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SPEZIAL
CLICKCINEMA
CLICK SPEZIAL
3 Persönlichkeiten
3 Begegnungen
Das eMagazin für Kino, Film & Streaming
GRÜEZI
«Drei Persönlichkeiten, drei
wichtige Menschen in der
Schweizer Filmlandschaft,
drei Begegnungen. Unser
CLICK SPEZIAL, rechtzeitig
zur Eröffnung der 56.
Ausgabe des Visions du
Réel.» - Felix Schenker
Cover: Filmstill aus BLAME von Christian Frei, der Film eröffnet die 56. Ausgabe des Visions du Réel
Zürich: 29.4. — 8.5.25
Frauenfeld: 9.5. — 11.5.25
–
arttv Medienpartnerschaft
VVK: 17.4.2025
– Filme aufsaugen!
pinkapple.ch
FILM SZENE
INTERVIEW
«Die dominierenden
Themen in diesem Jahr
bleiben Familie, Migration
und Konflikte»
Interview
EMILIE BUJÈS
Emilie Bujès, seit acht
Jahren an der Spitze von
Visions du Réel, über die
Highlights und
Ambitionen der aktuellen
Festivalausgabe
Seit 1969 präsentiert Visions du Réel kühne und
einzigartige Filme, die von vergangenen,
gegenwärtigen oder zukünftigen Wirklichkeiten
berichten. Zehn Tage lang ist Nyon Treffpunkt
für Generationen von Filmschaffenden und
Künstler:innen aus der ganzen Welt. Die
meisten Filme werden als Weltpremiere gezeigt.
Ondine Perier traf die künstlerische Leiterin des
Festivals, Emilie Bujès zum Gespräch. Dabei
verriet sie u.a., welche Filme besonders für ein
junges Publikum interessant sind.
Wie fühlen Sie sich drei Tage vor der Eröffnung?
Gut! Wir befinden uns in der Endphase der Vorbereitungen und verspüren
eine grosse Aufregung. Diese Ausgabe, an der wir monatelang gearbeitet
haben, bietet ein reichhaltiges und abwechslungsreiches Programm, das sein
Publikum finden dürfte!
War die Wahl von Christian Freis BLAME als Eröffnungsfilm der 56.
Ausgabe eine gemeinsame Entscheidung?
Ja, wir haben den Film gemeinsam ausgewählt. Diese Entscheidung ist Teil
unseres Bestrebens, ein breites Publikum anzuziehen, darunter auch
Zuschauer:innen, die nur wegen dieser Art von populären Filmen kommen.
Im letzten Jahr gab es einen Besucherrekord mit über 50 000 Eintritten.
Rechnen Sie auch in diesem Jahr mit einen Ansturm dieser
Grössenordnung?
Wir möchten diesen Rekord nochmals übertreffen, das ist eines unserer Ziele
für dieses Geschäftsjahr. Wobei uns bewusst ist, dass wir von den Launen des
Wetters abhängig sind.
Wer ist Ihre Zielgruppe?
Wir haben den Ehrgeiz, mit einem abwechslungsreichen Programm und einer
erneuerten grafischen Identität ein breites Publikum, insbesondere junge
Menschen, anzuziehen. Aber wir möchten auch unser treues Publikum
erreichen, das seit Jahren kommt und halt etwas älter ist. Die Anzahl der
Filme macht es un leicht, ein vielfältiges Publikum anzusprechen.
Welche der Film sprechen besondere ein jüngeres Publikum an?
Dazu gehören u. a. LA VRAIE VIE, eine Serie, die in der Art eines Videospiels
gedreht wurde, NIÑXS, ein ziemlich «poppiger» Dokumentarfilm über ein
Trans-Mädchen in Mexiko, oder 67 MILLISECONDES, der anhand von
Aufnahmen von Überwachungskameras die Legitimität von Polizeieinsätzen
in Frankreich hinterfragt. Auch die Sektion «Opening Scenes», die den
Erstlingskurzfilmen gewidmet ist, bleibt eine Fundgrube für Entdeckungen,
ebenso wie der Internationale Wettbewerb für Mittel- und Kurzfilme oder der
Wettbewerb «Burning Lights».
Gibt es bestimmte Lebensbereiche, die sich aus dem Programm
besonders herauskristallisieren?
Die dominierenden Themen in diesem Jahr bleiben Familie, Migration und
Konflikte. Es ist auch ein verstärktes Interesse an der Wissenschaft und dem
Thema Natur zu beobachten, das auf sinnliche, sensorische Weise
angegangen wird. Viele Filme verankern sich stark in Landschaften oder
beobachten sogar Bäume und ihre Beschaffenheit, was von einem
wachsenden Umweltbewusstsein zeugt.
