RA 04/2025 - Entscheidung des Monats
Der BGH befasst sich im vorliegenden Beschluss mit der bei Raub, § 249 I StGB, und räuberischer Erpressung, §§ 253 I, 255 StGB, erforderlichen Verknüpfung von Nötigungsmittel und Wegnahme (sog. Finalzusammenhang).
Der BGH befasst sich im vorliegenden Beschluss mit der bei Raub, § 249 I StGB, und räuberischer Erpressung, §§ 253 I, 255 StGB, erforderlichen Verknüpfung von Nötigungsmittel und Wegnahme (sog. Finalzusammenhang).
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RA 04/2025
Strafrecht
217
Problem: Finalzusammenhang bei Raub und Erpressung
Einordnung: Strafrecht BT II / Raub und räuberische Erpressung
BGH, Beschluss vom 11.09.2024
2 StR 139/24
EINLEITUNG
Der BGH befasst sich im vorliegenden Beschluss mit der bei Raub, § 249 I StGB,
und räuberischer Erpressung, §§ 253 I, 255 StGB, erforderlichen Verknüpfung
von Nötigungsmittel und Wegnahme (sog. Finalzusammenhang).
SACHVERHALT
Der Angeklagte A betrat auf der Suche nach Geld oder anderen stehlenswerten
Gegenständen am Morgen des 26.01.2023 durch die unverschlossene Tür das
zu diesem Zeitpunkt noch nicht geöffnete Restaurant des R. Dabei war er auch
bereit, im Restaurant anwesenden Personen Bargeld oder andere Wertgegenstände
wegzunehmen oder diese gewaltsam zur Herausgabe solcher Gegenstände
zu veranlassen. Im Restaurant durchsuchte A zunächst erfolglos den
Gastraum, bevor er sich in Richtung der Sanitärräume begab, wo er auf die als
Reinigungskraft tätige Geschädigte G traf. Er forderte diese auf, ihm ihr Geld
auszuhändigen, und schlug ihr, um seine Forderung zu unterstreichen, mit
der flachen Hand ins Gesicht. Nachdem G – ohne dass es zu einer Herausgabe
von Geld gekommen wäre – die Flucht gelungen war, verließ A das Restaurant
durch den Gastraum. Dort entdeckte er auf dem Tresen ein zum Inventar des
Restaurants gehörendes Mobiltelefon im Wert von 400 €, das er an sich nahm.
LEITSÄTZE DER REDAKTION
1. Der Tatbestand des Raubes, § 249
I StGB, setzt eine Verknüpfung
zwischen der Nötigungs- und
der Wegnahmehandlung in der
Weise voraus, dass der Täter das
Nötigungsmittel gerade deshalb
anwendet, um die Wegnahme zu
ermöglichen oder zu erleichtern
(sog. Finalzusammenhang).
2. Auch der Tatbestand der räuberischen
Erpressung, §§ 253 I, 255
StGB, setzt einen vergleichbaren
Finalzusammenhang zwischen
dem Nötigungsmittel und der
Opferreaktion voraus.
Hat A sich wegen der Begehung von Verbrechen strafbar gemacht?
[Anm.: §§ 239a, 239b StGB sind nicht zu prüfen.]
PRÜFUNGSSCHEMA: RAUB, § 249 I StGB
A. Tatbestand
I. Qualifiziertes Nötigungsmittel
II. Fremde bewegliche Sache
III. Wegnahme
IV. Vorsatz bzgl. I. bis III.
V. Finalzusammenhang
VI. Absicht rechtswidriger Zueignung
B. Rechtswidrigkeit und Schuld
LÖSUNG
A. Strafbarkeit gem. § 249 I StGB
Dadurch, dass A die G schlug und das Mobiltelefon mitnahm, könnte er sich
wegen Raubes gem. § 249 I StGB strafbar gemacht haben.
