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Restauro 5/2025

Historische Gärten

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MAGAZIN ZUR ERHALTUNG DES KULTURERBES

05/2025 HISTORISCHE GÄRTEN


EDITORIAL

3

Liebe Leserin, lieber Leser,

ja, es grünt so grün – doch nicht alles, was wächst, gedeiht auch denkmalgerecht.

In dieser Ausgabe der Restauro begeben wir uns in die Welt der historischen

Gärten, jener oft unterschätzten Kulturdenkmale, die mit der Gartenschere

gepflegt, aber mit historischem Feinsinn verstanden werden müssen.

Ob Klosterbeet oder Schlosspark – Gärten sind gestaltete Natur, gebändigte

Wildnis, Symbol und System zugleich. Sie erzählen von klösterlicher Heilkunde

und höfischer Repräsentation, von der Idee göttlicher Ordnung im Barock

und dem romantischen Drang nach natürlicher Freiheit in der englischen

Landschaftsgestaltung. Doch was tun, wenn Alleen vergreisen, das Parterre

verbuscht oder das ursprüngliche Pflanzschema längst verwildert ist?

Unsere Reise führt uns diesmal zu Orten, an denen Geschichte nicht nur in

Stein, sondern in Sträuchern und Stauden überdauert: von den neu erschlossenen

Strukturen der Klostergärten von St. Gallen und Corvey über die italienische

Pracht der Boboli-Gärten bis hin zu portugiesischen Hainen, in denen

Tradition und Innovation florieren. Selbst Englands Gartenkunst darf nicht

fehlen – mit ihren raffiniert inszenierten „natürlichen“ Blickachsen, die so gar

nichts dem Zufall überlassen.

Wie man solche Anlagen erhält, ohne sie zur bloßen Kulisse zu degradieren?

Das diskutieren Restauratoren, Gartenhistoriker und Denkmalpfleger mit

Sachverstand – und manchmal mit der Geduld eines Gärtners, der weiß, dass

gute Pflege Zeit braucht.

Denn eines ist klar: Historische Gärten sind keine starren Fossilien, sondern

lebendige Kulturgüter. Wer sie restauriert, arbeitet mit der Natur – und gegen

ihr Vergessen. Und manchmal reicht schon ein stiller Spaziergang durch ein

Lavendellabyrinth, um zu verstehen, wie viel Geschichte im Duft eines Sommers

liegt.

Wir alle in der Restauro-Redaktion freuen uns über ihr Feedback zu dieser

und allen anderen Ausgaben.

Herzlichst, Tobias Hager & Team

t.hager@georg-media.de

instagram: @restauro_zeitschrift


4 INHALT

6

„Jeder Verlust ist ein Verlust für das

Gartendenkmal“

10

Das neue Leben

der Klostergärten

16

News

18

Ein Garten zwischen machvollem

Sinnbild und Zukunftsvision

24

Ein Garten als

Manifest

S.32

32

Ananas, Orangen

und Zitronen

38

Forschung

44

Veränderung gehört zur Natur –

auch zur kunstvoll gestalteten

48

Neobarock im

Betonkleid

S.10


6 INTERVIEW

„Jeder Verlust ist ein

Verlust für das

Gartendenkmal“

FRAGEN: JULIA MARIA KORN


INTERVIEW

Historische Parks und Gärten sind mehr als grüne Oasen – sie sind lebendige Zeugnisse

vergangener Gestaltungsprinzipien und kultureller Ideale. Doch unter den Bedingungen

des Klimawandels geraten diese fein austarierten Anlagen zunehmend unter Druck. Welche

Pflanzkonzepte lassen sich heute noch umsetzen? Wo braucht es neue, klimaresiliente

Alternativen? Und wie gelingt es, Eingriffe in die historische Substanz mit dem Anspruch

auf Authentizität zu vereinen? Im Gespräch gibt die Landschaftsarchitektin Jutta Curtius

Einblicke in die Herausforderungen der Denkmalpflege im Grünen – von hitzegestressten

Kastanienalleen bis hin zu verwitternden Skulpturen und leerlaufenden Brunnen.

7

1

1

Jutta Curtius ist Landschaftsgärtnerin

mit

Schwerpunkt Gartendenkmalpflege.

Im DGGL

Arbeitskreis „Historische

Gärten“ ist sie Monitoring

Beauftrage. Im Interview

spricht sie Einblicke in die

Herausforderungen und

Perspektiven der Gartendenkmalpflege.


8 INTERVIEW

„Des Weiteren gibt es in den Alleebeständen,

wie etwa den Kastanien in

diesen Parkanlagen, eine zunehmende Gefährdung,

sodass diese nicht mehr nachgepflanzt

werden. “

Restauro: Was setzt historische Gartenanlagen derzeit am

stärksten unter Druck?