Welchen Einfluss hat das Festival Visions du Réel auf den weiteren
Vertrieb ausgezeichneter Filme?
Das Visions du Réel leisten vor allem einen wichtigen Beitrag dazu, dass Filme
wie THE LANDSCAPE AND THE FURY, der im letzten Jahr ausgezeichnet
wurde und diesen Mai in der Schweiz in die Kinos kommt, ins Rampenlicht
gerückt werden. Eine solche Auszeichnung erleichtert es dem Film, auf
Festivals und in den Medien aufzutreten, und trägt zu seiner internationalen
Ausstrahlung bei. In diesem Fall handelt es sich um einen grossartigen Film,
an dessen Entwicklung wir gerne beteiligt waren.
Ausserdem haben wir ein Programm mit dem Titel Visions du Réel on Tour,
dessen Ziel es ist, die Kinostarts von Filmen zu begleiten, die am Festival zu
sehen waren und das ganze Jahr zeigen wir Filme aus dem Programm im
Cinémas Capitole in Nyon.
Wie stark ist die Deutschschweiz am Festival beteiligt? Gibt es
Besucherzahlen zum deutschsprachigen Publikum?
Ja, sie lag im letzten Jahr bei 11%. Die Medienberichterstattung in der
Deutschschweiz liegt bei etwa 200 Inhalten gegenüber 400 in der Romandie,
was nicht wenig ist! Die Bedeutung der Deutschschweiz wird dieses Jahr mit
der Eröffnung des Festivals durch einen schweizerdeutschen Film
unterstrichen. Die Bedeutung der Deutschschweiz wird in diesem Jahr mit der
Eröffnung des Festivals durch einen schweizerdeutschen Film unterstrichen.
Diese starke Geste soll mehr deutschsprachige Presse und Zuschauer
anziehen und die starke Verankerung des Festivals in der Schweiz, nicht nur in
der Romandie, zeigen. Das Online-Angebot erweitert die Möglichkeiten, die
Filme aus der Ferne anzusehen.
Haben Sie auch an die Zugänglichkeit für das Deutschschweizer Publikum
in Bezug auf die Logistik gedacht?
Durchaus, es wurden Anpassungen vorgenommen, wie etwa die Verlegung
der Masterclasses auf den frühen Nachmittag, damit die Zuschauer aus der
Deutschschweiz mit dem Zug anreisen und im Laufe des Tages wieder
abreisen können. Ausserdem gibt es das Programm VdR at School, das sich an
Lehrpersonen richtet, auf Deutsch mit untertitelten Filmen und angepassten
pädagogischen Arbeitsblättern.
Gibt es unter den 57 Ländern, die in diesem Jahr vertreten sind, Gebiete,
in denen es schwieriger ist, Filmrechte zu erhalten?
Das ist weniger ein Problem der Rechte als vielmehr ein Problem der
Produktion. In einigen Ländern ist es schwieriger, Filme zu produzieren, was
ihre Präsenz auf dem Festival einschränkt. Beispielsweise sind in diesem Jahr
ein vietnamesischer Film und ein Film aus Myanmar im Programm, was eher
seltener vorkommt. Umgekehrt ist es manchmal komplizierter, Weltpremieren
von z. B. amerikanischen Filmen zu bekommen, weil die Festivals miteinander
konkurrieren.
Sie stehen seit acht Jahren an der Spitze des Festivals. Was waren die
wichtigsten Entwicklungen von Visions du Réel in dieser Zeit?
Es hat sich viel verändert, vor allem die Ausweitung des digitalen Bereichs, der
ein jüngeres Publikum anzieht und die visuelle Kommunikation des Festivals
verbessert hat. Auch die Öffnung für ein junges Publikum wurde verstärkt, und
die Gäste sind nun internationaler und hybrid in ihrer Praxis zwischen Spielund
Dokumentarfilm. Inklusivität ist ebenfalls ein zentraler Punkt, mit audiodeskriptiven
Vorführungen, Masterclasses, die in Gebärdensprache übersetzt
werden, und einem besonderen Augenmerk auf die Zugänglichkeit der Inhalte
für alle Zuschauer:innen.
Gibt es dieses Jahr auch neue Angebote?