I. Tatbestand
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218 Strafrecht RA 04/2025
1. Qualifiziertes Nötigungsmittel
A hat G geschlagen. Er hat also Gewalt gegen eine Person und somit ein
qualifiziertes Nötigungsmittel angewendet.
Sache ist jeder körperliche Gegenstand.
Beweglich ist eine Sache, die fortgeschafft
werden kann.
Fremd ist eine Sache, die zumindest
auch im Eigentum einer anderen
Person steht.
Exklusivitätstheorie: Schönke/
Schröder, StGB, § 253 Rn 3, 8
Spezialitätstheorie: BGH, Beschluss
vom 24.04.2018, 5 StR 606/17, RA 2018,
557; Beschluss vom 18.08.2011,
3 StR 251/11
Vgl. zu diesem Streit Schumacher/
Schweinberger, JURA INTENSIV,
Strafrecht BT I, Rn 424 ff.
2. Fremde bewegliche Sache
Das im Eigentum des R stehende Mobiltelefon stellt für A eine fremde bewegliche
Sache dar.
3. Wegnahme
A müsste das Mobiltelefon weggenommen, d.h. fremden Gewahrsam daran
gebrochen und neuen, nicht unbedingt tätereigenen, Gewahrsam begründet
haben. Solange das Telefon im Restaurant des R, also in dessen Gewahrsamssphäre
lag, hatte dieser Gewahrsam daran; es bestand also ursprünglich fremder
Gewahrsam. Durch das Mitnehmen hat A auch neuen Gewahrsam begründet.
Fraglich ist, wie das Vorliegen eines Gewahrsamsbruchs bei § 249 I StGB zu
prüfen ist.
Die sog. Exklusivitäts- oder Verfügungstheorie verlangt als Opferreaktion
bei den Erpressungsdelikten – aufgrund der strukturellen Verwandtschaft
dieser Delikte zu § 263 I StGB – ebenso wie beim Betrug eine Vermögensverfügung
des Opfers. Da der Raub – ebenso wie § 242 I StGB – eine Wegnahme
des Täters voraussetzt, stehen nach dieser Meinung Raub und räuberische
Erpressung in einem Exklusivitätsverhältnis (ebenso wie die §§ 242 I, 263 I
StGB) und die Abgrenzung ist bei beiden Deliktspaaren nach der inneren Willensrichtung
des Opfers vorzunehmen. Eine Wegnahme i.S.v. § 249 I StGB liege
dann vor, wenn das Opfer seine Mitwirkung nicht für erforderlich halte. Nach
der sog. Spezialitätstheorie genügt als Opferreaktion bei den Erpressungsdelikten
– dem Wortlaut des § 253 I StGB entsprechend – jedes Tun, Dulden
oder Unterlassen. Damit stelle § 249 I StGB nur einen Spezialfall der §§ 253 I,
255 StGB dar und das Vorliegen einer Wegnahme sei hier nach dem äußeren
Erscheinungsbild zu prüfen.
Weder R noch G waren in dem Moment anwesend, in dem A das Mobiltelefon
mitnahm, sodass beide ihre Mitwirkung nicht für erforderlich halten konnten.
Auch vom äußeren Erscheinungsbild ist ein Nehmen des A gegeben, sodass
nach beiden Meinungen ein Gewahrsamsbruch und somit eine Wegnahme
i.S.v. § 249 I StGB vorliegt.
4. Vorsatz bzgl. 1. bis 3.
A handelte mit Vorsatz bzgl. der objektiven Tatumstände.
Der Finalzusammenhang beim
Raub ist dann gegeben, wenn der
Täter das qualifizierte Nötigungsmittel
einsetzt, um die Wegnahme
zu ermöglichen oder zu erleichtern.
5. Finalzusammenhang
Es müsste auch der Finalzusammenhang gegeben sein.
„[4] […] Zwar ermöglichte die Flucht der Geschädigten dem Angeklagten,
das im Gastraum des Restaurants liegende Mobiltelefon an sich zu nehmen.
