mitglieder
zu akquirieren und für
die Mitarbeit im Grundschulverband
zu gewinnen. Frau
Greiner berichtete, dass sich
auch in der Schulbehörde
nur wenige KollegInnen aus
dem Grundschulbereich auf
ausgeschriebene Stellen bewerben
bzw. dort tätig sind.
Ein weiteres Thema waren
die neuen Bildungspläne, die
durch einen umfassenden
Beteiligungsprozess entwickelt
und zum Schuljahr 2023
eingeführt wurden. Auch die
Landesgruppe Hamburg hat
eine umfangreiche Stellungnahme
dazu verfasst und
eingereicht. Noch immer sind
die Bildungspläne überfrachtet
und lassen wenig Raum
für individuelle Schwerpunkte.
Der Individualität der
von links nach rechts: Andrea Karlsberg, Marion Lindner, Senatorin Ksenija Bekeris,
Maik Becker- Pöge, Petra Stumpf, Landesschulrat Thorsten Altenburg- Hack,
Fachaufsicht Grundschulen Susanne von Stebut, Johannes Lagemann
Kinder und ihrer Lernwege
muss unbedingt Rechnung
getragen werden. Die Beobachtungs-
und Bewertungskriterien
für die einzelnen
Fächer und die vorgegeben
Zeitpunkte stehen der Entwicklung
der Grundschule
zu einer inklusiven Schule für
alle Kinder entgegen.
Frau Greiner wies auf die
Möglichkeit einer Stellungnahme
am Ende der Erprobungsphase
der Bildungspläne
hin. Diese Gelegenheit
wird die Landesgruppe auf
jeden Fall nutzen und die
Standpunkte des Grundschulverbandes
einbringen.
Nur wenige Wochen später
waren fünf TeilnehmerInnen
unserer Vorstandsgruppe zu
Gast in der Schulbehörde
bei Frau Senatorin Bekeris,
dem Landesschulrat Herr
Altenburg – Hack und der
Fachaufsicht für Grundschulen
Frau von Stebut. In
dem einstündigen Gespräch
wurden Arbeitsschwerpunkte
der Landesgruppe und der
Behörde vorgestellt und
diskutiert. Besonders Fragen
zur Personalgesundheit und
zu Gestaltung der Übergänge
KITA / Grundschule und
Grundschule / weiterführende
Schule beschäftigen
die Schulbehörde und
unsere Landesgruppe zurzeit
gleichermaßen. Es fand ein
intensiver Austausch in einer
zugewandten und lockeren
Atmosphäre statt. Die
Position des Grundschulverbandes
stets auf das einzelne
Kind und seine Potenziale zu
schauen konnte im Gespräch
verdeutlicht werden.
Von allen TeilnehmerInnen
wurde einvernehmlich
festgestellt, dass in Hamburg
sehr gute Grundschularbeit
geleistet wird. Dies
sollte sowohl von Eltern als
auch im Sozialraum positiv
aufgenommen werden. Ein
gesamtgesellschaftlicher
Schulterschluss ist notwendig,
um die Chancengerechtigkeit
von Schülerinnen und
Schülern besonders in sozial
benachteiligten Lagen zu
verbessern.
Wir hoffen sehr, dass diese
Gespräche zwischen Schulbehörde
und Grundschulverband
erst ein Anfang waren
und nach der anstehenden
Bürgerschaftswahl im
Frühjahr 2025 rasch eine Fortsetzung
finden.
Für die Landesgruppe
Marion Lindner
E
K
K
E
K
E
Auflösung des Rätsels
von Seite 2:
K = Kinderhandschrift
E = Erwachsenenhandschrift
E
K
K
46
GS aktuell 169 • Februar 2025
aktuell … aus den Landesgruppen
Sachsen
Kontakt: Antje Braunreuther
mail@grundschulverband-sachsen.de
Regelmäßiger Austausch
Das Vorstandsteam trifft sich
regelmäßig, um Strategien
für die Landesgruppenarbeit
weiterzuentwickeln. Aktuell
steht dabei die Planung für
das Jahr 2025 im Fokus. Die
Landesgruppe freut sich
über Personen, die Interesse
haben, sich aktiv einzubringen.
Jede/r Interessierte ist
herzlich eingeladen, mit uns
Kontakt aufzunehmen.
Diskussion zur
KMK-Vereinbarung 2024
Vor dem Hintergrund der
Vereinbarung zur Arbeit in
der Grundschule (KMK 2024),
diskutieren wird derzeit
intensiv über die Bedeutung
von Druckschrift, Schreibschrift
und Grundschrift an
sächsischen Schulen. Dafür
sind wir mit verschiedenen
Akteuren im Dialog und
bringen Argumente für die
Grundschrift ein.
