Hospiz Nachrichten - HOSPIZHILFE BREMEN eV
Hospiz Nachrichten - HOSPIZHILFE BREMEN eV
Hospiz Nachrichten - HOSPIZHILFE BREMEN eV
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Dezember 2011<br />
Thema dieser<br />
Ausgabe:<br />
Begleitung -<br />
Jede ist einmalig<br />
Inhalt:<br />
Begrüßung<br />
Ulla Honert &<br />
Gunnar Zropf<br />
Karin Bösch &<br />
Anne-Marie Kulinna<br />
1<br />
2<br />
3<br />
Viola Wörnle 4<br />
Dagmar Stuthmann 5<br />
Ingrid Krügler<br />
Britta<br />
Kriworuschenko &<br />
Brigitte<br />
Scheske-Dreeser<br />
Hinweise, Tipps<br />
und Termine<br />
6<br />
7<br />
7<br />
8<br />
<strong>Hospiz</strong><br />
<strong>Nachrichten</strong><br />
<strong>Hospiz</strong>hilfe Bremen e.V.<br />
Begrüßung<br />
Liebe Vereinsmitglieder, liebe Freunde<br />
und liebe Förderer unserer <strong>Hospiz</strong>hilfe<br />
Bremen e.V.<br />
Da ist sie endlich , die zweite Ausgabe der<br />
<strong>Hospiz</strong>-<strong>Nachrichten</strong>.<br />
Die jetzige Ausgabe unserer <strong>Hospiz</strong>-<strong>Nachrichten</strong><br />
wurde von Euch selber, von unseren <strong>Hospiz</strong>-<br />
MitarbeiterInnen, geschrieben und ist dem uns alle<br />
verbindenden Thema gewidmet: Ehrenamtliche<br />
Begleitung in der <strong>Hospiz</strong>arbeit.<br />
Viele von Euch stehen schon seit Jahren Menschen<br />
auf ihrem letzten Lebensweg zur Seite, manche von<br />
Euch sind erst kurz dabei. Euch allen ist gemeinsam,<br />
dass Ihr mit Eurer Hingabe, Eurer Fürsorge, Eurer<br />
Geduld und oftmals auch Eurem Erfindungsreich-<br />
tum die Menschen begleitet.<br />
Oft haben wir uns gesagt, dass Eure Erlebnisse bewahrt<br />
werden müssten, dass es Schätze sind, die es<br />
zu achten gilt. Eure Erfahrungen können auch neuen<br />
<strong>Hospiz</strong>mitarbeiterInnen zeigen, wie unterschiedlich<br />
Sterbebegleitung aussehen kann. Unserer Bitte, die<br />
jetzige Ausgabe mitzugestalten, sind etliche aus<br />
unserer <strong>Hospiz</strong>hilfe nachgekommen:<br />
Ulla Honert, Gunnar Zropf, Karin Bösch, Anne-<br />
Marie Kulinna, Viola Wörnle , Dagmar Stuthmann,<br />
Ingrid Krügler, Britta Kriworuschenko und Brigitte<br />
Scheske-Dreeser,<br />
Hallo Ihr Lieben<br />
Wenn ein Jahr zu Ende geht, ist es an der Zeit,<br />
„Danke“ zu sagen. Unser erstes Dankeschön geht<br />
an Euch, liebe ehrenamtliche <strong>Hospiz</strong>lerInnen und<br />
an Euch, liebe Fördermitglieder. Danke für Eure<br />
Zeit, Euer Engagement und Euer Mitgefühl für die<br />
Menschen, die Ihr begleitet habt.<br />
Danke auch für Eure Förderung unserer Arbeit.<br />
In besonderem Maße haben wir hier Anne<br />
Renner, Ulli Heyn und Dagmar Stuthmann zu<br />
danken, die neben anderen unsere Arbeit im Büro<br />
regenmäßig unterstützt haben.<br />
Ausgabe 1I<br />
Für Eure Mitarbeit, die tollen Artikel, Gedichte und<br />
die Buchvorstellung möchte ich allen Mitwirkenden<br />
im Namen unseres Vorstands sehr herzlich danken!<br />
Ich wünsche Euch viel Spaß beim Lesen<br />
der neuen <strong>Hospiz</strong>-<strong>Nachrichten</strong><br />
Eure Regina Heygster<br />
Dieses Jahr war ein buntes, volles Jahr in unserer<br />
<strong>Hospiz</strong>hilfe. Ein herzliches Dankeschön gilt<br />
Margret Bloem für sieben Jahre Supervision.<br />
Und weiter sind wir dankbar, dass unsere erste<br />
Benefiz-Veranstaltung ein voller Erfolg war. Hier<br />
geht ein extra Danke an Günter Saure.<br />
Und wie so oft im Leben: „Nach dem Spiel ist vor<br />
dem Spiel“ – schon freuen wir uns auf das nächste<br />
<strong>Hospiz</strong>-Benefiz und sind dankbar, auch im kommenden<br />
Jahr mit dieser Veranstaltung auf das Thema<br />
„Sterbebegleitung“ in unserer Gesellschaft aufmerksam<br />
machen zu können.<br />
Wir blicken zuversichtlich in das nächste Jahr und<br />
bitten Euch, bleibt an unserer Seite, sodass auch<br />
weiterhin viele Menschen auf dem letzten Lebensweg<br />
eine mitfühlende Begleitung finden können.<br />
Regina Heygster, Wolfgang Reiter,<br />
Hille Heins, Gunnar Zropf und Monika Sain
Seite 2<br />
„… und so<br />
spielten er<br />
und ich<br />
gemeinsam.“<br />
<strong>Hospiz</strong> <strong>Nachrichten</strong><br />
„Wenn ein Mensch dahin ist, nimmt er ein Geheimnis mit sich:<br />
Wie ihm – gerade ihm im geistigen Sinne zu leben möglich gewesen ist.“<br />
Hugo von Hofmannsthal - aus dem „Buch der Freunde“<br />