Allerdings belegen die Feststellungen der Strafkammer nicht, dass die
Gewaltanwendung des Angeklagten gegenüber der Geschädigten (auch)
der erstrebten Überlassung des zum Inventar des Restaurants gehörenden
Mobiltelefons diente. Der Angeklagte wollte die Geschädigte vielmehr zur
Herausgabe von Bargeld nötigen, was ihm jedoch durch deren Flucht misslang.
Den konkreten Tatentschluss zur Wegnahme des sich im Gastraum
befindlichen Mobiltelefons fasste der Angeklagte erst nach der Flucht der
Geschädigten, sodass es […] an der notwendigen Verknüpfung zwischen
Raubmittel und Wegnahme fehlt.“
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RA 04/2025
Strafrecht
219
II. Ergebnis
A ist nicht strafbar gem. § 249 I StGB.
B. Strafbarkeit gem. §§ 253 I, 255 StGB
Durch die Schläge und das Mitnehmen des Mobiltelefons könnte A sich aber
wegen räuberischer Erpressung gem. §§ 253 I, 255 StGB strafbar gemacht
haben.
Allerdings setzt auch die räuberische Erpressung einen vergleichbaren Finalzusammenhang
zwischen dem Nötigungsmittel und der Opferreaktion
voraus, der hier – wie aufgezeigt – fehlt:
„[4] b) Diese Feststellungen des Landgerichts tragen den Schuldspruch
wegen räuberischer Erpressung nicht. […] Den konkreten Tatentschluss
zur Wegnahme des […] Mobiltelefons fasste der Angeklagte erst nach der
Flucht der Geschädigten, sodass es […] an der notwendigen Verknüpfung
zwischen Raubmittel und Wegnahme fehlt.“
Die in den Tatbeständen der §§ 249 I,
252, 255 StGB erforderlichen qualifizierten
Nötigungsmittel werden
auch „Raubmittel“ genannt.
Somit scheidet auch eine Strafbarkeit des A gem. §§ 253 I, 255 StGB aus.
C. Strafbarkeit gem. §§ 249 I, 22, 23 I StGB
Dadurch, dass A die G schlug, um sich ihr Bargeld zu verschaffen, könnte A
sich aber wegen versuchten Raubes gem. §§ 249 I, 22, 23 I StGB strafbar
gemacht haben.
I. Vorprüfung
Da es nicht zur Wegnahme des Geldes gekommen ist, ist keine Strafbarkeit
wegen vollendeter Tat gegeben. Die Versuchsstrafbarkeit ergibt sich aus
§§ 249 I, 12 I, 23 I StGB.
II. Tatentschluss
A hat sich vorgestellt, Gewalt gegen G anzuwenden, hatte also Tatentschluss
zur Anwendung eines qualifizierten Nötigungsmittels.
A wusste, dass es sich bei den Geldscheinen der G, die er erlangen wollte, um
fremde bewegliche Sachen handelte, hatte also auch Tatentschluss bzgl.
eines tauglichen Tatobjekts.
A müsste auch Tatentschluss bzgl. der Wegnahme der Geldscheine gehabt
haben.
A hatte sich vorgestellt, dass G ihm das Geld geben würde, hat sich also kein
Geschehen vorgestellt, dass vom äußeren Erscheinungsbild her ein „Nehmen“
darstellen würde, sodass nach der Spezialitätstheorie kein Tatentschluss bzgl.
einer Wegnahme vorlag. Allerdings ist davon auszugehen, dass A glaubte, dass
G aufgrund seiner körperlichen Überlegenheit und offensichtlichen Gewaltbereitschaft
davon ausging, dass A ihr das Geld, das sie bei sich trug, auch ohne
ihr Mitwirken abnehmen könnte. A dachte also nicht, dass G ihre Mitwirkung
für erforderlich halten würde und hatte nach der Exklusivitätstheorie somit
keinen Tatentschluss bzgl. einer Wegnahme.
