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MAGAZIN ZUR ERHALTUNG DES KULTURERBES
02/2025 MUSEUMSNEU- UND UMBAU
EDITORIAL
3
Liebe Leserin, lieber Leser,
Museen sind Orte des Vertrauens – das zeigt eine aktuelle Studie. Doch
sowohl Vertrauen als auch diese besonderen Orte wollen wohl gepflegt
werden, und das ist manchmal gar nicht so einfach. Denn Museen sollen
heute vieles gleichzeitig sein: Bewahrer und Innovatoren, Bildungsstätten
und Eventlocations, ruhig und doch belebt. Und als ob das nicht schon
Herausforderung genug wäre, sollen sie sich auch noch ständig neu
erfinden.In dieser Ausgabe der Restauro werfen wir einen Blick hinter
die Kulissen von Museumsneu- und Umbauten: Was braucht ein modernes
Museum wirklich? Wir haben mit Museumsdirektoren, Restauratoren
und Architekten gesprochen und gefragt, wie man historische Substanz
bewahrt und zugleich zukunftsfähige Räume schafft.
Ein Paradebeispiel dafür ist das Wien Museum, das nach seiner Wiedereröffnung
eine Bilanz zieht: Besucherrekorde, Gratiseintritt und architektonische
Meisterleistungen – aber wie geht es mit der Kunst weiter? Wir
nehmen Sie außerdem mit nach Berlin, wo mit „berlin modern“ ein neuer
Museumsbau entsteht, der das Kulturforum bereichern soll. Und in Köln
wird der Erweiterungsbau des Wallraf-Richartz-Museums zum Balanceakt
zwischen historischem Bestand und steigenden Baukosten.
Doch es gibt noch mehr Herausforderungen, denen man sich beim Museumsneu-
und Umbau stellen muss. Eine weitere zentrale Frage ist deshalb:
Wohin mit den Kunstwerken während eines Umbaus? Wir zeigen, welche
Strategien Museen entwickeln, um ihre Sammlungen sicher zu lagern –
oder sogar während der Schließzeit sichtbar zu halten.
Diese Ausgabe ist eine Hommage an den Wandel: Denn eines steht fest –
Museen sind nicht mehr nur stille Schatzkammern, sie sind lebendige Orte
der Begegnung. Und genau das macht sie so spannend.
KATALOG
2025
Unser umfangreiches
Nachschlagewerk mit zahlreichen
Neuheiten und Produktlösungen.
Ich freue mich auf ihre Rückmeldung und
wünsche viel Freude beim Lesen!
Herzlichst, Tobias Hager & Team
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4 INHALT
6
Was benötigen
moderne Museen?
12
„Kein Privileg, sondern
ein Recht“
18
Interdisziplinäre
Plattform
24
Funktion und
Ästhetik
26
News
S. 30
28
Umfassende
Transformation
34
„Wir zeigen, wie Archäologie
funktioniert“
40
Abschrauben, einpacken
und temporär deponieren
44
News
S. 14
6 MUSEUMSNEU- UND UMBAU
Was benötigen moderne Museen?
Museen stehen vor einem Wandel: Digitalisierung, neue Publikumserwartungen und
gesellschaftliche Debatten fordern sie heraus. Doch was braucht ein modernes Museum?
Diese Frage stellen wir führenden Museumsdirektorinnen und -direktoren. Sie
teilen ihre Visionen darüber, welche Aufgaben Museen heute erfüllen müssen – von innovativen
Ausstellungskonzepten über Partizipation und Inklusion bis hin zu nachhaltigen
Strategien für die Zukunft. Auch ihre Architektur spielt eine entscheidende Rolle:
Museen sollen nicht nur ästhetisch beeindrucken, sondern auch flexibel, einladend und
funktional auf neue Anforderungen reagieren.
1
So könnten Museen
der Zukunft aussehen
– zumindest laut
unserer befragten KI.
Doch was denken echte
Museumsdirektorinnen
und -direktoren? Für uns
werfen sie einen Blick
darauf, was moderne
Museen benötigen.
MUSEUMSNEU- UND UMBAU
7
VITA
Maria Mediaas Jørstad
ist eine norwegische
Kulturmanagerin mit
umfassender Erfahrung
im Kunst- und Kulturbereich.
Zunächst war
sie als Theaterproduzentin,
davon viele Jahre
als Chefproduzentin
am Nationaltheater in
Oslo tätig. 2015 war
sie an der Gründung
von Talent Norge, einer
Organisation zur Förderung
junger Künstler, beteiligt.
Sie leitete diese
bis 2023. Im September
2023 übernahm sie die
Position der Direktorin
des Nordischen Kulturfonds.