Jutta Curtius: An erster Stelle ist sicherlich der Klimawandel

zu nennen.

In bestimmten Regionen Deutschlands kommt es zu so ausgeprägter

Trockenheit, dass offene Wasserflächen austrocknen

und dadurch das Gesamtbild der Parkanlagen erheblich

verändert wird.

Aber insbesondere die hohen Temperaturen, die an Blättern

und Rinde Werte von deutlich über 40 °C erreichen, führen zu

Schäden an den Leitbahnen der Pflanzen, wodurch sich die

Bäume nicht mehr ausreichend mit Nährstoffen und Wasser

versorgen können.

In der Folge werden die Bäume zunehmend anfällig für Krankheiten

und Schädlingsbefall, wie etwa den Borkenkäfer, der in

der Lage ist, ganze Fichtenbestände zu vernichten.

Sturm Ela hat z. B. im Jahr 2015 am Niederrhein und im Ruhrgebiet

große Baumbestände in historischen Gartenanlagen

zerstört, was zu einer dramatischen Beeinträchtigung dieser

Kulturgüter geführt hat.

Die stark gestiegenen Pflege- und Fällkosten resultieren in

der Notwendigkeit, andere notwendige Erhaltungsmaßnahmen

zeitlich zu verschieben, was dazu führt, dass in diesen

Bereichen Pflegedefizite entstehen. Diese Herausforderungen

sind nicht nur Ausdruck von vorübergehenden Schwierigkeiten,

sondern spiegeln auch die finanzielle Unterausstattung

wider, die vielerorts das Niveau der notwendigen Pflege

und Erhaltung historischer Anlagen gefährdet.

Restauro: Beobachten Sie, dass Gärten unterschiedlicher Epochen

unterschiedlich stark betroffen sind? Etwa: Ist ein barocker

Garten stärker gefährdet als ein englischer Landschaftsgarten?

JC: Es ist festzustellen, dass sowohl in der Barockanlage als

auch im Landschaftspark die Gehölze erheblichen Gefährdungen

ausgesetzt sind. In den Gartenparterres der Barockanlage

sind insbesondere die Buchsbaumhecken betroffen,

die aufgrund von Krankheiten und Schadorganismen zunehmend

ausfallen. In den waldartigen Bereichen, die von den

Bosketten ausgehen, sind vor allem die Buchenbestände gefährdet,

sodass es bereits zu Fällen gekommen ist, in denen

ganze Gartenpartien geschlossen werden mussten, da die

Verkehrssicherheit nicht mehr gewährleistet werden konnte.

Des Weiteren gibt es in den Alleebeständen, wie etwa den Kastanien

in diesen Parkanlagen, eine zunehmende Gefährdung,

sodass diese nicht mehr nachgepflanzt werden. Im Landschaftsgarten

sind neben den bereits erwähnten Buchen und

Fichten auch andere Baumarten wie der Bergahorn, die Esche

und die Blutbuche von diesen Absterbeprozessen betroffen.

Dies hat zur Folge, dass das ursprünglich vielfältige Grünbild

und die unterschiedlichen Gestaltungsformen der Parkanlagen

nachhaltig verändert werden, was dann die ästhetische und

historische Bedeutung dieser Gartenanlagen gefährdet.

Restauro: Inwieweit lassen sich originale Pflanzkonzepte unter

heutigen Umweltbedingungen noch umsetzen?

JC: Die oder der Gartendenkmalpfleger:in führt eine umfassende

und detaillierte Analyse durch, bevor ein Vorschlag zur

Pflanzverwendung unterbreitet wird. Es existieren zahlreiche

Versuche mit Sämlingen sowie der Anzucht von Jungbäumen,

bei denen darauf geachtet wird, dass die Wurzeln nicht beschädigt

werden. Ebenso werden Ansätze zur Naturverjüngung

erprobt, die bisher vielversprechend erscheinen.

Jedoch befindet sich die Wissenschaft in diesem Bereich

noch in einem frühen Stadium, und es wird weiterhin erforderlich

sein, eine Vielzahl von Experimenten durchzuführen.

Es ist zu erwarten, dass nicht alle Versuche erfolgreich sein

werden. Ohne diese fundierten Versuche jedoch werden keine

belastbaren Ergebnisse erzielt werden können.

Restauro: Gibt es bewährte Alternativen für Pflanzen, die als

charakteristisch gelten, aber aufgrund von Schädlingen oder

Krankheiten – wie dem Buchsbaumzünsler – nicht mehr eingesetzt

werden können?

JC: Derzeit befindet sich die Thematik noch in einem frühen

Entwicklungsstadium, und es lassen sich noch keine etablierten

Alternativen erkennen. Jedes Denkmal ist einzigartig,

ebenso wie die Böden und kleinklimatischen Bedingungen,

die in jedem Fall zu unterschiedlichen Ergebnissen führen

können. Für den Buchsbaum existiert z. B. kein 100%iger Ersatz.