Ja, insbesondere eine Erhöhung der Anzahl der Workshops für Kinder, die sich
beispielsweise mit bewegten Bildern und Ton beschäftigen. Wir haben die
kürzlich eingeführte Initiative zur Beantragung einer niedrigeren Altersfreigabe
für bestimmte Filme fortgesetzt und noch ausgeweitet, um Familien die
Möglichkeit zu geben, diese Filme gemeinsam zu entdecken. Denn ein Film,
der auf einem Festival als Weltpremiere gezeigt wird, erhält automatisch das
gesetzliche Mindestalter von 16 Jahren. Wir treffen also eine Auswahl von
Filmen, die wir für ein jüngeres Publikum für geeignet halten, und schicken sie
an die Kommission, die für die Zuweisung des Alters zuständig ist.
Und wurden in Bezug auf die Infrastruktur Verbesserungen
vorgenommen?
Ja, jedes Jahr werden Änderungen vorgenommen, um die
Vorführbedingungen zu verbessern. In diesem Jahr profitiert der grosse Saal
des Festivals von neuen Bänken und einer besseren Neigung, die mehr
Komfort und eine bessere Lesbarkeit der Untertitel bieten. Bereits im letzten
Jahr war eine neue Projektionskiste hinzugefügt worden, um das Seherlebnis
in einem anderen Saal zu optimieren.
Emilie, alles Gute für die 56. Ausgabe!
Vielen Dank und wir freuen uns darauf, Sie in Nyon begrüssen zu dürfen!
Das Visions du Réel ist eines der
bedeutendsten und international
angesehensten Filmfestivals für
Dokumentarfilm. Seit seiner Gründung
1969 präsentiert es kühne und
einzigartige Filmprojekte, die von
vergangenen, gegenwärtigen oder
zukünftigen Realitäten durchdrungen
sind. Zehn Tage lang wird Nyon zum
Treffpunkt von Generationen von
Filmschaffenden und Künstler:innen,
die hier ein treues Publikum für ihre
filmischen Entdeckungsreisen finden.
Mehrere Berichte dazu finden Sie auf
unserer Website in unserem Spezial-
Dossier.
Das Festival Visions du Réel findet
vom 4. bis 13. April 2025 in Nyon
statt. |
FILM SZENE
INTERVIEW
«Wenn nichts mehr
wahr ist, wird alles
möglich»
Portrait
CHRISTIAN FREI
Ein Portrait über einen
Kosmopoliten, der mit
seinen Filmen seit 30
Jahren die Welt
erkundet und mit
BLAME das diesjährige
VdR eröffnet
Christian Frei ist einer der international
bekanntesten Schweizer Dokumentarfilmer und
wie kaum ein anderer einheimischer
Filmschaffender ein Kosmopolit, was die Wahl
von Themen und Protagonisten seiner
Kinofilme betrifft. Das gilt auch für seinen
neuesten, siebten Film BLAME, mit dessen
Weltpremiere am 4. April 2025 die 56.
Ausgabe des Filmfestivals Visions du Réel in
Nyon eröffnet wird. Geri Krebs hat den
Regisseur im Vorfeld des Festivals getroffen.
Kriegs- und Krisengebiete
Seit drei Jahrzehnten hat der 1959 im Kanton Solothurn geborene Regisseur
und Produzent in weit entfernten Weltgegenden gedreht. Dabei ist er
oftmals an Orte gereist, bei denen man sich als Zuschauer fragen musste, wie
man da überhaupt hingelangen – und dort dann erst auch noch mit einem
Filmteam tätig sein kann. War in seinem ersten langen Kinodokumentarfilm
RICARDO, MIRIAM Y FIDEL aus dem Jahr 1996 der Schauplatz Kuba noch
vergleichsweise leicht erreichbar, so reiste er für seinen nächsten
Kinodokumentarfilm WAR PHOTOGRAPHER (2001) gemeinsam mit seinem
Protagonisten, dem Fotografen James Nachtwey, in einige der damals
brennendsten Kriegs- und Krisengebiete auf mehreren Kontinenten, wie etwa
Westbank, Indonesien oder Kosovo.
