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BIBELTREUES MAGAZIN FÜR JUNGE CHRISTEN • №26 • 1/2017<br />
GEMEINDE<br />
Der Urpsprung, die Praxis und<br />
das Ziel der <strong>Gemeinde</strong> Gottes.<br />
Ron<br />
Kubsch<br />
Über den Theoblog<br />
und Evangelium21<br />
J. I. Packer<br />
Biografie — Der einflussreichste<br />
Gottesmann der letzten 100 Jahre?<br />
Nils<br />
Freerksema<br />
Theolgiestudium – und<br />
dann? Ein Interview!<br />
»Gott zu erkennen ist von<br />
entscheidender Bedeutung,<br />
wenn es darum geht, ein<br />
gelungenes Leben führen zu<br />
können.«
Editorial<br />
#26 <strong>Gemeinde</strong> — 1/2017<br />
»Vík Church«<br />
Jon Flobrent ist ein<br />
schwedischer Fotograf.<br />
Mehr Fotos von ihm gibt<br />
es auf: unsplash.com/@<br />
jonflobrant<br />
Liebe Leserin, lieber Leser,<br />
Viele fragen oft: »Was ist die <strong>Gemeinde</strong>?« Doch die Bibel<br />
beschreibt sie als eine Gruppe von Menschen, nicht als eine<br />
Veranstaltung oder ein Event. Tatsächlich sollten wir fragen:<br />
»Wer ist die <strong>Gemeinde</strong>?«<br />
Die <strong>Gemeinde</strong> ist das wiedergeborene Volk Gottes, das<br />
Gott durch seine Kraft zu seiner Ehre gerettet hat. Das heißt,<br />
wir hören nicht auf <strong>Gemeinde</strong> zu sein, wenn wir sonntags das<br />
Gebetshaus verlassen. Stattdessen tun wir alles, was wir tun,<br />
als bluterkaufte Schar Gottes – zur Ehre und zum Ruhm von<br />
Jesus Christus.<br />
Das Wort <strong>Gemeinde</strong> beschreibt Gottes meistgeliebten<br />
Besitz in seiner Schöpfung, da er seinen eigenen Sohn nicht<br />
zurückhielt, um sie für sich selbst zu heiligen. Ihre Auserwählung<br />
beinhaltet, mit ausnahmslos jedem geistlichen Segen<br />
überschüttet zu werden (Eph 1), da sie mit Gottes unübertrefflicher<br />
Gunst angeblickt und mit einer Liebe umworben wird, die<br />
von nichts Erdenklichem zerbrochen werden kann (Römer 8).<br />
Gott hat die Ehe bildhaft ins Leben gerufen und Christus selbst<br />
ist mit seiner Braut diesen Bund eingegangen, um unmissverständlich<br />
zu zeigen, dass alles, was Gottes ist, auch ihr gehören<br />
soll (1Kor 3,22-23). Und um das Realität werden zu lassen, hat<br />
Gott das Wertvollste gegeben, was er hat – seinen Sohn – um<br />
so die <strong>Gemeinde</strong> mit der Würde seines Sohnes zu schmücken<br />
und sie so vorzubereiten, alles zu empfangen.<br />
Gottes Wort erzählt von dieser wundervollen Liebe aus<br />
vielen verschiedenen Perspektiven. Das Evangelium ist der<br />
Anfang einer Geschichte, in der Christus als Sieger auf die<br />
Erde kommt, um die Söhne und Töchter seines Vaters aus<br />
der Gefangenschaft zu befreien; in der er als guter Hirte sein<br />
eigenes Leben ablegt, um seine Schafe zu retten; in der er als<br />
liebender Ehemann sich selbst hingibt, um seine Braut zu beschützen;<br />
und in der er als siegreicher König sein Volk mit der<br />
Beute seiner Eroberung überschüttet.<br />
Er hat diese Geschichten geschrieben, um durch die <strong>Gemeinde</strong><br />
der sichtbaren und der unsichtbaren Welt den Reichtum<br />
seiner herrlichen Gnade zu zeigen, indem er an ihr seine<br />
Liebe offenbart und vor aller Kreatur demonstriert, dass sie<br />
mächtig genug ist, um sein Volk dazu zu inspirieren, mit der<br />
Sünde, der Welt und dem Teufel zu brechen und ein Leben zur<br />
Ehre seiner großen Taten zu leben.<br />
Andreas Kuhlmann<br />
2
Inhalt<br />
Inhalt<br />
4<br />
9 Merkmale einer<br />
gesunden <strong>Gemeinde</strong><br />
STEFAN BEYER<br />
Was eine gesunde <strong>Gemeinde</strong><br />
wirklich ausmacht.<br />
8<br />
Was ist der Auftrag<br />
der <strong>Gemeinde</strong><br />
SASCHA BÄR<br />
Soziale Gerechtigkeit, das Reich<br />
Gottes bauen, die Liebe Christi<br />
in der Welt verkörpern oder<br />
doch »nur« den Missionsbefehl<br />
befolgen?<br />
12<br />
Schafe gehören<br />
in die Herde<br />
MATTHIAS LOHMANN<br />
Ein Plädoyer für<br />
<strong>Gemeinde</strong>mitgliedschaft.<br />
16<br />
Die <strong>Gemeinde</strong> und<br />
ihr Ältesten<br />
WALDEMAR DIRKSEN<br />
Von der wichtigen Lehre und<br />
Aufgabe der Ältesten in der<br />
<strong>Gemeinde</strong>.<br />
18<br />
Die Gemdeinde im<br />
Alten Testament<br />
ANDREAS MÜNCH<br />
Schon im Alten Testament<br />
erhalten wir wichtige Hinweise<br />
auf die neutestamentliche<br />
<strong>Gemeinde</strong>.<br />
24<br />
J. I. Packer<br />
HANNIEL STREBEL<br />
Der einflussreichste evangelikale<br />
Gottesmann der letzten<br />
100 Jahre?<br />
28<br />
Interview mit<br />
Ron Kubsch<br />
PETER VOTH<br />
Hat das Christentum in<br />
Deutschland noch eine echte<br />
Zukunft?<br />
34<br />
Interview mit<br />
Nils Freerksema<br />
PETER VOTH<br />
Ein junger Mann auf dem Weg<br />
seinen Platz im Reich Gottes zu<br />
finden.<br />
IMPRESSUM<br />
Redaktion Waldemar Dirksen,<br />
Viktor Sudermann, Andreas Kuhlmann,<br />
Peter Voth<br />
Art Direktor Peter Voth ∙ vothpeter@yahoo.de<br />
Lektorat Tanja Mirau<br />
Abodienst Katharina Wiebe<br />
kwiebe@betanien.de<br />
Verlag Betanien Verlag e.K. ∙ Imkerweg 38<br />
D-32832 Augustdorf ∙ info@betanien.de<br />
Online www.timotheusmagazin.de<br />
Erscheinungsweise Erscheint als<br />
Quartalsmagazin seit Oktober 2010 alle drei<br />
Monate: Januar (Winter) · April (Frühling) · Juli<br />
(Sommer) · Oktober (Herbst).<br />
Preise Einzelausgabe ∙ €3,50 (zzgl.Versand)<br />
Jahresabo (D) ∙ €14,90 (inkl. Versand)<br />
Jahresabo (EU) ∙ €21,50 (inkl. Versand)<br />
RUBRIKEN IM HEFT<br />
Kirchengeschichte<br />
Altes Testament<br />
Interview
WIE STELLT SICH DAS NEUE<br />
TESTAMENT EINE GESUNDE<br />
GEMEINDE VOR? GIBT ES<br />
MERKMALE, DIE EINE GEMEINDE<br />
HABEN MUSS, DAMIT SIE GESUND<br />
BLEIBT? MARK DEVER HAT<br />
SICH DAZU VIELE GEDANKEN<br />
GEMACHT UND DEN DIENST<br />
9MARKS GEGRÜNDET.
9 Merkmale einer<br />
gesunden <strong>Gemeinde</strong><br />
Text von Stefan Beyer<br />
Mark Dever von der Capitol Hill Baptist<br />
Church in Washington, der übrigens<br />
dieses Jahr auch zur Evangelium21 Konferenz<br />
kommt, hat einen äußert hilfreichen<br />
Dienst namens 9Marks gegründet. Ziel dieses<br />
Dienstes ist es, <strong>Gemeinde</strong>n dabei zu unterstützen, 9<br />
Merkmale umzusetzen, die kritisch dafür sind, dass<br />
eine <strong>Gemeinde</strong> gesund und heilig ist sowie dass das<br />
Evangelium im Zentrum bleibt. Ich möchte in diesem<br />
Artikel zunächst aufzeigen, warum die 9 Merkmale<br />
wichtig sind, dann jedes einzelne Merkmal kurz<br />
erklären und zum Schluss auf die Frage eingehen,<br />
wie man die 9 Merkmale in der eigenen <strong>Gemeinde</strong><br />
umsetzen kann.<br />
Warum die 9 Merkmale?<br />
Das Neue Testament ruft die Christen und auch<br />
einzelne Ortsgemeinden dazu auf, heilig zu sein (1.<br />
Petrus 1,15; 1. Korinther 5,7). Heiligkeit heißt, ganz<br />
dem Herrn geweiht zu sein. Eine heilige <strong>Gemeinde</strong><br />
ist auch eine gesunde <strong>Gemeinde</strong>, denn sie nährt den<br />
Organismus mit guter Nahrung (dem Evangelium)<br />
und geht mit Krankheit um (<strong>Gemeinde</strong>zucht), damit<br />
sie ganz ihrem Zweck dienen kann, dem Herrn zu<br />
dienen (Heiligkeit).<br />
Zur Zeit der Reformationen ergab sich durch die<br />
Rückkehr zur Bibel in vielen theologischen Richtungen<br />
ein ähnliches Verständnis der Kernmerkmale<br />
einer wahren Kirche. Die zwei Merkmale, die als<br />
absolut unerlässlich dafür erkannt wurden, dass eine<br />
Kirche auf das Evangelium aufgebaut ist und aus<br />
dem Evangelium lebt, waren die richtige Verkündigung<br />
des Wortes Gottes und die richtige Anwendung<br />
der Sakramente (Taufe und Abendmahl).<br />
Die Reformatoren erkannten, dass die <strong>Gemeinde</strong><br />
von Christus dazu gedacht ist, dass sie das Evangelium<br />
bewahrt und darstellt. Das kann sie nur, indem<br />
sie das Wort Gottes treu verkündigt, in welchem das<br />
Evangelium enthalten ist, und die Sakramente treu<br />
verwaltet, indem sie sicherstellt, dass nur wahre<br />
Gläubige daran teilnehmen.<br />
Mark Dever kam zu dem Schluss, dass viele<br />
<strong>Gemeinde</strong>n diese Schlüsselmerkmale nicht mehr<br />
schätzen und bewahren. Um den <strong>Gemeinde</strong>n dabei<br />
zu helfen, zu den Merkmalen der Reformation<br />
zurückzukehren, hat er das Buch »9 Merkmale einer<br />
gesunden <strong>Gemeinde</strong>« geschrieben und den gleichnamigen<br />
Dienst 9Marks (9marks.org) gegründet. Die 9<br />
Merkmale sind eine Konkretisierung der ursprünglichen<br />
2 Merkmale, die besonders für unsere Zeit<br />
deutlich machen und helfen wollen, <strong>Gemeinde</strong>n neu<br />
am Evangelium auszurichten.<br />
Viele <strong>Gemeinde</strong>n sind heutzutage von einem<br />
Konsumchristentum geprägt, welches die Heiligkeit<br />
Gottes aus dem Blick verloren und ein völlig<br />
verdrehtes Bild der neutestamentlichen Liebe hat.<br />
Liebe heißt laut der Heiligen Schrift nicht, dass wir<br />
uns gegenseitig bestätigen und alles toll finden, was<br />
der andere macht, sondern Liebe ist eng verwandt<br />
mit Heiligkeit und Gehorsam. Deswegen kann Jesus<br />
davon sprechen, dass der ihn liebt, der seine Gebote<br />
befolgt (Johannes 14,21), und der Schreiber des Hebräerbriefs<br />
spricht sogar davon, dass Gott den züchtigt,<br />
den er liebt (Hebräer 12,6). Das Ziel biblischer<br />
Liebe ist Heiligkeit. Liebe ist das Streben nach dem<br />
Wohl des anderen, wobei laut der Bibel dieses Wohl<br />
die Herrlichkeit Gottes selbst ist. Deswegen wird Liebe<br />
alles tun, was nötig ist, damit andere dieses Wohl<br />
erfahren. Sie verkündigt das Evangelium, um Menschen<br />
vor dem Zorn Gottes zu retten und sie in die<br />
Gemeinschaft dieses wunderbaren Gottes zu führen,<br />
und sie verteidigt das Evangelium, damit niemand<br />
einer falschen Gewissheit verfällt und am Ende doch<br />
unter dem Zorn Gottes steht und verlorengeht.<br />
Ein guter Einstieg in das Wesen Gottes und das<br />
neutestamentliche Evangelium sind die Bücher »Die<br />
Heiligkeit Gottes« von R.C. Sproul und »Lampen<br />
ohne Öl« von John MacArthur.<br />
© Foto: chuttersnap — unsplash.com/@chuttersnap<br />
5
Was sind die 9 Merkmale?<br />
Eine <strong>Gemeinde</strong> hat laut dem Neuen Testament die<br />
Aufgabe, das Evangelium zu verkünden, darzustellen<br />
und zu bewahren. Dazu sollen die folgenden 9<br />
Merkmale dienen.<br />
1. Merkmal: Auslegungspredigten<br />
Bei einer Auslegungspredigt bildet die Hauptaussage<br />
des Bibelabschnitts, auf dem die Predigt beruht,<br />
auch die Hauptaussage der Predigt. Dadurch wird<br />
sichergestellt, dass der Prediger nicht seine eigenen<br />
Gedanken weitergibt und den Bibeltext nur als<br />
Grundlage (Trampolin) benutzt. Am besten sind Auslegungspredigten<br />
in Auslegungsreihen eingebettet,<br />
bei denen Schritt für Schritt durch ein Buch der Bibel<br />
gepredigt wird. So wird sichergestellt, dass wirklich<br />
der ganze Ratschluss Gottes verkündigt wird<br />
(Apostelgeschichte 20,27) und nicht nur die Lieblingsstellen<br />
des Predigers. Das erste Merkmal ist das<br />
entscheidendste Merkmal und die Grundlage für die<br />
anderen acht. Gott hat uns sein Wort gegeben, weil<br />
es das allgenugsame Werkzeug ist, um seinen Willen<br />
in und durch die <strong>Gemeinde</strong> zu tun (2. <strong>Timotheus</strong><br />
3,16-17). Nur da, wo das Wort Gottes treu verkündigt<br />
wird, kann eine gesunde <strong>Gemeinde</strong> entstehen.<br />
2. Merkmal: Biblische Theologie<br />
Aus dem Wort Gottes lernen wir, wer und wie Gott<br />
wirklich ist. Wir lernen ihn als Schöpfer und Erlöser<br />
kennen, der heilig, treu, liebend und allmächtig ist.<br />
Eine <strong>Gemeinde</strong> ist nur gesund, wenn sie den wahren<br />
Gott der Bibel anbetet. Ich empfehle dazu auch das<br />
gleichnamige Buch von Andreas Münch »Der wahre<br />
Gott der Bibel«.<br />
3. Merkmal: Das Evangelium<br />
Eine <strong>Gemeinde</strong> erzeugt dann echte Christen, wenn<br />
sie das ganze Evangelium verkündigt. Dazu gehört<br />
der Zorn Gottes über die Sünde der Menschen. Dazu<br />
gehört das Sühneopfer Jesu, welches den Zorn Gottes<br />
abgefangen hat. Dazu gehören Glaube und Buße als<br />
Reaktion des Menschen, um Anteil an Jesus Christus<br />
und seinem Werk zu bekommen. Das wahre Evangelium<br />
hat mit der wahren Liebe des Neuen Testaments<br />
zu tun. Gott liebt uns, aber er kehrt unsere<br />
Sünden nicht unter den Teppich. Seine Liebe ist eine<br />
heilige Liebe, die zu einer heiligen und liebenden<br />
<strong>Gemeinde</strong> führt.<br />
4. Merkmal: Ein biblisches<br />
Verständnis von Bekehrung<br />
Um Jesus kennenzulernen und Mitglied einer <strong>Gemeinde</strong><br />
zu werden, muss man auf Jesus und sein<br />
stellvertretendes Werk vertrauen. Man muss auch<br />
sein ganzes Leben in die Nachfolge von Jesus stellen.<br />
Nur der ist Christ, der Jesus zum unumstrittenen<br />
Herrn seines Lebens gemacht hat und bei dem die<br />
Früchte davon auch sichtbar werden. Die Bibel sagt,<br />
dass dazu eine neue Geburt durch den Heiligen<br />
Geist nötig ist, bei der Gott souverän das Herz eines<br />
Menschen neu macht und auf Christus ausrichtet<br />
(Johannes 3,1-8; Epheser 2,1-10; 2. Korinther 4,4-6).<br />
5. Merkmal: Ein biblisches<br />
Verständnis von Evangelisation<br />
Jeder Christ ist dazu aufgerufen, das wunderbare<br />
Evangelium von Jesus Christus weiterzugeben (Matthäus<br />
28,18-20). Aber er darf bei der Verkündigung<br />
weder etwas von dem Evangelium weglassen (z.B.<br />
Kosten der Nachfolge) noch etwas hinzufügen (z.B.<br />
falsche Versprechen). Außerdem sollte er darauf hinweisen,<br />
dass der natürliche Ort, wo ein neuer Christ<br />
seinen Glauben auslebt, eine evangeliumszentrierte<br />
Ortsgemeinde ist.<br />
6. Merkmal: Ein biblisches<br />
Verständnis von<br />
<strong>Gemeinde</strong>mitgliedschaft<br />
Die <strong>Gemeinde</strong> ist der Ort, wo neugeborene Christen,<br />
die zum Glauben an ihren Retter gekommen sind,<br />
zusammenkommen, um ihn gemeinsam anzubeten<br />
und ihm nachzufolgen. <strong>Gemeinde</strong>mitgliedschaft ist<br />
zwar kein explizit neutestamentlicher Begriff, aber<br />
das Konzept wird deutlich schon anhand der Bilder,<br />
die Paulus für die <strong>Gemeinde</strong> benutzt: ein Leib (1.<br />
Korinther 12,27), eine Braut (Offenbarung 21,9), eine<br />
Familie (Matthäus 12,49-50) und der Tempel Gottes,<br />
der mit lebendigen Steinen gebaut wird (Epheser<br />