Hinter dieses Geheimnis war im Falle meiner Begleitung<br />
im Verlauf von Dezember 2009 bis März 2011<br />
nicht zu kommen. Meine zu begleitende Person<br />
männlichen Geschlechts, 72 Jahre alt – ich nenne<br />
ihn Herr A. - war nach einem Herzinfarkt längere<br />
Zeit nicht versorgt worden. Folge davon waren eine<br />
schwere Hirnschädigung, Lähmung von Armen,<br />
Beinen, Kopf, Schluckreflex und Totalausfall des<br />
Sprachzentrums. Seine rechte Hand konnte er noch<br />
bewegen.<br />
Diese Informationen habe ich vom Pflegepersonal<br />
des Heims erhalten. Familie gab es nicht. Hier konnte<br />
ich keine Biografie-Kenntnisse gewinnen. Sehr<br />
hilfreich waren Begegnungen mit dem Betreuungsanwalt.<br />
Von da bezog ich ein paar Informationen.<br />
Bei meinen ersten Besuchen spielte Herr A. mit<br />
einer Hand mit meinen farbigen Schals, die ich auf<br />
seine Bettdecke legte.<br />
Nach einer Ein- und Angewöhnungszeit<br />
- begann ich mit dem Vorlesen von kleinen Bremer<br />
Geschichten mit Hinzunahme von Bildwerk<br />
- sang ich ihm vor aus dem deutschen Liedgut, nach<br />
Jahreszeiten und nach Anlässen sortiert<br />
- gestaltete ich sein kleines Reich mit Blumen, Düften,<br />
Kerzen<br />
- entnahm ich einem schönen Kalender monatlich<br />
die Seite, ließ sie von ihm ansehen und gestaltete<br />
damit eine fortlaufende Bildserie.<br />
Der Betreuungsanwalt wusste von Reisen von<br />
Herrn A. zu sprechen. So blätterte ich bei meinen<br />
Besuchen Bildbände über Australien, Mexiko, Äquatorialreisen<br />
vor. Mit der kleinen Bewegungsmöglichkeit<br />
seiner rechten Hand versuchte Herr A. auch,<br />
selbst zu handeln und blätterte vor und zurück …<br />
oder schlug das Buch zu.<br />
Woher plötzlich ein sehr aufgelöstes Fotoalbum von<br />
ihm kam, ist nicht zu ermitteln gewesen. Ich habe es<br />
nach Lebensabschnitten neu zusammen gefügt. Andere<br />
Zusammenhänge waren nicht gegeben.<br />
Ein Wintergedicht<br />
Vereinsamt<br />
Die Krähen schrein<br />
und ziehen schwirren Flugs zur Stadt:<br />
bald wird es schnein -<br />
wohl dem, der jetzt noch - Heimat hat!<br />
Nun stehst du starr,<br />
schaust rückwärts, ach! wie lange schon!<br />
Was bist du Narr<br />
vor Winters in die Welt entflohn?<br />
Die Welt - ein Tor<br />
zu tausend Wüsten stumm und kalt!<br />
Wer das verlor,<br />
was du verlorst, macht nirgends halt.<br />
Bei gutem Wetter und wenn irgendeine Mobilisierung<br />
möglich war, fuhr ich mit ihm im Rollstuhl auch<br />
nach draußen.<br />
Ich stellte fest, dass seine Musikvorliebe „Jazz-<br />
Dixieland“ war. Ich überlegte, dass ihm „Malen“<br />
vielleicht auch Freude bereiten könnte und besorgte<br />
eine feste Unterlage und gutes Papier und Kindermalstifte.<br />
Was tat nun Herr A. damit? Mit dicken<br />
Malstiften der Kleinkindstärke malte er nach Musik<br />
mit der rechten Hand seine eigene Bildergalerie.<br />
Jedes Bild von ihm bekam einen festen Platz in seinem<br />
Blickfeld.<br />
Eine weitere Idee war, gemeinsam Musik zu machen:<br />
Mit Bongotrommeln und Kochlöffeln klappte<br />
das. Es kam sogar vor, dass eine Abwechslung beim<br />
Aufschlag gelang und so spielten er und ich gemeinsam.<br />
Manchmal habe ich auch nur seinen Schlaf bewacht,<br />
immer dann, wenn Bronchitis und Fieberanfälle<br />
seine Kräfte lähmten.<br />
Nach einer Reise kam ich an seinem Sterbetag zu<br />
Besuch. Nichts deutete darauf hin, dass Herr A. –<br />
nach meinem Besuch - am Mittag verstorben vom<br />
Pflegepersonal aufgefunden wurde.<br />
Als ich nun an seinem Bett saß, geschah eine besondere,<br />
nie zuvor erlebte Geste: Mit der rechten<br />
Hand zog Herr A. meine Hände auf seine Brust und<br />
hielt sie für eine Weile fest.<br />
Ich deutete es als Freude des Wiedersehens. Es war<br />
wohl viel mehr! Es war seine Abschiedsgeste.<br />
Menschen aus seinem Arbeitsleben wurden nach<br />
dem Tod vom Betreuungsanwalt aufgetan. Der Anwalt<br />
und ich nahmen an der Trauerfeier teil.<br />
Mit dem Friedhofsdiener hab ich die Urne von<br />
Herrn A. im bestehenden Grab seiner Mutter beigesetzt.<br />
Ich bin dankbar für diese Begleitung und die so gewonnen<br />
Erfahrungen. –<br />
Ulla Honert<br />
Nun stehst du bleich,<br />
zur Winter-Wanderschaft verflucht,<br />
dem Rauche gleich,<br />
der stets nach kältern Himmeln sucht.<br />
Flieg, Vogel, schnarr<br />
dein Lied im Wüstenvogel-Ton! -<br />
