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XPLR Magazin 05/2024

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N o 5

Media Magazine

DIESE LÖSUNGEN

FINDEN MEDIEN­

UNTERNEHMEN, UM

IN EINER WELT

DER KOSTENLOSEN

INFORMATIONEN

BESTEHEN ZU KÖNNEN

WIE SICH MEDIEN IN

ZUKUNFT FINANZIEREN


EDITORIAL

Servus

wir sind:

Wir zeigen dir Menschen, die die Medienwelt von morgen

gestalten, informieren dich über relevante Trends und

entdecken für dich innovative Medienunternehmen aus Bayern.

Die Finanzierungsmodelle journalistischer Medienunternehmen

geraten immer mehr ins Wanken. Werbeeinnahmen

brechen weg, die Nachrichtenmüdigkeit wächst und die

Bereitschaft, für guten Journalismus zu zahlen, nimmt ab.

Dabei ist vertrauenswürdige Berichterstattung in Zeiten von

KI und globalen Krisen wertvoller denn je.

Wie also sichern Radio, TV, Zeitung und

Onlinemedien ihr Überleben?

Bayerische Player reagieren innovativ auf diese Frage.

Sie erschließen neue Geschäftsfelder, testen zusätzliche

Erlösquellen und schaffen es, etablierte Produkte

neu aufleben zu lassen. Entdecke inspirierende Use Cases

und die Ergebnisse unserer Studie „So finanzieren

sich Medien in Zukunft“ im neuen XPLR: Media Magazine.

COVER: SOPHIA RACKL

2


3


INHALT

„Wir setzen uns

permanent damit auseinander,

wie wir das, was wir

gestern gut gemacht haben,

morgen noch besser

machen können.“

ANDREAS ARNTZEN,

CEO WORT & BILD VERLAG

02 EDITORIAL

05 IMPRESSUM

18

MIT

DER COMMUNITY

Die Denkfabrik 1E9 organisiert

unter anderem Networking-Events

wie das „Festival der Zukunft“.

06 Q & A

Lizenztitel, Podcasts, Aggregatoren:

Wie finanziert sich die Branche

heute – und welche Möglichkeiten

sehen Medienschaffende für die

Zukunft?

12 AUF HEISSEN SPUREN

Die Pulitzer-Preisträger Bastian

Obermayer und Frederik Obermaier

gründeten die Investigativ-Redaktion

paper trail media. Im Interview

erklären sie, wie sie arbeiten.

18 KONSTRUKTIV UND

OPTIMISTISCH

Über Tech-Trends konstruktiv berichten

und gemeinsam mit der

Community die Zukunft gestalten:

Das ist das Ziel der Denkfabrik 1E9.

24 STUDIE: ERLÖSMODELLE IM

JOURNALISMUS

Welchen Stellenwert haben bestimmte

Geschäftsmodelle jetzt

und in Zukunft? Wie Medienunternehmen

ihre Strategien optimieren

und neue Monetarisierungsquellen

erschließen.

30 WAS ERWARTET DIE

BRANCHE ...

... in Sachen künstliche Intelligenz,

Social-Media-Algorithmen, Suchmaschinen

und journalistischer

Nachwuchs? Expert:innen geben

eine Einschätzung.

32 THINKTANK

Das MedienNetzwerk Bayern

unterstützt mit seinem Thinktank

Medienunternehmen beim Einstieg

in neue Technologien.

34 MIT K5 INS METAVERSE

Die K5 Factory veröffentlicht ein

Social-VR-Game über das Oktoberfest.

Ein Porträt des Unternehmens,

das aus der Filmproduktion kommend

in digitale Welten vordringt.

40 DIE NEUE STURMSPITZE FÜR

PODCASTS

Wie der „kicker“ mit einer neuen

Offensive im Audiobereich seinen

Markenkern stärkt und gleichzeitig

neue Zielgruppen erschließt.

46 AM PULS DER ZEIT

Der Wort & Bild Verlag verantwortet

mit der „Apotheken Umschau“ das

auflagenstärkste Magazin Deutschlands.

CEO Andreas Arntzen erklärt,

was es braucht, um langfristig

erfolgreich zu bleiben.

52 UNTER DEM RADAR

Fünf bayerische Medien-Startups

mit vielversprechenden Ideen.

54 WELCHER WERBETYP

BIST DU?

Werbung ist nicht gleich Werbung.

Für welche Werbeform bist du

empfänglich? Mach den Test.

56 HELLO FROM RUHPOLDING

Das Wandl ist Konferenzzentrum,

Startup-Accelerator und Boutique-

Hotel in einem. Medienschaffende

kommen zum Coworking oder für

Aufnahmen im TV- und Podcast-

Studio nach Oberbayern.

FOTOS: JULIAN BAUMANN (2), DANIEL DELANG, SEBASTIAN LOCK

4


DAS PULITZER-DUO

Die Gründer von paper trail

media erklären, wie

sie ihr Investigativ-Büro

aufgebaut haben.

12

46

TAUSENDSASSA

Erfolgsmodell Diversifizierung: Der

Wort & Bild Verlag ist Herausgeber

der „Apotheken Umschau“ – doch sein

Repertoire ist viel breiter.

40

ERFOLGREICH MIT

PODCASTS

Audioredakteurin

Isabella Fischer sieht

gute Chancen,

Podcast-Formate des

„kicker“-Magazins

gewinnbringend

weiterzuentwickeln.

Studie zu

Erlösmodellen

ab Seite 24

HERAUSGEBER

Medien.Bayern GmbH

Balanstraße 73 / Haus 11

81541 München

Tel.: +49 (0)89 68 999 - 0

Fax: +49 (0)89 68 999 - 199

E-Mail: info@xplr-media.de

Geschäftsführer

(verantwortlich)

Stefan Sutor (Vorsitzender)

Lina Timm

Handelsregisternummer

Amtsgericht München;

HRB 134726

USt.-IdNr.: DE 173127048

Medien.Bayern GmbH,

Oktober 2024

REDAKTION

Nina Brandtner

Florentina Czerny

XPLR: MEDIA in Bavaria

Storyboard GmbH

Wiltrudenstraße 5

80805 München

GESTALTUNG

Storyboard GmbH

XPLR: MEDIA in Bavaria ist eine Initiative der Medien.Bayern GmbH

und wird von der Bayerischen Staatskanzlei und der

Bayerischen Landeszentrale für neue Medien gefördert.

DRUCK

Peschke Solutions GmbH

Humboldtstraße 6

85609 Aschheim

5


Q&A

WAS MACHT

LIZENZTITEL

ERFOLGREICH?

WELCHE THEMEN

TREIBEN DIE

MEDIENBRANCHE

UM? UND WO LIEGEN

DIE POTENZIALE

VON MORGEN?

BAYERISCHE

MEDIENSCHAFFENDE

GEBEN ANTWORTEN.

1972 kommt die Lizenz für den „Playboy“

nach Deutschland. Seit 2019 hält sie

der Verlag Kouneli. Wenig später sichert

sich das Haus auch die Rechte an

der „Sports Illustrated“. Myriam Karsch,

geschäftsführende Gesellschafterin, spricht

über die Monetarisierungsmöglichkeiten

und Vorteile einer Lizenzmarke.

6

Q & A / Q & A / Q & A / Q & A / Q & A / Q & A /


Q & A

Wie stark ist der Einfluss des Lizenzgebers?

Wie frei ist die Redaktion?

Auch das ist unterschiedlich. Wir sind bei

beiden Titeln sehr frei. Mit Playboy USA

arbeiten wir bereits sehr lange zusammen.

Gerade auf den digitalen Kanälen nutzen

die USA sogar mittlerweile unsere Inhalte.

Wir sind also ein wichtiger Content-Lieferant

für das Ausland, d. h. für den Lizenzgeber

und andere Lizenznehmer geworden.

Wie hoch ist der Druck auf die Performance

vonseiten des Lizenzgebers?

Den Druck machen wir uns eher selbst,

da man als Unternehmen erfolgreich sein

muss. Vom Lizenzgeber kommt kein starker

Druck, denn die Rahmenbedingungen der

Zusammenarbeit sind im Lizenzvertrag geregelt.

In den Vertragsverhandlungen legt

man in der Regel einen prozentualen Anteil

vom Umsatz fest, den man an den Lizenzgeber

abführt – alternativ oder zusätzlich

einigt man sich auf eine Mindestgarantie.

Solange man den Lizenzzahlungen nachkommt,

ist in der Regel auch der Lizenzgeber

zufrieden, sofern das Produkt auch im

Sinne der Marke produziert wird. Diese Vereinbarungen

trifft man in der Regel nicht

von Jahr zu Jahr, sondern über einen Zeitraum

von drei bis sieben Jahren.

Welche Rolle spielen die Erlöse aus den

FOTO: KOUNELI MEDIA GMBH/LEA SCHMITT

Warum lohnt sich ein Lizenztitel?

„Playboy“ war von Anfang an im internationalen

Markt etabliert. Als wir 2019 die Lizenz

erworben haben, lagen wir in dem Quartal

bereits bei ca. 42.000 Abonnent:innen. Im

Werbemarkt war der „Playboy“ ebenso lange

bekannt. Gerade in der Vermarktung,

aber auch im Lesermarkt erleichtert der

bestehende Bekanntheitsgrad der Marke

den Markteintritt.

Gibt es allgemeine Voraussetzungen,

damit ein Lizenztitel funktioniert?

Einmal ist es, wie gesagt, die Bekanntheit,

die hilft bei der Einführung. Auf der

anderen Seite kauft man mit der Lizenz

die Möglichkeit, Inhalte von Lizenzgebern

zu übernehmen. Es gibt Titel in Deutschland,

die 1 : 1 das Lizenzprodukt aus dem

Ausland kopieren. Ich glaube allerdings,

dass das langfristig nicht funktioniert.

Man muss sich immer die Käuferschaft

im Zielland anschauen und auf deren

Interessen eingehen, um erfolgreich

zu sein. Bei „Playboy“ produzieren wir

zum Beispiel fast alles selbst. Bei „Sports

Illustrated“ haben wir ein anderes Konzept.

Hier erstellen wir bis zu 25 Prozent

der Heftinhalte und etwa 70 Prozent des

Website-Contents selbst.

Digitalauftritten der Lizenztitel?

Generell finanziert sich „Playboy“ fast

ausschließlich durch Leser:innen bzw.

Nutzer:innen und „Sports Illustrated“ durch

Vermarktungserlöse. Bei „Playboy“ als etablierter

Marke sind wir früh mit einem

Subscription-Modell gestartet. Wenn man

die E-Paper-Erlöse dazurechnet, ergibt

sich ein Anteil von ca. 25 Prozent. Digitale

Werbeerlöse spielen nahezu keine Rolle

mehr. Bei „Sports Illustrated“ ist der Anteil

der digitalen Erlöse deutlich geringer und

liegt noch bei unter zehn Prozent. Der Traffic

auf der Website ist noch gering, wächst

aber stark.

Q & A / Q & A / Q & A / Q & A / Q & A / Q & A

7


MARKETTE

Q & A

WIE STEHT ES UM DIE

PODCAST-FINANZIERUNG?

Podcasts mit Fokus Storytelling – das ist die Paradedisziplin der Münchner

Podcast-Produktionsfirma Kugel und Niere. Anna Bühler, eine von vier Geschäftsführer:innen,

erzählt im Interview, wie das Unternehmen seine Produktionen finanziert.

Wie hat sich der Podcast-Markt in den

letzten Jahren verändert?

Der Markt ist in den letzten Jahren viel

professioneller geworden. Wir wissen

jetzt besser, wie wir mit Werbung die

richtige Zielgruppe erreichen. Technische

Innovationen haben das Werben

zudem erleichtert. Doch die globalen

Krisen unserer Zeit hinterlassen auch

hier Spuren. Seit dem russischen Angriff

auf die Ukraine ist der Werbemarkt

schwieriger geworden. Marketingbudgets

werden zuerst gekürzt

und das spüren auch wir deutlich.

Hat der Podcast-Boom seinen Peak

erreicht?

Ich hoffe nicht. Ständig erscheinen

neue und hochwertige Formate. Das

gibt mir Hoffnung, dass der Boom

anhält und noch mehr Menschen

Podcasts in ihren Alltag integrieren.

Podcasts sind eine der besten Arten,

Geschichten zu erzählen. Ich glaube,

wir haben das Potenzial noch lange

nicht ausgeschöpft.

Wie finanzieren Sie Ihre

Podcasts?

Zum einen durch Auftragsproduktionen.

Wir

verhandeln die Konditionen

mit Partnern

wie ZDF, Spotify und

Co. und erhalten

einen festen Betrag

für unsere Arbeit.

Das umfasst

meist Recherche,

Produktion,

Postproduktion

und noch einiges

mehr. Die Rechte

am fertigen Produkt

liegen jedoch bei der

Partnerfirma. Das nennt sich „Total

Buyout“. Für Eigenproduktionen nutzen

wir alle verfügbaren Finanzierungswege.

Werbe finanzierung spielt eine

große Rolle, aber auch Merchandising,

Livetouren oder Community-Finanzierung

via Patreon oder Steady. Es ist

nicht verkehrt, wenn man sagt: Podcast

ist ein soziales Medium. Denn man benötigt

ein gutes Community-Management,

das es schafft, die Hörer:innen mit

ins Boot zu holen. Bei unserem Podcast

„Darwin gefällt das“ ist uns das gelungen.

Über den stetigen Austausch mit

unseren Hörer:innen haben wir erfahren,

dass sie sich Livetouren, Shirts usw.

wünschen. Außerdem sind sie bereit,

für ihren Lieblingspodcast zu bezahlen.

Dafür bekommen sie Zusatzleistungen,

die über die bloße Podcast-Folge hinausgehen:

etwa exklusive Bonusfolgen,

werbefreie Podcast-Folgen oder die Erwähnung

des Namens in den Credits.

Wie hoch ist die Werbeakzeptanz bei

Podcasts?

Werbung in Podcasts ist immer noch

überschaubar. Sie dauert meist 30

Sekunden bis anderthalb Minuten.

Kein Vergleich zu den Werbeblöcken

im Fernsehen oder Radio. Trotzdem

müssen sich die Hörer:innen erst an

Werbung in Podcasts gewöhnen. Das

braucht Zeit. Es gibt zwei verschiedene

Arten von Werbung in Podcasts: Drittstimmenwerbung

und Host-read Ads.

Letztere wirken persönlicher und sind

möglicherweise weniger störend. Klar,

als Hörer:in möchte man am liebsten

keine Werbung. Aber in dem Umfang

ist sie, denke ich, zu verkraften.

Wie stellen Sie sicher, dass die

journalistische Integrität nicht

durch Werbung verloren geht?

Wir wählen bei Eigenproduktionen

sehr sorgfältig aus, welche Werbeangebote

wir wahrnehmen, und

achten darauf, dass das Werbeprodukt

zum Podcast passt. Möchten

wir für bestimmte Themen oder

Marken nicht werben, tun wir das

auch nicht. Uns ist auch wichtig,

dass wir die Sachen, für die wir

später werben, vorher testen – damit

wir wirklich wissen, wovon wir

sprechen.

8

Q & A / Q & A / Q & A / Q & A / Q & A / Q & A /


MARKETTE Q & A

FOTOS: JULIA MÜLLER, TOBIAS TANZYN, PRIVAT

Als Aggregator kuratieren Sie Medieninhalte. Wie profitieren Ihre

Nutzer:innen und wie die Mitarbeitenden von dieser Arbeit?

Das Internet schafft einen ständigen Overkill an Informationen. Es ist für

Einzelpersonen schwer, den Überblick zu behalten oder die Qualität zu definieren.

Unser Angebot: ein auf Empfehlungen basierendes, personalisiertes,

quellenübergreifendes Magazin mit geprüfter Qualität. Über die Auswahl

der Aggregator:innen versuchen wir, ein großes Themenspektrum abzubilden,

und vermeiden so den digitalen Bias. Die freien Aggregator:innen

bekommen durch ihre Arbeit hingegen die Möglichkeit, ihren breiten

Medienkonsum zu monetarisieren.

Wie finanziert sich forum.eu?

Wir haben einen Stifter, der uns ein Startkapital gespendet hat, und müssen

jetzt schnell und nachhaltig Spender finden. Etwa Privatpersonen, öffentliche

Töpfe, andere Stiftungen usw. Mittelfristig muss das Angebot so gut sein,

dass zufriedene Nutzer:innen uns mit Spenden finanzieren.

Wie sichert man sich als Stiftung Aufmerksamkeit und somit auch die

Finanzierung?

WIE MONETARISIERT MAN

EINE STIFTUNG?

Das forum.eu veröffentlicht kuratierte Beiträge aus dem Netz.

Angeboten wird die interaktive Plattform von der Stiftung Forum für europäische

Öffentlichkeit. Co-Founder der Stiftung ist Marcus von Jordan.

