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Bernstein Nr. 13 - Freie Waldorfschule Eckernförde

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<strong>Bernstein</strong><br />

Dreizehnte Ausgabe: Zeitschrift für Bildung und Kultur. Kostenlos, wie immer.<br />

Uralt, neu erstanden: Faszinosum <strong>Bernstein</strong><br />

Waldorf baut weiter<br />

Aufrecht im Wind das Segel haltend - Günter Kunert wird 80<br />

Paul Scheerbart<br />

Marianne Tralau – Kunst ohne Marktzensur<br />

Junge Kunst kennt kein Alter<br />

Unrat in Kiel<br />

Viel Lärm um neue Töne: „ensemble reflexion K“<br />

Konzertreihe Neue Musik <strong>Eckernförde</strong> 2009<br />

Waldorf schaut in die Welt – ein Dialog<br />

Zur Situation der <strong>Waldorfschule</strong>n 2009<br />

Prometheus in gelecktem Deutsch<br />

merkenswürdig: Bücherkolumne


Herausgeber<br />

Erscheinungsweise<br />

Kulturredaktion<br />

Jugendredaktion<br />

Schulredaktion<br />

Bildredaktion<br />

Email Redaktion<br />

Anschrift<br />

Meinungsfreiheit<br />

Internet<br />

Gestaltung<br />

Fotoredaktion<br />

Auflage<br />

Vertrieb<br />

Anzeigen &<br />

Vertrieb:<br />

Anzeigen- und<br />

Redaktionsschluss<br />

Bernd Hadewig für den<br />

Verein zur Förderung der Waldorfpädagogik<br />

<strong>Eckernförde</strong> e.V., Schleswiger<br />

Straße 112, 24340 <strong>Eckernförde</strong>,<br />

T. 04351-7675-0, schule@waldorf-eckernfoerde.de<br />

<strong>Bernstein</strong> erscheint zweimal jährlich als<br />

unabhängige Zeitschrift für Bildung und Kultur.<br />

fognin (fst) verantwortlich<br />

Nicolaus Kessener (nike)<br />

Dominik Kessener<br />

Janos Darvas<br />

Bernd Hadewig<br />

Dorothea Heldt<br />

redaktion@bernsteine.org<br />

c/o Markus Feuerstack<br />

St.-Nicolai-Str. 7A<br />

24340 <strong>Eckernförde</strong><br />

04351 - 72 62 00<br />

Jeder Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder;<br />

eine Übereinstimmung mit der Meinung der<br />

Redaktion kann aus seiner Veröffentlichung<br />

nicht abgeleitet werden.<br />

www.bernsteine.org<br />

www.studiopow.com<br />

Dorothea Heldt<br />

7.500<br />

Kostenlose Verteilung im Kreis Rendsburg-<strong>Eckernförde</strong>,<br />

Kreis Schleswig-<br />

Flensburg und im Kieler Umland.<br />

vertrieb@bernsteine.org<br />

Peter Hund,<br />

Böhnrüher Weg 39, 24360 Barkelsby,<br />

T: 04351-8 69 28, F: 04351-7675-61,<br />

M: 0170-4069955, anzeigen@bernsteine.org<br />

Ausgabe <strong>Bernstein</strong> Nummer vierzehn:<br />

Juli 2009<br />

Uralt, neu erstanden: Faszinosum<br />

<strong>Bernstein</strong> von Nicolaus Kessener (03)<br />

Waldorf baut weiter von Bernd Hadewig (05)<br />

Aufrecht im Wind das Segel haltend.<br />

Günter Kunert wird 80 von Björn Engholm (06)<br />

denkMal: Paul Scheerbart (09)<br />

Marianne Tralau – Kunst ohne<br />

Marktzensur von fognin (10)<br />

Junge Kunst kennt kein<br />

Alter von Jonas Stegemann (14)<br />

Unrat in Kiel von Philipp Jöster (16)<br />

Viel Lärm um neue Töne:<br />

„ensemble reflexion K“ von Jörg Meyer (17)<br />

Konzertreihe Neue Musik <strong>Eckernförde</strong> 2009 (20)<br />

Waldorf schaut in die Welt – ein Dialog von<br />

Dominik Kessener mit Dirk Wegner (21)<br />

Zur Situation der<br />

<strong>Waldorfschule</strong>n 2009 von Dirk Wegner (23)<br />

Prometheus in gelecktem Deutsch von<br />

Dominik und Maximilian Kessener (26)<br />

merkenswürdig:<br />

Bücherkolumne von Svenja Funke (27)<br />

2 <strong>Bernstein</strong> <strong>13</strong>|2009


Uralt, neu erstanden: Faszinosum <strong>Bernstein</strong><br />

von Nicolaus Kessener<br />

Der „Börnesteen“ des Mittelal-<br />

ters war den Griechen bereits<br />

vor 6000 Jahren als élektron<br />

bekannt. Zweihundertfünfzig<br />

Millionen Jahre alt sind die<br />

„Steine“, die gar keine sind,<br />

sondern als fossile Baumharze<br />

ihrer Form wegen die Bezeich-<br />

nung „Stein“ erhielten.<br />

Nicolaus Kessener, Foto: fognin<br />

<strong>Bernstein</strong> in der Ostsee, Foto: Dorothea Heldt<br />

Inhalt & Editorial<br />

Ein Schmuckstein war und ist er; auf der ganzen<br />

Welt verbreitet als Inbegriff für das Konservieren<br />

von Lebensformen; hübsch anzusehen obendrein,<br />

lehrreich und immer wieder faszinierend: ein<br />

Weltbürger.<br />

Seine Einschlüsse, Inklusionen, vermitteln<br />

uns Erkenntnisse von uralten Insekten und lassen<br />

uns staunen über Lebewesen, die in eine Harzblase<br />

eingeschlossen 250 Millionen Jahre unverändert<br />

überdauerten.<br />

Schmuckstücke werden und wurden aus<br />

ihnen angefertigt und die Menschen schrieben ihnen<br />

magische Kräfte zu.<br />

250 Millionen Jahre alt und doch so lebendig<br />

fängt er das Sonnenlicht ein und lässt es uns<br />

in immer neuen Ansichten Facetten erscheinen.<br />

<strong>Bernstein</strong>e erscheinen wie Fingerabdrücke: einmalig<br />

und unverwechselbar.<br />

Unbestechliche Zeitzeugen sind sie und verändern<br />

doch für den Betrachter ihre Wirkung mit<br />

dem veränderten Lichteinfall. Vom Brennstein<br />

des Mittelalters bis zum <strong>Bernstein</strong>zimmer des 18.<br />

Jahrhunderts bieten sie eine unglaubliche Vielfalt<br />

der Gestaltungs- und Präsentationsmöglichkeiten.<br />

Es braucht etwas Wesentliches, um einen<br />

<strong>Bernstein</strong> zu dem zu machen, was er ist und was<br />

uns heute häufig fehlt: Zeit, Geduld und die Konzentration<br />

auf das Wesentliche.<br />

Kennen Sie dieses Gefühl? Sie müssen unbedingt<br />

den Zug erreichen, kommen schon wieder<br />

zu spät, fühlen sich in die Enge getrieben weil sie<br />

einfach keine Zeit zu haben glauben, weil andere<br />

Dinge wichtiger erscheinen...<br />

Wir beschleunigen unsere Aktivitäten, um<br />

noch mehr in de Alltag hineinpacken zu können:<br />

schneller essen, schneller Gespräche führen, Ziel<br />

orientiert und schnell zum nächsten Thema, zum<br />

nächsten Tagespunkt; Getriebene von den ach so<br />

wichtigen Dingen unseres Lebens.<br />

Hyperaktivität, AD(H)S und Aggressionen bei<br />

Kindern sind verbreitete Zeiterscheinungen, die<br />

wir mittels Medikationen behandeln, ohne über<br />

ihre Ursachen genaue Kenntnisse zu erwerben.<br />

Ein Mensch ist schnell abgestempelt als: Querulant,<br />

Kleinbürger, Ausländer oder Yuppie, Popper,<br />

Emo. Ausgrenzungen und Abstempelungen führen<br />

dazu, mich nicht mit jemandem auseinandersetzen<br />

zu müssen.<br />

Die Finanzwirtschaft in Europa und in der<br />

Welt hat ein riesiges Problem; angeblich verleihen<br />

die Banken untereinander kein Geld mehr, weil<br />

sie sich gegenseitig nicht vertrauen. Regierungen<br />

stellen Steuergelder zur Verfügung, damit die Finanzströme<br />

wieder fließen und die Banken sich<br />

3


wieder trauen, sich gegenseitig zu trauen und<br />

Geld zu verleihen und es scheint, als wären die<br />

Bürger unseres Landes überhaupt nicht beunruhigt<br />

über diese Krise. Ja, es scheint, als begrüßten<br />

viele Menschen die Krise als Hoffnung, dass aus<br />

ihr etwas Gutes entstehen könne für alle Menschen.<br />

Das alles hat nichts miteinander zu tun? Ich<br />

sehe das anders: Freiheit bedeutet für mich heute<br />

schon längst nicht mehr, jedes Event mitfeiern;<br />

auf jeder Hochzeit tanzen zu können: Freiheit<br />

bedeutet, mich zu beschränken auf das Wichtige<br />

und Wesentliche und nicht zu bedauern, das nicht<br />

in Anspruch zu nehmen, was andere für wichtig<br />

halten.<br />

Freiheit ist die bewusste<br />

Beschränkung auf<br />

Aktivitäten und Handlungen,<br />

die ich durchdringend<br />

und nachhaltig<br />

ausüben möchte; Konzentration<br />

auf wesentliche<br />

Dinge im Leben.<br />

Sich Zeit zu nehmen<br />

für wichtige Dinge<br />

und diese nicht gleich als<br />

komplett verstanden und<br />

Übergang zum nächsten<br />

Highlight zu begreifen,<br />

sondern als etwas Wirkliches, Erlebtes und<br />

Erfahrbares, das es Wert ist, im Gedächtnis und<br />

Herzen zu behalten, verstehe ich als zentrales Anliegen.<br />

Selbstredend gehören Respekt gegenüber<br />

allen Menschen, besonders den Andersdenkenden<br />

dazu, Respekt gegenüber den Tieren, unserer<br />

Umwelt, die nicht uns gehört, sondern unseren<br />

Kindern und Kindeskindern, Respekt gegenüber<br />

den Kindern, die uns einen Spiegel vorhalten, den<br />

wir in unserer erwachsenen Ignoranz oft genug<br />

als Störung begreifen und ihn AD(H)S nennen.<br />

Fairness gegenüber allen Menschen wäre heute<br />

viel eher möglich, als noch vor etwa 50 Jahren.<br />

Sich erfreuen am Ausprobieren von Ideen und Gedanken,<br />

die allen Menschen nützen, sie unterstützen<br />

in ihren Bemühungen, unsere Welt weiter zu<br />

entwickeln; Geduld zu haben, wenn nicht sofort<br />

alles perfekt ist und den Kindern und Jugendli-<br />

chen die Chance zum Einbringen und Entwickeln<br />

von Ideen zu geben, ist heute der Maßstab, an<br />

dem uns künftige Generationen messen werden.<br />

Haben Sie Geduld mit uns und helfen Sie uns,<br />

den <strong>Bernstein</strong> zu einer aufregenden Zeitschrift<br />

zu machen. Wir möchten mit Ihnen zusammen<br />

Facetten unseres Schleswig Holsteinischen Mikrokosmos<br />

beleuchten, interessiert und neugierig<br />

bleiben und uns für wesentliche Dinge einsetzen,<br />

Kunst, Bildung und Kultur als Herzensangelegenheit<br />

empfinden und aus den unterschiedlichen<br />

Standpunkten der Erwachsenen und Jugendlichen<br />

den <strong>Bernstein</strong> zu einem Faszinosum werden<br />

lassen.<br />

„Freiheit bedeutet, mich zu<br />

beschränken auf das Wichtige<br />

und Wesentliche und nicht<br />

zu bedauern, das nicht in<br />

Anspruch zu nehmen, was<br />

andere für wichtig halten.“<br />

Nicolaus Kessener ist Mitglied der<br />

<strong>Bernstein</strong>redaktion und Waldorfvater<br />

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����������������������� Frei.<br />

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Monika Kiel-Hinrichsen<br />

Forum Zeitnah<br />

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4 <strong>Bernstein</strong> <strong>13</strong>|2009


Waldorf baut weiter<br />

Bernd Hadewig<br />

Seit 1984 bietet die <strong>Eckernförde</strong>r <strong>Waldorfschule</strong><br />