Seit Januar 2025
ist sie Geschäftsführerin
des Kunstsilos in Kristiansand,
Norwegen.
TEXT: MARIA MEDIAAS JØRSTAD
Zuallererst ist es unbestreitbar, dass sich die Rolle der Museen
in den letzten 25 Jahren erheblich gewandelt hat. In Norwegen
waren diese Veränderungen auf allen Ebenen bemerkenswert
sichtbar, von Regierungsinitiativen bis hin zu Veränderungen in
der Besucheraktivität.
In einer Zeit bedeutender politischer Veränderungen und einer
stärker polarisierten Gesellschaft spielen die Museen eine
wichtige Rolle. Zusammen mit allen Kunstinstitutionen sind wir
wichtige Orte der freien Meinungsäußerung und der künstlerischen
Freiheit. Museen sollten Orte sein, an denen wir zusammenkommen,
Kunst erleben, uns unterhalten und Meinungen
und Ideen austauschen.
Norwegen hat in jüngster Zeit eine kulturelle Renaissance erlebt,
mit der Modernisierung wichtiger Institutionen wie dem
Munch-Museum, dem Nationalmuseum und dem Kunstsilo,
die alle in den letzten vier Jahren eröffnet wurden. Ich glaube,
dass dieser Wandel die Wahrnehmung der norwegischen nationalen
Identität beeinflusst hat. Seit jeher sind wir stolz auf
unsere Naturlandschaften, die wir sowohl als touristische Attraktion
als auch als Eckpfeiler unseres Selbstverständnisses
propagieren. Inzwischen wird jedoch zunehmend der Wert der
Kultur, insbesondere der Kunstgeschichte, als wesentlicher
Bestandteil dieser Identität anerkannt. Die jüngste Welle von
modernisierten Museumsgebäuden hat meiner Meinung nach
dazu beigetragen, dass die Menschen hier unsere Kultur und
unsere Kunst als zentrale Bestandteile der norwegischen Geschichte
begreifen.
Das Kunstsilo, das im Mai 2024 eröffnet wurde, ist ein Beispiel
für diesen Wandel. Ein Getreidesilo aus dem Jahr 1935 wurde
durch sorgfältige Restaurierung in ein modernes Kulturzentrum
umgewandelt, das sein industrielles Erbe bewahrt und
gleichzeitig neue architektonische Elemente für ein modernes
Publikum integriert. Mit seinem Panoramablick und den gut gestalteten
öffentlichen Bereichen fördert das Kunstsilo die Auseinandersetzung
mit der Kunst und dem Stadtbild.
Bei der Errichtung dieses neuen Wahrzeichens war es für unsere
Institution von entscheidender Bedeutung, die sich wandelnde
Natur unseres Publikums zu erkennen. Die Besucher
von heute haben neue Gewohnheiten, nutzen die Technologie
in einer noch nie dagewesenen Weise und betrachten die
Welt aus einer breiteren Perspektive. Bei der Beantwortung der
Frage „Was braucht ein modernes Museum?“ wurde deutlich,
dass die Architektur und das Design, die technologische Infrastruktur
und – vielleicht am wichtigsten – die Erzählungen, die
wir in den Vordergrund stellen, mit unserer erweiterten Rolle in
der Gesellschaft übereinstimmen müssen.
Diese Herausforderung stellt sich nicht nur bei Kunstsilo, sondern
ist Teil einer breiteren Diskussion in der Kunstwelt – dem
sich entwickelnden Kanon der Kunstgeschichte. Kunstsilo hat
es sich zur Aufgabe gemacht, unser nordisches Erbe zu würdigen
und zu feiern und gleichzeitig zu untersuchen, wer und
was den Norden repräsentiert.
Mit der Tangen Collection – der weltweit größten Sammlung
der nordischen Moderne – befinden wir uns in einer einzigartigen
Position, um den Reichtum und die Tiefe der nordischen
Moderne hervorzuheben und eine Sammlung zu präsentieren,
die in ihrem Umfang einmalig ist. Unser Museum dient als
Plattform, die die Wertschätzung für dieses Erbe fördert und
sich gleichzeitig mit zeitgenössischen Diskussionen über Inklusion
und Repräsentation auseinandersetzt. Durch das Kuratieren
einer breiten Palette von Ausstellungen bieten wir neue
Perspektiven auf die nordische Moderne und ihren breiteren
Einfluss, mit dem Ziel und der Hoffnung, dass diese Erzählungen
ein weltweites Publikum inspirieren und ansprechen.
