Bernstein Nr. 13 - Freie Waldorfschule Eckernförde
Bernstein Nr. 13 - Freie Waldorfschule Eckernförde
Bernstein Nr. 13 - Freie Waldorfschule Eckernförde
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
<strong>Bernstein</strong><br />
Dreizehnte Ausgabe: Zeitschrift für Bildung und Kultur. Kostenlos, wie immer.<br />
Uralt, neu erstanden: Faszinosum <strong>Bernstein</strong><br />
Waldorf baut weiter<br />
Aufrecht im Wind das Segel haltend - Günter Kunert wird 80<br />
Paul Scheerbart<br />
Marianne Tralau – Kunst ohne Marktzensur<br />
Junge Kunst kennt kein Alter<br />
Unrat in Kiel<br />
Viel Lärm um neue Töne: „ensemble reflexion K“<br />
Konzertreihe Neue Musik <strong>Eckernförde</strong> 2009<br />
Waldorf schaut in die Welt – ein Dialog<br />
Zur Situation der <strong>Waldorfschule</strong>n 2009<br />
Prometheus in gelecktem Deutsch<br />
merkenswürdig: Bücherkolumne
Herausgeber<br />
Erscheinungsweise<br />
Kulturredaktion<br />
Jugendredaktion<br />
Schulredaktion<br />
Bildredaktion<br />
Email Redaktion<br />
Anschrift<br />
Meinungsfreiheit<br />
Internet<br />
Gestaltung<br />
Fotoredaktion<br />
Auflage<br />
Vertrieb<br />
Anzeigen &<br />
Vertrieb:<br />
Anzeigen- und<br />
Redaktionsschluss<br />
Bernd Hadewig für den<br />
Verein zur Förderung der Waldorfpädagogik<br />
<strong>Eckernförde</strong> e.V., Schleswiger<br />
Straße 112, 24340 <strong>Eckernförde</strong>,<br />
T. 04351-7675-0, schule@waldorf-eckernfoerde.de<br />
<strong>Bernstein</strong> erscheint zweimal jährlich als<br />
unabhängige Zeitschrift für Bildung und Kultur.<br />
fognin (fst) verantwortlich<br />
Nicolaus Kessener (nike)<br />
Dominik Kessener<br />
Janos Darvas<br />
Bernd Hadewig<br />
Dorothea Heldt<br />
redaktion@bernsteine.org<br />
c/o Markus Feuerstack<br />
St.-Nicolai-Str. 7A<br />
24340 <strong>Eckernförde</strong><br />
04351 - 72 62 00<br />
Jeder Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder;<br />
eine Übereinstimmung mit der Meinung der<br />
Redaktion kann aus seiner Veröffentlichung<br />
nicht abgeleitet werden.<br />
www.bernsteine.org<br />
www.studiopow.com<br />
Dorothea Heldt<br />
7.500<br />
Kostenlose Verteilung im Kreis Rendsburg-<strong>Eckernförde</strong>,<br />
Kreis Schleswig-<br />
Flensburg und im Kieler Umland.<br />
vertrieb@bernsteine.org<br />
Peter Hund,<br />
Böhnrüher Weg 39, 24360 Barkelsby,<br />
T: 04351-8 69 28, F: 04351-7675-61,<br />
M: 0170-4069955, anzeigen@bernsteine.org<br />
Ausgabe <strong>Bernstein</strong> Nummer vierzehn:<br />
Juli 2009<br />
Uralt, neu erstanden: Faszinosum<br />
<strong>Bernstein</strong> von Nicolaus Kessener (03)<br />
Waldorf baut weiter von Bernd Hadewig (05)<br />
Aufrecht im Wind das Segel haltend.<br />
Günter Kunert wird 80 von Björn Engholm (06)<br />
denkMal: Paul Scheerbart (09)<br />
Marianne Tralau – Kunst ohne<br />
Marktzensur von fognin (10)<br />
Junge Kunst kennt kein<br />
Alter von Jonas Stegemann (14)<br />
Unrat in Kiel von Philipp Jöster (16)<br />
Viel Lärm um neue Töne:<br />
„ensemble reflexion K“ von Jörg Meyer (17)<br />
Konzertreihe Neue Musik <strong>Eckernförde</strong> 2009 (20)<br />
Waldorf schaut in die Welt – ein Dialog von<br />
Dominik Kessener mit Dirk Wegner (21)<br />
Zur Situation der<br />
<strong>Waldorfschule</strong>n 2009 von Dirk Wegner (23)<br />
Prometheus in gelecktem Deutsch von<br />
Dominik und Maximilian Kessener (26)<br />
merkenswürdig:<br />
Bücherkolumne von Svenja Funke (27)<br />
2 <strong>Bernstein</strong> <strong>13</strong>|2009
Uralt, neu erstanden: Faszinosum <strong>Bernstein</strong><br />
von Nicolaus Kessener<br />
Der „Börnesteen“ des Mittelal-<br />
ters war den Griechen bereits<br />
vor 6000 Jahren als élektron<br />
bekannt. Zweihundertfünfzig<br />
Millionen Jahre alt sind die<br />
„Steine“, die gar keine sind,<br />
sondern als fossile Baumharze<br />
ihrer Form wegen die Bezeich-<br />
nung „Stein“ erhielten.<br />
Nicolaus Kessener, Foto: fognin<br />
<strong>Bernstein</strong> in der Ostsee, Foto: Dorothea Heldt<br />
Inhalt & Editorial<br />
Ein Schmuckstein war und ist er; auf der ganzen<br />
Welt verbreitet als Inbegriff für das Konservieren<br />
von Lebensformen; hübsch anzusehen obendrein,<br />
lehrreich und immer wieder faszinierend: ein<br />
Weltbürger.<br />
Seine Einschlüsse, Inklusionen, vermitteln<br />
uns Erkenntnisse von uralten Insekten und lassen<br />
uns staunen über Lebewesen, die in eine Harzblase<br />
eingeschlossen 250 Millionen Jahre unverändert<br />
überdauerten.<br />
Schmuckstücke werden und wurden aus<br />
ihnen angefertigt und die Menschen schrieben ihnen<br />
magische Kräfte zu.<br />
250 Millionen Jahre alt und doch so lebendig<br />
fängt er das Sonnenlicht ein und lässt es uns<br />
in immer neuen Ansichten Facetten erscheinen.<br />
<strong>Bernstein</strong>e erscheinen wie Fingerabdrücke: einmalig<br />
und unverwechselbar.<br />
Unbestechliche Zeitzeugen sind sie und verändern<br />
doch für den Betrachter ihre Wirkung mit<br />
dem veränderten Lichteinfall. Vom Brennstein<br />
des Mittelalters bis zum <strong>Bernstein</strong>zimmer des 18.<br />
Jahrhunderts bieten sie eine unglaubliche Vielfalt<br />
der Gestaltungs- und Präsentationsmöglichkeiten.<br />
Es braucht etwas Wesentliches, um einen<br />
<strong>Bernstein</strong> zu dem zu machen, was er ist und was<br />
uns heute häufig fehlt: Zeit, Geduld und die Konzentration<br />
auf das Wesentliche.<br />
Kennen Sie dieses Gefühl? Sie müssen unbedingt<br />
den Zug erreichen, kommen schon wieder<br />
zu spät, fühlen sich in die Enge getrieben weil sie<br />
einfach keine Zeit zu haben glauben, weil andere<br />
Dinge wichtiger erscheinen...<br />
Wir beschleunigen unsere Aktivitäten, um<br />
noch mehr in de Alltag hineinpacken zu können:<br />
schneller essen, schneller Gespräche führen, Ziel<br />
orientiert und schnell zum nächsten Thema, zum<br />
nächsten Tagespunkt; Getriebene von den ach so<br />
wichtigen Dingen unseres Lebens.<br />
Hyperaktivität, AD(H)S und Aggressionen bei<br />
Kindern sind verbreitete Zeiterscheinungen, die<br />
wir mittels Medikationen behandeln, ohne über<br />
ihre Ursachen genaue Kenntnisse zu erwerben.<br />
Ein Mensch ist schnell abgestempelt als: Querulant,<br />
Kleinbürger, Ausländer oder Yuppie, Popper,<br />
Emo. Ausgrenzungen und Abstempelungen führen<br />
dazu, mich nicht mit jemandem auseinandersetzen<br />
zu müssen.<br />
Die Finanzwirtschaft in Europa und in der<br />
Welt hat ein riesiges Problem; angeblich verleihen<br />
die Banken untereinander kein Geld mehr, weil<br />
sie sich gegenseitig nicht vertrauen. Regierungen<br />
stellen Steuergelder zur Verfügung, damit die Finanzströme<br />
wieder fließen und die Banken sich<br />
3
wieder trauen, sich gegenseitig zu trauen und<br />
Geld zu verleihen und es scheint, als wären die<br />
Bürger unseres Landes überhaupt nicht beunruhigt<br />
über diese Krise. Ja, es scheint, als begrüßten<br />
viele Menschen die Krise als Hoffnung, dass aus<br />
ihr etwas Gutes entstehen könne für alle Menschen.<br />
Das alles hat nichts miteinander zu tun? Ich<br />
sehe das anders: Freiheit bedeutet für mich heute<br />
schon längst nicht mehr, jedes Event mitfeiern;<br />
auf jeder Hochzeit tanzen zu können: Freiheit<br />
bedeutet, mich zu beschränken auf das Wichtige<br />
und Wesentliche und nicht zu bedauern, das nicht<br />
in Anspruch zu nehmen, was andere für wichtig<br />
halten.<br />
Freiheit ist die bewusste<br />
Beschränkung auf<br />
Aktivitäten und Handlungen,<br />
die ich durchdringend<br />
und nachhaltig<br />
ausüben möchte; Konzentration<br />
auf wesentliche<br />
Dinge im Leben.<br />
Sich Zeit zu nehmen<br />
für wichtige Dinge<br />
und diese nicht gleich als<br />
komplett verstanden und<br />
Übergang zum nächsten<br />
Highlight zu begreifen,<br />
sondern als etwas Wirkliches, Erlebtes und<br />
Erfahrbares, das es Wert ist, im Gedächtnis und<br />
Herzen zu behalten, verstehe ich als zentrales Anliegen.<br />
Selbstredend gehören Respekt gegenüber<br />
allen Menschen, besonders den Andersdenkenden<br />
dazu, Respekt gegenüber den Tieren, unserer<br />
Umwelt, die nicht uns gehört, sondern unseren<br />
Kindern und Kindeskindern, Respekt gegenüber<br />
den Kindern, die uns einen Spiegel vorhalten, den<br />
wir in unserer erwachsenen Ignoranz oft genug<br />
als Störung begreifen und ihn AD(H)S nennen.<br />
Fairness gegenüber allen Menschen wäre heute<br />
viel eher möglich, als noch vor etwa 50 Jahren.<br />
Sich erfreuen am Ausprobieren von Ideen und Gedanken,<br />
die allen Menschen nützen, sie unterstützen<br />
in ihren Bemühungen, unsere Welt weiter zu<br />
entwickeln; Geduld zu haben, wenn nicht sofort<br />
alles perfekt ist und den Kindern und Jugendli-<br />
chen die Chance zum Einbringen und Entwickeln<br />
von Ideen zu geben, ist heute der Maßstab, an<br />
dem uns künftige Generationen messen werden.<br />
Haben Sie Geduld mit uns und helfen Sie uns,<br />
den <strong>Bernstein</strong> zu einer aufregenden Zeitschrift<br />
zu machen. Wir möchten mit Ihnen zusammen<br />
Facetten unseres Schleswig Holsteinischen Mikrokosmos<br />
beleuchten, interessiert und neugierig<br />
bleiben und uns für wesentliche Dinge einsetzen,<br />
Kunst, Bildung und Kultur als Herzensangelegenheit<br />
empfinden und aus den unterschiedlichen<br />
Standpunkten der Erwachsenen und Jugendlichen<br />
den <strong>Bernstein</strong> zu einem Faszinosum werden<br />
lassen.<br />
„Freiheit bedeutet, mich zu<br />
beschränken auf das Wichtige<br />
und Wesentliche und nicht<br />
zu bedauern, das nicht in<br />
Anspruch zu nehmen, was<br />
andere für wichtig halten.“<br />
Nicolaus Kessener ist Mitglied der<br />
<strong>Bernstein</strong>redaktion und Waldorfvater<br />
���������������������������<br />
����������������<br />
����������������������� Frei.<br />
�������������������������������������<br />
Monika Kiel-Hinrichsen<br />
Forum Zeitnah<br />
����������������������������<br />
�������������������<br />
4 <strong>Bernstein</strong> <strong>13</strong>|2009
Waldorf baut weiter<br />
Bernd Hadewig<br />
Seit 1984 bietet die <strong>Eckernförde</strong>r <strong>Waldorfschule</strong><br />
Unterricht an in dem markanten Gebäude mit<br />
den drei Türmen, das ursprünglich (19<strong>13</strong>-1915) als<br />
Altersheim gebaut worden war. Seither hat sich<br />
einiges verändert auf dem Hügel über dem Windebyer<br />
Noor. So ist vor kurzem ein weiterer Bauabschnitt,<br />
der Ostflügel, weitgehend fertig gestellt<br />
worden. Um ein breites Angebot für eine offene<br />
Ganztagsschule im Sinne der Waldorfpädagogik<br />
zu ermöglichen, wurde auch das unter Denkmalschutz<br />
stehende Hauptgebäude gründlich umgewandelt.<br />
Dabei wurde Raum für eine große Mensa<br />
und eine neue Schulküche geschaffen. Nunmehr<br />
öffnet ein neuer Windfang vor dem Haupteingang<br />
einladend seine Türen zum Eintritt in das Schulhaus.<br />
Im Erdgeschoss des neuen Ostflügels schließen<br />
die Räume direkt an die Mensa und an das<br />
Foyer an. Übungsräume für die waldorftypischen<br />
handwerklich-künstlerischen Kurse, für den Unterricht<br />
im Klassenverband sowie für die intensive<br />
musikalische Einzelförderung und flexible Arbeitsgemeinschaften<br />
wurden in dem Neubau geschaffen.<br />
Zusätzlich ist eine kleine Teeküche für<br />
die Arbeitsgemeinschaften eingerichtet worden,<br />
die hilft, den Erlebnischarakter des Lernens zu<br />
betonen. Im Untergeschoss gibt es jetzt dringend<br />
benötigte Lagerräume. Im 1. und 2. Stockwerk liegen<br />
das neue Lehrerzimmer und Räume für Fachunterricht.<br />
Im geplanten weiteren Bauabschnitt<br />
(2010/2011) sind ein neuer Musik- und Eurythmiesaal<br />
