Reisebericht Chatham - bei den Windjammerfreunden Maintal
Reisebericht Chatham - bei den Windjammerfreunden Maintal
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und und Impressionen rund um um das historische <strong>Chatham</strong><br />
Bei diesem „Job“ ging‘s vor allem darum, die<br />
Seefahrer aus unserem Club (das sind Reiner<br />
Nierula, Peter Langer, Wolfgang Greiner und Ronald<br />
Steiger) nach erfolgreicher Seereise-Etappe mit unserem<br />
Clubschiff „Aphrodite“ in <strong>Chatham</strong> abzuholen<br />
und mit dem Auto zurück nach <strong>Maintal</strong> zu bringen.<br />
Dafür wur<strong>den</strong> letztlich zwei Mitglieder ausgewählt:<br />
Wolfgang Thiele und Hans-Jörg Rochlitzer.<br />
Der erste Teil dieses Segelturns begann in Kiel, verlief<br />
durch <strong>den</strong> Nord-Ostsee-Kanal, dann über die „Straße<br />
von Dover“ und sollte im englischen <strong>Chatham</strong> zum<br />
Crewwechsel „zwischenlan<strong>den</strong>“. Der zweite Teil der<br />
Schiff sreise sollte von dort durch <strong>den</strong> „Kanal“ nach<br />
Brest in der Bretagne führen.<br />
<strong>Chatham</strong> liegt am River Medway, viele Meilen von<br />
der Küste entfernt, tief in der Grafscha� Kent, dem<br />
Südosten Englands. Es ist das Zentrum des historischen<br />
Schi� aus von ganz England.<br />
Nach <strong>den</strong> notwendigen Vorbereitungen, wie z. B.<br />
Terminabsprachen, Buchungen der Transportmi� el<br />
und allgemeinen Dingen ging‘s los, und zwar am<br />
Donnerstag, 1. Juli 2004, ab <strong>Maintal</strong><br />
Um 13.30 Uhr übernahmen Wolfgang und ich<br />
<strong>den</strong> vorbestellten Mietwagen (einen VW-<br />
Multivan mit 7 Sitzen – <strong>den</strong>n wir wollten ja<br />
4 Segler mit Gepäck abholen), lu<strong>den</strong> unsere Sachen<br />
ins Auto und los ging die Reise.<br />
In Frankfurt auf die Autobahn nach Wiesba<strong>den</strong><br />
und dann weiter über Rüdesheim, Koblenz, durch<br />
die Eifel, <strong>bei</strong> Bitburg wieder auf die Autobahn nach<br />
Belgien bis Ypres (Ieper).<br />
Wolfgang wollte unbedingt noch <strong>bei</strong>m letzten Tageslicht<br />
die Nordseeküste sehen.<br />
Trotz Bewältigung unendlich vieler Straßen-Kreisel<br />
stan<strong>den</strong> wir noch rechtzeitig <strong>bei</strong> Ebbe am Strand von<br />
Koksij de-Bad.<br />
Hier übernachteten wir auf einem Campingplatz in<br />
unseren Van.<br />
Freitag, 2. Juli, in Belgien/Frankreich/England<br />
Die Nacht im Auto war ok. Aber der Tag fi ng<br />
mit fürchterlichem Regen an, der Wind frischte<br />
immer mehr auf und ließ uns nichts Gutes für unsere<br />
– erzählt von Hans-Jörg Rochlitzer –<br />
Segelfreunde ahnen – dann meldete sich Reiner<br />
per Handy. „Wir wer<strong>den</strong>‘s wohl nicht schaff en, bis<br />
heut‘ abend nach <strong>Chatham</strong> zu kommen – es herrscht<br />
starker Westwind (genau unser Kurs) und dann ist<br />
auch noch sehr viel Gegenstrom“. Na toll!<br />
Nach einem Frühstück im Auto und anschließendem<br />
Stadtbummel mit Café (hier gibt‘s die feinen belgischen<br />
Confi serien) starteten wir am späten Vormi� ag<br />
Richtung Frankreich nach Calais.<br />