Es ist eine harte Arbeit, die nie endet. Für die Präsenz beim Publikum braucht

man ein Angebot, das eine Zielgruppe hat. Und dann braucht man Geld, um

zu werben. Viele externe Förderungen sind nicht nachhaltig und bedauerlicherweise

häufig marktfern. Hinzu kommt, dass sich erst seit Kurzem und

nur langsam die Erkenntnis verbreitet, wie wichtig der Zugang zu unabhängigen

Informationen ist. Bisher wurde gemeinnütziges Geld in erster Linie

immer direkt für soziale und ökologische Projekte gespendet.

HARUKA GRUBER,

Senior Vice President Media

bei DAZN, über die

DAZN-Werbestrategie

Wir haben beschlossen,

dass wir keine

überlangen Werbeblöcke

haben möchten.

Damit können

wir unseren Werbepartnern

eine gewisse

Exklusivität bieten und

für uns ein höheres

Pricing ansetzen. Mit

diesem Konzept sind

die meisten unserer

Kunden, unsere

Nutzer:innen und auch

unsere Redaktion

zufriedener, weil diese

mehr Zeit hat, ihren

Content zu platzieren.

Wir sind überzeugt,

dass wir eine gute

Mitte gefunden haben,

nicht zu viel Werbung

zu zeigen, aber doch

genug, um kommerziell

erfolgreich zu sein.

Q & A / Q & A / Q & A / Q & A / Q & A / Q & A 9


Q & A

HAT DER LOKALJOURNALISMUS

NOCH EINE ZUKUNFT?

Für seine Reportagen wurde er für den Theodor-Wolff-Preis nominiert – Kategorie:

„Bestes lokales Stück“. Jetzt ist der Ingolstädter Fabian Huber beim Auslands ressort

des „stern“. Seiner Meinung nach ist Lokaljournalismus dennoch unverzichtbar.

Wie wird Lokaljournalismus in der Gesellschaft derzeit bewertet?

Viele Leute schätzen den Lokaljournalismus nach wie vor sehr hoch. Für die

Leute hier in Ingolstadt spielt der „Donaukurier“ oft eine größere Rolle als zum

Beispiel der „Spiegel“. Man sieht ja in den USA, was passiert, wenn es keine

Lokalzeitungen mehr gibt. Da geht etwas verloren, da schaut niemand mehr

den lokalen Akteuren auf die Finger. Für mich ist das eine Horrorvorstellung.

Trotzdem wird die Finanzierung schwieriger. Gibt es überhaupt noch

Lokalzeitungen, die aufwendige Berichterstattungen bezahlen?

Ich glaube schon, dass es noch einzelne lokale Medienhäuser gibt, die größere

Geschichten möglich machen. Aber es wird weniger. Wenn Verlage

ihre Redaktionen zusammenlegen, dann sparen sie am Wichtigsten: dem

schreibenden Personal.

Liegt das an der Zahlungsbereitschaft

der Menschen?

Zum Teil. Bei Oma und Opa liegt

die Lokalzeitung noch jeden Tag

auf dem Tisch. Ihre Enkel bewegen

sich dagegen nur noch im Internet.

Da finden sie inzwischen für jeden

Landkreis Portale, die Nachrichten

umsonst anbieten. Für Menschen,

die sich nur oberflächlich informieren

wollen, besteht dann kein

Bedarf an anderen Medien mehr.

Der Lokaljournalismus hat meiner

Meinung nach nur dann eine Zukunft,

wenn er attraktive digitale

Angebote schafft. Denn gebraucht

wird er.

THOMAS LASCHYK

rief 2014 den Anti-Fake-News-Blog

„Volksverpetzer“ ins Leben.

WIE SOCIAL-MEDIA-

AFFIN SIND

BUCHVERLAGE?

Liza Grimm, Bestseller-Autorin,

Twitch-Streamerin und TikTokerin

Was Social Media anbelangt, ist die

Verlagsbranche noch etwas zurückhaltend.

Das liegt vermutlich an den

langen Entscheidungsprozessen, die in

den Verlagen seit Jahrzehnten etabliert

sind. Auf Social Media muss alles sehr

schnell gehen – das stellt die Verlage vor

eine Herausforderung. Hier kann eine

Zusammenarbeit mit Content Creators

zum Erfolg verhelfen. Als der YouTuber

Paluten 2018 das Buch „Freedom.

Die Schmahamas-Verschwörung“ ver-

öffentlichte, haben zahlreiche Jugendliche

wieder zum Lesen gefunden –

obwohl sie bereits als nicht lesende

Generation abgestempelt worden

waren. Nach und nach erkennen die

Verlage das Potenzial von Social Media

und engagieren sich mehr.

Wir sind durch Crowdfunding finanziert. Leider hat uns das Finanzamt im April 2024

den Status der Gemeinnützigkeit aberkannt. Das bedeutet, dass wir auf Spenden

Steuern zahlen müssen. Wir haben zum Glück eine sehr große Community, die uns

in den Wochen danach sehr stark unterstützt hat. Viele haben nach dieser Nachricht

erst recht gespendet, sodass wir von unseren geplanten Projekten überhaupt nichts

streichen mussten und unsere Arbeit wie gewohnt weitermachen konnten.

FOTOS: PRIVAT, MARIE BURGHARDT, DOMINIK ASBACH, LISA-MARIE JESCHINA

10

Q & A / Q & A / Q & A / Q & A / Q & A / Q & A /


Q & A

IST WHATSAPP „THE NEXT

BIG THING“ FÜR PUBLISHER?

News, Trends & Co. direkt in der Messenger-App konsumieren – das ist nun über WhatsApp-Kanäle möglich. Simone Wagner,

Direktorin Publisher Network bei BurdaForward, berichtet über die ersten Erfahrungen mit dem neuen Trend.

Seit wann und warum nutzen Publisher WhatsApp-Kanäle?

Meta hat im September 2023 in Deutschland das neue

Feature „Kanäle“ auf WhatsApp gelauncht. Publisher, wie

wir von BurdaForward, haben dieses Format sofort für sich

entdeckt. Wir sind immer auf der Suche nach neuen Distributionskanälen.

Vor allem, nachdem Facebook nicht mehr

annähernd die Klickzahlen generiert wie früher. Derzeit hat

Burda circa 140 WhatsApp-Kanäle, am erfolgreichsten ist der

Kanal „Liebe & Sexualität“ mit rund 370.000 Follower:innen.

Aber auch Kanäle mit Fokus auf Sport, Backen und Gaming

sind sehr beliebt. All unsere Burda-Kanäle zusammen zählen

derzeit 2,5 Millionen Follower:innen.

Welche Post-Formate funktionieren besonders gut?

Wir haben gemerkt, dass ein Post kurz und prägnant sein

sollte. Unsere Standard-Posts bestehen aus einem Bild, einer

Headline, einem kurzen Text und einer Verlinkung. WhatsApp

ist ein sehr persönliches Medium. Durch die Kanäle rücken wir

nah an die Privatsphäre unserer User:innen heran. Ziel ist es,

sie über einen Link auf unsere Seiten und zu unseren Inhalten

zu führen. Um Follower:innen zu generieren, haben wir aber

auch begonnen, andere Posts auszuspielen. Zum Beispiel auf

unserem Taylor-Swift-Kanal: mal ein Foto von Taylors neuester

Jacke oder ein Quiz über ihre Katzen. So steigt die Interaktion.

Wie werberelevant sind die WhatsApp-Kanäle?

Auf dem Focus-online-Kanal posten wir bereits sogenannte

Deals, um Produkte zu promoten: zum Beispiel einen

20-Prozent-Gutschein oder einen Link zu einem reduzierten

Produkt. Bisher haben wir mit dieser Strategie gute Ergebnisse

erzielt. Aktuell erhalten wir auch erste Anfragen von

Werbekunden für bezahlte Sponsoring-Posts. Das heißt, der

Werbekunde kauft eine gewisse Reichweite und wir spielen

seinen Post in den entsprechenden Kanälen aus. Wir probieren

einiges aus. Es wird sich erst noch zeigen, wie erfolgversprechend

das ist.

Wie produzieren Sie Posts?

Wir haben ein kleines Team, das sich um das Wachstum

und die Strategie kümmert. Gepostet wird in den Redaktionen,

wo der Content auch entsteht. Eine KI unterstützt uns

und schlägt vor, welche Artikel zu welchen Kanälen passen.

Bisher sind die WhatsApp-Kanäle also noch ein simples Geschäft

mit wenig Aufwand. Das ist wichtig, denn noch wissen

wir nicht, ob die Kanäle uns wirklich weiterhelfen. Als Admin

eines Kanals hat man keinen Einblick, wer einem folgt, das

ist quasi eine Blackbox. Meta gibt derzeit keine Daten raus.

Q & A / Q & A / Q & A / Q & A / Q & A / Q & A

11


HERO STORY

AUF HEISSEN

SPUREN

VOR ZWEI JAHREN GINGEN

DIE CHEFS DES SZ-INVESTIGATIV-

RESSORTS, BASTIAN OBERMAYER

UND FREDERIK OBERMAIER,

IN DIE SELBSTSTÄNDIGKEIT

UND GRÜNDETEN IHRE EIGENE

RECHERCHE-REDAKTION

PAPER TRAIL MEDIA. EIN EINBLICK

IN IHR GESCHÄFTSMODELL

UND DIE INVESTIGATIVE PRAXIS.

Herr Obermaier, Herr Obermayer, wie

schwer – oder leicht – war die Entscheidung,

sich vom großen Medienhaus SZ

zu lösen und Unternehmer zu werden?

Frederik Obermaier: Der Weggang fiel

uns nicht leicht. Wir haben dort große

Geschichten wie die Panama Papers, das

Pegasus-Projekt und die Ibiza-Affäre recherchieren

und erzählen dürfen. Die SZ

war unsere Heimat. Doch wir wollten einen

Ort, an dem wir unsere Ideen entwickeln

können, ohne den Druck einer aktuellen

Blattproduktion zu spüren. Vor allem aber

wollten wir etwas Neues ausprobieren.

TEXT

LISA PRILLER-GEBHARDT

FOTOS

JULIAN BAUMANN

Ihr erster Partner war der „Spiegel“.

Dann kamen das ZDF, der österreichische

„Standard“ und Tamedia aus der

Schweiz dazu. Wie gestalten sich diese

Partnerschaften?

Bastian Obermayer: Die Firma paper trail

media gehört uns beiden. „Spiegel“, ZDF,

der „Standard“ und Tamedia finanzieren

uns als Partner. Das bedeutet, dass sie jeden

Monat eine bestimmte Summe überweisen,

von der wir unter anderem die

Gehälter und die Miete bezahlen. Die Verträge

sind nicht auf lange Jahre angelegt,

12


HERO STORY

Das Team von paper trail media (links Frederik Obermaier, rechts

Bastian Obermayer) stößt investigative Recherchen an und koordiniert

auch internationale Projekte. Was aus diesen Recherchen entsteht –

ob Nachrichtenbeitrag, gedruckter Text, Dokumentation oder

Podcast –, liegt in der Hand der Partner.

13


HERO STORY

deshalb tragen die Partner auch kein so

großes Risiko, wie das bei einer Festanstellung

von 14 Menschen der Fall wäre. Wenn

sie eines Tages feststellen, dass die Kooperation

für sie nicht mehr funktioniert, werden

sie diese 14 Kolleg:innen nicht mehr

lange finanzieren.

Wie sieht die operative Zusammenarbeit

mit den Partner-Redaktionen aus?

Bastian Obermayer: Wir haben bei jedem

unserer Partner ein bis drei Ansprechpartner:innen.

Sie bieten unsere Themen

inhouse an. Wir treffen uns wöchentlich

in virtuellen Konferenzen, wo wir über die

Themenliste und den Recherchestand

sprechen. Außerdem gibt es diverse Chatgruppen

auf verschiedenen Endgeräten.

Es ist ein intensiver Austausch.

Gibt es Konkurrenzkämpfe zwischen den

Medienhäusern um Ihre Geschichten?

Frederik Obermaier: Unsere Partner stehen

nicht in Konkurrenz zueinander. Es

gibt ein Agreement, das vorsieht, dass wir

alle Geschichten allen vorschlagen. Es gilt

auch kein „First come, first served“. Wenn

alle vier Partner das Thema wollen, umso

besser. Denn jedes Medium profitiert

letztlich davon, wenn es bei seiner Veröffentlichung

auf die Arbeit des jeweils

anderen verweist. Das erhöht sowohl die

Reichweite als auch den Mehrwert jeder

Geschichte.

Bastian Obermayer: Das setzt natürlich

auch Vertrauen voraus. Jeder Partner weiß,

wie wir arbeiten, und kann frei entscheiden,

ob er einsteigen möchte oder nicht. Da

wir Partner in drei – wenn auch deutschsprachigen

– Ländern haben, ist ihre Überschneidung

nicht so groß. Rein deutsche

Themen interessieren in der Schweiz nicht

so sehr, das gilt auch andersherum.

Auf welchem Weg gelangen Hinweise

auf Missstände zu Ihnen?

Frederik Obermaier: Wir haben uns im

Lauf der Jahre einen gewissen Namen

„Die Wertschätzung

für investigativen

Journalismus

ist

gestiegen.“

FREDERIK OBERMAIER

erarbeitet, deshalb melden sich viele

Whistleblower bei uns. Sie wissen aufgrund

unserer Veröffentlichungen, dass

wir in der Lage sind, große Datenmengen

zu verarbeiten, und dass die Namen der

Informant:innen geschützt und geheim

bleiben. Manchmal kommt ein Tipp auch

aus den Reihen unserer Partner. Und

dann gibt es natürlich auch aktuelle Ereignisse

wie den Fall Rammstein oder die

Durchsuchungen bei AfD-Politiker:innen,

auf die wir gemeinsam mit den Partnern

Reporter:innen ansetzen.

Bastian Obermayer: Außerdem kommen

Hinweise und Anfragen aus den internationalen

Netzwerken, mit denen wir zusammenarbeiten,

wie beispielsweise von

Forbidden Stories oder ICIJ. Wir entscheiden

dann, ob wir beziehungsweise unsere

Partner einsteigen oder nicht.

Recherchen laufen auch mal ins Nichts.

Wie mindern Sie das Risiko?

Frederik Obermaier: Wir reduzieren es

durch Erfahrung und Bauchgefühl. Und

glücklicherweise sind wir so stabil aufgestellt,

dass wir es uns leisten können

dranzubleiben, auch wenn die Gefahr besteht,

dass eine Geschichte im Sand verlaufen

könnte.

Bastian Obermayer: Es ist einfach leider

so, dass manche Recherchen ohne eine

Veröffentlichung enden. Das ist auch

Journalismus.

Wie hoch ist der Druck, regelmäßig

Skandale aufzuspüren?

Frederik Obermaier: Tatsächlich ist es eher

andersherum. Wir bedauern es sehr, dass

es so viele Skandale gibt, die aufgrund

mangelnder Ressourcen nicht aufgedeckt

werden. Wenn wir noch zehn Leute mehr

bei paper trail media hätten, würden wir

auch diese gut auslasten können. Unsere

Partner geben uns einen guten Rahmen,

es ist eine inspirierende und sich gegenseitig

befeuernde Zusammenarbeit. Druck

wird da keiner ausgeübt – er ist schlicht

nicht nötig.

Bei diesen Recherchen arbeiten Sie sich

in die dunkelsten Ecken vor. Schon mal

Angst um Leib und Leben gehabt?

Frederik Obermaier: Ja, es gab immer

wieder mal solche Momente. Wir überlegen

bei sehr heiklen Recherchen auch in

der Redaktion, mit welchen Konsequenzen

zu rechnen ist, und sprechen über

Sicherheitsvorkehrungen und mögliche

Folgen. Es ist schon sehr beunruhigend,

wenn einer unserer Reporter aufgrund

seiner kritischen Berichterstattung im

russischen Fernsehen namentlich genannt

wird. Denn wir können keine absolute

Sicherheit garantieren.

Bastian Obermayer: Dennoch empfinden

wir Deutschland als einen sicheren Ort für

unsere Recherchen. Wir agieren vorsichtig,

aber diese Vorsicht ist nicht prägend für

unser Leben. Wir beide sind zum Beispiel

nicht im Melderegister gelistet, um unsere

Privatadressen nicht zu veröffentlichen.

Außerdem haben wir verschiedene Länder

von unserer Reiseliste gestrichen. Darunter

sind Russland, China, Panama, Marokko,

Mexiko, die Türkei und die Schweiz.

14


HERO STORY

1

2

3

4

1. Bastian Obermayer gewann

2017 als Co-Autor des Projekts Panama

Papers den Pulitzer-Preis.

2. Retro-Deko bildet einen

starken Kontrast zu den Arbeitsmethoden

bei paper trail media.

Dort wird mit den modernsten

Investigativ-Techniken

recherchiert.

3. Paper trail media produziert

auch Podcasts, wie beispielsweise

das „Spiegel“-Original „Putins

Krieg im Netz“. Die Moderation

übernehmen Mitarbeitende.