sowie Üb- und Arbeitsräume vorgesehen.<br />
Damit sich die Qualität der Schule im musikalisch-künstlerischen<br />
Bereich weiter entwickeln<br />
kann, sollen Bühnennebenräume und ein weiterer<br />
Übungsraum in der nächsten Ausbaustufe (2009)<br />
hinzukommen.<br />
Die Planung für den vorgesehenen Ausbau<br />
des Ostflügels reichen also bis 2011. Letztlich soll<br />
ein künstlerisch- und funktionales Gesamtkunstwerk<br />
entstehen, das den pädagogischen Impuls<br />
äußerlich sichtbar macht und im Inneren ermöglicht.<br />
Des Weiteren ist geplant, auch die Außenflächen<br />
zu einem Pausen- und Freizeitbereich zu<br />
gestalten, der allen Altersstufen ihren Bedürfnissen<br />
entsprechend Spiel-, Erlebnis- und Erholungsraum<br />
bieten kann.<br />
Eine Baubroschüre, die demnächst von der<br />
<strong>Eckernförde</strong>r <strong>Waldorfschule</strong> veröffentlicht wird,<br />
stellt den aktuellen Bauabschnitt vor und gibt einen<br />
Einblick in die weiteren Planungsideen.<br />
Trotz verbesserter Bezuschussung seitens des<br />
Landes sind Eltern und Freunde der <strong>Waldorfschule</strong><br />
gezwungen, tatkräftig mit Eigenleistungen und<br />
finanziellen Zuwendungen beizusteuern, damit<br />
Waldorf intern<br />
die Gesamtfinanzierung ermöglicht wird und das<br />
pädagogische Umfeld sich weiter verbessern kann.<br />
Eltern. Lehrer und auch ältere Schüler haben mit<br />
viel Enthusiasmus beim Innenausbau des ersten<br />
Bauabschnittes mitgearbeitet. Auch weiterhin<br />
braucht die <strong>Waldorfschule</strong> neben den geplanten<br />
Eigenleistungen nicht nur ideenreiche und engagierte<br />
Hilfe der Schulgemeinschaft, der Freunde<br />
und Förderer, sondern auch finanzielle Unterstützung!<br />
Wir bitten um Spenden zu diesem Zweck:<br />
Waldorf-Neubau auf das Konto <strong>Nr</strong>. <strong>13</strong>7 117 bei der<br />
Förde Sparkasse (BLZ 21050170). Eine entsprechende<br />
Spendenbescheinigung bekommen Sie<br />
dann umgehend von uns zugeschickt.<br />
Durch die neuen Räume wird ein weiterer<br />
zukunftsträchtiger Impuls für diesen besonderen<br />
Schulstandort gegeben. Wir arbeiten daran, dass<br />
sich die <strong>Eckernförde</strong>r <strong>Waldorfschule</strong> als ein „Haus<br />
für Bildung und Kultur“ insbesondere für die heranwachsende<br />
Generation weiter entwickeln kann.<br />
Bernd Hadewig ist Geschäftsführer der<br />
<strong>Freie</strong>n <strong>Waldorfschule</strong> <strong>Eckernförde</strong><br />
und Herausgeber des <strong>Bernstein</strong><br />
5
ges Werk, das uns in Atem hält; Irrtum ausgeschlossen!<br />
Günter Kunert und Dank für ein umfassendes und vielfälti-<br />
tung Respekt zu zollen und zu feiern. Herzlichen Glückwunsch<br />
testens wenn sie 80 Jahre alt werden gilt es, dieser Lebensleis-<br />
und Erfahrungen getrost als Leben bezeichnen dürfen. Spä-<br />
selbst zuhause sind, das Gehäuse eigener Wahrnehmungen<br />
Umgang mit dem Worte sollten die pflegen, welche in sich<br />
Als er noch Landsmann/Ost war, in vergangener<br />
Zeit, las mir meine Frau ein Gedicht vor:<br />
„Empfehlung: sich nicht zu ducken. Das<br />
Schiff liefe nicht vorwärts, stünde nicht aufrecht<br />
im Wind das Segel!“<br />
Ist von Kunert, sagte meine Frau. Was für’n<br />
Kunert, fragte ich ahnungslos. Dann wurde dieser<br />
Kunert Landsmann/West, mehr noch: er siedelte<br />
in Schleswig-Holstein auf flachem Lande, in Kaisborstel,<br />
„neben der Haltestelle für Eichelhäher“,<br />
wie er schreibt, um - unverwechselbar Kunert<br />
- hinzuzufügen: „Die Ornithologie ist mir fremd<br />
wie die Ontologie. Ansonsten ist das Landleben<br />
gemütlich.“<br />
Es war ein langer Marsch nach Kaisborstel;<br />
ein Marsch mit vielen, nicht eben leichten Stationen.<br />
Diese Lebensstationen<br />
erzählen vieles über<br />
den Menschen Kunert,<br />
sie haben ihn geprägt,<br />
haben Abdrücke hinterlassen,<br />
Stempelungen.<br />
Sie sind gleichsam das<br />
Gehäuse seiner Wahrnehmungen,Erfahrungen,<br />
Einstellungen und<br />
Überzeugungen.<br />
1929 in der Berliner<br />
Chausseestraße geboren,<br />
verhindern nach<br />
der Volksschulzeit die<br />
von Björn Engholm<br />
Aufrecht im Wind das Segel haltend<br />
Günter Kunert wird 80<br />
NS-Rassegesetze jede Weiterbildung wegen „jüdischer<br />
Herkunft“.<br />
Leid kehrt ein. Das einzige Glück besteht<br />
in der Abstempelung zum „Wehruntüchtigen“.<br />
Kunert notiert später: „Es war eine staatlich verpfuschte<br />
Kindheit.“<br />
1945 endet der nazistische Spuk in einer Apokalypse.<br />
Haben die Menschen gelernt, fragt Kunert<br />
rückblickend? Und er antwortet: „Als der Mensch<br />
unter den Trümmern seines bombardierten Hauses<br />
hervorgezogen wurde, schüttelte er sich und<br />
sagte: Nie wieder! Jedenfalls nicht gleich...“<br />
1946 beginnt er das Studium der Grafik an<br />
der Hochschule Weißensee, 1949 wird er aus antifaschistischer<br />
Motivation heraus SED-Mitglied.<br />
Ab 1948 schreibt er für den Ulenspiegel und 1950<br />
erscheint sein erster<br />
Gedichtband. Zwischen<br />
1950 und 1952 begegnet<br />
er Berthold Brecht;<br />
Johannes R. Becher<br />
fördert den jungen Autor.<br />
Um 1965 beginnen<br />
seine Probleme mit<br />
der SED. Poesie, Literatur<br />
ohne Freiheit, da<br />
eine politisch rein verzweckte<br />
Poesie erscheinen<br />
ihm unmöglich.<br />
1976 protestiert er gegen<br />
die Ausbürgerung<br />
6 <strong>Bernstein</strong> <strong>13</strong>|2009
Biermanns und wird 1977 aus der SED ausgeschlossen.<br />
In einem Aktenvorgang, „Zyniker“<br />
als Code, tauchen alle gängigen Stereotypen der<br />
Staatssicheren auf: Intellektueller, Revisionist,<br />
Pessimist, Überheblichkeit…<br />
„Als unnötigen Luxus herzustellen verbot,<br />
was die Leute Lampen nennen, König Tharsos von<br />
Xantos, der von Geburt Blinde.“ Auch, wenn die<br />
Zensur nichts begriffen hat, diese poetische Kritik<br />
hatte sie voll erreicht. Seit 1979 lebt Kunert nun in<br />
Schleswig-Holstein; eigensinnig und - willig wie<br />
eh, dabei still, bescheiden, ohne „Pomp and circumstances“,<br />
keine Ein-Mann-Lichterkette, einer,<br />
den wir achten, ehren und mögen.<br />
Wer die Mühen des Schreibens je erfahren<br />
hat, den erfasst Respekt, ja, Neid, angesichts all<br />
dessen, was Kunert bis heute literarisch produziert<br />
hat: Lyrik, Lyrik und immer wieder Lyrik; Essays;<br />
Reiseberichte; einen Roman; Beiträge für den<br />
Hörfunk; Arbeiten für Film- und Fernsehen; ein<br />
Vor-Lesender und Disputierer zumal: ein voluminöses,<br />
ein pralles, ein unzweifelbar bedeutendes<br />
Werk, das heute schon Bestand hat und Gültigkeit<br />
besitzt.<br />
Und wer sich um Sprache bemüht und je mit<br />
ihr gequält hat, hat höchste Achtung (und verfällt<br />
in Selbsttrauer) angesichts der Kraft seiner Sprache.<br />
Eine wunderbar einfache, eine verständliche<br />
ebenso wie zugängliche, eine Sprache von ungeheurer<br />
Prägnanz und Zielsicherheit, die in einem<br />
Vierzeiler auszudrücken vermag, was manch ein<br />
ganzer Roman nicht vollbringt.<br />
Eine solche Sprachmacht erreicht nur, wessen<br />
Gedanken klar und Empfindungen tief sind; wer<br />
die Fähigkeit besitzt, Zuständen (geschichtlichen<br />
wie gegenwärtigen) und Entwicklungen auf den<br />
Grund zu gehen; wer die Oberfläche verlässt und<br />
auf der Suche nach der Substanz, dem Wesentlichen,<br />
dem Kern fündig wird, wer also die Dinge<br />
hinter den Dingen entdeckt.<br />
Mit allem, was, und vor allem wie er schreibt,<br />
steht Günter Kunert in der großen Tradition der<br />
literarisch-poetischen Aufklärung: von Aristoteles<br />
und Horaz bis Heinrich Heine und Büchner, und<br />
Kleist nicht zu vergessen.<br />
Aufklärer ist Kunert keineswegs im Sinne eines<br />
Rationalisten, sondern sehr wohl im Sinne einer<br />
Verbindung der griechischen „Ästhesis“, also<br />
empfindsamer sinnlicher Wahrnehmung, mit<br />
einem glasklaren Verstand, also einer unbestechlichen<br />
Ratio. Fast so, wie Lessing sich das Ideal<br />
wünschte: mit dem Kopf fühlen und dem Herzen<br />
zu denken vermögen.<br />
Dem literarischen Werken hinzu tritt ein umfängliches<br />
bild- künstlerisches Werk. Zeichnungen,<br />
Text bezogene Skizzen, Gemälde, Radierungen,<br />
Holzschnitte, Hinterglasmalereien, Collagen<br />
und Skulpturen: zwischen Ironie und Fantasmen,<br />
zwischen Skurrilem und Eros bis hin zu dunklen<br />
Visionen - ein breites Spektrum, in das der Dichter<br />
entfleucht, um der Strenge des Textens (der<br />
Versmaße) zeitweilig zu entkommen - und mit<br />
freiem Duktus Luft zu holen und eine andere äs-<br />
Literatur & Lyrik<br />
45 x pro Jahr<br />
bieten wir unseren Lesern in über 50<br />
Ländern Einblicke in das Zeitgeschehen<br />
und vertiefen aktuelle Ereignisse mit<br />
interessanten Aspekten. Es steht nicht<br />
die Berichterstattung im Vordergrund,<br />
sondern die Beleuchtung der Ursachen<br />
und Hintergründe.<br />
Interviews mit interessanten Leuten,<br />
Feuilleton, Buchbesprechungen zur<br />
Anthroposophie, Esoterik, Natur- und<br />
Geisteswissenschaft, Landwirtschaft,<br />
Kunst, Ökologie u.a.<br />
Die Wochenschrift ‹Das Goetheanum›<br />
ist eine kulturell, spirituell ausgerichtete<br />
Wochenschrift mit einem eigenwilligen<br />
Profil.<br />
22. September 2006 | <strong>Nr</strong>. 39<br />
Schwerpunkt:<br />
Assoziatives Wirtschaften<br />
Geld regiert die Welt, das ist nicht<br />
neu. Ein Kennzeichen unserer Zeit<br />
aber dürfte sein, daß mehr und<br />
mehr Lebensfelder ‹durchökonomisiert›<br />
werden. Das Wirtschaftsleben<br />
erfragt unsere Aufmerksamkeit.Wohl<br />
nicht zuletzt um<br />
seiner Brüderlichkeit willen. So<br />
fassen immer mehr Ideen und Initiativen<br />
zum assoziativen Wirtschaften<br />
erfolgreich Fuß. Die Beiträge<br />
berichten von Beispielen<br />
aus Deutschland, Luxemburg, aus<br />
der Schweiz und den USA.<br />
Seiten 1–11<br />
Entwicklung durch Allergie<br />
Anemone Poland,Theaterchefin,<br />
Regisseurin und Schauspielerin<br />
am Berliner ‹theaterforum kreuzberg›,<br />
spielt gemeinsam mit Frank<br />
Roder die Hauptrolle in der Komödie<br />
‹Allergie› von Verena Kanaan.<br />
Bei der Protagonistin Christina,<br />
die es allen recht machen will,<br />
bricht immer wieder eine Allergie<br />
aus. Diese ermöglicht ihr letztlicht<br />
eine Entwicklung.<br />
Seite 12<br />
D<br />
Umgang mit Rudolf Steiner<br />
Im Forum ‹Umgang mit Rudolf<br />
Steiner› berichtet Jostein Sæther<br />
vom Versuch, Steiner Wissenschaftlichkeit<br />
abzusprechen, obwohl<br />
wie gefordert Forschungsergebnisse<br />
bestätigt worden seien.<br />
Michael Walter und Franz Grugger<br />
sehen wegen der öffentlichen<br />
Wirkung die Notwendigkeit, veraltetes<br />
Vokabular zu verabschieden.<br />
Seite 15<br />
W o c h e n s c h r i f t f ü r A n t h r o p o s o p h i e<br />
Grundeinkommen und assoziatives Wirtschaften | Hans-Christian Zehnter<br />
Der Wille zum Grundeinkommen<br />
In Deutschland ist nicht zuletzt dank der Kampagne von Götz Werner eine die<br />
breite Öffentlichkeit erreichende Debatte zum ‹Grundeinkommen› in Gang gekommen.<br />
Eine Entwicklung, die man sich noch Ende des 20. Jahrhunderts<br />
kaum vorstellen konnte. Offen scheint aber, wie es vom Diskurs zur Tat kommen<br />
kann. Hier bringen sich assoziative Wirtschaftsformen ins Gespräch.<br />
as Thema ‹Grundeinkommen› ist<br />
in. Allerorten finden Diskussionsund<br />
Informationsveranstaltungen<br />
statt. Aktuelle Beispiele sind die diesjährige<br />
Michaeli-Tagung ‹Grundeinkommen für<br />
jeden Menschen – eine Herausforderung<br />
für Europa?› am Goetheanum in Dornach<br />
sowie die zwölf Tage dauernde Veranstaltungsreihe<br />
Ende September, Anfang Oktober<br />