Unterricht an in dem markanten Gebäude mit<br />

den drei Türmen, das ursprünglich (19<strong>13</strong>-1915) als<br />

Altersheim gebaut worden war. Seither hat sich<br />

einiges verändert auf dem Hügel über dem Windebyer<br />

Noor. So ist vor kurzem ein weiterer Bauabschnitt,<br />

der Ostflügel, weitgehend fertig gestellt<br />

worden. Um ein breites Angebot für eine offene<br />

Ganztagsschule im Sinne der Waldorfpädagogik<br />

zu ermöglichen, wurde auch das unter Denkmalschutz<br />

stehende Hauptgebäude gründlich umgewandelt.<br />

Dabei wurde Raum für eine große Mensa<br />

und eine neue Schulküche geschaffen. Nunmehr<br />

öffnet ein neuer Windfang vor dem Haupteingang<br />

einladend seine Türen zum Eintritt in das Schulhaus.<br />

Im Erdgeschoss des neuen Ostflügels schließen<br />

die Räume direkt an die Mensa und an das<br />

Foyer an. Übungsräume für die waldorftypischen<br />

handwerklich-künstlerischen Kurse, für den Unterricht<br />

im Klassenverband sowie für die intensive<br />

musikalische Einzelförderung und flexible Arbeitsgemeinschaften<br />

wurden in dem Neubau geschaffen.<br />

Zusätzlich ist eine kleine Teeküche für<br />

die Arbeitsgemeinschaften eingerichtet worden,<br />

die hilft, den Erlebnischarakter des Lernens zu<br />

betonen. Im Untergeschoss gibt es jetzt dringend<br />

benötigte Lagerräume. Im 1. und 2. Stockwerk liegen<br />

das neue Lehrerzimmer und Räume für Fachunterricht.<br />

Im geplanten weiteren Bauabschnitt<br />

(2010/2011) sind ein neuer Musik- und Eurythmiesaal<br />

sowie Üb- und Arbeitsräume vorgesehen.<br />

Damit sich die Qualität der Schule im musikalisch-künstlerischen<br />

Bereich weiter entwickeln<br />

kann, sollen Bühnennebenräume und ein weiterer<br />

Übungsraum in der nächsten Ausbaustufe (2009)<br />

hinzukommen.<br />

Die Planung für den vorgesehenen Ausbau<br />

des Ostflügels reichen also bis 2011. Letztlich soll<br />

ein künstlerisch- und funktionales Gesamtkunstwerk<br />

entstehen, das den pädagogischen Impuls<br />

äußerlich sichtbar macht und im Inneren ermöglicht.<br />

Des Weiteren ist geplant, auch die Außenflächen<br />

zu einem Pausen- und Freizeitbereich zu<br />

gestalten, der allen Altersstufen ihren Bedürfnissen<br />

entsprechend Spiel-, Erlebnis- und Erholungsraum<br />

bieten kann.<br />

Eine Baubroschüre, die demnächst von der<br />

<strong>Eckernförde</strong>r <strong>Waldorfschule</strong> veröffentlicht wird,<br />

stellt den aktuellen Bauabschnitt vor und gibt einen<br />

Einblick in die weiteren Planungsideen.<br />

Trotz verbesserter Bezuschussung seitens des<br />

Landes sind Eltern und Freunde der <strong>Waldorfschule</strong><br />

gezwungen, tatkräftig mit Eigenleistungen und<br />

finanziellen Zuwendungen beizusteuern, damit<br />

Waldorf intern<br />

die Gesamtfinanzierung ermöglicht wird und das<br />

pädagogische Umfeld sich weiter verbessern kann.<br />

Eltern. Lehrer und auch ältere Schüler haben mit<br />

viel Enthusiasmus beim Innenausbau des ersten<br />

Bauabschnittes mitgearbeitet. Auch weiterhin<br />

braucht die <strong>Waldorfschule</strong> neben den geplanten<br />

Eigenleistungen nicht nur ideenreiche und engagierte<br />

Hilfe der Schulgemeinschaft, der Freunde<br />

und Förderer, sondern auch finanzielle Unterstützung!<br />

Wir bitten um Spenden zu diesem Zweck:<br />

Waldorf-Neubau auf das Konto <strong>Nr</strong>. <strong>13</strong>7 117 bei der<br />

Förde Sparkasse (BLZ 21050170). Eine entsprechende<br />

Spendenbescheinigung bekommen Sie<br />

dann umgehend von uns zugeschickt.<br />

Durch die neuen Räume wird ein weiterer<br />

zukunftsträchtiger Impuls für diesen besonderen<br />

Schulstandort gegeben. Wir arbeiten daran, dass<br />

sich die <strong>Eckernförde</strong>r <strong>Waldorfschule</strong> als ein „Haus<br />

für Bildung und Kultur“ insbesondere für die heranwachsende<br />

Generation weiter entwickeln kann.<br />

Bernd Hadewig ist Geschäftsführer der<br />

<strong>Freie</strong>n <strong>Waldorfschule</strong> <strong>Eckernförde</strong><br />

und Herausgeber des <strong>Bernstein</strong><br />

5


ges Werk, das uns in Atem hält; Irrtum ausgeschlossen!<br />

Günter Kunert und Dank für ein umfassendes und vielfälti-<br />

tung Respekt zu zollen und zu feiern. Herzlichen Glückwunsch<br />

testens wenn sie 80 Jahre alt werden gilt es, dieser Lebensleis-<br />

und Erfahrungen getrost als Leben bezeichnen dürfen. Spä-<br />

selbst zuhause sind, das Gehäuse eigener Wahrnehmungen<br />

Umgang mit dem Worte sollten die pflegen, welche in sich<br />

Als er noch Landsmann/Ost war, in vergangener<br />

Zeit, las mir meine Frau ein Gedicht vor:<br />

„Empfehlung: sich nicht zu ducken. Das<br />

Schiff liefe nicht vorwärts, stünde nicht aufrecht<br />

im Wind das Segel!“<br />

Ist von Kunert, sagte meine Frau. Was für’n<br />

Kunert, fragte ich ahnungslos. Dann wurde dieser<br />

Kunert Landsmann/West, mehr noch: er siedelte<br />

in Schleswig-Holstein auf flachem Lande, in Kaisborstel,<br />

„neben der Haltestelle für Eichelhäher“,<br />

wie er schreibt, um - unverwechselbar Kunert<br />

- hinzuzufügen: „Die Ornithologie ist mir fremd<br />

wie die Ontologie. Ansonsten ist das Landleben<br />

gemütlich.“<br />

Es war ein langer Marsch nach Kaisborstel;<br />

ein Marsch mit vielen, nicht eben leichten Stationen.<br />

Diese Lebensstationen<br />

erzählen vieles über<br />

den Menschen Kunert,<br />

sie haben ihn geprägt,<br />

haben Abdrücke hinterlassen,<br />

Stempelungen.<br />

Sie sind gleichsam das<br />

Gehäuse seiner Wahrnehmungen,Erfahrungen,<br />

Einstellungen und<br />

Überzeugungen.<br />

1929 in der Berliner<br />

Chausseestraße geboren,<br />

verhindern nach<br />

der Volksschulzeit die<br />

von Björn Engholm<br />

Aufrecht im Wind das Segel haltend<br />

Günter Kunert wird 80<br />

NS-Rassegesetze jede Weiterbildung wegen „jüdischer<br />

Herkunft“.<br />

Leid kehrt ein. Das einzige Glück besteht<br />

in der Abstempelung zum „Wehruntüchtigen“.<br />

Kunert notiert später: „Es war eine staatlich verpfuschte<br />

Kindheit.“<br />

1945 endet der nazistische Spuk in einer Apokalypse.<br />

Haben die Menschen gelernt, fragt Kunert<br />

rückblickend? Und er antwortet: „Als der Mensch<br />

unter den Trümmern seines bombardierten Hauses<br />

hervorgezogen wurde, schüttelte er sich und<br />

sagte: Nie wieder! Jedenfalls nicht gleich...“<br />

1946 beginnt er das Studium der Grafik an<br />

der Hochschule Weißensee, 1949 wird er aus antifaschistischer<br />

Motivation heraus SED-Mitglied.<br />

Ab 1948 schreibt er für den Ulenspiegel und 1950<br />

erscheint sein erster<br />

Gedichtband. Zwischen<br />

1950 und 1952 begegnet<br />

er Berthold Brecht;<br />

Johannes R. Becher<br />

fördert den jungen Autor.<br />

Um 1965 beginnen<br />

seine Probleme mit<br />

der SED. Poesie, Literatur<br />

ohne Freiheit, da<br />

eine politisch rein verzweckte<br />

Poesie erscheinen<br />

ihm unmöglich.<br />

1976 protestiert er gegen<br />

die Ausbürgerung<br />

6 <strong>Bernstein</strong> <strong>13</strong>|2009


Biermanns und wird 1977 aus der SED ausgeschlossen.<br />

In einem Aktenvorgang, „Zyniker“<br />

als Code, tauchen alle gängigen Stereotypen der<br />

Staatssicheren auf: Intellektueller, Revisionist,<br />

Pessimist, Überheblichkeit…<br />

„Als unnötigen Luxus herzustellen verbot,<br />

was die Leute Lampen nennen, König Tharsos von<br />

Xantos, der von Geburt Blinde.“ Auch, wenn die<br />

Zensur nichts begriffen hat, diese poetische Kritik<br />

hatte sie voll erreicht. Seit 1979 lebt Kunert nun in<br />

Schleswig-Holstein; eigensinnig und - willig wie<br />

eh, dabei still, bescheiden, ohne „Pomp and circumstances“,<br />

keine Ein-Mann-Lichterkette, einer,<br />

den wir achten, ehren und mögen.<br />

Wer die Mühen des Schreibens je erfahren<br />

hat, den erfasst Respekt, ja, Neid, angesichts all<br />

dessen, was Kunert bis heute literarisch produziert<br />

hat: Lyrik, Lyrik und immer wieder Lyrik; Essays;<br />

Reiseberichte; einen Roman; Beiträge für den<br />

Hörfunk; Arbeiten für Film- und Fernsehen; ein<br />

Vor-Lesender und Disputierer zumal: ein voluminöses,<br />

ein pralles, ein unzweifelbar bedeutendes<br />

Werk, das heute schon Bestand hat und Gültigkeit<br />

besitzt.<br />

Und wer sich um Sprache bemüht und je mit<br />

ihr gequält hat, hat höchste Achtung (und verfällt<br />

in Selbsttrauer) angesichts der Kraft seiner Sprache.<br />

Eine wunderbar einfache, eine verständliche<br />

ebenso wie zugängliche, eine Sprache von ungeheurer<br />

Prägnanz und Zielsicherheit, die in einem<br />

Vierzeiler auszudrücken vermag, was manch ein<br />

ganzer Roman nicht vollbringt.<br />

Eine solche Sprachmacht erreicht nur, wessen<br />

Gedanken klar und Empfindungen tief sind; wer<br />

die Fähigkeit besitzt, Zuständen (geschichtlichen<br />

wie gegenwärtigen) und Entwicklungen auf den<br />

Grund zu gehen; wer die Oberfläche verlässt und<br />

auf der Suche nach der Substanz, dem Wesentlichen,<br />

dem Kern fündig wird, wer also die Dinge<br />

hinter den Dingen entdeckt.<br />

Mit allem, was, und vor allem wie er schreibt,<br />

steht Günter Kunert in der großen Tradition der<br />

literarisch-poetischen Aufklärung: von Aristoteles<br />

und Horaz bis Heinrich Heine und Büchner, und<br />

Kleist nicht zu vergessen.<br />

Aufklärer ist Kunert keineswegs im Sinne eines<br />

Rationalisten, sondern sehr wohl im Sinne einer<br />

Verbindung der griechischen „Ästhesis“, also<br />

empfindsamer sinnlicher Wahrnehmung, mit<br />

einem glasklaren Verstand, also einer unbestechlichen<br />

Ratio. Fast so, wie Lessing sich das Ideal<br />

wünschte: mit dem Kopf fühlen und dem Herzen<br />

zu denken vermögen.<br />

Dem literarischen Werken hinzu tritt ein umfängliches<br />

bild- künstlerisches Werk. Zeichnungen,<br />

Text bezogene Skizzen, Gemälde, Radierungen,<br />

Holzschnitte, Hinterglasmalereien, Collagen<br />

und Skulpturen: zwischen Ironie und Fantasmen,<br />

zwischen Skurrilem und Eros bis hin zu dunklen<br />

Visionen - ein breites Spektrum, in das der Dichter<br />

entfleucht, um der Strenge des Textens (der<br />

Versmaße) zeitweilig zu entkommen - und mit<br />

freiem Duktus Luft zu holen und eine andere äs-<br />

Literatur & Lyrik<br />

45 x pro Jahr<br />

bieten wir unseren Lesern in über 50<br />

Ländern Einblicke in das Zeitgeschehen<br />

und vertiefen aktuelle Ereignisse mit<br />

interessanten Aspekten. Es steht nicht<br />

die Berichterstattung im Vordergrund,<br />

sondern die Beleuchtung der Ursachen<br />

und Hintergründe.<br />

Interviews mit interessanten Leuten,<br />

Feuilleton, Buchbesprechungen zur<br />

Anthroposophie, Esoterik, Natur- und<br />

Geisteswissenschaft, Landwirtschaft,<br />

Kunst, Ökologie u.a.<br />

Die Wochenschrift ‹Das Goetheanum›<br />

ist eine kulturell, spirituell ausgerichtete<br />

Wochenschrift mit einem eigenwilligen<br />

Profil.<br />

22. September 2006 | <strong>Nr</strong>. 39<br />

Schwerpunkt:<br />

Assoziatives Wirtschaften<br />

Geld regiert die Welt, das ist nicht<br />

neu. Ein Kennzeichen unserer Zeit<br />

aber dürfte sein, daß mehr und<br />

mehr Lebensfelder ‹durchökonomisiert›<br />

werden. Das Wirtschaftsleben<br />

erfragt unsere Aufmerksamkeit.Wohl<br />

nicht zuletzt um<br />

seiner Brüderlichkeit willen. So<br />

fassen immer mehr Ideen und Initiativen<br />

zum assoziativen Wirtschaften<br />

erfolgreich Fuß. Die Beiträge<br />

berichten von Beispielen<br />

aus Deutschland, Luxemburg, aus<br />

der Schweiz und den USA.<br />

Seiten 1–11<br />

Entwicklung durch Allergie<br />

Anemone Poland,Theaterchefin,<br />

Regisseurin und Schauspielerin<br />

am Berliner ‹theaterforum kreuzberg›,<br />

spielt gemeinsam mit Frank<br />

Roder die Hauptrolle in der Komödie<br />

‹Allergie› von Verena Kanaan.<br />

Bei der Protagonistin Christina,<br />

die es allen recht machen will,<br />

bricht immer wieder eine Allergie<br />

aus. Diese ermöglicht ihr letztlicht<br />

eine Entwicklung.<br />

Seite 12<br />

D<br />

Umgang mit Rudolf Steiner<br />

Im Forum ‹Umgang mit Rudolf<br />

Steiner› berichtet Jostein Sæther<br />

vom Versuch, Steiner Wissenschaftlichkeit<br />

abzusprechen, obwohl<br />

wie gefordert Forschungsergebnisse<br />

bestätigt worden seien.<br />

Michael Walter und Franz Grugger<br />

sehen wegen der öffentlichen<br />

Wirkung die Notwendigkeit, veraltetes<br />

Vokabular zu verabschieden.<br />

Seite 15<br />

W o c h e n s c h r i f t f ü r A n t h r o p o s o p h i e<br />

Grundeinkommen und assoziatives Wirtschaften | Hans-Christian Zehnter<br />

Der Wille zum Grundeinkommen<br />

In Deutschland ist nicht zuletzt dank der Kampagne von Götz Werner eine die<br />

breite Öffentlichkeit erreichende Debatte zum ‹Grundeinkommen› in Gang gekommen.<br />