4. Das Team ist schnell

gewachsen und umfasst

14 Leute, die sich gegenseitig

unterstützen und Kenntnisse

weitergeben.

15


HERO STORY

1 2

1. Der Podcast-Raum ist schalldicht abgeschirmt.

2. Auch Frederik Obermaier erhielt 2017 den Pulitzer-

Preis für die Enthüllung der Panama Papers.

3. Die Gründer und Geschäftsführer bekommen mehr

Hinweise, als sie gemeinsam mit ihrem Team

bearbeiten können.

3

16


HERO STORY

Ernsthaft, die Schweiz?

Bastian Obermayer: Ja, dort gibt es ein absurd

restriktives Bankengesetz, sodass wir

in der Schweiz wegen einer Recherche zur

Credit Suisse, bei der wir aus dem Innersten

der Bank Informationen zu Tausenden

von Konten zugespielt bekamen, eine

strafrechtliche Verfolgung fürchten müssen.

Das ist ein Aberwitz und eine unerhörte

Einschränkung für ein demokratisches

Land, aber leider die Realität.

Ein großer Vorteil, den Sie als eigenständige

Unternehmer haben: Sie können

die gesamte Verwertungskette von Themenfindung

bis Publikation selbst nutzen.

Wie läuft das genau?

Frederik Obermaier: Wir bespielen mit

unseren Recherchen die komplette Klaviatur

der Medienkanäle. Zu den klassischen

Ausspielwegen Zeitung und Homepage

kommen zusätzlich Magazine, wie eben

der „Spiegel“ und das „Manager Magazin“.

Mit dem ZDF decken wir den Bereich

Fernsehen ab. Dort laufen sowohl lange als

auch kurze TV-Beiträge in den unterschiedlichen

Sendungen, darunter „Frontal“.

Außerdem veröffentlichen wir Bücher. Und

manchmal braucht es auch Erzählformen

wie Podcasts oder YouTube-Dokus, um die

Themen an die Menschen zu bringen.

uns seit Ende letzten Jahres Elisa Simantke

als Senior Investigative Editor. Das erlaubt

uns, mehr Recherchen und Projekte parallel

zu stemmen. Seit unserer Gründung

waren es über 100 Artikel und Beiträge.

Hat sich der Wert von investigativem

Journalismus angesichts der politischen

und geopolitischen Herausforderungen

verändert?

Frederik Obermaier: Die Wertschätzung

ist sicherlich gestiegen, doch die Frage, ob

die Menschen auch bereit sind, dafür zu

zahlen, steht auf einem anderen Blatt. Viele

AKTUELLE RECHERCHE-PROJEKTE

hörden, Administration und Politik heute

mancherorts fehlt. Von den ehemals

großen Blättern, die sich regel mäßig

mit großen Investigativ-Storys einen Namen

gemacht haben, floriert einzig die

„New York Times“ noch. Dagegen gibt

es in Deutschland eine ausdifferenzierte

Medienlandschaft. Gleichzeitig beobachten

wir hier das Sterben der Lokalzeitungen.

Ich wünsche mir ein Umdenken und

Umlenken. Es wäre ein gutes Signal, wenn

demokratieverliebte

Herausgeber:innen

und Publizist:innen diese Facette des

Journalismus stärken würden.

Xinijang Police Files

Entstanden durch ein Leak, das die Unterdrückung der Uiguren in China thematisiert.

Vulkan Files

Enthüllung zu einer russischen Hackerfirma, die Sabotage-Software programmiert.

Cyprus Confidential

Recherche zu durch russische Oligarchen finanzierten Geschäften des Landes

Zypern; bei denen u. a. ein ARD-Journalist heimlich von Russland bezahlt wurde.

Gaza Project

Internationale Recherche zu auffällig vielen getöteten Journalist:innen im Gaza-Krieg.

World of Pain

Rechercheprojekt zu den Schmerzmittel-Geschäften der umstrittenen

Milliardärsfamilie Sackler in Deutschland.

Seit der Gründung sind zwei Jahre vergangen.

Wie sind Sie heute aufgestellt?

Bastian Obermayer: Wir sind ein Team von

mehr als einem Dutzend Reporter:innen.

Bis auf ein paar Kolleg:innen, die über eine

hohe Expertise im Bereich Datenjournalismus

verfügen, sind alle Allrounder – alle

können sich in Themen einarbeiten und

bringen umfassendes Handwerkszeug

mit. Wir stellen für jede Recherche ein eigenes

Team zusammen, und zwar so, dass

sich die Fähigkeiten ergänzen. Wir sind

sehr stolz darauf, dass sich alle gegenseitig

unterstützen, füreinander einspringen und

Kenntnisse weitergeben.

Frederik Obermaier: Außerdem verstärkt

klagen über die hohen Preise der Qualitätsmedien

und jammern über die Rundfunkbeiträge,

anstatt sich bewusst zu machen,

was mit diesem Geld finanziert wird. Es

ist auch alarmierend zu hören, dass Häuser

wie der MDR ihr Investigativ- Ressort

deutlich verkleinern wollen. Gerade jetzt

braucht es Investigativ-Journalist:innen,

die beispielsweise bei den Umtrieben der

AfD genauer hinsehen.

Bastian Obermayer: In den USA gibt es

immer mehr bedauernde Stimmen zu

hören, dass man zugesehen habe, wie

Investigativ-Ressorts geschlossen wurden,

und damit der kritische Blick auf Be-

Wie lautet Ihr Fazit: Hat sich die Gründung

gelohnt?

Frederik Obermaier: Wir haben in jedem

Fall geschafft, was wir uns vorgenommen

haben, nämlich eine kleine, feine

Investigativ-Redaktion aufzubauen, die

sich weltweit sehen lassen kann und mit

der international renommierte Medien

wie „Le Monde“, der „Guardian“ oder die

„Washington Post“ gerne zusammenarbeiten

– und das auf Augenhöhe.

Bastian Obermayer: Dieses Abenteuer hat

uns unglaublich gereizt. Wir sind ins kalte

Wasser gesprungen und haben das noch

keinen einzigen Tag bereut.

17


HERO STORY

EIN

NETZWERK

FÜR DIE

ZUKUNFT

MIT OPTIMISTISCHEM TECH-

JOURNALISMUS UND DEM „FESTIVAL

DER ZUKUNFT“ MACHT 1E9 AUS

MÜNCHEN ZUKUNFTSTECHNOLOGIEN

ZUGÄNGLICH UND BAUT BERÜHRUNGS-

ÄNGSTE AB. DIE EIGENE ZUKUNFT

SICHERT DAS TEAM RUND UM

WOLFGANG KERLER UND

DARIA SAHAROVA DURCH EIN

BREIT GEFÄCHERTES ANGEBOT UND DIE

STÄRKUNG SEINER COMMUNITY.

TEXT

LENA KAESS

FOTOS

JULIAN BAUMANN

Im Herzen Münchens, auf dem

Areal des Deutschen Museums,

haben vier Visionär:innen – Daria

Saharova, Herbert Mangesius,

Wolfgang Kerler und Krischan

Lehmann – 2019 die 1E9 Denkfabrik ins

Leben gerufen. Während nebenan die

großen Erfindungen der Vergangenheit

präsentiert werden, fördert 1E9 den Innovationsgeist

der Gegenwart. „Wir schaffen

ein Ökosystem, in dem Tech-Expert:innen

und -Interessierte, Startups, Investor:innen,

Industrie sowie Medien- und Kunstschaffende

zusammenkommen können“,

erklärt Mitgründer Wolfgang Kerler. Im

Zentrum stehen die zwei Hauptprodukte:

Journalismus und Events.

Ein Magazin auf der 1E9-Website deckt die

wichtigsten Technologietrends ab – von

künstlicher Intelligenz bis Gentechnik. Das

Ziel: Wissen breit zu streuen und Diskussionen

anzuregen. Das wichtigste Event, das

„Festival der Zukunft“ mit dem Deutschen

Museum, organisiert 1E9 jedes Jahr, auf dem

18


HERO STORY

Wolfgang Kerler

und Daria Saharova

rücken mit 1E9 den

technologischen

Fortschritt ins rechte

Licht – weg von der

düsteren, hin zur optimistischen

Zukunftsberichterstattung.

19


HERO STORY

1E9 steht für 1 mal 10 hoch 9 –

eine Schreibweise, die auf

dem Taschenrechner eine

Milliarde repräsentiert. Der

Gedanke dahinter: Wenn eine

neue Entwicklung das Leben

von einer Milliarde Menschen

verändert hat, dann hat sie

die Welt verändert.

Programm stehen Diskussionen,

Vorträge

und interaktive Erlebnisse

sowie Kunstinstallationen.

Mit diversem

Team zum

erfolgreichen Startup

Vom „Wired“-Chefredakteur

zum Gründer

einer Denkfabrik:

Wolfgang Kerler

bietet mit 1E9 eine

tech-optimistische

Alternative zu den

gängigen Medienplattformen.

Den Anstoß zu 1E9 gab Ende 2018 die Einstellung

des Tech-Magazins „Wired“, das

vom Condé Nast Verlag herausgegeben

wurde. Wolfgang Kerler, der damalige

Chefredakteur, teilte die Nachricht via

Twitter – woraufhin Herbert Mangesius,

der zu diesem Zeitpunkt mit Daria

Saharova die Münchner Tech-Konferenz

Daho.am kuratierte, in einem Kommentar

sein Bedauern äußerte. Man kannte sich

schon, führte also Gespräche – und die

Idee zu 1E9 war geboren.

Die Konstellation der Gründer:innen ist

keine gewöhnliche. Herbert Mangesius

und Daria Saharova sind Investor:innen,

Wolfgang Kerler und sein ehemaliger

Condé-Nast-Vorgesetzter

Krischan Lehmann stammen aus

der Medienbranche. Das Team

ist sich einig, dass sich die unterschiedlichen

beruflichen Hintergründe

ergänzen. „Investor:innen

sind es gewohnt, groß und in

Geschäftsmodellen zu denken,

anders als Journalist:innen wie

ich. Daher sind Daria und Herbert

sehr gute Sparringspartner“,

sagt der 1E9-Chefredakteur. Mit

dem Blick auf die Wirtschaftlichkeit

des Unternehmens auf der

einen Seite und den journalistischen

Erfahrungen auf der anderen

optimiert das vierköpfige Team kontinuierlich

das Onlinemagazin sowie

das Festival. Gemeinsam haben die

Gründer:innen, dass sie sehr früh und

vor der breiten Masse von neuen, innovativen

Technologien erfahren: Saharova

und Mangesius analysieren Trends,

betreiben Marktforschung und pflegen

20


HERO STORY

enge Beziehungen zu Startups und

Innovationszentren, während Kerler und

Lehmann ihre Kontakte zu Brancheninsidern

nutzen und stets auf der Suche

nach den neuesten Entwicklungen sind.

Davon profitieren auch die User:innen von

1E9. Denn wenn Kerler & Co. früh zeitig an

neuen Themen dran sind, ist es die zahlende

Community auf der Website, die

als Erstes und exklusiv die News aus der

Tech-Branche liest. „Unsere User:innen

schätzen den Wert von gutem Journalismus

und auch die Kuration durch eine

Redaktion“, sagt Kerler.

Nähe zur Community steht

an erster Stelle

Bei 1E9 soll die Community nicht nur von

Journalist:innen produzierte Inhalte konsumieren,

sondern auch aktiv interagieren

– oder sogar selbst Beiträge erstellen. Die

Medienplattform ist nicht auf maximale

Reichweite aus, sie setzt stattdessen auf

die Pflege der Beziehung zu ihren Mitgliedern.

„Wir haben in den letzten Jahren

viel ausprobiert. Viele haben Lust, sich

einzubringen, aber nur wenig Zeit“, sagt

Kerler. Besonders bewährt hätten sich niederschwellige

Formate zum Mitmachen,

„Die Zukunft

ist keine Naturkatastrophe,

die über uns

hereinbricht.

Wir können

sie aktiv

gestalten.“

WOLFGANG KERLER

beispielsweise Umfragen oder

interaktives Storytelling mithilfe

eines Chatbots – ideal

für User:innen, die sich

online sonst eher im Hintergrund

halten.

Derzeit würden sich

außerdem die Anfragen

von Mitgliedern

mit Nischen- und Expertenwissen

häufen,

die mit Unterstützung

der 1E9-Redaktion

einen Artikel schreiben

möchten. „Oft

muss ich gar nicht viel

machen, weil unsere

User:innen sehr gut

schreiben können. Wir

haben wirklich eine tolle

Community“, sagt Kerler.

Bedenken, dass 1E9 durch

die starke Nutzerorientierung

Gefahr läuft, den Mitgliedern zu

sehr nach dem Mund zu schreiben,

hat Kerler nicht. „Wir wollen,

dass Leute für unser Produkt zahlen.

Deswegen müssen wir auch einen Mehrwert

liefern. Man muss sich also fragen,

was die Community braucht und was ihr

wichtig ist“, so Kerler.

Genau aus diesem Grund bietet 1E9 nicht

nur ernsten Tech-Journalismus an, sondern

auch unterhaltende Formate. „Journalismus

darf auch Spaß machen. Es darf

mal etwas Leichteres oder etwas Experimentelles

dabei sein“, sagt Kerler. Er spielt

dabei auf Artikel an wie „Unmotivierter

KI-Chatbot: Leidet ChatGPT an Winterblues?“

oder „So luxuriös könnte ein Weltraumaufzug

aussehen“. „Wir bieten sehr

viel rund um das Thema Science-Fiction

an. Das sind teilweise wirklich abgefahrene

Geschichten, die so vielleicht kein

anderes Medienportal hat. Muss man

die unbedingt gelesen haben? Vielleicht

nicht. Aber beim Lesen entstehen neue

Gedanken, die man vorher nicht hatte.

Man wird inspiriert, wenn man mit Ungewohntem

konfrontiert wird“, so Kerler.

Mitmachen,

statt nur zu

konsumieren:

Mit Umfragen

oder interaktiven

Storytellings

fördert 1E9 den

Austausch seiner

Community

und stärkt das

Wirgefühl.

21


Nicht nur online aktiv:

Das 1E9-Team möchte

durch Events wie das

„Festival der Zukunft“ seine

Community stärken.

„Man hat oft

Angst vor dem,

was man nicht

kennt. Unser

Festival hilft,

Berührungsängste

abzubauen.“

DARIA SAHAROVA

22


HERO STORY

Daria Saharova ist

Venture-Capital-

Investorin und unter

anderem als General

Partner bei World

Fund, Europas

größtem Climate

Tech Fund, tätig.

Mit 1E9 verfolgt das

Team den Ansatz eines

optimistischen

Optimismus

statt Schwarzmalerei

Journalismus

und schließt

– nach eigenen Aussagen

– in Deutschland eine

Marktlücke. „Die Zukunft ist

keine Naturkatastrophe, die

über uns hereinbricht. Wir können

sie aktiv gestalten“, sagt Kerler.

Ihm zufolge liegt der Fokus der allgemeinen

deutschen Technologieberichterstattung

vor allem auf amerikanischen

Tech-Unternehmen wie OpenAI und

neuen Entwicklungen in China sowie den

Gefahren von Zukunftstechnologien. „In

Deutschland herrscht ein negatives Narrativ

zum Thema Technologie, zu Startups

und zum Gründen. Ich glaube, das ist ein

Grund, weshalb wir in einigen Märkten die

führende Rolle verloren haben“, fügt Daria

Saharova hinzu. Dem 1E9-Team ist wichtig

zu betonen, dass es trotz optimistischer

und zukunftsgewandter Berichterstattung

eine kritische Haltung zu den Themen

einnimmt. Es gilt aber der Anspruch, bei

Kritik auch Lösungen anzubieten.

Innovation erleben beim

„Festival der Zukunft“

„Man hat oft Angst vor dem, was man

nicht kennt. Gerade unser Festival hilft

dabei, Berührungsängste mit Technologie

abzubauen“, sagt Saharova. Zahlreiche

Speaker:innen aus der Wissenschaft, der

Industrie, der Kunst und Kultur bieten auf

dem „Festival der Zukunft“ Impulse und

Lösungsansätze für eine

bessere Zukunft. Zudem

pitchen Tech-Startups ihre

Ideen, während Unternehmen

ihre technologischen

Innovationen, etwa im Bereich

Virtual Reality, präsentieren.

An den öffentlichen

Familientagen dürfen auch die

Jüngsten Erfahrungen sammeln

und zum Beispiel lernen, wie man

selbst Roboter baut. Die Festival-Besucher:innen

sollen mit nach Hause nehmen,

dass moderne Technologie Spaß

machen kann – und sinnvoll einsetzbar ist.

Doch das Festival leistet mehr als bloße

Aufklärungsarbeit: Es ist auch ein zentrales

Instrument zur Stärkung der 1E9-Community.