Dünkirchen lag genau auf unserer Route. In Richtung<br />
Calais blieben wir auf der Rue National No. 1 und<br />
erreichten „Dunkerque“ mit seinem Hafen nach einer<br />
Stunde.<br />
Dieser Ort rief in mir natürlich Erinnerungen wach<br />
– <strong>den</strong>n vor ein paar Jahren bin ich hier mit Reiner<br />
auf der altbekannten SEDOV eingelaufen. Das war<br />
damals nicht nur für uns, sondern auch für die vielen<br />
Besucher am Kai ein erhebender Augenblick.<br />
Durch meine „Vorkenntnisse“ war es möglich, Wolfgang<br />
rasch die historischen Sehenswürdigkeiten der<br />
Stadt zeigen zu können.<br />
Nun zurück zu unserer eigentlichen Aufgabe:<br />
Zielort Calais. Bei Ankun� im Hoverspeed-Fährhafen<br />
wur<strong>den</strong> wir sogleich eingecheckt und bald darauf<br />
konnten wir auch schon in <strong>den</strong> Bauch der „Seacat“<br />
hineinrollen.<br />
Mit mächtiger Heckgischt jagte die pfeilartige turbinengetriebene<br />
Fähre mit uns in Richtung Dover.<br />
Was Reiner uns bereits per Telefon am Morgen<br />
verkündete, sahen wir nun selbst. Der Kanal, die<br />
Meerenge zwischem dem Festland und England, war<br />
mächtig in Bewegung. Der Wind aus WNW in Stärke<br />
6 – 7, Wellenhöhen von 3 – 4 m (ständig).<br />
Das bedeutete schlechte Bedingungen für unsere<br />
„Aphrodite“– ein Rahsegler braucht ja raume Winde<br />
– aber gegenan und dazu noch Gegenstrom ist selbst<br />
unter Motor schwierig. “Wait and see“.<br />
Die Fahrtgeschwindigkeit der Fähre nimmt ab, die<br />
Kreidefelsen von Dover kommen in Sicht.<br />
Anlegen, Ausschiff en, nun England! Die Autos links!<br />
Erstmal durchatmen und gedanklich sammeln<br />
(wir sind schließlich <strong>bei</strong>de das erste Mal in England),<br />
neue Landkarte auf die Knie – und jetzt immer links!
Seite 2 „Seefahrer-Abholservice“ Windjammerfreunde <strong>Maintal</strong> e. V.<br />
Wolfgang fährt, ich lotse – es geht sofort alles recht<br />
gut – die Spannung läßt nach und bald macht‘s auch<br />
richtig Spaß!<br />
Wir brauchen uns nicht zu beeilen, durch <strong>den</strong> Wechsel<br />
in die Zeitzone Englands haben wir eine Stunde<br />
gewonnen. Außerdem wissen wir ja, daß wir unsere<br />
Crew nicht antreffen wer<strong>den</strong>. Oh verflixt, dann können<br />
wir ja auch nicht auf dem Schiff schlafen!? Hmh!<br />
Wir erreichen auf der Schnellstraße 2 die Stadt<br />
Canterbury (“it looks very british“) – dann weiter auf<br />
Landstraßen, approx. 50 miles, <strong>Chatham</strong>, unseren<br />
Zielort und Treffpunkt.<br />
Die ganze Südostregion Englands gehört zur Grafscha�<br />
Kent. Sie wird vom Meer bis fast nach London<br />
von einer Hügellandscha� durchzogen, die “North<br />
Dows“ genannt wird. Und dieses hügelige Gelände<br />
reicht bis an die Ufer des “Medway River“. An diesem<br />
Fluß, der hier schon teilweise See wird, liegen die<br />
für die Seefahrt geschichtsträchtigen Städte <strong>Chatham</strong>,<br />
Rochester und Gillingham. Sie liegen dicht <strong>bei</strong>einander,<br />
fast wie ein gemeinsamer Ort.<br />
Da wir ohne besondere Informationen und Kartenmaterial<br />
waren, konnten wir diese Hügelgegend zunächst<br />
nur mühsam erkun<strong>den</strong>. Wo sind die Häfen, die<br />
