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Marc Wischnowsky | Michaela Veit-Engelmann: Judit (Leseprobe)

Judit aus Betulia – viel ist über diese Frau geschrieben worden. Sie wurde zum Sujet zahlreicher Nacherzählungen, Dramen, Gemälde und Musikstücke. Judit gilt als klassische Femme fatale, die dafür sorgt, dass ein Mann den Kopf verliert – metaphorisch und im realen Sinne. Sie enthauptet den feindlichen Feldherrn Holofernes und wird so zur Retterin Israels, die allein eine ganze feindliche Armee in die Flucht schlägt. Ihre Geschichte berührt bis heute. Die Erzählung von Judit findet sich nur in der Septuaginta, der griechischen Bibelübersetzung des Alten Testaments, und wird deshalb in der protestantischen Tradition zu den Apokryphen gezählt. Judit aus Betulia – ist das alles zu schön, um wahr zu sein? Tatsächlich ist diese Überlieferung eine Legende. Eine aber, aus der es viel zu lernen gibt über weibliche Stärke, Mut und Gottvertrauen in einer feindlichen Welt – und über das Wirken Gottes, der auf ungewöhnlichen Wegen in der Geschichte handelt, um sein Volk vor dem Untergang zu bewahren.

Judit aus Betulia – viel ist über diese Frau geschrieben worden. Sie wurde zum Sujet zahlreicher Nacherzählungen, Dramen, Gemälde und Musikstücke. Judit gilt als klassische Femme fatale, die dafür sorgt, dass ein Mann den Kopf verliert – metaphorisch und im realen Sinne. Sie enthauptet den feindlichen Feldherrn Holofernes und wird so zur Retterin Israels, die allein eine ganze feindliche Armee in die Flucht schlägt. Ihre Geschichte berührt bis heute.
Die Erzählung von Judit findet sich nur in der Septuaginta, der griechischen Bibelübersetzung des Alten Testaments, und wird deshalb in der protestantischen Tradition zu den Apokryphen gezählt.
Judit aus Betulia – ist das alles zu schön, um wahr zu sein? Tatsächlich ist diese Überlieferung eine Legende. Eine aber, aus der es viel zu lernen gibt über weibliche Stärke, Mut und Gottvertrauen in einer feindlichen Welt – und über das Wirken Gottes, der auf ungewöhnlichen Wegen in der Geschichte handelt, um sein Volk vor dem Untergang zu bewahren.

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Marc Wischnowsky

Michaela Veit-Engelmann

JUDIT

Mit Kopf, Herz und Hand

Biblische Gestalten



VORWORT

Die Geschichte von Judit aus Betulia fordert heraus: die

schöne Witwe, die zur Kriegerin wird, um im Auftrag

ihres Gottes den gegnerischen Feldherrn zu ermorden!

Ereignet hat sich all das nicht. Und doch stellt das Buch

Judit eine ganze Reihe theologisch bedeutsamer Fragen:

nach unserem Gottesbild oder danach, wie wir

uns Gottes Handeln in der Geschichte vorstellen, welche

Männer- und Frauenbilder unsere biblisch-christ -

liche Tradition prägen – und ob der Zweck eigentlich

jedes Mittel heiligt.

Judits Geschichte ist eine mit Kopf, Herz und Hand.

Denken, Fühlen und Handeln spielen ineinander. Judit

ist eine kluge und theologisch gebildete Frau, die sich

mutig ein Herz fasst und handelt – pragmatisch und

zielorientiert zugleich. Und selbst wenn es dem Er -

zähler nicht um Pädagogik geht, so wird doch klar:

Judit soll ein Vorbild sein.