Eine Entwicklung, die man sich noch Ende des 20. Jahrhunderts<br />

kaum vorstellen konnte. Offen scheint aber, wie es vom Diskurs zur Tat kommen<br />

kann. Hier bringen sich assoziative Wirtschaftsformen ins Gespräch.<br />

as Thema ‹Grundeinkommen› ist<br />

in. Allerorten finden Diskussionsund<br />

Informationsveranstaltungen<br />

statt. Aktuelle Beispiele sind die diesjährige<br />

Michaeli-Tagung ‹Grundeinkommen für<br />

jeden Menschen – eine Herausforderung<br />

für Europa?› am Goetheanum in Dornach<br />

sowie die zwölf Tage dauernde Veranstaltungsreihe<br />

Ende September, Anfang Oktober<br />

im Basler ‹Unternehmen Mitte› mit<br />

dem Titel ‹Einkommen schafft Arbeit –<br />

Mehrwert durch Grundeinkommen›. Beinahe<br />

will man von einem Modetrend sprechen.<br />

Doch: ist das ‹Grundeinkommen›<br />

wirklich bloß ‹in› oder ist es ‹an der Zeit›?<br />

Regional und assoziativ wirtschaften<br />

22. September 2006 | <strong>Nr</strong>. 39<br />

weitgehend vereinheitlicher Preis für Bio-<br />

Immer mehr machen Initiativen zum asprodukte ausgehandelt. Luxemburg steht<br />

soziativen Wirtschaften von sich reden, vor in Sachen assoziatives Wirtschaften in<br />

allem im Kontext der biologisch-dynami- vielfacher Hinsicht als Vorreiter und Vorschen<br />

Landwirtschaft. Hier macht die vielbild im Biohandel da. Der Preis bestimmt<br />

fach existentielle Not erfinderisch – nicht sich nicht durch marktwirtschaftliche<br />

nur beim betroffenen Landwirt, sondern Konkurrenz, sondern durch Vereinba-<br />

auch in dessen sozialem Umfeld. In den rung!<br />

USA arbeiten derweil gut 1700 Höfe als An die Stelle von Konkurrenz tritt Brü-<br />

‹Community Supported Agriculture› (CSA). derlichkeit im Wirtschaften. Der Blick ist<br />

Hierbei garantiert eine Gemeinschaft von dabei letztlich darauf gerichtet, die Exi-<br />

Menschen die Finanzierung eines landwirtstenz der Beteiligten zu sichern – kein verschaftlichen<br />

Betriebes und erhält als Geordnetes, sondern ein im konkreten Mitgenleistung<br />

die Produkte des Hofes. Ähnlieinander ausgehandeltes Grundeinkomches<br />

läuft in Frankreich seit einigen Jahren men. Auf diese Weise arbeitet eine Strö-<br />

unter dem Kürzel AMAP (Association pour mung von unten dem ‹Grundeinkom-<br />

le maintien d’une agriculture paysanne) men-für-alle›-Impuls von oben zu.<br />

mit derweil über 50 Höfen.<br />

Willenstaten aus Not-Wendigkeit be-<br />

In der Schweiz und in Österreich wird gründen mehr als nur Modetrends. �<br />

unter der Federführung von ‹Demeter› seit<br />

2004 jährlich an sogenannten ‹Runden Tischen›<br />

durch Vertreter aller beteiligten<br />

Wertschöpfungsstufen ein fairer und<br />

Abobestellung<br />

� kostenloses Probeabo, 4 Ausgaben<br />

� Jahresabo Schweiz CHF 150<br />

Konsumenten und Produzenten reichen sich<br />

beim Bezahlen die Hände<br />

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� und überreiche die erste Ausgabe selbst<br />

� und lasse die erste Ausgabe zustellen<br />

Foto: z.V.g.<br />

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geworden?<br />

Lassen Sie<br />

sich überraschen.<br />

Adresse Empfänger<br />

� Frau � Herr<br />

Name, Vorname . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .<br />

Straße/<strong>Nr</strong>. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .<br />

PLZ/Ort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .<br />

Land . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .<br />

Rechnung an (wenn anders als Empfänger)<br />

� Frau � Herr<br />

Name, Vorname . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .<br />

Straße/<strong>Nr</strong>. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .<br />

PLZ/Ort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .<br />

Land . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .<br />

Datum, Unterschrift . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .<br />

Senden an: Wochenschrift ‹Das Goetheanum›,<br />

Postfach, CH–4143 Dornach 1 Fax +41 61 706 44 65<br />

B09<br />

7


thetische Dimension zu erobern. Ein erster Blick<br />

zeigt, dass Günter Kunert auch dieses Vorhaben<br />

gelungen ist. Dürer, Kubin, Caspar David Friedrich,<br />

Munch und Nolde sind ihm nah; mit Klaus<br />

Fußmann oder Friedel Anderson und Sihle-Wissel<br />

ist er befreundet. Der Dichter Günter Kunert hat<br />

eine zweite Ausdruckswelt, die des Bildkünstlerischen<br />

erobert. Es lohnt, sie zu entdecken.<br />

Ein Schwarzseher, ein Fatalist, gar eine Cassandra<br />

(aus Kaisborstel) sei er, so hört und liest<br />

man von Zeit zu Zeit. Richtig ist: sein Leben, dieses<br />

Gehäuse seiner Wahrnehmungen und Erfahrungen,<br />

hat ihn immer wieder ernüchtert. Die oft<br />

unerträgliche Diskrepanz zwischen hehren Ansprüchen<br />

und schnöder Wirklichkeit haben ihn<br />

enttäuscht und desillusioniert.<br />

Allen optimistischen Geschichtsbildern (linken,<br />

rechten, philosophischen); allen Glücksverheißungen<br />

(von Sozialismus bis Kapitalismus<br />

und sonstigen Paradiesen); jedweder Allmacht<br />

(von Staat oder Parteien oder Kirchen oder Konzernen);<br />

den ständigen Abrieb humanistischer<br />

Werte, dem Verfall der Sprache (zum Wurmfortsatz<br />

von medialer Werbung) begegnet er mit tiefer<br />

Skepsis und zugleich Resistenz; vieles ist ihm zutiefst<br />

zuwider.<br />

Darüber und dagegen schreibt er - an und an.<br />

Oft ironisch, mal sarkastisch - schwarz-bissig; häufig<br />

mit tiefer Skepsis und zunehmend von Melancholie<br />

getragen. Immer klar, direkt, mit offenem<br />

Visier und über Jahrzehnte in unverbrüchlicher<br />

Kontinuität - und nie belehrend und nimmer besserwisserisch.<br />

Aufklärung, wie ich sie aus diesen Texten<br />

ziehe und die mich anmutet, mag nicht direkter<br />

Zweck seiner Texte sein, wohl aber ist sie deren<br />

Wirkung.<br />

Wer sich der oft kernerischen gedanklich-poetischen<br />

Arbeit des Aufklärens unterwirft, immer<br />

wieder, kann per se kein heilloser Pessimist sein.<br />

Sonst ließe er sich von der kargen schleswig-holsteinischen<br />

Sonne bescheinen und Aufklärung<br />

Aufklärung sein.<br />

So aber lässt Günter Kunert zu, dass Hoffnung<br />

keimt, er provoziert sie gar. Und bewirkt<br />

so, ungewollt vielleicht, dass viele Lesende, mich<br />

eingeschlossen, einem unbefriedigenden Sein<br />

Björn Cardel<br />

Gärtnermeister/Baumpfleger<br />

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etwas Erhofftes entgegen zu setzen beschließen.<br />

So unbekannt das Ziel, so fern hinterm Horizont,<br />

so unklar der Kurs und schier endlos die Distanz:<br />

der Wunsch, dem Seienden ein Schnippchen zu<br />

schlagen, die Skepsis in Hoffnung zu münzen,<br />

die Sehnsucht nach etwas Anderem, Erhofftem,<br />

lässt uns „aufrecht im Wind das Segel“ halten!<br />

Weil wir nicht wollen, wie Kunert es in DDR-<br />

Zeiten zur Verteidigung Heinrich von Kleists sagte,<br />

„das einer erst erkranken muss an der Welt,<br />

um sie diagnostizieren zu können als etwas Heilloses<br />

schlechthin“, müssen wir die Segel setzen,<br />

müssen wir in See stechen.Und sollte, was zu<br />

vermuten ist, Günter Kunert das Schiff nicht mit<br />

besteigen, dann vielleicht wird er am Ufer stehen,<br />

melancholischen Blicks, winken - und uns Unverbesserlichen<br />

einen schwarz-ironischen Vierzeiler<br />

widmen.<br />

Bleiben Sie, lieber Günter Kunert, noch lange<br />

unter uns und schreiben Sie, solange Kopf und<br />

Hände tragen. Ihre Texte sind uns Lebensmittel<br />

- wir brauchen sie dringender denn je in diesen<br />

Zeiten der puren Ökonomie. Der Platz im Olymp<br />

der Dichtkunst mag noch warten: er ist Ihnen ohnehin<br />

sicher. Ich beglückwünsche Sie überhaupt<br />

- und zum 80igsten Geburtstag im Besonderen.<br />

Und wünsche Ihnen Mast- und Schotbruch.<br />

Der ehemalige Ministerpräsident<br />

Schleswig Holsteins<br />

und Vorsitzende der SPD<br />

Björn Engholm lebt und<br />

arbeitet in Lübeck. Er ist in<br />

unterschiedlichen Kultur-<br />

und Bildungspolitischen<br />

Gremien aktiv und erhielt<br />

unter anderem den Willy-<br />

Brandt-Preis der norwegischen<br />

Regierung für Verdienste<br />

um den Ostseeraum.<br />

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Betriebshof:<br />

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8 <strong>Bernstein</strong> <strong>13</strong>|2009


Paul Scheerbart *08.01.1863 (Danzig) †15.10.1915 (Berlin)<br />

„Charakter ist<br />

nur<br />

Eigensinn.<br />

Es lebe die<br />

Zigeunerin!<br />

Schluß!!“<br />

Literatur & Denkmal Im Netz: www.scheerbart.de<br />

9


Foto:fognin von fognin<br />

Marianne Tralau – Kunst ohne Marktzensur<br />

Marianne Tralau ist in <strong>Eckernförde</strong> für Kunstfreunde ein offenes Ge-<br />

heimnis und war über dreißig Jahre in Köln ein Geheimtipp für Kunst-<br />

interessierte. Wer ist die Frau, die als Zeichnerin, Galeristin, Aktions-<br />

künstlerin, Objekterstellerin, als Erfinderin einprägsamer Logos und<br />

als Illustratorin wirksam ist, aber in keiner Sammlung zu finden ist?<br />

Wikipedia gibt auch hier sparsam Auskunft, aber wir wollten mehr<br />

wissen. Marianne Tralau, die außer mit ihren eigenen Werken auch<br />

als Galeristin in Erscheinung tritt, erzählte uns aus ihrem Leben.<br />

„Meine Geburt fand öffentlich statt, manchmal<br />

suche ich ja das Publikum. 1935 in Rostock, mein<br />

Vater war zu der Zeit arbeitslos und um die Kosten<br />

der Entbindung zu sparen ist meine Mutter<br />

in die Universitätsklinik gefahren und hat mich<br />

im Hörsaal zur Welt gebracht. Zur Belehrung<br />

der Studenten. In Rostock bin ich tatsächlich nur<br />

geboren - bevor es die DDR gab. Wir zogen bald<br />

über Berlin nach Wolfenbüttel. Dem Ort meiner<br />

Kriegskindheit.“<br />

Ihr Vater war der Bauhausschüler Walter<br />

Tralau, einäugig und kriegsuntauglich verbrachte<br />

er die braunen Jahre mit Siedlungsbau und blieb<br />

unbelastet von dem nationalistischen Pöbel. So<br />

konnte er unmittelbar nach dem Krieg in Köln als<br />

Stadtoberbaudirektor den Wiederaufbau leiten.<br />

Die Familie zog um, Marianne sollte hier einen<br />

großen Teil ihres Lebens verbringen. Als Tochter<br />

eines Bauhausschülers verlangte der Vater eine<br />

praktische Grundlage für die Berufswahl. Damals<br />

hatten die Väter noch das Sagen über das Geschick<br />

ihrer Kinder. „Ich bin dann in Köln auf die dortige<br />

Kunstschule gekommen. Mit 17 war ich eigentlich<br />

zu jung. Aber da mein Vater sehr einflussreich<br />

war, hat das dann trotzdem geklappt. Die Kölner<br />

Werkschulen, gibt es nicht mehr, da ist jetzt eine<br />

Fachhochschule für Medien draus geworden. Ich<br />

habe mich dann nach dem ersten Kunstjahr für<br />

die Gobelinweberei entschlossen und bin dann<br />

bald nach Hamburg gegangen, da konnte ich neben<br />

dem Studium eine Werkstattausbildung machen<br />

und habe dann nach entsprechender Zeit<br />

auch die Gesellenprüfung abgelegt. Kurz darauf<br />

bin ich nach Köln zurückgekehrt und sehr bald<br />

habe ich meinen Studienkollegen Will Thonett<br />

geheiratet. Ich habe Will Thonett wegen seiner<br />

künstlerischen Arbeit sehr verehrt und im Laufe<br />

der Jahre zwischen 1959 und 1962 wurden drei<br />

Kinder geboren. Ich habe in der Zeit eigentlich<br />

nur auf Grundlage meiner künstlerischen Tätigkeit<br />

diese Handwerksausbildung benutzt.“<br />

Familie, Kunst und Handwerk - Marianne<br />

Tralau vereinte drei Berufe und entwickelte sich<br />

aus der textilen Gestaltung zur freien Künstlerin.<br />

Sie legte in dieser Zeit Grundlagen für Motive, die<br />

sie als Langzeitprojekte lebenslang begleiten soll-<br />

10 <strong>Bernstein</strong> <strong>13</strong>|2009


Links: Ausschnitt aus „Performance auf der Frühstücksbühne“, oben: Spiegelungen, unten: Rotes Tuch Gebekum (Türkei), Fotos: fognin<br />