im Basler ‹Unternehmen Mitte› mit<br />
dem Titel ‹Einkommen schafft Arbeit –<br />
Mehrwert durch Grundeinkommen›. Beinahe<br />
will man von einem Modetrend sprechen.<br />
Doch: ist das ‹Grundeinkommen›<br />
wirklich bloß ‹in› oder ist es ‹an der Zeit›?<br />
Regional und assoziativ wirtschaften<br />
22. September 2006 | <strong>Nr</strong>. 39<br />
weitgehend vereinheitlicher Preis für Bio-<br />
Immer mehr machen Initiativen zum asprodukte ausgehandelt. Luxemburg steht<br />
soziativen Wirtschaften von sich reden, vor in Sachen assoziatives Wirtschaften in<br />
allem im Kontext der biologisch-dynami- vielfacher Hinsicht als Vorreiter und Vorschen<br />
Landwirtschaft. Hier macht die vielbild im Biohandel da. Der Preis bestimmt<br />
fach existentielle Not erfinderisch – nicht sich nicht durch marktwirtschaftliche<br />
nur beim betroffenen Landwirt, sondern Konkurrenz, sondern durch Vereinba-<br />
auch in dessen sozialem Umfeld. In den rung!<br />
USA arbeiten derweil gut 1700 Höfe als An die Stelle von Konkurrenz tritt Brü-<br />
‹Community Supported Agriculture› (CSA). derlichkeit im Wirtschaften. Der Blick ist<br />
Hierbei garantiert eine Gemeinschaft von dabei letztlich darauf gerichtet, die Exi-<br />
Menschen die Finanzierung eines landwirtstenz der Beteiligten zu sichern – kein verschaftlichen<br />
Betriebes und erhält als Geordnetes, sondern ein im konkreten Mitgenleistung<br />
die Produkte des Hofes. Ähnlieinander ausgehandeltes Grundeinkomches<br />
läuft in Frankreich seit einigen Jahren men. Auf diese Weise arbeitet eine Strö-<br />
unter dem Kürzel AMAP (Association pour mung von unten dem ‹Grundeinkom-<br />
le maintien d’une agriculture paysanne) men-für-alle›-Impuls von oben zu.<br />
mit derweil über 50 Höfen.<br />
Willenstaten aus Not-Wendigkeit be-<br />
In der Schweiz und in Österreich wird gründen mehr als nur Modetrends. �<br />
unter der Federführung von ‹Demeter› seit<br />
2004 jährlich an sogenannten ‹Runden Tischen›<br />
durch Vertreter aller beteiligten<br />
Wertschöpfungsstufen ein fairer und<br />
Abobestellung<br />
� kostenloses Probeabo, 4 Ausgaben<br />
� Jahresabo Schweiz CHF 150<br />
Konsumenten und Produzenten reichen sich<br />
beim Bezahlen die Hände<br />
Weitere Informationen:<br />
www.demeter.ch, www.demeter.at,<br />
www.alliancepec.org, biodynamic@aol.com.<br />
� Jahresabo Ausland CHF 120/€ 79 (wechselkursabhängig)<br />
� Ausbildungsabo 50% auf Normalpreis<br />
Ich möchte ein Geschenkabo bestellen<br />
� und überreiche die erste Ausgabe selbst<br />
� und lasse die erste Ausgabe zustellen<br />
Foto: z.V.g.<br />
Neugierig<br />
geworden?<br />
Lassen Sie<br />
sich überraschen.<br />
Adresse Empfänger<br />
� Frau � Herr<br />
Name, Vorname . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .<br />
Straße/<strong>Nr</strong>. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .<br />
PLZ/Ort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .<br />
Land . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .<br />
Rechnung an (wenn anders als Empfänger)<br />
� Frau � Herr<br />
Name, Vorname . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .<br />
Straße/<strong>Nr</strong>. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .<br />
PLZ/Ort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .<br />
Land . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .<br />
Datum, Unterschrift . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .<br />
Senden an: Wochenschrift ‹Das Goetheanum›,<br />
Postfach, CH–4143 Dornach 1 Fax +41 61 706 44 65<br />
B09<br />
7
thetische Dimension zu erobern. Ein erster Blick<br />
zeigt, dass Günter Kunert auch dieses Vorhaben<br />
gelungen ist. Dürer, Kubin, Caspar David Friedrich,<br />
Munch und Nolde sind ihm nah; mit Klaus<br />
Fußmann oder Friedel Anderson und Sihle-Wissel<br />
ist er befreundet. Der Dichter Günter Kunert hat<br />
eine zweite Ausdruckswelt, die des Bildkünstlerischen<br />
erobert. Es lohnt, sie zu entdecken.<br />
Ein Schwarzseher, ein Fatalist, gar eine Cassandra<br />
(aus Kaisborstel) sei er, so hört und liest<br />
man von Zeit zu Zeit. Richtig ist: sein Leben, dieses<br />
Gehäuse seiner Wahrnehmungen und Erfahrungen,<br />
hat ihn immer wieder ernüchtert. Die oft<br />
unerträgliche Diskrepanz zwischen hehren Ansprüchen<br />
und schnöder Wirklichkeit haben ihn<br />
enttäuscht und desillusioniert.<br />
Allen optimistischen Geschichtsbildern (linken,<br />
rechten, philosophischen); allen Glücksverheißungen<br />
(von Sozialismus bis Kapitalismus<br />
und sonstigen Paradiesen); jedweder Allmacht<br />
(von Staat oder Parteien oder Kirchen oder Konzernen);<br />
den ständigen Abrieb humanistischer<br />
Werte, dem Verfall der Sprache (zum Wurmfortsatz<br />
von medialer Werbung) begegnet er mit tiefer<br />
Skepsis und zugleich Resistenz; vieles ist ihm zutiefst<br />
zuwider.<br />
Darüber und dagegen schreibt er - an und an.<br />
Oft ironisch, mal sarkastisch - schwarz-bissig; häufig<br />
mit tiefer Skepsis und zunehmend von Melancholie<br />
getragen. Immer klar, direkt, mit offenem<br />
Visier und über Jahrzehnte in unverbrüchlicher<br />
Kontinuität - und nie belehrend und nimmer besserwisserisch.<br />
Aufklärung, wie ich sie aus diesen Texten<br />
ziehe und die mich anmutet, mag nicht direkter<br />
Zweck seiner Texte sein, wohl aber ist sie deren<br />
Wirkung.<br />
Wer sich der oft kernerischen gedanklich-poetischen<br />
Arbeit des Aufklärens unterwirft, immer<br />
wieder, kann per se kein heilloser Pessimist sein.<br />
Sonst ließe er sich von der kargen schleswig-holsteinischen<br />
Sonne bescheinen und Aufklärung<br />
Aufklärung sein.<br />
So aber lässt Günter Kunert zu, dass Hoffnung<br />
keimt, er provoziert sie gar. Und bewirkt<br />
so, ungewollt vielleicht, dass viele Lesende, mich<br />
eingeschlossen, einem unbefriedigenden Sein<br />
Björn Cardel<br />
Gärtnermeister/Baumpfleger<br />
��������������������������������<br />
etwas Erhofftes entgegen zu setzen beschließen.<br />
So unbekannt das Ziel, so fern hinterm Horizont,<br />
so unklar der Kurs und schier endlos die Distanz:<br />
der Wunsch, dem Seienden ein Schnippchen zu<br />
schlagen, die Skepsis in Hoffnung zu münzen,<br />
die Sehnsucht nach etwas Anderem, Erhofftem,<br />
lässt uns „aufrecht im Wind das Segel“ halten!<br />
Weil wir nicht wollen, wie Kunert es in DDR-<br />
Zeiten zur Verteidigung Heinrich von Kleists sagte,<br />
„das einer erst erkranken muss an der Welt,<br />
um sie diagnostizieren zu können als etwas Heilloses<br />
schlechthin“, müssen wir die Segel setzen,<br />
müssen wir in See stechen.Und sollte, was zu<br />
vermuten ist, Günter Kunert das Schiff nicht mit<br />
besteigen, dann vielleicht wird er am Ufer stehen,<br />
melancholischen Blicks, winken - und uns Unverbesserlichen<br />
einen schwarz-ironischen Vierzeiler<br />
widmen.<br />
Bleiben Sie, lieber Günter Kunert, noch lange<br />
unter uns und schreiben Sie, solange Kopf und<br />
Hände tragen. Ihre Texte sind uns Lebensmittel<br />
- wir brauchen sie dringender denn je in diesen<br />
Zeiten der puren Ökonomie. Der Platz im Olymp<br />
der Dichtkunst mag noch warten: er ist Ihnen ohnehin<br />
sicher. Ich beglückwünsche Sie überhaupt<br />
- und zum 80igsten Geburtstag im Besonderen.<br />
Und wünsche Ihnen Mast- und Schotbruch.<br />
Der ehemalige Ministerpräsident<br />
Schleswig Holsteins<br />
und Vorsitzende der SPD<br />
Björn Engholm lebt und<br />
arbeitet in Lübeck. Er ist in<br />
unterschiedlichen Kultur-<br />
und Bildungspolitischen<br />
Gremien aktiv und erhielt<br />
unter anderem den Willy-<br />
Brandt-Preis der norwegischen<br />
Regierung für Verdienste<br />
um den Ostseeraum.<br />
���������������������������������������������������������������<br />
�����������������������������������������������������������<br />
������������������������<br />
�����������������������������������������������������<br />
���������������������������������������<br />
�����������������������<br />
��������������������������������������������<br />
�����������������������������������������������������������<br />
����������������<br />
��������������<br />
Betriebshof:<br />
������������������������������������<br />
����������������������<br />
�����������������������������������<br />
�����������������<br />
�����������������������������<br />
8 <strong>Bernstein</strong> <strong>13</strong>|2009
Paul Scheerbart *08.01.1863 (Danzig) †15.10.1915 (Berlin)<br />
„Charakter ist<br />
nur<br />
Eigensinn.<br />
Es lebe die<br />
Zigeunerin!<br />
Schluß!!“<br />
Literatur & Denkmal Im Netz: www.scheerbart.de<br />
9
Foto:fognin von fognin<br />
Marianne Tralau – Kunst ohne Marktzensur<br />
Marianne Tralau ist in <strong>Eckernförde</strong> für Kunstfreunde ein offenes Ge-<br />
heimnis und war über dreißig Jahre in Köln ein Geheimtipp für Kunst-<br />
interessierte. Wer ist die Frau, die als Zeichnerin, Galeristin, Aktions-<br />
künstlerin, Objekterstellerin, als Erfinderin einprägsamer Logos und<br />
als Illustratorin wirksam ist, aber in keiner Sammlung zu finden ist?<br />
Wikipedia gibt auch hier sparsam Auskunft, aber wir wollten mehr<br />
wissen. Marianne Tralau, die außer mit ihren eigenen Werken auch<br />
als Galeristin in Erscheinung tritt, erzählte uns aus ihrem Leben.<br />
„Meine Geburt fand öffentlich statt, manchmal<br />
suche ich ja das Publikum. 1935 in Rostock, mein<br />
Vater war zu der Zeit arbeitslos und um die Kosten<br />
der Entbindung zu sparen ist meine Mutter<br />
in die Universitätsklinik gefahren und hat mich<br />
im Hörsaal zur Welt gebracht. Zur Belehrung<br />
der Studenten. In Rostock bin ich tatsächlich nur<br />
geboren - bevor es die DDR gab. Wir zogen bald<br />
über Berlin nach Wolfenbüttel. Dem Ort meiner<br />
Kriegskindheit.“<br />
Ihr Vater war der Bauhausschüler Walter<br />
Tralau, einäugig und kriegsuntauglich verbrachte<br />
er die braunen Jahre mit Siedlungsbau und blieb<br />
unbelastet von dem nationalistischen Pöbel. So<br />
konnte er unmittelbar nach dem Krieg in Köln als<br />
Stadtoberbaudirektor den Wiederaufbau leiten.<br />
Die Familie zog um, Marianne sollte hier einen<br />
großen Teil ihres Lebens verbringen. Als Tochter<br />
eines Bauhausschülers verlangte der Vater eine<br />
praktische Grundlage für die Berufswahl. Damals<br />
hatten die Väter noch das Sagen über das Geschick<br />
ihrer Kinder. „Ich bin dann in Köln auf die dortige<br />
Kunstschule gekommen. Mit 17 war ich eigentlich<br />
zu jung. Aber da mein Vater sehr einflussreich<br />
war, hat das dann trotzdem geklappt. Die Kölner<br />
Werkschulen, gibt es nicht mehr, da ist jetzt eine<br />
Fachhochschule für Medien draus geworden. Ich<br />
habe mich dann nach dem ersten Kunstjahr für<br />
die Gobelinweberei entschlossen und bin dann<br />
bald nach Hamburg gegangen, da konnte ich neben<br />
dem Studium eine Werkstattausbildung machen<br />
und habe dann nach entsprechender Zeit<br />
auch die Gesellenprüfung abgelegt. Kurz darauf<br />
bin ich nach Köln zurückgekehrt und sehr bald<br />
habe ich meinen Studienkollegen Will Thonett<br />
geheiratet. Ich habe Will Thonett wegen seiner<br />
künstlerischen Arbeit sehr verehrt und im Laufe<br />
der Jahre zwischen 1959 und 1962 wurden drei<br />
Kinder geboren. Ich habe in der Zeit eigentlich<br />
nur auf Grundlage meiner künstlerischen Tätigkeit<br />
diese Handwerksausbildung benutzt.“<br />
Familie, Kunst und Handwerk - Marianne<br />
Tralau vereinte drei Berufe und entwickelte sich<br />
aus der textilen Gestaltung zur freien Künstlerin.<br />
Sie legte in dieser Zeit Grundlagen für Motive, die<br />
sie als Langzeitprojekte lebenslang begleiten soll-<br />
10 <strong>Bernstein</strong> <strong>13</strong>|2009