Es ist daher entscheidend, resistente Sorten des Buchsbaums

auszuwählen, die an die spezifischen Bedingungen des jeweiligen

Standortes angepasst sind. Es zeigen sich unterschiedliche

Erfahrungen, die je nach Standort variieren können. An

Orten, an denen der Buchsbaum nicht mehr kultiviert werden

kann, sind geeignete Ersatzgehölze zu wählen.

Verschiedene Lehr- und Versuchsanstalten (u. a. Erfurt, Heidelberg,

Bad Zwischenahn, Dresden-Pillnitz) testen kontinuierlich

Alternativen auf ihre Schnittverträglichkeit, Schattenverträglichkeit,

Kalkverträglichkeit, Frosttoleranz sowie auf

ihre Hitze- und Trockentoleranz. Dr. Gerd Reidenbach von der

LVG Erfurt hat einige dieser Ergebnisse zusammengeführt

und schließt seinen Vortrag mit dem Zitat von Richard von

Weizsäcker: „Das Lebenserhaltende ist die Vielfalt.“

Restauro: Welche Rolle spielen historische Pflanzenverzeichnisse

oder Pflanzpläne bei der Rekonstruktion? Können sie heute

noch als Grundlage dienen?

JC: Die oder der Gartendenkmalpfleger:in empfindet eine

gewisse Erleichterung, wenn historische Listen oder sogar

Pflanzpläne gefunden werden, die mit dem aktuellen Bestand

abgeglichen werden können. Diese Listen stellen auch heute

noch eine wichtige Grundlage für die Pflege und Restaurierung

dar. Nur in Fällen, in denen es nicht mehr möglich ist,

die ursprünglich vorgesehenen Pflanzen zu beschaffen – sei

es, weil diese nicht mehr produziert werden oder sie auf dem

Standort nicht mehr gedeihen –, wird nach geeigneten Alternativen

gesucht.

Es ist jedoch zu beachten, dass in historischen Pflanzplänen

auch Pflanzenarten verzeichnet sein können, die möglicherweise

nie wirklich standortgerecht waren. In solchen Fällen

wird ebenfalls nach Alternativen gesucht, die in ihrer opti-


INTERVIEW

9

schen Erscheinung eine vergleichbare Wirkung erzielen.

Entscheidend bei der Auswahl dieser Alternativen ist, dass sie

wissenschaftlich fundiert und durch ökologische sowie historische

Kriterien gerechtfertigt wird.

Restauro: Wie balanciert man in der Praxis den Anspruch auf

Authentizität mit notwendigen Eingriffen zur Erhaltung?

JC: Die Authentizität eines Denkmals kann nicht isoliert betrachtet

werden. Bei der Beschreibung der Denkmalsubstanz wird

stets auf Originalität (Ursprünglichkeit), Authentizität (Echtheit)

und Integrität (Vollständigkeit) eingegangen. Der Denkmalwert

bestimmt sich über die Form, das Material und die Substanz,

die Funktion und den Gebrauch, die Bauweise und seine Herstellungsprozesse,

die Situation und die Örtlichkeit.

Im Kontext von Gartenanlagen ist zu berücksichtigen, dass es

sich um lebende Elemente handelt, die unterschiedlichen Lebensphasen

unterliegen – von jungen über mittlere bis hin zu

alten Pflanzen. Diese Pflanzen haben eine begrenzte Lebenserwartung

und sterben mit der Zeit ab.

Mit diesem Wissen wird oftmals versucht, dem natürlichen

Verfallsprozess vorzubeugen, indem Pflanzen vermehrt werden,

um sie entweder an gleicher Stelle oder auch im Stumpf

anzupflanzen, um die ursprüngliche Gestalt und Bedeutung

des Gartens zu bewahren.

Restauro: Neben der Vegetation sind auch Skulpturen, Brunnenanlagen

und Gartenarchitekturen Teil des historischen Erbes. Inwiefern

wirken sich Umweltveränderungen auch auf diese aus?

JC: Größere Temperaturschwankungen können erhebliche

Auswirkungen auf Materialien wie Stein, Metall und Holz

haben. Insbesondere führt die wiederholte Expansion und

Kontraktion aufgrund von Temperaturänderungen häufig zu

Rissbildungen und strukturellen Schäden. Trockenheit kann

darüber hinaus die Verklebung von Mörteln oder Verfugungen

in Stein- und Mauerwerkskonstruktionen beeinträchtigen,

wodurch die langfristige Stabilität dieser Bauwerke gefährdet

wird.