Das Buch Judit fordert heraus – auch weil es lange

aus dem Blick der protestantischen Frömmigkeit verschwunden

war. Als Teil des griechischen Alten Testaments

und der Vulgata gehörte das Buch Judit bis zur

Reformation selbstverständlich zum biblischen Kanon,

wurde von Luther in seiner Bibelübersetzung dann

aber in den Anhang des Alten Testaments verbannt –

und kam damit gleichsam zwischen den Testamenten

zu stehen. Protestantische Bibeln der Neuzeit enthielten

das Buch Judit deshalb in der Regel nicht. Erst mit

dem Reformationsjubiläum 2017 wurde es erneut zum

selbstverständlichen Teil des Kanons – was es im Übrigen

auf katholischer Seite durchgängig geblieben war.

Grund genug, sich auch von evangelischer Seite neu

auf die Spurensuche zu begeben. Dieser Band der

5


Reihe »Biblische Gestalten« fragt nach der historischen

Verortung des Juditbuches und seiner Einordnung in

den griechischen Kanon des Alten Testaments und erhellt

die fiktive Geschichte dieser Frau. Ein umfangreiches

Themenkapitel konzentriert sich auf die zentralen

theologischen Fragen des Textes; den Abschluss bilden

einige wirkungsgeschichtliche Blitzlichter. All dies soll

den Lesenden als Anregung dazu dienen, sich selbst

auf die Suche zu begeben nach neuen Facetten der Juditfigur

und nach den Spuren, die das Buch seit seiner

Entstehung hinterlassen hat. Judit, die schöne Kriegerin,

hat die Fantasien über Jahrhunderte beflügelt –

eine Faszination, die bis heute anhält.

Die biblischen Zitate folgen für das Buch Judit der

Septuaginta Deutsch, für alle anderen biblischen Bücher

Luther 2017; die Schreibweise der biblischen Namen

richtet sich durchgängig nach Luther. Ein Hinweis

zur geschlechtergerechten Sprache: In dem Juditbuch

geht es um Männer und Frauen und wir gehen davon

aus, dass von Beginn an auch beide Geschlechter zu

den Adressaten dieser Geschichte gehörten. Wenn wir

gelegentlich nur von Leserinnen sprechen, so ist das

selbstverständlich inklusiv gemeint.

Zur Entstehung dieses Buches haben viele Menschen

beigetragen. Unser erster Dank gebührt den beiden

Herausgebern der Reihe »Biblische Gestalten«,

Prof. Dr. Christfried Böttrich und Prof. em. Dr. Rüdiger

Lux, die uns zur Abfassung ermutigt und den Schreibprozess

begleitet haben. Dank gebührt auch Dr. Annette

Weidhas von der Evangelischen Verlagsanstalt

Leipzig für die Aufnahme ins Verlagsprogramm und

die freundliche Begleitung des Projektes. Prof. Dr. Jens

Herzer verdanken wir wertvolle inhaltliche Hinweise

auf der Zielgeraden der Bearbeitung des Manuskripts.

Die Mühen des Korrekturlesens teilten sich Birgit

6


Nowak und Lothar Veit, auch ihnen sei herzlich gedankt.

Und schließlich sind wir unseren Familien

dankbar dafür, dass sie wieder mal so geduldig unsere

Ausflüge in die Schreiberei ertragen haben.