Links: Ausschnitt aus „Performance auf der Frühstücksbühne“, oben: Spiegelungen, unten: Rotes Tuch Gebekum (Türkei), Fotos: fognin<br />
Kunst<br />
Im Netz: www.tralau.com<br />
11
Marianne Tralau bei einer Ausstellung<br />
Gartenzwergperformance auf der Frühtücksbühne<br />
Fallschirmsprung mit 69 Jahren,<br />
Fotos: fognin<br />
ten. Gewebte Werkstücke dauerten ihr zu lange.<br />
Sie reduzierte. „Aber bevor ich die Weberei hinter<br />
mir gelassen habe, hat es noch eine Krönung gegeben.<br />
Ich habe den Staatspreis des Landes Nordrhein-Westfalen<br />
für Textilgestaltung bekommen,<br />
das war 1973. Sehr bald habe ich der Weberei dann<br />
den Rücken zugekehrt und die Sache abgekürzt<br />
indem ich genäht habe und zwar mit der Maschine.“<br />
Ihre neuen Werke waren zum Teil recht groß,<br />
3,80 m breit und 6 m lang, eine Serie von Fahnen.<br />
Heimlich hing sie sie an Fahnenmasten, im<br />
liebsten vor städtischen Gebäuden. Geometrische<br />
Muster, Farbkompositionen, Farben in der Landschaft,<br />
aber nicht verschwimmende, sondern ganz<br />
klare Flächen hingen an verschiedensten Plätzen<br />
der Stadt.<br />
Es gab keine Beschwerden oder öffentliche<br />
Irritationen. Dass es jemand wagen würde ohne<br />
öffentlichen Auftrag und amtlichen Segen, quasi<br />
illegal auszustellen, war zu der Zeit einfach undenkbar.<br />
„Mit Farben habe ich mich eine ganze Weile<br />
beschäftigt, ich habe auch Möbel überzogen.<br />
Es gibt noch zwei Stühle bei mir, einer mit einer<br />
Dose drauf, die ist mit überzogen. Außerdem habe<br />
ich noch einen gemacht, auf dem liegt ein Fußball,<br />
der auch mit überzogen ist. Den hat jemand gekauft.<br />
Im Laufe der 68er Jahre begann eine sehr<br />
starke Politisierung der jungen Leute und eine<br />
Politisierung überhaupt, ausgehend von Paris. Irgendwann<br />
hat mich diese Themenstellung auch<br />
ergriffen und ich habe mich gefragt, für wen ich<br />
diese ganze Kunst eigentlich mache. Ich musste<br />
mir ehrlicherweise die Antwort geben, für mich<br />
selber.<br />
Dann kam eine familiäre Katastrophe dazu,<br />
mein Mann starb sehr plötzlich, ich musste die<br />
Familie ernähren. Nach dem Studium war ich eineinhalb<br />
oder zwei Jahre lang Lehrerin und merkte,<br />
ich brauche Kunst, es geht nicht ohne. Ich wurde<br />
ein unzufriedener, missmutiger Mensch. Ich<br />
stellte mir wieder die Frage: Für wen denn Kunst?<br />
Und ich gab mir diese Antwort: Für dich, als reine<br />
Selbstbefriedigung. Diesmal habe ich das akzeptiert.“<br />
Marianne Tralau, verließ den „sicheren“<br />
Schuldienst und begab sich in das KAOS. Zumindest<br />
hieß die Firma so, die Peter Kleinert gegründet<br />
hatte. Die machten Videoproduktionen fürs<br />
Fernsehen, für Bürgergruppen und Gewerkschaften.<br />
Entweder direkte Beiträge, Auftragsproduktionen<br />
oder Ankäufe. Sie machte eigene Beiträge fürs<br />
Fernsehen, Mischungen aus Spiel- und Dokumentarfilmen,<br />
sogar ein Selbstportrait, das gesendet<br />
wurde.<br />
„Da war ich sehr stolz drauf, das konnte ich<br />
auch sein. In dieser Zeit hatte ich das unverschämte<br />
Glück, Arbeitsbedingungen zu haben,<br />
von denen jeder Künstler nur träumen kann.<br />
Um leben zu können, musste ich im Monat eine<br />
Woche stramm durcharbeiten, wenn ich das so<br />
einteilen konnte und hatte den restlichen Monat<br />
12 <strong>Bernstein</strong> <strong>13</strong>|2009
frei zur Verfügung. Das heißt, drei Wochen frei<br />
und eine Woche harte Arbeit, die dann aber auch<br />
Spaß machte.“ Für Geld war gesorgt. Marianne<br />
Tralau heiratete später Peter Kleinert. Und sie zog<br />
mit ihren Zeichnungen durch die Kölner Galerien.<br />
Die Galeristen waren angetan, äußerten sich<br />
positiv, aber es kam nicht zu Verträgen, sondern<br />
es hagelte Absagen. Marianne war zu alt. Mitte<br />
40 und entschieden aus der falschen Generation:<br />
In der Aufbauzeit direkt nachdem Krieg hieß es<br />
für die jungen Künstler nur, sie sollten sich die<br />
Hörner abstoßen, etwas lernen und werden. Jetzt,<br />
als markante Persönlichkeiten mit eigener Handschrift<br />
lautete das Urteil: „Du bist zu alt!“. Marianne<br />
Tralau erlebte dasselbe, wie viele ihrer Kollegen<br />
aus ihrer Generation.<br />
„Du bist zu alt.“ Drei meiner Kollegen sind<br />
daran verzweifelt, sie haben sich das Leben genommen.<br />
Die sahen für sich keine Perspektive<br />
mehr. Diesen Weg wollte ich nicht einschlagen<br />
In Zusammenarbeit mit KAOS richtete ich eine<br />
Galerie ein. Nicht für Leute, die zu alt sind, sondern<br />
für Leute, die aus anderen Gründen nichts<br />
verkaufen. Und zwar, weil sie nicht unverkäufliche,<br />
sondern unverkaufbare Kunstwerke machen.<br />
Dazu gehören Installationen, Performances, Konzeptkunst<br />
- alles, was man sich nicht an die Wand<br />
hängen kann. Das war eigentlich Ausstellungskunst<br />
am Markt vorbei. Bereits nach eineinhalb<br />
bis zwei Jahren war ich in der Stadt bekannt und<br />
ich kriegte von da an einen städtischen Zuschuss.<br />
Diese Galerie, die KAOS-Galerie, gab es zwölf Jahre,<br />
sie war bekannt und beliebt.“<br />
Aber nicht nur die Galerie, es gab auch anderes.<br />
<strong>13</strong> Jahre Vorstandsarbeit im Kölner BBK (Bundesverband<br />
Bildender Künstler). Bis sie keine Lust<br />
mehr hatte. Und bei der Neuwahl, im Rechenschaftsbericht<br />
frech auf die Frage nach ihren Tätigkeiten<br />
antwortete: „Nix! Ich habe nix gemacht.“<br />
Sie wurde wieder gewählt, mit überzeugender<br />
Mehrheit. Reichlich verdutzt, wieso ihre scheinbare<br />
Faulheit so positiv quittiert wurde, fragte sie<br />
den Vorsitzenden nach dem Grund. „Du bist alt,<br />
aber machst junge Kunst“ so die lakonische Antwort.<br />
Ein bemerkenswerter Satz, denn noch heute<br />
findet Marianne Tralaus Kunst genau dort ihre<br />
Würdigung, wo junge Kreative unvoreingenommen<br />
wahrnehmen können. Siehe den Artikel von<br />
Jonas Stegemann auf der nächsten Seite.<br />
Kunst<br />
Im Netz: www.tralau.com<br />
Parallelverschiebung<br />
Die Blaue Lagune<br />
„Ein Kunstwerk muss nichts von seiner Existenz einbüßen,<br />
wenn seine materielle Existenz nur von kurzer Dauer ist.<br />
Diese Überlegung fing mit einer Zeitungsnotiz an, einem Künstler<br />
sei sein gesamtes Oevre verbrannt. Ein Wintermantel beispielsweise<br />
kann verbrennen - dann ist er weg. Ein Kunstwerk kann verbrennen,<br />
dann ist nicht mehr sichtbar, aber nicht weg. Ein Kunstwerk<br />
hat mehr Ebenen als ein Wintermantel, davon ist mindestens eine<br />
feuerfest und dauerhaft: Die seines Ursprungs, die geistige.“<br />
„Ich verzichte auf Riesenhaftes. Sei es Gewicht oder Ausmaß<br />
oder Anspruch auf Ewigkeit. Die Existenz eines Kunstwerks<br />
ist von diesen Eigenschaften unabhängig. Eine Performance ist ein<br />
zeilich begrenztes Ereignis. Meine Würdigungen an einen Ort mit<br />
dem roten Tuch hinterlassen keine Spuren und haben meist nicht<br />
mal Publikum. Mein Langzeitprojekt „Secret Gifts“ ist zwar mittlerweile<br />
weltumspannend aber so geheim, dass nur die wenigsten<br />
davon wissen: Die, die involviert sind.“<br />
<strong>13</strong>
Junge Kunst kennt kein Alter<br />
von Jonas Stegemann<br />
Gesellschaftlich – so wird gemun-<br />
kelt – geht durch die Generatio-<br />
nen ein rigider Trennstrich; da,<br />
wo junge und ältere, womöglich<br />
alte Menschen etwas gemeinsam<br />
unternehmen oder sich gut und<br />
freiwillig verstehen, sollten sie<br />
zu mindestens verwandt sein;<br />
sonst wird dieser Kontakt als<br />
suspekt empfunden. Jonas und<br />
Marianne sind nicht verwandt,<br />
verstehen sich aber vorzüglich.<br />
Wir baten den jüngeren (19) die<br />
ältere (72) kritisch zu würdigen.<br />
Jonas Stegemann ist Mitglied der Jugendredaktion<br />
des <strong>Bernstein</strong> und Abiturient an<br />
der <strong>Freie</strong>n <strong>Waldorfschule</strong> <strong>Eckernförde</strong><br />
Bei meiner ersten Begegnung mit Marianne<br />
Tralau bot sie mir sofort das „Du“ an.<br />
Diese erste Begegnung fand statt, nachdem<br />
ich eine ihrer Zeichnungen gesehen hatte. Die<br />
Zeichnung heißt „Streit“ und ist mit Graphit auf<br />
Papier festgehalten. Ich stand eine ganze Weile vor<br />
der Wand, an der das Bild hing und konnte mich<br />
nicht entscheiden, ob ich es für eine Krakelei oder<br />
Kunst halten sollte. Ich war fasziniert. Ich versuchte<br />
die Zeichnung zu verstehen und betrachtete<br />
sie daher vom Nahen, wie ich es bei Gemälden<br />
im Museum gewohnt war. Beim näheren Betrachten<br />
sollte man doch die Technik erkennen, die der<br />
Künstler gebrauchte um seine Aussage mitzuteilen.<br />
Dem war aber nicht so. Meine Verwunderung<br />
wuchs ebenso wie meine Begeisterung für diese<br />
Zeichnung, als ich merkte, dass ich, oberflächlich<br />
betrachtet, nicht mehr als einen Bleistiftstrich auf<br />
einem Stück Papier vor mir hatte. Ein recht bewegter,<br />
ungerader, freihändiger Strich noch dazu,<br />
der jedoch das Streitgespräch zweier Menschen<br />
auf den Punkt zu bringen vermag.<br />
Mittlerweile kenne ich viele Zeichnungen<br />
von Marianne und kann diese auffällige Reduzierung<br />
der Mittel als einen eindeutig gewollten Stil<br />
der Künstlerin einordnen. Genau dieser Stil ist<br />
es auch, der mich seit der ersten Begegnung mit<br />
Mariannes Kunst fasziniert. Und damit stehe ich<br />
nicht alleine da. Wie Marianne selbst sagt, sind es<br />
vor allem Jugendliche, die sich von ihrer Kunst angesprochen<br />
fühlen, viele ältere Menschen fänden<br />
dagegen oft nicht den Zugang zu dieser Form der<br />
Kunst. Doch warum gerade Jugendliche?<br />
In unserer Gesellschaft werden gerade junge<br />
Menschen mit farbenfrohen, ausgeklügelten,<br />
aufwendig produzierten Werbespots und Serien<br />
überschüttet. Die Medien versuchen uns durch<br />
versteckte Inhalte psychologisch zu manipulieren<br />
und bauen dazu eine nicht mehr überschaubare<br />
Scheinwelt auf. Künstlerische Formen werden<br />
nicht zum Zwecke der Kunst selbst genutzt, sondern<br />
um Halbwahrheiten zu verpacken und dem<br />
Konsumenten mundgerecht vorzusetzen. Gezielt<br />
spricht die Werbung, ungeachtet des Inneren, das<br />
äußerliche Oberflächlichkeit des Menschen an<br />
und erfindet Normen, die zu erfüllen das Ziel jedes<br />
Menschen zu sein scheint.<br />
Doch auch wenn Jugendliche oftmals leicht<br />
manipulierbar sind, merken sie doch, wenn sie<br />
mit Lügen überschüttet werden. Diese Manipulation<br />
auf unrealistische, menschenfremde<br />
Forderungen nach möglichst reiner Haut oder<br />
Gegenständen mit angebissenem Apfel auf der<br />
Rückseite birgt eine Problematik, die gerade für<br />
Jugendliche, die sich ja in einer wichtigen Pha-<br />
14 <strong>Bernstein</strong> <strong>13</strong>|2009
se der Suche nach sich selbst befinden, äußerst<br />
schwerwiegend ist: Was ist wahr, wem können wir<br />
noch vertrauen?<br />
Mariannes Zeichnungen sind anders. Sie versuchen<br />
nicht unser Äußeres zu „normalisieren“<br />
oder uns zum Kauf zu überzeugen, wie Mariannes<br />
Biographie eindeutig beweist. Sie verstecken sich<br />
nicht hinter künstlichen Gesichtern, poppigen Effekten<br />
und erotisierender Nacktheit, sondern berühren<br />
den Betrachter innerlich durch ihre auf das<br />
Wesentliche reduzierte Art und Ehrlichkeit. Der<br />
Verzicht auf zum Beispiel perspektivische Korrektheit<br />
und andere stilistische Mittel irritieren den<br />
Betrachter zwar oftmals, sind aber durchschaubar<br />
und dann aber wesentlich für das Verständnis des<br />
Bildes. Obgleich Marianne Tralaus Zeichnungen<br />
meist eine politik- oder sozialkritische Botschaft<br />
beinhalten, verdeutlicht deren innewohnende Authentizität<br />