Versteck, du Narr,<br />
dein blutend Herz in Eis und Hohn!<br />
Die Krähen schrein<br />
und ziehen schwirren Flugs zur Stadt:<br />
bald wird es schnein,<br />
weh dem, der keine Heimat hat!<br />
Friedrich Nietzsche<br />
ausgesucht von Gunnar Zropf
Du frierst<br />
Ausgabe 1I<br />
Du frierst<br />
und viele werden sagen - Es ist nicht kalt!<br />
Du hast Angst<br />
und viele werden sagen - Hab nur Mut!<br />
Du bist allein<br />
und viele werden sagen - Jetzt keine Zeit!<br />
Doch manchmal<br />
ist da jemand, der sagt - Nimm meinen Mantel und meine Hand<br />
und lass mich dich ein Stück begleiten - jetzt.<br />
Angela Sattler – ausgesucht von Karin Bösch<br />
Begleitung aus dem Leben<br />
Eine Begleitung, an die ich mich sehr gerne erinnere, war die einer an Jahren alten, aber geistig sehr lebendigen,<br />
ehemaligen Mathematiklehrerin.<br />
Beim ersten Besuch beobachtete mich Fr. H. mit sehr wachen Augen und stellte dann ganz plötzlich die<br />
Frage: „Sind Sie religiös?“ Als ich verneinte, war ich mir ziemlich sicher, dass meine Begleitung hier enden<br />
würde. Fr. H. sagte jedoch: „Gott sei Dank, dann wollen Sie mich nicht missionieren“, und von da an haben<br />
wir uns wunderbar verstanden.<br />
Fr. H. war an Krebs erkrankt und wollte nicht mehr leben. Sie wünschte sich von mir Ratschläge und Hilfe,<br />
um den Sterbeprozess zu beschleunigen. Ich erklärte, dass ich diese Art von Hilfe nicht bieten könne, stattdessen<br />
jedoch meine Zuwendung und Unterstützung durch Gespräche.<br />
Wir hatten sehr gute, offene Gespräche und wir haben auch viel miteinander gelacht<br />
Nach 2 Wochen wurde Fr. H. schwächer. Sie erzählte mir, wie gerne sie immer von ihrem Balkon aus die<br />
kleinen Meisen beobachtet hat. Da es ein schöner Frühlingstag war, packte ich sie warm ein mit Decken<br />
und 2 Wärmflaschen und setzte sie auf den Balkon. Sie war so dankbar und strahlte mit der Sonne um die<br />
Wette, und sie wusste wohl auch, dass es das letzte Mal war.<br />
An ihrem letzten Lebenstag wollte sie, dass ich auf ihrem Bett sitze und ihre Hand halte. Dass Fr. H. diese<br />
Nähe gewünscht hat, hat mich sehr berührt.<br />
Am nächsten Morgen bat mich die Tochter von Fr. H. zu kommen, da es wohl zu Ende gehe. Als ich ankam,<br />
war Fr. H. gerade gestorben.<br />
Zusammen mit einer Mitarbeiterin des Pflegedienstes erfüllten wir ihr noch einen letzten Wunsch:<br />
Wir haben sie gewaschen und angezogen, da sie nicht von fremden Menschen berührt werden wollte.<br />
Anne-Marie Kulinna<br />
„Gott sei Dank,<br />
dann wollen Sie<br />
mich nicht<br />
missionieren“<br />
Seite 3
Seite 4<br />
„ Wenn ihnen<br />
danach zumute<br />
ist, schreien sie,<br />
weinen sie,<br />
lachen sie, …“<br />
<strong>Hospiz</strong> <strong>Nachrichten</strong><br />
Eine etwas andere Lebens-Begleitung<br />
Ich war 17 Jahre alt, als ich durch ein Schulpraktikum<br />
zum ersten Mal intensiv mit Menschen „die anders<br />
sind“ , in Berührung kam. 14 Tage sollte ich hier in<br />
einer anthroposophischen Dorf- und Lebensgemeinschaft<br />
in meiner „Gastfamilie“ mit leben. Ich hatte<br />
keine Ahnung, was da so auf mich zukommen könnte<br />
und war daher sehr gespannt und als ich dann<br />
direkt vor der Türe zu der mir zugeteilten Wohngruppe<br />
stand, doch auch sehr aufgeregt.<br />
Natürlich hatte ich Menschen mit einer Behinderung<br />
zuvor schon immer wieder mal gesehen und ein<br />
entfernter Bekannter meiner Oma, den ich bei Familienfeiern<br />
immer wieder mal traf, zählte auch zu<br />
dieser Art Mensch und war schon irgendwie anders,<br />
und für mich nicht so wirklich einzuschätzen, doch<br />
irgendwie einfach auch nur ein Mensch. Doch wie<br />
sollte das nun hier werden? Wie würde es sein mit<br />
10 dieser Menschen für zwei Wochen Tag und<br />
Nacht zusammen zu wohnen, zu essen, zu arbeiten…?<br />
Kann ich das überhaupt? Was mache ich hier<br />
nun? Zweifel und mir wird ganz flau.<br />
Doch dann betrete ich den Wohnraum und platze<br />
hinein in eine ausgelassene Geburtstagsfeier. Hier<br />
wird gelacht, gespielt, getanzt, so wie auf jeder ordentlichen<br />
Feier. Ich werde mit Fragen überhäuft;<br />
wie ich heiße, wie alt ich sei, was meine Lieblingsfarbe<br />
… und schon nach wenigen Minuten fühle ich<br />
mich als Teil dieser Gruppe, als wäre ich auf einer<br />
Feier von einer Freundin. Sehr wahrscheinlich würde<br />