Michaela Veit-Engelmann und Marc Wischnowsky

Loccum und Stade/Göttingen im Herbst 2024

7



INHALT

A Einführung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13

1. Der Kanon heiliger Schriften –

Zugehörigkeit und Abgrenzung. . . . . . . . . . . . . 15

2. Judit als Teil der Septuaginta –

Eigene Wege. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21

3. Judit im Kanon der christlichen Bibel –

Bleibende Wertschätzung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26

4. Von Apokryphen und Pseudepigraphen –

Judit in der evangelischen Tradition. . . . . . . . . 29

5. Sprache, Komposition und Gattung des

Juditbuches. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 36

6. Geschichtsdeutung im Buch Judit und

Entstehungszeit. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 42

7. Das heilige Land zur Makkabäerzeit. . . . . . . . . 48

8. Geschichte neu gelesen – Intertextualität

im Buch Judit. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 54

9. Zu schön, um wahr zu sein? – Zur

gegenwärtigen Bedeutung des Juditbuches. . . 57

B Darstellung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 59

1. Judit – Ein Drama in drei Akten. . . . . . . . . . . . . 59

1.1. Bühnenbild: Das Welttheater (Jdt 1–7). . . . . . 59

1.2. Erster Akt – In Betulia: Judits Auftritt . . . . . . 76

9


1.2.1. Szene 1: Judit, die schöne Witwe

(Jdt 8,1–10). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 76

1.2.2. Szene 2: Judits Rede vor den Ältesten

(Jdt 8,11–27). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 81

1.2.3. Szene 3: Mit den Ältesten im Gespräch

(Jdt 8,28–36) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 86

1.2.4. Szene 4: Judit betet (Jdt 9,1–14). . . . . . . 88

1.2.5. Szene 5: Judit macht sich auf

(Jdt 10,1–10). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 94

1.3. Zweiter Akt – Im feindlichen Lager:

Judits Tat. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 96

1.3.1. Szene 6: Im Lager der Assyrer

(Jdt 10,11–20) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 96

1.3.2. Szene 7: Judit trifft Holofernes

(Jdt 10,21–11,23). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 99

1.3.3. Szene 8: Vorbereitungen

(Jdt 12,1–20) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 105

1.3.4. Szene 9: Judit tötet Holofernes

(Jdt 13,1–10). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 110

1.4. Dritter Akt – Zurück in Betulia:

Judits Feier. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 114

1.4.1. Szene 10: Heimkehr

(Jdt 13,11–14,5) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 114

1.4.2. Szene 11: Judit und Achior

(Jdt 14,6–15,14). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 117

1.4.3. Szene 12: Judit singt

(Jdt 16,1–16,17) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 121

1.5. Das Schlussbild: Ende gut, alles gut

(Jdt 16,18–25). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 130

2. Gott und die Welt –

Theologische Themen des Buches Judit . . . . . 134

2.1. Der Reichtum der Witwe –

Sozialgeschichtliche Aspekte . . . . . . . . . . . . . 134

10


2.2. Die Schönheit der Kriegerin –

Von Frauen- und Männerbildern. . . . . . . . . . 143

2.3. Durch die Hand einer Frau – Gott wird

in der Schwachen mächtig. . . . . . . . . . . . . . . 154

2.4. Kriegsgeschehen – Und ein Gott,

der den Krieg zerschlägt. . . . . . . . . . . . . . . . . 161

2.5. Judit, die Retterin – Gewalt und Moral. . . . . 172

2.6. Was Gott macht – Souveränität und

Geschichte. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 180

2.7. Schlussakkord – Gottesfurcht und

Gottvertrauen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 188

C Wirkung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 194

1. Keuschheit und Demut – Die Neudeutung

der Juditfigur in der Vulgata. . . . . . . . . . . . . . . 195

2. Die Heroine – Judit in den

mittelalterlichen Midraschim. . . . . . . . . . . . . . 200

3. Die gewaltige Verführerin – Judit in

der Kunst der Artemisia Gentileschi. . . . . . . . 209

4. Triumph und Gloria – Judit in der

Musik des Antonio Vivaldi . . . . . . . . . . . . . . . . 220

5. Sehnsucht und Erfüllung – Judit zu

Gast in der Literatur bei Hebbel. . . . . . . . . . . . 226

6. Zum Schluss … Judit – Mit Kopf,

Herz und Hand. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 237

D Verzeichnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 246

1. Literatur. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 246

2. Abbildungen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 253

Zu Autor und Autorin . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 255

11



A EINFÜHRUNG

Im Jahr 1534 brodelt und gärt es an verschiedenen Orten

in Deutschland. Es sind die ersten wilden Jahre und

Jahrzehnte der Reformation, in denen alles möglich

scheint. In Münster gründen die Täufer ihr sogenanntes

Täuferreich; sie verfechten eine schwärmerische Theologie

und sehen in der biblischen Apokalypse eine Art

Fahrplan für ihre eigene Zeit. Sie vertreiben die Katholiken

und die gemäßigten Anhänger der Reformation,

führen die Vielehe ein und leben in einer Art Gütergemeinschaft.