26 NEWS
Barockes Erbe in
der Moderne
von Anna Breitfuss
Inmitten von Plauen liegt das Weisbachsche Haus, eines der
letzten erhaltenen Manufakturgebäude des Barocks in Sachsen.
Im Jahr 2016 begann eine umfassende Restaurierung,
die das historische Gebäude nicht nur als Heimat für das Museum
der Textilkultur „Fabrik der Fäden“ wiederbelebte, sondern
auch die barocke Fassade in den ursprünglichen Glanz
versetzte. Was einst ein Symbol des Verfalls war, ist heute ein
Wahrzeichen, das sowohl die Geschichte als auch die Zukunft
der Region Plauen widerspiegelt.
Ein Haus mit Geschichte
Ursprünglich als Kattundruckerei im späten 18. Jahrhundert
von Johann August Neumeister errichtet, war das Weisbachsche
Haus mehr als nur ein Produktionsgebäude. Über die
Jahrzehnte hinweg erlebte das Gebäude zahlreiche Veränderungen:
von der Baumwollspinnerei bis hin zur verwaisten Ruine
nach den verheerenden Luftangriffen im Zweiten Weltkrieg.
Erst in den 1950er-Jahren begann der Wiederaufbau, doch die
finale Wiederbelebung ließ lange auf sich warten. 2015 kam
das Gebäude durch eine Schenkung der Familie Weisbach in
den Besitz der Stadt Plauen.
Stabile Farbe
Im Jahr 2016 beauftragte die Stadt Plauen das Büro Neumann
Architekten mit der denkmalgerechten Sanierung des Weisbachschen
Hauses. Ein zentraler Aspekt der Restaurierung war
die Anpassung an die Nutzungsanforderungen als Museum
sowie die Wiederherstellung der barocken Fassade, die durch
Kriegseinwirkungen und jahrzehntelangen Verfall stark beschädigt
worden war. Zunächst mussten die gesamte Gebäudestruktur
stabilisiert, der Schwammbefall entfernt und die Ziegelmauern
gesichert werden. Als weiteres Ziel galt das Rekonstruieren
der originalen barocken Fassadengestaltung: Neben der charakteristischen
Farbgebung in Gelb- und Ockertönen lag das
Augenmerk ebenso auf den barocken Stuckelementen wie
Bekrönungen, Akanthuslaub und Rocaille. Mithilfe des Malermeisters
Andreas Stephan, Geschäftsführer der Maler Plauen
GmbH, konnten weitere Besonderheiten umgesetzt werden, wie
die Imitation von zugemauerten Blindfenstern, die durch farbige
Strichzieharbeiten so gestaltet wurden, dass sie wie echte
Fenster aussahen. Durch historische Dokumente und Gemälde
ließ sich der ursprüngliche Charakter der Fassade adäquat
nachbilden. Für den Anstrich der Fassade verwendeten die Maler:innen
KEIM Soldalit, eine silikatbasierte Fassadenfarbe, die
besonders für historische Gebäude geeignet ist. Diese Farbe
erfüllt nicht nur ästhetische Anforderungen, sondern sorgt auch
für eine hohe Witterungsbeständigkeit und Langlebigkeit.
1
Zwischen Alt und Neu
Neben der Fassade erhielten auch die Innenräume des Gebäudes
eine umfassende Restaurierung. Besonders hervorzuheben
ist der Erhalt der historischen Fächerböden sowie die
Ergänzung durch neue Eichendielen. In Zusammenarbeit mit
dem Denkmalamt konnten auch Wände und Gewölbe in den
historischen Räumen sanft verputzt und geschlämmt werden.
NEWS
Christo
würde
heute
Tyvek ®
nehmen.
27
2
Zu den größten Herausforderungen im Innenbereich zählte die
Ertüchtigung der Decken, die aufgrund der neuen Nutzung
als Museum einer erheblichen Belastung standhalten müssen.
Die Nordseite des Weisbachschen Hauses beeindruckt
durch eine moderne Glas-Hofüberbauung, die harmonisch mit
dem historischen Baukörper verschmilzt. Durch das bewahrte
Nachkriegs-Mauerwerk sowie den Neubau aus Sichtbeton
und Aluminiumlamellen lässt sich ein spannungsvoller Kontrast
zwischen Alt und Neu erzeugen.
Ein Museum für die Zukunft
Roger Neumann, der die Restaurierung begleitete, zieht abschließend
Bilanz: „Das instand gesetzte älteste Manufakturgebäude
Sachsens, das mit seiner Nutzung die Tradition der
Plauener Spitze verbindet, ist ein Alleinstellungsmerkmal, auf
das jeder Plauener stolz sein kann.“ Im November 2023 konnte
das Weisbachsche Haus als „Fabrik der Fäden“ nach vier Jahren
Bauzeit eröffnet werden. Mit einer Ausstellungsfläche von mehr
als 1 200 Quadratmetern zeigt es eine gelungene Restaurierung
mit moderner Nutzung und historischer Bedeutung.