Oscar-Nominierung und Geheimdienst
Der internationale Erfolg dieses Films, der Christian Frei als bisher einzigem
Schweizer Dokumentarfilmer gar eine Oscar-Nominierung einbrachte, war
wohl mit ein Grund dafür, dass er für seine nächsten beiden Kinofilme, THE
GIANT BUDDHAS (2005) und SPACE TOURISTS (2009) sich mit Afghanistan
und der Steppe Kasachstans in weitere unzugängliche Locations wagen
konnte. Was die Vorbereitungen zum Dreh von SPACE TOURISTS betrifft –
der grösstenteils in der «closed area» im und um den sowjetischen
Weltraumbahnhof Baikonur und in der Internationalen Raumstation ISS spielt
– erzählt Christian Frei lachend: «Ich habe damals mit den russischen
Geheimdienstleuten Kaffee getrunken und konnte sie dabei von meiner
Harmlosigkeit überzeugen.» Bei Christian Freis gewinnender Art, gepaart mit
einem grossen Selbstbewusstsein und einer Neugier, sich dem Gegenüber
stets offen und wertungsfrei zu begegnen, braucht man keinen Moment lang
am Wahrheitsgehalt einer derartigen Begebenheit zu zweifeln. Zum
Selbstbewusstsein des Regisseurs passt auch, dass er seit seinem «Kuba-
Film» von 1996 alle seine Kinofilme erfolgreich selber produziert hat – mit
seiner Christian Frei Filmproductions GmbH. «Ja, ich würde mir nicht gerne
in meine Projekte reinreden lassen», gibt er unumwunden zu und meint
dann: «Ausserdem würde ich wohl so manchen aussenstehenden
Produzenten damit verrückt machen, dass ich oft jahrelang an einer Idee für
einen neuen Film arbeite, mir immer sehr viel Zeit lasse, um ein gewähltes
Thema zu vertiefen.» Er sei nicht einer, der irgendwelchen Themen und
Trends hinterherrenne, sagt er.
BLAME und die Spiele der Medien
Das gilt ganz besonders auch für seinen neuen Film, BLAME, der den
Untertitel trägt «Fledermäuse, Politik und ein aus dem Gleichgewicht
geratener Planet». Natürlich ist der Untertitel in Wirklichkeit ebenso englisch
wie der Haupttitel. Christian Frei als so kosmopolitisch tätiger Filmemacher
betont in einem Moment des Gesprächs, – das in seinem Studio in einem
Industriegebäude des Zürcher Binz Quartiers stattfindet – dass in diesen
Räumlichkeiten ohnehin fast mehr englisch gesprochen werde als Deutsch.
Bei der «Schuld» oder dem «Beschuldigen», was der Haupttitel besagt, geht
es wesentlich um die Frage nach der Ursache von COVID-19, aber auch um
den Ursprung einer Kultur des Schürens von Misstrauen. Dass er keiner sei,
der mit seinen Filmen Aktualitäten hinterherrennt, ist bei Christian Frei
offensichtlich, doch ebenso offensichtlich ist, dass er gleichzeitig ein gutes
Gespür für brennende Themen hat. Just zum Zeitpunkt der Weltpremiere von
BLAME jährt sich nicht nur der weltweite, durch die Pandemie ausgelöste
Lockdown zum fünften Mal, sondern auch die Frage, ob das COVID-19-Virus
nun durch einen Laborunfall in Wuhan oder doch durch die Übertragung von
Fledermäusen auf andere Tiere und von dort auf den Menschen verursacht
wurde, hat in den letzten Wochen medial wieder für einigen Wirbel gesorgt.
Nachdenken über Wissenschaft, Politik und Medien
Während fast fünf Jahren, schon kurz vor dem Beginn des Lockdown, hat
Christian Frei damit begonnen, sich mit der wörtlich weltbewegenden Frage
um den Ursprung des Virus auseinanderzusetzen. Dabei habe er sich aber
stets bemüht, eine, wie er es nennt «gesunde Zurückhaltung gegenüber dem
Virus der Aufregungsbewirtschaftung» zu entwickeln. Er las sehr viel und
reiste dann schon bald nach dem Ende des Lockdown auch nach Thailand,
den USA, Singapur und China, knüpfte dort Kontakte mit Forschenden, die
sich schon seit dem ersten SARS-Ausbruch von 2003 mit der ersten Variante
des Coronavirus befasst hatten. Dabei geht es Christian Frei primär um ein
kritisches Nachdenken über Wissenschaft, Politik und Medien, etwas, das
auch all seine früheren Filme kennzeichnet.
Faktor Trump
Im Gespräch kommt er dann auch noch einmal auf seinen ersten Film,
RICARDO, MIRIAM Y FIDEL zurück. Dabei betont er, wie damals, nach dem
Zusammenbruch des real existierenden Sozialismus und Kuba als einem
letzten Relikt dieses Systems, ein ähnlicher Epochenwandel stattgefunden
habe wie heute. Vor dreissig Jahren schrieb er über die Protagonistin jenes
Films:«Meine Protagonistin Miriam formuliert im Film die Notwendigkeit,
Informationen zu erhalten und sich eine eigene Meinung bilden zu können.