2,19-22; 1. Petrus 2,5). Überall gibt es eine feste Beziehung<br />
und ein klares Dazugehören oder Nicht-Dazugehören.<br />
Eine gesunde <strong>Gemeinde</strong> praktiziert<br />
bedeutungsvolle <strong>Gemeinde</strong>mitgliedschaft, bei der<br />
zum regelmäßigen Gottesdienstbesuch, Teilnahme<br />
am Abendmahl, Teilnahme an den <strong>Gemeinde</strong>veranstaltungen,<br />
Gebet und Spenden ermutigt wird.<br />
7. Merkmal: Biblische<br />
<strong>Gemeinde</strong>zucht<br />
Eine gesunde <strong>Gemeinde</strong> wird und bleibt nicht automatisch<br />
gesund, ähnlich wie ein Leib nicht von sich<br />
aus gesund bleibt. Er braucht Nahrung und wenn<br />
er krank wird, braucht er Heilung. <strong>Gemeinde</strong>zucht<br />
ist der Prozess der Heilung bzw. Gesunderhaltung<br />
des Leibes. Sie wird im Neuen Testament auf zwei<br />
Weisen gelehrt. Zum einen gibt es die formative<br />
<strong>Gemeinde</strong>zucht, bei der durch Lehre und Jüngerschaft<br />
aktiv in das Leben der Gläubigen investiert<br />
wird (Kolosser 1,28-29). Darüber hinaus gibt es aber<br />
auch die korrigierende <strong>Gemeinde</strong>zucht, bei der<br />
unheiliges Verhalten in der <strong>Gemeinde</strong> zurechtgewiesen<br />
und bei Unbußfertigkeit ausgeschlossen wird<br />
(Matthäus 18:15-20; 1. Korinther 5). Eine <strong>Gemeinde</strong><br />
ist nur dann eine heilige <strong>Gemeinde</strong>, wenn sie diese<br />
Heiligkeit auch verteidigt. Das tut sie zum Wohl der<br />
6
ausgeschlossenen Person, die dadurch erkennt, dass<br />
ihr Glaube möglicherweise nicht echt ist und Buße<br />
tun kann, und zum Wohl der anderen Christen, die<br />
so die Gefährlichkeit der Sünde erkennen. Außerdem<br />
wird die Gesundheit der <strong>Gemeinde</strong> als Ganzes gefördert,<br />
damit die Sünde sich nicht ausbreitet, und das<br />
gemeinsame Zeugnis der <strong>Gemeinde</strong> unterstrichen,<br />
damit Christus nicht als Heuchler erscheint. Alles<br />
aber zur Ehre Gottes, dessen Heiligkeit wir widerspiegeln<br />
sollen.<br />
8. Merkmal: Der Wunsch nach<br />
geistlichem Wachstum<br />
Das Ziel von Jesus für jeden einzelnen Jünger war es,<br />
dass sie lernen "alles zu halten, was ich euch befohlen<br />
habe" (Matthäus 28,20). Auch der Apostel Paulus<br />
hatte dieses Anliegen für jedes einzelne Mitglied der<br />
<strong>Gemeinde</strong>. Sie sollten alle "durch und durch geheiligt<br />
werden" und ihr ganzes Wesen untadelig bewahrt<br />
werden (1. Thessalonicher 5,23). Eine gesunde <strong>Gemeinde</strong><br />
macht sich das Wachstum jedes Mitglieds<br />
zum Ziel und zur Aufgabe. Sie verkündigt treu das<br />
Wort Gottes von der Kanzel, sie ermutigt aber auch<br />
die formierende Jüngerschaft in der <strong>Gemeinde</strong>, indem<br />
sie die Mitglieder zur gegenseitigen Ermutigung<br />
und Ermahnung aufruft und befähigt (Hebräer 3,13).<br />
9. Merkmal: Biblische<br />
<strong>Gemeinde</strong>leitung<br />
Ein gesunder Organismus braucht ein gesundes<br />
Haupt. Das Haupt der <strong>Gemeinde</strong> ist Christus. Er hat<br />
in jeder Ortsgemeinde Leiter eingesetzt, durch die<br />
er seinen Leib auferbaut und führt (Epheser 4,11-12;<br />
Hebräer 13,17). Eine gesunde <strong>Gemeinde</strong> achtet bei<br />
der Berufung ihrer Leiter auf die biblischen Qualifikationen<br />
und die geistliche Begabung der Anwärter.<br />
Die <strong>Gemeinde</strong>leitung trägt am Ende die Hauptverantwortung<br />
dafür, die Gesundheit der <strong>Gemeinde</strong> zu<br />
stärken und zu bewahren.<br />
Inzwischen hat 9Marks zu jedem dieser Merkmale<br />
viele Artikel auf ihrer Webseite veröffentlicht.<br />
Dazu sind auch kürzere Bücher in der Reihe »Building<br />
Healthy Churches« und noch kompakter in der<br />
Reihe »Understanding Church Basics« erschienen.<br />
Bei Ligonier gibt es seit kurzem eine Predigtreihe zu<br />
den 9 Merkmalen (ligonier.org/marks). Als Einstieg<br />
ist zunächst das grundlegende Buch »9 Merkmale<br />
einer gesunden <strong>Gemeinde</strong>« empfehlenswert, das<br />
beim 3L Verlag erschienen ist.<br />
Wie kann man die<br />
9 Merkmale umsetzen?<br />
Was sollte man tun, wenn man überzeugt ist, dass<br />
diese 9 Merkmale wichtig sind und in der eigenen<br />
<strong>Gemeinde</strong> umgesetzt werden sollten? Mark Dever<br />
empfiehlt dazu, dass man zunächst damit anfängt,<br />
für die <strong>Gemeinde</strong> und die <strong>Gemeinde</strong>leitung zu beten.<br />
Gott muss ein Verlangen nach Heiligkeit schenken.<br />
Darüber hinaus kann man anfangen, gute Bücher,<br />
die sich mit den 9 Merkmalen befassen, selbst oder<br />
mit anderen aus der <strong>Gemeinde</strong> zu lesen. Dadurch<br />
werden die Konzepte klarer und auch bei anderen<br />
möglicherweise der Wunsch geweckt, dass sich die<br />
<strong>Gemeinde</strong> in eine gesunde Richtung entwickelt.<br />
Man kann anfangen, gezielt in jüngere Christen zu<br />
investieren und mit ihnen Jüngerschaft machen.<br />
Mark Dever hat zu diesem Thema gerade das Buch<br />
»Discipling – How to Help Others Follow Jesus« herausgebracht.<br />
Auf Deutsch ist das Buch »Das Spalier<br />
und der Weinstock« von Colin Marshall und Tony<br />
Payne empfehlenswert. Insgesamt geht es darum,<br />
dass man zunächst erstmal selbst zu einem gesunden<br />
<strong>Gemeinde</strong>mitglied wird, bevor man die <strong>Gemeinde</strong><br />
dazu bewegen sollte, diese 9 Merkmale umzusetzen.<br />
Allerdings gibt Mark Dever auch zu, dass man als<br />
einzelnes <strong>Gemeinde</strong>mitglied oft wenig tun kann. Da<br />
die 9 Merkmale unmittelbar auf dem ersten Merkmal<br />
aufbauen und davon abhängig sind, hängt alles<br />
davon ab, wie in der <strong>Gemeinde</strong> das Wort Gottes verkündigt<br />
und ausgelegt wird. Oft hat man als Mitglied<br />
aber nur sehr wenig Einfluss darauf, was von der<br />
Kanzel gepredigt wird. Sollte man auch nach längerer<br />
Prüfung merken, dass man in keiner gesunden <strong>Gemeinde</strong><br />
ist und nicht die Möglichkeit haben, etwas<br />
daran zu ändern, dann besteht die Möglichkeit, die<br />
<strong>Gemeinde</strong> zu verlassen und sich einer gesunden <strong>Gemeinde</strong><br />
anzuschließen. Mark Dever betont aber, dass<br />
man einen solchen Schritt nicht tun sollte, ehe man<br />
nicht mit reifen Christen innerhalb und außerhalb<br />
der <strong>Gemeinde</strong> gesprochen und ihren Rat eingeholt<br />
hat.<br />
Ich möchte noch hinzufügen, dass wir in<br />
Deutschland einen großen Bedarf an <strong>Gemeinde</strong>gründung<br />
haben. Wenn es an einem Ort keine gesunde,<br />
evangeliumszentrierte <strong>Gemeinde</strong> gibt, kann man<br />
darüber beten, eine solche zu gründen. Das wird für<br />
das eigene geistliche Wachstum langfristig das Beste<br />
sein, aber auch anderen Menschen die Möglichkeit<br />
geben, das Evangelium zu hören und auf Grundlage<br />
des Evangeliums zu leben.<br />
Stefan Beyer hat in Jena BWL studiert. Neben seinem<br />
politischen Engagement und der Leitung der Evangelischen<br />
Allianz Jena arbeitet er als Pastor in der Evangeliumsgemeinde<br />
Jena: www.eg-jena.de<br />
7
Was ist der Auftrag<br />
der <strong>Gemeinde</strong>?<br />
Text von Sascha Bär<br />
Ortsgemeinden in Deutschland und aller Welt engagieren sich für<br />
unzählige edle Tätigkeiten. Sei es Suppenküchen für Bedürftige,<br />
Deutschunterricht für Asylbewerber, Jugendarbeit, Kinderarbeit,<br />
Gefängnisarbeit, Diakonie und noch viel mehr. Bei all dem Guten,<br />
das die <strong>Gemeinde</strong> tun kann, darf sie jedoch nie ihren Auftrag<br />
vergessen. Nur, wie lautet dieser Auftrag überhaupt, und ist er für<br />
alle <strong>Gemeinde</strong>n weltweit allgemein gültig?<br />
Jedes Unternehmen, jeder Verein, jede<br />
Institution hat einen Auftrag, ein »Mission<br />
Statement«, wie es auf Neudeutsch so schön<br />
heißt. Die Deutsche Post »befördert Briefe<br />
und Pakete in Deutschland«, der Auftrag meines<br />
Lieblingsvereines, des VfB Stuttgart, »ist die körperliche<br />
Ertüchtigung und sportliche Förderung seiner<br />
Mitglieder« 1 , Schulen bestehen, um den gesetzlich<br />
verankerten Bildungsauftrag zu verwirklichen. Aber<br />
wie steht es eigentlich um die <strong>Gemeinde</strong> Christi?<br />
Was ist ihr Auftrag? Ist diese Mission allgemein<br />
gültig oder muss jede Ortsgemeinde für sich ihren<br />
Auftrag neu entdecken? Inwiefern lassen sich die<br />
Tätigkeiten einer <strong>Gemeinde</strong> von ihrem Auftrag<br />
ableiten?<br />
Eine Darstellung<br />
der Weisheit Gottes<br />
Bevor wir den Auftrag der <strong>Gemeinde</strong> Christi definieren<br />
können und sich daraus die Haupttätigkeitsfelder<br />
der <strong>Gemeinde</strong> herauskristallisieren lassen,<br />
1 VfB Stuttgart 1893 e.V. Vereinssatzung § 2 Abs 3<br />
müssen wir zunächst über Gottes Absichten für die<br />
<strong>Gemeinde</strong> nachdenken. Welches Ziel verfolgt unser<br />
Herr mit seiner <strong>Gemeinde</strong>, die er durch das teure<br />
Blut seines ewigen Sohnes erkauft hat? Im Epheserbrief<br />
werden wir fündig. Dort sagt Paulus, dass<br />
ihm Gnade gegeben wurde Christus zu verkündigen,<br />
»damit jetzt den Fürstentümern und Gewalten in<br />
den himmlischen [Regionen] durch die <strong>Gemeinde</strong><br />
die mannigfaltige Weisheit Gottes bekanntgemacht<br />
werde« (Epheser 3,10-11). Durch die <strong>Gemeinde</strong> will<br />
Gott seine unglaubliche und vielseitige Weisheit den<br />
unsichtbaren Mächten zur Schau stellen. Alle sollen<br />
erkennen, dass nur der Gott aller Weisheit, sich die<br />
<strong>Gemeinde</strong> hätte ausdenken können – Juden und<br />
Heiden, Reich und Arm, Frauen und Männer aus<br />
allen Völkern und Nationen erlöst und vereint in<br />
einem Haupt: Jesus Christus, gemäß seinem ewigen<br />
Vorsatz und Ratschluss, damit er allein verherrlicht<br />
wird. Das ist Gottes Ziel für die <strong>Gemeinde</strong>. Aber wie<br />
wird Gott seine Absicht erreichen? Welche Mittel<br />
benutzt unser souveräner Herrscher, damit die versammelte<br />
<strong>Gemeinde</strong> in aller Ewigkeit seine Weisheit<br />
und seine Herrlichkeit widerspiegeln wird?<br />
© Foto: Kathy Hillacre — unsplash.com/@mercyfinder<br />
9
GOTT BRINGT SEINEN<br />
FRIEDEN IN CHRISTUS,<br />
WIR TRAGEN DAZU<br />
NICHTS BEI.<br />
Verwirrender Auftrag?<br />
In unseren <strong>Gemeinde</strong>n herrscht zum Teil Verwirrung<br />
darüber, was unser Auftrag ist. Manche <strong>Gemeinde</strong>n<br />
wollen ein Segen für die Stadt sein, wiederum<br />
andere wollen in der Missio Dei, der Mission Gottes,<br />
mitwirken, sein Reich bauen, seinen Frieden in die<br />
Welt hineintragen. Andere <strong>Gemeinde</strong>n schreiben<br />
sich auf die Fahne, Christus in ihrem Umfeld zu verkörpern,<br />
indem sie sich immer fragen, »was würde<br />
Jesus tun?«. Es wird zu einem missionalen Lebensstil<br />
aufgerufen, bei dem jede edle Tat als ein von Gott<br />
gegebener Auftrag für die <strong>Gemeinde</strong> gesehen wird.<br />
Es ist sicherlich lobenswert, wenn sich Ortsgemeinden<br />
in der Gesellschaft einbringen und Gutes für<br />
ihre Stadt wollen.<br />
Dennoch ist es wichtig unseren genauen Auftrag<br />
näher zu definieren. Es ist beispielsweise nicht<br />
hilfreich zu sagen, dass unser Auftrag mit Gottes<br />
Auftrag, mit seiner Mission, deckungsgleich ist. Gott<br />
bringt seinen Frieden in Christus, wir tragen dazu<br />
nichts bei. Gott wird eines Tages die Welt erneuern,<br />
das ist jedoch nicht unsere Aufgabe. Gleichermaßen<br />
können wir auch nur bedingt Jesus verkörpern. Er<br />
ist menschgewordener Gott und seine Mission war<br />
es, uns durch seinen stellvertretenden Tod mit dem<br />
Vater zu versöhnen. Wir können seine einzigartige<br />
Mission der Erlösung nicht wiederholen. Vielmehr<br />
können wir lediglich davon zeugen, was er getan hat.<br />
Darüber hinaus müssen wir uns auch fragen,<br />
was wir als <strong>Gemeinde</strong>n auf jeden Fall tun müssen<br />
und was wir optional tun dürfen. Scheitern wir<br />
in unserem Auftrag, wenn wir keine Hausaufgabenbetreuung<br />
anbieten, versagen wir in unserem<br />
Unterfangen, wenn die Suppenküche nicht weiter<br />
betrieben werden kann, sind wir als <strong>Gemeinde</strong>n Gott<br />
gegenüber ungehorsam, wenn wir nicht überall und<br />
immer politisch oder gesellschaftlich aktiv sind?<br />
Sicherlich wollen wir <strong>Gemeinde</strong>n sein, die Salz<br />
und Licht in unserem Umfeld sind, <strong>Gemeinde</strong>n, die<br />
ihre Feinde lieben und »an allen Gutes tun, besonders<br />
aber an den Hausgenossen des Glaubens«<br />
(Galater 6,10). Die Liebe zu Gott und den Mitmenschen<br />
sollte unseren Auftrag und damit auch unser<br />
Tun und Handeln bestimmen. Der Apostel Paulus,<br />
von der Liebe Christi getrieben, erkannte, dass er in<br />
erster Linie ein Botschafter für Christus war, und er<br />
verkündigte die Frohe Botschaft in aller Welt: »Lasst<br />
euch versöhnen mit Gott!« (2. Korinther 5,21).<br />
Schauen wir nochmal zurück in den Epheserbrief,<br />
sehen wir, dass Paulus gemäß der Gnade Gottes<br />
zum Diener des Evangeliums geworden ist, um<br />
den Heiden »den unausforschlichen Reichtum des<br />
Christus zu verkündigen« (Epheser 3,8). Sein Auftrag<br />
als Apostel der Heidenvölker war einzigartig, aber er<br />
ist auch wegweisend. Die <strong>Gemeinde</strong> führt das Erbe<br />
der Apostel weiter, und somit gilt dieser Auftrag der<br />
Verkündigung auch ihr.<br />
Kerngeschäft Missionsbefehl!<br />
Unser Herr Jesus selbst gibt sich unmissverständlich:<br />
»Mir ist gegeben alle Macht im Himmel und auf<br />
Erden. So geht nun hin und macht zu Jüngern alle<br />
Völker, und tauft sie auf den Namen des Vaters und<br />
des Sohnes und des Heiligen Geistes und lehrt sie<br />
alles halten, was ich euch befohlen habe. Und siehe,<br />
ich bin bei euch alle Tage bis an das Ende der Weltzeit!<br />
Amen« (Matthäus 28,18-20).<br />
Dieser Auftrag an seine Jünger kommt nicht von<br />
ungefähr, Jesus erwähnt ihn nicht nur im Vorbeigehen<br />
zwischen Tür und Angel, sondern das sind seine<br />
allerletzten Anweisungen, bevor er in den Himmel<br />
hochfährt. So wichtig ist dieser Auftrag, dass er in<br />
abgewandelter Form in allen Evangelien und der<br />
Apostelgeschichte zu finden ist (Markus 13,10; Lukas<br />
24,44-49; Johannes 20,21 und Apostelgeschichte<br />
1,8). Nicht ohne Grund wird dieser Auftrag als »der<br />
Missionsbefehl« bezeichnet. Jesus sendet seine<br />
Jünger mit seiner Vollmacht in alle Welt. Sie hatten<br />
