RA 03/2025 - Entscheidung des Monats
Es gehört zum Spiel der Rechtsanwälte, harmlose Äußerungen der Gegenseite als „Anerkenntnis“ zu bezeichnen. Hiermit soll zum einen der eigene Mandant davon überzeugt werden, dass er einen echten Kämpfer beauftragt hat, zum anderen soll der Gegner verunsichert werden. Dieser könnte sogar auf die Idee kommen, dass der eigene Prozessbevollmächtigte fehlerhaft arbeitet. Das konstitutive Anerkenntnis schafft gem. § 781 BGB einen eigenständigen Schuldgrund, der neben das eigentliche Schuldverhältnis tritt, das deklaratorische führt zum Einredeverzicht. Beide Anerkenntnisse erfordern einen deutlich hervortretenden Rechtsbindungswillen. Kann eine aus Menschlichkeit übermittelte, das Bedauern ausdrückende Sprachnachricht ein solches Anerkenntnis sein?
Es gehört zum Spiel der Rechtsanwälte, harmlose Äußerungen der Gegenseite als „Anerkenntnis“ zu bezeichnen. Hiermit soll zum einen der eigene Mandant davon überzeugt werden, dass er einen echten Kämpfer beauftragt hat, zum anderen soll der Gegner verunsichert werden. Dieser könnte sogar auf die Idee kommen, dass der eigene Prozessbevollmächtigte fehlerhaft arbeitet.
Das konstitutive Anerkenntnis schafft gem. § 781 BGB einen eigenständigen Schuldgrund, der neben das eigentliche Schuldverhältnis tritt, das deklaratorische führt zum Einredeverzicht. Beide Anerkenntnisse erfordern einen deutlich hervortretenden Rechtsbindungswillen. Kann eine aus Menschlichkeit übermittelte, das Bedauern ausdrückende Sprachnachricht ein solches Anerkenntnis sein?
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03/2025
ENTSCHEIDUNGDESMONATS
ZIVILRECHT
AnerkenntnisdurchSprachnachricht
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RA 03/2025
Zivilrecht
119
ZIVILRECHT
Problem: Anerkenntnis durch Sprachnachricht
Einordnung: Schuldrecht
OLG Dresden, Beschluss vom 06.01.2025,
4 U 1192/24 (leicht abgewandelt)
EINLEITUNG
Es gehört zum Spiel der Rechtsanwälte, harmlose Äußerungen der Gegenseite
als „Anerkenntnis“ zu bezeichnen. Hiermit soll zum einen der eigene Mandant
davon überzeugt werden, dass er einen echten Kämpfer beauftragt hat, zum
anderen soll der Gegner verunsichert werden. Dieser könnte sogar auf die
Idee kommen, dass der eigene Prozessbevollmächtigte fehlerhaft arbeitet.
Das konstitutive Anerkenntnis schafft gem. § 781 BGB einen eigenständigen
Schuldgrund, der neben das eigentliche Schuldverhältnis tritt, das deklaratorische
führt zum Einredeverzicht. Beide Anerkenntnisse erfordern einen
deutlich hervortretenden Rechtsbindungswillen. Kann eine aus Menschlichkeit
übermittelte, das Bedauern ausdrückende Sprachnachricht ein solches
Anerkenntnis sein?
LEITSATZ
Das in einer Sprachnachricht unmittelbar
nach dem Tod eines Tieres
übermittelte Eingeständnis eines
Tierarztes gegenüber dem Halter,
der Ausgang der Behandlung tue
ihm „furchtbar leid“, stellt weder ein
konstitutives noch ein deklaratorisches
Anerkenntnis dar.
SACHVERHALT
K war Eigentümer und Halter eines Hundes, den er wegen eines Knochenbruches
zum Tierarzt B in Behandlung gab. B fixierte den Bruch mit einer Metallplatte, sowie
6 Schrauben. Nach Verheilung des Bruchs untersuchte B die Wunde und traf eine
Entscheidung. Es wäre möglich gewesen, die Schrauben in mehreren Schritten
oder in einem einzigen Arbeitsgang zu entfernen. Die tierärztliche Behandlung
missglückte, der Hund starb kurz nach der Operation. Unmittelbar nach dem
Tod des Hundes sprach B eine Sprachnachricht auf, die er über einen Messengerservice
an K übersendete. In dieser Nachricht bekundete B, der Ausgang der
Behandlung tue ihm furchtbar leid. In der Folgezeit konnte kein tierärztliches
Sachverständigengutachten einen Behandlungsfehler des B feststellen. Ob der
Hund überlebt hätte, wären die Schrauben in mehreren Behandlungen entfernt
wurden, blieb ungeklärt. Trotzdem verlangt K Schadensersatz wegen des getöteten
Hundes in Höhe von 1.000 € und stützt sich zur Begründung auf die Sprachnachricht,
welche seiner Ansicht nach ein Anerkenntnis enthalte. Zu Recht?
LÖSUNG
A. Anspruch des K gegen B aus § 781 BGB
Ein Anspruch aus einem konstitutiven Anerkenntnis gem. § 781 BGB setzt
einerseits voraus, dass der Erklärende einen abstrakten Schuldgrund schaffen
wollte und ferner die Erklärung in schriftlicher Form. Indem es an letzterem
fehlt, liegt bereits kein Anerkenntnis gem. § 781 BGB vor.