Kooperation
Die Landesgruppe pflegt
eine inhaltliche Kooperation
mit der Mathematikdidaktik
Grundschule der TU Dresden.
Über die Landesgruppenkanäle
wird regelmäßig auf
das mathematikdidaktische
Kolloquium der Universität
hingewiesen. Ziel ist es, den
Austausch zwischen Wissenschaft
und Praxis zu fördern
und Lehrkräften Zugang
zu relevanten didaktischen
Themen zu ermöglichen.
Für die Landesgruppe:
Judith Köhler
Thüringen
Vorstand: Kevin Weichold
grundschulverband-thueringen@gmx.de
Ein herzliches Dankeschön
an Steffi Jünemann –
Abschied einer geschätzten
Kollegin
Wir möchten unseren
Landesgruppenbericht dieses
Mal dazu nutzen, um uns
von unserer geschätzten
Vorstandskollegin Steffi
Jünemann zu verabschieden,
die nach etwa 28 Jahren
engagierter und herausragender
Arbeit im Vorstand
der Landesgruppe Thüringen
ihr Amt niederlegt.
Mit ihrer Kompetenz,
ihrem Weitblick und vor
allem ihrer unermüdlichen
Leidenschaft für die Grundschule,
ihre Schüler*innen
und Lehrer*innen hat Steffi
unsere Arbeit maßgeblich
geprägt. Schon zu Beginn
ihrer Mitgliedschaft, vor
etwa 30 Jahren, hat sie sich
für die Lehrer*innenbildung
eingesetzt, denn ihr war klar:
Auf die Lehrkraft kommt es
an! Steffi Jünemann hat viele
politische Stellungnahmen
im Sinne einer modernen
Grundschule verfasst. Sie hat
an Anhörungen teilgenommen
und im Landtag gesprochen.
Dabei hatte Steffi
Jünemann es nicht immer
leicht, denn während ihrer
Amtszeit musste im Jahr 2013
der Verein aufgelöst werden.
Die Landesgruppe Thüringen
gab es nicht mehr. Doch
Steffi war sich sicher, der
Grundschulverband braucht
die Expertise, die Thüringen
zu bieten hat. So suchte sie
nach Mitstreiter*innen, um
den Verein schlussendlich
drei Jahre später wieder
auferstehen zu lassen. Noch
heute gelingt es ihr, durch
ihre inspirierende Persönlichkeit,
das Miteinander in
unserem Team und in der
Landesgruppe zu stärken.
Wir blicken dankbar auf die
gemeinsamen Jahre zurück,
in denen Steffi uns nicht nur
als Vorstandsvorsitzende und
Kollegin, sondern auch als
verlässliche Partnerin und
Freundin zur Seite stand. Ihre
Energie und ihr Engagement
haben uns alle inspiriert und
unsere Arbeit auf ein neues
Level gehoben.
Liebe Steffi, dein Abschied
hinterlässt eine große Lücke,
doch wir wissen, dass dein
Der neue Vorstand der Landesgruppe Thüringen
(v.l.n.r.: Leah Kästner, Jana Stoll, Kevin Weichold,
Katrin Storch, Ursula Zimmer, Antje Klecha)
Wirken auch weiterhin
Spuren hinterlassen wird.
Wir wünschen dir für deine
Zukunft nur das Beste und
hoffen, dass unsere Wege
sich bald wieder kreuzen.
Danke für alles!
Mitgliederversammlung
– Neuer Vorstand
Während wir uns von Steffi
Jünemann verabschieden,
begrüßen wir gleichzeitig
den neuen Vorstand der
Landesgruppe Thüringen,
der am 30.11.2024 auf der
Mitgliederversammlung
gewählt wurde. Neben
einigen bekannten Gesichtern
befinden sich nun zwei
neue Mitglieder den den
Vorstandsreihen. Wir stellen
vor: Kevin Weichold, Antje
Klecha, Katrin Storch, Jana
Stoll, Ursula Zimmer und
Leah Kästner. Wir freuen uns
auf die gemeinsame Arbeit
für die Grundschule.