den Auftrag jüngermachende Jünger zu sein, indem<br />
sie die nächste Generation der Jünger taufen und sie<br />
in der Lehre Christi unterweisen. Aber wie bei einem<br />
Staffellauf wird auch der Missionsbefehl von Generation<br />
zu Generation durch die <strong>Gemeinde</strong> Christi<br />
fortgeführt bis an das Ende der Weltzeit.<br />
Das ist also das Kerngeschäft der christlichen<br />
<strong>Gemeinde</strong>: Jünger machen. Bei allen ehrenwerten<br />
Tätigkeiten, die die <strong>Gemeinde</strong> tun darf, bekommen<br />
10
WIR BEHALTEN DIESE<br />
HOFFNUNG NICHT NUR<br />
FÜR UNS, SONDERN<br />
DIE LIEBE CHRISTI<br />
DRÄNGT UNS, EINE<br />
VERLORENE WELT IN DIE<br />
GEMEINSCHAFT MIT GOTT<br />
EINZULADEN.<br />
wir hier einen Einblick in das, was die <strong>Gemeinde</strong><br />
unweigerlich tun muss. Wenn wir diesen von Gott<br />
gegebenen Auftrag vernachlässigen oder gar außer<br />
Acht lassen, dann scheitert die <strong>Gemeinde</strong> in der<br />
Erfüllung ihres Auftrages.<br />
Dieser Missionsbefehl ist nicht ein individuelles<br />
Vorhaben, sondern ein gemeinsames Unterfangen.<br />
Jünger sind immer Teil einer Schar, sie werden immer<br />
in eine <strong>Gemeinde</strong> hineingetauft und im Kontext<br />
der <strong>Gemeinde</strong> zum Gehorsam an Christus aufgerufen.<br />
Das sollte uns ermutigen, denn jedes Mal,<br />
wenn in unseren <strong>Gemeinde</strong>n jemand getauft wird,<br />
jedes Mal, wenn wir christliche Lehre verkündigen,<br />
dann machen wir zu Jüngern und erfüllen somit den<br />
Missionsbefehl.<br />
Ich hoffe, wir sehen auch das Befreiende an<br />
diesem Auftrag. Wir müssen nicht erst darüber<br />
spekulieren, was Gott von uns als <strong>Gemeinde</strong> will,<br />
er hat es uns schon gesagt. Wir müssen nicht den<br />
neusten <strong>Gemeinde</strong>wachstumstrends hinterher rennen,<br />
denn wir können getrost sein, dass Gott durch<br />
die Verkündigung des Wortes Wachstum schenken<br />
wird. Wir brauchen das Rad nicht immer wieder<br />
neu erfinden, denn Erfolg bedeutet lediglich, treu<br />
dem Auftrag unseres Herrn zu folgen. Damit werden<br />
unsere <strong>Gemeinde</strong>n in aller Regel keine Schlagzeilen<br />
machen, denn das Jüngermachen ist meistens wenig<br />
spektakulär. Man erntet dafür wenig Menschenlob.<br />
Wir widmen uns aber der harten Arbeit des Säens,<br />
des Pflügens, des Wässerns und des Erntens, denn<br />
wir haben immer die beständige Hoffnung, dass Gott<br />
die Samen des Evangeliums in den Menschenherzen<br />
wachsen lassen wird.<br />
Dominoeffekt himmelwärts<br />
Das Eigenartige dabei ist, dass wenn wir uns als<br />
<strong>Gemeinde</strong>n auf dieses Kerngeschäft des Jüngermachens<br />
konzentrieren, sich ein Dominoeffekt ergibt.<br />
Indem die <strong>Gemeinde</strong> neue Jünger tauft und sie in der<br />
Lehre Christi unterweist, entsteht ein vom Heiligen<br />
Geist bevollmächtigtes Volk. Die <strong>Gemeinde</strong> wird zu<br />
einer Gemeinschaft, die füreinander da ist, die sich<br />
gegenseitig erbaut und zurüstet, die sich um die<br />
Bedürftigen in ihrer Mitte kümmert und die Liebe<br />
Christi in eine dunkle Welt hineinträgt. Und so werden<br />
Ortsgemeinden rund um den Globus zu kleinen<br />
Kolonien des Himmels, nicht weil wir den Himmel<br />
auf Erden schaffen wollen, sondern weil wir gemeinsam<br />
erwartungsvoll unser himmlisches Zuhause<br />
herbeisehnen.<br />
Wir behalten diese Hoffnung nicht nur für uns,<br />
sondern die Liebe Christi drängt uns, eine verlorene<br />
Welt in die Gemeinschaft mit Gott einzuladen. Wir<br />
wollen soziale Gerechtigkeit, wir wollen das Reich<br />
Gottes kommen sehen, wir wollen Christus verkörpern.<br />
Wir machen all das, indem wir, in Liebe zu<br />
unseren Mitmenschen, sie vor dem kommenden<br />
Zorn Gottes warnen, ihnen die Frohe Botschaft der<br />
Sündenvergebung durch Jesus erklären und sie zur<br />
Buße und Nachfolge aufrufen. Das ist unser Auftrag<br />
und mit Gottes Gnade werden wir ihn erfüllen, denn<br />
Gott ist mit uns bis an das Ende der Weltzeit.<br />
Sascha Bär (*1985) dient als Pastoral-Assistent in einer<br />
<strong>Gemeinde</strong> in den Vereinigten Arabischen Emiraten (RAK<br />
Evangelical Church, Ras Al Kaimah). Er ist mit Julia verheiratet<br />
und Vater von zwei Kindern. Kontakt: sascha@rakchurch.com<br />
11
Schafe gehören<br />
in die Herde<br />
Text von Matthias Lohmann<br />
Gerade junge Menschen scheuen heute oftmals Verbindlichkeit.<br />
Doch genau das fordert die Bibel von Christen. Die Bibel kennt<br />
keine Christen, die nicht Mitglied einer lokalen <strong>Gemeinde</strong> sind.<br />
Dieser Artikel ist ein Plädoyer für <strong>Gemeinde</strong>mitgliedschaft.
© Foto: Biegun Wschodni — unsplash.com/@biegunwschodni
Ich schreibe diesen Artikel am Tag vor dem Fußballklassiker<br />
Borussia Dortmund gegen Bayern<br />
München. Stell Dir mal folgendes Szenario vor:<br />
Die Spieler laufen ein. Mats Hummels trägt<br />
zu seinem Bayerntrikot die schwarze Hose und die<br />
schwarz-gelb gestreiften Stutzen des BVB. Sebastian<br />
Rhode hingegen trägt das BVB Trikot und dazu<br />
die weiße Hose und roten Stutzen des FC Bayern.<br />
Und dann kommt Mario Götze. Er hat sich für das<br />
Dress der deutschen Fußballnationalmannschaft<br />
entschieden, weil er sich darin am wohlsten fühlt.<br />
Dann kommt Boateng, der sich dafür entschieden<br />
hat, an diesem Samstag mal in ganz edler Kleidung<br />
zu spielen, weil ihm einfach nicht danach war, schon<br />
wieder Fußballklamotten anzuziehen. Als sich die<br />
Spieler dann auf dem Feld für den Anstoß bereit machen,<br />
fällt auf, dass beide Mannschaften nur jeweils<br />
8 Spieler auf dem Feld haben. Die anderen Spieler<br />
hatten einfach keine Lust auf Fußball.<br />
Du denkst Dir sicher, dass das ein recht absurdes<br />
Szenario ist. Stimmt, beim Fußball würde so etwas<br />
natürlich nicht passieren. In christlichen <strong>Gemeinde</strong>n<br />
dagegen ist ein solches Szenario leider eher der Normalfall.<br />
Viele Christen identifizieren sich bestenfalls<br />
halbherzig mit ihrer <strong>Gemeinde</strong>. Man bleibt unverbindlich<br />
und entscheidet sich jede Woche neu, ob<br />
man überhaupt am <strong>Gemeinde</strong>leben teilnimmt und<br />
wenn ja, in welcher <strong>Gemeinde</strong>.<br />
Immer mehr <strong>Gemeinde</strong>n reagieren auf dieses<br />
Phänomen. Passend zur Kultur der Unverbindlichkeit<br />
werden <strong>Gemeinde</strong>n von meist recht hierarchisch<br />
organisierten kleinen Teams geleitet, die Veranstaltungen<br />
zentral organisieren. Alle anderen nehmen<br />
dann am Event, an der »Celebration« oder am<br />
»Gathering« eher als Zuschauer teil, so wie man ins<br />
Kino oder in die Disko geht. Praktischerweise finden<br />
die Veranstaltungen dann auch gleich dort statt. Eine<br />
verbindliche <strong>Gemeinde</strong>mitgliedschaft gibt es nicht.<br />
Man kommt und geht, wann und wie man gerade<br />
mag.<br />
Doch ist das alles biblisch? Bei dieser Frage geht<br />
es mir nicht primär um eine Kritik an diesen Kirchen<br />
und <strong>Gemeinde</strong>n. Vielmehr soll in diesem Artikel<br />
aufgezeigt werden, dass wir Christen dazu aufgerufen<br />
sind, uns nicht der allgemeinen Kultur der<br />
Unverbindlichkeit anzupassen, sondern gerade im<br />
Hinblick auf die <strong>Gemeinde</strong> bewusst sehr verbindlich<br />
zu werden.<br />
Das ist die These dieses Artikels, die im Folgenden<br />
biblisch belegt werden soll: Christen sollten sich<br />
verbindlich einer lokalen <strong>Gemeinde</strong> anschließen,<br />
denn <strong>Gemeinde</strong>mitgliedschaft ist ein biblisches<br />
Mandat.<br />
Mitgliedschaft in der Bibel<br />
Ganz explizit finden wir das im 12. Kapitel des 1.<br />
Korintherbriefs und im 12. Kapitel des Römerbriefs.<br />
In beiden Kapiteln wird betont, dass die <strong>Gemeinde</strong><br />
der Leib Christi ist. An diesem Leib sind Christen die<br />
»Glieder«. Das ist dabei nicht nur ein theoretisches<br />
Konstrukt. Es manifestiert sich ganz konkret in lokalen<br />
<strong>Gemeinde</strong>n, wo diese Glieder einander ergänzen<br />
sollen. So heißt es in Römer 12, Vers 4-5: »Denn wie<br />
wir an einem Leib viele Glieder haben, aber nicht<br />
alle Glieder dieselbe Aufgabe haben, so sind wir viele<br />
ein Leib in Christus, aber untereinander ist einer des<br />
andern Glied.«<br />
In 1. Korinther 12 heißt es ganz ähnlich: »Denn<br />
wie der Leib einer ist und doch viele Glieder hat, alle<br />
Glieder des Leibes aber, obwohl sie viele sind, doch<br />
ein Leib sind: so auch Christus. [...] Aber Gott hat den<br />
Leib zusammengefügt und dem geringeren Glied<br />
höhere Ehre gegeben, damit im Leib keine Spaltung<br />
sei, sondern die Glieder in gleicher Weise füreinander<br />
sorgen. Und wenn ein Glied leidet, so leiden alle<br />
Glieder mit, und wenn ein Glied geehrt wird, so freuen<br />
sich alle Glieder mit. Ihr aber seid der Leib Christi<br />
und jeder von euch ein Glied.«<br />
Mitgliedschaft in Bildern<br />
Der Ruf Gottes in die Nachfolge Jesu Christi erfordert<br />
immer eine ganz persönliche Reaktion und<br />
ist zugleich immer auch ein Ruf in die <strong>Gemeinde</strong><br />
hinein. Von daher ist auch klar, dass zur <strong>Gemeinde</strong><br />
nur die gehören sollten, die durch den Glauben<br />
an den Herrn Jesus Christus nicht mehr unter der<br />
Herrschaft des Fürsten dieser Welt leben, sondern<br />
unter der Herrschaft Jesu leben, der das Haupt der<br />
<strong>Gemeinde</strong> ist.<br />
Nur Schafe des guten Hirten Jesus sollten zur<br />
Herde gehören (Johannes 10), keine Wölfe (Matthäus<br />
7,15). Gleichzeitig gehören Schafe in die Herde (Johannes<br />
10,14-17; Apostelgeschichte 20,28-29; 1.Petrus<br />
5, 2-3). Überhaupt gebraucht die Bibel oftmals bildhafte<br />
Sprache, die klar veranschaulicht, dass Christen<br />
Teil einer <strong>Gemeinde</strong> sein sollten. So wie Glieder<br />
zu einem Leib gehören und Schafe in eine Herde, so<br />
gehören Reben an den Weinstock (Johannes 15,1ff),<br />
Steine in ein Haus beziehungsweise in einen Tempel<br />
(Epheser 2,21f; 1. Petrus 2,5).<br />
Drinnen und Draußen<br />
Gerade das Bild der Schafe in der Herde veranschaulicht<br />
noch eine weitere Dimension der <strong>Gemeinde</strong>mitgliedschaft.<br />
Die Mitgliedschaft in einer <strong>Gemeinde</strong><br />
ist ein Schutzraum und eine Gott-gewollte Grenze<br />
zwischen der <strong>Gemeinde</strong> und der Welt.<br />
Gott hat schon immer klar getrennt zwischen<br />
einem »Drinnen« und einem »Draußen«, so unpopulär,<br />
»richtend« und intolerant das auch in unserer<br />
stark inklusivistisch geprägten Kultur erscheinen<br />
mag. Wir sehen das durch die ganze Bibel hinweg:<br />
• Der Garten Eden hatte ein »Drinnen« und<br />
»Draußen«. Drinnen waren die Menschen bei<br />
Gott. Nach draußen mussten sie, nachdem sie<br />
gegen ihn rebelliert hatten.<br />
• Noahs Arche hatte ein Drinnen und ein Draußen.<br />
Drinnen war Rettung, draußen blieben die<br />
Ungläubigen und wurden gerichtet.<br />
14
• Das Volk Israel schlug in der Wüste Lager auf.<br />
Drinnen waren die, die zeremoniell rein waren.<br />
Die Unreinen mussten nach draußen.<br />
• Das Volk Israel hatte klare Grenzen, sowohl<br />
geo-politisch, wie auch durch zeremonielle<br />
Gesetze. Es war streng verboten für die, die dazu<br />
gehörten, sich durch Heirat mit denen zu vermischen,<br />
die nicht dazu gehörten.<br />
• Die NT <strong>Gemeinde</strong> kennt zwar keine ethnischen<br />
und geo-politischen Grenzen, aber unterscheidet<br />
auch klar zwischen denen, die dazu gehören (zur<br />
Herde, zum Leib, zum Bundesvolk, zum Haushalt<br />
Gottes – Kinder Gottes) und denen, die nicht<br />
dazu gehören (Wölfe, Gottlose, Feinde Gottes).<br />
• Und genau so wird es schließlich in der Ewigkeit<br />
sein. Jeder, der durch den Glauben zum Herrn<br />
Jesus Christus gehört, wird dann nach seiner<br />
Wiederkehr in seine herrliche Gegenwart einziehen.<br />
Alle anderen werden gerichtet werden.<br />
Ohne jede Frage, jeder Christ gehört in eine <strong>Gemeinde</strong>.<br />
Natürlich sollten <strong>Gemeinde</strong>n immer einladend<br />
und freundlich zu Fremden sein. Doch gleichzeitig<br />
müssen Fremde eben auch wissen, dass sie nicht zur<br />
<strong>Gemeinde</strong> gehören, es sei denn, dass sie tatsächlich<br />
Christen sind und von der <strong>Gemeinde</strong> als Mitglieder<br />
aufgenommen werden.<br />
Nur mit einer klar definierten Mitgliedschaft<br />
kann die <strong>Gemeinde</strong> ihrem biblischen Mandat nachkommen,<br />
gemeinsam – unter Gottes Wort und geleitet<br />
durch Älteste – Entscheidungen zu treffen. So<br />
ist die <strong>Gemeinde</strong> zum Beispiel als Ganzes die letzte<br />
Instanz, wenn es um den Umgang mit Sündern geht,<br />
die keine Buße tun. (Matthäus 18,17). Damit eine <strong>Gemeinde</strong><br />
einen Beschluss fassen kann, muss klar sein,<br />
wer dazu gehört und wann eine Mehrheit erreicht<br />
ist. In 2. Korinther 2,6 ist genau davon die Rede.<br />
Ohne <strong>Gemeinde</strong>mitgliedschaft bleibt unklar, wer<br />
zur <strong>Gemeinde</strong> gehört und wer nicht, so dass eine<br />
<strong>Gemeinde</strong> nicht im Sinne der Bibel gemeinsam entscheiden<br />
kann. Dann bleibt nur ein streng hierarchisches<br />
Leitungssystem, wie es dann auch tatsächlich<br />
in vielen Eventgemeinden anzutreffen ist, die keine<br />
definierte Mitgliedschaft haben.<br />
Christen in einer lokalen <strong>Gemeinde</strong> sollen füreinander<br />
da sein, auf einander Acht haben und einander<br />
ermutigen und ermahnen (siehe z.B. Hebräer<br />
10,23ff). Teil der <strong>Gemeinde</strong> zu sein bedeutet auch,<br />
dass die <strong>Gemeinde</strong> einem Mitglied zuspricht, dass<br />
er oder sie tatsächlich ein Kind Gottes ist. Andererseits<br />
hat die <strong>Gemeinde</strong> auch die Verantwortung,<br />
diejenigen, die nicht dem Evangelium gemäß leben,<br />
zu ermahnen und, wenn nötig, aus der <strong>Gemeinde</strong><br />
auszuschließen (Matthäus 18,15ff; 1. Korinther 5,1ff).<br />
Auch diese biblische Disziplinierungsmaßnahme<br />
kann nur dann praktiziert werden, wenn es eine klar<br />
definierte <strong>Gemeinde</strong>mitgliedschaft gibt.<br />
Vielleicht ist auch gerade das ein Grund, warum<br />
viele Christen sich davor scheuen, Mitglied einer<br />
<strong>Gemeinde</strong> zu werden. Sie wollen sich nicht einfügen<br />
und niemandem gegenüber rechenschaftspflichtig<br />
sein. Dabei verkennen sie, dass auch <strong>Gemeinde</strong>zucht<br />