Schwankungen im Wasserhaushalt, wie etwa der Abfall des

Wasserpegels, können sowohl die Funktionalität als auch die

Struktursicherheit von Brunnen, Kanälen und Teichen beeinträchtigen.

Diese Veränderungen führen nicht nur zu Schäden

an den wasserbaulichen Anlagen, sondern können auch die

Fundamente destabilisieren. Wassergebundene Wege, die auf

regelmäßige Regenfälle angewiesen sind, können bei unzureichender

Niederschlagsmenge austrocknen, was zu einem

Verlust der Stabilität und der Tragfähigkeit der Wege führt.

Ein exemplarisches Beispiel für die negativen Auswirkungen

von extremen Wetterereignissen stellt das Hochwasserereignis

im Jahr 2002 dar, bei dem die Gartenanlage des Schlosses

Greiz in Thüringen massive Schäden erlitt.

Darüber hinaus stellt die Luftverschmutzung in Kombination

mit der Zunahme von Vogelkot, dessen Verunreinigung nicht

ausreichend kontrolliert werden kann, eine zusätzliche Gefährdung

für die baulichen Anlagen historischer Gartenarchitekturen

dar. Diese verschmutzenden Einflüsse führen zu

Korrosion, Oberflächenveränderungen und einer Beschleunigung

der Materialermüdung.

Restauro: Welche dieser Objekte sind besonders gefährdet –

und weshalb?

JC: Aus meiner Sicht kann ich keine Hierarchie vornehmen.

Jeder Verlust ist ein Verlust für das Gartendenkmal. Denn

alle Elemente – seien es Pflanzen, Skulpturen, Brunnen oder

Wege – stehen in einem gestalterischen und historischen Zusammenhang.

Wird eines davon beeinträchtigt oder zerstört,

leidet das Gesamtkunstwerk. Es geht also nicht nur um materielle

Schäden, sondern auch um den Verlust von Atmosphäre,

Ästhetik und Aussagekraft des Ortes.

Restauro: Welche Strategien erscheinen Ihnen zukunftsfähig,

um historische Gärten nachhaltig zu schützen?

JC: Die Eigentümer aller Gartendenkmale – staatliche, städtische

und private – müssen mit ausreichenden finanziellen

Mitteln und ausreichend ausgebildetem Personal ausgestattet

werden, um die aufkommenden Schäden durch regelmäßige

Wartungsmaßnahmen, Pflege und Anpassungen zu kompensieren.

Die unterschiedlichen Klimaanpassungsprojekte im Denkmalbereich

müssen im Monitoring bewertet werden und langfristig

mit Folgeforschungsaufträgen unterstützt werden.

„Im Kontext von Gartenanlagen ist zu

berücksichtigen, dass es sich um lebende

Elemente handelt, die unterschiedlichen

Lebensphasen unterliegen – von jungen

über mittlere bis hin zu alten Pflanzen. Diese

Pflanzen haben eine begrenzte Lebenserwartung

und sterben mit der Zeit ab.“

KURZVITA JUTTA CURTIUS

Gelernte Gärtnerin (Baumschule), Studium der Landespflege in Höxter. Hier

entwickelte sich der Schwerpunkt Gartendenkmalpflege und gleichzeitig

der Besuch zu den Vorlesungen in Gartenkunstgeschichte und Gartendenkmalpflege

an der Leibniz Universität in Hannover. Diplomarbeit bei Prof. Dr.

Seyfang (Höxter Pflanzenverwendung) und Prof. Dr. Rohde (Hannover Gartendenkmalpflege).

Nach mehreren Jahren Tätigkeit in unterschiedlichen Büros der Landschaftsarchitektur

eigenes Büro, mit Schwerpunkt Gartendenkmalpflege. Als Sachverständige

öffentlich bestellt und vereidigt für den Garten- und Landschaftsbau,

Herstellung und Unterhaltung und dem Zusatzgebiet Gartendenkmalpflege

und Wertermittlung von Freianlagen - Gärten, Grünanlagen, Gehölze.


18 HISTORISCHE GÄRTEN

1

Blick entlang der Hauptachse

des Boboli-Gartens

mit Obelisk und

umliegenden Balustraden.

Die strenge Achsplanung

spiegelt das

Ordnungsprinzip der

Renaissance, während

der ägyptische Obelisk

aus der Zeit Ramses II.

als Zeichen für die

kulturelle Weitsicht der

Medici dient.

1

Ein Garten zwischen machtvollem

Sinnbild und Zukunftsvision

TEXT: TABEA-ISABELL FLAMM


HISTORISCHE GÄRTEN

Ein Refugium der Ruhe, ein Meisterwerk der Gartenkunst, ein Ort lebendiger Erhaltung:

Mit dem Projekt „Boboli 2030“ wird einer der berühmtesten Gärten Europas zu

einem Leitprojekt für den behutsamen Umgang mit Geschichte und Natur.