1
Die Gelb- und Ockertöne
des barocken
Anstrichs wurden nach
historischen Vorlagen
rekonstruiert.
2
Mit der „Fabrik der
Fäden“ wird das älteste
Manufakturgebäude
Sachsens neu belebt.
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und
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Kleidungsstücke
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MUSEUMSNEU- UND UMBAU
29
1
Westansicht des neuen
Eingangsgebäudes für
das Museum Ulm von
Max Dudler Architekten
(2024). Mit präzise
gesetzten Öffnungen
und einer markanten
Dachlandschaft fügt
sich der Neubau sensibel
in das bestehende
Stadtbild ein und setzt
zugleich zeitgenössische
Akzente.
MUSEUMSNEU- UND UMBAU
Das Museum Ulm steht vor großen Herausforderungen und wichtigen Veränderungen.
In der Vergangenheit aus sehr heterogenen Elementen wie ein Organismus Stück für
Stück gewachsen, steht es vor der Aufgabe, den veränderten gesellschaftlichen Anforderungen
an ein Museum gerecht zu werden und seine Attraktivität für neue Zielgruppen,
aber auch für Leihgeber, Sammler und Förderer zu verbessern.
31
Das im Stadtzentrum gelegene Museum ist ein kunst- und
kulturgeschichtliches Mehrspartenhaus mit Sammlungsbeständen
von nationaler, internationaler und weltkultureller
Bedeutung. In einem denkmalgeschützten Gebäudeensemble
des 16. bis 20. Jahrhunderts gelegen, vermittelt es 40 000
Jahre Kunst-, Kultur- und Designgeschichte. Angeschlossen
sind die Räume der ehemaligen Hochschule für Gestaltung
mit einer bedeutenden Designsammlung. In einem umfassenden
Transformationsprozess möchte sich das Museum Ulm
bis 2027 in eine zukunftsfähige Kulturinstitution, zu einem lebendigen
Dritten Ort kultureller Identifikation und Begegnung
entwickeln. Die Vermittlung der Sammlungsbestände und ihre
Einordnung in immer neue soziokulturelle Zusammenhänge
besitzen einen hohen Stellenwert. Nun soll das Museum für
die Zukunft und die stets wachsenden Anforderungen an ein
zeitgenössisches Museum fit gemacht werden. Aspekte wie
Energieeffizienz und Nachhaltigkeit, Digitalität, Diversität und
Partizipation prägen die Umbaupläne.
Dem UNESCO-Rahmenkonzept „Bildung für nachhaltige Entwicklung
2030“ zufolge möchte das Museum künftig Schlüsselkompetenzen
für eine nachhaltige Zukunft vermitteln und eine
Rolle in lokalen Transformationsprozessen einnehmen. Um zu
einem Lernort mit gesellschaftlicher Wirksamkeit zu werden,
sind Sanierungs-, Umbau- und Ersatzneubaumaßnahmen der
Sonderausstellungs- und Interaktionsgebäude notwendig. Die
zentralen Gebäude am Marktplatz werden energetisch, klimaneutral
und ressourcenschonend saniert beziehungsweise
teilneugebaut. Eine Schwachstelle im Außenbereich ist die
schlechte Sicht- und Auffindbarkeit der zentralen Museumsgebäude
mit Eingang, Foyer, Aufenthaltsbereichen und Gastronomie.
Mit dem Umbauvorhaben soll die Wahrnehmbarkeit
des Museumkomplexes nach außen gestärkt werden. Mit
einer markanten Fassadengestaltung und einem weiten, multifunktionalen
Eingangs- und Parterrebereich kann das Gebäudeensemble
eine neue Präsenz entfalten. Das Museum erfüllt
wichtige Aufgaben als schulischer Lernort und als ein Ort, an
dem zum Beispiel Geflüchtete aus der Ukraine an Führungen
in ihrer Sprache teilnehmen können.