den Anspruch, ein freies künstlerisches<br />
Objekt, statt Mittel zum Zweck zu sein<br />
Ich bin nach wie vor von Mariannes Zeichnungen<br />
fasziniert und habe selber ein Bild von ihr<br />
zu hause. Ich rate jedem sich ihre Ausstellungen<br />
����������������<br />
����������������������<br />
�������������������������������������������������������<br />
������������������������������������������<br />
�������������������������������������������������<br />
����������������������������������������������<br />
�������������������<br />
���������������������������������������<br />
��������������������������������������������������<br />
Kunst im Dialog<br />
Im Netz: www.tralau.de<br />
anzusehen oder sie in ihrem Atelier, der Frühstücksbühne,<br />
zu besuchen, um selbst einen Eindruck<br />
Ihrer Kunst zu erhalten.<br />
Marianne Tralau: „Streit“<br />
15
Philipp Jöster lebt in Hamburg und ist<br />
Student der Kulturanthrpologie & Volkskunde<br />
Foto: Philipp Jöster<br />
Unrat in Kiel Professor Unrat, wichtigste<br />
von Philipp Jöster<br />
In Kiel muss man sich auf die Suche machen,<br />
wenn man die kleinen charmanten Veranstaltungen<br />
entdecken möchte. Zu finden sind sie meist in<br />
Kneipen, wie dem „Unrat“.<br />
Unscheinbar versteckt sich die Kneipe zwischen<br />
den Häusern der Metzstrasse in Kiel. Nur<br />
das grell leuchtende Astra Herz weist den Weg zur<br />
Eingangstür. Hier kann man das Bier für einen<br />
ehrlichen Preis in einer originell trashigen Dekoration<br />
genießen. Allerlei Fotos und Kleinkunst zieren<br />
die Wände. Das rote Heck eines alten Mercedes<br />
schwebt über dem Tresen, an dem man direkt<br />
beim Chef bestellt. Unser Besuch fand an einem<br />
verhangenen Novemberabend statt, die Stadt war<br />
trist und nass.<br />
Bereits der Blick durch die Fenster ließ erahnen<br />
wie voll die Kneipe war. Junge Leute, überwiegend<br />
Studenten quetschten sich, dicht gedrängt vor einer<br />
kleinen Bühne. Fast jeder der Sitzplätze, beste-<br />
Romanfigur des Schriftstellers<br />
Heinrich Mann aus Lübeck<br />
wird zum Namengeber der<br />
Kult(ur)kneipe „Unrat“ in Kiel.<br />
Eine Rosa Fröhlich aller-<br />
dings hat der Autor dort<br />
nicht angetroffen...<br />
hend aus Bierkisten und alten Sofas, war besetzt.<br />
Was einem entgegenströmte, war ein Luftcocktail<br />
gemixt aus Rauch, Bier und Schweiß. Doch hier<br />
war Feuer drin, dass merkte man schnell. Auf einer<br />
kleinen Fläche sammelten sich die fünf Musiker.<br />
Sie spielten ihre Instrumente locker sitzend<br />
auf Barhockern und Stühlen. „Laut ist Leichter“ ist<br />
der Name der Gruppe. Sie kommen aus Kiel und<br />
haben sich die Liedermacherei, nach eigener Aussage<br />
Pop-Poetik, auf die Fahnen geschrieben. Eine<br />
gute Kombination aus leichter melancholischer<br />
Gitarrenmusik und schnellen Ska- Elementen mit<br />
Saxophon. Die Lieder vermitteln einen vertrauten<br />
Einblick in das Gefühlsleben junger Menschen in<br />
der Stadt. Diese Zusammensetzung beflügelten<br />
das Publikum dazu auf den Bänken zu tanzen.<br />
Nach mindestens zwei Zugaben war das Konzert<br />
mit einem tobenden Applaus zu ende. Ein kurzes<br />
Zeichen zur Bar und durch die Menge hindurch<br />
wurden Bierflaschen an die Bühne gereicht. Das<br />
hatten sie sich verdient.<br />
Für alle Beteiligten war dieser Abend sicherlich<br />
ein fetziges Erlebnis. Deutlich wurde dabei<br />
auch, dass eben diese kleinen Veranstaltungen<br />
eine enorme Qualität haben. Stellvertretend dafür<br />
reiht sich das Unrat in eine umfassende Kieler<br />
Kneipenkultur ein. Ein anderer Ort ist das „Prinz<br />
Willy“. In dieser Kneipe im 70er Jahre Look fehlt<br />
es nicht an Programmpunkten oder Ideen. Eigenwillige<br />
Kleinkünstler, und kreative Musikcombos<br />
bekommen hier eine Plattform.<br />
Die Suche nach einem kulturellen Bonbon<br />
soll hiermit einwenig erleichtert werden. Denn<br />
großen Veranstaltungen mangelt es sicherlich<br />
nicht an Aufmerksamkeit, dafür aber häufig an<br />
Charme. Und genau diesen weisen die vielen kleinen<br />
Kneipen auf, worin das kulturelle Potenzial<br />
einer Stadt wie Kiel liegt.<br />
Ihre Haltepunkte im Netz:<br />
www.unrat-kiel.de, www.prinzwilly.de,<br />
www.myspace.com/lautistleichter<br />
16 <strong>Bernstein</strong> <strong>13</strong>|2009
Viel Lärm um neue Töne: In der tiefsten norddeutschen Pro-<br />
„ensemble reflexion K“<br />
von Jörg Meyer<br />
„Grenzwertexegesen“ machte 2003 der Rezensent<br />
der „Kieler Nachrichten“ in einem Konzert des<br />
<strong>Eckernförde</strong>r „ensembles reflexion K“ im Kieler<br />
KulturForum aus: „Musik interessiert sich hier<br />
vor allem dafür, was nach ihr ist – oder was vor ihr<br />
war. Es ist so ähnlich wie bei der Frage, was vor<br />
dem Urknall war, wie man sich denn das Nichts<br />
vorzustellen habe, und dabei unweigerlich eine<br />
stoffliche Vorstellung vom „Nichts“ entwickelt.<br />
Wie also klingt das Nicht-Klingen?“<br />
Von der Neuen Musik ist hier die Rede, namentlich<br />
jener Richtung, die sich mit neuen<br />
Klangstrukturen und ihrer Erforschung beschäftigt.<br />
Ensembles, die derlei betreiben, gibt es nicht<br />
wie Sand am Meer, schon gar nicht in Schleswig-<br />
Holstein. Doch seit das 2001 in Essen gegründete<br />
„ensemble reflexion K“ hier wirkt, hat die Neue<br />
Musik einen Exponenten, der zu einer gewissen<br />
„Renaissance“ der Neuen Musik und vor allem<br />
zu ihrer Popularisierung maßgeblich beigetragen<br />
hat.<br />
Die Flötistin Beatrix Wagner war nach ihrem<br />
Studium in Detmold unglücklich im dortigen Ensemble<br />
für neuere Musik. Avancierte Programmgestaltungen<br />
schienen dort unmöglich, so reifte<br />
der Plan, ein eigenes Ensemble für Neue Musik<br />
zu gründen, den sie nach einem ersten Versuch<br />
in der documenta-Stadt Kassel (daher zunächst<br />
auch das „K“ im Namen, das mittlerweile eher<br />
für „konzentriert, konsequent, kritisch und konzeptionell“<br />
steht) in Essen umsetzte. In der Erst-<br />
Kultur & Musik<br />
Im Netz: www.ensemblereflexionk.de<br />
vinz findet eine als schwierig gel-<br />
tende Kunstgattung immer mehr<br />
Anhänger. Während anderswo<br />
immer noch empörte Bildungs-<br />
bürger verachtungsvoll den<br />
Konzertsaal verlassen, wenn denn<br />
mal „Neutöner“ disharmonieren,<br />
wird in <strong>Eckernförde</strong> der mit Wil-<br />
helm Lehmann selbstironisch ge-<br />
nannte „Provinzlärm“ zum Mag-<br />
neten. Jörg Meyer beleuchtet einen<br />
ungewöhnlichen Werdegang.<br />
Das Ensemble „Reflexion K“. Immer dabei: Beatrix Wagner<br />
und Gerald Eckert (mitte) Fotos: fognin<br />
17
esetzung spielten Flöte, Sopran, Akkordeon und<br />
Schlagzeug, wenig später kamen Harfe und Cello<br />
dazu, dann Geige und Bratsche. Aktuell wird das<br />
Ensemble um Klarinette und Klavier erweitert. Im<br />
Herbst 2001 gab das junge Ensemble das erste<br />
Konzert in Essen – mit einem Programm, das naturgemäß<br />
von der instrumentalen Besetzung vorgegeben<br />
war. Der Anfang gestaltete sich schwierig,<br />
denn für Neue Musik war das Publikum selbst<br />
in Essen mit seiner Folkwang Hochschule schmal<br />
und auch die städtische Kulturförderung für diese<br />
Art der Musik entsprechend dürftig.<br />
Umso erfreuter war das Ensemble, als der<br />
Kulturbeauftragte der Stadt <strong>Eckernförde</strong>, Sven<br />
Wlassack, ihm 2003 anbot, über zwei Jahre eine<br />
regelmäßige Konzertreihe zu veranstalten. Schon<br />
im Jahr 2000 hatte der Komponist und Cellist<br />
Gerald Eckert, der in Essen zu reflexion K gestoßen<br />
war, im Künstlerhaus <strong>Eckernförde</strong> ein Stipendium<br />
wahrgenommen und so den Kontakt<br />
von Essen nach <strong>Eckernförde</strong> geknüpft. Die ersten<br />
Konzerte von reflexion K fanden im <strong>Eckernförde</strong>r<br />
Kultur-Café „Knarrpanti“ statt und erregten auch<br />
bald Aufmerksamkeit in der nahen Landeshauptstadt<br />
Kiel. Auf Initiative des damaligen Leiters<br />
der Stadtgalerie Kiel, Knut Nievers, wurden die<br />
<strong>Eckernförde</strong>r Konzerte auch im KulturForum der<br />
Stadtgalerie angeboten.<br />
Schnell eroberte sich reflexion K ein wenn<br />
auch kleines, so doch überaus treues Publikum,<br />
das nicht nur die seinerzeit hier im Norden ein-<br />
zigartige Möglichkeit schätzte, Neue Musik live zu<br />
hören, sondern auch die Tatsache, dass reflexion K<br />
die aufgeführten Werke jeweils erläuterte und in<br />
den Kontexten der Neuen Musik thematisch verortete.<br />
Ein reflexion K Konzert war somit immer<br />
auch ein kleines Kolleg über Neue Musik und ihre<br />
Tendenzen. Als fruchtbar erwies sich auch die<br />
enge Zusammenarbeit mit Gerald Eckert als Komponist,<br />
indem den Zuhörern neueste Werke von<br />
ihm zum Teil in Uraufführungen geboten wurden.<br />
„Es gab hier ein positives Klima für unsere<br />
Musik“, erinnert sich Wagner an den Grund, zusammen<br />
mit Eckert bald nach <strong>Eckernförde</strong> überzusiedeln<br />
und die kleine Fördestadt zum Standort<br />
des Ensembles zu machen.<br />
2005 wurde die Aufbauarbeit belohnt, indem<br />
reflexion K maßgeblich an der Gründung eines<br />
neuen Festivals für Neue Musik beteiligt war. Zusammen<br />
mit dem Land, der Stadt Kiel und Friedrich<br />
Wedell, der als Lehrbeauftragter an der Kieler<br />
Uni dort ein Forum für zeitgenössische Musik initiiert<br />
hatte, wurde „chiffren“ aus der Taufe gehoben.<br />
Was als Experiment geplant war, erwies sich<br />
bei der Premiere im Februar 2006 unerwartet als<br />
Publikumsmagnet und schuf geradezu eine Begeisterung<br />
für Neue Musik, noch stärker bei der<br />
zweiten Biennale 2008. Nicht zuletzt durch den<br />
Einsatz von reflexion K ist „chiffren“ inzwischen<br />
ein Modellprojekt des bundesweiten Netzwerks<br />
Neue Musik. Aber nicht nur durch „chiffren“<br />
strahlte die Arbeit des Ensmbles über die Stadt-<br />
„Soll daher am Schluss mit kurzen Worten ausgedrückt<br />
werden, nach welchem Ziel unsere Zeit zu<br />
steuern hat, so liesse sich der notwendige Untergang<br />
der willenlosen Wissenschaft und der Auf-<br />
„Das unwahre Princip unserer Erziehung“, 1914<br />
Max Stirner, 25. Oktober 1806 - 25. Juni 1856 gang des selbstbewussten Willens, welcher sich<br />
im Sonnenglanz der freien Person vollendet, etwa<br />
folgendermassen fassen: das Wissen muss sterben,<br />
um als Wille wieder aufzuerstehen und als<br />
freie Person sich täglich neu zu schaffen.“<br />
18 <strong>Bernstein</strong> <strong>13</strong>|2009
Frau-Clara-Str. 26 • 24340 <strong>Eckernförde</strong><br />
Tel.: 04351 712430 • Fax: 04351 712431<br />
Stöbern in gemütlicher Altstadtatmosphäre.<br />
Direkt am <strong>Eckernförde</strong>r Hafen.<br />
• hochwertiges Holzspielzeug<br />
• Kinder- und Jugendbücher<br />
• Anthroposophie<br />
• modernes Antiquariat<br />
Besuchen Sie uns auch im Internet<br />
www.spielkiste-eckernfoerde.de<br />
OSTHEIMER • HABA • SELECTA<br />
KÖSEN • KÄTHE KRUSE • SIGIKID<br />
Laufend neue Schnäppchen:<br />
Holzspielzeug, Bilderbücher,<br />
aktuelle anthropos. Bücher....%<br />
und Landesgrenzen hinaus aus. Schon 2004 war<br />
reflexion K Gast beim Festival „Before the Symbol“<br />
in Baku/Aserbaidschan. Es folgten Auftritte in<br />
der Konzertreihe „Globusklänge“ im Hamburger<br />
„Fußball Globus FIFA WM 2006“ sowie auf der<br />
10. Kryptonale in Berlin. 2005 folgte reflexion K<br />
einer Einladung zum Festival „Roaring Hoofs“ in<br />
die Mongolei. 2003 erschien die Debut-CD „Musica<br />
su due dimensioni“ mit Werken von John Cage,<br />
Carlo Carcano, Gerald Eckert, Maki Ishii, Bruno<br />
Maderna und Hans Zender. Anfang 2008 folgte<br />