Die Exklusivitätstheorie übersieht, dass der Vermögensverfügung, die sie für
die Erpressungsdelikte fordert, stets eine Freiwilligkeit immanent ist, die bei
bewussten Selbstschädigungsdelikten wie §§ 253; 255 StGB nicht gegeben
sein kann. Außerdem kann die Verfügungstheorie bei Anwendung von vis
absoluta zu Strafbarkeitslücken führen, wenn (z.B. wegen der fehlenden
Zueignungsabsicht) keine Strafbarkeit wegen Raubes vorliegt. Der Spezialitätstheorie
ist zu folgen. A hat keinen Tatentschluss bzgl. einer Wegnahme.
Tatentschluss ist der Wille zur Verwirklichung
der objektiven Tatumstände
bei gleichzeitigem Vorliegen
eventuell erforderlicher besonderer
subjektiver Tatbestandsmerkmale.
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220 Strafrecht RA 04/2025
III. Ergebnis
A ist nicht strafbar gem. §§ 249 I, 22, 23 I StGB.
D. Strafbarkeit gem. §§ 253 I, 255, 22, 23 I StGB
Durch die Schläge könnte A sich aber wegen versuchter räuberischer
Erpressung gem. §§ 253 I, 255, 22, 23 I StGB strafbar gemacht haben.
I. Vorprüfung
G hat ihr Geld nicht verloren, sodass kein Vermögensnachteil eingetreten
und di räuberische Erpressung somit nicht vollendet ist. Die Versuchsstrafbarkeit
ergibt sich aus §§ 255, 249 I, 12 I, 23 I StGB.
II. Tatentschluss
A hatte Tatentschluss zur Anwendung eines qualifizierten Nötigungsmittels
in Form von Personengewalt (s.o.).
A hatte sich auch vorgestellt, dass G ihm ihr Bargeld aushändigen würde, hat
sich also ein Handeln des Opfers vorgestellt und hatte deshalb Tatentschluss
bzgl. einer (nach der Spezialitätstheorie) tatbestandlichen Opferreaktion.
A ging nicht davon aus, dass G für die Übergabe des Geldes ein Äquivalent
erhalten würde, hatte also Tatentschluss bzgl. eines Vermögensnachteils.
A hatte auch Tatentschluss bzgl. der für die räuberische Erpressung erforderlichen
durchgehenden Kausalität.
A hatte Gewalt angewendet, um G zur Herausgabe des Geldes zu bewegen,
sodass der Finalzusammenhang vorliegt.
A hatte die Absicht, sich Besitz und Gewahrsam an dem Geld der G zu verschaffen,
hatte also Bereicherungsabsicht.
A wusste, dass er keinen Anspruch auf das Geld hatte und die beabsichtigte
Bereicherung die Kehrseite des Schadens bei G darstellte, hatte also auch
Tatentschluss bzgl. der Rechtswidrigkeit und Stoffgleichheit der beabsichtigten
Bereicherung.
III. Unmittelbares Ansetzen, § 22 StGB
A hat auch durch die Gewaltanwendung gem. § 22 StGB unmittelbar zur Verwirklichung
des Tatbestandes angesetzt.
IV. Rechtswidrigkeit und Schuld
A handelte rechtswidrig und schuldhaft.
V. Kein Rücktritt gem. § 24 StGB
Anhaltspunkte für einen Rücktritt des A gem. § 24 StGB sind nicht ersichtlich.
VI. Ergebnis
A ist strafbar gem. §§ 253 I, 255, 22, 23 I StGB.
BGH, Beschluss vom 20.09.2016,
3 StR 174/16, RA 2016, 661; Fischer,
StGB, § 253 Rn 18a; Schönke/
Schröder, StGB, § 255 Rn 2
FAZIT
Den beim Raub erforderlichen Finalzusammenhang verlangt der BGH in
nunmehr ständiger Rechtsprechung auch bei den Erpressungsdelikten. Die
herrschende Literatur scheint dem mittlerweile auch zuzustimmen.
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