Förderung durch den Bund
„Kultur kennt keine nationalstaatlichen Grenzen. Das neue Museum
soll die Bedürfnisse und Interessen der breiten Öffentlichkeit
berücksichtigen. Es soll Räume schaffen, die Flexibilität
und Vielseitigkeit für verschiedene kulturelle und soziale Aktivitäten
ermöglichen. Es soll der Integration von lokalen Gruppen,
Kreativen und Gemeinschaftsinitiativen dienen, die hier
einen Ort finden, wo sie sich treffen und ihre Anliegen sichtbar
machen können. Es wird ein international vernetztes Museum
für die Stadtgesellschaft und externe Besucher:innen sein. Es
wird ein Ort des Rückzugs, Genusses und Vergnügens werden,
der sich weit in die Stadt öffnet.“ Davon ist die Direktorin des
Museums Ulm, Dr. Stefanie Dathe, überzeugt. Geduld, diplomatisches
Geschick und Hartnäckigkeit bei der Verfolgung ihres
Ziels zeichnen sie aus. In vielen Bereichen bestand für sie akuter
Handlungsbedarf: „Der problematische Umstand, dass das
Museum Ulm mehrheitlich aus denkmalgeschützten Gebäuden
unterschiedlicher Epochen besteht, die bisher nur bedingt barrierefrei
waren, über keine klimatisch adäquaten Sonderausstellungsflächen
verfügt und den Richtlinien der Arbeitsplatzsicherheit
widersprochen haben, hat einen wesentlichen Ausschlag
gegeben, um den Sanierungsprozess zu initiieren. Aufgrund der
mangelhaften Klimasituation mussten wir in der Vergangenheit
immer wieder in Ausstellungsprojekten auf sensible Leihgaben
internationaler Häuser verzichten. Ein großes Ärgernis!“
Ziele sind die klimatische und technische Optimierung der
historischen Bestandsgebäude, der Umzug der Verwaltungsbüros
sowie der Restaurierungs- und Ausstellungsvorbereitungswerkstatt
in die ehemalige Gewerbebank, der Abbruch
und erweiterte Ersatzneubau des Eingangsgebäudes, die Einrichtung
von neuen Sonderausstellungsflächen, die programmatische
Ausrichtung der Dauerausstellungsbereiche sowie
die Neuinszenierung des spektakulärsten Exponats des Hauses,
des Löwenmenschen. Die Umbauarbeiten begannen im
Sommer 2023 und sollen bis 2029 abgeschlossen sein. Wer
einen Museumsumbau dieser Größenordnung in Angriff nehmen
will, braucht einen langen Atem. Den hat Stefanie Dathe
offensichtlich. Zunächst einmal mussten die notwenigen
finanziellen Mittel bereitgestellt bzw. Fördergelder akquiriert
werden. Wie ein Katalysator wirkte hierbei 2017 die Ernennung
einiger steinzeitlich genutzten Höhlen der benachbarten
Ach- und Lonetäler zum UNESCO-Welterbe „Höhlen und
Eiszeitkunst der Schwäbischen Alb“. Damit erhöhte sich auch
die internationale Wahrnehmung des dort gefundenen Löwenmenschen
und eröffnete die Aussicht auf zuvor nicht vorhandene
Finanzierungsmöglichkeiten. So konnten 2019 im Bundesprogramm
„Sanierung kommunaler Einrichtungen“ (SJK) 1
Million Euro Zuschuss für die Neukonzeption der Archäologie
erfolgreich beantragt werden. Der Haushaltsausschuss des
Deutschen Bundestages hat in seiner Sitzung am 13. März
2024 beschlossen, im Rahmen des Bundesprogrammes SJK
das Projekt „Sanierung und Ersatzneubau des Museums Ulm“
zu fördern. Der Förderzeitraum erstreckt sich grundsätzlich
auf die Jahre 2024 bis 2029, und es wurde eine Bundesförderung
für dieses Projekt auf 5.805.000 Euro festgesetzt. Als Auflage
wurde unter anderem die zukünftige Barrierefreiheit des
Museums bestimmt.
Gastspiel sorgt für Sichtbarkeit
Die Stadt Ulm hat zudem bis zu 10.378.000 Euro zugesichert.
Nach der inhaltlichen und finanziellen Konsolidierung des Museums
konnte ab 2020 die eigentliche Planung beginnen. Die
notwendigen Schritte zur Erreichung ihres Ziels hat Dathe so
48 MUSEUMSNEU- UND UMBAU
2
Das Basler Architekturbüro
Christ & Ganter
lieferte den Entwurf für
den Erweietrungsbau
des Kölner Wallraf-Richartz-Museums.
2
MUSEUMSNEU- UND UMBAU
Die gute Nachricht vorweg: Das Kölner Wallraf-Richartz-Museum & Fondation Corboud
erhält einen Erweiterungsbau. Verantwortlich für den Entwurf ist das Basler
Architekturbüro Christ & Gantenbein. Die schlechte Nachricht: Das 2001 eröffnete
Hauptgebäude, dessen Entwurf auf Oswald Mathias Ungers zurückgeht, ist in einem
derart maroden Zustand, dass eine Generalsanierung vonnöten ist. Die noch schlechtere
Nachricht: Bei beiden Baumaßnahmen explodieren die Kosten – in Zeiten klammer
kommunaler Kassen eine beunruhigende Perspektive.