Mit über 10.000 Besucher:innen

ist es nicht nur ein Ort der Inspiration,

sondern auch der Vernetzung. 2024 wurde

dort ein speziell entwickeltes Matching-

Tool eingeführt, das Festival-Gäst:innen

mit ähnlichen Interessen und Kenntnissen

zusammenbrachte. Das Ziel: wertvolle

und inspirierende Kontakte knüpfen, die

das private und geschäftliche Leben bereichern.

Darüber hinaus bieten digitale

Treffen mit Expert:innen die Möglichkeit,

den Austausch auch nach dem Festival

fortzusetzen und die Community weiter

zu stärken.

Eine Plattform, viele

finanzielle Standbeine

Wirtschaftlich ist 1E9 breit aufgestellt. Ihre

Mischfinanzierung besteht aus mehreren

Säulen: Mitgliedsbeiträge des Onlinemagazins,

bezahlte Content-Partnerschaften

und die Ticketerlöse sowie Sponsoringeinnahmen

des „Festivals der Zukunft“.

Hinzu kommen Einnahmen aus der Arbeit

an Research-Projekten und Beratungstätigkeiten

– daher auch der Namenszusatz

„Denkfabrik“. Eine Zeit lang schaltete

1E9 auch Anzeigen, derzeit läuft das Angebot

aber werbefrei. Zukünftig kann sich

Kerler vorstellen, wieder auf Werbeformate

zurückzugreifen: „Wenn wir Werbung

schalten, dann muss sie kontextbasiert

und hochwertig sein, passend zu unseren

Themen. Eine interessante und werberelevante

Zielgruppe haben wir auf jeden Fall.“

Zuvor stehen andere Veränderungen bei

1E9 an. So möchte das Team zukünftig

zum Beispiel mehr Events ins Leben rufen.

Außerdem ist ein Relaunch der Website

geplant, die technisch auf den neuesten

Stand gebracht wird. Das derzeit aufwendigste

Projekt ist die Entwicklung eines

Newsfeeds, der in kurzen Textblöcken

über aktuelle Ereignisse informiert. Dieser

soll in Zukunft die hochwertigen, exklusiven

Inhalte auf 1E9 ergänzen. Damit bleibt

die Medienplattform am Puls der Zeit –

und bietet ihren User:innen ein moderneres,

vielseitigeres Nutzungserlebnis.

23


ERLÖSMODELLE

JOURNALISTISCHER MEDIENANGEBOTE

SO

FINANZIEREN

SICH MEDIEN IN

ZUKUNFT

TEXT

DR. CORNELIA WALLNER,

DR. BARTOSZ WILCZEK

ILLUSTRATIONEN

SOPHIA RACKL,

LILIAN PETERS

Die rasant fortschreitende Digitalisierung verändert die Medienbranche grundlegend.

Journalistische Medienunternehmen stehen auch in Bayern vor der

Herausforderung, bestehende Erlösquellen zu optimieren und neue Erlösquellen

zu erschließen. Nur tragfähige Erlösmodelle sichern den unternehmerischen

Fortbestand und damit die Bereitstellung relevanter und vielfältiger

journalistischer Inhalte, die für eine funktionierende Demokratie unerlässlich sind.

Welche Risiken sehen journalistische Medienunternehmen in Bayern in Bezug auf ihre Erlösquellen

und mit welchen innovativen Maßnahmen – etwa in den Bereichen Werbung, Bezahlmodelle

und Diversifizierung – reagieren sie darauf? Diese Forschungsfragen stehen im Fokus der aktuellen

Studie von XPLR: MEDIA in Bavaria in Zusammenarbeit mit dem Institut für Kommunikationswissenschaft

und Medienforschung der LMU München und dem Marktforschungsinstitut aproxima.

Um die neuesten Trends zu ermitteln, wurden Leitfadeninterviews sowie eine quantitative Befragung

von Expert:innen journalistischer Medienunternehmen in Bayern durchgeführt.

Alle Ergebnisse der Expert:inneninterviews und

einer Befragung bayerischer Medienschaffender zur

Zukunft journalistischer Erlösmodelle findest du hier:

24


STUDIE

FOTOS: VALERIE SCHMIDT, VERLAG NÜRNBERGER PRESSE

LENA

JAKAT,

stellvertretende

Chefredakteurin,

„Augsburger Allgemeine“

„Das größte Problem

bei den digitalen

Abonnements haben wir

wie alle in der Branche

in Bezug auf die

Churn Rate, also die

Kündigungsrate.

Auch wir sind noch am

Experimentieren und

Ausprobieren, was und

wie viel man den

Abonnenten bieten muss,

damit sie immer

wieder kommen und ihr

Abonnement nicht

kündigen.“

ZEITUNG

Die Zukunft der Zeitung ist digital. Weil

Werbeerlöse zunehmend abwandern –

etwa zu internationalen Playern wie Google –,

setzen Zeitungshäuser auf ihren Nachrichten-Websites

verstärkt auf Bezahlmodelle.

Sie sind dabei mit der Herausforderung

konfrontiert, die Zahlungsbereitschaft ihrer

Publika zu steigern. Die Zahlungsbereitschaft

sei im Digitalen ein zentrales Thema,

so Michael Husarek, Chefredakteur

und Leiter Business-Unit Redaktion beim

Verlag Nürnberger Presse. Hier kommen

dynamische Paywalls ins Spiel. Sie bestimmen

etwa die Wahrscheinlichkeit, dass

bestimmte Nutzer:innen ein Abonnement

abschließen, und adaptieren dann entsprechend

die Paywall-Varianten. Weil das

Printgeschäft rückläufig ist und die digitalen

Umsätze zu langsam wachsen, erschließen

Zeitungshäuser auch neue Geschäftsfelder,

etwa in den Bereichen E-Commerce

und Events. Die „Augsburger Allgemeine“

beispielsweise organisiert das Innovationsfestival

„Rocketeer“ in Augsburg.

MICHAEL

HUSAREK,

Chefredakteur und

Leiter Business-Unit

Redaktion, Verlag

Nürnberger Presse

„Wir schauen uns

im Moment

mit großem Interesse

die sogenannten

dynamischen

Preismodelle an.“

25


AUDIO

Sowohl der Podcast-Produzent hauseins

als auch der Audio-App-Anbieter ARTICLY

finanzieren sich über Aufträge. Hauseins

LUKAS

PAETZMANN,

Geschäftsführer,

ARTICLY

„Das größte

Risiko liegt in

der allgemeinen

Zahlungsbereitschaft

für journalistische

Produkte.“

setzt auch auf Werbung, allerdings sehr gezielt:

„Wir wollen nur Werbung für Sachen

machen, von denen wir finden, die passen

zu unseren Hörern“, sagt die Geschäftsführerin

Susanne Klingner. Für ARTICLY wiederum

spielt Werbung als Erlösquelle noch

keine Rolle. „ARTICLY ist ja ein Corona-Produkt“,

so der Geschäftsführer Lukas Paetzmann,

„es ist erst in den letzten Jahren entstanden,

in einer Phase also, in der sich die

Werbebudgets zunehmend zu Plattformen

wie Google und Meta verlagerten. Dort ein

konkurrenzfähiges Produkt und einen Vertrieb

zu schaffen, hätten wir uns schlichtweg

nicht leisten können.“ Sowohl hauseins

als auch ARTICLY setzen auf Publikumserlöse.

Hauseins finanziert sich zu einem Teil

durch Spenden auf Plattformen wie Steady

und Patreon, ARTICLY durch Abonnements

auf der App. Allerdings, so Paetzmann: „Die

Bedeutung der Abonnements für uns als

Erlösquelle wird sinken, also wird die Diversifizierung

immer wichtiger.“

SUSANNE

KLINGNER,

Geschäftsführerin,

hauseins

„Insgesamt sind

die Publikumserlöse

bei uns immer

leicht steigend. Aber

es gibt dann eben

schon auch Knicke.

Wir merken

wirtschaftliche Trends

wie Inflation

und Krise.“

FOTOS: ARTICLY, KINGA CICHEWICZ, ANTENNE BAYERN, THOMAS WIELAND

26


STUDIE

RADIO

VASCO

WINKLER,

Leiter digitale

Unternehmensentwicklung,

ANTENNE BAYERN GROUP

„Allianzen sind nicht nur

erforderlich für innovative

journalistische Inhalte,

sondern auch für fortschrittliche

Vermarktungsstrategien

und technologische

Entwicklungen.

Gemeinsam müssen wir

Synergien aufbauen,

die es uns ermöglichen,

dynamisch auf die sich

wandelnden Bedürfnisse

unserer Nutzer und die

des Marktes zu reagieren.“

Bei den Radios sind die Werbeeinnahmen

aus digitalen Kanälen derzeit noch

auf niedrigem Niveau. Aber klar ist: „Digitale

Kanäle werden wichtiger, weil immer

mehr Werbebudget in digitale Werbung

fließt“, so Johannes Ott, Geschäftsführer

von Radio Gong 96.3. Das bestätigen auch

die anderen Radio-Expert:innen. Die Zahlungsbereitschaft

der Hörer:innen für das

klassische Radio wird dagegen durchweg

als gering eingeschätzt. Bezahlmodelle als

Erlösquelle werden daher nicht in Erwägung

gezogen. „Ein Bezahlmodell würde

Hörerverlust bedeuten. Daher ist das kein

Modell für uns, sondern wir werden dies

weiterhin mit den Werbeerlösen kompensieren“,

so Thomas Apfel, Studioleiter

von Radio Eins. Umso wichtiger wird der

Einsatz von KI zur Optimierung von Werbeerlösen

und die Radios in Bayern erproben

innovative Lösungen. Mit neuen

technologischen Anwendungen will man

der digitalen Konkurrenz erfolgreich entgegentreten.

TILL

COENEN,

Geschäftsführer,

Radio Arabella Studio -

betriebsgesellschaft

„KI bietet für uns

bereits jetzt vielfältige

Einsatzmöglichkeiten,

beispielsweise um

einen Demospot direkt

beim Kunden zu

erstellen. Das ist ein

toller Einstieg in

Kundenmeetings.“

27


STUDIE

STREAMING

KATHARINA

Bei den Streaming-Anbietern sind ebenfalls

die Werbeerlöse ein wichtiges Thema –

und hier vor allem die Konkurrenzsituation

mit globalen Playern um Nutzer:innen und

damit Werbereichweiten. Auch hier wird KI

bereits zur Optimierung von Werbeerlösen

genutzt, wie Katharina Frömsdorf, CEO

bei Joyn, erläutert: „Wir nutzen KI in der

Werbung beispielsweise zur Regionalisierung

von Spots: Der Teil der gesprochenen

Werbung mit geografischem Bezug wird

durch die KI für verschiedene Regionen angepasst.“

Die Nutzer:innen von Streaming-

Angeboten sind durchaus zahlungsbereit

und es herrscht bei Streaming-Anbietern

eine optimistische Erwartung für zukünftige

Publikumserlöse aufgrund des inhaltlich

hochwertigen Spartenangebots.

FRÖMSDORF,

Chief Platforms and

Growth, Joyn

„Im Medienentertainmentbereich

arbeiten wir mit

Influencer:innen zusammen,

vermarkten deren

Reichweiten und kooperieren

in unterschiedlichen

Geschäftsmodellen. Wir

haben einen stark wachsenden

Podcast-Bereich,

ein Musiklabel, eine Künstlermanagementagentur

– alles, was sich um unser

Kerngeschäft Bewegtbild

herum anbietet.“

TV

CHRISTOPH

ROLF,

Geschäftsführer,

Oberpfalz TV

„Ein Bezahlmodell

für lokale Medien

würden die

User derzeit nicht

tolerieren.“

Die digitale Transformation beschäftigt

die gesamte Medienbranche. Christoph

Rolf, Geschäftsführer von Oberpfalz TV,

bringt dies auf den Punkt: „Ein Problem,

das alle klassischen Medien, unabhängig

von der Größe, haben, ist, dass wir unser

Geschäftsmodell nicht mit in die digitale

Welt nehmen können. Zumindest nicht

so, dass der Erlös ausreichen würde, um

das Unternehmen dauerhaft zu finanzieren.“

Eine Paywall im klassischen regionalen

Fernsehen als Geschäftsmodell ist

derzeit nicht zu erwarten. Stattdessen

setzen TV-Anbieter auf Werbeerlöse und

neue technologische Möglichkeiten. Bei

Oberpfalz TV ist etwa Addressable TV

im Einsatz, bei dem Werbung zielgenau

nach geografischen und soziodemografischen

Kriterien ausgespielt wird.

FOTOS: AMELIE NIEDERBUCHNER, OBERPFALZ TV, PRIVAT

28


CONTENT

CREATOR

Als Produktionsfirma finanziert sich Enrico

Pallazzo – Gesellschaft für gute Unterhaltung

GmbH vor allem über Aufträge,

also zum Beispiel über die Produktion von

Imagefilmen und die Entwicklung von

neuen Sendungen. Werbung, etwa via

YouTube oder Kooperationen mit Firmen,

spielt als Erlösquelle noch keine große

Rolle. Und angesichts der wirtschaftlichen

Lage in den letzten Jahren ist die Entwicklung

der Werbeerlöse eher ungewiss. „Wir

hoffen aber darauf, dass wir regelmäßiger

und mehr Kooperationen haben werden“,

sagt der Geschäftsführer Tobias Klose. „Wir

produzieren ja eine Comedy-Sendung, daher

versuchen wir, Comedy mit Werbung

zu verknüpfen. Das ist relativ neu. Und

erfordert auch etwas Mut von unseren

Auftraggebern.“ In Bezug auf die Publikumserlöse

setzt der Content Creator auf

das Spendenmodell und ist seit Kurzem

auf der Social-Payment-Plattform Patreon

präsent. Hier gilt es nun, eine stärkere

Community-Bindung aufzubauen.

TOBIAS

KLOSE,

Geschäftsführer,

Enrico Pallazzo –

Gesellschaft für gute

Unterhaltung GmbH

„Wir sind gerade

mit Patreon gestartet.

Dort können uns

Menschen eine Spende

geben, um

den Inhalt, den wir

produzieren,

mitzufinanzieren.“

Ausblick

Die Medienbranche in Bayern ist sich der gegenwärtigen Herausforderungen im Hinblick auf die Erlösquellen

bewusst. Werbeerlöse verlagern sich ins Digitale, dort aber vermehrt zu globalen Playern wie Google. Vielerorts

gewinnen daher digitale Bezahlmodelle an Bedeutung. Hier gilt es allerdings, die Zahlungsbereitschaft der

Nutzer:innen zu steigern – durchaus eine Herausforderung angesichts der gesellschaftlichen und wirtschaftlichen

Entwicklungen. Vor diesem Hintergrund setzen journalistische Medienunternehmen in Bayern auf Innovation,

maßgeschneidert für das jeweilige Geschäftsmodell. Von neuen Werbeformaten und Bezahlmodellen

über den Einsatz von KI zur Optimierung von Werbe- und Publikumserlösen bis hin zur Diversifizierung – mit

solchen innovativen Maßnahmen sichern sie ihren wirtschaftlichen Fortbestand und mithin den Journalismus

als wichtige Grundlage für eine funktionierende Demokratie.

Alle Ergebnisse

unter

www.xplr-media.com/de/

studieerloesmodelle.html

29


ZUKUNFT

WAS ÄNDERT SICH

FÜR MEDIENSCHAFFENDE

IM BEREICH ...

Wir haben mit Journalist:innen,

Forscher:innen und Strateg:innen über

die Zukunft der Medienbranche

gesprochen und wollten wissen:

... SOCIAL

MEDIA?

JOHANNES KLINGEBIEL,

DESIGNER, FORSCHER,

MEDIA LAB BAYERN

„Das Internet der letzten Dekade ist das Ergebnis gigantischer

Geldmengen, die in Apps und soziale Plattformen geflossen sind.

Diese wiederum konnten ihre tiefen Taschen nutzen, um kostenlose

Dienste anzubieten, großzügig Inhalte einzukaufen und so enorme

Reichweiten aufzubauen. Diese Ära neigt sich dem Ende zu, da Tech-Unternehmen

an der Börse nicht mehr nach Wachstum, sondern zunehmend nach

Umsatz bewertet werden. Eine Veränderung, die direkte Konsequenzen für das

Berufsfeld der Creators haben wird. Ich vermute, hier wird sich das Geschäftsfeld

gegen sie richten. Die einst kostenlose Reichweite wird zunehmend vom eigenen

Budget abhängen, während Auszahlungen aus Werbeeinnahmen und Creator

Funds kleiner werden. Die harte Wahrheit ist, dass Plattformen weitaus

weniger auf einzelne Creators angewiesen sind als andersherum.

Wer also in Zukunft Bestand haben will, muss lernen,

außerhalb dieser Systeme zu agieren: Eigene Webseiten,

Kanäle mit mehr Kontrolle und unabhängige

Mone tarisierung sind hier der Weg.“

FOTOS: PRIVAT, NATALIA MAMAJ, CZERNY, JACOBIA DAHM

30


ZUKUNFT

... KÜNSTLICHE

INTELLIGENZ?