die Aufnahme einer Portrait-CD von Gerald Eckert<br />
beim MDR in Leipzig, die im Herbst 2008 beim<br />
Label NEOS erschien.<br />
Trotz solcher auch internationalen Erfolge<br />
blieb reflexion K seiner „Heimatstadt“ <strong>Eckernförde</strong><br />
treu und initiierte dort im Februar 2007 erstmals<br />
das zweitägige Neue Musik Festival „Provinzlärm“,<br />
benannt nach einem Roman des <strong>Eckernförde</strong>r<br />
Autors Wilhelm Lehmann. Im Wechsel mit „chiffren“<br />
findet diese Biennale vom 26. bis 28. Februar<br />
2009 in der <strong>Eckernförde</strong>r Nicolaikirche als<br />
angestammtem Spielort des „ensembles reflexion<br />
K“ zum zweiten Mal statt.<br />
Auch im gerade vergangenen Jahr hat reflexion<br />
K in <strong>Eckernförde</strong> nicht nur die Neue Musik<br />
gepflegt, sondern auch deren Vermittlung, die<br />
dem Ensemble besonders am Herzen liegt. In der<br />
fünfteiligen Konzertreihe „Über Zeit“ begab sich<br />
reflexion K zusammen mit einem überaus interessierten<br />
Publikum auf die Spurensuche nach ei-<br />
Kultur & Musik<br />
www.provinzlaerm.de<br />
Anja Peters:<br />
Fachärztin für Frauenheilkunde und Geburtshilfe<br />
Schwerpunkte u.a.: Schwangerschaftsbegleitung,<br />
Zyklusstörungen, Wechseljahrsbeschwerden<br />
Markus Peters:<br />
Facharzt für Allgemeinmedizin/Naturheilverfahren<br />
Hausärztliche Versorgung, HeartMath® Trainer<br />
Schwerpunkte u.a.: Diagnostik, Beratung und Therapie<br />
von Erkrankungen des Herz- Kreislaufsystems;<br />
sowie von schulischen Lernschwierigkeiten.<br />
Ferner: – Ganzkörperhyperthermie<br />
– Krebstherapie mit psychoonkologischen<br />
und kunsttherapeutischen<br />
Behandlungsansätzen<br />
– Orthomolekulare Medizin<br />
– Darmsanierung bei Störung des<br />
Immunsystems<br />
– Strömungsmassage nach S. Pressel<br />
– Äußere Anwendungen<br />
Im Hause: – Heileurythmie, Kunsttherapie,<br />
Sprachtherapie, Heilpädagogik<br />
Heintzestr. 37, 24582 Bordesholm<br />
Tel.: Anja Peters: 04322 888-090<br />
Tel.: Markus Peters: 04322 888-091<br />
www.peters-bordesholm.de<br />
nem Aspekt nicht nur der Neuen Musik: dem Parameter<br />
Zeit – sowohl als musikalische Struktur<br />
wie als historische Bedingung – und schlug so den<br />
weiten Bogen von alpenländischer Folklore über<br />
die verschiedenen Paradigmen der Neuen Musik<br />
bis zum Klangmagier Olivier Messiaen, dem das<br />
Ensemble zu seinem 100. Geburtstag im Dezember<br />
2008 ein eigenes Recital widmete. Auch die<br />
kommenden Konzertreihen sollen wieder unter<br />
einem jeweiligen Motto stehen und so zum tieferen<br />
Verständnis der Neuen Musik, ja, der Musik<br />
als solcher beitragen. Ganz wie es der oben zitierte<br />
Rezensent schon in einem der ersten Kieler Konzerte<br />
des „ensembles reflexion K“ entdeckt hatte.<br />
Infos über das „ensemble Reflexion K“ und<br />
aktuelle Konzertprogramme auf den Webseiten:<br />
www.ensemblereflexionk.de, http://freenet-homepage.de/neuemusik.eckernfoerde<br />
und Festival<br />
„Provinzlärm“ vom 26. bis 28. Februar 2009 in<br />
der <strong>Eckernförde</strong>r Nicolaikirche.<br />
Jörg Meyer lebt und arbeitet als<br />
freier Kultur- und Musik-Journalist<br />
(u.a. für die „Kieler Nachrichten“) in Kiel.<br />
19
Termine der Konzertreihe Neue Musik<br />
<strong>Eckernförde</strong> 2009<br />
In 2009 steht die Konzertreihe<br />
Neue Musik <strong>Eckernförde</strong> ganz<br />
im Zeichen von Kontrasten.<br />
Schon der Anfang beginnt mit einem kontrastreichen<br />
Paukenschlag: im Festival ProvinzLärm<br />
mit dem Länderschwerpunkt Lettland treffen in<br />
fünf Konzerten klassische Instrumente (ensemble<br />
reflexion K und SENSUS-Streichquartett) mit<br />
Volksmusikinstrumenten (ensemble altera veritas)<br />
aufeinander und zeitgenössische Vokalwerke<br />
Kontraste I /„Ohne Titel“<br />
St. Nicolai-Kirche <strong>Eckernförde</strong><br />
1. Konzert, Do, 26.2.2009 20 Uhr<br />
2. Konzert, Fr. 27.2.2009 18 Uhr<br />
3. Konzert, Fr. 27.2.2009 20.30 Uhr<br />
4. Konzert, Sa. 28.2.2009 18 Uhr<br />
5. Konzert, Sa. 28.2.2009 20.30 Uhr<br />
Kontraste II / „On the edge“<br />
St. Nicolai-Kirche <strong>Eckernförde</strong><br />
Samstag, 25.4.2009 20 Uhr<br />
Kontraste III /„New Argentinia“<br />
St. Nicolai-Kirche <strong>Eckernförde</strong><br />
Freitag, 31.7.2009 21 Uhr<br />
Kontraste IV /„Ohne Titel“<br />
St. Nicolai-Kirche <strong>Eckernförde</strong><br />
Freitag, 25.9. 2009 20 Uhr,<br />
Kontraste V /„Stream“<br />
St. Nicolai-Kirche <strong>Eckernförde</strong><br />
Freitag, 20.11.2009 20 Uhr<br />
wechseln sich mit jahrhundertealter Vokalmusik<br />
ab (Schola cantorum Riga). In „on the edge / Kontraste<br />
II“ werden die eingeladenen Ensembles<br />
„Aventure“ (Freiburg) und „voces Berlin“ diesem<br />
Prinzip noch einmal treu bleiben.<br />
In „...by doing / Kontraste IV“ treffen die reflexion-K-Neue-Musik-Spezialisten<br />
auf Schüler<br />
der Jungmann-Schule, die zuvor in einer AG mit<br />
dem Komponisten Gerald Eckert Werke von John<br />
Cage erarbeitet haben und diese als „Zwischenmusiken“<br />
im Konzert präsentieren werden.<br />
In Planung befindet sich ein Sonderkonzert<br />
mit dem Duo „eardrum“ (Schlagzeug) für den Juli<br />
diesen Jahres.<br />
Santa Ratniece, Chaya Chernowin, Rebecca Saunders,<br />
Andris Dzenitis, Nick Gotham, Gundega Smite, Roman<br />
Pfeifer, Holger Klaus, Akemi Kobayashi, Peteris<br />
Vasks, Martins Vilums, Helena Tulve, Giacinto Scelsi,<br />
Gerard Grisey, Gerald Eckert und Josquin Desprez.<br />
Mit der „Schola Cantorum Riga“ (LV), dem „Ensemble<br />
altera veritas“ und vielen mehr.<br />
Werke von: Iannis Xenakis, Giacinto Scelsi, Gerald Eckert<br />
und Guillaume de Machaut Gastkonzert des Ensemble<br />
Aventure (Freiburg) und dem ensemble voces Berlin<br />
Werke, komponiert für das Ensemble Reflexion K,<br />
von: Natalia Solomonoff, Osvaldo Budón, u.a. Beatrix<br />
Wagner, Flöte, Eva Ignatjeva, Harfe, Eva Zöllner,<br />
Akkordeon, Gerald Eckert, Violoncello. by doing“<br />
Werke von: Nicolaus A. Huber, Matthias Spahlinger, Peter<br />
Gahn, Gerald Eckert, u.a.. Mit: dem „ensemble reflexion K“<br />
und Schülern des Jungmann Gymnasiums <strong>Eckernförde</strong>, Katia<br />
Guedes, Sopran, Beatrix Wagner, Flöte, Joachim Striepens,<br />
Klarinette, Lenka Zupkova, Violone, Gerald Eckert,<br />
Violoncello, Martin von der Heydt, Klavier, N.N. Percussion<br />
Werke für Instrumente und Elektronik von: Isabel<br />
Soveral, Andre Bartetzki, u.a., ensemble reflexion<br />
K, Beatrix Wagner, Flöte, Joachim Striepens, Klarinette,<br />
Lenka Zupkova, Violine, Gerald Eckert, Violoncello,<br />
Als Gast: Andre Bartetzki (Elektronik)<br />
20 Im Netz: www.provinzlaerm.de<br />
<strong>Bernstein</strong> <strong>13</strong>|2009
Waldorf schaut in die Welt – ein Dialog<br />
von Dominik Kessener mit Dirk Wegner<br />
<strong>Freie</strong> Schulen. Längst mischt<br />
der Staat auch in diesem Be-<br />
reich fleißig mit. Mit seinem<br />
Abschlussmonopol sind auch pä-<br />
dagogische und organisatorische<br />
Konsequenzen verbunden. Aber:<br />
was wäre, wenn wir uns dem<br />
Monopol widersetzten und Viel-<br />
falt statt Einfalt die Schullandschaft mit ihren Abschlüssen beleb-<br />
te? Ein Oberstufenschüler und Lehrer setzen sich auseinander.<br />
<strong>Waldorfschule</strong>n bieten im Vergleich zu staatlichen<br />
Schulen eine umfassende Ausbildung, die<br />
nicht nur im Bereich der Naturwissenschaften<br />
liegt. Lerninhalte werden für jedes Alter (für jeden<br />
Schüler) individuell vermittelt. Am Anfang stehen<br />
Aufnahmegespräche; hier wird durch Gespräche<br />
herausgefunden, zu welcher Klassengemeinschaft<br />
das Kind passen könnte. Dies ist wichtig, da die<br />
Klasse eine Schicksalsgemeinschaft bildet und der<br />
Lehrer eine karmische Verbindung zu den ihm<br />
anvertrauten Menschen entwickelt.<br />
Innerhalb der Schullaufbahn wird durch die<br />
vielen verschieden Fähigkeiten der Schüler und<br />
das permanente Zusammensein ein Verständnis<br />
für die Klassengemeinschaft entwickelt und<br />
Praxis für ganzheitliche Medizin<br />
Dr.med. Renata Asmussen-Kaiser<br />
Ärztin für Innere Medizin, Naturheilverfahren<br />
und Psychotherapie<br />
24103 Kiel, Küterstr. 2<br />
���������������������������������������<br />
E-Mail: renata.ask@hrask.de<br />
Neue Musik & Waldorf intern<br />
man lernt, in dieser sozial zu agieren. Der „Morgenspruch“,<br />
den die gesamte Klasse zu Beginn<br />
der ersten Unterrichtsstunde spricht, steht für<br />
den gemeinsamen Beginn des Tages. Im Zeugnis,<br />
welches nur am Ende eines Schuljahres vergeben<br />
wird, werden der Lernfortgang und der<br />
Entwicklungsstand im sozialen und Lernbereich<br />
schriftlich formuliert; so wird das Engagement<br />
des Schülers gewürdigt. Die Verteilung von Noten<br />
findet frühestens in der Oberstufe auf Nachfrage<br />
statt. Nachdem in der Unter- und Mittelstufe der<br />
Grundstein für ein rücksichtsvolles Miteinander<br />
gelegt worden ist, werden in der Oberstufe (ab<br />
dem neunten oder zehnten Jahrgang) die Schüler<br />
individuell auf die verschieden Abschlüsse<br />
Praxen für Rhythmische Massage:<br />
Rhythmische Massage<br />
nach<br />
Dr. med. Ita Wegman<br />
Anita Leitenberger<br />
Tel.: 0461 3<strong>13</strong>2771<br />
Nordergraben 72<br />
24937 Flensburg<br />
Iris Bach<br />
Tel.: 04354 1262<br />
Haller Weg 8<br />
24357 Fleckeby<br />
Barbara Krösche<br />
Tel.: 0431 64618<br />
Fröbelstr.28<br />
241<strong>13</strong> Kiel<br />
Behandlung durch geschulte Therapeuten<br />
21
vorbereitet. An dieser Stelle hat der Lehrer eine<br />
wichtige Position inne, denn er muss jeden Schüler<br />
einzeln einschätzen und in dessen Inneres<br />
schauen können. Am Ende der Waldorfschulzeit,<br />
mit dem Beschließen des zwölften Schuljahres,<br />
wird jeder Schüler vor der gesamten Schulgemeinschaft<br />
geehrt und durch das Tor entlassen,<br />
durch welches er auch am Anfang seiner Schulzeit<br />
ging, als er in die Schule aufgenommen wurde,<br />
während die Schulgemeinschaft sich erhebt<br />
und ein Lied anstimmt.<br />
Nun kann man sich denken, dass sich die<br />
neuen, vom Staat geforderten Schemata für Abschlüsse<br />
nicht auf die Waldorfpädagogik beziehen<br />
lassen. Dies stellt ein Problem dar, da die<br />
<strong>Waldorfschule</strong>n sich nun in einigen Bereichen<br />
zu entscheiden haben, ob sie weiterhin Waldorfpädagogik<br />
nach Dr. Rudolf Steiner vermitteln<br />
wollen, – aber keine Anerkennung vom Staat<br />
bekommen – oder ob sie den Richtlinien folgen.<br />
Dann wären die Schulen wahrscheinlich so organisiert,<br />
dass das einzig waldörfliche lediglich<br />
der Morgenspruch wäre. Es bestünde die Gefahr,<br />
Schüler, Träger, Sponsoren und Fürsprecher zu<br />
verlieren, da man auf einer genormten Staatschule<br />
dann dieselbe Ausbildung erführe, kostenlos.<br />
Man kann wirklich davon sprechen, dass der<br />
Staat uns die Waldorfpädagogik kaputt macht.<br />
Wer davon profitiert, ist nicht ganz klar, aber<br />
wer darunter leidet, sind wir, die Schüler und Lehrer<br />
der Schule. Ende 2008 hatte ich das Gefühl,<br />
die neue Reform ließe sich im Kollegium nieder<br />
und als mir in manchen Seelen unserer Lehrer<br />
selbige begegnete, schrieb ich einen rüden Artikel,<br />
welchen ich in der Schule an einigen Orten<br />
platzierte. Dieser Artikel rief Ärger gegen mich<br />
im Kollegium hervor; das sollte er auch. Er hatte<br />
zum Zweck, kleine Brände zu legen, damit die<br />
neuen Abschlüsse den Lehrkörpern und Schü-<br />
Kuttersegeln<br />
Kajaktouren<br />
Floßbau<br />
Trekking<br />
Klettern<br />
EVENT<br />
www.klassenreisen-schlei.de<br />