Docks, die Marinas? Wo hä�en wir uns treffen sollen?<br />
Wo können wir etwas essen und wo übernachten?<br />
Aber so im Laufe des Abends wur<strong>den</strong> unsere Ortskenntnisse<br />
immer besser. Wir wählten für unsere unfreiwillige<br />
neue Nachstä�e einen kleinen leeren Platz<br />
aus, direkt hinter der Schleusenbrücke zur Marina in<br />
<strong>Chatham</strong>.<br />
So, nun rasch auf zur Fu�ersuche – schließlich fan<strong>den</strong><br />
wir in Gillingham das momentan passende.<br />
“The Old Ashtree“, ein altes, einfaches bürgerliches<br />
Gasthaus mit ebensolchen Si�en und Gebräuchen.<br />
Von außen schien es sehr ruhig, aber drinnen ging‘s<br />
ziemlich turbulent zu.<br />
Das Essen wird am counter bestellt, Getränke gleich<br />
zum Mitnehmen, alles sofort bezahlen. Das Bier war<br />
ok, das Essen (Mixed Grill, well done) „naja“.<br />
Dafür ha�en wir sofort ne�en Kontakt mit <strong>den</strong> Gästen<br />
am Nachbartisch. Etwas später, auf der Toile�e, kam<br />
ich mit einem einheimischen „Pinkler“ ins Geplauder,<br />
der früher <strong>bei</strong> der Army und Navy in Deutschland<br />
war.<br />
Als Wolfgang und ich gerade aßen, kam von hinten<br />
ein Ruf: „Das ist er!“. Da stand der Pinkelgenosse<br />
von eben und präsentierte mir seine Frau, seinen<br />
Sohn und seine Schwiegertochter, so, als sei ich der<br />
Heilige Vater. „Incredible, diese Engländer“!<br />
Danach zogen wir uns zur „Nachtruhe“ in unser<br />
Auto auf dem kleinen Hafenplatz zurück. Per Handykontakt<br />
erfuhren wir von Reiner, daß „sie“ wohl erst<br />
am nächsten Abend kommen wür<strong>den</strong>. Aus „Akku-<br />
Grün<strong>den</strong>“ sollten weitere Kontakte nur noch alle drei<br />
Stun<strong>den</strong> am Tage und zur vollen Stunde sta�fin<strong>den</strong>.<br />
Das war ein langer Tag! Good night and sleep well!<br />
Samstag, 3. Juli, in <strong>Chatham</strong> (Kent)<br />
Unruhige Nacht. Sechs Uhr morgens. Blick aus<br />
dem Auto. Alle Flaggen stan<strong>den</strong> wie „Bre�er“<br />
im Wind. Die Wolken rasten. Das verhieß schon<br />
wieder nichts Günstiges für unsere Seebären auf der<br />
Aphrodite.<br />
Kurz darauf, dank Wasserkanister, Akku-Rasierer<br />
und Akku-Zahnbürste war‘n wir fit für neue Erkundungen.<br />
Danach Fahrt in die Stadt, parken auf dem<br />
CarPark in der “Queen Street“.<br />
Breakfast in “Jessé Café“ – oh, das braucht man in der<br />
uns aufgetischten Form nicht unbedingt ein zweites<br />
Mal. Ab sofort sind individuelle Auswahl und Zubereitungen<br />
angesagt.<br />
Einigermaßen gesä�igt genossen wir dann einen<br />
Bummel durch <strong>Chatham</strong>‘s Fußgänger-Einkaufsmeile.<br />
Da gab es schöne alte Gebäude, allerlei Eigenartigkeiten,<br />
einen Dudelsackspieler und viele betriebsame<br />
Menschen. Aber Geschä�e mit Info-Material über<br />
<strong>Chatham</strong> und Umgebung fan<strong>den</strong> wir leider nicht.<br />
Erst in einer Buchhandlung bekamen wir von dem<br />
sehr freundlichen alten Inhaber-Ehepaar und einem<br />
Kun<strong>den</strong> erschöpfend Auskun�. Die Quelle ist das<br />
„Tourist Office“ in der Rochester Street, oder besser<br />
noch, in Rochester selbst. Thank you very much!<br />