eine gute Gabe Gottes ist. Diese Form der öffentlichen<br />
Ermahnung und Zurechtweisung wird von Gott<br />
immer wieder dazu gebraucht, um Menschen zum<br />
Nachdenken und zur Buße zu führen. In meinen<br />
acht Dienstjahren als Pastor habe ich leider vier<br />
<strong>Gemeinde</strong>ausschlüsse miterlebt. Doch in zwei dieser<br />
Fälle durfte ich einige Zeit später erleben, wie diese<br />
Geschwister ihr Leben in Ordnung brachten und<br />
wieder in die Gemeinschaft der <strong>Gemeinde</strong> zurückkehrten.<br />
Durch die <strong>Gemeinde</strong>ausschlüsse waren beide<br />
wachgerüttelt worden. Und genau das ist das Ziel<br />
eines <strong>Gemeinde</strong>ausschlusses. So schreibt Paulus im<br />
Korinther 5, 4-5: »wenn ihr in dem Namen unseres<br />
Herrn Jesus versammelt seid und mein Geist samt<br />
der Kraft unseres Herrn Jesus bei euch ist, soll dieser<br />
Mensch dem Satan übergeben werden zum Verderben<br />
des Fleisches, damit der Geist gerettet werde am<br />
Tage des Herrn.«<br />
Diese Zeilen mögen sich bedrohlich anhören.<br />
Doch dabei sollte uns klar sein, dass derjenige, der<br />
keiner <strong>Gemeinde</strong> angehört, sich freiwillig in diese<br />
Gefahrenzone begibt. Lieber Christ, warum würdest<br />
Du das tun wollen?<br />
Komm in den<br />
Schutzraum der <strong>Gemeinde</strong><br />
Wenn Du noch kein <strong>Gemeinde</strong>mitglied bist, dann<br />
ändere das. Bedenke dabei, dass es keine perfekte<br />
<strong>Gemeinde</strong> gibt. Doch wenn in einer <strong>Gemeinde</strong> das<br />
Evangelium gepredigt wird und sich dort Christen<br />
versammeln, um miteinander Christus nachzufolgen,<br />
aus der Bibel gelehrt zu werden, zu beten und das<br />
Mahl des Herrn zu feiern, dann zögere nicht länger.<br />
Komm in den von Gott gestifteten Schutzraum.<br />
Werde Teil eines lokalen Leibes Christi und komm so<br />
ganz bewusst unter das Haupt, Jesus Christus.<br />
Matthias Lohmann (*1971) kam durch Gottes souveräne<br />
Gnade im Januar 1998 zum Glauben an Jesus Christus. Matthias<br />
studierte Politikwissenschaften, VWL und Neuere Geschichte<br />
und war danach in Management-Positionen in Deutschland und<br />
den USA tätig. In dieser Zeit erwarb er am Reformed Theological<br />
Seminary in Washington DC einen Masterabschluss. Seit Oktober<br />
2008 dient er der FEG München-Mitte als Pastor. Außerdem<br />
ist er der Initiator und der 1. Vorsitzende von Evangelium21<br />
und gehört dem Leitungs- und Dozententeam des Münchener<br />
Studienzentrums des Martin Bucer Seminars an. Er ist mit Sarah<br />
verheiratet und sie haben zwei Töchter.<br />
15
Die <strong>Gemeinde</strong> und<br />
ihre Ältesten<br />
Text von Waldemar Dirksen<br />
»Wir bitten euch aber, ihr Brüder, dass ihr diejenigen anerkennt,<br />
die an euch arbeiten und euch im Herrn vorstehen und euch zurechtweisen,<br />
und dass ihr sie um so mehr in Liebe achtet um ihres<br />
Werkes willen. Lebt im Frieden miteinander!«<br />
1. THESSALONICHER 5,12-13<br />
© Foto: Ben White — unsplash.com/@benwhitephotography
Wahrer Hirtendienst in der <strong>Gemeinde</strong><br />
ist mühsame und harte Arbeit.<br />
Älteste sind dabei nicht Herrscher,<br />
sondern dienende Führer, die mit<br />
gutem Beispiel vorangehen sollen. Sie haben Autorität,<br />
um einer <strong>Gemeinde</strong> vorzustehen. Unsere Haltung<br />
gegenüber unseren Ältesten soll von liebevollem<br />
Respekt geprägt sein, indem wir ihre Autorität in<br />
der <strong>Gemeinde</strong> anerkennen und sie in Liebe achten.<br />
Paulus war besorgt um die Beziehung der <strong>Gemeinde</strong><br />
zu ihren Ältesten, deshalb schreibt er an die<br />
Thessalonicher: »Wir bitten euch aber, ihr Brüder,<br />
dass ihr diejenigen anerkennt, die an euch arbeiten<br />
und euch im Herrn vorstehen und euch zurechtweisen,<br />
und dass ihr sie um so mehr in Liebe achtet um<br />
ihres Werkes willen. Lebt im Frieden miteinander!«<br />
(1.Thess. 5,12-13). Paulus nennt dabei die wesentlichen<br />
Aufgaben der Ältesten und fordert liebevollen<br />
Respekt der <strong>Gemeinde</strong> gegenüber ihren Ältesten.<br />
Wir wissen nicht, was genau Paulus dazu bewegt<br />
hat, diese Verse zu schreiben. Wir können seine<br />
Motivation weder aus den beiden Versen noch aus<br />
dem Kontext ableiten. Wir wissen aber, dass Paulus<br />
den ganzen Ratschluss Gottes verkündigt hat. Dazu<br />
zählt auch die Lehre von den Ältesten in der <strong>Gemeinde</strong>.<br />
Für uns gilt heute: Keine Lehre der Heiligen<br />
Schrift sollte übergangen oder vernachlässigt werden<br />
– auch nicht die Lehre von den Ältesten. Im Neuen<br />
Testament gibt es viele Aussagen, die unmittelbar<br />
an Älteste gerichtet sind. Dabei wird der Dienst<br />
und die Stellung der Ältesten mit unterschiedlichen<br />
Begriffen beschrieben: Älteste sind beispielsweise<br />
»Hirten«, »Aufseher« oder »Gottes Verwalter« (Tit.<br />
1,7). Diese Begriffe machen deutlich, dass Älteste von<br />
der Schrift her Verantwortung tragen und Autorität<br />
besitzen.<br />
Die Aufgaben der Ältesten<br />
in der <strong>Gemeinde</strong><br />
Im Vers 12 beschreibt Paulus das Aufgabenspektrum<br />
der Ältesten in dreierlei Hinsicht: arbeiten; vorstehen<br />
und zurechtweisen. Zuerst müssen wir aber klären,<br />
wie wir auf Älteste kommen, obwohl in beiden Versen<br />
das Wort »Älteste« nicht vorkommt. Vor den Begriffen<br />
arbeiten, vorstehen und zurechtweisen steht<br />
nur einmal das Wort »die«, ein Pronomen, d.h. diese<br />
drei Aufgaben bezieht Paulus im Vers 12 nur auf eine<br />
bestimmte Gruppe in der <strong>Gemeinde</strong>. Diese Gruppe<br />
ist eindeutig die Gruppe der Ältesten. Denn keine<br />
andere Gruppe von Menschen in der <strong>Gemeinde</strong> hat<br />
den Auftrag, der <strong>Gemeinde</strong> vorzustehen.<br />
1. »die an euch arbeiten«<br />
Echter Hirtendienst ist aus der Sicht der Bibel mühsame<br />
und harte Arbeit. Vom Urtext her bedeutet das<br />
Wort »arbeiten« so viel wie »sich abmühen«, »sich<br />
anstrengen« oder »sich abplagen«. Es spricht von<br />
einer Arbeit bis zur Erschöpfung: Intensives Bibelstudium,<br />
gründliches Vorbereiten von Predigten,<br />
Kranke besuchen, Trauernde trösten, die Schwachen<br />
stärken, für alle Gläubigen beten, verlobten<br />
und verheirateten Paaren mit Rat zur Seite stehen,<br />
zwischenmenschliche Konflikte mit Einfühlungsvermögen<br />
lösen und sich um viele, alltägliche Dinge<br />
des <strong>Gemeinde</strong>lebens kümmern. Diese Aufgaben<br />
können nicht beiläufig erledigt werden; sie erfordern<br />
viel Zeit, Kraft und Ausdauer. Echter Hirtendienst<br />
ist daher nicht eine gemütliche Sonntagsbeschäftigung,<br />
sondern eine selbstaufopfernde Arbeit. Zu den<br />
Ältesten von Ephesus sagt Paulus: »Ich habe euch<br />
in allem gezeigt, dass man so arbeiten und sich der<br />
Schwachen annehmen muss im Gedenken an das<br />
Wort des Herrn Jesus, der selbst gesagt hat: Geben<br />
ist seliger als nehmen« (Apg. 20,35). Die geistliche<br />
Bequemlichkeit der Männer ist sicherlich ein Grund<br />
dafür, dass es in den <strong>Gemeinde</strong>n oft nur wenige Älteste<br />
gibt bzw. gut funktionierende Ältestenschaften.<br />
Männer sind oft gern bereit, ihre geistliche Verantwortung<br />
jemand anderem zu überlassen, ob nun<br />
ihren Frauen oder professionellen Geistlichen.<br />
Das erste Leitungsteam der <strong>Gemeinde</strong> bestand<br />
aus 12 Männern, die auf vorbildliche Weise die erste<br />
christliche Gemeinschaft geführt und gelehrt haben.<br />
Diese zwölf Männer sind ein großes Vorbild für<br />
demütige Bruderliebe, Einheit und gemeinschaftliche<br />
Leiterschaft. Sie haben in ihrem Hirtendienst<br />
den Fokus auf Gebet und Lehre gerichtet; wir lesen<br />
davon in Apg. 6,4: »Wir aber wollen ganz beim Gebet<br />
und beim Dienst des Wortes bleiben.«<br />
Biblische Ältestenschaft kann nur von einem<br />
geistlich qualifizierten Leitungsteam erfüllt werden.<br />
Ein Team von geistlich unqualifizierten Ältesten<br />
bringt für die örtliche <strong>Gemeinde</strong> keinen Nutzen.<br />
»Besser keine Ältesten als falsche!« <strong>Gemeinde</strong>n<br />
sollen ernsthaft auf geistlich qualifizierte Älteste bestehen,<br />
auch wenn es Jahre braucht, bis diese Männer<br />
so weit sind. Bereitschaft und Befähigung muss<br />
vorhanden sein, um die harte Arbeit eines Hirten in<br />
der <strong>Gemeinde</strong> verrichten zu können.<br />
2. »euch im Herrn vorstehen«<br />
Vom Urtext her umfasst das Wort »vorstehen« zwei<br />
Gedanken: Autorität ausüben und Fürsorge und<br />
Zuwendung erweisen. Beide Gedanken können wir<br />
zusammenfassen und den biblischen Führungsstil<br />
von Ältesten folgendermaßen definieren: Wahre<br />
Älteste in der <strong>Gemeinde</strong> sind dienende Führer!<br />
Petrus beschreibt diese dienende Führerrolle in<br />
seinem ersten Brief (1.Petr. 5,2-3): »Weidet die Herde<br />
Gottes, die euch anbefohlen ist; achtet auf sie, nicht<br />
gezwungen, sondern freiwillig, wie es Gott gefällt;<br />
nicht um schändlichen Gewinns willen, sondern von<br />
18
Herzensgrund; nicht als Herren über die <strong>Gemeinde</strong>,<br />
sondern als Vorbilder der Herde.« Älteste sollen ihre<br />
Autorität nicht mit harter Hand ausüben, sondern<br />
mit Bedacht und vor allem mit persönlichem Vorbild.<br />
Ein vollkommenes Beispiel für diese dienende<br />
Führung sehen wir in Jesus selbst. Wir lesen in Mk.<br />
10,42-45: »Da rief Jesus sie zu sich und sprach zu<br />
ihnen: ›Ihr wisst, die als Herrscher gelten, halten ihre<br />
Völker nieder, und ihre Mächtigen tun ihnen Gewalt<br />
an. Aber so ist es unter euch nicht; sondern wer<br />
groß sein will unter euch, der soll euer Diener sein;<br />
und wer unter euch der Erste sein will, der soll aller<br />
Knecht sein. Denn auch der Menschensohn ist nicht<br />
gekommen, dass er sich dienen lasse, sondern dass<br />
er diene und sein Leben gebe als Lösegeld für viele‹«.<br />
Wahre Älteste sind unserem Herrn ähnlich: Aus<br />
Liebe ertragen sie schwierige Menschen und Probleme,<br />
um die Lämmer vor Schaden zu bewahren.<br />
Missverständnisse und Sünden anderer nehmen sie<br />
auf ihre Schultern, so dass die <strong>Gemeinde</strong> in Frieden<br />
leben kann. Sie verzichten auf Schlaf, damit andere<br />
ruhen können. Sie opfern ihre Zeit und Energie zum<br />
Wohl anderer. Sie stellen sich den scharfen Angriffen<br />
von Irrlehrern. Denn die <strong>Gemeinde</strong> ist eine kleine<br />
Herde, die über gefährliches Gebiet voller grausamer<br />
Wölfe geht. Sie wissen den Weg und erkennen die<br />
grausamen Wölfe, um die Herde sicher zum Ziel zu<br />
führen. Der Zusatz »im Herrn« (es heißt ja: »euch<br />
im Herrn vorstehen«) verweist auf Jesus als die<br />
Autorität, die hinter und über den Ältesten steht.<br />
Dieser Zusatz widerspricht jeder selbstsüchtigen<br />
Leiterschaft. Die Unterhirten in der <strong>Gemeinde</strong> sind<br />
verantwortlich gegenüber dem obersten Hirten.<br />
3. «euch zurechtweisen«<br />
Eine weitere Aufgabe der Ältesten ist zurechtweisen,<br />
wenn einzelne Gläubige vom Weg abkommen und<br />
ihnen daher Unheil droht. Diese Verantwortung trägt<br />
jeder Christ in der <strong>Gemeinde</strong>. Jesus selbst sagt in Mt.<br />
18,15: »Wenn aber dein Bruder an dir gesündigt hat,<br />
so gehe hin und weise ihn zurecht unter vier Augen.<br />
Hört er auf dich, so hast du deinen Bruder gewonnen.«<br />
In besonderer Weise soll dieser Dienst von<br />
Hirten der <strong>Gemeinde</strong> ausgeübt werden.<br />
Die Anerkennung und<br />
Achtung der Ältesten<br />
In den Versen 12 und 13 bittet Paulus um Anerkennung<br />
und Achtung der Ältesten, wenn er schreibt:<br />
»dass ihr diejenigen anerkennt« und »dass ihr sie<br />
umso mehr in Liebe achtet um ihres Werkes willen«<br />
In der Elberfelder Übersetzung klingt der Appell in<br />
Vers 13 noch eindringlicher als in der Schlachter<br />
Übersetzung: »dass ihr sie ganz besonders in Liebe<br />
achtet um ihres Werkes willen.« Was sind die Werke<br />
der Ältesten? Zu ihren Werken zählen »arbeiten,<br />
vorstehen und zurechtweisen«. Wegen dieser Werke<br />
verdienen Älteste den liebevollen Respekt ihrer <strong>Gemeinde</strong>.<br />
Paulus schreibt in 1.Tim. 5,17: »Die Ältesten,<br />
die der <strong>Gemeinde</strong> gut vorstehen, die halte man in<br />
zwiefacher Ehre wert, besonders, die sich mühen im<br />
Wort und in der Lehre.« Wir neigen oft dazu, kritisch<br />
mit unseren Ältesten umzugehen. Ihre Schwächen<br />
und Fehler halten wir vor unsere Augen und nähren<br />
vielleicht so unsere kritische Haltung ihnen gegenüber.<br />
Sie haben Schwächen und machen Fehler,<br />
trotzdem soll liebevoller Respekt unsere Grundhaltung<br />
gegenüber unseren Ältesten sein: »dass ihr sie<br />
ganz besonders in Liebe achtet um ihres Werkes<br />
willen.«<br />
Der Grund für unseren liebevollen Respekt wird<br />
im Vers 13 ausdrücklich genannt: »um ihres Werkes<br />
willen.« Unabhängig davon, ob unsere Ältesten<br />
gebildet sind, sich gut ausdrücken können oder<br />
eine charismatische Ausstrahlung haben, sollen wir<br />
ihnen unsere Wertschätzung entgegenbringen. Es<br />
kommt nicht auf Sympathien an. Weil sie »arbeiten«,<br />
»vorstehen« und »zurechtweisen«, sollen wir sie<br />
wertschätzen. Ihnen ist Autorität gegeben und wir<br />
sollen uns dieser Autorität fügen. Autorität an sich<br />
ist etwas Gutes. Denn Autorität und Führung gehören<br />
zum Bild Gottes. Gott hat die oberste Autorität<br />
und er übt diese Autorität aus. Gott hat uns nach<br />
seinem Bilde geschaffen und von ihm kommen die<br />
Autoritätsstrukturen, die wir z.B. in unseren Familien<br />
haben. Eltern sollen eine liebende Autorität für<br />
ihre Kinder sein und Kinder sollen Vater und Mutter<br />
ehren. Das ist Gottes Wille. Die von Gott gegebene<br />
Autorität soll nicht missbraucht, sondern in seinem<br />
Sinne ausgeübt werden. Eine Welt ohne Autorität<br />
wäre wie Leidenschaften ohne Schranken, ein Auto<br />
ohne Bremsen oder eine Welt ohne Gott. Unsere Berufung<br />
besteht darin, dass wir die göttliche Autorität<br />
in der <strong>Gemeinde</strong> anerkennen und achten. Das ist ein<br />
Zeichen für eine gesunde <strong>Gemeinde</strong> und gesunde<br />
Christen.<br />
Waldemar Dirksen (*1982) gehört als Mitgründer, und<br />
Mitherausgeber zu den regelmäßigen Autoren von <strong>Timotheus</strong>.<br />
Er dient in seiner Heimatgemeinde als Prediger und Diakon.<br />