www.eventnature.de<br />
Fon: 04644-9737170 - post@eventnature.de<br />
NATURE<br />
Das erlebnispädagogische Abenteuer<br />
für Ihre Klasse an Schlei und Ostsee<br />
Schleswig-Holstein<br />
erleben<br />
lern in den Gemütern bleiben und damit man mit<br />
mir bzw. uns darüber zu sprechen beginnt. Dies<br />
schlug an manchen Stellen auch an, sowohl bei<br />
Lehrern, als auch bei manch einem Schüler; sowohl<br />
negativ, als auch positiv.<br />
An dieser Stelle möchte ich Lob und Dank an<br />
unsere Schule richten, die es geschafft hat, trotz<br />
der Steine, die ihr durch diverse Ministerien in<br />
den Weg gelegt wurden, weitgehend waldorf zu<br />
bleiben und sogar im Bundesvergleich als sehr<br />
hochwertig eingeschätzt wird.<br />
Was ich mir jedoch weiterhin wünsche, ist,<br />
dass die Angelegenheit „neue Abschlussreform“<br />
in unseren Geistern, sowohl in denen der Lehrer,<br />
als auch und gerade in denen der Schüler bleibt<br />
und dass eine ständige Auseinandersetzung mit<br />
der Materie stattfinden möge. Denn leider musste<br />
ich feststellen, dass ich zwar alle Lehrer, jedoch<br />
noch längst nicht alle Schüler/Innen erreicht habe.<br />
Ich bin jedoch fest davon überzeugt, dass unsere<br />
Schule und dass alle <strong>Waldorfschule</strong>n es schaffen<br />
können, sich gegen „den Staat“ zu wehren, wenn<br />
nur alle zusammenstehen und stets versuchen,<br />
gute Lösungen zu finden; die Bereitschaft, auf diesem<br />
Weg auch Kompromisse zu schließen sollte<br />
vorhanden sein.<br />
Dominik Kessener ist Redakteur der<br />
Jugendredaktion des <strong>Bernstein</strong> und<br />
Waldorfschüler der 11. Klasse<br />
Museum <strong>Eckernförde</strong><br />
Rathausmarkt 8, 24340 <strong>Eckernförde</strong>, Tel. 04351 – 712547, Fax 04351 – 712549<br />
Email: museum.eckernfoerde@gmx.de, www.eckernfoerde.net/museum<br />
Öffnungszeiten: bis 30.4. Di – Sa u. fei. 14.30 – 17 Uhr, So 11 – 17 Uhr,<br />
ab 2.5. Di – Sa auch 10 – 12.30 Uhr, Karfreitag geschlossen<br />
5. April bis 17. Mai 2009<br />
Sonderausstellung<br />
<strong>Eckernförde</strong> und der 5. April 1849 –<br />
Eine militärische Aktion als Medienspektakel<br />
Heilpädagogische Praxis<br />
flügelschlag<br />
Frühförderung, Einzelintegration,<br />
Schulkindförderung, Elternberatung,<br />
Chirophonetik, Heileurythmie<br />
Heintzestraße 37 Tel.: 04322 75<strong>13</strong>56<br />
24582 Bordesholm www.praxisfluegelschlag.de<br />
22 <strong>Bernstein</strong> <strong>13</strong>|2009
Zur Situation der <strong>Waldorfschule</strong>n 2009<br />
von Dirk Wegner<br />
Die Begründung der Waldorfpädagogik liegt jetzt<br />
90 Jahre zurück. In dieser Zeit hat sich die Welt<br />
gewaltig verändert, und das Tempo, in dem das<br />
geschah und geschieht, nimmt laufend zu. Wenn<br />
dennoch <strong>Waldorfschule</strong>n bestehen und sogar<br />
weltweit in den meisten Ländern unserer Erde,<br />
liegt das an einer besonderen Wesenseigenschaft<br />
der Waldorfpädagogik: Die ihr zu Grunde liegende<br />
Weltanschauung ist in der Lage dem raschen Wandel<br />
zu folgen. Das ist dadurch möglich, dass diese<br />
Weltanschauung nicht ein System von feststehenden<br />
Lehrsätzen beinhaltet (auch wenn es manchmal<br />
so erscheinen kann...), sondern eine Methode<br />
lehrt, den Menschen und die Welt zu erkennen.<br />
Dadurch ist die Möglichkeit gegeben, den Men-<br />
Waldof intern<br />
schen in seiner jeweilig zeitlich, geographisch,<br />
genetisch und sonstwie bedingten Ausprägung zu<br />
erkennen. Das Leitmotiv der Waldorfpädagogik<br />
ist aber darüber hinaus auch, dem individuellen<br />
Wesenkern des einzelnen Menschen zu helfen<br />
sich einzuleben in die leiblich-physischen Bedingungen<br />
des Erdenlebens. Ziel der Erziehung ist<br />
der freie, d.h. der zu freien Handlungen befähigte<br />
Mensch. Negativ formuliert: Ziel ist nicht der<br />
vorgeprägte, vorgeformte und dadurch bereits<br />
in seinen Entfaltungsmöglichkeiten behinderte<br />
Mensch, der dadurch auch seinen Beitrag zu einer<br />
menschengemäßen Gesellschaft nicht oder<br />
nur eingeschränkt leisten kann. Maßstab ist hier<br />
aber nicht ein abstraktes Ideal, sondern sind die in<br />
23
einem individuellen Menschen liegenden Entwicklungsmöglichkeiten.<br />
Waldorfpädagogik ereignet<br />
sich also stets konkret: mit den aktuell anwesenden<br />
Menschen unter den aktuellen Bedingungen aller<br />
Art. <strong>Waldorfschule</strong> ist die Schule, die sich permanent<br />
entwickelt und nur sich entwickelnd permanent<br />
ist. Das begründet, dass keine <strong>Waldorfschule</strong><br />
einer anderen gleicht. Dem widerspricht nicht,<br />
dass es dennoch Ähnlichkeiten und Gemeinsamkeiten<br />
gibt, denn die geistige Quelle ist eine gemeinsame.<br />
Auch haben Menschen einer Zeit ja<br />
Gemeinsamkeiten und manche Veränderungen<br />
der Menschheit und der Welt geschehen in einem<br />
viel langsameren Tempo als die augenscheinlich<br />
unsere Aufmerksamkeit herausfordernden.<br />
Es versteht sich von selbst, dass eine <strong>Waldorfschule</strong><br />
ein freie Einrichtung sein muss, frei von<br />
gesellschaftlicher oder staatlicher Bevormundung<br />
und dass die sie betreibenden Menschen wirtschaftlich<br />
frei gestellt sein müssen für ihre Arbeit.<br />
(Vorausgesetzt ist natürlich, dass Erziehung und<br />
Bildung heranwachsender Menschen überhaupt<br />
als eine gesellschaftlich zu erfüllende Aufgabe angesehen<br />
werden.)<br />
In der Bundesrepublik Deutschland gibt es<br />
eine allgemeine Schulpflicht; die Einrichtung und<br />
der Betrieb von Schulen sind staatliche Aufgaben.<br />
Die Wurzeln reichen zurück bis in die Zeit der<br />
Reformation, in der erstmalig eine Schulpflicht<br />
gefordert wurde, die dann vornehmlich in protestantischen<br />
Herrschaftsbereichen realisiert wurde.<br />
Im Preußen des 18. Jh. galt sie dann weit reichend,<br />
wobei das damit heraufziehende Bildungsmonopol<br />
des Staates auch kritisch gesehen wurde. Das<br />
Schul- als Berechtigungswesen, um sich weiterbilden<br />
zu dürfen, z.B. die Einführung des Abiturs als<br />
Studienberechtigung, bildete sich Mitte des 19. Jh.<br />
heraus. Seitdem hat es sich nur in Details verändert.<br />
Die Möglichkeit der Einrichtung freier Schulen<br />
ist in der Bundesrepublik Deutschland durch<br />
das Grundgesetz §7 (4) geschützt:<br />
Erstens: Das Recht zur Errichtung von privaten<br />
Schulen wird gewährleistet. Zweitens: Private<br />
Schulen als Ersatz für öffentliche Schulen bedürfen<br />
der Genehmigung des Staates und unterstehen<br />
den Landesgesetzen. Drittens: Die Genehmigung<br />
ist zu erteilen, wenn die privaten Schulen in<br />
ihren Lehrzielen und Einrichtungen sowie in der<br />
wissenschaftlichen Ausbildung ihrer Lehrkräfte<br />
nicht hinter den öffentlichen Schulen zurückstehen<br />
und eine Sonderung der Schüler nach den Besitzverhältnissen<br />
der Eltern nicht gefördert wird.<br />
Die Genehmigung ist zu versagen, wenn die wirtschaftliche<br />
und rechtliche Stellung der Lehrkräfte<br />
nicht genügend gesichert ist. Nach §7 (1) steht das<br />
gesamte Schulwesen unter Aufsicht des Staates.<br />
Der Staat ist für freie <strong>Waldorfschule</strong>n gleichzeitig<br />
Aufsicht Führender und Konkurrent. Dass diese<br />
rechtliche Konstruktion unproblematisch sei,<br />
wird man kaum behaupten können, insbesondere<br />
wenn man die Äußerungen der meisten politischen<br />
Parteien zu einem freien Schulwesen und<br />
noch mehr deren Handeln wahrnimmt.<br />
Es gibt nun im Wesentlichen drei Hauptangriffspunkte,<br />
die immer wieder die Existenz der<br />
<strong>Freie</strong>n <strong>Waldorfschule</strong>n angreifen und gefährden.<br />
Die finanzielle Ausstattung ist, länderspezifisch<br />
verschieden, in jedem Fall so, dass die <strong>Freie</strong>n<br />
<strong>Waldorfschule</strong>n gegenüber den staatlichen Schulen<br />
benachteiligt werden. Bei der Berechnung<br />
der staatlichen Schülerkosten werden nicht alle<br />
Ausgaben berücksichtigt. Von diesen erhalten die<br />
<strong>Freie</strong>n <strong>Waldorfschule</strong>n einen um 80 % liegenden<br />
Teil. Es gehört, nicht nur in Schleswig-Holstein,<br />
zu den bildungspolitischen Ritualen einer Legislaturperiode<br />
diesen doppelt erniedrigten Zuschusssatz<br />
zu Ungunsten der <strong>Freie</strong>n <strong>Waldorfschule</strong>n zu<br />
ändern zu versuchen. (Das „Finanzlückenfest“ in<br />
Kiel ist noch gut erinnerbar.)<br />
Es wird erwartet, dass die <strong>Freie</strong>n <strong>Waldorfschule</strong>n,<br />
d.h. deren Elternschaft einen wesentlichen<br />
Teil des Schulbetriebs finanziert. Gleichzeitig gilt<br />
das Sonderungsgebot (GG §7 (4), nach dem Kinder<br />
einkommensschwacher Eltern nicht benachteiligt<br />
werden dürfen. Es gab inzwischen höchstrichterliche<br />
Urteile, ob ein bestimmter Schulgeldbetrag<br />
diesem Sonderungsverbot widerspreche oder<br />
nicht, aber dennoch keine Klarheit. Denn es handelt<br />
sich um ein Ermessensurteil, über dessen<br />
Auslegung gut gestritten werden kann. Die <strong>Waldorfschule</strong>n<br />
sind jedenfalls nicht geschützt dagegen,<br />
dass staatliche Zuschüsse gesenkt werden<br />
und dadurch der Druck steigt höhere Elternbeiträge<br />
zu fordern. Wie das so entstehende Dilemma,<br />
dem Sonderungsgebot nicht genügen zu können<br />
und damit eine Genehmigungsvoraussetzung zu<br />
riskieren, zu entkommen ist, bleibt den Schulen<br />
überlassen. Mit steigenden Elternbeiträgen wachsen<br />
auch die Schulgeldausfälle, denn es werden<br />
Schüler natürlich unabhängig von ihrem finanziellen<br />
Hintergrund aufgenommen.<br />
Der zweite Angriffspunkt betrifft die Vorschulzeit<br />
und Einschulung. Jeder Mensch kann<br />
erkennen, dass der Schulbesuch, d.h. das Zusammensein<br />
und -lernen unter Schulbedingungen<br />
eine gewisse Entwicklungsreife erfordert, nicht<br />
nur um sich der Situation angemessen verhalten<br />
zu können, sondern auch um nicht durch verfrühte<br />
Beanspruchung von Lebenskräften die leiblichseelische<br />
Entwicklung nachhaltig zu schädigen.<br />
(Nicht wenige Sitzenbleiber an staatlichen Schu-<br />
24 <strong>Bernstein</strong> <strong>13</strong>|2009<br />
Foto: nike
len waren einfach zu früh eingeschult worden.)<br />
Der Staat, unterschiedlich in den Ländern geregelt,<br />
schreibt inzwischen das Einschulungsalter<br />
vor, unabhängig von der tatsächlichen individuellen<br />
Schulreife. Das ist ein massiver Eingriff in die<br />
Selbstbestimmung der Menschen und, weil die<br />
Regelung für alle Schularten gilt, auch in die Pädagogik<br />
und Selbstverwaltung der <strong>Waldorfschule</strong>n.<br />
Die Ausübung eines ihrer Grundsätze, nämlich<br />
mit dem Unterricht dem Entwicklungsbedürfnis<br />
des Kindes fördernd zu begegnen, wird erschwert.<br />
Daneben sei auf die verbreiteten Bemühungen<br />
hingewiesen, den Kindergarten zu einer Bildungseinrichtung<br />
mit schulähnlichen Bildungsaufgaben<br />
zu machen („Säuglingsuniversität“) in<br />
völliger Verkennung von den Entwicklungstatsachen<br />
des ersten Lebensjahrsiebts. Dieser (zwar<br />
gut gemeinte) Angriff auf die Volksgesundheit<br />
wird bisher nur durch Geldmangel verhindert.<br />
Der dritte Angriffspunkt ist ein indirekter<br />
und nicht offensichtlicher. Im Zuge der Ökonomisierung<br />
des gesamten gesellschaftlichen<br />
Lebens ist auch Bildung ein ökonomisch zu betrachtendes<br />
Gut geworden. Es wird erwartet, dass<br />
Schule die jungen Menschen fit macht für eine<br />
Wirtschafts- und Arbeitswelt, auf der globale Konkurrenz<br />
herrscht. Aus diesem Blickwinkel erklären<br />
sich die PISA-Studien und die jeweils danach<br />