Kunst<br />

Im Netz: www.tralau.com<br />

11


Marianne Tralau bei einer Ausstellung<br />

Gartenzwergperformance auf der Frühtücksbühne<br />

Fallschirmsprung mit 69 Jahren,<br />

Fotos: fognin<br />

ten. Gewebte Werkstücke dauerten ihr zu lange.<br />

Sie reduzierte. „Aber bevor ich die Weberei hinter<br />

mir gelassen habe, hat es noch eine Krönung gegeben.<br />

Ich habe den Staatspreis des Landes Nordrhein-Westfalen<br />

für Textilgestaltung bekommen,<br />

das war 1973. Sehr bald habe ich der Weberei dann<br />

den Rücken zugekehrt und die Sache abgekürzt<br />

indem ich genäht habe und zwar mit der Maschine.“<br />

Ihre neuen Werke waren zum Teil recht groß,<br />

3,80 m breit und 6 m lang, eine Serie von Fahnen.<br />

Heimlich hing sie sie an Fahnenmasten, im<br />

liebsten vor städtischen Gebäuden. Geometrische<br />

Muster, Farbkompositionen, Farben in der Landschaft,<br />

aber nicht verschwimmende, sondern ganz<br />

klare Flächen hingen an verschiedensten Plätzen<br />

der Stadt.<br />

Es gab keine Beschwerden oder öffentliche<br />

Irritationen. Dass es jemand wagen würde ohne<br />

öffentlichen Auftrag und amtlichen Segen, quasi<br />

illegal auszustellen, war zu der Zeit einfach undenkbar.<br />

„Mit Farben habe ich mich eine ganze Weile<br />

beschäftigt, ich habe auch Möbel überzogen.<br />

Es gibt noch zwei Stühle bei mir, einer mit einer<br />

Dose drauf, die ist mit überzogen. Außerdem habe<br />

ich noch einen gemacht, auf dem liegt ein Fußball,<br />

der auch mit überzogen ist. Den hat jemand gekauft.<br />

Im Laufe der 68er Jahre begann eine sehr<br />

starke Politisierung der jungen Leute und eine<br />

Politisierung überhaupt, ausgehend von Paris. Irgendwann<br />

hat mich diese Themenstellung auch<br />

ergriffen und ich habe mich gefragt, für wen ich<br />

diese ganze Kunst eigentlich mache. Ich musste<br />

mir ehrlicherweise die Antwort geben, für mich<br />

selber.<br />

Dann kam eine familiäre Katastrophe dazu,<br />

mein Mann starb sehr plötzlich, ich musste die<br />

Familie ernähren. Nach dem Studium war ich eineinhalb<br />

oder zwei Jahre lang Lehrerin und merkte,<br />

ich brauche Kunst, es geht nicht ohne. Ich wurde<br />

ein unzufriedener, missmutiger Mensch. Ich<br />

stellte mir wieder die Frage: Für wen denn Kunst?<br />

Und ich gab mir diese Antwort: Für dich, als reine<br />

Selbstbefriedigung. Diesmal habe ich das akzeptiert.“<br />

Marianne Tralau, verließ den „sicheren“<br />

Schuldienst und begab sich in das KAOS. Zumindest<br />

hieß die Firma so, die Peter Kleinert gegründet<br />

hatte. Die machten Videoproduktionen fürs<br />

Fernsehen, für Bürgergruppen und Gewerkschaften.<br />

Entweder direkte Beiträge, Auftragsproduktionen<br />

oder Ankäufe. Sie machte eigene Beiträge fürs<br />

Fernsehen, Mischungen aus Spiel- und Dokumentarfilmen,<br />

sogar ein Selbstportrait, das gesendet<br />

wurde.<br />

„Da war ich sehr stolz drauf, das konnte ich<br />

auch sein. In dieser Zeit hatte ich das unverschämte<br />

Glück, Arbeitsbedingungen zu haben,<br />

von denen jeder Künstler nur träumen kann.<br />

Um leben zu können, musste ich im Monat eine<br />

Woche stramm durcharbeiten, wenn ich das so<br />

einteilen konnte und hatte den restlichen Monat<br />

12 <strong>Bernstein</strong> <strong>13</strong>|2009


frei zur Verfügung. Das heißt, drei Wochen frei<br />

und eine Woche harte Arbeit, die dann aber auch<br />

Spaß machte.“ Für Geld war gesorgt. Marianne<br />

Tralau heiratete später Peter Kleinert. Und sie zog<br />

mit ihren Zeichnungen durch die Kölner Galerien.<br />

Die Galeristen waren angetan, äußerten sich<br />

positiv, aber es kam nicht zu Verträgen, sondern<br />

es hagelte Absagen. Marianne war zu alt. Mitte<br />

40 und entschieden aus der falschen Generation:<br />

In der Aufbauzeit direkt nachdem Krieg hieß es<br />

für die jungen Künstler nur, sie sollten sich die<br />

Hörner abstoßen, etwas lernen und werden. Jetzt,<br />

als markante Persönlichkeiten mit eigener Handschrift<br />

lautete das Urteil: „Du bist zu alt!“. Marianne<br />

Tralau erlebte dasselbe, wie viele ihrer Kollegen<br />

aus ihrer Generation.<br />

„Du bist zu alt.“ Drei meiner Kollegen sind<br />

daran verzweifelt, sie haben sich das Leben genommen.<br />

Die sahen für sich keine Perspektive<br />

mehr. Diesen Weg wollte ich nicht einschlagen<br />

In Zusammenarbeit mit KAOS richtete ich eine<br />

Galerie ein. Nicht für Leute, die zu alt sind, sondern<br />

für Leute, die aus anderen Gründen nichts<br />

verkaufen. Und zwar, weil sie nicht unverkäufliche,<br />

sondern unverkaufbare Kunstwerke machen.<br />

Dazu gehören Installationen, Performances, Konzeptkunst<br />

- alles, was man sich nicht an die Wand<br />

hängen kann. Das war eigentlich Ausstellungskunst<br />

am Markt vorbei. Bereits nach eineinhalb<br />

bis zwei Jahren war ich in der Stadt bekannt und<br />

ich kriegte von da an einen städtischen Zuschuss.<br />

Diese Galerie, die KAOS-Galerie, gab es zwölf Jahre,<br />

sie war bekannt und beliebt.“<br />

Aber nicht nur die Galerie, es gab auch anderes.<br />

<strong>13</strong> Jahre Vorstandsarbeit im Kölner BBK (Bundesverband<br />

Bildender Künstler). Bis sie keine Lust<br />

mehr hatte. Und bei der Neuwahl, im Rechenschaftsbericht<br />

frech auf die Frage nach ihren Tätigkeiten<br />

antwortete: „Nix! Ich habe nix gemacht.“<br />

Sie wurde wieder gewählt, mit überzeugender<br />

Mehrheit. Reichlich verdutzt, wieso ihre scheinbare<br />

Faulheit so positiv quittiert wurde, fragte sie<br />

den Vorsitzenden nach dem Grund. „Du bist alt,<br />

aber machst junge Kunst“ so die lakonische Antwort.<br />

Ein bemerkenswerter Satz, denn noch heute<br />

findet Marianne Tralaus Kunst genau dort ihre<br />

Würdigung, wo junge Kreative unvoreingenommen<br />

wahrnehmen können. Siehe den Artikel von<br />

Jonas Stegemann auf der nächsten Seite.<br />

Kunst<br />

Im Netz: www.tralau.com<br />

Parallelverschiebung<br />

Die Blaue Lagune<br />

„Ein Kunstwerk muss nichts von seiner Existenz einbüßen,<br />

wenn seine materielle Existenz nur von kurzer Dauer ist.<br />

Diese Überlegung fing mit einer Zeitungsnotiz an, einem Künstler<br />

sei sein gesamtes Oevre verbrannt. Ein Wintermantel beispielsweise<br />

kann verbrennen - dann ist er weg. Ein Kunstwerk kann verbrennen,<br />

dann ist nicht mehr sichtbar, aber nicht weg. Ein Kunstwerk<br />

hat mehr Ebenen als ein Wintermantel, davon ist mindestens eine<br />

feuerfest und dauerhaft: Die seines Ursprungs, die geistige.“<br />

„Ich verzichte auf Riesenhaftes. Sei es Gewicht oder Ausmaß<br />

oder Anspruch auf Ewigkeit. Die Existenz eines Kunstwerks<br />

ist von diesen Eigenschaften unabhängig. Eine Performance ist ein<br />

zeilich begrenztes Ereignis. Meine Würdigungen an einen Ort mit<br />

dem roten Tuch hinterlassen keine Spuren und haben meist nicht<br />

mal Publikum. Mein Langzeitprojekt „Secret Gifts“ ist zwar mittlerweile<br />

weltumspannend aber so geheim, dass nur die wenigsten<br />

davon wissen: Die, die involviert sind.“<br />

<strong>13</strong>


Junge Kunst kennt kein Alter<br />

von Jonas Stegemann<br />

Gesellschaftlich – so wird gemun-<br />

kelt – geht durch die Generatio-<br />

nen ein rigider Trennstrich; da,<br />

wo junge und ältere, womöglich<br />

alte Menschen etwas gemeinsam<br />

unternehmen oder sich gut und<br />

freiwillig verstehen, sollten sie<br />

zu mindestens verwandt sein;<br />

sonst wird dieser Kontakt als<br />

suspekt empfunden. Jonas und<br />

Marianne sind nicht verwandt,<br />

verstehen sich aber vorzüglich.<br />

Wir baten den jüngeren (19) die<br />

ältere (72) kritisch zu würdigen.<br />

Jonas Stegemann ist Mitglied der Jugendredaktion<br />

des <strong>Bernstein</strong> und Abiturient an<br />

der <strong>Freie</strong>n <strong>Waldorfschule</strong> <strong>Eckernförde</strong><br />