19

Der Ursprung der Giardini di Boboli lässt sich bis in die Mitte

des 16. Jahrhunderts zurückverfolgen. Damals erwarb

Eleonora di Toledo (1522–1562), Gemahlin von Cosimo I. de’

Medici (1519–1574), ein Gelände westlich des Palazzo Pitti,

das den Grundstein für die spätere Gartenanlage bildete.

Die Etymologie des Namens „Boboli“ gibt bis heute Rätsel

auf. Vermutlich geht er auf die Familie „Buboli“ zurück, von

der das Areal einst erworben wurde. Eine eindeutige Herleitung

konnte jedoch bislang nicht nachgewiesen werden.

Damit legte Elenora di Toledo den Grundstein für einen der bedeutendsten

Herrschaftsgärten Europas. Die Gestaltung wurde

von Niccolò Pericoli (1500–1550), auch bekannt als „il Tribolo“,

begonnen und von Bartolomeo Ammannati (1511–1592) und

Bernardo Buontalenti (1538–1608) weitergeführt. Der Anlageplan

sah zahlreiche repräsentative Wasserelemente vor: Heute

zählen die Fontana del Nettuno, die Fontana dell’Oceano

auf dem ovalen Isolotto und die Fontana del Bacchino zu den

markanten Brunnen – ergänzt durch mehrere kleinere Wasserbecken

und drei Inseln innerhalb der Gesamtanlage – Ziel

war nicht nur, einen Ort der Erholung zu schaffen, sondern

ein machtvolles Sinnbild der Medici-Herrschaft zu vermitteln,

mit monumentaler Raumachse, Skulpturenprogramm und

versteckten technischen Raffinessen wie Wasserspielen mit

Überraschungseffekten. Die Gardini di Boboli in Florenz sind

heutzutage weit mehr als ein Park. Sie sind ein Manifest der

Renaissance-Gartenkunst, ein topografisches Gedächtnis der

Medici und ein komplexes Gefüge aus Natur, Architektur und

Symbolik. Doch wie konserviert man ein solch vielschichtiges

Monument? Und wie bereitet man es auf die kommenden Jahrzehnte

vor? Mit „Boboli 2030“ hat das Direktorat der Uffizien unter

dem damaligen Direktor Eike Schmidt (Amtszeit 2015–2023)

ein Restaurierungs- und Entwicklungsprojekt angestoßen, das

neue Maßstäbe setzen will. Der Plan: Bis 2030 sollen 50 Millionen

Euro in Restaurierung, Reaktivierung und Zugänglichkeit

des Gartens investiert werden – umfassend, nachhaltig und exemplarisch

für eine neue Art des Kulturerhalts.

Botanik, Hydraulik, Digitalisierung – Denkmalpflege

auf schmalem Grat

Der Boboli-Garten ist auch ein System aus Pflanzen und Wasser.

Entsprechend viel Aufmerksamkeit gilt dem hydraulischen

Netz, das ursprünglich die Brunnen speiste und über ein ausgeklügeltes

Gefällesystem funktionierte. Heute steht man vor

der Frage: rekonstruieren oder modernisieren? Ein „konservatives

Update“ scheint der Weg zu sein – unter Beibehaltung

Zwischen Amphitheater und Isolotto

Viele der Eingriffe betreffen zentrale Monumente: das Amphitheater

mit seinem römisch anmutenden Glanz, die Vasca di

Nettuno, eine gelungene prachtvolle Symbiose aus Spätrenaissance

und Barock – und die idyllische Insel im Garten, das

Isolotto. Bereits heute sind dort konservatorische Maßnahmen

sichtbar: Steinoberflächen wurden gereinigt, Fehlstellen gesichert,

Skulpturen restauriert. Besonders herausfordernd: die

Balance zwischen historischem Erscheinungsbild und heutigen

konservatorischen Standards.

Jeder dieser Orte ist ein Mikrokosmos für sich – mit eigenem

Materialgefüge, Vegetationsbestand und restauratorischer

Geschichte, wie aktuelle Beobachtungen und dokumentierte

Maßnahmen eindrücklich zeigen.

2

2

Innenraum der

Buontalenti-Grotte im

Boboli-Garten, Florenz.

Die zwischen 1583 und

1593 errichtete Grottenarchitektur

verbindet

Natur- und Kunstmotive.

Stuckaturen, Fresken

und Skulpturen schaffen

ein illusionistisches

Höhlenambiente im

Geist der Spätrenaissance.