einsetzenden Medien-Echos. Für Deutschland<br />
war die politische Konsequenz: Standardisierung<br />
der zu erreichenden Kompetenzen und Inhalte,<br />
Zentralisierung der Abschlüsse und Komprimierung<br />
der Ausbildungen (8-jährige Gymnasialzeit,<br />
Bachelor-Studiengänge). Die Einigung darüber<br />
vollzog sich erstaunlich geräuschlos, bedenkt<br />
man, wie laut bildungspolitische Grabenkämpfe<br />
über Jahrzehnte hinweg geführt wurden. Zwar<br />
dürfen die <strong>Waldorfschule</strong>n bei einer zwölfjährigen<br />
Waldorfschulzeit und wie die Gesamtschulen<br />
und Gemeinschaftsschulen bei einer <strong>13</strong>-jährigen<br />
Schulzeit bis zum Abitur bleiben, doch wirken<br />
die Bildungsstandards und zentralen Prüfungsaufgaben<br />
über die Abschlüsse in die Schulen hinein.<br />
Die <strong>Waldorfschule</strong>n sehen sich einem Druck<br />
ausgesetzt, der dadurch entsteht, dass einerseits<br />
die meisten Eltern und Schüler einen staatlichen<br />
Schulabschluss wünschen und erwarten, dass<br />
aber andererseits die inhaltlichen und Rahmenbedingungen<br />
von Seite des Staates vorgegeben<br />
werden. Für Oberstufenlehrer bedeutet das, um<br />
Prüfungsvoraussetzungen zu gewährleisten, zunehmend<br />
Unterrichtsinhalte und Methoden anzupassen.<br />
Dies muss bei begrenztem Zeitkontingent<br />
zu Lasten von waldorfpädagogisch begründeten<br />
Inhalten, Themen und Projekten gehen. Die Problematik<br />
ist in Bundesländern, in denen es schon<br />
lange zentrale Abschlüsse gibt, bekannt: „Waldorf-<br />
Gymnasium“). Man ist dort als <strong>Waldorfschule</strong> in<br />
solche Bedingungen hineingewachsen. In anderen<br />
Ländern wie auch Schleswig-Holstein gibt<br />
es aber gegenwärtig deutliche Anpassungs- und<br />
Amputationsschmerzen, weil vor allem das 12.<br />
Schuljahr, das doch die Waldorfschulzeit nicht nur<br />
Waldof intern<br />
abschließt, sondern wahrlich mit Überblicksepochen<br />
und Abschlussprojekten krönt oder krönen<br />
sollte, zunehmend benötigt wird für die gezielte<br />
Abiturvorbereitung. Diskutiert wird, den Realschulabschluss<br />
in das 11. Schuljahr zu legen, was<br />
in Nordrhein-Westfalen ab diesem Schuljahr geschieht,<br />
mit der Folge erheblicher Schülerverluste.<br />
In dem Maße, in dem eine <strong>Waldorfschule</strong> sich<br />
anpasst an die Bedingungen, die der Zeit(un)geist<br />
setzt, verliert sie aber ihre innere Existenzgrundlage<br />
und sind Oberstufenlehrer genötigt, eingeengt<br />
zwischen Eltern-/Schülererwartung und staatlicher<br />
Standardsetzung, marktkonform vorgefertigtes<br />
Menschenmaterial zur Verfügung zu stellen,<br />
statt in Freiheit junge Menschen zur Freiheit zu<br />
erziehen. Dass die Gesellschaft das bekommt,<br />
was sie verdient, ist kein echter Trost. Ein großer<br />
Trost dagegen ist, dass doch viele <strong>Waldorfschule</strong>n<br />
und -lehrer versuchen gegenzuhalten und Kompromisse<br />
minimalen Faulgrades schließen. Doch<br />
der Spielraum dafür ist aktuell spürbar kleiner geworden.<br />
Eins ist bei allen bildungspolitischen Reformen<br />
der vergangenen Jahre deutlich geworden:<br />
Pädagogische Gesichtspunkte spielen keine wesentliche<br />
Rolle. Das zu Grunde liegende Menschenbild<br />
wird als unreflektierte Projektion der<br />
herrschenden, vor allem ökonomischen Verhältnisse<br />
gewonnen. (Bei aller Pauschalisierung ist<br />
mir bewusst, dass auch an staatlichen Schulen<br />
im Rahmen ihrer Bedingungen gute Pädagogen<br />
hingebungsvoll ihre Arbeit tun.) <strong>Waldorfschule</strong>n<br />
sind Orte, an denen wenigstens versucht wird<br />
Menschen so zu bilden, dass sie eine zukünftige<br />
menschengemäße Gesellschaft gestalten können.<br />
Dadurch sind sie nicht nur eine alternative<br />
Schulart (wie manche andere auch), sondern sind<br />
Träger einer Kultur, von der die Gesellschaft den<br />
Eindruck erweckt, dass sie sie bräuchte.<br />
Dirk Wegner ist Lehrer in der Oberstufe an<br />
der <strong>Freie</strong>n <strong>Waldorfschule</strong> <strong>Eckernförde</strong><br />
BEI UNS IST ALLES BIO.<br />
Frische. Region. Naturschutz.<br />
Kiel: Hofholzallee 151<br />
Tel. 0431-52 95 <strong>13</strong><br />
Büdelsdorf: Hollerstrasse 47-63<br />
Tel. 04331-12 38-08<br />
25
Prometheus in gelecktem Deutsch<br />
von Dominik und Maximilian Kessener<br />
Was geschieht eigentlich, wenn<br />
sich zwei junge Leute, Schöler<br />
einer privaten Lehranstalt zumal,<br />
den ehrwürdigen Geheimrat zur<br />
Brust nähmen und ihn ins heu-<br />
tige Deutsch übersetzten? Ein<br />
erweckendes Erlebnis, fürwahr!<br />
Bemänteln Sie Ihren Amtssitz, Herr Schmidt, und<br />
exerzieren Sie, gleichsam dem geborenen, entwickelten<br />
Embryo, auf höherem Niveau.<br />
Sie sind wohl leider gezwungen, mir mein<br />
Anwesen zu lassen, so wie mein Obdach, welches<br />
sich seit langem in meinem Besitz befindet.<br />
An dieser Stelle wäre es vielleicht angebracht,<br />
einiges an Ihrem Verhalten und dem Ihrer Kollegen<br />
anzuprangern: Sie begehen Missbrauch am<br />
leichtfertigen Glauben des gemeinen Pöbels, dabei<br />
wären Sie verloren, wenn o.g. nicht von primitiver<br />
Natur wären.<br />
Einst, in jüngeren Tagen – ein junger Spund<br />
war ich – glaubte meine damals naive Seele Ihre<br />
schändliche Propaganda. Der daraus resultierende<br />
Glaube, ich könne mir großen Grundbesitz leisten,<br />
zerschellte in einem Kredit, den ich von Ihnen<br />
für eine Hypothek aufnehmen musste.<br />
Wer griff mir unter die arme, angesichts des<br />
Schimmels an der Wand? Stellten Sie mir nicht<br />
den Blanko-Check aus, zahlungskräftiger Vater<br />
Staat? ...zahlten viel und ausreichend. Doch ich<br />
wurde zum Narren gehalten – durch Ihre Taten,<br />
Ihre Worte.<br />
Um nicht zu weit abzuschweifen und sentimental<br />
zu werden: Ich werde mich nicht erkenntlich<br />
erweisen,angesichts dieser Unwahrheiten!<br />
Denn letztlich hat nicht Ihr Geld, sondern der<br />
Umgang mit Ihnen mich erfahren gemacht.<br />
Um den Ursprung meiner Intention, Ihnen<br />
zu schreiben, zu nennen: Ich werde eine oppositionelle<br />
Verbraucheroffensive gründen, Sie zu stürzen,<br />
ohne Sie zu leben, in Einklang und Harmonie.<br />
Doch am wichtigsten: Nicht in Abhängigkeit<br />
von Ihnen.<br />
etra Bendixen<br />
PhotoReading<br />
hotoReading<br />
Psychogenese<br />
sychogenese<br />
Bestimmung:<br />
Folge dem Stern<br />
Deines Lebens und Du<br />
wirst an Scheidewegen<br />
die richtigen<br />
(Ent-)Scheidungen treffen.<br />
Lütthörn 53<br />
24340 <strong>Eckernförde</strong><br />
info@petra-bendixen.de<br />
Tel.: 04351/87330<br />
Mobil: 0160/7653969 eMail:<br />
Zeichnung: 26 Kirsten Evers<br />
<strong>Bernstein</strong> <strong>13</strong>|2009<br />
www.petra-bendixen.de
merkenswürdig: Bücherkolumne<br />
Svenja Funke<br />
Letztens sollte ich eine Freundin abholen, doch<br />
weil sie noch nicht wieder zu Hause war, sagte<br />
ihre Mutter, ich solle doch hereinkommen und<br />
im Wohnzimmer auf sie warten. Mir wurde ein<br />
Kaffee angeboten und ich wurde gefragt, ob ich<br />
denn vielleicht etwas lesen wolle: ,,Meine Tochter<br />
erzählte mir, dass du immer so viel liest, was sie<br />
ja nun überhaupt nicht macht. Schade eigentlich.<br />
Aber ich kann dir leider keinen Harry Potter Band<br />
anbieten... ihr Jungendlichen lest doch nur so etwas,<br />
oder?“ Da musste ich ihr erst einmal schmunzelnd<br />
erklären, dass keineswegs alle Jugendlichen<br />
nur Harry Potter lesen.<br />
Dabei können natürlich auch Fantasybücher<br />
mehr als nur Unterhaltung bieten, sondern auch<br />
durchaus eine ordentliche Portion geistreichen<br />
Humor und Gesellschaftskritik enthalten, wie<br />
zum Beispiel ,,Kinder des Judas“ von Markus<br />
Heitz (ISBN: 978-3-426-66277-9, erschienen<br />
2007 im Droemer Knauer Verlag).<br />
Bevor ich die Bücher dieses Autors gelesen<br />
hatte, interessierte mich Fantasy jedoch recht wenig.<br />
Meine Lieblingsautoren waren Cecilia Rees,<br />
Isabel Allende, Harold Robbins oder Erich Kästner,<br />
der übrigens, entgegen vielen Vorurteilen,<br />
nicht nur Kinderromane verfasst hat.<br />
Das Buch, dass ich in dieser Ausgabe vorstellen<br />
möchte, ist eher nicht für allzu junge Leser gedacht<br />
gewesen. ,,Fabian“ (ISBN: 9783486887464)<br />
ist die Geschichte eines Moralisten, und wer sich<br />
etwas mit Erich Kästner beschäftigt hat, wird merken,<br />
dass es an Selbstironie in diesem Buch nicht<br />
mangelt.<br />
Doch nicht nur das macht diesen Roman, der<br />
das Gesellschaftsbild in Berlin am ,,Vorabend“<br />
Hitlers Machtergreifung sehr anschaulich, aber<br />
kritisch, reflektiert, so lesenswert. Selten ist ein<br />
Roman über Moral so humorvoll, satirisch und<br />
intelligent geschrieben worden. Interessant fand<br />
ich auch, dass aufgrund dieses Romans die Werke<br />
Erich Kästners anlässlich der Bücherverbrennung<br />
1939 in Deutschland unter dem Vorwurf der Pornografie<br />
verbrannt wurden.<br />
Kästner war wohl der einzige Autor, der verborgen<br />
in der Menschenmenge dabei zusah, wie<br />
seine Bücher verbrannt wurden und später öffentlich<br />
dazu Stellung nahm.<br />
merkenswürdig<br />
Glitzer - Kinderbücher?<br />
„Freche Mädchen – freche<br />
Bücher“? Mainstream Aben-<br />
teuer für Alle? Alles lang-<br />
weilig meint Svenja Funke<br />
und fordert Anspruchsvolles<br />
für die Schmökerstunde.<br />
Svenja Funke ist Schülerin der <strong>Freie</strong>n <strong>Waldorfschule</strong> <strong>Eckernförde</strong><br />
Fotos: fognin<br />
27
Danke an Freunde, Förderer und Helfer<br />
Bernd Hadewig für Vorstand und Kollegium der <strong>Freie</strong>n <strong>Waldorfschule</strong> <strong>Eckernförde</strong><br />
Liebe Freunde und Förderer des<br />
Waldorfkindergartens und der<br />
<strong>Waldorfschule</strong> <strong>Eckernförde</strong>!<br />
Wir danken denjenigen, die<br />
uns beim Frühjahrsputz hel-<br />
fen, aufzuräumen, zu renovie-<br />
ren und neu zu gestalteten.<br />
Bei den geplanten weiteren Vorhaben brauchen<br />
wir ideenreiche und engagierte Hilfe und finanzielle<br />
Unterstützung: z.B. für die Anschaffung von<br />
Spielgeräten und die Gestaltung der Außenanlagen<br />
im Kindergarten, für neue Stühle im Musiksaal<br />
und für die Einrichtung und Ausgestaltung<br />
der neuen Räume im Ostflügel und des Schulhofes.<br />
Wir bitten Sie um Spenden zu einem der angegebenen<br />
Zwecke auf das Konto <strong>Nr</strong>. <strong>13</strong>7 000 bei<br />
der Förde Sparkasse mit der Bankleizahl 210 50<br />
170. Eine entsprechende Spendenbescheinigung<br />
bekommen Sie dann umgehend von uns zugeschickt.<br />
Für eine lebenserhaltende Zukunft…<br />
Was, wenn die moderne Kultur eine Illusion ist und die Illusion sich<br />
gerade auflöst? Fühlen Sie diese Frage tief in Ihrer Seele? Was, wenn<br />
die Ölspitze, der Klimawandel und der wirtschaftliche Zusammenbruch<br />
wahr sind? Was, wenn Sie umsonst darauf warten, dass die<br />
Regierungen dieser Welt uns retten? Was, wenn es an Ihnen liegt,<br />
Veränderungen zu bewirken? Was machen Sie dann?<br />
www.just-stop.org<br />
Wir kamen auf die Welt, weil wir den Planeten Erde lieben. Wie<br />
können Sie Verantwortung für diese Liebe übernehmen?<br />
Liebe für Ihren Partner? Liebe für Ihre Kinder? Liebe für das<br />
Leben auf dem Planeten Erde?<br />
www.wahreliebeimalltag.de<br />
Können Sie als Wegbereiter dabei helfen,<br />
den Wechsel zu einer tragfähigen<br />
Kultur vorzunehmen? Tragfähige Kultur<br />
bedeutet neue Denk- und<br />
Verhaltensweisen.<br />
www.possibilica.org<br />
Ausbildung: Trainer für<br />
tragfähige Verhaltensweisen und neue Möglichkeiten<br />
www.callahan-academy.com