Bei meiner ersten Begegnung mit Marianne<br />

Tralau bot sie mir sofort das „Du“ an.<br />

Diese erste Begegnung fand statt, nachdem<br />

ich eine ihrer Zeichnungen gesehen hatte. Die<br />

Zeichnung heißt „Streit“ und ist mit Graphit auf<br />

Papier festgehalten. Ich stand eine ganze Weile vor<br />

der Wand, an der das Bild hing und konnte mich<br />

nicht entscheiden, ob ich es für eine Krakelei oder<br />

Kunst halten sollte. Ich war fasziniert. Ich versuchte<br />

die Zeichnung zu verstehen und betrachtete<br />

sie daher vom Nahen, wie ich es bei Gemälden<br />

im Museum gewohnt war. Beim näheren Betrachten<br />

sollte man doch die Technik erkennen, die der<br />

Künstler gebrauchte um seine Aussage mitzuteilen.<br />

Dem war aber nicht so. Meine Verwunderung<br />

wuchs ebenso wie meine Begeisterung für diese<br />

Zeichnung, als ich merkte, dass ich, oberflächlich<br />

betrachtet, nicht mehr als einen Bleistiftstrich auf<br />

einem Stück Papier vor mir hatte. Ein recht bewegter,<br />

ungerader, freihändiger Strich noch dazu,<br />

der jedoch das Streitgespräch zweier Menschen<br />

auf den Punkt zu bringen vermag.<br />

Mittlerweile kenne ich viele Zeichnungen<br />

von Marianne und kann diese auffällige Reduzierung<br />

der Mittel als einen eindeutig gewollten Stil<br />

der Künstlerin einordnen. Genau dieser Stil ist<br />

es auch, der mich seit der ersten Begegnung mit<br />

Mariannes Kunst fasziniert. Und damit stehe ich<br />

nicht alleine da. Wie Marianne selbst sagt, sind es<br />

vor allem Jugendliche, die sich von ihrer Kunst angesprochen<br />

fühlen, viele ältere Menschen fänden<br />

dagegen oft nicht den Zugang zu dieser Form der<br />

Kunst. Doch warum gerade Jugendliche?<br />

In unserer Gesellschaft werden gerade junge<br />

Menschen mit farbenfrohen, ausgeklügelten,<br />

aufwendig produzierten Werbespots und Serien<br />

überschüttet. Die Medien versuchen uns durch<br />

versteckte Inhalte psychologisch zu manipulieren<br />

und bauen dazu eine nicht mehr überschaubare<br />

Scheinwelt auf. Künstlerische Formen werden<br />

nicht zum Zwecke der Kunst selbst genutzt, sondern<br />

um Halbwahrheiten zu verpacken und dem<br />

Konsumenten mundgerecht vorzusetzen. Gezielt<br />

spricht die Werbung, ungeachtet des Inneren, das<br />

äußerliche Oberflächlichkeit des Menschen an<br />

und erfindet Normen, die zu erfüllen das Ziel jedes<br />

Menschen zu sein scheint.<br />

Doch auch wenn Jugendliche oftmals leicht<br />

manipulierbar sind, merken sie doch, wenn sie<br />

mit Lügen überschüttet werden. Diese Manipulation<br />

auf unrealistische, menschenfremde<br />

Forderungen nach möglichst reiner Haut oder<br />

Gegenständen mit angebissenem Apfel auf der<br />

Rückseite birgt eine Problematik, die gerade für<br />

Jugendliche, die sich ja in einer wichtigen Pha-<br />

14 <strong>Bernstein</strong> <strong>13</strong>|2009


se der Suche nach sich selbst befinden, äußerst<br />

schwerwiegend ist: Was ist wahr, wem können wir<br />

noch vertrauen?<br />

Mariannes Zeichnungen sind anders. Sie versuchen<br />

nicht unser Äußeres zu „normalisieren“<br />

oder uns zum Kauf zu überzeugen, wie Mariannes<br />

Biographie eindeutig beweist. Sie verstecken sich<br />

nicht hinter künstlichen Gesichtern, poppigen Effekten<br />

und erotisierender Nacktheit, sondern berühren<br />

den Betrachter innerlich durch ihre auf das<br />

Wesentliche reduzierte Art und Ehrlichkeit. Der<br />

Verzicht auf zum Beispiel perspektivische Korrektheit<br />

und andere stilistische Mittel irritieren den<br />

Betrachter zwar oftmals, sind aber durchschaubar<br />

und dann aber wesentlich für das Verständnis des<br />

Bildes. Obgleich Marianne Tralaus Zeichnungen<br />

meist eine politik- oder sozialkritische Botschaft<br />

beinhalten, verdeutlicht deren innewohnende Authentizität<br />

den Anspruch, ein freies künstlerisches<br />

Objekt, statt Mittel zum Zweck zu sein<br />

Ich bin nach wie vor von Mariannes Zeichnungen<br />

fasziniert und habe selber ein Bild von ihr<br />

zu hause. Ich rate jedem sich ihre Ausstellungen<br />

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Kunst im Dialog<br />

Im Netz: www.tralau.de<br />

anzusehen oder sie in ihrem Atelier, der Frühstücksbühne,<br />

zu besuchen, um selbst einen Eindruck<br />

Ihrer Kunst zu erhalten.<br />

Marianne Tralau: „Streit“<br />

15


Philipp Jöster lebt in Hamburg und ist<br />

Student der Kulturanthrpologie & Volkskunde<br />

Foto: Philipp Jöster<br />

Unrat in Kiel Professor Unrat, wichtigste<br />

von Philipp Jöster<br />

In Kiel muss man sich auf die Suche machen,<br />

wenn man die kleinen charmanten Veranstaltungen<br />

entdecken möchte. Zu finden sind sie meist in<br />

Kneipen, wie dem „Unrat“.<br />

Unscheinbar versteckt sich die Kneipe zwischen<br />

den Häusern der Metzstrasse in Kiel. Nur<br />

das grell leuchtende Astra Herz weist den Weg zur<br />

Eingangstür. Hier kann man das Bier für einen<br />

ehrlichen Preis in einer originell trashigen Dekoration<br />

genießen. Allerlei Fotos und Kleinkunst zieren<br />

die Wände. Das rote Heck eines alten Mercedes<br />

schwebt über dem Tresen, an dem man direkt<br />

beim Chef bestellt. Unser Besuch fand an einem<br />

verhangenen Novemberabend statt, die Stadt war<br />

trist und nass.<br />

Bereits der Blick durch die Fenster ließ erahnen<br />

wie voll die Kneipe war. Junge Leute, überwiegend<br />

Studenten quetschten sich, dicht gedrängt vor einer<br />

kleinen Bühne. Fast jeder der Sitzplätze, beste-<br />

Romanfigur des Schriftstellers<br />

Heinrich Mann aus Lübeck<br />

wird zum Namengeber der<br />

Kult(ur)kneipe „Unrat“ in Kiel.<br />

Eine Rosa Fröhlich aller-<br />

dings hat der Autor dort<br />

nicht angetroffen...<br />

hend aus Bierkisten und alten Sofas, war besetzt.<br />

Was einem entgegenströmte, war ein Luftcocktail<br />

gemixt aus Rauch, Bier und Schweiß. Doch hier<br />

war Feuer drin, dass merkte man schnell. Auf einer<br />

kleinen Fläche sammelten sich die fünf Musiker.<br />

Sie spielten ihre Instrumente locker sitzend<br />

auf Barhockern und Stühlen. „Laut ist Leichter“ ist<br />

der Name der Gruppe. Sie kommen aus Kiel und<br />

haben sich die Liedermacherei, nach eigener Aussage<br />

Pop-Poetik, auf die Fahnen geschrieben. Eine<br />

gute Kombination aus leichter melancholischer<br />

Gitarrenmusik und schnellen Ska- Elementen mit<br />

Saxophon. Die Lieder vermitteln einen vertrauten<br />

Einblick in das Gefühlsleben junger Menschen in<br />

der Stadt. Diese Zusammensetzung beflügelten<br />

das Publikum dazu auf den Bänken zu tanzen.<br />

Nach mindestens zwei Zugaben war das Konzert<br />

mit einem tobenden Applaus zu ende. Ein kurzes<br />

Zeichen zur Bar und durch die Menge hindurch<br />

wurden Bierflaschen an die Bühne gereicht. Das<br />

hatten sie sich verdient.<br />

Für alle Beteiligten war dieser Abend sicherlich<br />

ein fetziges Erlebnis. Deutlich wurde dabei<br />

auch, dass eben diese kleinen Veranstaltungen<br />

eine enorme Qualität haben. Stellvertretend dafür<br />

reiht sich das Unrat in eine umfassende Kieler<br />

Kneipenkultur ein. Ein anderer Ort ist das „Prinz<br />

Willy“. In dieser Kneipe im 70er Jahre Look fehlt<br />

es nicht an Programmpunkten oder Ideen. Eigenwillige<br />

Kleinkünstler, und kreative Musikcombos<br />

bekommen hier eine Plattform.<br />

Die Suche nach einem kulturellen Bonbon<br />

soll hiermit einwenig erleichtert werden. Denn<br />

großen Veranstaltungen mangelt es sicherlich<br />

nicht an Aufmerksamkeit, dafür aber häufig an<br />

Charme. Und genau diesen weisen die vielen kleinen<br />

Kneipen auf, worin das kulturelle Potenzial<br />

einer Stadt wie Kiel liegt.<br />

Ihre Haltepunkte im Netz:<br />

www.unrat-kiel.de, www.prinzwilly.de,<br />

www.myspace.com/lautistleichter<br />

16 <strong>Bernstein</strong> <strong>13</strong>|2009


Viel Lärm um neue Töne: In der tiefsten norddeutschen Pro-<br />

„ensemble reflexion K“<br />

von Jörg Meyer<br />

„Grenzwertexegesen“ machte 2003 der Rezensent<br />

der „Kieler Nachrichten“ in einem Konzert des<br />

<strong>Eckernförde</strong>r „ensembles reflexion K“ im Kieler<br />

KulturForum aus: „Musik interessiert sich hier<br />

vor allem dafür, was nach ihr ist – oder was vor ihr<br />

war. Es ist so ähnlich wie bei der Frage, was vor<br />

dem Urknall war, wie man sich denn das Nichts<br />

vorzustellen habe, und dabei unweigerlich eine<br />

stoffliche Vorstellung vom „Nichts“ entwickelt.<br />

Wie also klingt das Nicht-Klingen?“<br />

Von der Neuen Musik ist hier die Rede, namentlich<br />

jener Richtung, die sich mit neuen<br />

Klangstrukturen und ihrer Erforschung beschäftigt.<br />

Ensembles, die derlei betreiben, gibt es nicht<br />

wie Sand am Meer, schon gar nicht in Schleswig-<br />

Holstein. Doch seit das 2001 in Essen gegründete<br />

„ensemble reflexion K“ hier wirkt, hat die Neue<br />

Musik einen Exponenten, der zu einer gewissen<br />

„Renaissance“ der Neuen Musik und vor allem<br />

zu ihrer Popularisierung maßgeblich beigetragen<br />

hat.<br />

Die Flötistin Beatrix Wagner war nach ihrem<br />

Studium in Detmold unglücklich im dortigen Ensemble<br />

für neuere Musik. Avancierte Programmgestaltungen<br />

schienen dort unmöglich, so reifte<br />

der Plan, ein eigenes Ensemble für Neue Musik<br />

zu gründen, den sie nach einem ersten Versuch<br />

in der documenta-Stadt Kassel (daher zunächst<br />

auch das „K“ im Namen, das mittlerweile eher<br />

für „konzentriert, konsequent, kritisch und konzeptionell“<br />

steht) in Essen umsetzte. In der Erst-<br />

Kultur & Musik<br />

Im Netz: www.ensemblereflexionk.de<br />

vinz findet eine als schwierig gel-<br />

tende Kunstgattung immer mehr<br />

Anhänger. Während anderswo<br />

immer noch empörte Bildungs-<br />

bürger verachtungsvoll den<br />

Konzertsaal verlassen, wenn denn<br />

mal „Neutöner“ disharmonieren,<br />

wird in <strong>Eckernförde</strong> der mit Wil-<br />

helm Lehmann selbstironisch ge-<br />

nannte „Provinzlärm“ zum Mag-<br />

neten. Jörg Meyer beleuchtet einen<br />

ungewöhnlichen Werdegang.<br />

Das Ensemble „Reflexion K“. Immer dabei: Beatrix Wagner<br />

und Gerald Eckert (mitte) Fotos: fognin<br />

17


esetzung spielten Flöte, Sopran, Akkordeon und<br />

Schlagzeug, wenig später kamen Harfe und Cello<br />

dazu, dann Geige und Bratsche. Aktuell wird das<br />

Ensemble um Klarinette und Klavier erweitert. Im<br />

Herbst 2001 gab das junge Ensemble das erste<br />

Konzert in Essen – mit einem Programm, das naturgemäß<br />

von der instrumentalen Besetzung vorgegeben<br />

war. Der Anfang gestaltete sich schwierig,<br />

denn für Neue Musik war das Publikum selbst<br />

in Essen mit seiner Folkwang Hochschule schmal<br />

und auch die städtische Kulturförderung für diese<br />

Art der Musik entsprechend dürftig.<br />

Umso erfreuter war das Ensemble, als der<br />

Kulturbeauftragte der Stadt <strong>Eckernförde</strong>, Sven<br />

Wlassack, ihm 2003 anbot, über zwei Jahre eine<br />

regelmäßige Konzertreihe zu veranstalten. Schon<br />

im Jahr 2000 hatte der Komponist und Cellist<br />

Gerald Eckert, der in Essen zu reflexion K gestoßen<br />

war, im Künstlerhaus <strong>Eckernförde</strong> ein Stipendium<br />

wahrgenommen und so den Kontakt<br />

von Essen nach <strong>Eckernförde</strong> geknüpft. Die ersten<br />

Konzerte von reflexion K fanden im <strong>Eckernförde</strong>r<br />

Kultur-Café „Knarrpanti“ statt und erregten auch<br />

bald Aufmerksamkeit in der nahen Landeshauptstadt<br />

Kiel. Auf Initiative des damaligen Leiters<br />

der Stadtgalerie Kiel, Knut Nievers, wurden die<br />

<strong>Eckernförde</strong>r Konzerte auch im KulturForum der<br />

Stadtgalerie angeboten.<br />

Schnell eroberte sich reflexion K ein wenn<br />

auch kleines, so doch überaus treues Publikum,<br />

das nicht nur die seinerzeit hier im Norden ein-<br />

zigartige Möglichkeit schätzte, Neue Musik live zu<br />

hören, sondern auch die Tatsache, dass reflexion K<br />

die aufgeführten Werke jeweils erläuterte und in<br />

den Kontexten der Neuen Musik thematisch verortete.<br />

Ein reflexion K Konzert war somit immer<br />

auch ein kleines Kolleg über Neue Musik und ihre<br />

Tendenzen. Als fruchtbar erwies sich auch die<br />

enge Zusammenarbeit mit Gerald Eckert als Komponist,<br />

indem den Zuhörern neueste Werke von<br />

ihm zum Teil in Uraufführungen geboten wurden.<br />

„Es gab hier ein positives Klima für unsere<br />

Musik“, erinnert sich Wagner an den Grund, zusammen<br />

mit Eckert bald nach <strong>Eckernförde</strong> überzusiedeln<br />

und die kleine Fördestadt zum Standort<br />

des Ensembles zu machen.<br />

2005 wurde die Aufbauarbeit belohnt, indem<br />

reflexion K maßgeblich an der Gründung eines<br />

neuen Festivals für Neue Musik beteiligt war. Zusammen<br />

mit dem Land, der Stadt Kiel und Friedrich<br />

Wedell, der als Lehrbeauftragter an der Kieler<br />

Uni dort ein Forum für zeitgenössische Musik initiiert<br />

hatte, wurde „chiffren“ aus der Taufe gehoben.<br />

Was als Experiment geplant war, erwies sich<br />

bei der Premiere im Februar 2006 unerwartet als<br />

Publikumsmagnet und schuf geradezu eine Begeisterung<br />

für Neue Musik, noch stärker bei der<br />

zweiten Biennale 2008. Nicht zuletzt durch den<br />

Einsatz von reflexion K ist „chiffren“ inzwischen<br />

ein Modellprojekt des bundesweiten Netzwerks<br />

Neue Musik. Aber nicht nur durch „chiffren“<br />

strahlte die Arbeit des Ensmbles über die Stadt-<br />

„Soll daher am Schluss mit kurzen Worten ausgedrückt<br />

werden, nach welchem Ziel unsere Zeit zu<br />

steuern hat, so liesse sich der notwendige Untergang<br />

der willenlosen Wissenschaft und der Auf-<br />

„Das unwahre Princip unserer Erziehung“, 1914<br />

Max Stirner, 25. Oktober 1806 - 25. Juni 1856 gang des selbstbewussten Willens, welcher sich<br />