Sie kritisiert zu Recht, dass es in
Kuba keinen öffentlichen
Diskurs gebe. Doch dann
flüchtet sie aus einem
«Zensurland» in ein Land der
Medienüberflutung und der
Medienhysterie. Sie flüchtet aus
einem «Mangelland» in ein
«Zuvielland.» Etwas Ähnliches
sei auch heute wieder der Fall,
sagt Frei und wirkt echt besorgt
wenn er hinzufügt, man müsse
sich doch nur ansehen, was für
Leute heute vielerorts an Macht
gewinnen. Im Hinblick auf
BLAME bringt er es dann so auf
den Punkt: «Die Ängste und die
Unsicherheit, die das
unsichtbare Virus in uns allen
auslöste, die hitzigen Diskussionen um Massnahmen und Impfungen sowie
fünf Jahre der Bewirtschaftung von Spekulationen und fiebrigen
Verschwörungstheorien rund um den Ursprung von COVID und das dauernd
und bewusst geschürte Misstrauen in Experten und Eliten: Sie sind ein
wesentlicher Faktor, dass Trump wiedergewählt wurde und jetzt das
Fundament unserer Werteordnung untergräbt – und nach dem Motto regiert:
Wenn nichts mehr wahr ist, wird alles möglich».
CHRISTIAN FREI
Der Schweizer Filmautor, Filmregisseur und Filmproduzent wurde 1959 in
Schönenwerd im Kanton Solothurn geboren. Im Jahr 1984 gründete er
seine eigene Firma «Christian Frei Filmproduktionen GmbH». Seither
produziert er alle seine Filme selber. WAR PHOTOGRAPHER brachte ihm
2001 eine Oscar-Nominierung ein. Von 2006 bis 2023 war Christian Frei
Lehrbeauftragter für Reflexionskompetenz an der Universität St. Gallen,
von 2006 bis 2009 Präsident des Begutachtungsausschusses
«Dokumentarfilm» des Bundesamtes für Kultur. Von 2010 bis 2022
amtierte er als Präsident der Schweizer Filmakademie. Christian Frei lebt
und arbeitet in Zürich.
FILMOGRAFIE
DIE STELLVERTRETERIN (1981)
FORTFAHREN (1982)
DER RADWECHSEL (1984)
RICARDO, MIRIAM Y FIDEL (1997)
KLUGE KÖPFE (1998)
SM REEL
BOLLYWOOD IM ALPENRAUSCH
– INDISCHE FILMEMACHER EROBERN DIE SCHWEIZ (2000)
WAR PHOTOGRAPHER (2001)
IM TAL DER GROSSEN BUDDHAS (Originaltitel The Giant Buddhas) (2005)
SPACE TOURISTS (2009)
SLEEPLESS IN NEW YORK (2014)
HEIDI BEIM GERÄUSCHEMACHER (2016)
GENESIS 2.0 (2018), Co-Regie Maxim Arbugaev
BLAME am Filmfestival Visions du
Réel: Fr., 4. April, 19.30 Uhr, Théâtre de
Marens und 20.30 Uhr, Grande Salle |
Sa.,12.April 13.30 Uhr, Théâtre de
Marens
FILM SZENE
INTERVIEW
Der renommierte
Schweizer Filmproduzent
und Drehbuchautor steht
für Kinofilme wie DER
KREIS oder die
Erfolgsserie DAVOS.
Interview
IVAN MADEO
Der Golden Apple
2025 geht an Ivan
Madeo
Der mit 3000 Franken dotierte Preis
des Filmfestivals Pink Apple wird Ivan
Madeo am 1. Mai 2025 im Zürcher
Filmpodium übergeben. Tags darauf
wird er im Rahmen des diesjährigen
Fokus zum queeren Filmschaffen in der
Schweiz über seine Rolle als einer der
engagierten Produzenten mit queeren
Filmen sprechen. Das diesjährige Pink
Apple Filmfestivals zeigt in
Anwesenheit des Preisträgers mehrere
seiner von ihm produzierten Filme.
Doris Senn hat den Berner zum
Interview getroffen.
Sie sind zurzeit auf vielen roten Teppichen zu sehen: Die Produktionen von
Contrast Film feiern Erfolge im In- und Ausland – jüngst auch mit
LANDESVERRÄTER an den Schweizer Filmpreisen. Wie viele Stunden hat
Ihr Tag?
Es sind lange Tage, in der Tat! Und wenn ich auf die letzten Jahre zurückblicke,
wurde die Arbeitslast eher mehr als weniger. Auch wenn ich ständig hoffe,
dass es sich vielleicht mal einpegelt. Aber solange die Arbeit Spass macht und
als Lebensplan funktioniert, führe ich die Rechnung mit den Stunden nicht so
genau.