Wir entschie<strong>den</strong> uns zunächst für einen Besuch der<br />
“The Historic Dockyard <strong>Chatham</strong>“ – der berühmten<br />
Schiffs-Schmiede. Kurz nach Zwölf durchschri�en<br />
wir bereits <strong>den</strong> Eingang zum “Museum of The Royal<br />
Dockyard“. Zu sehen sind auch überaus eindrucksvolle<br />
Exponate und Präsentationen rund um‘s Thema<br />
Kriegsschiffe. Begonnen mit <strong>den</strong> „Woo<strong>den</strong> Walls“<br />
(1667) bis zu relativ modernen U-Booten und der<br />
letzten Frega�e (fertiggestellt 1989).<br />
Auch die 200 Jahre alte noch aktive Seilerei (The Ropery)<br />
ist ein Juwel (siehe Video von Wolfgang).<br />
Genau an diesem Wochenende fand auf dem großen<br />
Gelände der Dockyard noch ein weiteres historisches<br />
Spektakel sta�: “The Victorian Charity Fair“.<br />
Dieser Jahrmarkt erleichterte das Eintauchen in die<br />
vergangenen Jahrhunderte durch seinen Flair, die<br />
vielen ne�en Menschen in originalen Kleidern und<br />
Uniformen und natürlich durch die spielerischen<br />
Darstellungen und Handlungen.
Windjammerfreunde <strong>Maintal</strong> e. V.<br />
Wenn ich an dieser Stelle die Beschreibung der Wer�<br />
abkürze, dann mit dieser Begründung:<br />
„The Historic Dockyard <strong>Chatham</strong> is the world‘s most<br />
complete dockyard from the age of sail“.<br />
Es gäbe also viel zu berichten, so, daß es über diesen<br />
Rahmen hinausginge.<br />
Inzwischen war es 18 Uhr gewor<strong>den</strong>, die „Tore“ zum<br />
Dockyard wur<strong>den</strong> geschlossen.<br />
Wie uns Reiner per Telefon neu berichtete, konnten<br />
sie es auch heute nicht mehr mit dem Schiff nach<br />
<strong>Chatham</strong> schaff en – nur noch Ramsgate, direkt an<br />
der Küste gelegen, würde nun am nächsten Abend<br />
(oder Nacht!?) erreichbar sein. Schade!<br />
Aber es gab noch etwas anderes für uns zu lösen:<br />
Die Wechsel-Crew sollte in Chamham an<br />
Bord gehen. Reiner nannte sie immer<br />
„die Berliner“ und wir dachten, das sind<br />
zwei Personen – Katharina und ihr Bruder<br />
aus Berlin. Durch Katharinas direkten<br />
Anruf erfuhren wir von ihrer Ankun� auf<br />
„London Airport“ und Weiterfahrt per<br />
Bahn nach <strong>Chatham</strong>. Ok.<br />
Wir versprachen, sie am nächsten Tag<br />
vom Bahnhof <strong>Chatham</strong> abzuholen.<br />
Ausgerechnet jetzt wurde unser Handy-<br />
Akku-Problem ganz und gar brenzlig. Fast „leer“<br />
ging bald nichts mehr. Auch <strong>bei</strong>m Abendessen<br />
in einem schönen Landgasthaus konnten wir nicht<br />
la<strong>den</strong> – der Stecker paßte nirgendwo. Was tun?<br />
Nachdem wir „zu Hause“ in der nunmehr dri� en<br />
Nacht auf „unserem Nachtparkplatz“ ankamen,<br />
ha� en wir eine Idee. Gegenüber war das Schleusenhaus<br />
mit einem Wärter, der uns vielleicht helfen<br />
konnte, <strong>den</strong>n hier war alles sehr modern. Nun ha� e<br />
der Arme gerade allerhand Stress mit einen defekten<br />
Schleusentor, aber wir konnten nicht mehr zögern.<br />
Rein ins Haus, Begrüßung, Erklärung, Bi� e um Hilfe.<br />
Zufällig besaß er das gleiche Nokia-Modell und ha� e<br />
ein englisches Ladekabel – Eine Stunde la<strong>den</strong>!<br />
