Der Ruhm und sein Preis
9783422802742
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Ulrich Schulte-Wülwer
Der Ruhm und sein Preis
Die Malerfürstin Vilma Parlaghy
ISBN 978-3-422-80274-2
e-ISBN (PDF) 978-3-422-80275-9
Library of Congress Control Number: 2025930080
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie;
detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar.
© 2025 Deutscher Kunstverlag
Ein Verlag der Walter de Gruyter GmbH, Berlin/Boston, Genthiner Straße 13, 10785 Berlin.
Einbandabbildung: Vilma Parlaghy vor dem vollendeten Bildnis Kaiser Wilhelm II. in der Uniform des
Garde du Corps, 1893; Artothek, Bildagentur der Museen.
Covergestaltung: Katja Peters, Berlin
Satz: SatzBild GbR, Kieve, Sabine Taube
Druck und Bindung: Beltz Grafische Betriebe GmbH, Bad Langensalza
www.deutscherkunstverlag.de
www.degruyter.com
Fragen zur allgemeinen Produktsicherheit:
productsafety@degruyterbrill.com
Inhalt
Prolog 7
Herkunft und Jugend in Budapest 1863–1880 8
Vorbild Franz von Lenbach – Ausbildung in München 1880–1885 10
Der alte Revolutionär – das Porträt Lajos Kossuth 1885 21
Im Glanz der Donaumonarchie 1886 24
Eintritt in das Gesellschaftsleben der Hauptstadt des Deutschen Kaiserreiches
1887–1889 32
Der verdiente „Kulturkämpfer“ – das Porträt Ludwig Windthorst 1890 38
Der greise Feldmarschall – der Skandal um das Porträt Helmuth von Moltke 1891 46
Der Alte vom Sachsenwald – Das Porträt Otto von Bismarck 1892 56
Aufenthalt in Hamburg – im Schatten von Max Liebermann 1892 62
„Ausgestellt auf Befehl der Majestät des Kaisers“ – Der Skandal um das Porträt
Wilhelm II. 1893 65
Gesellschaftliche und mediale Netzwerke 72
Der Makel der Goldmedaille 79
Die Privatausstellung Unter den Linden 1895 und ihre Folgen 87
Die Ehescheidung 1895 95
Auf Reisen in Paris, Baden-Baden, Stuttgart und Frankfurt 1895–1896 99
Atelier und Salon Unter den Linden 12 102
Erster Aufenthalt in Amerika 1896 105
Aufenthalte in London, Leipzig, Wiesbaden, Berlin, Baden-Baden 1897–1898 109
6 Inhalt
Gesellschaftliches Engagement und Vorkämpferin gegen die Vivisektion
1897–1903 117
Die Heirat mit dem russischen Fürsten Georgy Lwoff und die Hochzeitsreise
nach Amerika 1899 123
Erfolgreiche Porträtmalerin in Deutschland und Europa 1900–1903 128
Die zweite Ehescheidung 1903 141
Aufbruch in die Neue Welt, der Empfang der Malerfürstin in Amerika 1908 144
Am Ziel der Träume – Atelier und Suite in New York im Luxushotel The Plaza
1909 151
Der Plan einer „Hall of Fame“ der 25 bedeutendsten Amerikaner 154
Im Kreis der „High Society“ – Tycoone, Philanthropen, Professoren, Erfinder und
Kriegshelden 162
Der tiefe Fall 174
Der Gönner Ludwig Nissen und ein letzter Erfolg: Das „Blue Portrait“ des Erfinders
Nikola Tesla 178
Das einsame Ende 1924 185
Literaturverzeichnis 189
Register 192
Bildnachweis und Bildrechte 196
Prolog
Glamour und Geld, Intrigen und Skandale, Ruhm und Vergessen bestimmten das
Leben der Porträtmalerin Vilma Parlaghy, das sich zwischen Budapest, Wien,
München, Berlin, Südfrankreich und New York abspielte. Da die Kunstwelt des
ausgehenden 19. Jahrhunderts fest in den Händen konservativer Funktionäre lag,
mussten Künstlerinnen zu unkonventionellen Mitteln greifen, um auf sich aufmerksam
zu machen. Ein überdurchschnittliches Talent war eine Voraussetzung,
um in die Phalanx der männlichen Kollegen vorzudringen. Wagemut, weibliche
List und Charme schienen probate Mittel, um in den Machtkämpfen des Kunstbetriebs
zu bestehen. Vilma Parlaghy setzte darüber hinaus auf eine provokante
Selbst inszenierung, die gesellschaftliche Konventionen in Frage stellte. Ihr Anrecht
auf Ruhm und Erfolg musste sie sich jedoch erkämpfen, wobei sich der Skandal als
wirkungsvolle Methode anbot, um ins Gespräch zu kommen. Den ersehnten Ruf
einer Malerfürstin erlangte sie durch die Heirat mit dem russischen Aristokraten
Georgy Lwoff.
Philipp Demandt, der als Direktor der Alten Nationalgalerie in Berlin ein Porträt
von Kaiser Wilhelm II. „aus dem Dunkel des Depots“ holte, schrieb in einem Essay:
„Wie keine Künstlerin zuvor beherrschte sie die Klaviatur der öffentlichen Inszenierung.