49
Es ist das älteste Museum Kölns: 1861 wurde auf dem Gelände
des ehemaligen Minoritenklosters das Wallraf-Richartz-Museum
(WRM) gegründet. Mir seiner weltweit umfangreichsten Sammlung
mittelalterlicher Malerei – insbesondere der Kölner Malerschule
– sowie Werken des 16. bis 19. Jahrhunderts zählt das Haus,
das sich heute Kölner Wallraf-Richartz-Museum & Fondation Corboud
nennt, zu den meistbesuchten Museen der Domstadt.
Im Jahr 2001 zog das WRM in ein Gebäude südlich des Rathausplatzes.
In dem von Oswald Mathias Ungers entworfenen
Kubus stehen über 3 300 Quadratmeter Fläche für die permanente
Ausstellung und weitere 800 Quadratmeter für Sonderausstellungen
zur Verfügung.
Diese Fläche erwies sich jedoch bald als zu klein, nachdem
das Sammlerpaar Gérard und Marisol Corboud dem Museum
im Eröffnungsjahr seine umfangreiche Sammlung impressionistischer
und postimpressionistischer Gemälde übergab. Bedingung
für die „ewige Leihgabe“ war die Zusage der Stadt,
einen Erweiterungsbau zu errichten. Doch dieser ließ knapp
ein Vierteljahrhundert auf sich warten. Gérard Corboud verärgerte
die Verzögerung so sehr, dass er ein Jahr vor seinem Tod
die Ehrenbürgerschaft der Stadt Köln ausschlug.
Baubeginn nach einem Vierteljahrhundert
Diesen Herbst soll nun der Grundstein für den Erweiterungsbau
gelegt werden. Verantwortlich für den Entwurf ist das Baseler
Büro Christ & Gantenbein. Die Architekten binden den
Bau dezent in sein städtisches Umfeld ein: So korrespondiert
die Fassade aus verschiedenen Steinarten sowohl mit den benachbarten
historischen Backsteingebäuden als auch mit der
streng gehaltenen Natursteinverkleidung des Ungers-Baus,
die sich aus Tuffstein und Basalt zusammensetzt.
Die horizontalen steinernen Schichten, die sich farblich und
formal leicht voneinander abheben, verleihen der Front Struktur.
Sie wecken die Assoziation von Steinablagerungen und
Bodenstrukturen und stellen somit einen subtilen Bezug zu
dem archäologischen Ausgrabungsareal am Rathausplatz
und seinem Umfeld dar. Im Erdgeschoss des Neubaus wiederum
schlagen große Glasflächen die Brücke zur Jetztzeit, verbinden
den neuen Veranstaltungsraum des Museums mit dem
Alltagsleben der Stadt. Säulen in der Form von Buchstaben,
die aneinandergereiht den Namen des Museums ergeben,
gliedern dabei die Glasflächen.
Die Ausstellungsfläche von 1 000 Quadratmetern erstreckt
sich über drei Etagen. Dabei sind die Räume flexibel unterteilbar.
Vorgefertigte Betonelemente strukturieren die Decke
und bilden ein Raster für mobile Wandelemente. Licht und
Belüftung sind ebenfalls in die Deckenkonstruktion integriert.
Neben dem Ausstellungsbereich verfügt der Neubau auf 500
Quadratmetern über Flächen für Büros sowie Restaurierungswerkstätten
und Lager. Neue Treppen, die zu unterirdischen
Ausstellungsräumen im Neubau führen, verbinden das Erweiterungs-
mit dem Bestandsgebäude.
Ungers-Bau: Maroder Zustand
Parallel zum Neubau steht dem Wallraf-Richartz-Museum &
Fondation Corboud eine Generalsanierung bevor. Die Liste
der Schäden ist lang: Das größte Problem stellen die Wasserleitungen
dar, deren Kupferrohre marode und teilweise rissig
sind. Markus Greitemann, Beigeordneter für Planen und Bauen
der Stadt Köln, macht erhebliche Baumängel dafür verantwortlich.
Da viele Ersatzteile nicht mehr erhältlich sind, muss auch die
Kälteanlage komplett ausgetauscht werden. Ebenfalls zu erneuern
sind die Lüftungs- und Brandmeldeanlage sowie die
Aufzüge. Im Rahmen der Baumaßnahmen steht zudem eine
Neugestaltung des Foyers und der Garderobe an. Während
der Sanierungsarbeiten bleibt das Museum geschlossen.