auf einer solchen zwar niemand ständig vor und<br />
zurück wippend neben mir stehen und auch niemand<br />
mit einem Art selbstgebautem Fächer aus Zeitungsstreifen<br />
begeistert stundenlang vor dem bunten Licht<br />
ganz in sich versunken hin und her wedeln, doch<br />
ehrlich gesagt würde hier auch das ein oder andere<br />
nicht weniger skurrile Verhalten zu beobachten sein!<br />
Zwei Wochen, in denen ich eine nie erahnte Spannbreite<br />
an menschlichem Verhalten kennen lerne. In<br />
denen ich Menschen treffe, deren Biografie mich zu<br />
Tränen rührt. Da ist zum Beispiel Ebi, ein ehemaliger<br />
Mathematikprofessor mit Frau und Kind, der durch<br />
einen Zeckenbiss eine Gehirnhautentzündung erlitten<br />
hat. Seither lebt Ebi in seiner ganz eigenen Welt.<br />
Er liebt es auf der Toilette zu sitzen und die Wandkacheln<br />
zu zählen, oder die Dachziegeln am Haus<br />
gegenüber – immer kommt er auf hundert, da „die<br />
letzte Reihe krank ist“. Seine Frau und seinen Sohn<br />
erkennt er nicht mehr, dafür jeden neuen Besucher<br />
als ein Teammitglied von irgendeiner Sportmannschaft,<br />
deren wie er sagt: „schlechteste Spieler besser<br />
sind als die Besten von Düsseldorf“. Ebi liebt es<br />
auch zu essen, egal was, und wenn es das Schleifpapier<br />
ist, das in der Holzwerkstatt, in der er nun arbeitet<br />
anstatt wie früher seine Mathematischen Vorträge<br />
vor einer studentischen Zuhörerschaft zu geben,<br />
massenweise herumliegt.<br />
Zwei Wochen in denen ich die kreativsten Liebesbriefe<br />
meines Lebens bekomme – die beliebig aneinander<br />
gereihten Buchstaben machen für mich in<br />
meinem oft doch eingeschränkten Denken leider<br />
keinen Sinn, doch zweifelsohne für den Verfasser!<br />
Die an den Rand gemalten Herzen und Blumen sind<br />
zum Glück unmissverständlich.<br />
Dieses Praktikum liegt nun mehr als 20 Jahre zurück,<br />
doch ist es eines dieser Erlebnisse, die wir wohl nie<br />
vergessen werden, es ist in unserem Herzen, unserem<br />
Sein gespeichert, ein „Geschenk“ das uns unser<br />
Leben lang begleitet und an das wir uns noch viele<br />
Jahre später mit einer Schärfer zurück erinnern, als<br />
gäbe es keine Zeit, als würde das, was sich da vor<br />
unserem inneren Auge abspielt, gerade eben jetzt<br />
geschehen.<br />
Auch wenn ich es nach den zwei Wochen unendlich<br />
genossen habe, mich beim Essen mal wieder nur um<br />
mich selbst zu kümmern statt nebenbei noch einem<br />
anderen Menschen dabei zu helfen, hat diese Zeit<br />
mir so viel Gutes beschenkt, dass ich die folgenden<br />
Osterferien nochmal ganz freiwillig zurück gekehrt<br />
bin, in meine dortige „Familie“. Neben all der Anstrengung,<br />
die diese Arbeit auch mit sich brachte,<br />
war ich sehr angetan und beglückt von der<br />
„Echtheit, Direktheit und Unverfälschtheit“ der<br />
Menschen die hier lebten.<br />
Wir sogenannten „Normalen“ haben gelernt, uns<br />
einem bestimmtem, von Erwachsenen erwarteten<br />
Verhalten anzupassen, egal wie sehr dieses unseren<br />
eigenen und wahren Bedürfnissen und Wünschen<br />
widerspricht. Wir wissen, wie wir uns in gewissen<br />
Situationen zu verhalten haben und halten uns daran<br />
– nur nicht auffallen, nicht aus der Masse heraustreten.<br />
Menschen mit dem Label „Behinderung“ sind<br />
diesbezüglich oft sehr viel freier. Wenn ihnen danach<br />
zumute ist, schreien sie, weinen sie, lachen sie,<br />
stampfen auf den Boden, oder werfen sich hin, ganz<br />
ihrem Bedürfnis und Gefühl folgend, ohne einen<br />
Verhaltenskodex einhaltend. Sie fragen dich, was sie<br />
interessiert, egal ob diese Frage „anständig“ ist oder<br />
nicht – sie lassen sich nicht „behindern“ durch eine<br />
oft so unreale Angst vor Blamage! Solch einen reinen<br />
Selbstausdruck habe ich mir damals schon für<br />
mich selbst gewünscht und tue es auch heute noch<br />
immer wieder, auch wenn ich mittlerweile einer<br />
gewissen gesellschaftlichen Norm auch positive Seiten<br />
abgewinnen kann.<br />
Auf so einigen „Umwegen“ und mit verschiedenen<br />
Ergänzungen habe ich die Arbeit mit Menschen mit<br />
unterschiedlichstem Hilfebedarf zu meinem Beruf<br />
gemacht und auch so einige Male als Berufung erlebt.<br />
Täglich erlebe ich, die ich heute Jugendliche mit<br />
Förderbedarf in einer Schule begleite, dass diese<br />
Menschen meine wahren Lehrmeister sind, ein so<br />