DIRK VON GEHLEN,

JOURNALIST, DIRECTOR

THINK TANK SÜDDEUTSCHE ZEITUNG

„Ganz ehrlich: keine Ahnung. Der von mir geschätzte

Autor Kevin Kelly ist der Meinung, dass

wir als Autor:innen durch KI in die Lage versetzt

werden, mit einer dauerhaften Assistenz zu arbeiten.

Wenn dieser Ansatz stimmt, wird eine der

entscheidenden Zukunftsfähigkeiten im Umgang

mit KI darin liegen, den eigenen Job zu reflektieren,

eine eigene Position zu finden und zu hinterfragen

sowie zu lernen, zwischen Job und Task zu

unterscheiden. Um diesen neuen Anforderungen

gerecht zu werden, sollte man die Bereitschaft

zum Perspektivwechsel trainieren.

Denn ziemlich sicher wird

KI nicht dazu führen, dass der

Veränderungsdruck

abnimmt.“

... SUCH-

MASCHINEN?

SIMONE ENGELHARDT,

ZUKUNFTSFORSCHERIN,

CO-FOUNDERIN SHAPE OF NEW

„Zunächst: Die Zukunft existiert nicht als eine

einzige, festgelegte Realität, sondern als eine Vielzahl

von Möglichkeitsräumen – mehrere Zukünfte.

Stellen wir uns eine Zukunft vor, in der KI statt Suchmaschinen

persönliche Antwort-Assistenten hervorbringt. Medienschaffende

können zu Architekt:innen und Mitgestalter:innen dieser

neuen Wissenslandschaft werden. Dies erfordert Future Skills

wie KI-Literacy, Kreativität, analytisches Denken, Partizipation

und tiefes menschliches Verständnis. Bei shape of

new betrachten wir diese Veränderung als eine

Gelegenheit zur agilen Transformation und

strategischen Neuausrichtung für Onlineredaktionen.

Innovation, Offenheit und

neue, perspektivwechselnde Erlebnisse

wie Futures- und Szenarienjournalismus

werden dabei

essenziell sein.“

... JOURNALIST:INNEN-

AUSBILDUNG?

ALEXANDRA BORCHARDT, JOURNALISTIN, DOZENTIN AN DER

TU MÜNCHEN, STRATEGIN, CONSTRUCTIVE INSTITUTE

„Im KI-Zeitalter muss der Journalismus seine Daseinsberechtigung

als Garant für Fakten, unabhängige Recherchen und erzählerische

Brillanz noch stärker beweisen. Traditionelle Kernkompetenzen sollten

deshalb im Zentrum der Journalist:innen-Ausbildung stehen. Zudem müssen

Redaktionen und journalistische Einzelunternehmer:innen vertrauensvolle und loyale

Beziehungen zu ihren Zielgruppen aufbauen und pflegen. Es ist deshalb von

Vorteil, etwas von Produktentwicklung und Change Management zu verstehen.

Das Wissen darüber, wie KI funktioniert, was ihre Möglichkeiten und Grenzen

sind und wie man sie bestmöglich ausschöpfen kann, dürften diejenigen, die jetzt

die Universitäten durchlaufen, schon als Grund kompetenzen mitbringen.

Hinzu kommt, dass KI-optimierte Redaktionssysteme den Anwender:innen

viel Arbeit abnehmen werden. Die Herausforderungen sind also

inhaltlich, nicht technisch.“

31


THINKTANK

MEDIENNETZWERK BAYERN

WELCHES ZIEL

VERFOLGT DER THINKTANK?

„Der Thinktank unterstützt Medienschaffende in

Bayern dabei, sich frühzeitig mit neuen Digitalthemen

auseinanderzusetzen. Er ist eine Anlaufstelle und ein kostenfreies

Experimentierfeld voller Vernetzungsmöglichkeiten

und bietet einen geschützten Rahmen für Out-of-the-Box-Denken

auf neuem Terrain. Medienschaffende sollen enabelt werden,

Innovationen und Geschäftsmodelle zu entwickeln, die disruptiven

Digitalentwicklungen nicht nur standhalten, sondern auch deren

Chancen nutzen. Der Thinktank rückt dabei Themen ins Bewusstsein,

die das Medienbusiness, seine Prozesse und Geschäftsmodelle früher

oder später massiv verändern werden. Vieles dreht sich aktuell um

GenAI. Aber der Thinktank ist offen für Tech-Themen auch jenseits

der großen Hypes. Im Gründungsjahr 2023 lag der Fokus

zum Beispiel auf Web3, einem Thema, das zukünftig wieder

an Fahrt gewinnen wird. Mit dem Thinktank wollen wir

einen Beitrag dazu leisten, dass solche Themen nicht

im Arbeitsalltag der Medienhäuser untergehen,

sondern früh Raum bekommen.“

Jacqueline Hoffmann

Projektleitung Thinktank beim

MedienNetzwerk Bayern

https://mediennetzwerk-bayern.de/thinktank/

WER STECKT

HINTER DEM THINKTANK?

„Den Thinktank hat das MedienNetzwerk Bayern

gemeinsam mit der Denkfabrik 1E9 ins Leben gerufen.

Das MedienNetzwerk Bayern ist eine Initiative

für den Medienstandort Bayern. Durch seine Veranstaltungen

und Projekte bringt es die bayerische Medienbranche

zu Trends und Herausforderungen der digitalen

Transformation zusammen. Es vernetzt die einzelnen

Mediensegmente sowohl untereinander als auch

über Branchengrenzen hinweg. Denn durch einen

Blick über den Tellerrand lassen sich oft neue

Ideen, Kollaborationen oder sogar neue

Geschäftsmodelle entwickeln.“

Wo alte Erlösmodelle

wegbrechen, muss

die Branche mit

Innovationen gegensteuern.

Der Thinktank

des MedienNetzwerk

Bayern unterstützt

Medienunternehmen

im Umgang mit neuen

Technologien.

THINKTANK

WAS IST

DAS ANGEBOT?

„Das wichtigste Angebot des Thinktanks

hat sich erst im Prozess und im Austausch mit

bayerischen Medienhäusern ergeben: Sie wünschen

sich individuelle Workshops für ihr Haus und ihre Teams,

um in einem freien und sicheren Rahmen in neue Themen

einzusteigen. Der Thinktank unterstützt insbesondere kleine

Häuser, die keine großen Budgets für Beratung und Weiterbildung,

geschweige denn eigene Abteilungen für Research und

Development haben, richtet sich aber auch an Unternehmen,

die mehr Raum für Zukunftsthemen schaffen und sich fernab

ihres gewohnten Business damit auseinandersetzen wollen.

Zudem organisiert der Thinktank kostenlose Events und ist

mit seinen Expert:innen bei Drittevents zu Gast. Er fasst

regelmäßig in Deep Dives zusammen, was Medienhäuser

zu den großen Tech-Themen wissen sollten,

und fokussiert sich auf die Medien-

praxis.“

Das MedienNetzwerk Bayern ist eine Schwesterinitiative von

XPLR: MEDIA in Bavaria unter dem Dach der Medien.Bayern GmbH.

Sie wird gefördert durch die Bayerische Staatskanzlei und die

Bayerische Landeszentrale für neue Medien.

FOTO: CINDY NGO

32


Zwischen Tradition steckt Innovation.

Am Medienstandort Bayern.

Entdecke mit uns innovative KI-Projekte und bayerische Best Cases!

Newsletter abonnieren und auf dem Laufenden bleiben.

xplr-media.com/newsletter


MARKETTE

FILM MEETS

GAMING

MIT K5 INS METAVERSE

TEXT

CHRISTIAN EBERT

FOTOS

SEBASTIAN ARLT

34


HERO STORY

VOR 30 JAHREN WAR IM

HERZEN MÜNCHENS DIE

GEBURTSSTUNDE DER

HEUTE INTERNATIONAL

OPERIERENDEN K5 MEDIA

GROUP. VIELE GEFEIERTE

FILMPRODUKTIONEN

SPÄTER ERSCHLIESST

GESCHÄFTSFÜHRER

OLIVER SIMON WIEDER

NEUE GESCHÄFTSFELDER

– UND SETZT MIT DER K5

FACTORY JETZT AUF DIE

TRENDTECHNOLOGIEN

VIRTUAL REALITY UND

AUGMENTED REALITY.

Er ist der Geschäftsführer und Gründer

der K5 Media Group: Oliver Simon.

Wer Schauspielernamen

wie Adam Driver,

Clive Owen oder

Amanda Seyfried

hört, wird sie in der

Regel nicht mit einem Giesinger Hinterhof

in Verbindung bringen. Und doch

spielen alle drei Rollen in Filmen, die in

der Konradinstraße 5 von Oliver Simons

K5 Media Group produziert oder vertrieben

wurden – oder beides. Mit dem richtigen

Gespür für aktuelle Trends haben

er und seine Weggefährten, Oda Schaefer,

Dr. Daniel Baur und Sascha Prestel,

hier ein Imperium rund um das Bewegtbild

aufgebaut. Das jüngste Kapitel ist

die 2018 gegründete VR/AR-Sparte der

Gruppe, die K5 Factory, die sich auch des

großen Themas Virtual Production annimmt.

Und die gerade das bisher größte

Projekt ihrer noch jungen Unternehmensgeschichte

feiert.

Von der Script Company zur

Produktionsfirma

Der Anfang der heutigen K5 Media Group

liegt in den Neunzigerjahren, als sich mit

Virtual Reality noch lange kein Geld verdienen

ließ. Der frischgebackene

Drehbuchautor

Oliver Simon gründete damals

mit Regisseur Matthias

Steurer und Schauspieler

Götz Otto (bekannt aus

dem James-Bond-Film „Die Welt ist nicht

genug“) die Drehbuch-Schmiede FreeX

(sprich Freaks). „Uns war schon immer wichtig,

den aktuellen Trends voraus zu sein.

Vor dreißig Jahren hieß das, Drehbücher

so zu schreiben, dass von Anfang an alle

wichtigen Akteur:innen daran beteiligt

sind. Unsere Idee war: Wenn sich Autor,

Regisseur und Schauspieler zusammentun,

müssen zwangsläufig gute

1994

Gründung der Script

Company FreeX

35


HERO STORY

„Erst wenn wir

es schaffen, VR

vom Ruf des

Nerdtums zu

befreien, wird

sie in der Mitte

der Gesellschaft

ankommen.“

OLIVER SIMON

2001

Produktionsfirma

K5 Film gegründet

Filme herauskommen“, sagt

Oliver Simon. Für ihn blieb

es nicht lange nur beim

Schreiben. „2001 kamen

die Bavaria Filmstudios auf

mich zu und fragten, ob ich nicht auch

Produzent werden will.“ Die neu gegründete

Produktionsfirma wurde K5 Film getauft

und konnte über die nächsten Jahre

erfolgreiche Kollaborationen mit Regiegrößen

wie Jim Jarmusch, Andrew Niccol

und Mira Nair realisieren. Filme wie „Paterson“

mit Adam Driver in der Hauptrolle

brachten das Team der K5 Film bis auf den

roten Teppich nach Cannes, die Co-Produktion

„Land of Mine“ bescherte neben

zahlreichen internationalen Preisen sogar

eine von drei Oscar-Nominierungen.

2007

Neue Sparte K5 International

startet

Vertriebsgeschäft

Heute gehört die Produktionsfirma

zur Dachorganisation

K5 Media Group,

ebenso wie die 2007 mit

Daniel Baur gegründete

Sparte K5 International.

Diese hat sich auf den weltweiten Vertrieb

von Spielfilmen spezialisiert, wie zum Beispiel

aktuell Kevin Costners „Horizon“.

Geschichten dort erzählen,

wo das Publikum ist

„Der Nukleus von allem, was wir tun, ist

das Erzählen von Geschichten“, sagt Oliver

Simon heute über sein Unternehmen.

„Dafür wird es immer Bedarf geben, auch

wenn sich das Medium weiterentwickelt.“

Mit dem Medium entwickelt sich auch

die K5 Media Group immer weiter. Bei

einer Zusammenarbeit mit Regisseur Andrew

Niccol beim Film „Anon“ kam Simon

2018 zum ersten Mal mit der Spielebranche

in Kontakt und realisierte: K5 muss dorthin,

wo die Zuschauer:innen von morgen sind

– zum Gaming. „Der Film hat einfach danach

geschrien, ein Spiel zu produzieren,

das in derselben Welt angesiedelt ist und

uns erlaubt, die Geschichten und die Charaktere

aktiv weiterzuspinnen“, sagt Simon.

36


MARKETTE

VR im ehemaligen

Supermarkt

Damit stand die Firma jedoch vor einem

Problem: „Wir hatten jede Menge Erfahrung

mit der Produktion von Filmen, wussten

aber nichts über Coding oder das Produzieren

von Videospielen.“ Simon holte sich das

nötige Know-how durch eine Kooperation

mit ARRI. Der renommierte Kamerahersteller

hatte damals ein internes Zukunfts-Lab,

das sich mit AR und VR beschäftigte. „Mit

ARRI sind wir schon lange eng verbunden,

teilweise habe ich ganze Nächte in ihren

Postproduktionsräumen verbracht“, erzählt

Simon. Als ARRI später entschied, wieder allein

auf das Hardware-, Licht- und Kamerageschäft

zu setzen, wollte

Simon das Projekt nicht

aufgeben – und siedelte

das gesamte Team in die

Konradinstraße über. Die

K5 Factory war geboren.

Wer seine Spiele liebt,

macht Auftragsarbeit

2018

Gründung

des VR-Studios

K5 Factory

Für die Videospielebranche an sich bedeutete

die Pandemie zwar einen enormen

Wachstumsschub, VR-Gaming steckte allerdings

noch in den Kinderschuhen, was

Umsatz und Verbreitung anging. Doch für

Simon war gerade das der ausschlaggebende

Faktor, voll auf VR und AR zu setzen.

„In der Videospielebranche herrscht

eine starke Übersättigung. Als kleines, erst

2018 gegründetes Studio hätten wir da

keine Chance gehabt. Deswegen stand

für uns von Anfang an fest: VR first.“ Nur

so konnte man sich Simon zufolge ein

Alleinstellungsmerkmal erarbeiten und

sicherstellen, auch auf diesem für die Mediengruppe

neuen Gebiet Erfolg zu haben.

Trotzdem hätte die Pandemie dem jungen

Links: Zwei Tage

nach dem US-Release

arbeitete die

K5 Factory bereits

mit der Apple

Vision Pro.

Rechts: Oliver Simon

in seinem Büro –

umgeben von den

Erfolgen aus 30

Jahren Unternehmensgeschichte.

37


HERO STORY

Unternehmen fast das Genick gebrochen.

„Wie will man während eines Lockdowns

ein VR-Produkt verkaufen, wenn der Kunde

nicht persönlich vorbeikommen und

sich die Brille aufsetzen kann?“, sagt Co-

Geschäftsführer Dr. Thomas Wagner. Der

Geschäftspartner kümmert sich seit 2021

um das operative Geschäft der GmbH.

Um sich über Wasser zu halten, setzten er

und Oliver Simon auf kommerzielle Aufträge

von Unternehmen. „Wir haben alles

gemacht, von AR-Werbung über virtuelle

Konferenzen im Metaverse bis zu VR-Ausstellungen

für Museen.“ Zu den Kunden

gesellten sich nach und nach große Namen

wie BMW, Audi und Burda. Das Konzept

hat sie nicht nur durch die Pandemie

gerettet, sondern ist inzwischen das stärkste

Standbein des Unternehmens. „Tatsächlich

sind wir bereits an unserer Kapazitätsgrenze.

Aber die Aufträge finanzieren die

Spieleproduktionen“, so Wagner.

Auf der Suche nach dem

Erfolgsrezept für VR

VR massentauglich zu machen, ist eine

harte Nuss, an der sich auch die großen

Tech-Firmen seit Jahren die Zähne ausbeißen.

Woran hapert es? „Für viele, die noch

nie so eine Brille aufhatten, ist das Thema

Virtual Reality mit vielen Vorurteilen behaftet“,

sagt Simon. Zum Beispiel, dass VR nur

etwas für nerdige Gamer sei, die mit der

Brille auf dem Kopf im Keller sitzen. Deswegen

ist Simon überzeugt: „Erst wenn wir

es schaffen, VR vom Ruf des Nerdtums zu

befreien, wird die Technologie in der Mitte

der Gesellschaft ankommen.“

Selbst der Tech-Gigant Apple, der Anfang

2024 mit seiner Apple Vision Pro

den amerikanischen Markt erobern wollte

– und seit Juli 2024 auch den deutschen

–, tut sich schwer. Inzwischen wurde

bekannt, dass die Entwicklung der

Vision Pro 2 zugunsten eines günstigeren

Einsteigermodells eingestellt wurde. Dabei

geht die Vision Pro Simons Meinung

nach bereits in die richtige Richtung – sie

ist schicker, stylischer und erlaubt Träger:innen,

auch während des Tragens

ihre Umgebung wahrzunehmen.