Contrast Film wurde 2009 gegründet und begann die Arbeit 2012. Was
hat es mit dem Namen auf sich?
Urs Frey und ich arbeiteten damals in der Werbung, wollten aber weg von der
schnelllebigen Branche und gründeten die Firma Contrast, um zum Film zu
gehen, von dem wir immer geträumt hatten. Zum einen nimmt der Name
«Contrast» diese Wende in unserem Leben auf – zum andern verstanden wir
uns auch als «Kontrastprogramm» zum damaligen Filmschaffen in der Schweiz,
nicht zuletzt mit dem Wunsch, einen «anderen» Schweizer Film zu schaffen.
Der eigentliche Anfang war dann der Drehbeginn für DER KREIS.
Euer erster Langfilm und auf Anhieb ein internationaler Erfolg! Wie
schwierig war es, den Film über ein Schwulenpaar und die Geschichte der
Akzeptanz von Homosexualität in der Schweiz als Dokufiction zu
produzieren?
Es war sehr schwierig! Und es brauchte viele Anläufe und Konzepte – bis wir
fast nicht mehr an seine Realisierung glaubten. Wir versuchten es als
internationale Koproduktion, aber Deutschland gab kein Geld. Wir versuchten
es als reiner Spielfilm – und erhielten weder Geld vom Bundesamt für Kultur
noch vom Schweizer Fernsehen. Doch das Thema lag uns am Herzen – auch
wenn wir mit dem Kopf durch die Wand müssten. Inspiriert von der Miniserie
DIE MANNS, ein Dokudrama, das als Ganzes den Spannungsbogen eines
Spielfilms hat, kamen wir auf die Mischform für den KREIS: mit einem
fiktionalen Atem, aber auch dokumentarischen Szenen. Aus der Verschränkung
der beiden Ebenen entstand die Magie, die den Film auszeichnet. Tränen in
Röbis Augen oder ein Blinzeln im Blick von Ernst, während sie die Spielszenen
sahen, bekräftigten die Authentizität des Gezeigten. Das ging unter die Haut!
In den letzten 10 Jahren hat Contrast Film rund 20 weitere Titel zwischen
kurz, lang und Serie, Dokus und Spielfilme, Arthouse und Mainstream
produziert oder koproduziert. Eindrücklich auch die über 700
Festivalteilnahmen, mehr als 70 internationalen Preise sowie die
Nominierungen für Oscar und Golden Globe. Was ist euer Erfolgsrezept?
[Lacht] Ich wäre froh, wir hätten eins! Doch nein: Jeder Film ist ein Prototyp.
Bei jedem Werk beginnt man wieder mit einem weissen Blatt Papier – oft bloss
mit einer Idee: für eine Geschichte, die Regie, die Autor:in. Darin ist Contrast
Film speziell: Oft haben wir den Anriss für einen Stoff – ein Pitch Paper oder
ein kleines Exposé – und suchen dann Autor:innen oder Regisseur:innen dazu.
Unsere Frage ist dann: Könnte dies zu deiner Vision, zu deinem Herzensprojekt
werden? Was bei so langen und intensiven Projekten wie Kinofilmen
unabdingbar ist. So ist DER KREIS entstanden, aber auch STÜRM oder
LANDESVERRÄTER. Uns waren die entsprechenden Stoffe wichtig. Und uns lag
am Herzen, dass eine Person das entsprechende Thema ebenso wichtig finden
würde und auch auf einer künstlerischen Ebene zu uns passt und ergänzt. Wir
sind auf dem Weg zum fertigen Film eine Art Wächter der Ursprungsidee –
und übergeben die künstlerische Umsetzung dann in die Hände einer anderen
Person, die ihre eigenen Themen und Bedürfnisse darin einfliessen lässt.
Das Portfolio der von Contrast produzierten Filme ist sehr divers: Es
umfasst historische Filme wie LANDESVERRÄTER, Thriller wie DER
LÄUFER, aber auch Serien wie DAVOS. Contrast Film hat zwei TATORT und
den Investigativ-Dokfilm GAME OVER über die Credit Suisse produziert.
Ist die Vielfalt Programm? Und: Gibt es eine heimliche Vorliebe für
historische Stoffe?
In den letzten Jahren gab es tatsächlich viele historische Filme. Das hatte aber
firmenstrategische Gründe – etwa was das internationale Netzwerk, aber auch
das Setzen einer «Flughöhe» von Contrast-Produktionen angeht. Im Moment
suchen wir wieder intensiv nach zeitgenössischen Stoffen. Sehr wohl Programm
für uns ist jedoch die Vielfalt unserer Filmthemen und -genres – analog zur
Vielfalt der Gesellschaft, in der wir leben. Und: Es macht viel mehr Spass,
Unterschiedliches zu produzieren. Wenn ich jahrelang am Kämpfen bin mit
einer Monsterproduktion wie DAVOS, bin ich froh, wenn ich zwischendurch mit
etwas Kleinerem ein Erfolgserlebnis einheimsen kann.