ungetrübter Spiegel meiner Selbst, der mir schonungslos<br />
meine eigenen Schwächen und Probleme<br />
und ungeliebten Eigenheiten wiederspiegelt.<br />
Menschen mit einer Behinderung, seelepflegebedürftige<br />
Menschen, Menschen mit einem erhöhten Hilfebedarf,<br />
schwerstmehrfach Behinderte, Förderkinder,<br />
Menschen die anders sind, „kids with special<br />
needs“... Unzählige Begriffe für eine unzählige Anzahl<br />
an Menschen. Selbst nach so vielen Jahren an Beschäftigung<br />
mit diesem Thema habe ich noch keinen<br />
für mich wirklich passenden Begriff, keine stimmige<br />
Bezeichnung gefunden. So versuchen wir zu spezifizieren<br />
und sprechen von Menschen aus dem autistischen<br />
Formenkreis, von Menschen mit Trisomie 21,<br />
von Borderlinern… und versuchen damit der<br />
„Besonderheit“ eines Menschen Ausdruck zu verleihen.<br />
Und ja, natürlich sind diese Menschen besonders,<br />
genauso besonders wie jeder von uns!<br />
Der eine spricht in seinen eigenen, für uns nicht
verständlichen Lauten, der andere hat Schwierigkeiten<br />
mit Lesen oder Schreiben, ein dritter kann sich<br />
nicht alleine fortbewegen, braucht Unterstützung<br />
beim Essen oder beim Ausscheiden, eine weitere<br />
Person braucht einen ganz klar strukturierten Tagesplan<br />
für die eigene innere Sicherheit und ganz detaillierte,<br />
in kleinste Schritte aufgespaltene Handlungsanweisungen,<br />
um zu verstehen was man von ihr möchte.<br />
Der eine oder die andere schlagen um sich ohne<br />
einen für uns erkennbaren Grund, doch sicherlich<br />
nie grundlos! Und so sind wir alle, wie anders auch<br />
immer, doch nur Menschen, mit Gefühlen, Bedürfnissen,<br />
Wünschen, Schwierigkeiten…<br />
Wie gut es mir geht, dass ich mich in Bezug auf all<br />
diese Dingen im großen und ganzen anderen Menschen<br />
gegenüber mitteilen kann, dass ich in der Lage<br />
bin, so viele lebenspraktische und existentielle Dinge<br />
ohne die Hilfe von einem anderen Menschen ganz<br />
alleine, selbständig zu verrichten, das wird mir durch<br />
Frau M.<br />
Ausgabe 1I<br />
die Begleitung von Menschen, denen das so nicht<br />
möglich ist, immer und immer wieder bewusst und<br />
eine tiefe Dankbarkeit dafür macht sich in mir breit.<br />
Mein Leben ist durch den Kontakt mit all den so<br />
genannten „anderen“ Menschen die mir begegnet<br />
sind und es täglich tun, unendlich reich geworden.<br />
Ich freue mich sehr, dass wir diese Menschen in<br />
Zukunft in unsere Begleitungen bewusst miteinbeziehen<br />
werden und bin sehr auf den entsprechenden<br />
Prozess gespannt. Und da ist diese Ahnung und<br />
Vermutung in mir, dass wir Menschen, wie unterschiedlich<br />
wir in unserem Ausdruck und Verhalten<br />
auch immer sein mögen, in den wirklich bedeutenden<br />
Momenten, in denen des „Überganges“, im Moment<br />
des Geboren werden und im Moment des<br />
Sterben wohl alle gleich sind – einfach Mensch!<br />
Viola Wörnle<br />
Ende September 2010 bat mich unsere Koordinatorin nach einer alten Frau in einem Heim zu sehen, die<br />
seit einer Woche Essen und Trinken verweigerte. Sie befand sich seit Tagen in einem schwierigen Prozess<br />
und hatte keine Angehörigen vor Ort, die ihr zur Seite stehen konnten.<br />
Als ich am Nachmittag im Heim eintraf, freute sich das Personal sehr über meine Unterstützung. Sie waren<br />
unterbesetzt und konnten sich jeweils nur kurz bei Frau M. aufhalten.<br />
Mir bot sich ein Bild des Jammers. Frau M. lag in Ihrem Bett und sie rang um jeden Atemzug. Auf dem<br />
Nachttisch standen Blumen und es brannte eine Kerze. Auch ein kleines Büchlein mit christlichen Sprüchen<br />
und Bibeltexten lag dort.<br />
Ich setzte mich zu Ihr, stellte das Bett hoch und versuchte Kontakt aufzunehmen. Doch sie hielt Ihre Augen<br />
geschlossen, sprach nicht und schien weit weg zu sein.<br />
Ich hielt Ihre Hände oder legte Ihr meine Hände auf den Brustkorb. Wenn ich mit Ihr sprach oder Ihr etwas<br />
aus dem Buch vorlas, wurde Sie merklich ruhiger und konnte leichter atmen. In den nächsten Stunden meines<br />
Besuches hatte ich das Gefühl, ich müsse mit Ihr sprechen, um Ihr so zu zeigen, dass sie nicht alleine ist.<br />
Aber...je mehr Zeit verstrich, desto erschöpfter und stiller wurde ich. Irgendwann veränderte sich alles. Ich<br />
hielt meine Hände auf Ihrem Körper, befeuchtete Ihre Lippen oder erfrischte Ihr Gesicht mit einem Tuch.<br />