In dieser Wartezeit bis Mi� ernacht wollte ich noch<br />
ein „Pint of Ale“ im Marina-Pub. Dort war gerade<br />
einiges los. Als ich die Tür öff nete, fl og mir ein randalierender<br />
Gast mit einem Rempler entgegen. Die<br />
Stimmung beruhigte sich bald wieder, ich trank mein<br />
Bierchen und ging zurück zum Schleusenhaus.<br />
Der Nachtwächter war ein freundlicher älterer und<br />
sehr hilfsbereiter Gentleman. Das Handy war „dreiviertelvoll“<br />
und ich bedankte mich <strong>bei</strong> ihm herzlich<br />
mit einem Fläschchen hessischer Apfelschorle aus<br />
„Seefahrer-Abholservice“<br />
Seite 3<br />
Wolfgangs Fundus – und er „kämp� e“ weiter mit<br />
seinem Schleusentor.<br />
Nun legten wir uns beruhigt gegenüber schlafen, <strong>den</strong>n<br />
jetzt kannte uns der Nachtwächter ja auch persönlich.<br />
Sonntag, 4 Juli, (England,Belgien, Deutschland)<br />
Sechs Uhr, aufwachen wie gestern. Der Blick aus<br />
dem Auto versprach bessere Aussichten. Blaue<br />
Flecken am recht hellen Himmel, die Flaggen schwingen<br />
leicht hin und her – ein gutes Zeichen, aber für<br />
unsere Seefahrer leider ein wenig zu spät.<br />
Wieder die übliche Morgenprozedur – Kanister und<br />
so. Beim anschließen<strong>den</strong> kleinen Morgenspaziergang<br />
i<strong>den</strong>tifi zierten wir die Burg auf der gegenüberliegen<strong>den</strong><br />
Seite des “Medway River“als “Upnor Castle“,<br />
dem letzten Trutz gegen die Holländer<br />
vor dem Dockyard. Auch fan<strong>den</strong> wir<br />
heraus, daß wir zwei Nächte auf einer<br />
historischen Insel mit dem Namen<br />
„St Mary‘s Island“ verbracht ha� en.<br />
Die Insel und Teile der neuen Marina<br />
sind nämlich ehemaliges Gelände der<br />
“Dockyard <strong>Chatham</strong>“.<br />
So, nun zum Frühstück ins “Coff ee<br />
House“ in der High Street – diesmal<br />
haben wir alles detailliert ausgewählt und auch die<br />
Zubereitung genau vorgegeben. Das hat geklappt und<br />
auch gut geschmeckt.<br />
Anruf von Kathi: „Wir steigen gerade in Victoria<br />
Station (London) in die Bahn und kommen in 1 Stunde<br />
an“. Gut.<br />
In der Zwischenzeit kaufen wir in einem nahe gelegenen<br />
Baumarkt einen Stecker-Adapter fürs Handy<br />
(jetzt, wo wir ihn sicher nicht mehr brauchen).<br />
Der Zug kommt an und als erstes sehen wir Kathi in<br />
ihrem roten Club-Shirt. Doch halt, hinter ihr versammeln<br />
sich immer mehr Menschen mit viel Gepäck<br />
– es sind „die Berliner“, aber gleich fünf!? What a big<br />
surprise!<br />
Schnell merken wir, daß diese Fuhre für unseren Multivan<br />
kein Problem darstellt. Alle sind erleichtert und<br />
guter Laune.<br />
Damit die Neuankömmlinge noch ein bißchen Kultur<br />
sehen, bevor‘s auf See geht, la<strong>den</strong> wir sie mit unseren<br />
besten Empfehlungen zur Besichtigung am Eingang<br />
der “Dockyard <strong>Chatham</strong>“ ab.<br />
Wir hingegen sehen uns in dieser Zeit das „alte“,<br />
schöne und sehenswerte Rochester an. Das We� er ist<br />
gemischt, geschichtliches gibt‘s reichlich (das Rochester<br />
Castle, die Altstadt, die Rochester Bridge über <strong>den</strong><br />
Medway, the „Cathetral“), and so on.