Dennoch – vom Ideal ist auch die Vision

Pro laut Simon noch ein Stück entfernt.

„Meiner Meinung nach werden die Brillen

für den Endkunden erst wirklich attraktiv,

wenn sie in Größe und Gewicht an eine

Skibrille herankommen. Davor – und so

Die Figuren stammen

aus dem Social-

VR-Game „Oktoberfest –

The Official Game“,

das offiziell von der

Landeshauptstadt

München lizenziert wurde.

ILLUSTRATIONEN: K5

38


HERO STORY

ergeht es auch der Vision Pro – sind sie zu

groß, zu schwer, zu anstrengend für den

längeren Gebrauch.“

In Simons Augen steckt allerdings Taktik

dahinter, dass Apple zuerst ein Profi-Modell

herausbrachte, bevor es an einer Einsteigervariante

arbeitete. „Damit so eine

Brille Erfolg hat, braucht es Inhalte. Sonst

beißt sich die Katze in den Schwanz –

ohne Inhalte kein Bedarf für die Brille,

ohne Brille kein Anreiz für Studios, Inhalte

zu entwickeln.“ Hier liegt für ihn

der Schlüssel, mit dem Apple den Markt

doch noch für die Allgemeinheit erschließen

kann. Denn seit dem Erscheinen der

Vision Pro arbeiten Programmierer:innen

auf der ganzen Welt mit der Brille. „Wenn

dann die nächste Version rauskommt, ist

das Angebot da.“

Eine alte Supermarktfiliale

ist

jetzt das Hauptquartier

der

K5 Factory.

Oktoberfeststimmung im

Wohnzimmer

Dafür sorgt die K5 Factory auch selbst. An

welchem Projekt sein Team für die Apple-

Brille arbeitet, kann Simon nicht verraten

– dafür befindet sich das Team noch zu

früh im Entwicklungsprozess. Worüber er

umso lieber spricht, ist das neue K5-Großprojekt:

das offizielle Oktoberfestspiel in

VR, entwickelt auf der Meta-Plattform für

die Quest 3. Das Spiel setzt auf die relativ

neue und bisher kaum genutzte Spielart

Social VR: eine Multiplayer-Erfahrung

2022

K5 Factory erhält

FFF-Förderung für

„Oktoberfest –

The Official Game“

in der virtuellen Realität. Wer eine Brille

trägt – egal wo auf der

Welt –, kann sich im Spiel

treffen, sich unterhalten,

gemeinsam zur Spielebude

gehen oder einfach nur

die Stimmung genießen.

„Das Feedback, das wir bekommen,

ist großartig. Wir

nehmen den Leuten nach vierzig Minuten

die Brille wieder ab, da denken die meisten,

sie wären erst seit fünf Minuten drin.“

Für das Projekt hat der Freistaat Bayern

eine halbe Million Euro an Fördergeldern

zugesagt. Wäre es auch ohne gegangen?

„Auf keinen Fall“, sagt Simon. „Wir haben

das Glück, sowohl auf Landes- als auch

auf Bundes- und europäischer Ebene gefördert

zu werden. Als VR-Studio nur von

Storytelling zu leben – ich glaube nicht,

dass so etwas aktuell funktionieren kann.“

Das Studio ist auch im ständigen Austausch

mit der Stadt München, Zeltwirten

wie Inselkammer und Schottenhamel –

deren Zelte kann man im Spiel betreten

– und natürlich dem Wiesn-Chef selbst,

Clemens Baumgärtner. Wie der das Spiel

bisher findet? „Bei der ersten Demo weigerte

er sich so lange, die Brille wieder

abzusetzen, dass er beinahe seinen Anschlusstermin

verpasst hätte.“

Die eigentliche Zielgruppe sind jedoch

Menschen, die nicht so leicht persönlich

auf der Theresienwiese vorbeikommen

können. „Der Markt liegt

vor allem in den USA und in Asien“, so

Simon. Das, sagen sowohl Simon als auch

Wagner, ist die große Chance von VR:

Menschen Erlebnisse zu ermöglichen, zu

denen sie sonst keinen Zugang hätten:

„Wenn es nach uns geht, werden wir in

Zukunft noch viel mehr solcher Inhalte

schaffen.“

39


HERO STORY

DIE NEUE

STURMSPITZE

Benjamin Schmid

und Isabella Fischer

verantworten die

Produktion von „Der

vierte Stern“, dem

ersten Reportage-

Podcast des „kicker“.

40


HERO STORY

FÜR PODCASTS

FOTOS

SEBASTIAN LOCK

TEXT

MARTIN HAASE

IM JAHR 2025 FEIERT DER

„KICKER“ SEINEN 105. JAHRESTAG.

ALS STÄRKSTE MEDIEN MARKE

DES OLYMPIA-VERLAGS IST DAS

SPORTMEDIUM, DAS PRIMÄR

ÜBER FUSSBALL BERICHTET, EINE

INSTITUTION. WAS DEN ERFOLG

AUSMACHT, SPIEGELT SICH

AUCH IN DER NEUEN PODCAST-

STRATEGIE: ANTIZIPIEREN STATT

REAGIEREN, SELBSTREFLEXION

UND FREUDE AM EXPERIMENT.

E

ine knappe Viertelstunde vom Nürnberger Hauptbahnhof

sind die fränkischen Medienschaffenden

unter sich: An der und um die Badstraße liegt das

Medienhaus mit dem etwas unhandlichen Namen

Verlag Nürnberger Presse Druckhaus Nürnberg

GmbH & Co. KG, kurz: VNP. Auf der anderen Straßenseite sitzt der

Olympia-Verlag mit den Marken „ALPIN“, der Sportagentur kicker

business solutions und dem „kicker“. Alle, die dem Fußball etwas

abgewinnen können, kennen den weißen Schriftzug auf rotem

Grund. Der „kicker“ hat es in den letzten Jahren geschafft, die Herausforderungen

der Digitalisierung mit erfolgreichen Strategien

zu bewältigen. Unter anderem beim Thema Podcasts – dessen

nimmt sich das Sportmedium an und will mit einer neuen Offensive

im Audiobereich die Erfolgsgeschichte weiterschreiben.

Eine zentrale Figur der Strategie ist Isabella Fischer. Im Dezember

2023 wechselte die Audioredakteurin die Straßenseite und stieg

beim „kicker“ ein, zuvor hatte sie beim VNP-Lokalblatt „Nürnberger

Nachrichten“ das erste Audio-Team aufgebaut. Dort produzierte

sie unter anderem den Podcast „Klick Klick Boom – Die

Maschine Amazon“ über Arbeitsbedingungen beim Online-Versandhaus,

wofür sie und das Produktionsteam im Mai 2024 den

Dr. Georg Schreiber-Medienpreis erhielten.

Zentrale Koordination aller Audio-Belange

Beim „kicker“ ist Fischer unter anderem bei „kicker Daily“ zu hören,

dem täglichen 15-Minuten-Fußball-News-Podcast, der seit November

2023 läuft. Aber auch im ersten Audio-Reportage format

des „kicker“, „Der vierte Stern“, einem fünfteiligen Doku-Podcast

41


HERO STORY

„Ich sehe wahnsinnig

viele Möglichkeiten,

mit anderen Sportarten

neue Formate

zu entwickeln.“

ISABELLA FISCHER

zur Fußball-Weltmeisterschaft 2014. Thema: der Titelgewinn des

deutschen Herren-Fußballteams in Brasilien. Die Produktion ist

nicht nur ein Nachweis für Fischers Ambition, neue Formate beim

„kicker“ zu entwickeln. Sie zeigt auch ihre strategische Herangehensweise:

„Der vierte Stern“ zeugt von einer besseren Verzahnung

von Audio-Inhalten mit Social Media, Onlineredaktion und

Audience Development.

„Bei mir laufen alle Audio-Angelegenheiten zusammen“, sagt die

Redakteurin und führt aus: „Zwar bin ich an die Digitalredaktion

angegliedert, gehöre aber überall dazu und gebe Input, zum Beispiel

für Marketing- und Distributionsmaßnahmen.“ Als Audioredakteurin

müsse sie übergreifend strategisch denken und

überlegen, ob und wie sie eine Podcast-Folge im Digital- oder

auch Printmagazin platziert, welche Social-Media-Formate sich

eignen und welche Werbepartner passen. Es reiche nicht, einfach

einen Podcast aufzunehmen und live zu stellen. „Besonders das

Social-Team hatte deswegen während der EM mit der Distribution

von ‚Der vierte Stern‘ einiges an Mehrarbeit“, verrät sie.

Neue Wege beschreiten,

beim Markenkern bleiben

An der Seite von „kicker Daily“ und „Der vierte Stern“ stehen im

Podcast-Portfolio des Fußball-Platzhirschs noch vier weitere Formate,

darunter das Erfolgsformat „kicker meets DAZN“ (KMD)

und „kicker FE:male“. Wer mit Fußball weniger am Hut hat,

Links: Audioredakteurin

Isabella Fischer stellte das

Konzept für „Der vierte

Stern“ bei ihrem Vorstellungsgespräch

vor.

Rechts: Der „kicker“ erscheint

zweimal wöchentlich,

das Sportmagazin

mit Fußball-Schwerpunkt

gibt es seit 1920.

FOTO RECHTS: CHRISTINE BLEI

42


HERO STORY

Martin

Schumacher

im neuen

Aufnahmestudio

des Hauses –

hier entstehen

künftig auch

Video-Podcasts.

DIE RICHTIGE VERMARKTUNGS-TAKTIK

SEIT JUNI 2014 IST MARTIN SCHUMACHER VERMARKTUNGSLEITER BEIM OLYMPIA-VERLAG. 2021 ÜBERNAHM ER

MIT DER GRÜNDUNG VON KICKER BUSINESS SOLUTIONS DIE GESCHÄFTSFÜHRUNG DER HAUSEIGENEN SPORTAGENTUR.

Herr Schumacher, warum wurde die kicker business solutions

gegründet?

Martin Schumacher: Beim „kicker“ hatten wir schon immer ein

starkes Außendienst-Team, das die Wünsche der Kunden verstanden

hat und entsprechende Lösungen anbot. In der Vermarktung

geht es heute nicht mehr nur um Tausender-Kontakt-Preise

(TKPs), wie viele Seiten ein Kunde bucht und welche Rabatte er

bekommt. Wir waren schon frühzeitig digital gut aufgestellt und

haben kanalübergreifend gedacht. So konnten wir kreative Lösungen

anbieten, die eine emotionale Botschaft für alle kundenrelevanten

Kanäle transportieren – also den Touchpoint treffen

zwischen Markenbotschaft des Kunden und Erwartungen der

Zielgruppe. Darin habe ich ein Geschäftsmodell gesehen und

dem Verlag einen Businessplan für die Agentur vorgelegt – die

Geschäftsführung hat uns das Vertrauen ausgesprochen, dass

wir damit starten dürfen.

Welche Vorteile ergeben sich aus der Gründung für Ihr aktuelles

Vermarktungsgeschäft?

Schumacher: Heute bedienen wir alle Touchpoints von Printmagazin

bis Podcast. Der „kicker“ ist eine love brand, Leser:innen verbinden

positive Emotionen mit der Marke. Wir kennen unsere Zielgruppe

sehr gut und sprechen mit den Kunden darüber, wie sie

von dieser starken Marke profitieren können. Durch die Gründung

der kicker business solutions haben wir sehr große Freiräume.

Wir beraten unsere Kunden auch abseits des „kicker“. Mit

der eigenständigen GmbH geraten wir nicht in Interessenkonflikte.

Wenn wir zum Beispiel im „kicker“ kritisch über Oliver

Kahn berichten, hätten wir keine redaktionellen Gewissenskonflikte,

gleichzeitig eine Testimonial-Kampagne mit dem Bayern-

Vorstand für andere Kunden auf anderen Kanälen aufzuziehen.

Gleichzeitig profitieren wir von der Nähe zum Olympia-Verlag

und arbeiten sehr agil, weil uns ein breites Netzwerk an Mitarbeitenden

von der Marktforschung bis zum Videoteam unterstützt

und wir entsprechende Inhalte anbieten können.

Großereignisse bieten die Möglichkeit, eine noch breitere Zielgruppe

anzusprechen. Wie gehen Sie damit um und wie nachhaltig

ist der Effekt?

Schumacher: Das Schöne ist, dass wir diese Zielgruppen oft halten

können. Wir vertikalisieren Sportarten wie Handball, Basketball,

Eishockey oder American Football. Wer während der EM bei

uns auf der Plattform war, entdeckte, dass der „kicker“ mehr als

Fußball macht. Dadurch werden unsere Zielgruppen sowohl

weiblicher als auch jünger. Denn an anderen Sportarten sind

vor allem Jüngere interessiert, die primär unsere digitalen Kanäle

nutzen, wo wir tiefergehende Informationen für alle Sportarten

bereithalten. Insgesamt erreichen wir so jeden zweiten

sportinteressierten Menschen in Deutschland.

Und was ist mit Print?

Schumacher: Da wollen die Leser:innen im Großen und Ganzen,

dass alles möglichst so bleibt, mit Fußball im Fokus. Die Zielgruppe

ist etwas älter und im Gegensatz zu Jüngeren auch sehr vereinstreu.

Ich finde Printprodukte besonders spannend, wenn man sie

taktisch einsetzt. Wir haben zum Beispiel ein kostenloses EM-

Special gemacht, das in Apotheken auslag. Das nahmen Personen

mit, die kein Geld für das große EM-Sonderheft ausgeben

wollten. Damit machen wir neue Zielgruppen auf unsere Marke

aufmerksam, die wir dann in andere Kanäle führen können.

43


HERO STORY

hört „Icing the kicker“ zur National Football League (NFL) oder

den E-Sports-Podcast „/gg“. Denn: Der „kicker“ ist mehr als Fußball,

auch wenn die Ballsportart das Steckenpferd der Sportmedienmarke

bleibt: „Wir loten auch Potenziale bei anderen Sportarten

aus, Handball und Basketball zum Beispiel. Aber auch beim

Fußball gibt es noch viele Möglichkeiten, die wir nutzen können“,

erklärt Benjamin Schmid. Der Produktmanager für Social TV und

Audio arbeitet am strategischen Ausbau der Video- und Audioformate

und an der Nutzung von Vermarktungschancen. Schmid

und Fischer verantworteten gemeinsam die Produktion von

„Der vierte Stern“. Fischer sieht „wahnsinnig viele Möglichkeiten,

mit anderen Sportarten neue Formate zu entwickeln“, denn der

„kicker“ profitiere auch von einer positiven Reputation. „Ich war

zuletzt bei einem Triathlon, dort waren die Leute begeistert,

dass sich der ,kicker‘ für sie interessiert. Da gibt es viel Potenzial,

spannende Geschichten zu erzählen.“

Neben dem Blick auf andere Sportarten und Erzählformen gibt

es im Portfolio des Verlagshauses auch eine eigenständige Podcast-Plattform.

Im März 2023 übernahm der Verlag „Football

was my first love“ (FWMFL), wo Fußball-Begeisterte oder Fangruppen

Podcasts zur und aus der Fußball-Fankultur veröffentlichen

und auch Hörbücher und Fangesänge anhören können.

Eine spannende Ergänzung des seriösen „kicker“-Angebots,

denn hier spielen vor allem emotionale Aspekte eine Rolle: „Wir

haben mit dem ‚kicker‘ ein klares journalistisches Angebot, das

Themen einordnet und stark nachgefragt wird. Bei FWMFL können

auch Privatpersonen quasi ‚von unten‘ ihre Inhalte platzieren

und monetarisieren. Da gibt es ganz andere Zielgruppen

und Formate. Es ist ein spannendes Geschäftsfeld, auf dem wir

Harte Arbeit mit Leidenschaft:

Benjamin Schmid

und Isabella Fischer

ziehen an einem Strang.

„Der ‚kicker‘ ist

eine love brand,

Leser:innen verbinden

positive Emotionen

mit der Marke. Wir

kennen unsere Zielgruppe

sehr gut und sprechen

mit den Kunden

darüber, wie sie von

dieser starken Marke

profitieren können.“

auch viele Erfahrungswerte generieren. Insgesamt zeigt das

unsere breite strategische Aufstellung der Geschäftsfelder hier

im Haus.“

Der pragmatische „kicker“ wird aber auch selbst nahbarer, zum

Beispiel durch Videos von Reporter:innen, die mit niederländischen

Fans feiern, oder Podcast-Redakteur:innen, die persönliche

Geschichten erzählen. „Das ist eine super Entwicklung.

Unsere Leute sind jetzt auch verstärkt zu sehen und zu hören.

Nicht nur ein unpersönliches Kürzel unter einem Artikel, das

Leser:innen mit nichts verbinden können“, sagt Stratege Benjamin

Schmid.

MARTIN SCHUMACHER

Höhere Frequenz, mehr Reportage,

mehr Breite?