44 HISTORISCHE GÄRTEN

1

Veränderung gehört zur Natur –

auch zur kunstvoll gestalteten

TEXT: UTA BAIER


HISTORISCHE GÄRTEN

Bauen, restaurieren und feiern: Vor 25 Jahren wurde das Gartenreich Dessau-Wörlitz

von der UNESCO als Welterbe anerkannt – eine Auszeichnung für ein einmaliges

Ensemble aus Landschaft, Architektur und Aufklärungsideal. Heute wird nicht nur

das Jubiläum gewürdigt, sondern auch das, was es zu bewahren gilt: filigrane Brücken,

historische Sichtachsen und ein Weltbild aus Stein, Wasser und Pflanzen.

45

Reisen bildet, sagt man. Im Fall von Leopold III. Friedrich Franz

von Anhalt-Dessau stimmt das ganz sicher. Denn Fürst Franz

(1740–1817) fuhr nach England, sah die herrlichen Landschaftsgärten

und war nicht nur begeistert, für ihn wurden sie

zum Ideal. Nach seiner Rückkehr baute er sein kleines Fürstentum

zu einem Gartenreich im Stil der bewunderten englischen

Landschaftsgärten um. Ein Mammutprojekt, denn es ging nicht

allein um Landschaftsgestaltung, sondern um Reformen des

gesamten Lebens in seinem nur 1 000 Quadratkilometer großen

Land. „An Aufklärung des Verstandes, an Zerstörung des

Aberglaubens und der törichten Vorurteile, an Erweckung des

Sinnes für Naturschönheiten und Bildung des Geschmacks, an

Wissenschaft und Kunst, an äußerer Sitte, Zucht und Ordnung

und Reinlichkeit war mir zuerst alles gelegen“, erklärte Franz

und betonte, dass dabei auf keinen Fall Zwang ausgeübt werden

dürfe, weil der Mensch sonst um seine Freiheit gebracht

und seine wahre Würde verletzt würde.

Die Reformen betrafen jeden Lebensbereich. So verfügte er

nicht nur, dass jeder bei einem Brand Hilfe zu leisten habe, er

führte verpflichtende Impfungen ein, verbot das Betteln, unterstützte

Arme und Kranke, sorgte für Bildung und Arbeit, modernisierte

die Landwirtschaft und ließ Dämme gegen das Hochwasser

bauen. Sie schützen bis heute das Land des Fürsten

Franz, müssen allenfalls erhöht werden. Hinter den Dämmen

legte Franz nicht nur Parks und Gärten an, er formte die Landschaft,

gemeinsam mit seinem Jugendfreund, dem Architekten

Friedrich Wilhelm von Erdmannsdorff, zu einem einzigen großen

Garten. In diesem Gartenland gab es bereits die Barockstadt

Oranienbaum mit ihrem Schloss im Stil des holländischen

Barocks und das Rokokoschloss Mosigkau. Fürst Franz fügte

den Bauten seiner Vorfahren die Schlösser Luisium und Wörlitz

und das Gotische Haus hinzu. Schloss Wörlitz ist das erste klassizistische

Bauwerk in Deutschland überhaupt. Entworfen wurde

es von Friedrich Wilhelm von Erdmannsdorff. Fürst Franz

verflocht die Schlossgärten mit der Landschaft und schuf so

ein Gesamtkunstwerk aus Feldern und Wäldern, Dämmen, Alleen

und Gärten, Schlössern und Kunstsammlungen, Brücken,

Kirchen, Gartenarchitekturen, Skulpturen und einem feuerspeienden

Vulkan.

Masterplan für ein Kulturerbe

Heute gehören sechs Parkanlagen mit ihren Schlössern und

Gartenarchitekturen im Stil des Barock, des Rokoko und des

Klassizismus zum Gartenreich Dessau-Wörlitz.

Im Jahr 2000 wurde es Teil der exklusiven Liste des UNESCO-

Weltkulturerbes. Nicht erst seitdem wird im heute 142 Quadratkilometer

großen Landschaftsgarten gebaut und restauriert,

aber seitdem besonders intensiv. Für die nächsten zehn Jahre

haben Bund und Land 150 Millionen Euro für große Bau- und

Restaurierungsprojekte bereitgestellt. Im Jubiläumsjahr beginnt

der Umbau des Gelben Hauses in Wörlitz, das zum Welterbezentrum

umgebaut werden soll. Grundlegende Bau- und

Restaurierungsmaßnahmen gibt es weiterhin am Schloss- und

Parkensemble Oranienbaum, das seit 1925 nicht saniert wurde.

Das ist im Masterplan für die nächsten zehn Jahre festgeschrieben.

Ebenso wie der Ablauf der Arbeiten, den Robert

Hartmann, Leiter der Abteilung Baudenkmalpflege, so beschreibt:

„Bei den Masterplanmitteln werden immer bau- und

gartendenkmalpflegerische Maßnahmen gemeinsam bedacht.