Contrast Film produziert sowohl Dok- als auch Spielfilme nebst Serien. Was
sind die Unterschiede in der Produktion und was die je speziellen
Herausforderungen?
Spielfilme sind teurer, die Drehbucharbeit ist komplexer, langwieriger und
aufwendiger als die Entwicklung von Dokumentarfilmen. Dort ist dann
wiederum der Dreh langwieriger und es kann das Leben – oder der Tod –
reinspielen. So ging es uns bei CAVEMAN, einem Dokfilm über einen
exzentrischen Künstler, der mitten in unserem Dreh verstarb. Die Frage war
dann für uns, wie man künstlerisch verantwortungsvoll mit der Situation
umgeht. Oder etwa in der Credit-Suisse-Dokumentation GAME OVER, wo wir
nicht im Voraus wussten, wer was sagen würde und was die Aufnahme davon
im Film – auch rechtlich – auslösen würde…
Ist «queering the script» ein Thema für euch? Ein Abbilden von Diversität
im Rahmen von Filmen oder Drehbüchern, die ihr produziert?
Wir haben dafür kein Schema und glauben auch nicht an Quoten. Vielmehr
richten wir uns nach der Diversität, die wir selbst repräsentieren, und der
Selbstverständlichkeit, mit der wir sie leben. Beim LANDESVERRÄTER etwa
gab es effektiv in der historischen Realität einen deutschen Nazi mit
homosexueller Neigung, der manipulativ den etwas naiven Ernst Schrämli, der
später zum Landesverräter wurde, für sich einnahm. Vielleicht im Gegensatz zu
anderen Produktionsfirmen liessen wir diese Realität zu und integrierten sie ins
Drehbuch. Oder beim TATORT, wo wir das Drehbuch nicht selbst entwickeln
können, schlagen wir durchaus Änderungen vor, die etwa das klassische
Geschlechterschema durchbrechen – Änderungen, die oft mit offenen Armen
aufgenommen werden.
Wie sieht es mit queeren Inhalten aus: Hat sich die Akzeptanz so weit
etabliert, dass queere Inhalte – im Kleinen oder Grossen – sich mittlerweile
ebenso gut vermarkten wie Hetero-Inhalte? Oder gerät da zusammen mit
der weltpolitischen Lage gerade wieder einiges in Schieflage?
In Zeiten wie diesen, wo gewisse Grossfirmen ihr Engagement gegenüber der
queeren Community und Diversität herunterfahren, um weiterhin Trumpkonform
Geschäfte machen zu können, gibt das doch sehr zu denken. Als
Kulturschaffende meine ich aber, gehört es mit zu unserer Verantwortung, die
Fahne diesbezüglich hochzuhalten, damit unsere Realität als queere Menschen
auch weiterhin ein Abbild findet – umso mehr, da ich als Filmschaffender die
Macht habe, Bilder in die Welt hinauszuschicken.
Sie erhalten von Pink Apple, das bald sein 30-Jahr-Jubiläum feiern kann,
den Golden Apple für Ihre Verdienste um das queere Filmschaffen. Wie
schätzen Sie die Bedeutung queerer Filmfestivals heute ein?
Ich glaube, ihre Bedeutung hat sich über die Jahre verändert. Waren sie in den
Neunziger- und Nullerjahren sicher von immenser Bedeutung, hat sich dies in
den letzten zehn Jahren eher etwas abgeschwächt – nur schon weil sich der
Filmmarkt total verändert hat und wir queere Geschichten, die an
Selbstverständlichkeit gewonnen haben, auch an anderen Orten finden
können. Aber ich kann mir – gerade angesichts der aktuellen Weltlage – auch
vorstellen, dass sich das in den nächsten Jahren erneut verändern könnte und
Festivals wieder vermehrt eine Bedeutung als «safe haven» für die Community
erhalten.
Was sind die nächsten Projekte? Und: Gibt es ein nächstes queeres
Projekt?
Im kommenden Jahr machen wir einen neuen TATORT, eine zweite Staffel von
DAVOS sowie ein starkes und engagiertes Koproduktionsprojekt – KEEP HER
QUIET – über die Uiguren-Gefangenenlager in China. Explizit queer wäre eine
Doku-Serie, ein Herzensprojekt, von dem ich fest hoffe, dass es bald finanziert
werden kann und ebenfalls zustande kommt: ein wenig verrückt, traurig und
lustig-unterhaltsam zugleich. Das ist zurzeit aber alles, was ich dazu sagen darf.