Nun stehe der „kicker“ vor einer Weggabelung: Potenziale nutzen

– auch abseits des Fußballs – und neue Formate entwickeln

oder den Fokus auf die Optimierung der aktuellen Formatvielfalt

setzen. Dafür sei viel Selbstreflexion nötig. Außerdem müsse das

Team stets prüfen, was der „kicker“ als Marke transportiert und in

Zukunft sein möchte.

Erfahrungswerte habe man reichlich gesammelt, merkt Schmid

an: „Bei der Vermarktung kommt es stark auf die Reichweite

an. Bei unserem Flaggschiff-Format ‚kicker meets DAZN‘ funktioniert

die Vermarktung sehr gut.“ Das liege unter anderem

an dem wöchentlichen Veröffentlichungsrhythmus. Durch die

hohe Frequenz und Aktualität gibt es ein begrenztes Zeitfenster,

innerhalb dessen man Zahlen generieren müsse. Andererseits

gibt es dadurch schnelle Ergebnisse und eine hohe Chance, sich

44


eine treue Hörerschaft aufzubauen, die das Format kontinuierlich

hört – damit kann man mit Vermarktungspartnern in den

Austausch gehen.

„‚Der vierte Stern‘ war dagegen ein Leuchtturmprojekt, das funktioniert

ganz anders.“ Ein Reportageformat sei im Vergleich zu

seriellen Formaten nicht tagesaktuell mit einer kurzen Halbwertszeit,

sondern generiere langfristig Hörer:innen-Zahlen.

Entscheidend: bei der Zielgruppe die Aufmerksamkeit für den

Podcast auf Dauer hochzuhalten. Isabella Fischer erklärt: „Da

braucht es eine lange Vorlaufzeit und Geduld. Bei einem Reportageformat

darf man nicht erwarten, dass sich jede:r darauf

stürzt, wenn es live geht.“ Die hohe Reichweiten-Prognose des

Audience-Development-Teams habe Fischer überrascht: „Ich

habe anfangs etwas tiefgestapelt. Aber natürlich gibt es einen

großen Unterschied bei der Reichweite zwischen einem überregionalen

Magazin wie dem ,kicker‘ und dem Lokalmedium

,Nürnberger Nachrichten‘.“

Nicht ausschließlich harte Zahlen

Doch nicht nur Zahlen und Verwertung spielen bei der Podcast-

Planung eine Rolle. Es sei auch eine redaktionelle Entscheidung,

sich eines Themas anzunehmen, sagt Fischer: „Es wäre ein Riesenfehler

gewesen, wenn der ‚kicker‘ nichts zur WM 2014 gemacht

hätte. Wir hatten viele Reporter vor Ort, die hautnah an

der Mannschaft dran waren. Sie konnten Geschichten erzählen,

die es nur bei uns zu hören gibt.“ Das soll sich nun auch langfristig

auszahlen. Das „kicker“-Team könne „Der vierte Stern“ als Best-

Practice-Beispiel nehmen und mit den gewonnenen Erfahrungswerten

weiterarbeiten.

Zum Beispiel aus der kanalübergreifenden Herangehensweise bei

„Der vierte Stern“, sagt Fischer: „Wir haben einen Artikel von damals

zum historischen 7:1-Halbfinal-Erfolg zusammen mit weiteren

Podcast-Artikeln auf die Homepage gestellt, gleichzeitig ein Zitat

daraus auf Social Media gepostet. In einem Quiz haben wir Fragen

zum Turnier gestellt, die Antworten dafür fanden die Hörer:innen

im Podcast. Da konnten wir schön sehen, wie das die Zugriffszahlen

auf den Podcast beeinflusst.“

Andererseits liege der Erfolg auch in der positiven Botschaft, die

„Der vierte Stern“ vermittelt. „Alle erinnern sich gern daran. Die EM

dieses Jahr war ein zusätzlicher Faktor. Die Leute hatten Lust darauf,

dass die Geschichte weitererzählt wird. Es ist allerdings nicht

unser Auftrag, Stimmung für das Großereignis zu machen. Dafür

ist die Mannschaft verantwortlich – und ein Julian Nagelsmann,

der ankündigt, dass wir in zwei Jahren Weltmeister werden. Das

kurbelt die Euphorie für Fußball an. Wir hätten den Podcast aber

natürlich auch ohne die EM gemacht.“

Nicht zuletzt sei es eine Einstellungsfrage: „Das mag ein Klischee

sein, aber es ist tatsächlich so. Wenn alle Leute an das Projekt glauben,

Bock darauf haben und an einem Strang ziehen, funktioniert

es – auch in sehr kurzer Zeit“, sagt Fischer.

Oben: Fußball ist

beim „kicker“ zentral,

das Magazin bietet

aber auch Infos zu

anderen Sportarten.

Unten: Der Hauptsitz

des „kicker“ ist in Nürnberg

– viele vermuten

Berlin. Dort gibt es

eine Außenredaktion.

45


HERO STORY

AM PULS

TEXT

MARTIN HAASE

FOTOS

DANIEL DELANG

Andreas Arntzen

ist seit 2016 CEO

der Wort & Bild

Verlagsgruppe,

dazu gehören die

Eigengründungen

Isartal Health

Media, Isartal

Ventures und

720 Health.

DER ZEIT

46


HERO STORY

SO GUT WIE JEDE:R KENNT DIE

„APOTHEKEN UMSCHAU“ – DASS DER WORT & BILD VERLAG

DAHINTERSTECKT, WISSEN NUR

BRANCHENKENNER:INNEN. EINEN TIEFEREN

EINBLICK IN DIE VERLAGSGRUPPE

VERSCHAFFT EIN GESPRÄCH MIT GESCHÄFTSFÜHRER

ANDREAS ARNTZEN, DER MIT OPTIMISMUS

UND TECHNOLOGIEOFFENHEIT

NICHT NUR ZIELGRUPPEN, SONDERN AUCH

MITARBEITENDE IM BLICK HAT.

Herr Arntzen, im März 2016 sind Sie bei Wort & Bild als CEO eingestiegen,

Sie verantworten alle Geschäftsbereiche. Wie hat

sich die Verlagsgruppe seitdem entwickelt?

Andreas Arntzen: Da gibt es zwei Perioden. In meinen ersten dreieinhalb

Jahren ging es ums Kennenlernen, Vertrauenaufbauen,

Strukturenoptimieren und das primäre Agieren im Kerngeschäft.

Wir konnten in diesen Bereichen so viele Erfolge verzeichnen,

dass wir als Management das Vertrauen ausgesprochen bekamen,

weitere Schritte in die Wege zu leiten: zu diversifizieren, zu

digitalisieren und anorganisch

zu wachsen. Das hat die letzten

vier Jahre geprägt und daran

halten wir weiterhin fest.

zu transportieren. Nur hat sich in der Zwischenzeit die Welt verändert,

insbesondere durch die Digitalisierung. Dem haben wir in

den letzten vier Jahren durch über dreißig Investments und Eigengründungen

Rechnung getragen.

Der Verlag hat sich breiter aufgestellt. Ist das für alle Medienunternehmen

wichtig, um konkurrenzfähig zu bleiben?

Arntzen: Wir wollen ein wachsendes Unternehmen sein. Jeder

Organismus, der nicht wächst, stirbt irgendwann. Allein aus dem

Wie sah dieses anorganische

Wachstum aus und warum

war das notwendig?

Arntzen: In den ersten 64 Jahren

seiner Existenz hat das Unternehmen

kein einziges Investment

getätigt. Man hat sich zu

hundert Prozent auf die Publikationen

konzentriert. Das war

auch der richtige Kanal, um

gesundheitsrelevante Informationen

an die Verbraucher:innen

Seit 1956 gibt der

Wort & Bild Verlag

die „Apotheken

Umschau“ heraus

– das auflagenstärkste

Magazin

Deutschlands.

47


HERO STORY

klassischen Printgeschäft heraus

ist das schwierig, deswegen diversifizieren

wir.

Indem Sie in andere Unternehmen

investieren.

Arntzen: Ja, aber wir sind dabei

kein Finanzinvestor. Wir investieren

nur dort, wo wir der Meinung

sind, einen strategischen

Mehrwert bieten zu können.

Wenn wir in Startups investieren,

wollen wir mit ihnen gemeinsam

etwas Neues aufbauen. Da

geht es auch darum, dem Markt

zu zeigen, wie wir denken, was

unsere Kultur ist und wie wir die

Zukunft sehen. Wir bieten unsere

Leistungen an, lassen aber

auch Freiraum. Ich denke, wir

haben dabei einen guten Ton

und Umgang mit jungen Unternehmen

gefunden.

Blick aus dem Irenensaal im Wort & Bild

Verlagsgebäude auf den Skulpturengarten

am Isarhochufer. Im Saal finden neben

internen Veranstaltungen u. a. auch

klassische Konzerte statt.

Ergänzen sich die Expertisen

der Unternehmen?

Arntzen: Unsere goldene Regel

lautet, dass jedes Investment,

jede Beteiligung und jede Eigengründung

für sich selbst

wirtschaftlich tragend sein sollte.

Das Wort „sollte“ ist wichtig,

weil besonders junge Firmen

Zeit brauchen. Dafür stellen wir

gemeinsam einen Businessplan

auf. Wenn wir Synergien innerhalb unseres Portfolios nutzen

können, umso besser. Das ist aber kein zwangsläufiges Kriterium

für ein Investment.

Sie haben auch die Digitalisierung des Wort & Bild Verlags

vorangetrieben. Was war Ihr Ansatz?

Arntzen: Wir digitalisieren nicht um der Digitalisierung willen. Wir

nutzen den technologischen Fortschritt, um die Bedürfnisse von

Kund:innen besser befriedigen zu können. Wir setzen uns permanent

damit auseinander, welche Möglichkeiten wir haben, um

das, was wir gestern gut gemacht haben, morgen noch besser zu

machen. Wir schauen auf neue Entwicklungen und denken übergreifend:

von Service über Leistungen bis hin zu medialen Inhalten.

Welche Strategie verfolgen Sie mit Blick auf neue Technologien?

Arntzen: Wir haben da eine klare Sichtweise, in der drei Begriffe

eine große Rolle spielen: Neugierde, positives Denken und Partnerschaften.

Zum Beispiel beim Thema künstliche Intelligenz.

48


HERO STORY

„WIR KÖNNEN

MIT DEM, WAS

WIR TUN,

MENSCHENLEBEN

RETTEN.

DAS MOTIVIERT

AUCH UNSERE

MITARBEITENDEN.“

Zuerst muss man sich damit auseinandersetzen, die Augen öffnen

und ausprobieren. Dann lassen sich Chancen erkennen und

ein positiver Umgang entwickeln. Trotzdem birgt jeder Wandel

auch Risiken. Die aktuelle Dynamik ist nicht nur schnell, sondern

auch enorm komplex. Deswegen braucht es Partnerschaften. Wir

gehen mit Partnern aus anderen Branchen in den Austausch und

überlegen, wie man den Wandel noch besser greifen und für sich

nutzen kann.

Das ist unsere Grundhaltung, die wir zum Beispiel bei diversen

Events mit Leben füllen. Wir laden externe Gäste ein, weil wir offen

sind und uns gerne mit anderen darüber austauschen, wie

Südlich von München, in der oberbayerischen

Gemeinde Baierbrunn, befindet sich der Sitz der

Wort & Bild Verlagsgruppe.

49


HERO STORY

sich Märkte verändern. Dazu motivieren wir auch jede:n einzelne:n

Mitarbeiter:in, neugierig zu sein, nach links und rechts zu

schauen und sich mit Veränderungen auseinanderzusetzen.

Im digitalen Raum haben es Medienmarken zunehmend

schwer, zwischen Social-Media-Inhalten und KI-Ergebnissen eigene

Inhalte prominent zu platzieren. Wie gehen Sie damit um?

Arntzen: Wir sehen eine wirklich gefährliche Inflation von unseriösem

Gesundheitscontent. Für uns gibt es bei Gesundheitsinformationen

eine Null-Fehler-Toleranz, das leben wir seit 68 Jahren.

Wir haben wissenschaftliche Beiräte, die äußerst gewissenhaft

und genau Fakten prüfen. Wir lehnen jährlich Anzeigenumsätze

im siebenstelligen Bereich

ab, weil der wissenschaftliche

Beirat sagt,

die Anzeige eines Kunden

sei nicht ganz sauber

formuliert. Wir setzen

alles daran, in Deutschland

der Leuchtturm

für seriöse und evidenzbasierte

gesundheits -

relevante Informationen

zu sein. Dabei ist unser

Ziel, nicht nur belastbare,

empirisch fundierte Informationen

zu liefern. Das

Ziel einer Information

muss sein, dass der oder

die Empfänger:in diese

Information

bestmöglich

versteht und für sich

nutzen kann. Deswegen

stellen wir für die meisten

unserer Inhalte die Informationen

auch zusätzlich

in Leichter Sprache zur

Verfügung.

Wir können mit dem,

was wir tun, Menschenleben

retten. Das motiviert

auch unsere Mitarbeitenden.

Wir sind in

den letzten acht Jahren

50

Andreas Arntzen war Hockey-

Nationalspieler. Nach seiner sportlichen

Karriere gründete er unter

anderem Parship und radio.de.

„WIR SETZEN ALLES

DARAN, IN

DEUTSCHLAND

DER LEUCHTTURM FÜR

SERIÖSE UND

EVIDENZBASIERTE

GESUNDHEITS-

RELEVANTE

INFORMATIONEN

ZU SEIN.“


HERO STORY

Was hat sich geändert, dass diese vormals privaten Themen

heute im Magazin stattfinden?

Arntzen: Die Welt ist transparenter geworden. Auch das hängt

unter anderem mit der Digitalisierung zusammen. Heute können

alle über alles berichten. Dieser Transparenz müssen wir gerecht

werden. Dabei ist es auch wichtig, eine Meinung zu im Netz kursierenden

Trends zu äußern, die teilweise falsch und im Gesundheitsbereich

gefährlich sein können. Damit zeigen wir in dieser

inflationären Vielfalt an Content im Gesundheitsbereich: Wir

haben garantiert seriöse Informationen.

Seriöse und evidenzbasierte Gesundheitsinformationen:

Damit will der Wort

& Bild Verlag Menschenleben retten.

deutlich gewachsen, gleichzeitig haben wir alle unsere Führungskräfte

gehalten. Das funktioniert, weil wir spannende Aufgaben

bieten. Weil wir dem permanenten Fortschritt mit einem

klaren Blick auf die Bedürfnisse der Leser:innen gerecht werden.

Steht für diese Meinung die „Apotheken Umschau“ als Marke

oder positionieren Sie Ihre Redakteur:innen als Expert:innen?

Arntzen: Die „Apotheken Umschau“ ist eine starke Marke, der

Leser:innen vertrauen. Wir haben eine fast neunzigprozentige

Markenbekanntheit (86,2 %). Die Leute suchen beispielsweise

nach einem Symptom, finden einen Eintrag der „Apotheken

Umschau“ und entscheiden sich zuerst für unseren Artikel. Diese

Marke wird gleichzeitig mehr und mehr geprägt durch die

dahinterstehenden Köpfe. Die Redakteur:innen werden immer

mehr zur Marke. Damit zeigen wir Transparenz.

Es ist aber keine Pflicht für Redakteur:innen, zu einer Marke zu

werden. Es geht vor allem darum, die individuellen Kompetenzen

bestmöglich einzusetzen und zu fördern. Eine Person ist zum

Beispiel eher eine introvertierte Edelfeder, schreibt tolle Texte, will

aber nicht in der Öffentlichkeit agieren. Die andere ist extrovertiert

und liebt es, auf der Bühne zu stehen. Für beide Charaktereigenschaften

finden wir Möglichkeiten, damit sich die Mitarbeitenden

entfalten können, und geben ihnen maximalen Entwicklungsspielraum.

Auch das verstehen wir als unsere Aufgabe.

Mit der „Apotheken Umschau“ haben Sie eine Institution,

wenn es um Gesundheitsinformationen geht. Was ist entscheidend,

damit Ihre Marke diese Aufmerksamkeit behält?

Arntzen: Man muss sich immer wieder neu erfinden. So wie

wir mit dem ganzen Verlag am Puls der Zeit bleiben, gilt das

auch für die „Apotheken Umschau“: Wir setzen uns mit dem

gesellschaftlichen Wandel auseinander. Zum Beispiel beschäftigte

man sich früher mit dem Thema Gesundheit nur, wenn

man krank war. Das Thema Prävention spielt heute eine viel

größere Rolle. Auch Tabuthemen haben wir als Rubrik „Keine

Tabus!“ im Heft, da geht es um Themen wie Verhütung, Hämorrhoiden

oder Inkontinenz, das hätte man vor 20 Jahren so

nicht gebracht.

Welche Perspektive sehen Sie für das Printmagazin?