Sie müssen miteinander abgestimmt sein, denn zuerst muss

ein Bauwerk fertiggestellt sein, bevor die Freifläche bearbeitet

werden kann.“ So wird es auch in Oranienbaum sein, für dessen

Sanierung und Gartendenkmalpflege Gesamtaufwendungen

von rund 25 Millionen Euro vorgesehen sind.

Gondeln, Pontons und vertrockneter Rasen

Bei der seit Februar laufenden Sanierung des Gondelstegs mit

Gondelanlegestelle in Wörlitz muss auf Gebäude keine Rücksicht

genommen werden. Doch allein um die historische Anmutung

des Steges mit Bohlenbelag geht es bei der Sanierung

auch nicht. Die neue Anlegestelle wird so gebaut, dass im Fall

des Absinkens des Wasserspiegels temporär Pontons an den

Seesteg angebaut werden können, um das Anlegen der Gondeln

zu ermöglichen. In der Vergangenheit musste der bei Besuchern

sehr beliebte Gondelbetrieb wegen Niedrigwassers

zeitweise eingestellt werden – vor allem in den Trockenjahren

2018 und 2019.

Nach diesen Jahren sah es im Gartenreich nicht vertraut idyllisch,

sondern verheerend aus. Die Rasenflächen waren gelb,

große Bäume vertrockneten, Gräben führten kein Wasser

mehr. Für den Gartendenkmalpfleger Michael Keller war das

schlimm, aber vorhersehbar. „Mit veränderten klimatischen

Rahmenbedingungen und den daraus resultierenden zusätzlichen

Anforderungen an die Gartendenkmalpflege haben wir

schon seit Langem zu tun“, sagt Michael Keller. Wenn alte Bäu-

1

25 Jahre UNESCO-

Welterbe Gartenreich

Dessau-Wörlitz: Das

Schloss Oranienbaum,

ein Meisterwerk des

holländischen Barocks,

steht seit jeher im Kontrast

und Dialog zum

später angelegten englischen

Landschaftsgarten

– ein Spiegel der

wechselvollen Gartenkunstgeschichte.


48 HISTORISCHE GÄRTEN

1

Vor zehn Jahren befand

sich der historische

Sanatoriumsgarten in

St. Blasien in einem verwilderten

Zustand. Auf

einen Aufruf des damaligen

Bürgermeisters hin

nahmen sich Freiwillige

der historischen Gartenanlage

an.

1

Neobarock im Betonkleid

TEXT: ANNA MARTIN


HISTORISCHE GÄRTEN

Einst wandelten hier Tuberkulose-Patient:innen auf Kur, aktuell ist die historische

Gartenanlage jedoch weit von ihrer repräsentativen Erscheinung entfernt. Die Kleinstadt

St. Blasien im Schwarzwald steckt mitten in der Sanierung des historischen

Gartens, der unterhalb des ehemaligen Sanatoriums liegt. Vor eine besondere Aufgabe

stellt die Fachleute dabei die Bausubstanz: Stützmauern, architektonische Formen und

Zierelemente wurden in den 1920er-Jahren aus Beton gefertigt.

49

Die Sonne scheint auf das Städtchen im Schwarzwald. Einzelne

Fußgänger:innen, Radler:innen und Autos passieren die

Baustelle am Hang, aber die meisten der Maschine stehen

momentan still. Leuchtend orange Container stehen auf den

Terrassen der historischen Gartenanlage, dazu Bauzäune,

ein Betonmischer, mehrere kleine Bagger. Auch das Gebäude

oberhalb des Gartens ist eingerüstet.

An anderen Tagen dürfte es auf der Baustelle mehr Bewegung

geben, denn die Kleinstadt St. Blasien im Schwarzwald saniert

gegenwärtig den historischen Garten des ehemaligen Sanatoriums.

Eine Webcam hält dabei auf dem Laufenden und gewährt

Neugierigen Einblick in die Bauarbeiten vor Ort. Nach

Jahren des Verfalls hatten zunächst Freiwillige erste gärtnerische

Maßnahmen ergriffen. Dann folgte jedoch die Schließung

des Parks aufgrund starker Schäden an der Bausubstanz. Nun

erfährt der Sanatoriumsgarten eine fach- und denkmalgerechte

Sanierung. Das Besondere: Die Bausubstanz der historischen

Gartenanlage aus den 1920er-Jahren – in neobraocker

Formensprache gestaltet – besteht aus Beton.