Für die Landesgruppe:
Leah Kästner
GS aktuell 169 • Februar 2025
47
Praxis: aktuell Schrift … aus und den Schreiben Landesgruppen über die Fächer hinaus
Nordrhein-Westfalen
Vorsitzende: Christiane Mika, Auf dem Hilf 50,
58239 Schwerte; www.grundschulverband-nrw.de
Save the date:
Grundschultag 2025
Wir laden alle Mitglieder und
Interessierte herzlich zum
Grundschultag 2025 mit
dem Themenschwerpunkt:
„Wer braucht was? Allen
Kindern gerecht werden im
Spannungsfeld zwischen
Gemeinsamem Lernen und
sonderpädagogischer Förderung“
ein. In diesem Jahr
findet der Grundschultag am
15.03.2025 von 10 –15 Uhr in
der Libellen Grundschule in
Dortmund statt.
Wir freuen uns darauf mit
euch und der Bildungsjournalistin
Dr. Brigitte Schumann
über dieses wichtige Thema
zu diskutieren. In anschließenden
Workshops besteht
die Möglichkeit sich über
Erfahrungen im Bereich der
inklusiven Schulentwicklung
auszutauschen.
Wir freuen uns auf einen
Grundschultag der Mut
macht zum Weiterdenken.
Datum: 15.03.2025,
10–15 Uhr
Ort: Libellen Grundschule,
Burgholzstraße 148,
44145 Dortmund
Kosten: 10 € für Mitglieder,
15 € für nicht Mitglieder
Anmeldung per Mail an:
andre.richter@
libellengrundschule-edu.de
Fortsetzung des pädagogischen
Frühstücks
Am 30.11.2024 fand die
Online-Veranstaltung „Wir
wollen mehr – Räume für
einen qualitätsvollen Ganztag
mit allen Beteiligten
schaffen“ statt, die zahlreiche
interessierte Teilnehmerinnen
und Teilnehmer anzog. Im
Mittelpunkt stand der Austausch
über Herausforderungen
und Lösungsansätze im
Kontext der bevorstehenden
Einführung des Rechtsanspruchs
auf ganztägige
Förderung von Kindern im
Grundschulalter.
Die Veranstaltung bot wertvolle
Einblicke in das Projekt
„Ganztag und Raum“, das sich
mit der Frage beschäftigt,
wie qualitative ganztägige
Bildung bei gleichbleibender
Fläche realisiert werden kann.
Die vorgestellten integrierten
Nutzungskonzepte zielen
darauf ab, die Ganztagsschulentwicklung
durch multiprofessionelle
Teamarbeit,
kindgerechte Rhythmisierung,
angepasste Möblierung
und ein überarbeitetes
Brandschutzkonzept voranzubringen.
Besonders eindrucksvoll war
die Präsentation der Grundschule
am Dichterviertel
in Mülheim an der Ruhr,
die als Beispiel diente, wie
zukunftsfähige, inklusive und
ganztägige Bildung umgesetzt
werden kann. Jana
Groß (Konrektorin) zeigte auf,
dass dies auf Grundlage eines
gemeinsamen Bildungsverständnisses
und mit minimalen
Umbaumaßnahmen
in bestehenden Flächen
möglich ist, ohne dass ein
Neu- oder Anbau erforderlich
ist.
Die anschließende Diskussion
bot den Teilnehmenden die
Gelegenheit, ihre Fragen zu
stellen und eigene Perspektiven
einzubringen. Die rege
Beteiligung und der Austausch
von Ideen verdeutlichten
das große Interesse
an der Thematik und die
Notwendigkeit, gemeinsam
an Lösungen für eine qualitativ
hochwertige ganztägige
Bildung zu arbeiten.
Wir bedanken uns herzlich
bei der Referentin Jana Groß
und allen Teilnehmenden
und freuen uns schon auf
das nächste pädagogische
Frühstück mit euch.
Für den Vorstand der
Landesgruppe NRW:
André Richter
Niedersachsen
Kontakt: www.gsv-nds.de
Anhörfassung des Kerncurriculums
Mathematik
Nachdem wir im August
unsere Stellungnahme
zu der Anhörfassung des
Kerncurriculums Deutsch
eingereicht haben, erhielten
wir nun die Gelegenheit, eine
Stellungnahme zur Anhörfassung
des Kerncurriulums
Mathematik abzugeben.
Auch diese Stellungnahme ist
auf unserer Homepage unter
www.gsv-nds.de einzusehen.
Save the date:
Am Mittwoch, den
05. Februar 2025 findet in
der Zeit von 18.30 Uhr bis
19.30 Uhr wieder ein Klönschnack
im Norden statt.
Diese Mal geht es um das
Thema Jahrgangsgemischte
Lerngruppen funktionieren
nicht und überfordern alle.
Wie immer erhaltet ihr
kurze Insputs, wollen aber
insbesondere mit euch ins
Gespräch kommen. Wir
freuen uns über zahlreiche
Anmeldungen unter
Anmeldung unter gsv.nds@
gmail.com.