Arntzen: Wir erleben natürlich den strukturellen Wandel hin zu

digitalen Angeboten. Ich schätze Print aber sehr, weil es auch

latent Suchenden viel Mehrwert gibt. Das bedeutet: Bei einer

konkreten Frage sucht man online nach einer Antwort oder

geht zu Ärzt:innen. Da wartet niemand auf die nächste Titelgeschichte

zu dem individuellen Problem. Wer aber generell

interessiert ist, entdeckt in der „Apotheken Umschau“ immer

Informationen, die man spannend findet und die die eigene

Gesundheitskompetenz erhöhen. Das ist unser Leistungsversprechen

und das halten wir – mit Erfolg: Die durchschnittliche

Lesezeit der „Apotheken Umschau“ beträgt neunzig Minuten.

Das spricht für sich!

51


MARKETTE

NEWCOMER

DIESE BAYERISCHEN

STARTUPS SIND AUF DER

ÜBERHOLSPUR.

TEXT

DINO MEDIC

IN DER

MEDIENBRANCHE

EarlyGame Group

Die EarlyGame Group spezialisiert sich als Content-

und Community-Netzwerk auf den Gaming- und E-

Sports-Bereich, zusätzlich gibt es Inhalte zu Streaming-

Trends und Entertainment-News. Fabian Furch, ehe -

ma liger semiprofessioneller Counter-Strike-Spieler, und

Leopold Ingelheim gründeten 2019 das Startup.

Earlygame.com vereint als zentraler Content Hub

Videos, Kommentare, Listicles und Guides, daneben

betreiben die Gründer weitere Websites mit Fokus auf

einzelne Games. Quer über alle Plattformen erreichen

sie über zehn Millionen Unique User monatlich.

Neuraforge

Deepfakes und KI-Inhalte erkennen: Darauf spezialisiert

sich Neuraforge. Das Startup der Gründer:innen Anika

Gruner und Anatol Maier entwickelt Software, die anhand

charakteristischer Muster Spuren von KI in verschiedenen

Dateien aufspürt. Das soll nicht nur die Factchecking-Arbeit

in Medienhäusern erleichtern, sondern

auch das Vertrauen in etablierte Medien fördern. Darüber

hinaus kann die Software auch im Kampf gegen

Fake-Kampagnen – zum Beispiel im politischen Wahlkampf

– eingesetzt werden.

BlueBottle

Das Startup BlueBottle aus Garching ist ein Softwarehersteller

im Bereich E-Sport. Für das Online-Game

„League of Legends“ erfasst das Content-Werkzeug

des Startups bislang unzugängliche Spieldaten in

Echtzeit und visualisiert daraus resultierende Statistiken

direkt in der Spielwelt. Das verbessert das Erlebnis

der Zuschauer:innen und ermöglicht neue Optionen

der dynamischen Sponsoren-Einblendung. Marcel

Zurawka und Lars Eble gründeten ihr Startup 2024.

FOTOS: EARLYGAME, SK GAMING/EQUAL ESPORTS CUP, MEDIA LAB BAYERN (3)/CINDY NGO, ATOPIA SPACE/FEE GUNKEL; ILLUSTRATION: GETTY IMAGES/DENIS NOVIKOV

52


UNTER DEM RADAR

Loyalift

Das Startup von Niclas O. Bell, Niklas

Klausner und David Hamann bietet seit

2023 eine innovative B2B-SaaS-Lösung

für Werbetreibende. Egal ob bei Twitch,

TikTok oder auf Meta-Plattformen: Loyalift

nutzt unter anderem künstliche Intelligenz,

um statische, Video- oder Live -

inhalte von Content Creators zu analysieren.

Die Software erstellt detaillierte

Marketing-Dashboards, gewährt Echtzeit-

Einblicke in Interaktionen und identifiziert

Stimmungen in den Communitys

oder Key Moments im Engagement.

atopia.space

Die VR-Anwendung atopia.space macht Museen,

Galerien und historische Stätten immersiv erlebbar.

Annabell Vacano und Valentin Diehl gründeten das

Startup 2023. Anders als andere Metaverse-Platt-

formen ist atopia.space speziell auf die Bedürfnisse von

Kunsteinrichtungen zugeschnitten: Der Fokus liegt auf

der ansprechenden Präsentation der Kunstinstallationen

sowie der Vernetzung von Institutionen, Künstler:innen

und Besucher:innen. So erreichen Kunsthäuser

jüngere Zielgruppen. Atopia.space befindet sich in

der Closed-Beta-Phase.

53


TEST

WELCHER

WERBETYP

BIST DU?

WERBUNG BRAUCHT EH KEINER? QUATSCH! OB WIR WOLLEN

ODER NICHT, WIR ALLE SPRINGEN AUF DIE RICHTIGE

ANZEIGE AN. ALSO, PRINT, ONLINE, AUDIO

ODER DOCH LIEBER DEN ADBLOCKER AN? MACH DEN TEST

UND FINDE HERAUS, WELCHER WERBETYP DU BIST!

ZÄHLE DEINE LIKES!

DIE MEISTEN LIKES EINER FARBE VERRATEN DEINEN TYP:

KLASSIK- FAN

INDIVIDUALIST:IN

AUDIOPHILE:R

DESIGNERBABY

Onlinewerbung lässt dich

gänzlich kalt. Du schlägst lieber

wie eh und je gemütlich

bei einer Tasse Kaffee deine

Lieblingszeitschrift auf und

genießt die auf Hochglanz

polierten Anzeigen vertrauter

Marken.

Auf deinem Briefkasten klebt

ein „Keine Werbung“-Zettel

und dein Browser ist eine

von dicken Adblocker-Mauern

gesicherte Burg. Du suchst dir

deine Newsletter und Content

Creators sorgfältig aus und

nimmst Empfehlungen nur

von ihnen an.

Du hast die Welt des geschriebenen

Worts bereits hinter

dir gelassen. Liebe geht bei

dir durch die Ohren, deshalb

spitzt du die auch nur bei

Empfehlungen deiner Lieblings-Podcaster:innen.

Geshoppt wird eh nur noch

online, deshalb braucht man

es ohne Targeted Ads bei dir

gar nicht erst zu versuchen. Ob

TikTok oder Google, du willst

für dich maßgeschneiderte

Anzeigen sehen.

54


QUIZ

ICH LESE …

… seit Jahren meine Lieblings zeitschrift,

am besten frisch gedruckt.

… grundsätzlich nur online.

… nur, wenn mir dabei niemand über die

Schulter schauen kann.

… nur das Nötigste – Hören ist das neue

Sehen, Baby!

TARGETED ADVERTISEMENTS …

… sind Staatsfeind Nummer

eins – Tod den Trackern!

… sind meine besten Freunde – ich füttere

den Algorithmus, so viel ich kann.

... Targe-was? Ist das wieder so ein neuer

Marvel-Film?

… hab ich in meinen Podcasts noch

keine gehört.

MEINE SOCIAL-MEDIA-APPS …

… habe ich schon vor Jahren wieder

deinstalliert.

… sind grundsätzlich immer offen.

… benutze ich nur noch für private

Gruppen.

… zählen da Spotify und Audible auch

dazu?

WENN ICH EINKAUFE …

… lese ich Tausende Tests und Kundenrezensionen

– und kann mich dann doch

nicht entscheiden.

ADBLOCKER …

… spare ich mir – ich muss sie eh ständig

ausschalten, um an die guten Sachen

ranzukommen.

… habe ich mehr als einen und YouTube

öffne ich nur noch im Inkognito-Modus.

… wurden für Podcasts noch nicht

erfunden.

… sind diese Seiten im Heft, die für

Werbung geblockt sind, richtig?

NEWSLETTER …

… sind der RSS-Feed für Leute,

die noch lesen.

… sind die einzige Art, wie man heute

noch halbwegs unbehelligt Medien

konsumieren kann.

… brauche ich nicht. Meine Tageszeitung

liegt jeden Morgen im Briefkasten.

… ach ja, stimmt, ich muss wieder ein paar

Abonnements abbestellen!

DAS LETZTE MAL AUF

EINE WERBE ANZEIGE GEKLICKT

HABE ICH …

… heute morgen auf TikTok.

… noch nie. Bringt bei Papier ja

auch nichts.

… in den Show Notes bei Spotify.

… als mich nach drei Jahren das Premium-

Modell meines Lieblings-Newsletters

endlich überzeugen konnte.

… mache ich das nur noch online – am

liebsten mit Tipps von Creators.

… höre ich meinen Food-Podcast

und bestelle dann beim nächsten

Lebensmittel-Lieferservice.

… habe ich immer einen Chip für den Einkaufswagen

dabei. Der bringt auch Glück!

55


MARKETTE

STARTUP-SCHMIEDE

MIT

BERGPANORAMA


HELLO FROM

TEXT

CHRISTIAN EBERT

FOTOS

LARA FREIBURGER

1.

Die WANDL-Gründer:

Curt Simon Harlinghausen

und Monika

Harlinghausen-Smith.

2.

„Und Schnitt!“: In einer

sanierten Tankstelle

im Ortskern ist das

TV- und Podcast-Studio

untergebracht.

3.

New Work auf kleinem

Raum: Mit seinem Co-

Working-Space erweiterte

das WANDL 2023 sein

einzigartiges Angebot.

2 3

1

FOTO: WANDL

GEGENSÄTZE ZIEHEN SICH

AN – DAS SCHEINT DAS MOTTO

DES WANDL ZU SEIN,

EINES HISTORISCHEN BERGHOFS

UND EINER SANIERTEN TANK-

STELLE IN RUHPOLDING

IM CHIEMGAU. MONIKA

HARLINGHAUSEN-SMITH

UND CURT SIMON

HARLINGHAUSEN BETREUEN

HIER STARTUPS UND EINZEL-

PERSONEN IN IHREN KREATIVEN

PROZESSEN: INKLUSIVE

CO-WORKING-SPACE,

PODCAST- UND TV-STUDIO.

Das Dorf im Tal döst in der

Sonne. Eine dünne Wolkenschicht

driftet gemächlich

über die Berge im Hintergrund,

am Hang grasen Alpine

Steinschafe. Beobachten kann man

das alles durch eine große, moderne Holz -

fensterfront, gestützt von historischen

Trägern, eingebaut in Gebälk aus dem

18. Jahrhundert. Die Wände sind original

kalkverputzt, die angenehmen zwanzig

Grad Raumtemperatur regelt eine smarte

Heizungs-und Lüftungsanlage, die sich

per App steuern lässt.

Diese Gegensätze von historisch und

hochmodern treffen im Klausmeisterhof,

dem WANDL, an allen Ecken zusammen.

„WANDL ist unsere bayerische Interpretation

für ‚change‘“, erklärt Monika Harlinghausen-Smith.

Die Gründerin, Autorin und

Coachin für Führungskräfte und Unternehmen

betreut und bewohnt gemeinsam mit

ihrem Mann Curt Simon Harlinghausen –

Managing Director bei Miele X und Experte

für digitale Transformation – und ihren fünf

Kindern den Hof in Ruhpolding. „Der Name

ist bei uns Programm. Außerdem geht er

57


HELLO FROM

den vielen internationalen Gästen leichter

von den Lippen. Bitten Sie mal einen Amerikaner,

‚Klausmeisterhof‘ zu sagen.“

Hof, Tankstelle, Café, Studio

Das WANDL besteht aus zwei Locations: einem

historischen Bauernhof und einer umfunktionierten

Tankstelle. Den unter Denkmalschutz

stehenden Klausmeisterhof hat

das Paar im Jahr 2020 gekauft. Der liebevoll

sanierte Hof dient als Konferenzzentrum

für Tagungen und Jubiläen, vor allem aber

für Coachings, die das Paar Unternehmen

und Startups anbietet – auch zum Thema

Purpose und Teambuilding, einem Bereich,

den vor allem Monika seit 2018 vorantreibt.

Seit 2022 gehört zum WANDL außerdem

eine zum Co-Working-Space umgebaute

Tankstelle im Ort, inklusive professionellen

TV- und Podcast-Studios mit angehängtem

Café. Kund:innen können im Studio

Keynotes halten, YouTube-Videos aufnehmen

oder ihre Social-Media-Kanäle aufbauen.

„Wir waren zu der Zeit auf der Suche

nach einem Platz zum Arbeiten und Produzieren,

für uns und andere“, erzählt Simon.

„Zumal das Thema Internet hier am Hof anfangs

noch sehr ausbaufähig war. Die alte

Tankstelle kannte ich noch von früher, die

stand schon seit Jahren leer, also haben wir

mit den Eigentümern gesprochen.“

Die Vorteile der Tankstelle? Sie liegt zentral,

die Leute aus Ort und Region kennen

sie und Angebote wie Co-Working und

TV-Studios sind in einer ländlichen Region

wie dem Chiemgau rar gesät. „Das Angebot

wird vor allem von den Ruhpoldingern

dankbar angenommen“, sagt Monika. „Aber

auch Menschen aus fünfzehn bis zwanzig

Kilometern Umkreis kommen hierher und

freuen sich, Studio und New-Work-Konzept

in Anspruch nehmen zu können.“

Veränderung ermöglichen

Die Hauptarbeit von Monika besteht darin,

Startups und Unternehmen bei der Weiterentwicklung

zu helfen – und das findet fast

ausschließlich am Hof statt. „Hier oben gibt

es einfach so viele Möglichkeiten, die Besucher:innen

nutzen können. Wer länger

bleibt, kann direkt bei uns im Hof übernachten.

Außerdem haben wir eine Werkstatt,

in der Prototypen neuer Produktideen angefertigt

werden können. Und nach einem

anstrengenden Coaching-Tag hat man diese

wunderschöne Natur, die dabei hilft, den

Kopf wieder frei zu kriegen.“

Der Hof verfügt über acht Zimmer, in

denen bis zu zwölf Gäste übernachten

können, für Feste diverser Art finden bis

zu vierzig Personen Platz. Ein modernes

Fitnessstudio fehlt genauso wenig wie

eine Fasssauna mit Bergpanoramafenster.

Die Klientel stammt sowohl aus der

Umgebung als auch aus dem Ausland:

„England, Holland, wo immer man uns

1

kennt. Vieles ist natürlich Empfehlung“,

sagt Simon. Wichtig ist beiden: Der

Klausmeisterhof ist kein Hotel. „Wir verstehen

uns nicht als Hoteliers. Man findet

uns nicht auf den gängigen Buchungsseiten.

Wir bieten eine Umgebung und

ein Programm. Die Teams, die hierherkommen,

wollen etwas erreichen. Wollen

weiterkommen. Deswegen heißen wir

WANDL: Wir wollen Veränderung möglich

machen.“

„Wir wollten einen Ort

schaffen, der Menschen

dabei hilft, wieder klar

zu denken und

weiterzukommen.“

MONIKA HARLINGHAUSEN-SMITH

UND CURT SIMON HARLINGHAUSEN

Auch auf professioneller Ebene

ein harmonisches Team

Das schaffen die beiden dank ihrer langjährigen

Erfahrung als Coaches und

Unternehmer:innen – mit unterschiedlichen

Schwerpunkten. Simon hat in seiner über

dreißigjährigen Karriere in mehr als fünfzig

Ländern gearbeitet und an Hunderten von

Unternehmensgründungen mitgewirkt.

„Mein Hauptziel ist, das maximale Potenzial

aus jedem Mitarbeitenden herauszuholen

und die unterschiedlichen Fähigkeiten

eines Teams zusammenzubringen. Außer-

58


MARKETTE

2

1.

Direkt neben TV- und Podcast-Studio:

der Co-Working-Space.

2.

Wohin man blickt: Tradition trifft auf

modernstes Design.

3.

Für seine Gäste stellt der WANDL-Hof

liebevoll eingerichtete Zimmer zur

Verfügung.

4.

Boutique-Hotel und Startup in einem:

Das ist die einzigartige Kombination

des WANDL.

FOTOS: WANDL (2)

dem versuche ich, klare Strukturen zu

schaffen und Menschen miteinander zu

verknüpfen. Dabei hilft uns unser großes

Netzwerk von Menschen aus der ganzen

Welt und vielen verschiedenen Branchen.“

Monikas Coaching-Ansatz setzt noch früher

an – beim Thema Sinn und Purpose.

„Mir ist wichtig, Menschen dabei zu helfen,

ihre Kernkompetenzen zu erkennen.

Erst wenn jeder sein persönliches ‚Warum‘

kennt, kann ein Team wirklich zusammenfinden.“

Dank ihrer langjährigen Erfahrung

ist das etwas, das beide gemeinsam

leisten können.

Die Lieblingsstory zum WANDL der beiden?

„Erst neulich hatten wir ein Startup

für ein Wochenende hier. Als sie ankamen,

sagten sie uns, sie würden seit drei Jahren

an ihrem Problem arbeiten und nicht

weiterkommen. Nach zwei Tagen bei uns

konnten sie ihre Herausforderung lösen.

Sie meinten, das müsse am Ort liegen. So

etwas ist natürlich schön. Zu wissen, dass

wir einen Platz geschaffen haben, der

Menschen dabei hilft, klar zu denken und

weiterzukommen.“

3

4


XPLR: Media Magazine N o 5

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