im Sonnenglanz der freien Person vollendet, etwa<br />

folgendermassen fassen: das Wissen muss sterben,<br />

um als Wille wieder aufzuerstehen und als<br />

freie Person sich täglich neu zu schaffen.“<br />

18 <strong>Bernstein</strong> <strong>13</strong>|2009


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und Landesgrenzen hinaus aus. Schon 2004 war<br />

reflexion K Gast beim Festival „Before the Symbol“<br />

in Baku/Aserbaidschan. Es folgten Auftritte in<br />

der Konzertreihe „Globusklänge“ im Hamburger<br />

„Fußball Globus FIFA WM 2006“ sowie auf der<br />

10. Kryptonale in Berlin. 2005 folgte reflexion K<br />

einer Einladung zum Festival „Roaring Hoofs“ in<br />

die Mongolei. 2003 erschien die Debut-CD „Musica<br />

su due dimensioni“ mit Werken von John Cage,<br />

Carlo Carcano, Gerald Eckert, Maki Ishii, Bruno<br />

Maderna und Hans Zender. Anfang 2008 folgte<br />

die Aufnahme einer Portrait-CD von Gerald Eckert<br />

beim MDR in Leipzig, die im Herbst 2008 beim<br />

Label NEOS erschien.<br />

Trotz solcher auch internationalen Erfolge<br />

blieb reflexion K seiner „Heimatstadt“ <strong>Eckernförde</strong><br />

treu und initiierte dort im Februar 2007 erstmals<br />

das zweitägige Neue Musik Festival „Provinzlärm“,<br />

benannt nach einem Roman des <strong>Eckernförde</strong>r<br />

Autors Wilhelm Lehmann. Im Wechsel mit „chiffren“<br />

findet diese Biennale vom 26. bis 28. Februar<br />

2009 in der <strong>Eckernförde</strong>r Nicolaikirche als<br />

angestammtem Spielort des „ensembles reflexion<br />

K“ zum zweiten Mal statt.<br />

Auch im gerade vergangenen Jahr hat reflexion<br />

K in <strong>Eckernförde</strong> nicht nur die Neue Musik<br />

gepflegt, sondern auch deren Vermittlung, die<br />

dem Ensemble besonders am Herzen liegt. In der<br />

fünfteiligen Konzertreihe „Über Zeit“ begab sich<br />

reflexion K zusammen mit einem überaus interessierten<br />

Publikum auf die Spurensuche nach ei-<br />

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nem Aspekt nicht nur der Neuen Musik: dem Parameter<br />

Zeit – sowohl als musikalische Struktur<br />

wie als historische Bedingung – und schlug so den<br />

weiten Bogen von alpenländischer Folklore über<br />

die verschiedenen Paradigmen der Neuen Musik<br />

bis zum Klangmagier Olivier Messiaen, dem das<br />

Ensemble zu seinem 100. Geburtstag im Dezember<br />

2008 ein eigenes Recital widmete. Auch die<br />

kommenden Konzertreihen sollen wieder unter<br />

einem jeweiligen Motto stehen und so zum tieferen<br />

Verständnis der Neuen Musik, ja, der Musik<br />

als solcher beitragen. Ganz wie es der oben zitierte<br />

Rezensent schon in einem der ersten Kieler Konzerte<br />

des „ensembles reflexion K“ entdeckt hatte.<br />

Infos über das „ensemble Reflexion K“ und<br />

aktuelle Konzertprogramme auf den Webseiten:<br />

www.ensemblereflexionk.de, http://freenet-homepage.de/neuemusik.eckernfoerde<br />

und Festival<br />

„Provinzlärm“ vom 26. bis 28. Februar 2009 in<br />

der <strong>Eckernförde</strong>r Nicolaikirche.<br />

Jörg Meyer lebt und arbeitet als<br />

freier Kultur- und Musik-Journalist<br />

(u.a. für die „Kieler Nachrichten“) in Kiel.<br />

19


Termine der Konzertreihe Neue Musik<br />

<strong>Eckernförde</strong> 2009<br />

In 2009 steht die Konzertreihe<br />

Neue Musik <strong>Eckernförde</strong> ganz<br />

im Zeichen von Kontrasten.<br />

Schon der Anfang beginnt mit einem kontrastreichen<br />

Paukenschlag: im Festival ProvinzLärm<br />

mit dem Länderschwerpunkt Lettland treffen in<br />

fünf Konzerten klassische Instrumente (ensemble<br />

reflexion K und SENSUS-Streichquartett) mit<br />

Volksmusikinstrumenten (ensemble altera veritas)<br />

aufeinander und zeitgenössische Vokalwerke<br />

Kontraste I /„Ohne Titel“<br />

St. Nicolai-Kirche <strong>Eckernförde</strong><br />

1. Konzert, Do, 26.2.2009 20 Uhr<br />

2. Konzert, Fr. 27.2.2009 18 Uhr<br />

3. Konzert, Fr. 27.2.2009 20.30 Uhr<br />

4. Konzert, Sa. 28.2.2009 18 Uhr<br />

5. Konzert, Sa. 28.2.2009 20.30 Uhr<br />

Kontraste II / „On the edge“<br />

St. Nicolai-Kirche <strong>Eckernförde</strong><br />

Samstag, 25.4.2009 20 Uhr<br />

Kontraste III /„New Argentinia“<br />

St. Nicolai-Kirche <strong>Eckernförde</strong><br />

Freitag, 31.7.2009 21 Uhr<br />

Kontraste IV /„Ohne Titel“<br />

St. Nicolai-Kirche <strong>Eckernförde</strong><br />

Freitag, 25.9. 2009 20 Uhr,<br />

Kontraste V /„Stream“<br />

St. Nicolai-Kirche <strong>Eckernförde</strong><br />

Freitag, 20.11.2009 20 Uhr<br />

wechseln sich mit jahrhundertealter Vokalmusik<br />

ab (Schola cantorum Riga). In „on the edge / Kontraste<br />

II“ werden die eingeladenen Ensembles<br />

„Aventure“ (Freiburg) und „voces Berlin“ diesem<br />

Prinzip noch einmal treu bleiben.<br />

In „...by doing / Kontraste IV“ treffen die reflexion-K-Neue-Musik-Spezialisten<br />

auf Schüler<br />

der Jungmann-Schule, die zuvor in einer AG mit<br />

dem Komponisten Gerald Eckert Werke von John<br />

Cage erarbeitet haben und diese als „Zwischenmusiken“<br />

im Konzert präsentieren werden.<br />

In Planung befindet sich ein Sonderkonzert<br />

mit dem Duo „eardrum“ (Schlagzeug) für den Juli<br />

diesen Jahres.<br />

Santa Ratniece, Chaya Chernowin, Rebecca Saunders,<br />

Andris Dzenitis, Nick Gotham, Gundega Smite, Roman<br />

Pfeifer, Holger Klaus, Akemi Kobayashi, Peteris<br />

Vasks, Martins Vilums, Helena Tulve, Giacinto Scelsi,<br />

Gerard Grisey, Gerald Eckert und Josquin Desprez.<br />

Mit der „Schola Cantorum Riga“ (LV), dem „Ensemble<br />

altera veritas“ und vielen mehr.<br />

Werke von: Iannis Xenakis, Giacinto Scelsi, Gerald Eckert<br />

und Guillaume de Machaut Gastkonzert des Ensemble<br />

Aventure (Freiburg) und dem ensemble voces Berlin<br />

Werke, komponiert für das Ensemble Reflexion K,<br />

von: Natalia Solomonoff, Osvaldo Budón, u.a. Beatrix<br />

Wagner, Flöte, Eva Ignatjeva, Harfe, Eva Zöllner,<br />

Akkordeon, Gerald Eckert, Violoncello. by doing“<br />

Werke von: Nicolaus A. Huber, Matthias Spahlinger, Peter<br />

Gahn, Gerald Eckert, u.a.. Mit: dem „ensemble reflexion K“<br />

und Schülern des Jungmann Gymnasiums <strong>Eckernförde</strong>, Katia<br />

Guedes, Sopran, Beatrix Wagner, Flöte, Joachim Striepens,<br />

Klarinette, Lenka Zupkova, Violone, Gerald Eckert,<br />

Violoncello, Martin von der Heydt, Klavier, N.N. Percussion<br />

Werke für Instrumente und Elektronik von: Isabel<br />

Soveral, Andre Bartetzki, u.a., ensemble reflexion<br />

K, Beatrix Wagner, Flöte, Joachim Striepens, Klarinette,<br />

Lenka Zupkova, Violine, Gerald Eckert, Violoncello,<br />

Als Gast: Andre Bartetzki (Elektronik)<br />

20 Im Netz: www.provinzlaerm.de<br />

<strong>Bernstein</strong> <strong>13</strong>|2009


Waldorf schaut in die Welt – ein Dialog<br />

von Dominik Kessener mit Dirk Wegner<br />

<strong>Freie</strong> Schulen. Längst mischt<br />

der Staat auch in diesem Be-<br />

reich fleißig mit. Mit seinem<br />

Abschlussmonopol sind auch pä-<br />

dagogische und organisatorische<br />

Konsequenzen verbunden. Aber:<br />

was wäre, wenn wir uns dem<br />

Monopol widersetzten und Viel-<br />

falt statt Einfalt die Schullandschaft mit ihren Abschlüssen beleb-<br />

te? Ein Oberstufenschüler und Lehrer setzen sich auseinander.<br />

<strong>Waldorfschule</strong>n bieten im Vergleich zu staatlichen<br />

Schulen eine umfassende Ausbildung, die<br />

nicht nur im Bereich der Naturwissenschaften<br />

liegt. Lerninhalte werden für jedes Alter (für jeden<br />

Schüler) individuell vermittelt. Am Anfang stehen<br />

Aufnahmegespräche; hier wird durch Gespräche<br />

herausgefunden, zu welcher Klassengemeinschaft<br />

das Kind passen könnte. Dies ist wichtig, da die<br />

Klasse eine Schicksalsgemeinschaft bildet und der<br />

Lehrer eine karmische Verbindung zu den ihm<br />

anvertrauten Menschen entwickelt.<br />

Innerhalb der Schullaufbahn wird durch die<br />

vielen verschieden Fähigkeiten der Schüler und<br />

das permanente Zusammensein ein Verständnis<br />

für die Klassengemeinschaft entwickelt und<br />

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man lernt, in dieser sozial zu agieren. Der „Morgenspruch“,<br />

den die gesamte Klasse zu Beginn<br />

der ersten Unterrichtsstunde spricht, steht für<br />

den gemeinsamen Beginn des Tages. Im Zeugnis,<br />

welches nur am Ende eines Schuljahres vergeben<br />

wird, werden der Lernfortgang und der<br />

Entwicklungsstand im sozialen und Lernbereich<br />

schriftlich formuliert; so wird das Engagement<br />

des Schülers gewürdigt. Die Verteilung von Noten<br />

findet frühestens in der Oberstufe auf Nachfrage<br />

statt. Nachdem in der Unter- und Mittelstufe der<br />

Grundstein für ein rücksichtsvolles Miteinander<br />

gelegt worden ist, werden in der Oberstufe (ab<br />

dem neunten oder zehnten Jahrgang) die Schüler<br />

individuell auf die verschieden Abschlüsse<br />

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21


vorbereitet. An dieser Stelle hat der Lehrer eine<br />

wichtige Position inne, denn er muss jeden Schüler<br />

einzeln einschätzen und in dessen Inneres<br />

schauen können. Am Ende der Waldorfschulzeit,<br />

mit dem Beschließen des zwölften Schuljahres,<br />

wird jeder Schüler vor der gesamten Schulgemeinschaft<br />

geehrt und durch das Tor entlassen,<br />

durch welches er auch am Anfang seiner Schulzeit<br />

ging, als er in die Schule aufgenommen wurde,<br />

während die Schulgemeinschaft sich erhebt<br />

und ein Lied anstimmt.<br />

Nun kann man sich denken, dass sich die<br />

neuen, vom Staat geforderten Schemata für Abschlüsse<br />

nicht auf die Waldorfpädagogik beziehen<br />

lassen. Dies stellt ein Problem dar, da die<br />

<strong>Waldorfschule</strong>n sich nun in einigen Bereichen<br />

zu entscheiden haben, ob sie weiterhin Waldorfpädagogik<br />

nach Dr. Rudolf Steiner vermitteln<br />

wollen, – aber keine Anerkennung vom Staat<br />

bekommen – oder ob sie den Richtlinien folgen.<br />

Dann wären die Schulen wahrscheinlich so organisiert,<br />

dass das einzig waldörfliche lediglich<br />

der Morgenspruch wäre. Es bestünde die Gefahr,<br />

Schüler, Träger, Sponsoren und Fürsprecher zu<br />

verlieren, da man auf einer genormten Staatschule<br />

dann dieselbe Ausbildung erführe, kostenlos.<br />

Man kann wirklich davon sprechen, dass der<br />

Staat uns die Waldorfpädagogik kaputt macht.<br />

Wer davon profitiert, ist nicht ganz klar, aber<br />

wer darunter leidet, sind wir, die Schüler und Lehrer<br />

der Schule. Ende 2008 hatte ich das Gefühl,<br />

die neue Reform ließe sich im Kollegium nieder<br />

und als mir in manchen Seelen unserer Lehrer<br />

selbige begegnete, schrieb ich einen rüden Artikel,<br />

welchen ich in der Schule an einigen Orten<br />

platzierte. Dieser Artikel rief Ärger gegen mich<br />

im Kollegium hervor; das sollte er auch. Er hatte<br />

zum Zweck, kleine Brände zu legen, damit die<br />

neuen Abschlüsse den Lehrkörpern und Schü-<br />

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lern in den Gemütern bleiben und damit man mit<br />

mir bzw. uns darüber zu sprechen beginnt. Dies<br />

schlug an manchen Stellen auch an, sowohl bei<br />

Lehrern, als auch bei manch einem Schüler; sowohl<br />

negativ, als auch positiv.<br />

An dieser Stelle möchte ich Lob und Dank an<br />

unsere Schule richten, die es geschafft hat, trotz<br />

der Steine, die ihr durch diverse Ministerien in<br />

den Weg gelegt wurden, weitgehend waldorf zu<br />

bleiben und sogar im Bundesvergleich als sehr<br />

hochwertig eingeschätzt wird.<br />

Was ich mir jedoch weiterhin wünsche, ist,<br />

dass die Angelegenheit „neue Abschlussreform“<br />

in unseren Geistern, sowohl in denen der Lehrer,<br />

als auch und gerade in denen der Schüler bleibt<br />

und dass eine ständige Auseinandersetzung mit<br />

der Materie stattfinden möge. Denn leider musste<br />

ich feststellen, dass ich zwar alle Lehrer, jedoch<br />

noch längst nicht alle Schüler/Innen erreicht habe.<br />

Ich bin jedoch fest davon überzeugt, dass unsere<br />

Schule und dass alle <strong>Waldorfschule</strong>n es schaffen<br />

können, sich gegen „den Staat“ zu wehren, wenn<br />

nur alle zusammenstehen und stets versuchen,<br />

gute Lösungen zu finden; die Bereitschaft, auf diesem<br />

Weg auch Kompromisse zu schließen sollte<br />

vorhanden sein.<br />

Dominik Kessener ist Redakteur der<br />

Jugendredaktion des <strong>Bernstein</strong> und<br />

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22 <strong>Bernstein</strong> <strong>13</strong>|2009