Ein Rechtsbindungswille zur Übernahme
einer Zahlungspflicht unabhängig
vom Behandlungsgeschehen
ist ebenfalls nicht erkennbar.
B. Anspruch des K gegen B aus §§ 280, 611 BGB
K könnte gegen B einen Anspruch auf Schadensersatz gem. §§ 280 I, 611 BGB haben.
I. Schuldverhältnis
Der tierärztliche Heilbehandlungsvertrag ist auf die Erbringung einer tierärztlichen
Leistung nach den Regeln der veterinärmedizinischen Heilkunst
gerichtet. Ein Erfolg kann ebenso wenig versprochen werden wie beim Patientenvertrag
gem. § 630a BGB, weshalb der tierärztliche Heilbehandlungsvertrag
ein Dienst- und kein Werkvertrag ist.
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120 Zivilrecht RA 03/2025
II. Pflichtverletzung
B muss gegen eine Behandlungsregel verstoßen haben. Die Verletzung einer
solchen hat K nicht dargelegt. Jedoch könnte in der Sprachnachricht ein
deklaratorisches Anerkenntnis liegen. Ein solches würde dazu führen, dass B
einen Behandlungsfehler verbindlich eingesteht, sodass seine Haftungsverpflichtung
als solche einredefrei feststünde.
Hohe Anforderungen an den Rechtsbindungswillen
Vergleich zum Verkehrsunfallrecht
Das der Menschlichkeit geschuldete
Ausdrücken des Bedauerns soll
keine Haftungsfalle werden.
Wie beim Menschen müssen auch
bei den Tieren die Selbstheilungskräfte
des behandelten Lebewesens
mitspielen. Auch bei kunstgerechten
Behandlungen kann der Erfolg
ausbleiben.
[2] Von einem in dieser Sprachnachricht enthaltenem Anerkenntnis im
Rechtssinne kann ebenfalls nicht ausgegangen werden. Aber auch ein
formlos mögliches deklaratorisches Schuldanerkenntnis ist nicht
gegeben. Der erforderliche Rechtsbindungswille liegt nur vor, wenn die
in der Erklärung verwendeten Formulierungen erkennen lassen, dass
die Parteien ihre aus dem Haftpflichtfall folgenden Rechtsbeziehungen
durch eigene Regelung verbindlich festlegen wollen. (...). Im Bereich
des Verkehrsunfallrechtes ist anerkannt, dass mündliche Äußerungen,
die in der ersten Aufregung an der Unfallstelle abgegeben werden,
und in denen ein Unfallbeteiligter sagt, dass es ihm leid tut und er das nicht
gewollt hat, regelmäßig nicht als rechtsverbindliche Anerkenntniserklärung
anzusehen sind. Derartige Äußerungen zur Verursachung oder zum Verschulden
des Verkehrsunfalls sind vielmehr durch die Aufregung nach
dem Unfall veranlasst und nicht Ausdruck des Willens, eine - zudem versicherungsvertragsrechtlich
bedenkliche - rechtsverbindliche Erklärung
zum Haftpflichtfall abzugeben. (...). So ist es auch hier. Nach dem Vortrag
der Klägerin, hat die Beklagte zu 2) u.a. gesagt, dass es ihr „furchtbar leid
tue“ und „manchmal würde man nur ein paar Schrauben entfernen, aber sie
habe es so eingeschätzt, dass man alle Schrauben auf einmal entnehmen
könne“ sowie „sie hätte die Fehlstellung durch Verbiegen der Platte korrigieren
können, hätte sich aber dagegen entschieden, aus Angst, dass die
Platte schwach würde“. Aus diesen Äußerungen ist ein Bedauern über
den Verlauf zu entnehmen, aber kein Eingeständnis eines Behandlungsfehlers.
Die Beklagte zu 2) hat lediglich dargelegt, dass ein anderes Vorgehen
möglich gewesen wäre und die Gründe benannt, aus denen sie
sich für den eingeschlagenen Weg entschieden habe.
Damit liegt auch kein deklaratorisches Anerkenntnis eines Behandlungsfehlers
vor. Somit fehlt es an einer tierärztlichen Pflichtverletzung. Folglich hat
K gegen B keinen Anspruch auf Zahlung von 1.000 € gem. §§ 280 I, 611 BGB.
C. Anspruch aus §§ 90a S. 3, 823 I BGB
Mangels schuldhaft vorgenommener Handlung liegt trotz der Eigentumsverletzung
kein Anspruch aus §§ 90a S. 3, 823 I BGB vor.
D. Ergebnis
K hat gegen B keinen Anspruch auf Zahlung von 1.000 €.
FAZIT
Ein Rechtsbindungswille für ein formloses deklaratorisches Schuldanerkenntnis
liegt nur vor, wenn die in der Erklärung verwendeten Formulierungen
dies auch deutlich erkennen lassen.
Spontan abgegebene Äußerungen des Bedauerns durch einen Tierarzt nach
einer missglückten Behandlung sind ohne weiteres kein haftungsbegründendes
Eingeständnis eines Behandlungsfehlers.
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