„Die genaue Schließdauer und der bauliche Ablauf der Generalinstandsetzung
können erst nach gemeinsamer Abstimmung
mit dem zukünftigen Generalunternehmer festgelegt
werden“, heißt es in einer Pressemitteilung des Museums.
Diesen hofft die Stadt bis Ende des dritten bzw. Anfang des
vierten Quartals 2025 zu finden und vertraglich zu binden.
Unumgängliche Schließung – kein Interimsquartier
Greitemann hält die Schließung des Museums, die für den
Sommer 2026 bis zum März 2028 geplant ist, für unumgänglich.
Nur so könnten beide Baumaßnahmen – die Instandsetzung
des Unger-Baus sowie das Errichten des Erweiterungsbaus
– bestmöglich und schnellstens koordiniert werden.
Stefan Charles, Beigeordneter für Kunst und Kultur der Stadt
Köln, räumt ein: „Eine vorübergehende Schließung ist sowohl
für das Museum als auch für unser Publikum eine schmerzhafte
Entscheidung.“
Die Politiker argumentieren, dass die geplanten Bauarbeiten am
Museum mit erheblichen Lärm- und Staubbelastungen verbunden
seien. Auch stünden während der Sanierung zeitweise weder
die erforderlichen Klimabedingungen noch die nötige Sicherheitstechnik
zur Verfügung, um die Kunstschätze zu schützen.
Letztlich entschieden sich die Verantwortlichen auch gegen einen
festen Ausweichstandort für das Museum. „Die Konzeption,
Einrichtung und Durchführung jedweden Interims zöge weiteren
60 MUSEUMSNEU- UND UMBAU
2
Die einladende Fassade
des Muzeum Sztuki
Nowoczesnej, mit dem
Kulturpalast als stillem
Zeugen im Hintergrund,
lädt Besucher ein, in die
Welt der zeitgenössischen
Kunst einzutauchen.
MUSEUMSNEU- UND UMBAU
Im Herzen Warschaus erhebt sich seit Oktober 2024 ein architektonisches Meisterwerk,
das die Grenzen zwischen Kunst, Stadtlandschaft und Betrachtung neu definiert. Das Muzeum
Sztuki Nowoczesnej (MSN) an der Marszałkowska 103 ist nicht nur ein gutes Beipiel
für zeitgenössische Museumsarchitektur, sondern es verkörpert auch die kulturelle Renaissance
einer Stadt, die ihre Geschichte würdigt und zugleich mutig in die Zukunft blickt.
61
Der amerikanische Architekt Thomas Phifer schuf mit dem
MSN ein Gebäude von bemerkenswerter Präzision und konzeptueller
Tiefe. Zwei ineinanderverschobene Quader aus
lichtreflektierendem Material greifen die Tradition des architektonischen
Rationalismus auf und setzen sie in einen zeitgenössischen
Kontext. Die Komposition zeichnet sich durch eine
geometrische Harmonie aus, die bewusst mit der vertikalen
Dominanz des benachbarten Kulturpalastes kontrastiert.
Die weiße Betonfassade, von lokalen Handwerkern mit höchster
Sorgfalt gefertigt, fungiert als eine Art Leinwand, auf der das
wechselhafte Licht Warschaus ein ständig variierendes Schauspiel
inszeniert. Phifer selbst bezeichnet das Museum treffend
als „Vitrine des Lichts“ – eine Metapher, die die zentrale Rolle
der Lichtführung im gesamten Gebäudekonzept unterstreicht.
Das transparente Erdgeschoss und die einladenden Arkaden
schaffen einen fließenden Übergang zwischen dem urbanen
Raum der polnischen Hauptstadt und dem Museumsinneren.
Diese architektonische Geste lädt Passanten ein, Teil der kulturellen
Erfahrung zu werden, noch bevor sie die eigentlichen
Ausstellungsräume betreten.
Innenarchitektur und Raumkonzept
Das Innere des MSN ist geprägt von einer durchdachten und
durchinszenierten Dramaturgie des Raumes. Das Herzstück
bildet eine monumentale, von Tageslicht durchflutete Treppe,
die als soziales Zentrum und vertikale Erschließungsachse
fungiert. Sie verbindet nicht nur die verschiedenen Ebenen
des Museums physisch, sondern schafft auch einen Ort der
Begegnung und des Austauschs.