Beruflich ist er als Lehrer tätig und ist verlobt mit Anna.<br />
19
ALTES TESTAMENT<br />
Das Heftthema aus<br />
alttestamentlicher Perspektive
Die <strong>Gemeinde</strong> im<br />
Alten Testament<br />
Text von Andreas Münch<br />
Teil der <strong>Gemeinde</strong> Jesu Christi zu sein, ist ein großes Vorrecht –<br />
und oftmals eine große Bürde. Warum <strong>Gemeinde</strong> oftmals beides<br />
zugleich ist, erklärt uns ein Buch im Alten Testament – das 4.<br />
Buch Mose.<br />
Die <strong>Gemeinde</strong> Gottes ist eines der größten<br />
Mysterien dieser Welt! Jedes Mitglied<br />
einer christlichen <strong>Gemeinde</strong> oder<br />
jemand, der die Christen gut beobachtet,<br />
wird feststellen, dass sie aus fehlerhaften Menschen<br />
besteht, die sich teilweise schlimmer verhalten als<br />
Nicht-Christen. Auf der anderen Seite wird man bei<br />
diesen Menschen ebenfalls eine Heiligkeit und die<br />
lebendige Kraft Gottes feststellen, die sich schwerlich<br />
wegerklären lässt. Dieses Paradoxon kommt<br />
deswegen zustande, weil wir es bei der <strong>Gemeinde</strong><br />
Gottes mit fehlerhaften Menschen zu tun haben, die<br />
jedoch durch die Gnade Gottes verändert wurden<br />
und werden.<br />
In der Bibel gibt es kein anderes Buch, das diesen<br />
Widerspruch so anschaulich darstellt wie das 4.<br />
Buch Mose. Gott hatte die Israeliten aus Ägypten<br />
herausgeführt, um ihnen das Land Kanaan als<br />
zukünftigen Wohnort zu geben. Nachdem das Volk<br />
in der Wüste zwei Jahre lang Zeit hatte (vgl. 4. Mose<br />
1,1), ihren Gott immer besser kennenzulernen, befahl<br />
dieser, das Volk zu zählen und sich marschbereit zu<br />
machen.<br />
Was nun in 4. Mose präsentiert wird, ist die beste<br />
Abhandlung über das Wesen der <strong>Gemeinde</strong> Gottes,<br />
die du überhaupt lesen kannst. In 4. Mose wird<br />
sowohl die dunkle Seite des menschlichen Herzens<br />
schonungslos offenbart als auch die herrliche Gnade<br />
Gottes. Falls du der Meinung bist, dass das Volk Israel<br />
und die <strong>Gemeinde</strong> Jesu Christi nichts miteinander<br />
zu tun haben, dann lass mich dir ein paar Parallelen<br />
aufzeigen. Paulus, der sowohl ein Israelit (seine<br />
Nationalität) und ein Christ war, schrieb: Diese Dinge<br />
aber sind als Vorbilder für uns geschehen, damit wir<br />
nicht nach Bösem gierig sind, wie jene gierig waren.<br />
[...] Alles dies aber widerfuhr jenen als Vorbild und ist<br />
geschrieben worden zur Ermahnung für uns, über die<br />
das Ende der Zeitalter gekommen ist. Daher, wer zu<br />
stehen meint, sehe zu, dass er nicht falle. (1. Korinther<br />
10,6.11)<br />
6 Parallelen zwischen<br />
Israel und der <strong>Gemeinde</strong><br />
1. Gläubige können sehr<br />
wankelmütig sein<br />
Was erwartet man von Menschen, die wie niemand<br />
sonst auf der Welt Gottes Allmacht so deutlich<br />
anhand der 10 Plagen, der Teilung des Schilfmeeres<br />
und durch wundersames Manna zu spüren bekamen?<br />
Logisch, sie würden sofort alles glauben, was<br />
Gott verspricht und würden sich um die Zukunft<br />
keine Sorgen mehr machen, weil sie wüssten, dass<br />
Gott imstande ist, sich um alle Belange zu kümmern.<br />
Sofern dieselben Menschen Gottes Heiligkeit in<br />
einzigartiger Weise demonstriert bekamen und bereits<br />
erlebt hatten, dass Gott sowohl segnet als auch<br />
straft, so würde man zurecht erwarten, dass es keine<br />
gottesfürchtigeren Menschen geben würde als sie,<br />
richtig? Nun, das sollte man erwarten und 4. Mose<br />
beginnt recht positiv. Die ersten 10 Kapitel sind wie<br />
die ersten 10 Tage in einer neuen <strong>Gemeinde</strong> – alles<br />
ist wunderbar. So lesen wir, dass das Volk Israel den<br />
göttlichen Anweisungen in Bezug auf die Volkszählung<br />
und die Weihe der Leviten für den Dienst an der<br />
Stiftshütte Folge leistete (vgl. 4. Mose 8,4.20.22 und<br />
© Foto: Aaron Burden — unsplash.com/@aaronburden<br />
21
9,5). Auch beteiligten sich alle 12 Stammesfürsten an<br />
den Gaben für die Stiftshütte. Alles wurde akribisch<br />
aufgeschrieben und befolgt (vgl. Kap. 7).<br />
Und dann, als die Israeliten gerade aufgebrochen<br />
waren, beschwerten sie sich, weil ihnen der Speiseplan<br />
zu einseitig war und sie wünschten sich nach<br />
Ägypten in die Sklaverei zurück (vgl. Kap 11)!!! Man<br />
sollte es nicht für möglich halten. Die Israeliten taten<br />
so, als hätten sie niemals die starke Hand Gottes<br />
erlebt und waren absolut respektlos Gott gegenüber,<br />
der sie bisher so wunderbar geführt hatte. Doch wir<br />
sollten die Israeliten hier nicht vorschnell verurteilen,<br />
weil wir uns als Christen häufig ebenso aufführen.<br />
Wir behaupten Gott kennengelernt zu haben<br />
und nach seinen Maßstäben zu leben. Aber so häufig<br />
spricht unser praktisches Leben eine entgegengesetzte<br />
Sprache. Jakobus schreibt dazu: Seid aber<br />
Täter des Wortes und nicht allein Hörer, die sich selbst<br />
betrügen! (Jakobus 1,22)<br />
2. Die <strong>Gemeinde</strong> braucht Leitung<br />
Ohne die Hilfe und Leitung von Mose und Aaron<br />
hätte das Volk keinen einzigen Fuß aus Ägypten<br />
gesetzt. Menschen brauchen Führung und Mose<br />
war treu in der Aufgabe als Leiter, wie der Schreiber<br />
es in Hebräer 3,5 ausdrückt: Und Mose war zwar in<br />
seinem ganzen Haus als Diener treu – zum Zeugnis<br />
von dem, was verkündigt werden sollte. Er nahm sich<br />
die Zeit, um mit Gott zu reden, belehrte das Volk und<br />
stand für sie ein, als Gott sie vernichten wollte, weil<br />
sie sich als abgrundtief boshaft erwiesen (4. Mose 14).<br />
Ebenso diente der ganze Stamm der Leviten stellvertretend<br />
für das Volk an der Stiftshütte und bekam<br />
kein eigenes Land als Erbbesitz (4. Mose 1,48-54 und<br />
3-4). Im Gegensatz dazu sollte das Volk die Leviten<br />
mit Unterhalt versorgen und ihnen bestimmte Städte<br />
und Weideplätze kostenlos zur Verfügung stellen (4.<br />
Mose 18 und 35). Diese Leitungsprinzipien finden<br />
sich auch in der neutestamentlichen <strong>Gemeinde</strong><br />
wieder. Eine <strong>Gemeinde</strong> braucht Älteste und Diakone.<br />
Menschen, die sich besondere Zeit für Gottes Wort<br />
und die Unterweisung nehmen und sich um die<br />
Versorgung der Gläubigen kümmern. Im Gegensatz<br />
dazu soll die <strong>Gemeinde</strong> ihre Leiter in Ehren halten.<br />
Paulus schrieb: Das Wort ist gewiss: Wenn jemand<br />
nach einem Aufseherdienst trachtet, so begehrt er ein<br />
schönes Werk ... Die Ältesten, die gut vorstehen, sollen<br />
doppelter Ehre gewürdigt werden, besonders die in<br />
Wort und Lehre arbeiten. (1.<strong>Timotheus</strong> 3,1 und 5,17)<br />
3. Nicht alle Mitglieder der<br />
<strong>Gemeinde</strong> sind echte Gläubige<br />
Wenn 4. Mose uns irgendetwas lehrt, dann die Tatsache,<br />
dass nicht alle Israeliten wahre Gläubige waren.<br />
Genauso wenig sollten wir davon ausgehen, dass alle<br />
Mitglieder einer christlichen <strong>Gemeinde</strong> tatsächlich<br />
gerettet sind. Das AT und das NT lehren, dass es eine<br />
<strong>Gemeinde</strong> Gottes innerhalb der <strong>Gemeinde</strong> Gottes<br />
gibt. Letzteres sind die Menschen, die wir zahlenmäßig<br />
erfassen können, da sie z.B. im <strong>Gemeinde</strong>mitgliederverzeichnis<br />
stehen. Erstere machen das wahre<br />
Volk Gottes aus, also Menschen, die tatsächlich<br />
durch die Wiedergeburt Gottes zu seinen Kindern<br />
gehören. In Römer 9,6.7 schreibt der Apostel Paulus:<br />
Nicht aber als ob das Wort Gottes hinfällig geworden<br />
wäre; denn nicht alle, die aus Israel sind, die sind Israeliten,<br />
auch nicht weil sie Abrahams Nachkommen<br />
sind, sind alle Kinder, sondern »in Isaak wird dir eine<br />
Nachkommenschaft genannt werden«. Was Paulus<br />
hier sagt, und wir in 4. Mose deutlich sehen, ist, dass<br />
nicht alle Israeliten automatisch zu Gottes erwähltem<br />
Volk gehörten (im Sinne von tatsächlich errettet),<br />
nur weil sie von Geburt Israeliten waren. Ebenso<br />
wenig können wir davon ausgehen, dass jeder, der<br />
sich als Christ bezeichnet, wirklich zur wahren <strong>Gemeinde</strong><br />
Gottes gehört. Warum? Nun, in 4. Mose lesen<br />
wir von offenkundigem Unglauben vonseiten vieler<br />
Israeliten, der sich in Rebellion, Ungehorsam und<br />
Götzendienst ausdrückte. Es ist bezeichnend, dass<br />
sich sowohl Paulus als auch der Autor des Hebräerbriefes<br />
auf die böse Generation der Wüstenwanderung<br />
beziehen, wenn sie die neutestamentlichen<br />
Gläubigen vor der Gefahr eines unechten Glaubens<br />
warnen wollen: Wenn gesagt wird: »Heute, wenn ihr<br />
seine Stimme hört, verhärtet eure Herzen nicht wie<br />
in der Erbitterung«; welche haben denn nicht gehört<br />
und sich aufgelehnt? Waren es denn nicht alle, die<br />
durch Mose von Ägypten ausgezogen waren? Welchen<br />
aber zürnte er vierzig Jahre? Nicht denen, welche<br />
gesündigt hatten, deren Leiber in der Wüste fielen?<br />
Welchen aber schwor er, dass sie nicht in seine Ruhe<br />
eingehen sollten, wenn nicht denen, die ungehorsam<br />
gewesen waren? (Hebräer 3,15-18) An den meisten von<br />
ihnen aber hatte Gott kein Wohlgefallen, denn sie sind<br />
in der Wüste hingestreckt worden. Diese Dinge aber<br />
sind als Vorbilder für uns geschehen, damit wir nicht<br />
nach Bösem gierig sind, wie jene gierig waren. Werdet<br />
auch nicht Götzendiener wie einige von ihnen!, wie<br />
geschrieben steht: ... Auch lasst uns nicht Unzucht<br />
treiben, wie einige von ihnen Unzucht trieben, und<br />
es fielen an einem Tag dreiundzwanzigtausend. Lasst<br />
uns auch den Christus nicht versuchen, wie einige<br />
von ihnen ihn versuchten und von den Schlangen<br />
umgebracht wurden. Murrt auch nicht, wie einige<br />
von ihnen murrten und von dem Verderber umgebracht<br />
wurden! (1. Korinther 10,5-10) In 4. Mose wird,<br />
durch die Prüfungen Gottes, die Spreu vom Weizen<br />
getrennt. Die wenigsten von ihnen bestanden.<br />
4. Bei Missachtung der<br />
Verheißungen Gottes erfüllt die<br />
<strong>Gemeinde</strong> ihre Bestimmung nicht<br />
Das vielleicht tragischste Ereignis nach dem Sündenfall<br />
ist der mangelnde Glaube der Israeliten in<br />
4. Mose 13 und 14. Hier kommen wir zum zentralen<br />
Ereignis. Sie hatten Gottes Allmacht in radikaler<br />
und deutlicher Weise erlebt. Sie hatten allen Grund<br />
Ihm zu vertrauen, dass Er sie in das verheißene<br />
Land bringen würde. Doch als die 12 Kundschafter<br />
zurückkamen und von den befestigten Städten und<br />
Kriegern Bericht erstatteten, glaubte das Volk bis<br />
auf ein paar wenige Ausnahmen nicht, dass Gott<br />
22
Seine Verheißungen erfüllen könnte. So verfielen sie<br />
in Undankbarkeit und ihr Unglaube hatte 40 Jahre<br />
Wüstenwanderung zur Folge, die eine ganze Generation<br />
das Leben kostete. Diese Generation sollte<br />
für die heutige <strong>Gemeinde</strong> eine ernste Warnung sein,<br />
dass sie nicht denselben Fehler begeht und den Verheißungen<br />
Gottes keine Beachtung schenkt. Denn<br />
sollten wir das tun, sind wir nicht imstande gemäß<br />
unserer Bestimmung zu leben, was Gottes Gericht<br />
nach sich zieht. In dem hilfreichen Buch „Gottes<br />
Plan - kein Zufall“ schreibt der Autor: „Wenn wir<br />
Glauben an Christus besitzen, dann sind auch wir<br />
durch ein Passahopfer (Jesus, nicht ein Lamm) von<br />
der Sklaverei befreit worden (der Sünde gegenüber,<br />
nicht gegenüber Ägypten), und wir sind bereit für<br />
eine Reise in das verheißene Land (in den Himmel,<br />
nicht nach Kanaan). Wir müssen sicherstellen, dass<br />
wir nicht aufgrund von Sünde oder Unglauben<br />
fallen, sondern beständig auf Gott vertrauen, bis wir<br />
das Ziel erreicht haben." (S. 70)<br />
5. Auch wahre Gläubige<br />
sind mit Fehlern behaftet<br />
4. Mose lehrt uns ebenfalls, dass auch wahre Gläubige<br />
Zeiten der Schwäche und mangelnden Glauben<br />
haben. Das deutlichste Beispiel dafür ist der Unglaube<br />
der Leiter Moses und Aarons. In 4. Mose 20 lesen<br />
wir, wie Gott dem durstigen Volk Wasser aus dem<br />
Felsen geben möchte. Dazu sollte Mose lediglich ein<br />
Machtwort sprechen. Stattdessen schlug dieser mit<br />
seinem Stab zweimal auf den Felsen. Was für uns<br />
wie eine unwichtige Nebensächlichkeit aussieht,<br />
war in Gottes Augen ein Akt des Unglaubens und<br />
die Konsequenzen für Mose und Aaron waren hart:<br />
Da sprach der HERR zu Mose und zu Aaron: Weil ihr<br />
mir nicht geglaubt habt, mich vor den Augen der Söhne<br />
Israel zu heiligen, darum sollt ihr diese Versammlung<br />
nicht in das Land bringen, das ich ihnen gegeben<br />
habe. (4. Mose 20,12) Einen schweren Fehler beging<br />
auch Mirjam, die Schwester Moses und Aarons, als<br />
sie ungerechtfertigt ihren Bruder Mose kritisierte<br />
und dafür mit sieben Tage Aussatz bestraft wurde (4.<br />
Mose 12). Diese Beispiele lehren deutlich, dass auch<br />
Gläubige ihre Fehler haben und Gott Seine Kinder<br />
züchtigt, wenn Er sie auch nicht verloren gehen lässt.<br />
6. Gott steht trotz allem<br />
zu Seiner <strong>Gemeinde</strong><br />
Das vielleicht erstaunlichste an 4. Mose ist, dass es<br />
uns von der großen Gnade Gottes berichtet. Bei all<br />
den Sünden, die Seine <strong>Gemeinde</strong> auch vorweist,<br />
wacht Er dennoch über sie. Dies wird deutlich<br />
anhand von 4. Mose 22 bis 24. Dort lesen wir, wie<br />
der moabitische König Barak den Propheten Bileam<br />
anheuert, damit er Israel im Namen Gottes verfluche.<br />
Man sollte meinen, dass Gott dem gerne nachgekommen<br />
wäre oder das Er es teilweise sogar getan<br />
hat, indem Er all die gottlosen Israeliten zugrunde<br />
gehen ließ. Doch die Unfähigkeit Israel zu verfluchen<br />
zeigt mehr als deutlich, dass Gott seine wahren Gläubigen<br />
zu bewahren weiß. So ist Bileam gezwungen zu<br />
bekennen: Er erblickt kein Unrecht in Jakob und sieht<br />
kein Verderben in Israel; der HERR, sein Gott, ist mit<br />
ihm, und Königsjubel ist in ihm. (4. Mose 23,21) Was<br />
für die Gläubigen des Alten Testaments galt, gilt gleichermaßen<br />
für die Gläubigen des Neuen Testaments,<br />
denn Paulus stellt die rhetorische Frage, die nur mit<br />
Nein beantwortet werden kann: Wer wird gegen<br />
Gottes Auserwählte Anklage erheben? (Römer 8,33)<br />
Die vielleicht schönste Verheißung für die <strong>Gemeinde</strong><br />
in 4. Mose steht in Kapitel 23,19: Nicht ein Mensch<br />
ist Gott, dass er lüge, noch der Sohn eines Menschen,<br />
dass er bereue. Sollte er gesprochen haben und es<br />