Seite 4 „Seefahrer-Abholservice“ Windjammerfreunde <strong>Maintal</strong> e. V.<br />
Um 17 Uhr treffen wir uns wie verabredet wieder am<br />
Dockyard <strong>Chatham</strong> und los geht die Fahrt in Richtung<br />
Ramsgate, unserem neuen Treffpunkt an der Küste.<br />
Eine reichliche Stunde später sehen wir schon, von der<br />
Steilküste aus, die „Straße von Dover“ vor uns.<br />
Das Etappenziel ist erreicht.<br />
Jetzt haben alle mächtig Durst und Hunger. Da gibt<br />
es „HARVEYs“, eine gute „Seemannskneipe“ direkt<br />
am Hafen. Hier verbringen wir mit viel Spaß und ein<br />
bißchen Fernsehen (Fußballspiel Griechenland : Portugal)<br />
die nächsten Stun<strong>den</strong> bis zum Einlaufen unserer<br />
Freunde mit der „Aphrodite“.<br />
Während wir es uns also gut gehen ließen, traf das<br />
Mitsegler-Paar aus Niedernhausen ein, das allerdings<br />
diese Nacht vorm Auslaufen im Hotel verbrachte.<br />
In der Zwischenzeit wissen wir wieder per Handy von<br />
Reiner auf der „Aphrodite“ die Ankun�szeit: „23 Uhr!“.<br />
Aber es war 22:30 und ein Ruf schreckte uns hoch:<br />
“Last order please!“. Das war wie Alarm! Schnell noch<br />
Bier bestellen, auch für unsere späten Ankömmlinge<br />
– aber schaffen sie es, <strong>den</strong>n bis 23 Uhr müssen sie da<br />
sein und alles getrunken haben. Kein Pardon!<br />
Übers Handy feuern wir die Seebären an, beschreiben<br />
unseren Standort im Hafen; Jetzt sehen wir trotz Dunkelheit<br />
schon die Takelage der „Aphrodite“ au�auchen,<br />
Tempo, Tempo, schnell festmachen und sofort runter<br />
vom Schiff, lau� so schnell ihr könnt zur Kneipe – wir<br />
sehen euch, schnell, schnell!<br />
Gescha�, es ist noch nicht ganz elf. Hurra, hallo,<br />
Cheeeerio! – 23 Uhr, die Kneipe macht augenblicklich<br />
zu.<br />
Einer von uns sagt: „Das ist ‚English Law‘“ und dazu<br />
kommentiert ein einheimischer Gast: “No, that‘s english<br />
nonsense“! So ist das eben. Also laßt uns gehen.<br />
Der nächtliche Weg zur „Aphrodite“ ha�e es in sich.<br />
Glitschig, schwankend und endlos lang wan<strong>den</strong> sich<br />
die aneinandergereiten Schwimmstege mäanderartig<br />
durch das große Hafenbecken bis hin zu „unserem<br />
Schiff“.<br />
Unser Wiedersehen feierten wir dann <strong>bei</strong> Häppchen,<br />
Bierchen und Schnäpschen und natürlich viel Erzählen<br />
bis tief in die Nacht. Der Schlaf war kurz aber gut und<br />
das Frühstück am Morgen ebenso.<br />
Die „Aphrodite“ machte klar zum Auslaufen mit der<br />
neuen „Berliner Crew“ und wir mit der „alten Crew“<br />
mußten nun von Bord.<br />