Die Ausstellungsräume folgen dem Prinzip des „White Cube“,
das in der Museologie als Ideal für die neutrale Präsentation
von Kunst gilt. Weiße Wände, klare Linien und der Verzicht auf
ablenkende Elemente leiten die Aufmerksamkeit gezielt auf
die ausgestellten Werke, die von polnischen und internationalen
Künstlerinnen und Künstlern stammen. Diese Reduktion
schafft einen kontemplativen Raum, der die intensive Auseinandersetzung
mit der Kunst fördert.
Besonders bemerkenswert ist die Konzeption des Daches als
„fünfte Fassade“. Ein ausgeklügeltes Computerprogramm steuert
den Lichteinfall präzise, um eine optimale Beleuchtung der
Ausstellungsräume zu gewährleisten, ohne die empfindlichen
Kunstwerke zu gefährden. Diese Symbiose von Technologie und
ästhetischer Sensibilität exemplifiziert den innovativen Ansatz
des Museums in Bezug auf Konservierung und Präsentation.
Funktionalität und Nutzungskonzept
Mit einer Gesamtfläche von 19 788 Quadratmetern, wovon
über 4 500 Quadratmeter der Ausstellung gewidmet sind, bietet
das MSN Raum für eine Vielzahl von Funktionen. Neben
den Galerien für die Dauer- und Sonderausstellungen beherbergt
das Gebäude Räume für Restaurierung und Konservierung,
ein Kunstdepot, ein Kino, ein Auditorium, ein Café und
einen Museumsshop. Diese Vielfalt an Einrichtungen unterstreicht
den ganzheitlichen Ansatz des Museums, das sich
nicht nur als Ausstellungsort, sondern als multifunktionales
Kulturzentrum versteht.
Die Integration von Verwaltungsbüros und Räumen für die
Kunstvermittlung in das Gebäude fördert die effiziente Organisation
und ermöglicht ein breites Spektrum an Bildungsangeboten.
Workshops, Schulungen und interaktive Programme
machen das MSN zu einem lebendigen Ort des Lernens und
der kulturellen Teilhabe.
Ausstellungskonzept und kuratorische Ausrichtung
Die Dauerausstellung „4 × Kolekcja“, die am 21. Februar 2025
eröffnet wurde, präsentiert die bisher umfassendste Schau der
Sammlungen des MSN. Mit über 130 Werken aus sieben Jahrzehnten
visueller Kunst bietet sie einen eindrucksvollen Überblick
über die künstlerische Entwicklung in Polen und auf der
ganzen Welt. Die Ausstellung gliedert sich in vier thematische
Bereiche, die verschiedene Aspekte der zeitgenössischen
Kunst beleuchten.
Der erste Bereich widmet sich dem politischen Engagement in
der Kunst. Unter dem Titel „Sztandar. Zaangażowanie, realizm
i sztuka polityczna“ (Die Flagge. Engagement, Realismus und
politische Kunst) werden Werke gezeigt, die politische Bewegungen
und soziale Kämpfe reflektieren. Hier finden sich Arbeiten
wie Alina Szapocznikows „Przyjaźń“, die exemplarisch
für die Rolle der Kunst als politisches Ausdrucksmittel stehen.
Im zweiten Bereich, „Tworzywa sztuczne: ciała, towary, fetysze
od zimnej wojny po współczesność“ (Kunststoffe: Körper, Waren,
Fetische vom Kalten Krieg bis zur Gegenwart), steht die
Auseinandersetzung mit Konsumkultur und Massenmedien
im Fokus. Werke wie Sylvie Fleurys „Silver Rain“ illustrieren die
Verknüpfung von Konsum, Materialität und Körperlichkeit in
verschiedenen gesellschaftlichen Systemen.
Der dritte Themenbereich, „Przenicowany świat. Sztuka,
duchowość i przyszłe współistnienie“ (Die verzerrte Welt.
Kunst, Spiritualität und zukünftiges Zusammenleben) vereint
Arbeiten, die sich mit alternativen künstlerischen Traditionen
und spirituellen Dimensionen befassen. Künstler wie Roman
Stańczak und Cathy Wilkes stellen hier Fragen nach Identität
und Gemeinschaft in einer globalisierten Welt.
Der vierte und letzte Bereich der Ausstellung trägt den Titel
„Realne abstrakcje. Autonomia sztuki wobec katastrof
nowoczesności“ (Reale Abstraktionen. Die Autonomie der
Kunst im Angesicht der Katastrophen der Moderne). Er untersucht
die Unabhängigkeit der Kunst von gesellschaftlichen
Zwängen. Monika Sosnowskas „Fassade“ thematisiert beispielsweise
den Verfall der Moderne, während Maria Jaremas