nicht tun und geredet haben und es nicht halten?<br />
Zweifellos ist 4. Mose sehr gehaltvoll. Wann<br />
solltest du dich mehr mit diesem alttestamentlichen<br />
Buch auseinandersetzen? 4. Mose solltest du<br />
vor allem dann lesen, wenn du noch kein Christ<br />
bist, dich aber wunderst, wie es sein kann, dass<br />
Christen vorgeben Gott zu kennen, aber manchmal<br />
etwas anderes erkennen lassen. Dieses Buch wird<br />
dir dabei helfen, das Paradoxon der Christenheit zu<br />
verstehen, denn es zeigt deutlich die Schwachheiten<br />
des Menschen und die Gnade Gottes auf, die<br />
uns bis zum letzten Tag begleiten werden. Sofern du<br />
Christ bist, solltest du 4. Mose dann lesen, wenn du<br />
das Wesen der <strong>Gemeinde</strong> besser verstehen lernen<br />
willst. Wenn du frustriert bist über den Zustand der<br />
<strong>Gemeinde</strong> Jesu, was mich nicht verwundern würde,<br />
dann wirst du in 4. Mose die Gründe für die Schwäche<br />
aber auch die Hoffnung auf die Zukunft sehen.<br />
Sofern du Christ in einer Leitungsfunktion bist, wird<br />
4. Mose dir helfen, den Blick für die Realität des<br />
Dienstes im Reich Gottes zu schärfen. Mose, einer<br />
der größten geistlichen Leiter, hat dir ein wichtiges<br />
Vorbild hinterlassen, sowohl zum Positiven als auch<br />
zum Negativen. Sofern du im Dienst stehst und neue<br />
Impulse brauchst, kannst du ebenfalls zu diesem<br />
Buch greifen.<br />
Andreas Münch (*1984) ist verheiratet mit Miriam und Vater<br />
von Aaron. Er ist Autor und Theologiestudent beim Martin Bucer<br />
Seminar. Mehr hier: andreas-muench.com<br />
23
KIRCHENGSCHICHTE<br />
Rubrik für Biographien<br />
& Kirchengeschichte
J. I. Packer<br />
Text von Hanniel Strebel<br />
James Innell Packer (*1926) gilt als einer der einflussreichsten Persönlichkeiten<br />
des Evangelikalismus der letzten 100 Jahre. Dabei<br />
muss man sich keinen »Grandseigneur« vorstellen, sondern einen<br />
»bescheidenen, demütigen christlichen Gentleman« – so die Beschreibung<br />
des Kirchenhistorikers Carl R. Trueman. Vor allem<br />
inspiriert er mich – Anfang Vierzig, Familienvater, Europäer,<br />
reformatorisch gesinnter Christ – ungemein. Was meine ich mit<br />
Inspiration? Er verbindet gründliche, inhaltsreiche Auslegung und<br />
systematische Darstellung biblischer Lehre mit seinem persönlichen<br />
Beispiel eines jahrzehntelangen<br />
geradlinigen Lebensmarathons.<br />
Mittlerweile liegen zwei theologische<br />
Biographien über Packers Leben vor.<br />
Alister McGrath schrieb Mitte der<br />
1990er-Jahre eine Biografie anlässlich<br />
Packers 70. Geburtstag (Baker: Grand Rapids, 1997).<br />
Er misst Packer darin eine wesentliche Rolle für das<br />
Aufkommen und die Konsolidierung der evangelikalen<br />
Bewegung nach dem Zweiten Weltkrieg<br />
zu (S. 280). McGrath schrieb als Brite, Anglikaner,<br />
Oxford-Insider und Kenner der Wirkungsstätten<br />
der ersten Lebenshälfte Packers. Leland Ryken,<br />
langjähriger Professor für englische Literatur aus<br />
Wheaton, legte die definitive Biografie vor (Wheaton:<br />
Crossway, 2015). Als US-Amerikaner schreibt er<br />
mit großem Respekt vor dem Lebenswerk Packers.<br />
Dieser ließ sich 1979 in Kanada nieder, nachdem ihn<br />
vor allem sein Buch Knowing God (dt. Gott erkennen)<br />
bekannt gemacht hatte.<br />
Ich greife zuerst einige biografische Brocken<br />
heraus, um dann fünf Werke vorzustellen und einige<br />
Lernfelder zu skizzieren.<br />
Biografie<br />
Wie so oft sind bereits in der Kindheit wichtige<br />
Dinge angelegt. Packer rannte als Siebenjähriger<br />
auf die Straße und erlitt beim Zusammenstoss mit<br />
einem Lieferwagen schwerste Kopfverletzungen. Ein<br />
Chirurg, eben von einer Fortbildung in der Heilung<br />
solcher Kopfverletzungen zurückgekehrt, rettete sein<br />
Leben. Dies hatte zur Folge, dass Packer bis ins junge<br />
Erwachsenenalter einen Aluminiumhelm tragen<br />
musste. Er konnte deshalb keinen Sport treiben und<br />
bekam als Junge statt eines Fahrrads eine Schreibmaschine<br />
geschenkt. Sein Weg war damit vorgezeichnet.<br />
Bis ins hohe Alter tippte er seine Bücher<br />
mit der Schreibmaschine.<br />
Packer war ein äußerst seriöser Student. Im<br />
Studentenwohnheim war er kaum in Gesellschaft zu<br />
sehen. Wie in Oxford üblich, absolvierte er vor dem<br />
Theologiestudium ein Studium der alten Sprachen.<br />
Dies legte nicht nur den Grund für die spätere Tätigkeit<br />
als Editor der ESV-Bibelübersetzung (English<br />
Standard Version), sondern begründete auch sein<br />
sorgfältiges, systematisches Arbeiten.<br />
Die große Entdeckung während des Studiums<br />
waren die Werke der Puritaner, insbesondere von<br />
John Owen (1616-1683). Packer beteiligte sich in den<br />
1960er Jahren an der Durchführung von Puritaner-Konferenzen.<br />
Diese wurden für eine Generation<br />
zur Quelle des geistlichen Wachstums. Der Verlag<br />
Banner of Truth begann damals viele Puritaner-Werke<br />
neu aufzulegen.<br />
Packer wurde mit dem 1958 erschienenen Buch<br />
Fundamentalism and the Word of God auf einen<br />
25
Schlag bekannt. Er verstand es, drängende Fragen<br />
zur richtigen Zeit mit der nötigen Sorgfalt und Tiefe<br />
zu adressieren.<br />
Packers unterschiedliche Positionen in der<br />
theologischen Ausbildung der Anglikanischen Kirche<br />
über einen Zeitraum von 25 Jahren war von dauerndem<br />
Konflikt überschattet. Es ging um Ausrichtung,<br />
Ressourcen, um Konkurrenz, letztlich aber auch um<br />
Packers mutiges Vorgehen aus einer Position der<br />
Minderheit. Der Biograph Leland Ryken bezeichnet<br />
ihn als Prophet ohne Ehre im eigenen Land.<br />
Den zweiten Teil seines Dienstes verbrachte Packer<br />
in Nordamerika. Das Regent College in Kanada<br />
bot ihm die Umgebung zur Konsolidierung seiner<br />
Publikationstätigkeit, einer ausgedehnten Vortragstätigkeit<br />
sowie Aufgaben als Editor der ESV-Bibelübersetzung<br />
sowie weiteren Editionen.<br />
Packer zeichnete sich durch eine seit der Jugend<br />
gepflegte Gründlichkeit und Sorgfalt aus. Seine<br />
Skripte waren stets sauber strukturiert und überladen.<br />
Als Editor der ESV Studienbibel las er gründlich<br />
sämtliche Anmerkungen im Umfang von 1,1 Millionen<br />
Wörtern durch.<br />
Mit Spannung wurde über Jahre und Jahrzehnte<br />
Packers Systematische Theologie erwartet. Sie<br />
erschien bis heute nicht (vielleicht posthum?). Wie<br />
dem auch sei: Packers Schreiben und Betreiben der<br />
Theologie hatte stets den Laien im Blick.<br />
Packer blieb seiner Denomination, der Anglikanischen<br />
Kirche, lebenslang treu. Er entschied sich<br />
für den Weg, innerhalb der Kirche für die Wahrheit<br />
des Evangeliums zu kämpfen und diese hochzuhalten.<br />
2003 wurde er aufgrund seines Standpunkts zur<br />
Homosexualität aus seiner Diözese ausgeschlossen,<br />
jedoch kurz nachher von einer anderen wieder aufgenommen.<br />
2015 kündigte Packer den Rückzug aus dem<br />
öffentlichen Leben an, nachdem seine Augen ihren<br />
Dienst zunehmend versagten. Sein Dienst endete<br />
damit nach sechs Jahrzehnten (!) so, wie er begonnen<br />
hatte: Geradlinig, demütig und Gott-zentriert.<br />
Fünf wichtige Werke<br />
Als das Buch Fundamentalism and the Word of God<br />
erschien, war Packer 32 Jahre alt. »Fundamentalismus«<br />
war damals noch nicht Sammelbegriff angesichts<br />
globaler Herausforderungen wie zu Beginn des<br />
21. Jahrhunderts. Packer bezog ihn ausschliesslich<br />
auf den »evangelikalen« Teil der Kirche Englands,<br />
der damit »etikettiert« worden war. Theologisch<br />
liberale Vertreter warfen den Evangelikalen Bibliolatrie<br />
(Götzendienst an der Bibel) und Pseudowissenschaftlichkeit<br />
vor. Sie sahen Lehrmeinungen als<br />
Facetten und Fragmente der einen göttlichen Wahrheit<br />
an, die einander ergänzten. Packer stellte jedoch<br />
klar: »Unsere erste Aufgabe muss darin bestehen,<br />
menschliche Worte durch das autoritative Wort Gottes<br />
zu messen.« Es ging also um die Frage der Autorität.<br />
Packer berief sich ausdrücklich auf B. B. Warfield<br />
(1851-1921) und Gresham Machen (1881-1937).<br />
Diese Vordenker hatten Unterschiede zwischen dem<br />
Christentum und dem (theologischen) Liberalismus<br />
bereits deutlich herausgearbeitet: Es sind zwei unterschiedliche<br />
Religionen. Unsere Aufgabe, so Packer,<br />
bestehe darin, den christlichen Glauben verständlich<br />
in unserer Zeit zu verkündigen, niemals aber (spät)<br />
modernes Gedankengut christlich zu verpacken! Um<br />
eines vom anderen zu unterscheiden, müssten wir<br />
gerade zur Schrift gehen.<br />
Das meistverkaufte Buch von Packer ist aus<br />
einer Serie für eine Zeitschrift heraus entstanden:<br />
Knowing God (1973). Am Anfang zitiert Packer darin<br />
C. H. Spurgeon: »Kein Gegenstand der Betrachtung<br />
ist geeigneter, den Geist zur Demut zu bringen, als<br />
der Gedanke an Gott.« Darum sei es überaus wichtig<br />
über Gott Bescheid zu wissen, »um unser Leben zu<br />
leben.« Packer regt im Buch zum Meditieren über<br />
Gott an, dem »tätigen heiligen Denken, bewusst in<br />
der Gegenwart Gottes«. Der Blick auf den herrlichen<br />
Gott wirft Licht zurück auf das eigene Wesen und<br />
dessen wahren Standort. Es merzt Bilder aus, die wir<br />
aufgrund eines falschen Blickes in uns selbst hinein<br />
aufgebaut haben. Es befreit dadurch die Sicht auf<br />
den erhabenen, allgerechten Gott.<br />
In A Quest for Godliness: The Puritan Vision of the<br />
Christian Life (1994) zeichnet Packer ein lebendiges<br />
Portrait der Puritaner als Modell für leidenschaftliches,<br />
geheiligtes Leben. Das Material hierfür geht auf<br />
Konferenzen zu Vertretern wie John Owen, Richard<br />
Baxter oder Jonathan Edwards zurück. Packer bündelt<br />
die inhaltliche Vielfalt mittels größerer Themenblöcke<br />
(Bibel, Evangelium, Heiliger Geist, christliches<br />
Leben, Dienst). In der Entfaltung gewährt er Einblick<br />
in wichtige Schriften. Die ermutigenden Impulse der<br />
Bewegung befruchten das geistliche Leben. Lehre<br />
wird nicht gegen Erfahrung ausgespielt, sondern<br />
miteinander verbunden. Gesetz und Evangelium<br />
müssen im Gleichgewicht gehalten werden. Die<br />
Schrift soll mit Verstand und Energie erforscht<br />
und dann auf alle Bereiche des Lebens angewandt<br />
werden. Auslegendes Predigen verbindet sich mit der<br />
Arbeit, die Wahrheiten auf die brennenden Fragen<br />
der Zeit anzuwenden und damit einen fruchtbaren<br />
Dialog in Gang zu setzen.<br />
Seit seiner Studentenzeit befasste sich Packer<br />
intensiv mit der Frage nach der Person und dem<br />
Wirken des Heiligen Geistes. Auslöser war eine geistliche<br />
Krise durch die Berührung mit der Keswick-Bewegung<br />
und der Sicht der progressiven Heiligung.<br />
Mitte der 1980er Jahre veröffentlichte Packer Keep<br />
in Step with the Spirit als Ergebnis längerer Forschungsarbeit.<br />
Es stellt gleichzeitig Packers Antwort<br />
auf den weltweiten Vormarsch der Charismatischen<br />
Bewegung dar, wie sie sich seit den 1960er Jahren<br />
abzeichnete. Packer kann auf umfassende Kenntnisse<br />
der Reformatoren und Puritaner, insbesondere<br />
auf die vergessenen Vordenker der Pneumatologie<br />
John Owen und Johannes Calvin, zurückgreifen. Der<br />
Heilige Geist macht dem einzelnen Christen und der<br />
gesamten Gemeinschaft der Christen die Gegenwart<br />
26
des auferstandenen, regierenden Erlösers, Jesus<br />
Christus, bekannt. Es geht um die Vermittlung von<br />
Christi Gegenwart, also die persönliche Gemeinschaft<br />
mit Jesus und die persönliche Charakterveränderung<br />
in das Bild von Jesus sowie die Gewissheit,<br />
geliebt, erlöst und in der Familie des Vaters angenommen<br />
zu sein. Person und Werk des Heiligen<br />
Geistes müssen in die Gesamtsicht Gottes, seines<br />
Werkes und seiner Wahrheit eingebettet werden (vgl.<br />
Joh 14,16-23; 16,14-15). Packer tut das, was auch heute<br />
Not tut: durch die gesamte Bibel die Rolle des Heiligen<br />
Geistes sorgfältig herauszuarbeiten.<br />
In Finishing Our Course With Joy (2014) beschreibt<br />
der 88-jährige Packer seine eigene letzte Wegstrecke.<br />
Er beschäftigt sich mit der wichtigen Frage: Wie können<br />
wir unseren Lauf mit Freude beenden? »Lasst<br />
uns mit Ausdauer den vor uns liegenden Wettlauf<br />
gehen, indem wir auf Jesus schauen.« (Hebräer 12,1-2)<br />
Zwar beschreibt der Prediger der Bibel das Alter als<br />
Zeit des Verlustes, der Schwäche und der Apathie.<br />
Doch dies ist nur ein Teil der Wahrheit: Die Bibel<br />
sagt auch, dass Altern unter Gottes Gnade Weisheit<br />
hervorbringt, nämlich eine erweiterte Kapazität, um<br />
zu prüfen, zu wählen und zu ermutigen. Ein gereifter<br />
alter Mensch wird auch auf der letzten Etappe mit<br />
dem fortfahren, was er sein ganzes Leben getan hat.<br />
Auf den Christen bezogen: den Kampf der Heiligung<br />
fortsetzen, Sünden bekennen, Eigensucht bekämpfen<br />
und abtöten, anderen dienen, die geschenkten<br />
Gaben (und Resultate daraus) so lange einsetzen, wie<br />
es geht.<br />
Lernfelder<br />
Sam Storms stellt in seinem Buch Packer on the<br />
Christian Life (Crossway: Wheaton, 2015) den Kerngedanken<br />
von Packers Werk heraus. Den stellvertretenden<br />
Sühnetod von Jesus Christus. »Christi versöhnendes<br />
Opfer ist Grundlage und Quelle von allem<br />
anderen, das in der christlichen Erfahrung folgt.« (S.<br />
24) Für diese Lehre, seit Jahrzehnten unter Beschuss,<br />
trat er zeitlebens ein. Sie gilt neben dem nächsten<br />
Punkt – der Autorität der Heiligen Schrift – als wichtiger<br />
Bestandteil für die Formierung der weltweiten<br />
Evangelikalen Bewegung in den 1960er-Jahren.<br />
Durchs Band sticht J. I. Packers Liebe zur Bibel<br />
heraus. Es gibt kein christliches Leben ohne die<br />
offenbarte Wahrheit des Wortes Gottes. In der ihm<br />
eigenen Art beschreibt er eine fünffache, umfassende<br />
Auswirkung auf das Wort Gottes: 1. Anwendung<br />
auf den Verstand: Welche Gedankengänge,<br />
-gewohnheiten und -gebäude werden gefördert und<br />
welche herausgefordert? 2. Anwendung auf den<br />
Willen: Welche konkreten Handlungen und welche<br />
Typen von tugendhaftem Verhalten sollen folgen?<br />
3. Anwendung auf die Gefühle (»affections«): Was<br />
wird gelehrt, was wir lieben, worauf wir hoffen oder<br />
insistieren, in denen wir uns freuen sollen? 4. Anwendung<br />
auf die Motivation: Was ermutigt uns, der<br />
Gerechtigkeit nachzustreben und in ihr auszuharren?<br />
5. Anwendung auf die Selbsterkenntnis und die<br />