Zur Situation der <strong>Waldorfschule</strong>n 2009<br />

von Dirk Wegner<br />

Die Begründung der Waldorfpädagogik liegt jetzt<br />

90 Jahre zurück. In dieser Zeit hat sich die Welt<br />

gewaltig verändert, und das Tempo, in dem das<br />

geschah und geschieht, nimmt laufend zu. Wenn<br />

dennoch <strong>Waldorfschule</strong>n bestehen und sogar<br />

weltweit in den meisten Ländern unserer Erde,<br />

liegt das an einer besonderen Wesenseigenschaft<br />

der Waldorfpädagogik: Die ihr zu Grunde liegende<br />

Weltanschauung ist in der Lage dem raschen Wandel<br />

zu folgen. Das ist dadurch möglich, dass diese<br />

Weltanschauung nicht ein System von feststehenden<br />

Lehrsätzen beinhaltet (auch wenn es manchmal<br />

so erscheinen kann...), sondern eine Methode<br />

lehrt, den Menschen und die Welt zu erkennen.<br />

Dadurch ist die Möglichkeit gegeben, den Men-<br />

Waldof intern<br />

schen in seiner jeweilig zeitlich, geographisch,<br />

genetisch und sonstwie bedingten Ausprägung zu<br />

erkennen. Das Leitmotiv der Waldorfpädagogik<br />

ist aber darüber hinaus auch, dem individuellen<br />

Wesenkern des einzelnen Menschen zu helfen<br />

sich einzuleben in die leiblich-physischen Bedingungen<br />

des Erdenlebens. Ziel der Erziehung ist<br />

der freie, d.h. der zu freien Handlungen befähigte<br />

Mensch. Negativ formuliert: Ziel ist nicht der<br />

vorgeprägte, vorgeformte und dadurch bereits<br />

in seinen Entfaltungsmöglichkeiten behinderte<br />

Mensch, der dadurch auch seinen Beitrag zu einer<br />

menschengemäßen Gesellschaft nicht oder<br />

nur eingeschränkt leisten kann. Maßstab ist hier<br />

aber nicht ein abstraktes Ideal, sondern sind die in<br />

23


einem individuellen Menschen liegenden Entwicklungsmöglichkeiten.<br />

Waldorfpädagogik ereignet<br />

sich also stets konkret: mit den aktuell anwesenden<br />

Menschen unter den aktuellen Bedingungen aller<br />

Art. <strong>Waldorfschule</strong> ist die Schule, die sich permanent<br />

entwickelt und nur sich entwickelnd permanent<br />

ist. Das begründet, dass keine <strong>Waldorfschule</strong><br />

einer anderen gleicht. Dem widerspricht nicht,<br />

dass es dennoch Ähnlichkeiten und Gemeinsamkeiten<br />

gibt, denn die geistige Quelle ist eine gemeinsame.<br />

Auch haben Menschen einer Zeit ja<br />

Gemeinsamkeiten und manche Veränderungen<br />

der Menschheit und der Welt geschehen in einem<br />

viel langsameren Tempo als die augenscheinlich<br />

unsere Aufmerksamkeit herausfordernden.<br />

Es versteht sich von selbst, dass eine <strong>Waldorfschule</strong><br />

ein freie Einrichtung sein muss, frei von<br />

gesellschaftlicher oder staatlicher Bevormundung<br />

und dass die sie betreibenden Menschen wirtschaftlich<br />

frei gestellt sein müssen für ihre Arbeit.<br />

(Vorausgesetzt ist natürlich, dass Erziehung und<br />

Bildung heranwachsender Menschen überhaupt<br />

als eine gesellschaftlich zu erfüllende Aufgabe angesehen<br />

werden.)<br />

In der Bundesrepublik Deutschland gibt es<br />

eine allgemeine Schulpflicht; die Einrichtung und<br />

der Betrieb von Schulen sind staatliche Aufgaben.<br />

Die Wurzeln reichen zurück bis in die Zeit der<br />

Reformation, in der erstmalig eine Schulpflicht<br />

gefordert wurde, die dann vornehmlich in protestantischen<br />

Herrschaftsbereichen realisiert wurde.<br />

Im Preußen des 18. Jh. galt sie dann weit reichend,<br />

wobei das damit heraufziehende Bildungsmonopol<br />

des Staates auch kritisch gesehen wurde. Das<br />

Schul- als Berechtigungswesen, um sich weiterbilden<br />

zu dürfen, z.B. die Einführung des Abiturs als<br />

Studienberechtigung, bildete sich Mitte des 19. Jh.<br />

heraus. Seitdem hat es sich nur in Details verändert.<br />

Die Möglichkeit der Einrichtung freier Schulen<br />

ist in der Bundesrepublik Deutschland durch<br />

das Grundgesetz §7 (4) geschützt:<br />

Erstens: Das Recht zur Errichtung von privaten<br />

Schulen wird gewährleistet. Zweitens: Private<br />

Schulen als Ersatz für öffentliche Schulen bedürfen<br />

der Genehmigung des Staates und unterstehen<br />

den Landesgesetzen. Drittens: Die Genehmigung<br />

ist zu erteilen, wenn die privaten Schulen in<br />

ihren Lehrzielen und Einrichtungen sowie in der<br />

wissenschaftlichen Ausbildung ihrer Lehrkräfte<br />

nicht hinter den öffentlichen Schulen zurückstehen<br />

und eine Sonderung der Schüler nach den Besitzverhältnissen<br />

der Eltern nicht gefördert wird.<br />

Die Genehmigung ist zu versagen, wenn die wirtschaftliche<br />

und rechtliche Stellung der Lehrkräfte<br />

nicht genügend gesichert ist. Nach §7 (1) steht das<br />

gesamte Schulwesen unter Aufsicht des Staates.<br />

Der Staat ist für freie <strong>Waldorfschule</strong>n gleichzeitig<br />

Aufsicht Führender und Konkurrent. Dass diese<br />

rechtliche Konstruktion unproblematisch sei,<br />

wird man kaum behaupten können, insbesondere<br />

wenn man die Äußerungen der meisten politischen<br />

Parteien zu einem freien Schulwesen und<br />

noch mehr deren Handeln wahrnimmt.<br />

Es gibt nun im Wesentlichen drei Hauptangriffspunkte,<br />

die immer wieder die Existenz der<br />

<strong>Freie</strong>n <strong>Waldorfschule</strong>n angreifen und gefährden.<br />

Die finanzielle Ausstattung ist, länderspezifisch<br />

verschieden, in jedem Fall so, dass die <strong>Freie</strong>n<br />

<strong>Waldorfschule</strong>n gegenüber den staatlichen Schulen<br />

benachteiligt werden. Bei der Berechnung<br />

der staatlichen Schülerkosten werden nicht alle<br />

Ausgaben berücksichtigt. Von diesen erhalten die<br />

<strong>Freie</strong>n <strong>Waldorfschule</strong>n einen um 80 % liegenden<br />

Teil. Es gehört, nicht nur in Schleswig-Holstein,<br />

zu den bildungspolitischen Ritualen einer Legislaturperiode<br />

diesen doppelt erniedrigten Zuschusssatz<br />

zu Ungunsten der <strong>Freie</strong>n <strong>Waldorfschule</strong>n zu<br />

ändern zu versuchen. (Das „Finanzlückenfest“ in<br />

Kiel ist noch gut erinnerbar.)<br />

Es wird erwartet, dass die <strong>Freie</strong>n <strong>Waldorfschule</strong>n,<br />