Im Sanagarten wandeln, erholen und Krocket spielen

Mit der Sanierung sollen die Anwohner:innen und Besucher:innen

St. Blasiens die Gartenanlage zukünftig wieder nutzen

können – ursprünglich war diese jedoch gar nicht öffentlich

zugänglich, sondern den Patient:innen des oberhalb liegenden

Sanatoriums vorbehalten. St. Blasien entwickelte sich Ende des

19., Anfang des 20. Jahrhunderts zum Luftkurort mit internationalem,

durchaus gut betuchtem Publikum. Auch heute noch ist

die Stadt Kurort – so trägt St. Blasien die Prädikate „Heilklimatischer

Kurort“ und „Kneippkurort“. Anfang der 1880er-Jahre entstand

am Fuße des Bötzberges ein erstes Sanatorium; nachfolgende

Besitzer erweiterten und bauten das Sanatorium an

diesem Standort mehrfach um. Anfang des 20. Jahrhunderts

war die Lugentuberkulose noch weit verbreitet. Vor der Entwicklung

eines dagegen wirksamen Antibiotikums wurde die

Krankheit mit sogenannter Luftkur therapiert. Die Lage und das

Klima in St. Blasien eigneten sich hierfür gut.

Zwischen 1923 und 1925 wurde am Fuße des ebenfalls gerade

neu angebauten Westflügels des Sanatoriums der Garten des

Sanatoriums – kurz Sanagarten – angelegt. Die Entwürfe gehen

zurück auf den Freiburger städtischen Gartendirektor Robert

Schrimpf und den Architekten Wilhelm Rutsch, ebenfalls aus

Freiburg. Die Patient:innen des Sanatoriums konnten sich in

dem Garten erholen und dort wandeln. Auf dem kleinen, südöstlich

angrenzenden „Golfplatz“ spielten manche auch Krocket,

wie ein Foto bezeugt, das Recherchen des baden-württembergischen

Landesamts für Denkmalpflege zu Tage förderte.

Freiwillige belebten die Anlage wieder – bis die

Schließung kam

Der Sanagarten, an einem Südhang gelegen, gilt als Beispiel

für repräsentative Gartenarchitektur der 1920er-Jahre. Die zwei

Hauptebenen des Gartens sind durch mehrere Treppenläufe

untereinander sowie mit den Straßen ober- und unterhalb verbunden.

Die obere der zwei Terrassen flankieren seitlich Pergolen;

auf der unteren liegt zentral ein Brunnen mit achteckigem

Becken. Diese Elemente werden je von Blumenbeeten begleitet.

Große Stützmauern verlaufen quer zum Hang. Auf beiden

Ebenen des Gartens öffnen sich diese Mauern mittig mit Rundbögen

je zu einer Art Loggia. Vasen schmücken die Balustraden

des Sanagartens. Hinter dem Eingangstor am unteren Ende

des Parks ist ein weiterer Brunnen in die Wand eingelassen. Die

Stützwände, deren Säulen und Bögen sowie die Zierelemente

der Anlage sind aus Beton gefertigt. Bildquellen aus verschiedenen

Dekaden zeigen, wie die Bepflanzung immer wieder wechselte

und wie sich die Vegetation entwickelte – bis hin zu Fotos

von 2015, die einen verwildernden Sanagarten zeigen.

Das Sanatoriumsgebäude beherbergte lang Zeit die Lungenfachklinik

St. Blasien, bis diese Ende 2020 in die nahe gelegene

BDH-Klinik Waldkirch umzog. Auch der Sanagarten gehört

der Klinik, bis die Stadt ihn 2015 erwarb. Zu diesem Zeitpunkt

war der Garten in einem verwilderten Zustand. Auf einen Aufruf

des damaligen Bürgermeisters hin fanden sich Freiwillige

zusammen, die sich ans Werk machten, der Vegetation Herr zu

werden. Bei diesen Arbeiten wurden bereits bauliche Schäden

festgestellt. Zur Akquirierung von Spenden und für die Öffentlichkeitsarbeit

gründete sich 2016 schließlich der Förderverein

Sanagarten e. V. und nahm sich des Sanagartens an. In den

folgenden Jahren führten die Stadt und Ehrenamtliche zahlreiche

Maßnahmen im Garten durch. Der Bauhof verlegten Leerrohre

für Wasser und Strom, Stützmauern wurden saniert und

gesichert, Freiwillige legten Beete, Rasen und Wege neu an,

neue Sitzmöglichkeiten wurden aufgestellt und die Beleuchtung

erneuert. Es fanden Veranstaltungen im Sanagarten statt,

der Park war für alle zugänglich – bis 2020 dessen Schließung

notwendig war. Die historische Anlage war für Besucher:innen

nicht mehr sicher. Es vergingen mehrere Jahre, bis schließlich

die Finanzierung stand: Im Juli 2024 erfolgte der erste Spatenstich

für die Sanierung des Sanagartens.

Fehlendes Fachwissen und örtliches Klima

sorgten für Schäden

Die ersten Maßnahmen im Garten ab 2015 durch Freiwillige

und die Stadt erfolgten laut einem Aufsatz des baden-württembergischen

Landesamts für Denkmalpflege zunächst ohne

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