Nach einigen Wendemanövern im Hafen verschwand<br />
die „Aphrodite“ aus unserem Blickfeld Richtung SSW.<br />
Später, von oberhalb des Hafens, sahen wir dann<br />
„unsere Brigg“, rasch kleiner wer<strong>den</strong>d, am Horizont<br />
entschwin<strong>den</strong>.<br />
Bald traten wir nach einer kleinen Ortsbesichtigung<br />
auch die Weiterreise nach Dover an.<br />
Unsere Fähre ging um 14 Uhr Ortszeit und somit<br />
ha�en wir noch genügend Zeit für einen ausgiebigen<br />
Spaziergang auf <strong>den</strong> berühmten „White Cliffs“<br />
von Dover.<br />
Unter uns, am Strand, lagen die fast 100-jährigen<br />
Reste einer Schiffs-Tragödie. Das 1902 erbaute<br />
Fünfmastvollschiff „Preussen“, strandete 1910 nach<br />
einer Kollission mit einem kleinen Dampfer vor <strong>den</strong><br />
Klippen. Der schöne Riese war nicht mehr zu re�en.<br />
Bei sehr gutem warmen We�er und herrlicher Weitsicht<br />
war dieser kleine Ausflug für uns ein schöner<br />
Abschied von der Insel.<br />
Die Fähre brachte uns schnell, sicher und ruhig<br />
zurück nach Calais.<br />
Nun gab‘s nur noch zwei Ziele: Bald etwas Gutes zu<br />
essen zu bekommen und dann flo� nach Hause.<br />
Im belgischen Ort Vleteren fand sich ein passendes<br />
Restaurant an der Durchgangstraße – es war nun<br />
18 Uhr Ortszeit, und wir sa� und zufrie<strong>den</strong>.<br />
Ab hier löste ich Wolfgang <strong>bei</strong>m Autofahren ab,<br />
der die gesamte Tour in England bewältigt ha�e.<br />
Also Gas und los. Die Fahrt war gut und wir waren<br />
flo� unterwegs. Beim Tanken wollten wir <strong>den</strong><br />
günstigen belgischen Diesel nutzen. Und so kam ich<br />
ein wenig ins Schwitzen als die Tankanzeige rasch<br />
fiel und das Tankstellennetz plötzlich nicht die<br />
bisher gewohnte Dichte ha�e.<br />
Der Not gehorchend, fuhr ich <strong>bei</strong> „Spa“ von der Autobahn<br />
und bekam dort glücklicherweise Sprit. Ufff!<br />
Störungsfrei spulten wir auch die letzten Kilometer<br />
bis ins heimatliche Gefilde ab, „verteilten“<br />
unsere Windjammerfreunde zu ihren Häusern und<br />
wünschten uns allen eine „Gute Nacht“.<br />
Mehr Informationen gibt‘s zum Thema:<br />
d Reisebilder und Videosequenzen von Wofgang Thiele<br />
(auch über die historische Seilerei (“The Ropery“)<br />
d Broschüren (Research Paper), Prospekte und<br />
ein Buch (“Building The Woo<strong>den</strong> Walls“, 1637)<br />
von Hans-Jörg Rochlitzer<br />
Dazu empfehlenswerte Internet-Adressen :<br />
www..chdt.org.uk<br />
www.maritimeheritagetrail.co.uk<br />
www.medway.gov.uk/tourism<br />
www.kenta�ractions.co.uk