Selbstprüfung: Wie kommen wir diesen Anforderungen<br />
zur Zeit nach? Wo kommen wir zu kurz?<br />
Zwei Merkmale seiner Publikationstätigkeit<br />
scheinen mir erwähnenswert. Er schrieb wichtige<br />
Werke mit sicherem Gespür für die drängenden<br />
Fragen seiner Zeit. Zweitens schrieb er zeitlebens<br />
Artikel stets nach dem Kriterium der Nützlichkeit für<br />
die <strong>Gemeinde</strong> und nicht um der eigenen Karriere zu<br />
dienen. Das führte dazu, dass er für Dutzende von<br />
Jungautoren Vorworte für deren Bücher schrieb; dass<br />
er in unzähligen Zeitschriften Artikel veröffentlichte;<br />
dass seine Bücher unter Umständen in verschiedenen<br />
Versionen in unterschiedlichen Verlagen<br />
erschienen.<br />
Mit Wehmut nahm ich zur Kenntnis, dass Gott<br />
mich nicht mit derselben körperlichen Rüstigkeit geschaffen<br />
hat. Packer begann seinen Tag oft um 04.00<br />
Uhr. Er nutzte die Morgenstunden, um zu schreiben.<br />
Packer legte mir die Wichtigkeit des Gebets erneut<br />
aufs Herz: Er hatte es sich zur Gewohnheit gemacht,<br />
30 Minuten täglich mit Texten des Gebetsbuchs The<br />
Common Book of Prayer spazieren zu gehen. Außerdem<br />
legte er bis ins hohe Alter Transfers von Veranstaltungs-<br />
zu Übernachtungsorten zu Fuss zurück.<br />
»Wer Gott erkannt hat, bringt große Kraft auf für<br />
ihn.« So schreibt Packer in Knowing God. Er meint<br />
zudem: Gebete sind immer das beste Zeugnis für die<br />
Haltung eines Menschen Gott gegenüber. Was das<br />
Leben lebenswert macht, ist ein großes Ziel, etwas,<br />
das unsere Vorstellungskraft in Anspruch nimmt und<br />
uns beständig fordert. Packer verkörperte dies durch<br />
sein eigenes Leben.<br />
Was gäbe es Schöneres, als Alleinstehende, Familie<br />
und Kirchgemeinden zu erleben, deren Leben<br />
von der Kraft des Evangeliums erneuert worden ist?<br />
Packer legt mit einer robusten Theologie die Grundlage<br />
dafür. Sein großes Anliegen für die Katechese<br />
kommt z. B. in seinem Buch Concise Theology zum<br />
Ausdruck, wo er die wichtigsten Lehren der Bibel<br />
allgemeinverständlich durchgeht. Die Folgen einer<br />
solch gesunden Belehrung würden sich nicht nur<br />
in den Gottesdiensten und einem ausdauernden<br />
Bibelstudium, sondern in verschobenen Prioritäten<br />
bezüglich unserer Freizeitgesellschaft, einem Eifer in<br />
der Bildung und einem aufopfernden Dienst an den<br />
Schwächsten unserer Gesellschaft zeigen.<br />
Hanniel Strebel (*1975), verheiratet mit Anne Catherine, fünf<br />
Söhne, Vielleser und regelmäßiger Blogger. Er ist Betriebswirt<br />
(FH), Theologe (MTh, USA) und hat in Systematischer Theologie<br />
promoviert. Gott hat das Thema »Lernen« als roten Faden in<br />
sein Leben gelegt. Seine Frau und er unterrichten ihre Söhne<br />
zusammen privat.<br />
27
INTERVIEW<br />
Gespräche zwischen<br />
Kanzel & Studierzimmer
GIELEROTH<br />
Ron<br />
Kubsch<br />
Interview von Peter Voth<br />
Als reformatorischer Dozent und Blogger zieht er eher im<br />
Hintergrund die Fäden und ist keiner der bekannten Prediger, die<br />
jeder kennt. Besonders durch seine biblische Perspektive auf kulturrelevante<br />
Themen und seine Tätigkeit bei Evangelium21 hat er<br />
maßgeblichen Einfluss auf die reformierte Landschaft Deutschlands.<br />
Ein Gespräch über Herkunft, Bekehrung und die Zukunft<br />
des deutschen Christentums.<br />
29
»ICH BEGANN DIESE BIBEL<br />
INTENSIV ZU LESEN UND<br />
WOLLTE IMMER MEHR<br />
WISSEN. ICH MERKTE,<br />
DASS ICH IN DIESEM<br />
BUCH ANTWORTEN AUF<br />
DIE FRAGEN BEKOMME,<br />
DIE IN MEINEM HERZEN<br />
BRODELTEN.«<br />
Könntest du dich unseren Lesern kurz vorstellen?<br />
Was sollte man über dich wissen?<br />
Ich wurde am Rande der sächsischen Schweiz südlich<br />
von Dresden geboren. Mein Vater verließ die damalige<br />
DDR 1979 fluchtartig. Als Familie konnten wir<br />
zwei Jahre später nachreisen und so habe ich meine<br />
Jugend im wunderschönen Düsseldorf verbracht.<br />
Dort bin ich Christ geworden. Ich bin seit 26 Jahren<br />
glücklich verheiratet. Wir haben drei Kinder. Seit 15<br />
Jahren unterrichte ich die Fächer Apologetik, Neuere<br />
Theologiegeschichte und Seelsorge.<br />
Danke dir, für diese kurze Zusammenfassung. Bist<br />
du christlich aufgewachsen?<br />
Nein. Ich habe erstmals im Alter von 17 Jahren eine<br />
Bibel in der Hand gehabt. Diese Bibel, eine revidierte<br />
Lutherübersetzung aus dem Jahre 1912, bekam ich<br />
von einer Freundin unserer Familie geschenkt, und<br />
das war meine erste ernsthafte Berührung mit dem<br />
Evangelium.<br />
Wie bist du dann letztendlich Christ geworden?<br />
Ich begann diese Bibel intensiv zu lesen und wollte<br />
immer mehr wissen. Ich merkte, dass ich in diesem<br />
Buch Antworten auf die Fragen bekomme, die in<br />
meinem Herzen brodelten. Ich fing an zu beten und<br />
wollte so leben, wie Jesus es von uns Menschen fordert.<br />
Es klappte aber nicht. Dann lernte ich in Düsseldorf<br />
Christen kennen, die mir halfen, die Dinge<br />
zu verstehen. Sie beteten auch für mich. Schließlich<br />
habe ich erkannt, wo das Problem lag. Ich merkte,<br />
wie sehr die Sünde meine Seele beherrscht und wie<br />
ich auf Gottes Gnade angewiesen bin. Schließlich hat<br />
Gott mich zu sich bekehrt.<br />
konnte. Zu diesen Autoren gehörten etwa Francis<br />
Schaeffer, John Stott und Klaus Bockmühl. Einen<br />
„Durchbruch“ gab es Mitte der 90-er Jahre. In dieser<br />
Zeit begann ich auch mit dem vermehrten Studium<br />
der reformierten Theologie. Ich bin für diese Entdeckung<br />
noch immer dankbar wie ein kleines Kind.<br />
Du bist auch einer der Initiatoren von Evangelium21.<br />
In den letzten Jahren hat sich E21 immer<br />
mehr etabliert. Warum ist dieses Netzwerk so<br />
wichtig für das Christentum in Deutschland?<br />
Ich habe lange vermieden, das Wort »Krise« leichsinnig<br />
zu benutzen. Schnell kann man mit diesem<br />
Begriff die Dinge unverhältnismäßig dramatisieren.<br />
Inzwischen glaube ich aber, dass der Begriff hilft,<br />
eine Situation zu beschreiben, die sich immer mehr<br />
»zuspitzt«. Ich glaube, dass das Christentum in<br />
Deutschland in einer Krise steckt. Ich glaube aber<br />
auch, dass die Einsichten der Reformatoren helfen,<br />
diese Krise besser zu verstehen und tragfähige Antworten<br />
zu geben. Das Netzwerk Evangelium21 möchte<br />
dafür theologisch »wachrütteln«, aber es möchte<br />
auch eine Plattform für die soziale Vernetzung sein.<br />
Wir brauchen einander und finden Antworten,<br />
indem wir gemeinsam auf das Wort Gottes hören<br />
und dazu ermutigen, von den <strong>Gemeinde</strong>kanzeln das<br />
wunderbare Evangelium zu predigen.<br />
Glaubst du, dass vielleicht sogar eine solche<br />
»Krise« nötig ist, um eine echte Reformation zu<br />
bewirken? Oder anders gefragt: Wie siehst du die<br />
Zukunft des Christentums in Deutschland?<br />
Entscheiden wird, ob wir die richtigen Schlüsse aus<br />
der Krise ziehen. Ich habe den Eindruck gewonnen,<br />
als ob die Überwindung der Krise herbeigeführt werden<br />
soll, indem man den Menschen immer mehr in<br />
den Mittelpunkt rückt. Das wird aber nicht helfen. Es<br />
braucht eine tiefgründige Umkehr zum Wort Gottes,<br />
das uns selbst Jesus Christus vor Augen malt. Ob das<br />
Christentum in Deutschland eine Zukunft hat, wird<br />
davon abhängen, ob es auf Jesus Christus hört und<br />
ihm gehorcht.<br />
Du gehörst dem Netzwerk E21 an, das sich ja stark<br />
der reformatorischen Theologie verschrieben hat.<br />
Wann bist du mit den Lehren der Gnaden erstmals<br />
in Berührung gekommen?<br />
Eine interessante Frage. Meine erste <strong>Gemeinde</strong> war<br />
pietistisch. Dennoch las ich damals neben Luther<br />
und lutherischen Theologen schon viele Bücher von<br />
reformierten Autoren, ohne dass ich das einordnen<br />
30
Dein »Theoblog« gehört wahrscheinlich zu den<br />
meistgelesenen Theologie-Blogs in deutscher<br />
Sprache. Wie hat es angefangen und was war deine<br />
Motivation dabei?<br />
Mit dem Bloggen begann ich 2007, als die Emergente<br />
Bewegung in Deutschland Fuß fasste. Die Emergenten<br />
stellen viele gute Fragen, suchen aber ihre<br />
Antworten nicht in der Heiligen Schrift, sondern in<br />
der Kultur. Ich wollte mich damals in die Diskussion<br />
einmischen. Da ich merkte, dass die jungen Leute<br />
das Internet den Büchern und Zeitschriften vorzogen,<br />
begann ich mit dem TheoBlog.<br />
Das sind ja mittlerweile 10 Jahre. Was hat dich<br />
bewogen, so lange dranzubleiben?<br />
Neben den Zugriffszahlen ermutigt mich, dass<br />
Menschen von den Beiträgen profitieren und mir das<br />
auch schreiben. Besonders freue ich mich natürlich,<br />
wenn Leser anfangen, dem Evangelium gründlicher<br />
nachzuspüren. Es ist eine große Freude für mich,<br />
wenn Menschen mir schreiben, dass sie angefangen<br />
haben, Jesus Christus zu vertrauen.<br />
Kommen wir zu unseren abschließenden Fragen,<br />
die wir allen unseren Interviewpartnern stellen.<br />
Welcher biblischen Person würdest du gerne welche<br />
Frage stellen?<br />
Da ich mich gerade eingehend mit der Neuen Paulusperspektive<br />
beschäftige, fällt mir die Antwort<br />
leicht (lacht). Ich würde gern mit Paulus, Petrus und<br />
Jakobus an einem Tisch sitzen und mir von ihnen<br />
erklären lassen, was genau sie über das »Gesetz« im<br />
Leben des Christen denken.<br />
Die schwierigste Bibelstelle?<br />
Ups, da gibt es mehrer Stellen, die mich gerade beschäftigen.<br />
Ich nenne mal 1. Korinther 15,28.<br />
Mit welcher Person der Bibel kannst du dich am<br />
ehesten identifizieren?<br />
Mit Paulus.<br />
»ES BRAUCHT EINE<br />
TIEFGRÜNDIGE UMKEHR<br />
ZUM WORT GOTTES,<br />
DAS UNS SELBST<br />
JESUS CHRISTUS VOR<br />
AUGEN MALT. OB DAS<br />
CHRISTENTUM IN<br />
DEUTSCHLAND EINE<br />
ZUKUNFT HAT, WIRD<br />
DAVON ABHÄNGEN, OB ES<br />
AUF JESUS CHRISTUS HÖRT<br />
UND IHM GEHORCHT.«<br />
Welche Person der Kirchengeschichte würdest du<br />
gerne einmal treffen?<br />
Augustinus.<br />
Was war das letzte Buch, das du gelesen hast?<br />
Das letzte Buch, das ich fast durchgelesen habe,<br />
dürfte »Faith alone« von Thomas Schreiner gewesen<br />
sein.<br />
Welches Buch wolltest du schon immer einmal<br />
lesen?<br />
Die »Institutes of Elenctic Theology« des italienischen<br />
Theologen Francis Turretin.<br />
Was bedeutet für dich der Begriff »Reformation«?<br />
Die Reformation ist für mich eine vom Evangelium<br />
selbst in Gang gesetzte Erneuerungsbewegung der<br />
christlichen Kirche.<br />
Bestes Zitat?<br />
Immer noch das Augustinus-Zitat, das sich auch im<br />
TheoBlog findet: »Unruhig ist unser Herz, o Gott, bis<br />
es Ruhe findet in dir.«<br />
Augustinus von Hippo (*354–†430), war ein Kirchenlehrer,<br />
Theologe, Philosoph und Autor. Seine Schriften (besonders<br />
»Bekenntnisse«) haben bis heute – über 1500 Jahre nach seinem<br />
Tod – maßgeblichen Einfluss auf das Christentum.<br />
Was bedeutet Jesus für dich?<br />
Jesus ist mein Erlöser und mein Herr. Ohne ihn wäre<br />
ich völlig verloren. In ihm habe ich alles, was ich<br />
brauch.<br />
Vielen Dank für deine Zeit und die ausführlichen<br />
Einblicke. Dir weiterhin viel Gnade und Kraft bei<br />
all deinen Projekten.<br />
Danke, ebenso!<br />
31
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Nils steht stellvertrend für hunderte von jungen Männern in<br />
Deutschland, die sich abseits vom Karierre- und<br />
Wohlstandsdenken entscheiden in den vollzeitlichen Dienst für<br />
den Herrn zu gehen. Ein Gespräch über <strong>Gemeinde</strong>, Dienst und<br />
Herausforderungen.<br />
35
Viele unserer Leser werden dich wahrscheinlich<br />
noch nicht kennen. Könntest du uns allgemein<br />
erzählen, wer du bist und was du machst?<br />
Klar. Ich bin inzwischen 30 Jahre alt und habe die<br />
meiste Zeit davon im schönen Sauerland verbracht.<br />
Nachdem ich zunächst eine Ausbildung zum IT-Systemkaufmann<br />
gemacht habe, bin ich anschließend<br />
auf eine Bibelschule gegangen. Danach habe ich<br />
erstmal für 3 Jahre als Jugendreferent gearbeitet. Seit<br />
2 Jahren bin ich nun in Bremen als <strong>Gemeinde</strong>gründungspraktikant/Pastor.<br />
Ich bin seit 1,5 Wochen offiziell verheiratet und<br />
werde an Silvester noch hier in unserer <strong>Gemeinde</strong><br />
in Bremen mit einem tollen Gottesdienst und einer<br />
fröhlichen Feier so richtig in die Ehe starten.<br />
Ein sehr interessanter Weg. An dieser Stelle auch<br />
von unserer Seite herzlichste Glückwünsche zur<br />
Heirat. Wie bist du mit dem christlichen Glauben<br />
in Berührung gekommen und was hat letztendlich<br />
zu deiner Bekehrung geführt?<br />
Meine Eltern sind Christen und haben mich schon<br />
mit dem Kinderwagen in die <strong>Gemeinde</strong> geschoben.<br />
Von ihnen habe ich den Glauben vorgelebt bekommen.<br />
Ich habe allerdings als Kind/Jugendlicher lange<br />
eine sehr »äußerliche« Form von »Christ-sein«<br />
gelebt. Es ging mehr darum, für die Leute in der<br />
<strong>Gemeinde</strong> und Familie das Richtige zu tun als von<br />
Herzen für meinen Gott zu leben.<br />
Mit etwas 20 Jahren hat Gott dann mein Herz<br />
erreicht. Zuerst habe ich verstanden, dass ich gar<br />
nicht so gut bin, wie ich dachte und dass es vor Gott<br />
nicht ausreicht, wenn andere mich ganz gut beurteilen<br />
würden. Kurz darauf habe ich dann verstanden,<br />
dass das, was Jesus für mich gemacht hat, tatsächlich<br />
reicht! Seitdem ist mein Leben mit und für Jesus von<br />
innen heraus und aus Überzeugung und Liebe zu<br />
ihm.<br />
Vielen Dank für dieses Zeugnis. Das ist in der Tat<br />
ein Weg, den viele Menschen aus gläubigen Elternhäusern<br />
so kennen. Allerdings bist du noch einen<br />
Schritt weitergegangen. Was hat dich dazu bewogen,<br />
nach einer säkularen Ausbildung vollzeitlich<br />
in den Dienst für den Herrn zu treten?<br />
Das war für mich eine klare Berufung. Die kam für<br />
mich durch verschiedene Dinge, hier eine möglichst<br />
kurze Zusammenfassung: Ich wusste, dass ich in<br />
meinem gelernten Beruf nicht weiter arbeiten möchte<br />
und wollte eigentlich eine andere Ausbildung<br />
machen. Verschiedene Leute haben mich darauf<br />
angesprochen, ob Bibelschule nicht etwas für mich<br />
wäre. Von da an habe ich darüber nachgedacht und<br />
gebetet. Die Option Bibelschule wurde mit der Zeit<br />
immer fester und entscheidend war eine Begegnung<br />
mit einem Bibelschulmitarbeiter auf einer christlichen<br />
Jugendkonferenz. Der sprach mich da plötzlich<br />