In dieser Stille verschmolzen wir miteinander, zu einem Atem. Frau M. wurde merklich ruhiger.<br />
Zu diesem Zeitpunkt gab es einige Atemaussetzer. Ab und zu schaute jemand vom Pflegepersonal nach uns.<br />
Niemand konnte mir sagen, wie lange es noch dauern würde, bis Frau M. sterben würde.<br />
Da ich keinerlei Erfahrungen diesbezüglich hatte, fühlte ich mich hilflos, aber ich blieb, da ich Frau M. nicht<br />
alleine lassen wollte.<br />
Und so saß ich insgesamt 4,5 Stunden bei Ihr am Bett, bis Sie schließlich auf einmal ganz ruhig zu atmen<br />
aufhörte.<br />
Nach den Stunden, in denen Sie rasselnd um Luft rang, war es eine ungemeine Erleichterung für mich, als es<br />
plötzlich so still und friedvoll war. Ich war- und bin- dankbar, dass ich Sie bis zum "Tor" begleiten durfte. Sie<br />
hat einen Platz in meinem Herzen, weil...dies war meine erste Sterbebegleitung.<br />
Dagmar Stuthmann<br />
„Frau M.<br />
wurde<br />
merklich<br />
ruhiger.“<br />
Seite 5
Seite 6<br />
„ Fürsorge<br />
motiviert<br />
sehr<br />
stark.“<br />
<strong>Hospiz</strong> <strong>Nachrichten</strong><br />
Die Wirkung von Berührung<br />
Bei unseren Begleitungen finden wir uns manchmal<br />
in Situationen wieder, wo Worte nichts mehr leisten<br />
können. So gerne möchten wir etwas tun, unseren<br />
Beitrag leisten, doch was bleibt uns, wenn wir das<br />
verbindende Werkzeug Sprache nicht mehr anwenden<br />
können? Wir können da sein, Anteil nehmen.<br />
Wir können über Berührung kommunizieren. Ja, das<br />
tun wir dann auch aus unserem innewohnenden<br />
natürlichen Instinkt heraus. Doch -, was geht da<br />
eigentlich vor sich, wenn man beieinander sitzt, sich<br />
berührt?<br />
Für ein besseres Verständnis, was bei Berührung im<br />
Menschen und zwischen den Menschen stattfindet,<br />
möchte ich weiter unten aus dem Buch ‚Die Herz-<br />
Intelligenz-Methode’ zitieren und die Wissenschaftler<br />
Doc Childre und Howard Martin sprechen lassen.<br />
Im Zuge meiner Ausbildung zur Ganzheitlichen<br />
Energetischen Massagepraktikerin wurden mir ihre<br />
neuesten Erkenntnisse von elektromagnetischer<br />
Energie von Herz- und Gehirnwellen und die Wirkung<br />
von Berührung nahe gebracht. Das fand ich so<br />
interessant, anschaulich und inspirierend, dass ich es<br />
gern mit euch teilen möchte.<br />
Hier ein Auszug aus dem Buch:<br />
„Fürsorge motiviert sehr stark. Sie ist eines der<br />
wichtigsten Grundgefühle des Herzens. Sie inspiriert<br />
uns und gibt uns ganz sanft ein Gefühl von Sicherheit.<br />
Dadurch verstärkt sich unsere Verbindung mit<br />
anderen. Sie ist nicht nur mit das beste, was wir für<br />
unsere Gesundheit tun können, sie fühlt sich außerdem<br />
für den Gebenden und Nehmenden gut an.<br />
Anteilnehmen wirkt sich regenerierend und erhebend<br />
auf uns aus. Diese Erfahrung ist recht greifbar<br />
und geht direkt ins Herz. Auch können wir die Erfahrung<br />
an andere weitergeben. Wenn wir an jemandem<br />
Anteil nehmen, drücken wir dieses Gefühl ganz<br />
automatisch durch Berührung aus. Wir umarmen<br />
unsere Freunde oder klopfen ihnen auf die Schulter.<br />
In einer Unterhaltung berühren wir sie vielleicht am<br />
Arm, um einen Aspekt zu unterstreichen oder wenn<br />
wir einen Witz erzählen. Werden wir jemandem<br />
vorgestellt, geben wir ihm oder ihr die Hand – ein<br />
momentaner Kontakt, der die Verbindung herstellt.<br />
Die Wissenschaftler am HeartMath-Institut haben<br />
festgestellt, dass eine solche Verbindung sich stärker<br />
auswirkt, als wir dachten. Wenn wir jemanden berühren,<br />
wird die elektromagnetische Energie unseres<br />
Herzens ins Gehirn der anderen Person übermittelt<br />
und umgekehrt. Wenn wir zwei Personen während<br />
einer Berührung an einen medizinischen Bildschirm<br />
anschließen, können wir das Muster des elektrischen<br />
Signals (EKG) in den Gehirnwellen (EEG) der anderen<br />
Person sehen. Diese faszinierenden Resultate<br />
belegen, dass elektromagnetische Energie<br />
– vom Herzen zum Gehirn – ausgetauscht<br />
wird, wenn wir jemand anderen berühren. Ob<br />
wir es merken oder nicht, beeinflusst unser Herz<br />
nicht nur unser eigenes Erleben, sondern kann auch<br />
die Menschen um uns herum beeinflussen. Ebenso<br />
können wir von Signalen, die andere aussenden,<br />
beeinflusst werden. Wir schalten um, um mit ihrer<br />