Vielen Dank für dieses Gespräch!
Ivan Madeo: Seine wichtigsten Projekte
· Der Kreis (2014), Dokufiction
· Stürm: Bis wir tot sind oder frei (2020), Spielfilm
· Stella. Ein Leben (2023), Spielfilm
· Davos 1917 (2023), Serie
· Und dass man ohne Täuschung zu leben
vermag (2023), Spielfilm
· Stray Bodies (2024), Dokumentarfilm
· Landesverräter (2024), Spielfilm
Kreativität und Vielseitigkeit
Der in der Filmbranche tätige Ivan Madeo, 1976 in Bern geboren, erhält am
diesjährigen Pink Apple den Golden Apple Award. Der Ehrenpreis des queeren
Filmfestivals zeichnet eine beispielhafte Produzentenlaufbahn aus und schliesst
nahtlos an die jüngste von Erfolgen reich gekrönte Zeit der Produktionsfirma
Contrast Film an (2011 gründet), hinter der Ivan Madeo, Stefan Eichenberger,
Urs Frey und Anke Beining-Wellhausen stehen. Das vielfältige Portfolio der
Produktionsfirma umfasst jüngst den Investigativ-Dokfilm GAME OVER über
den Fall der Credit Suisse oder den Spielfilm LANDESVERRÄTER, der den
diesjährigen Schweizer Filmpreis für den besten Hauptdarsteller erhielt. Zu den
bedeutenden queeren Werken von Contrast Film gehören DER KREIS (2014)
von Stefan Haupt über das Zürcher Schwulenpaar Röbi Rapp und Ernst
Ostertag, der zweifach an der Berlinale ausgezeichnet wurde und vier
Schweizer Filmpreise nebst anderen
Auszeichnungen erhielt – aber auch
der Kurzfilm UN MUNDO PARA
RAÚL (2012) von Mauro Mueller, das
Lesbendrama UND DASS MAN
OHNE TÄUSCHUNG ZU LEBEN
VERMAG (2023) von Katharina Lüdin
sowie die beiden Dokfilme IM
SCHATTEN DER TRÄUME von Martin
Witz über das Musik-Duo Jary / Balz,
das u.a. für den Erfolg von Zarah
Leander steht, und STRAY BODIES
(2024) von Elina Psykou über Body/
Queer Politics in Europa. Ivan Madeo
ist Mitglied der Schweizer
Filmakademie, der European Film
Academy sowie der Eidgenössischen
Filmkommission (EFiK). Darüber
hinaus ist er als Geschäftsführer von
Swiss Studios tätig.
Damit wurde Contrast schweizweit bekannt: DER KREIS, 2014 von Stefan Haupt. Der Film zierte
damals auch das allererste Titelbild unseres neu geschaffenen eMagazins CLICK.
SM REEL
Das quere Filmfestival Pink Apple
findet vom 29. April bis 8. Mai 2025 in
Zürich und vom 9. bis 11. Mai 2025 in
Frauenfeld statt. arttv.ch freut sich
einmal mehr Medienpartner zu sein.
arttv CLUB-EINLADUNG
KINO
VINGT DIEUX
arttv Club-Mitglieder
erhalten ein
kostenloses Ticket
ANMELDUNG SIEHE MITGLIEDER-MAIL
Beim letzten Festival du Film Francophone d’Angoulême wurde der Erstling
von Louise Courvoisier zweimal ausgezeichnet (Valois de Diamant und Valois
des étudiants francophones). VINGT DIEUX ist in erster Linie ein lustiger
Film. Dabei bleibt in dieser Geschichte von einem etwas linkischen
Bauernburschen, der nach dem plötzlichen Tod seines Vaters zusammen mit
seiner kleinen Schwester plötzlich alleine einen hoch verschuldeten Hof über
die Runde bringen muss, bei aller Tragik, vor Lachen kein Auge trocken –
und wenn der Bursche am Ende seine angehimmelte Jungbäuerin zu
bekommen scheint, hofft man nur, dieses Happy End möge so bleiben. Der
Film, der in der Romandie bereits Mitte Dezember 2024 in die Kinos kam,
hat sich dort bereits zu einem grossen Erfolg entwickelt.
Eine Rezension zum Film von Geri Krebs findet sich auf der arttv Website
Kinostart Deutschschweiz: 17. April 2025
Noch nicht arttv
Club-Mitglied?
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