Ein Zugangslink wird nach
Anmeldung verschickt.
Für die Landesgruppe:
Eva Maria Osterhues-Bruns
48
GS aktuell 169 • Februar 2025
aktuell … aus den Landesgruppen
Statt eines Nachrufs
Erinnerungen von und an Otto Herz (1944 – 2024)
„Mit HERZlichen Grüßen“, so
unterschrieb Otto Herz gerne
Briefe und Mails. Er war nicht nur
ein heiterer Sprachspieler, sondern
auch ein begnadeter Redner,
der mit seinen Vorträgen, u. a. zu
seinem „ABC der guten Schule“,
viele tausende Lehrerinnen und
Lehrer begeistert hat. Was für ein
unorthodoxes, kunterbuntes und
wirkungsreiches Berufsleben er
geführt hat, wird am anschaulichsten
in einem Interview, das Rainer
Devantié und Christian Timo Zenke
vor einem Jahr mit dem damals
79-Jährigen geführt haben. Darum
lasse ich ihn selber sprechen – in der Hoffnung,
dass die Auszüge aus dem ungemein
lebendigen Gespräch anregen, es ganz zu
lesen.*
Über seine Herkunft erzählte er: Ich bin
ein Arbeiterkind. Überraschenderweise
in Weinheim an der Bergstraße aufs Gymnasium
gekommen, weil mein vier Jahre
älterer Bruder so schlau war, dass ich in
seinem Schatten aufs Gymnasium kam.
Aber im Gegensatz zu meinem schlauen
Bruder war ich ganz schnell verschrien als
dumm, faul und – das Schlimmste – frech.
Und deswegen bin ich in der Obertertia,
also in der 9. Klasse, von der Schule geflogen.
Aber was machst du als 15-Jähriger
in Weinheim an der Bergstraße, wenn
du von der Schule fliegst? Wenn du dann
Glück hattest, dann wurdest du Jungarbeiter
oder sogar Lehrling in der Firma
Freudenberg.
Die besonderen Talente dieses Lehrlings
blieben dem pädagogisch engagierten
Unternehmer Freudenberg, der später
auch Mitglied des Deutschen Bildungsrats
war, nicht lange verborgen:
Und so wurde ich 1962 Industriestipendiat
auf der Odenwaldschule Ober-Hambach,
damals Europas demokratischste,
fortschrittlichste Schule… und dort auch
Präsident des Schülerparlamentes. Nach
dem Abitur wechselte Herz an die Uni
Hamburg, wo er sich im ASTA zunächst als
Bildungsreferent für die Aktion „Student
in die Betriebe“ engagierte. Bald wurde er
zum Hamburger AStA-Vorsitzenden und
1967/68 sogar zum stellvertretenden Vorsitzenden
des Verbandes Deutscher Studentenschaften
(VDS) gewählt. Dadurch
Otto Herz – das Foto wurde an der GS Stein vor seinem
„ABC der guten Schule“ aufgenommen
kam er dann in Kontakt mit Ludwig Huber
aus dem Vorstand der Bundesassistenkonferenz,
einem Mitarbeiter von Hartmut von
Hentig, der ihn anlässlich der Gründung
von Laborschule und Oberstufenkolleg
einlud:
„Otto, wir haben da was Großes vor. Wir
brauchen dich, du kommst bitte zu uns nach
Bielefeld.“ Dann habe ich gesagt: „Ludwig,
ist ja schön, aber ich habe gerade mein Examen
begonnen und ich habe ja schon drei
Jahre pausiert als Studentenrevolutionär,
ich muss jetzt Examen machen.“ „Nein“,
sagte Ludwig, „bei uns mitzumachen ist
wichtiger als dein Examen“. Und so kam ich
als Studentenvertreter nach Bielefeld und
Hentig bat mich, sein persönlicher Assistent
zu werden. Was so komisch ist, so tief
ironisch, weil wir Studenten und Assistenten
ja gerade erst gemeinsam die persönlichen
Assistenten der Ordinarien abschaffen wollten.
Aber da ich die besondere Situation von
Hentig begriffen hatte, hatte ich zugleich die
Souveränität zu sagen: „Okay, dann werde
ich der persönliche Assistent.“
Es war die pädagogische Praxis, die
ihn sein Leben lang fasziniert hat. Irgendwann
hat er dann einen Brief der Universität
Konstanz bekommen,
„… ich sei durchs Examen gefallen. Aha. Da
habe ich in Konstanz angerufen und gesagt:
„Ich habe doch gar keines gemacht.“ Ja, entgegnete
man mir, das sei doch das Problem.