Energie in Resonanz zu kommen – ebenso geschieht<br />
es ihnen mit uns. Wir nehmen diesen Prozess nicht<br />
wahr, zumindest nicht bewusst. Doch er findet statt.<br />
In Kapitel 3 stellen wir dar, dass sich die Frequenzstruktur<br />
des elektromagnetischen Feldes des Herzens<br />
in unterschiedlichen Gefühlszuständen drastisch<br />
verändert. Frustration ruft ein inkohärentes Signal<br />
hervor, Wertschätzung ein harmonisches, kohärentes.<br />
Grundgefühle des Herzens, darunter auch Anteilnahme,<br />
erzeugen im elektromagnetischen Feld<br />
des Herzens Kohärenz, stressige Gefühle produzieren<br />
Inkohärenz. Diese Energie wird an unseren ganzen<br />
Körper übermittelt; ja sie strahlt auch nach außen<br />
über unseren Körper hinaus und hat enorme<br />
gesellschaftliche Auswirkungen. Denken Sie darüber<br />
nach. Wenn Menschen, die wir berühren oder<br />
neben denen wir stehen (beispielsweise in einem<br />
Aufzug, in der U-Bahn oder in einem Kaufhaus)<br />
die elektromagnetischen Signale unseres Herzens<br />
in ihren Gehirnwellen empfangen, dann<br />
bedeutet das, dass wir ständig unseren Gefühlszustand<br />
aussenden (und den der anderen<br />
empfangen).<br />
Freilich teilen wir unseren emotionalen Zustand<br />
auch auf andere Arten mit. Wir lernen, einander<br />
durch eine komplexe Reihe von Hinweisen besser<br />
zu verstehen. Oft ist unsere Stimmung allein schon<br />
aus unserer Körpersprache erkennbar. Doch auch<br />
ohne Köpersprache und zusätzliche Hinweise senden<br />
wir feine Signale aus. Wir können nicht anders.<br />
Wir alle beeinflussen uns auf der elementaren elektromagnetischen<br />
Ebene gegenseitig.<br />
Wir verstehen die komplexen Verbindungen zwischen<br />
Menschen allmählich. Doch es ist bereits klar,<br />
dass wir einem Menschen, den wir berühren, während<br />
wir zum Beispiel Fürsorge empfinden, ein Signal<br />
übermitteln, das potenziell die körperliche Gesundheit<br />
und das Wohlbefinden dieses Menschen fördert.<br />
Viele Ärzte, Krankenschwestern und Physiotherapeuten<br />
wissen um die Kraft der körperlichen Berührung.<br />
Immer mehr wissenschaftliche Beweise belegen<br />
die wohltuenden Wirkungen fürsorglicher Berührung.<br />
Nach Aussagen von Dr. Tiffany Field (der<br />
Direktorin eines Instituts zur Erforschung von Berührung<br />
an der medizinischen Fakultät der University<br />
of Miami) ist Berührungstherapie oder Massage<br />
für Säuglinge und Kinder ebenso wichtig wie Essen<br />
und Schlafen.<br />
In klinischen Studien wurde festgestellt, dass Berührung<br />
physiologische Veränderungen auslöst. Durch<br />
Berührung konnten Kinder mit Asthma ihre Atemfunktion<br />
verbessern, machten Kinder mit Diabetes<br />
besser bei ihrer Behandlung mit und konnten Babys<br />
mit Schlafstörungen leichter einschlafen. Fürsorgliche<br />
Berührung ist auch für Gesundheit und Wohlbefinden<br />
Erwachsener hilfreich. In manchen Fällen ist<br />
diese Wirkung entscheidend.<br />
Kürzlich berichteten zwei Ärzte einer wissenschaftlichen<br />
Zeitschrift von einer älteren Frau, die aufgrund<br />
ihres Herzversagens im Sterben lag. Als der Arzt<br />
merkte, dass er nichts mehr für sie tun konnte,<br />
rief er ihre Familie an, damit sie sich von ihr verabschiedeten.<br />
Bemerkenswerterweise kehrte in dem<br />
Moment, in dem ihre Angehörigen kamen und sie<br />
berührten, ihr Herzschlag wieder zu einem normalen<br />
Rhythmus zurück. Eine halbe Stunde später saß<br />
sie munter in ihrem Bett. Zwar erholt sich nicht
Ausgabe 1I<br />
jeder und jede durch eine fürsorgliche Berührung,<br />
doch Herz und Hirn empfangen das Signal. Vielleicht<br />
gibt es noch andere Erklärungen und Faktoren, warum<br />
sich diese ältere Frau wieder erholte – unsere<br />
Untersuchungen zur Elektrizität der Berührung haben<br />
uns überzeugt, dass die fürsorglichen Emotionen<br />
von anderen eine erkennbare physiologische Wirkung<br />
ausüben können – in diesem Fall war es eine,<br />
die das Herz der Frau wieder zum Schlagen brachte…“<br />
Toleranz<br />
Das ist doch wirklich viel, was wir da tun (können),<br />
wenn wir mit unseren Begleitungen zusammen sind,<br />
oder nicht?<br />
Euch allen ein fürsorgliches Herz und eine beruhigende<br />
Hand. –<br />
Ingrid Krügler<br />
Es gibt Menschen, die haben schon verloren, bevor sie überhaupt die Chance hatten zu würfeln. Diese<br />