d.h. deren Elternschaft einen wesentlichen<br />

Teil des Schulbetriebs finanziert. Gleichzeitig gilt<br />

das Sonderungsgebot (GG §7 (4), nach dem Kinder<br />

einkommensschwacher Eltern nicht benachteiligt<br />

werden dürfen. Es gab inzwischen höchstrichterliche<br />

Urteile, ob ein bestimmter Schulgeldbetrag<br />

diesem Sonderungsverbot widerspreche oder<br />

nicht, aber dennoch keine Klarheit. Denn es handelt<br />

sich um ein Ermessensurteil, über dessen<br />

Auslegung gut gestritten werden kann. Die <strong>Waldorfschule</strong>n<br />

sind jedenfalls nicht geschützt dagegen,<br />

dass staatliche Zuschüsse gesenkt werden<br />

und dadurch der Druck steigt höhere Elternbeiträge<br />

zu fordern. Wie das so entstehende Dilemma,<br />

dem Sonderungsgebot nicht genügen zu können<br />

und damit eine Genehmigungsvoraussetzung zu<br />

riskieren, zu entkommen ist, bleibt den Schulen<br />

überlassen. Mit steigenden Elternbeiträgen wachsen<br />

auch die Schulgeldausfälle, denn es werden<br />

Schüler natürlich unabhängig von ihrem finanziellen<br />

Hintergrund aufgenommen.<br />

Der zweite Angriffspunkt betrifft die Vorschulzeit<br />

und Einschulung. Jeder Mensch kann<br />

erkennen, dass der Schulbesuch, d.h. das Zusammensein<br />

und -lernen unter Schulbedingungen<br />

eine gewisse Entwicklungsreife erfordert, nicht<br />

nur um sich der Situation angemessen verhalten<br />

zu können, sondern auch um nicht durch verfrühte<br />

Beanspruchung von Lebenskräften die leiblichseelische<br />

Entwicklung nachhaltig zu schädigen.<br />

(Nicht wenige Sitzenbleiber an staatlichen Schu-<br />

24 <strong>Bernstein</strong> <strong>13</strong>|2009<br />

Foto: nike


len waren einfach zu früh eingeschult worden.)<br />

Der Staat, unterschiedlich in den Ländern geregelt,<br />

schreibt inzwischen das Einschulungsalter<br />

vor, unabhängig von der tatsächlichen individuellen<br />

Schulreife. Das ist ein massiver Eingriff in die<br />

Selbstbestimmung der Menschen und, weil die<br />

Regelung für alle Schularten gilt, auch in die Pädagogik<br />

und Selbstverwaltung der <strong>Waldorfschule</strong>n.<br />

Die Ausübung eines ihrer Grundsätze, nämlich<br />

mit dem Unterricht dem Entwicklungsbedürfnis<br />

des Kindes fördernd zu begegnen, wird erschwert.<br />

Daneben sei auf die verbreiteten Bemühungen<br />

hingewiesen, den Kindergarten zu einer Bildungseinrichtung<br />

mit schulähnlichen Bildungsaufgaben<br />

zu machen („Säuglingsuniversität“) in<br />

völliger Verkennung von den Entwicklungstatsachen<br />

des ersten Lebensjahrsiebts. Dieser (zwar<br />

gut gemeinte) Angriff auf die Volksgesundheit<br />

wird bisher nur durch Geldmangel verhindert.<br />

Der dritte Angriffspunkt ist ein indirekter<br />

und nicht offensichtlicher. Im Zuge der Ökonomisierung<br />

des gesamten gesellschaftlichen<br />

Lebens ist auch Bildung ein ökonomisch zu betrachtendes<br />

Gut geworden. Es wird erwartet, dass<br />

Schule die jungen Menschen fit macht für eine<br />

Wirtschafts- und Arbeitswelt, auf der globale Konkurrenz<br />

herrscht. Aus diesem Blickwinkel erklären<br />

sich die PISA-Studien und die jeweils danach<br />

einsetzenden Medien-Echos. Für Deutschland<br />

war die politische Konsequenz: Standardisierung<br />

der zu erreichenden Kompetenzen und Inhalte,<br />

Zentralisierung der Abschlüsse und Komprimierung<br />

der Ausbildungen (8-jährige Gymnasialzeit,<br />

Bachelor-Studiengänge). Die Einigung darüber<br />

vollzog sich erstaunlich geräuschlos, bedenkt<br />

man, wie laut bildungspolitische Grabenkämpfe<br />

über Jahrzehnte hinweg geführt wurden. Zwar<br />

dürfen die <strong>Waldorfschule</strong>n bei einer zwölfjährigen<br />

Waldorfschulzeit und wie die Gesamtschulen<br />

und Gemeinschaftsschulen bei einer <strong>13</strong>-jährigen<br />

Schulzeit bis zum Abitur bleiben, doch wirken<br />

die Bildungsstandards und zentralen Prüfungsaufgaben<br />

über die Abschlüsse in die Schulen hinein.<br />

Die <strong>Waldorfschule</strong>n sehen sich einem Druck<br />

ausgesetzt, der dadurch entsteht, dass einerseits<br />

die meisten Eltern und Schüler einen staatlichen<br />

Schulabschluss wünschen und erwarten, dass<br />

aber andererseits die inhaltlichen und Rahmenbedingungen<br />

von Seite des Staates vorgegeben<br />

werden. Für Oberstufenlehrer bedeutet das, um<br />

Prüfungsvoraussetzungen zu gewährleisten, zunehmend<br />

Unterrichtsinhalte und Methoden anzupassen.<br />

Dies muss bei begrenztem Zeitkontingent<br />

zu Lasten von waldorfpädagogisch begründeten<br />

Inhalten, Themen und Projekten gehen. Die Problematik<br />

ist in Bundesländern, in denen es schon<br />

lange zentrale Abschlüsse gibt, bekannt: „Waldorf-<br />

Gymnasium“). Man ist dort als <strong>Waldorfschule</strong> in<br />

solche Bedingungen hineingewachsen. In anderen<br />

Ländern wie auch Schleswig-Holstein gibt<br />

es aber gegenwärtig deutliche Anpassungs- und<br />

Amputationsschmerzen, weil vor allem das 12.<br />

Schuljahr, das doch die Waldorfschulzeit nicht nur<br />

Waldof intern<br />

abschließt, sondern wahrlich mit Überblicksepochen<br />

und Abschlussprojekten krönt oder krönen<br />

sollte, zunehmend benötigt wird für die gezielte<br />

Abiturvorbereitung. Diskutiert wird, den Realschulabschluss<br />

in das 11. Schuljahr zu legen, was<br />

in Nordrhein-Westfalen ab diesem Schuljahr geschieht,<br />

mit der Folge erheblicher Schülerverluste.<br />

In dem Maße, in dem eine <strong>Waldorfschule</strong> sich<br />

anpasst an die Bedingungen, die der Zeit(un)geist<br />

setzt, verliert sie aber ihre innere Existenzgrundlage<br />

und sind Oberstufenlehrer genötigt, eingeengt<br />

zwischen Eltern-/Schülererwartung und staatlicher<br />

Standardsetzung, marktkonform vorgefertigtes<br />

Menschenmaterial zur Verfügung zu stellen,<br />

statt in Freiheit junge Menschen zur Freiheit zu<br />

erziehen. Dass die Gesellschaft das bekommt,<br />

was sie verdient, ist kein echter Trost. Ein großer<br />

Trost dagegen ist, dass doch viele <strong>Waldorfschule</strong>n<br />

und -lehrer versuchen gegenzuhalten und Kompromisse<br />

minimalen Faulgrades schließen. Doch<br />

der Spielraum dafür ist aktuell spürbar kleiner geworden.<br />

Eins ist bei allen bildungspolitischen Reformen<br />

der vergangenen Jahre deutlich geworden:<br />

Pädagogische Gesichtspunkte spielen keine wesentliche<br />

Rolle. Das zu Grunde liegende Menschenbild<br />

wird als unreflektierte Projektion der<br />

herrschenden, vor allem ökonomischen Verhältnisse<br />

gewonnen. (Bei aller Pauschalisierung ist<br />

mir bewusst, dass auch an staatlichen Schulen<br />

im Rahmen ihrer Bedingungen gute Pädagogen<br />

hingebungsvoll ihre Arbeit tun.) <strong>Waldorfschule</strong>n<br />

sind Orte, an denen wenigstens versucht wird<br />

Menschen so zu bilden, dass sie eine zukünftige<br />

menschengemäße Gesellschaft gestalten können.<br />

Dadurch sind sie nicht nur eine alternative<br />

Schulart (wie manche andere auch), sondern sind<br />

Träger einer Kultur, von der die Gesellschaft den<br />

Eindruck erweckt, dass sie sie bräuchte.<br />

Dirk Wegner ist Lehrer in der Oberstufe an<br />

der <strong>Freie</strong>n <strong>Waldorfschule</strong> <strong>Eckernförde</strong><br />

BEI UNS IST ALLES BIO.<br />

Frische. Region. Naturschutz.<br />

Kiel: Hofholzallee 151<br />

Tel. 0431-52 95 <strong>13</strong><br />

Büdelsdorf: Hollerstrasse 47-63<br />

Tel. 04331-12 38-08<br />

25


Prometheus in gelecktem Deutsch<br />

von Dominik und Maximilian Kessener<br />

Was geschieht eigentlich, wenn<br />

sich zwei junge Leute, Schöler<br />

einer privaten Lehranstalt zumal,<br />

den ehrwürdigen Geheimrat zur<br />

Brust nähmen und ihn ins heu-<br />

tige Deutsch übersetzten? Ein<br />

erweckendes Erlebnis, fürwahr!<br />

Bemänteln Sie Ihren Amtssitz, Herr Schmidt, und<br />

exerzieren Sie, gleichsam dem geborenen, entwickelten<br />

Embryo, auf höherem Niveau.<br />

Sie sind wohl leider gezwungen, mir mein<br />

Anwesen zu lassen, so wie mein Obdach, welches<br />

sich seit langem in meinem Besitz befindet.<br />

An dieser Stelle wäre es vielleicht angebracht,<br />

einiges an Ihrem Verhalten und dem Ihrer Kollegen<br />

anzuprangern: Sie begehen Missbrauch am<br />

leichtfertigen Glauben des gemeinen Pöbels, dabei<br />

wären Sie verloren, wenn o.g. nicht von primitiver<br />

Natur wären.<br />

Einst, in jüngeren Tagen – ein junger Spund<br />

war ich – glaubte meine damals naive Seele Ihre<br />

schändliche Propaganda. Der daraus resultierende<br />

Glaube, ich könne mir großen Grundbesitz leisten,<br />

zerschellte in einem Kredit, den ich von Ihnen<br />

für eine Hypothek aufnehmen musste.<br />

Wer griff mir unter die arme, angesichts des<br />

Schimmels an der Wand? Stellten Sie mir nicht<br />

den Blanko-Check aus, zahlungskräftiger Vater<br />

Staat? ...zahlten viel und ausreichend. Doch ich<br />

wurde zum Narren gehalten – durch Ihre Taten,<br />

Ihre Worte.<br />

Um nicht zu weit abzuschweifen und sentimental<br />

zu werden: Ich werde mich nicht erkenntlich<br />

erweisen,angesichts dieser Unwahrheiten!<br />

Denn letztlich hat nicht Ihr Geld, sondern der<br />

Umgang mit Ihnen mich erfahren gemacht.<br />

Um den Ursprung meiner Intention, Ihnen<br />

zu schreiben, zu nennen: Ich werde eine oppositionelle<br />

Verbraucheroffensive gründen, Sie zu stürzen,<br />

ohne Sie zu leben, in Einklang und Harmonie.<br />

Doch am wichtigsten: Nicht in Abhängigkeit<br />

von Ihnen.<br />

etra Bendixen<br />

PhotoReading<br />

hotoReading<br />

Psychogenese<br />

sychogenese<br />

Bestimmung:<br />

Folge dem Stern<br />

Deines Lebens und Du<br />

wirst an Scheidewegen<br />

die richtigen<br />

(Ent-)Scheidungen treffen.<br />

Lütthörn 53<br />

24340 <strong>Eckernförde</strong><br />

info@petra-bendixen.de<br />

Tel.: 04351/87330<br />

Mobil: 0160/7653969 eMail:<br />

Zeichnung: 26 Kirsten Evers<br />

<strong>Bernstein</strong> <strong>13</strong>|2009<br />

www.petra-bendixen.de


merkenswürdig: Bücherkolumne<br />

Svenja Funke<br />

Letztens sollte ich eine Freundin abholen, doch<br />

weil sie noch nicht wieder zu Hause war, sagte<br />

ihre Mutter, ich solle doch hereinkommen und<br />

im Wohnzimmer auf sie warten. Mir wurde ein<br />

Kaffee angeboten und ich wurde gefragt, ob ich<br />

denn vielleicht etwas lesen wolle: ,,Meine Tochter<br />

erzählte mir, dass du immer so viel liest, was sie<br />

ja nun überhaupt nicht macht. Schade eigentlich.<br />

Aber ich kann dir leider keinen Harry Potter Band<br />

anbieten... ihr Jungendlichen lest doch nur so etwas,<br />

oder?“ Da musste ich ihr erst einmal schmunzelnd<br />

erklären, dass keineswegs alle Jugendlichen<br />

nur Harry Potter lesen.<br />

Dabei können natürlich auch Fantasybücher<br />

mehr als nur Unterhaltung bieten, sondern auch<br />

durchaus eine ordentliche Portion geistreichen<br />

Humor und Gesellschaftskritik enthalten, wie<br />

zum Beispiel ,,Kinder des Judas“ von Markus<br />

Heitz (ISBN: 978-3-426-66277-9, erschienen<br />

2007 im Droemer Knauer Verlag).<br />

Bevor ich die Bücher dieses Autors gelesen<br />

hatte, interessierte mich Fantasy jedoch recht wenig.<br />

Meine Lieblingsautoren waren Cecilia Rees,<br />

Isabel Allende, Harold Robbins oder Erich Kästner,<br />

der übrigens, entgegen vielen Vorurteilen,<br />

nicht nur Kinderromane verfasst hat.<br />

Das Buch, dass ich in dieser Ausgabe vorstellen<br />

möchte, ist eher nicht für allzu junge Leser gedacht<br />

gewesen. ,,Fabian“ (ISBN: 9783486887464)<br />

ist die Geschichte eines Moralisten, und wer sich<br />

etwas mit Erich Kästner beschäftigt hat, wird merken,<br />

dass es an Selbstironie in diesem Buch nicht<br />

mangelt.<br />

Doch nicht nur das macht diesen Roman, der<br />

das Gesellschaftsbild in Berlin am ,,Vorabend“<br />

Hitlers Machtergreifung sehr anschaulich, aber<br />

kritisch, reflektiert, so lesenswert. Selten ist ein<br />

Roman über Moral so humorvoll, satirisch und<br />

intelligent geschrieben worden. Interessant fand<br />

ich auch, dass aufgrund dieses Romans die Werke<br />

Erich Kästners anlässlich der Bücherverbrennung<br />

1939 in Deutschland unter dem Vorwurf der Pornografie<br />

verbrannt wurden.<br />

Kästner war wohl der einzige Autor, der verborgen<br />

in der Menschenmenge dabei zusah, wie<br />

seine Bücher verbrannt wurden und später öffentlich<br />

dazu Stellung nahm.<br />

merkenswürdig<br />

Glitzer - Kinderbücher?<br />

„Freche Mädchen – freche<br />

Bücher“? Mainstream Aben-<br />

teuer für Alle? Alles lang-<br />

weilig meint Svenja Funke<br />

und fordert Anspruchsvolles<br />

für die Schmökerstunde.<br />

Svenja Funke ist Schülerin der <strong>Freie</strong>n <strong>Waldorfschule</strong> <strong>Eckernförde</strong><br />

Fotos: fognin<br />

27


Danke an Freunde, Förderer und Helfer<br />

Bernd Hadewig für Vorstand und Kollegium der <strong>Freie</strong>n <strong>Waldorfschule</strong> <strong>Eckernförde</strong><br />

Liebe Freunde und Förderer des<br />

Waldorfkindergartens und der<br />

<strong>Waldorfschule</strong> <strong>Eckernförde</strong>!<br />

Wir danken denjenigen, die<br />

uns beim Frühjahrsputz hel-<br />

fen, aufzuräumen, zu renovie-<br />

ren und neu zu gestalteten.<br />

Bei den geplanten weiteren Vorhaben brauchen<br />

wir ideenreiche und engagierte Hilfe und finanzielle<br />

Unterstützung: z.B. für die Anschaffung von<br />

Spielgeräten und die Gestaltung der Außenanlagen<br />

im Kindergarten, für neue Stühle im Musiksaal<br />

und für die Einrichtung und Ausgestaltung<br />

der neuen Räume im Ostflügel und des Schulhofes.<br />

Wir bitten Sie um Spenden zu einem der angegebenen<br />

Zwecke auf das Konto <strong>Nr</strong>. <strong>13</strong>7 000 bei<br />

der Förde Sparkasse mit der Bankleizahl 210 50<br />

170. Eine entsprechende Spendenbescheinigung<br />

bekommen Sie dann umgehend von uns zugeschickt.<br />

Für eine lebenserhaltende Zukunft…<br />

Was, wenn die moderne Kultur eine Illusion ist und die Illusion sich<br />

gerade auflöst? Fühlen Sie diese Frage tief in Ihrer Seele? Was, wenn<br />

die Ölspitze, der Klimawandel und der wirtschaftliche Zusammenbruch<br />

wahr sind? Was, wenn Sie umsonst darauf warten, dass die<br />

Regierungen dieser Welt uns retten? Was, wenn es an Ihnen liegt,<br />

Veränderungen zu bewirken? Was machen Sie dann?<br />

www.just-stop.org<br />

Wir kamen auf die Welt, weil wir den Planeten Erde lieben. Wie<br />

können Sie Verantwortung für diese Liebe übernehmen?<br />

Liebe für Ihren Partner? Liebe für Ihre Kinder? Liebe für das<br />

Leben auf dem Planeten Erde?<br />

www.wahreliebeimalltag.de<br />

Können Sie als Wegbereiter dabei helfen,<br />

den Wechsel zu einer tragfähigen<br />

Kultur vorzunehmen? Tragfähige Kultur<br />

bedeutet neue Denk- und<br />

Verhaltensweisen.<br />

www.possibilica.org<br />

Ausbildung: Trainer für<br />

tragfähige Verhaltensweisen und neue Möglichkeiten<br />

www.callahan-academy.com

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