Da war eine Zweijahresfrist abgelaufen. Ich
hatte alle mündlichen Prüfungen und hätte
„nur noch“ meine Arbeit schreiben müssen,
aber da ich in Bielefeld Wichtigeres zu tun
hatte, hatte ich das nie getan.
Nach dem dann doch noch erworbenen
Diplom in Psychologie engagierte
Herz sich vielfältig in konkreten
Reformprojekten und in der bildungspolitischen
Verbandsarbeit:
• von 1980 bis 1982 als Bundesvorsitzender
der Gemeinnützigen
Gesellschaft Gesamtschule;
• von 1981 bis 1984 als letzter
„Oberleiter“ des Spiekerooger
Landerziehungsheims Hermann-
Lietz-Schule; anschließend als
wissenschaftlicher Mitarbeiter
am Institut für Interkulturelle Erziehung
und Bildung der Freien
Universität Berlin;
• ab 1987 am Landesinstitut für
Schule und Weiterbildung in
Soest, verantwortlich für das Projekt „Gestaltung
des Schullebens und Öffnung
von Schule“ (GÖS), für COMED e. V., den
Verein zur Förderung von Community-
Education;
• von 1993 bis 1997 im Vorstandsbereich
Schule der Gewerkschaft Erziehung und
Wissenschaft.
Nach der Wende begründete er mit anderen
die „Nachbarschaftsschule Leipzig“
(eine Gesamtschule von 1 bis 10) und mit
Beginn seiner freiberuflichen Tätigkeit
im Jahr 2000 eine Stiftung zur Förderung
der persönlichen Urteilskraft und der
politischen Handlungsfähigkeit junger
Menschen.
Das Credo des pädagogischen „Missionars“,
als den er sich einmal selbstkritisch
bezeichnete, war in all‘ den Jahren,
„…dass Schule die gemeinsame Verantwortung
von mindestens vier Partnern ist, die
alle gleichwertig und gleichwürdig, aber
doch zugleich ungleichartig sind. Diese vier
Partner sind erstens die Kinder und Jugendlichen,
zweitens deren Eltern, drittens das
pädagogische Fachpersonal und viertens
die Community, die außerschulischen Bildungspartner
– weil ein Förster mehr vom
Wald versteht als ein Biologielehrer.“
Mit dem Tod von Otto Herz verliert die
Schule einen ihrer wichtigsten kritischen
Freunde.
Hans Brügelmann, 30.12.2024
* Abgedruckt in: Zenke, Christian Timo; Devantié, Rainer &
Freke, Nicole (Hrsg.) (2024). Im Alltag der Reform. Gespräche zu
den Gründungs- und Anfangsjahren der Laborschule Bielefeld.
Bad Heilbrunn: Klinkhardt. Open access:
https://library.oapen.org/handle/20.500.12657/92891
GS aktuell 169 • Februar 2025
U III
Grundschule aktuell
Grundschulverband e. V.
Frankfurter Straße 74–76 · 63263 Neu-Isenburg
Tel. 06102 / 88 21 660 · Fax 06102 / 88 21 664
info@grundschulverband.de
www.grundschulverband.de
Ausblick Grundschule aktuell 170
Zur Diskussion: KI in der Grundschule
Im Mai erwartet Sie in der Zeitschriftenreihe Grundschule aktuell das Themenheft
„Zur Diskussion: KI in der Grundschule“. Im Heft möchten wir die Bedeutung und die
Potenziale künstlicher Intelligenz (KI) für die Grundschulpädagogik beleuchten,
die Entwicklungen aber auch kritisch diskutieren und uns mit erforderlichen
Kompetenzen bei Grundschullehrkräften, Eltern und Kindern auseinandersetzen.
Fundierte Beiträge zur grundschulpädagogischen Diskussion über KI, eine verständliche
Einführung in die Funktionsweise dieser Technologien, praxisnahe Beispiele für den Einsatz
von KI im Unterricht, aber auch Diskussionsbeiträge, die unterschiedliche Perspektiven
aufzeigen, bieten Orientierung für die sichere, verantwortungsvolle und gewinnbringende
Einführung und Anwendung künstlicher Intelligenz (KI) in der pädagogischen Praxis.
Die nächsten
Themen
Mai 2024 September 2024
November 2024
Heft 171 | September 2025
Politische Bildung
in der Grundschule
Heft 172 | November 2025
Kinder und Bücher im Kontext
von Mehrsprachigkeit
Heft 173 | Februar 2026
Mathematisches Lernen
in der Grundschule
www.
grundschule-aktuell.info