und unerwartet darauf an, was ich darüber denke,<br />
auf eine Bibelschule zu gehen. Da war es für mich<br />
klar!<br />
Viele Bibelschüler gehen nach dem Bibelstudium<br />
trotzdem oft wieder den Weg zurück in einen<br />
säkularen Beruf. Du nicht. Wie sind deine Erfahrungen<br />
auf dem Weg zwischen Bibelschule und<br />
dem festen Beruf als Geistlicher. Gerade in der<br />
freikirchlichen Welt. Hier sind die Wege ja nicht<br />
so fest und geregelt vorgeschrieben wie z.B. in den<br />
Evangelischen Landeskirchen.<br />
Für mich ging mit der Berufung zur Bibelschule<br />
auch die Überzeugung einher, dass ich mit dieser<br />
Ausbildung auch später arbeiten möchte. Das<br />
andere ist, dass ich <strong>Gemeinde</strong> großartig finde. In der<br />
Bibelschulzeit ist dann für mich klar geworden, dass<br />
ich (solange der Herr mich da gebrauchen will) für<br />
<strong>Gemeinde</strong> in Deutschland arbeiten will. Der weitere<br />
Weg war dann nicht sehr zielstrebig und langfristig<br />
von mir geplant, sondern hat sich durch Kontakte,<br />
die ich bekommen habe, ergeben. Ich bin bei den<br />
Fragen, was ist als nächstes dran oder wohin soll es<br />
gehen, nach dem Prinzip gegangen: Erstmal laufe ich<br />
dem nach, was direkt vor der Nase liegt. Wenn Gott<br />
was anderes will, hat er auch die Mittel, mir das zu<br />
zeigen.<br />
Das ist ein guter Weg. Du hast bereits eingangs<br />
erwähnt, dass du <strong>Gemeinde</strong>gründungspraktikant<br />
bist. Möchtest du in absehbarer Zeit eine <strong>Gemeinde</strong>gründung<br />
voranbringen?<br />
Ziel des zweijährigen Praktikums war herauszufinden,<br />
ob das meine Begabung ist und mich dann<br />
darauf vorzubereiten. Es hat sich gezeigt, dass ich<br />
mit meinen Gaben und meiner Arbeitsweise als »visionärer«<br />
Leiter in einer <strong>Gemeinde</strong>gründung bisher<br />
nicht so gut geeignet bin. Ich bin super dankbar,<br />
dass ich hier die Möglichkeit hatte, das in einem<br />
geschützten Rahmen herauszufinden. Ich werde<br />
also jetzt ab Januar 2017 weiter als zweiter Pastor der<br />
Christus-<strong>Gemeinde</strong> in Bremen arbeiten. Diese Arbeit<br />
in der zweiten Reihe liegt mir zumindest momentan<br />
deutlich mehr.<br />
Danke für diese ehrlichen Einblicke. Du bist ja<br />
nun schon seit ca. 10 Jahren bekennender Christ.<br />
Was hat dich in diesen Jahren in der Nachfolge<br />
am meisten geprägt? Sowohl theologisch als auch<br />
persönlich, sofern man es trennen kann.<br />
Das mit Abstand Prägendste ist Zeit alleine mit meinem<br />
Gott. Mit der geöffneten Bibel, auf den Knien,<br />
betend, singend. Nichts formt und verändert mein<br />
Herz mehr, als Gott persönlich zu begegnen. Darüber<br />
hinaus gibt es einige junge, leidenschaftliche<br />
Christen, die mich begleitet und geprägt haben. Das<br />
ein oder andere Buch und unzählbar viele Predigten,<br />
meist amerikanischer Pastoren.<br />
Du bist auch als Prediger tätig und deine Predigten<br />
können auch online abgerufen werden. Die<br />
Verkündigung des Evangeliums ist wohl die wichtigste<br />
Tätigkeit, die man auf dieser Erde ausführen<br />
kann. Wie bereitest du dich auf eine Predigt vor?<br />
36
Nikolaus Ludwig von Zinzendorf (*1700–†1760), war ein<br />
deutscher lutherisch-pietistischer autodidaktischer Theologe,<br />
Gründer und Bischof der Herrnhuter Brüdergemeine (»Brüder-<br />
Unität«) und Dichter zahlreicher Kirchenlieder.<br />
Da wir hauptsächlich Predigtreihen durch biblische<br />
Texte machen, steht am Anfang meist ein vorgegebener<br />
Bibeltext. Den drucke ich mir mit viel Platz<br />
aus und dann wird erstmal der Text an sich studiert.<br />
Striche, Kringel, Farben, Pfeile und viele Notizen.<br />
Das führt mich meistens schon zu einem Kerngedanken<br />
und einer groben Gliederung der Predigt.<br />
Dann ziehe ich verschiedene Ressourcen heran: Meine<br />
Bibel-Software, einen Kommentar oder auch mal<br />
eine Predigt zu dem Text. Abschließend geht’s dann<br />
an das eigentliche Schreiben der Predigt, wo am Text<br />
entlang der Zielgedanke entfaltet wird und mit Beispielen<br />
und Bildern das ganze möglichst greifbar gemacht<br />
wird. Wichtig ist mir auch noch in möglichst<br />
jeder Predigt das Evangelium in einfacher Form und<br />
eine praxistaugliche Anwendung zu haben.<br />
Formulierst du deine Predigt ganz aus oder machst<br />
eher nur Stichpunkte und redest dann frei?<br />
Ich mache mir Stichpunkte, die allerdings schon<br />
recht ausführlich sind.<br />
Wie lange brauchst du für eine Predigt? Vom<br />
ersten Lesen des Ausgangstextes bis zum finalen<br />
Manuskript?<br />
Das schwankt so zwischen 10 und 15 Stunden würde<br />
ich sagen.<br />
Was würdest du einem jungen angehenden Prediger<br />
raten?<br />
Das wichtigste: Setze dich so mit dem Text auseinander,<br />
dass dein Herz bewegt wird. Du musst wissen,<br />
fühlen, erleben, was Gottes Wort von dir will, damit<br />
du es anderen sagen kannst. Dann zweitens: Predige<br />
so oft wie möglich. Drittens: Arbeite kontinuierlich<br />
daran, besser zu werden.<br />
Danke dir für deine ausführlichen Einblicke.<br />
Wir halten es auch für sehr wichtig, wenn junge<br />
Gottesmänner ihre Erfahrungen weitergeben. Oft<br />
sind es junge geistliche Führer, die den größten<br />
Einfluss auf junge Christen haben. Kommen<br />
wir zu unseren abschließenden Fragen, die wir<br />
allen unseren Interviewpartnern stellen. Welcher<br />
biblischen Person würdest du gerne welche Frage<br />
stellen?<br />
Ich würde <strong>Timotheus</strong> gerne Fragen, ob er durch<br />
Paulus zweiten Brief an ihn seinen <strong>Gemeinde</strong>-Dienst<br />
mutig und furchtlos tun konnte.<br />
Die schwierigste Bibelstelle?<br />
Für mich persönlich: Lukas 12,48 »Wem viel gegeben<br />
ist, bei dem wird man viel suchen; und wem viel anvertraut<br />
ist, von dem wird man desto mehr fordern.«<br />
Die haut in regelmäßigen Abständen bei mir rein und<br />
bringt mich dazu, einen gnädigen Gott zu suchen.<br />
Am schwierigsten auszulegen? Zu viele... (lacht)<br />
Mit welcher Person der Bibel kannst du dich am<br />
ehesten identifizieren?<br />
Ich weiß nicht, ob ich mich mit Josua identifizieren<br />
kann, aber immer wieder »sei stark und mutig« zu<br />
hören, brauche ich.<br />
Welche Person der Kirchengeschichte würdest du<br />
gerne einmal treffen?<br />
Ich hätte gerne mal einige Zeit in Herrnhut mit Zinzendorf<br />
verbracht.<br />
Was war das letzte Buch, das du gelesen hast?<br />
»Everyday Church« von Tim Chester und Steve<br />
Timmis.<br />
Welches Buch wolltest du schon immer einmal<br />
lesen?<br />
Ich weiß nicht, ob das für ein reformatorisches Magazin<br />
blasphemisch ist, aber Romano Guardinis »Der<br />
Herr« will ich schon lange sehr gerne lesen (grinst).<br />
Dann passt ja die nächste Frage (grinst). Was bedeutet<br />
für dich der Begriff »Reformation«?<br />
Reformation: Ein unglaublich herrliches Evangelium<br />
in einer unendlich glaubwürdigen Bibel zu finden.<br />
Bestes Zitat?<br />
Ist vielleicht nicht das beste Zitat, aber eins, das ich<br />
vor kurzem wieder entdeckt habe. Von der christlichen<br />
Band Petra: »Get on your knees and fight like a<br />
man!«<br />
Was bedeutet Jesus für dich?<br />
Jesus ist für mich JHWH Zidkenu, der HERR meine<br />
Gerechtigkeit. Und er ist mein Friede und vieles<br />
mehr.<br />
Danke dir für das Interview und die Einblicke. Wir<br />
wünschen dir weiterhin Gottes Gnade und seinen<br />
Frieden auf allen deinen Wegen.<br />
Vielen Dank. Ich wünsche euch Freude und Gnade<br />
daran, unseren Herrn und sein Evangelium groß zu<br />
machen.<br />
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NEUHEITEN & SONDERANGEBOTE<br />
JETZT ONLINE BESTELLEN: CBUCH.DE<br />
Der<br />
BibelStarter<br />
(Geschenkausgabe)<br />
BIBELLESEPLAN<br />
FÜR EINSTEIGER<br />
Der BibelStarter ist ein<br />
Leseplan für tägliches<br />
Bibellesen (jede Einheit<br />
ca. 5-10 Minuten) mit<br />
etwa 400 Einheiten,<br />
die in groben Zügen<br />
durch die ganze Bibel<br />
führen. Wichtige Begriffe wie Sünde, Glauben<br />
usw. werden beim ersten Vorkommen erklärt und<br />
Hintergründe erläutert. Aber alles sehr kurz und<br />
einfach gehalten, damit man zügig vorankommt.<br />
176320 – HARDCOVER MIT LEINENSTRUKTUR<br />
(GELTEX), 176 SEITEN, BETANIEN – € 11,90<br />
Vom unfreien<br />
Willen<br />
MARTIN LUTHER<br />
LUTHERS<br />
BERÜHMTE<br />
WIDERLEGUNG DER<br />
LEHRE VON DER<br />
FREIEN WILLENS-<br />
ENTSCHEIDUNG<br />
Luthers Schrift Vom<br />
unfreien Willen<br />
behandelt die<br />
zentralen Anliegen<br />
der Reformation.<br />
Ausgangspunkt ist die alte Frage, ob der Mensch<br />
von Natur aus Entscheidungsfreiheit habe, oder<br />
ob sein Wille an eine höhere Macht gebunden<br />
ist. In seiner Argumentation dringt Luther zu den<br />
Kernthemen des Evangeliums vor: Wie kann ein<br />
verlorener Sünder gerettet werden? Kann er etwas<br />
dazu beitragen? Hat der Mensch innerlich noch<br />
einen guten Kern, oder ist er völlig verdorben und<br />
unfähig? Richtet Gott sich nach der Entscheidung<br />
des Menschen oder ist er völlig souverän? Wo setzt<br />
die Gnade und Rettermacht Gottes an? Welche<br />
Erlösungstat hat Christus am Kreuz wirklich<br />
vollbracht? Und basiert die Errettung und Erkenntnis<br />
der Wahrheit allein auf der Heiligen Schrift oder<br />
welchen Stellenwert haben Tradition, Vernunft und<br />
Philosophie?<br />
176324 – PAPERBACK, 341 SEITEN, BETANIEN<br />
€ 11,90<br />
Ratschläge für<br />
Prediger<br />
C. H. SPURGEON<br />
22 LEKTIONEN FÜR<br />
DIE VERKÜNDIGUNG<br />
DER HEILIGEN<br />
SCHRIFT<br />
Es geht in diesem Buch<br />
weniger um die formale<br />
Struktur einer Predigt,<br />
als vielmehr um das<br />
Wesen, die Gesinnung,<br />
die Grundsätze, die Fähigkeiten und das Verhalten<br />
des Predigers und Dieners Christi – und das alles<br />
in der für Spurgeon typischen christuszentrierten<br />
Weisheit und Liebe. Wie alle Predigten von Spurgeon<br />
so tragen auch diese Lektionen das Merkmal, schriftdurchtränkt<br />
und christuszentriert zu sein.<br />
176319 – PAPERBACH, 254 S., — € 9,90<br />
Liebe kann<br />
warten<br />
ELISBETH ELLIOT<br />
Ist es möglich, in den<br />
Fragen der Partnerwahl<br />
Gottes Willen zu erkennen<br />
und zu tun? Ist es<br />
möglich, den Trends der<br />
heutigen Zeit zu widerstehen?<br />
Die begabte und<br />
bekannte Autorin beschreibt<br />
unterschiedliche<br />
Wege, auf denen Gott an verschiedenen Menschen<br />
gewirkt hat und macht zeitlose, biblische Grundsätze<br />
deutlich. Ein Buch, das zum Nachdenken und<br />
Umkehren heausfordert und mit vielen positiven<br />
und warnenden Beispielen jungen Menschen eine<br />
wertvolle Orientierung bietet.<br />
255275 – PAPERBACK 256 S., CLV — € 8,50<br />
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TEL: 05237-899090 – EMAIL: INFO@BETANIEN.DE<br />
ONLINE: CBUCH.DE – VERLAGSINFO: BETANIEN.DE<br />
Leben als Volk<br />
Gottes<br />
ANDREAS MÜNCH<br />
TÄGLICHE<br />
ANDACHTEN AUS<br />
DEN FÜNF BÜCHERN<br />
MOSE<br />
Das Alte Testament<br />
ist keine zufällige<br />
Sammlung<br />
verschiedener Bücher<br />
und Geschichten; es<br />
wurde mit einer ganz bestimmten Absicht verfasst<br />
und eingeteilt. Das vorliegende Andachtsbuch<br />
soll Ihnen helfen, den ersten Teil der Bibel, die<br />
fünf Bücher Mose, besser und vor allem im Licht<br />
des Kommens unseres Herrn Jesus und dem<br />
Offenbarwerden des Evangeliums zu verstehen<br />
und für Ihr tägliches Glaubensleben anwendbar<br />
zu machen. Im Gegensatz zu den meisten anderen<br />
Andachtsbüchern sind die täglichen Andachten<br />
beginnend bei 1. Mose 1,1 bis 5. Mose 34 fortlaufend<br />
angeordnet.<br />
078313 – HARDCOVER, 736 SEITEN<br />
HEROLD VERLAG – € 15,90<br />
Revidierte<br />
Elberfelder<br />
Bibel – NT,<br />
Textkritische<br />
Ausgabe<br />
Vom Neuen Testament<br />
gibt es keine Originalhandschrift,<br />
aber viele<br />
sehr alte Abschriften.<br />
Welche davon kommen<br />
dem ursprünglichen<br />
Text am nächsten? Die Textkritische Ausgabe<br />
des Neuen Testaments macht diesen Vorgang nun<br />
erstmals auf Deutsch zugänglich. So kann jeder die<br />
wichtigsten Varianten der einzelnen Handschriften<br />
selbst vergleichen. Eine unschätzbare Hilfe für<br />
biblisch Interessierte, Pfarrer und Bibelschüler! Eine<br />
Einführung in die neutestamentliche Textforschung,<br />
Fallbeispiele und ausführliche Register, verfasst von<br />
einem ausgewiesenen Fachmann des renommierten<br />
Münsteraner Textforschungsinsitituts, runden dieses<br />
Standardwerk ab. Das vollständige Register aller<br />
alttestamentlichen Zitate im Neuen Testament ist ein<br />
weiteres Hilfsmittel zum Bibelstudium.<br />
Gedanken für<br />
junge Männer<br />
J. C. RYLE<br />
J. C. Ryle (1816-1900) war<br />
bereits 71 Jahre alt, als<br />
er »Gedanken für junge<br />
Männer« ein letztes<br />
Mal überarbeitete. Als<br />
Pastor, Ehemann und<br />
Vater von fünf Kindern<br />
ist er ohne Frage der<br />
Richtige für diese<br />
Aufgabe. Was er sagt<br />
ist wohl überlegt und stammt von einem bewährten<br />
und gottesfürchtigen Mann, bei dem Leben und<br />
Lehre übereinstimmen. Ryle beschließt sein Buch<br />
mit den Worten: »Ihr jungen Männer! Was ich euch<br />
sage ist wahr. Lasst euch ermahnen und überzeugen.<br />
Nehmt das Kreuz auf euch und folgt Christus nach.<br />
Gebt euer Leben Gott.« Auch wenn Ryle dieses Buch<br />
bereits vor mehr als hundert Jahren schrieb, bleiben<br />
seine Ratschläge topaktuell: Weder die Probleme,<br />
noch Schwierigkeiten oder Anfechtungen junger<br />
Männer haben sich seitdem geändert.<br />
9252 – HARDCOVER, 77 SEITEN, EBTC<br />
NEUAUFLAGE – € 6,90<br />
Martin Luther<br />
– Aus Liebe zur<br />
Wahrheit<br />
BERTHOLD SCHWARZ<br />
(HRSG.)<br />
DIE BLEIBENDE<br />
BEDEUTUNG DER<br />
ANLIEGEN DES<br />
REFORMATORS FÜR<br />
HEUTE<br />
22 Autoren (u.a. Ron<br />
Kubsch, Bernhard Kaiser<br />
und Daniel Facius)<br />
beschreiben in sehr lehrreichen Beiträgen Luther<br />
und die Reformation, geordnet nach den fünf Solae.<br />
So können interessierte Christen Luthers Bemühungen<br />
um ein auf Christus (solus Christus), auf der<br />
Bibel (Sola scriptura), auf der Gnade (sola gratia) und<br />
auf dem Glauben (sola fide) basierendes Christenleben<br />
kennenlernen und dabei auch verstehen, was es<br />
heißt, zur Ehre Gottes zu leben (soli Deo gloria).<br />
271361 – HARDCOVER, CA. 500 S. — € 19,90<br />
273794 – KUNSTLEDER, 384 S., — € 24,90<br />
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