geborenen Verlierer zeichnen sich durch ihren starken Lebenswillen und ihre ungeheure Kraft im Kampf<br />
um ein wenig Glück aus. Einen solchen Kämpfer durfte ich in seinen letzten Monaten begleiten.<br />
Altersmäßig unterschieden wir uns kaum. Jedoch schien mir seine Welt sehr fremd, weil ich so wohlbehütet<br />
und geliebt aufgewachsen bin. Wäre ich ihm wenige Jahre zuvor begegnet, hätte ich vielleicht die Straßenseite<br />
gewechselt.<br />
Bei einem Besuch im Krankenhaus wurde ich Zeuge einer Unterhaltung mit einem ehemaligen Bekannten<br />
aus dem Milieu. Als ich in der Supervision von dieser so anderen Welt erzählte, entwich jemandem der<br />
Ausspruch: „Was für ein Klientel bedienen wir denn neuerdings?“ Ich schätze diese Person und weiß, dass<br />
sie den Ausspruch im selben Moment bereut hat und dadurch selbst zum Denken kam.<br />
Sucht kommt von Suchen. Wer das Glück hat, nie nach Anerkennung und Liebe suchen zu müssen, kann<br />
die Suchenden nicht beurteilen.<br />
Inzwischen ist mir klar, dass dieses Klientel unsere Begleitungen umso mehr braucht. Sie tragen mit ihrer<br />
vermeintlich eigenen Schuld an ihrem qualvollen Ende doppelt schwer.<br />
Britta Kriworuschenko<br />
Meine erste Begleitung ...<br />
… sie dauerte nur gut eine Woche.<br />
Herr S. war dement und lebte in einem Pflegeheim. Er war von dort aus wegen einer schweren Lungenentzündung<br />
ins Krankenhaus gekommen. Nachdem klar war, dass Herr S. sich nicht mehr erholen würde, kam<br />
er zurück auf die Pflegestation.<br />
Die drei Kinder von Herrn S. wünschten sich, dass ihr Vater nicht alleine sein sollte. Wir sprachen die<br />
Zeiten ab, die ich zwischen ihren Besuchen bei ihrem Vater verbringen sollte – und wollte. In der Regelwaren<br />
es pro Tag 2 bis 4 Stunden. Die Begleitung war zwar kurz aber sehr zeitintensiv.<br />
Ich weiß nicht, ob Herr S. mich als Person wahrgenommen hat, aber er hat häufig meine Hand gesucht und<br />
sie festgehalten. Von seinen Kindern habe ich mir abgeschaut und ihnen zugehört, wie sie mit ihrem Vater<br />
umgingen und mit ihm sprachen.<br />
Herr S. sprach nicht, aber er verfolgte mich mit seinen Augen, wenn ich z. B. die Bettseite wechselte. Wir<br />
beiden konnten auch für kurze Zeit Augenkontakt halten.<br />
Am Freitag begann sich etwas zu verändern: Herr S. lag zwischen den Zeiten des Händehaltens und der<br />
Blickkotakte mit weitgeöffneten Augen da und schaute weit weg ins Leere.<br />
Am Samstag konnte ich keinen Blickkontakt mehr herstellen und aus dem gegenseitigen Handhalten war<br />
nur noch ein leichtes Streicheln meinerseits über seine Hände geworden.<br />
Für den Sonntag hatten seine Kinder und ich keine Zeiten vereinbart. Am Sonntagnachmittag riefen mich<br />
die Kinder an, um mir den Tod ihres Vaters mitzuteilen.<br />
Trotz des Schmerzes freute ich mich für die Kinder von Herrn S., dass ihr Vater am Sonntag eingeschlafen<br />
war, weil sie alle hatten um ihn sein können in seinen letzten StundenIch glaube, die Begleitung war so, wie<br />
die Kinder von Herrn S. sie sich gewünscht hatten, denn ich wurde mit einem wunderschönen Blumenstrauß<br />
sowie mit herzlichen Dankesworten bedacht.<br />
Brigitte Scheske-Dreeser<br />
Seite 7<br />
Glück hat,<br />
„Wer das<br />
nie nach Anerkennung und Liebe<br />
Glück suchen zu müssen, hat, kann<br />
die Suchenden nicht<br />
nie beurteilen.“ nach<br />
Anerkennung<br />
und Liebe<br />
suchen zu<br />
müssen, kann<br />
die Suchenden<br />
nicht<br />
beurteilen.“<br />
„Herr S.<br />
sprach nicht,<br />
aber er<br />
verfolgte<br />
mich<br />
mit seinen<br />
Augen ...“
Seite 8<br />
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Kohlessen bei Hille Heins<br />
10.02.2012, 18.00 Uhr<br />
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20.03.2011, 18.00 Uhr, Kulturzentrum Schlachthof,<br />
Findorffstraße 51, 28215 Bremen<br />
Fortbildungsabende<br />
Jeweils montags, 18.30 – 20.00 Uhr<br />
Termine und Themen werden noch bekannt gegeben<br />
Supervisionstermine 1. Vierteljahr 2012:<br />
Dagmar Meyer:<br />
Jeweils dienstags, 18.30 – 20.00 Uhr<br />
10.01.2012, 14.02.2012, 13.03.2012<br />
Günter Saure<br />
Jeweils montags, 18.30 – 20.00 Uhr<br />
16.01.2012, 27.02.2012, 12.03.2012<br />
Große <strong>Hospiz</strong>kurse:<br />
Kurs 1/2012: Start 17.02.2012<br />
Kurs 2/2012: Termin wird noch bekannt gegeben<br />
Patientenverfügungsseminar<br />
17. März 2012, 9.00 – 18.00 Uhr