Das alles sieht sich der katholische Bischof

von Osnabrück und Münster, Franz von Waldeck, einige

Zeit lang an – doch irgendwann wird es auch ihm

zu bunt, obwohl er den reformatorischen Ideen gegen -

über durchaus aufgeschlossen ist. Es kommt, wie es

kommen muss: Regierungstruppen belagern die Stadt.

Das ist die Stunde einer Frau namens Hille Feicken.

Ihr Plan: ihre Stadt zu retten, indem sie Franz von Waldeck

ermordet. Am 16. Juni 1534 will sie das in die Tat

umsetzen. Doch sie scheitert; vermutlich wird sie von

einem Überläufer verraten. Vor Gericht sagt Hille Feicken

aus, sie sei wie Judit von Gott berufen worden. Der

Bischof sei ihr Holofernes, das Täuferreich ihr Betulia.

Die Anführer der Täufer, so behauptet sie, hätten von

ihrem Plan gewusst und ihn unterstützt, der Verweis

auf Judit habe alle überzeugt. Das Gericht al lerdings

überzeugt diese Argumentation nicht. Hille Feicken

wird deshalb zum Tode verurteilt und im bischöflichen

Lager enthauptet. 1 Nicht Feickens Holofernes also ver-

1 Zu dieser erstaunlichen Geschichte Kobelt-Groch, Geschichte,

57–69; dort auch weitere Quellen.

13


liert seinen Kopf, sondern hier ist es – tragischerweise –

die moderne Judit.

Doch wer war eigentlich ihr Vorbild, die biblische

Judit, von der sich diese Münsteraner Täuferin zu ihrer

Tat ermächtigt fühlte?

Die Geschichte von Judit aus Betulia steht im Buch

Judit, einer Erzählung, die Eingang fand ins griechische

Alte Testament und von da aus auch in die lateinische

Volksübersetzung, die Vulgata.

Judit aus Betulia hat als biblische Gestalt viele Menschen

inspiriert. Dazu gehörten insbesondere Künst -

lerinnen und Künstler. Sie haben Judit gemalt, besungen,

ihre Geschichte nachgespielt und in vielfältigen

Formen nacherzählt. Diese Wirkungsgeschichte war

vermutlich über viele Jahrhunderte prägender als das

biblische Zeugnis – und dürfte es bis heute sein. Die älteste

bekannte bildliche Darstellung Judits stammt aus

dem 8. Jahrhundert, doch bis in die Gegenwart hinein

hat ihre Geschichte zu Gemälden angeregt. Opern und

Oratorien sind nach ihr benannt worden, Dramen und

Romane geschrieben worden, die ihren Namen tragen.

Die deutsche Popsängerin Judith Holofernes, eigentlich

Judith Holfelder-von der Tann, wählt als Pseudonym

den Namen dieser biblischen Figur und den ihres

Gegenspielers gleich mit. Alle diese Adaptionen spielen

auf je eigene Weise mit Judit und ihrer Geschichte

und deuten sie immer wieder neu. Das zeigt: Judit inspiriert

bis heute. Umso verlockender ist es, Judit selbst

auf die Spur zu kommen. Zu entdecken, was in der

Bibel von ihr erzählt wird, welche Zeitfragen sich in

dieser Geschichte spiegeln und woran sich die unterschiedlichen

Bilder dieser faszinierenden Frauengestalt

festmachen.

14



Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation

in der Deutschen Nationalbibliographie; detaillierte biblio -

graphische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de

abrufbar.

© 2025 by Evangelische Verlagsanstalt GmbH · Blumenstr. 76 ·

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Cover: Friedrich Lux, Halle/Saale

Satz: Steffi Glauche, Leipzig

Druck und Binden: BELTZ Grafische Betriebe GmbH, Bad

Langensalza

ISBN 978-3-374-07785-4 // eISBN (PDF) 978-3-374-07786-1

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