Eine Malerfürstin, die diesseits wie jenseits des Atlantiks die Kunstwelt
ebenso in Atem hielt wie die Klatschpresse, die Kaiser und Könige, Heerführer und
Nobelpreisträger porträtierte, die als ,berühmteste Porträtmalerin der Welt‘ zur
Millio närin wurde – und heute völlig vergessen ist, auch und nicht zuletzt, weil sie
ihr größtes Kunstwerk mit ins Grab genommen hat: sich selbst.“ 1
1 Philipp Demandt: Die Prinzessin Parlaghy, in: Blau – ein Kunstmagazin Nr. 6, November
2015, S. 52–57.
18 Vorbild Franz von Lenbach – Ausbildung in München 1880–1885
3 Selbstbildnis, um 1884; Öl auf
Leinwand. Verbleib unbekannt
Bonańzka, die ihre erste grundlegende künstlerische Ausbildung fast zeitgleich in
München im Umfeld ihrer polnischen Landsleute erhalten hatte.
Mit einem Porträt von Carl Albert Regnet, der sich als Biograf Münchner
Künstler einen Namen gemacht hatte, war Vilma Parlaghy 1883 auf der Internationalen
Kunstausstellung in München vertreten. Das Bild fiel auf, denn die „geistreiche
Auffassung“ und der „breite, energische Vortrag“ verrieten „in keiner Weise
die zarte Hand einer jungen Dame, die sich erst vor ein paar Jahren der Kunst zugewendet“.
31 Schon jetzt beherrschte Vilma Parlaghy die Kunst des Gebens und Nehmens.
Als sich die inzwischen 21-jährige Malerin 1884 auf einer Ausstellung des
Münchner Kunstvereins mit einen Selbstbildnis in Szene setzte, pries Regnet „die
Vornehmheit der Erscheinung und das wunderbar harmonische Kolorit“, das die
„Aufmerksamkeit aller Kenner auf sich zog“ (Abb. 3). 32
31 Kunstchronik, Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe 18. Jg., 1883, S. 578.
32 Die Kunst in Österreich-Ungarn, (Jahrbuch der Allgemeinen Kunstchronik), 1. Jg., Wien
1884), S. 92 f. Kunstchronik Nr. 7 vom 27. November 1884, S. 126. Allgemeine Kunst-Chronik
Wien Bd. 8, 1884, S. 875.
Vorbild Franz von Lenbach – Ausbildung in München 1880–1885
19
4 Selbstbildnis; Öl auf Leinwand, 40 × 37 cm. Bez.: V. Parlaghy.
Nordfriesland Museum. Nissenhaus Husum
Vilma Parlahgy zeigte sich sehr selbstbewusst in einem eng anliegenden,
stark glänzendem weißen Kleid aus Atlasseide im Empire-Stil. In der Linken hält sie
die Palette, in der Rechten ein farbdurchtränktes Tuch. Dieses Porträt fordert den
Vergleich mit einem anderen Selbstbildnis geradezu heraus, das die gleichaltrige
Sabine Gräf, später verheiratete Lepsius, 1885 in Berlin malte. 33 Sabine Gräf trägt
zwar ebenfalls keinen Malkittel, aber dennoch sind die Unterschiede gravierend.
Das Kleid von Sabine Gräf, das über der Brust von einer Brosche zusammengehalten
wird, ist deutlich anspruchsloser. Auch sie hält Pinsel und Palette in der Hand, doch
ihre Geste ist nicht ostentativ, sondern eher nachdenklich. Während Sabine Gräf
den Blickkontakt verweigert und „ein melancholisches Versunkensein in die eigenen
Innenwelten“ zum Ausdruck bringt, 34 richtet Vilma Parlaghy ihre Augen herausfordernd
auf den Betrachter. Weitaus bescheidener gibt sie sich ausnahmsweise
33 Sabine Lepsius, Selbstbildnis 1885 (Öl auf Leinwand, 83,7 × 63,5 cm). Nationalgalerie
Berlin.
34 Annette Dorgerloh: Das Künstlerpaar Lepsius – Zur Berliner Porträtmalerei um 1900,
Berlin 2003, S. 66.
Der Alte vom Sachsenwald – Das Porträt
Otto von Bismarck 1892
Vilma Parlaghy malte weiterhin in Lenbachs Stil, doch bei allen Gemeinsamkeiten
gab es einen wesentlichen Unterschied: Lenbach stand in dem Ruf, neben
seinen Bismarck-Bildnissen der Porträtist eleganter und mondäner Damen zu sein,
Parlaghy hingegen war im Begriff, sich als Porträtistin mächtiger alter Männer zu
profilieren.
Während der Entstehung von Parlaghys Moltke-Bildnis war die Idee eines
Porträts des ehemaligen Reichskanzlers Otto von Bismarcks aufgekommen, der in
Ungnade gefallen war. Für Wilhelm II. war Bismarck nicht mehr zeitgemäß, und
er hatte früh deutlich gemacht, selbst politischen Einfluss nehmen zu wollen. Der
Streit um das Sozialistengesetz hatte dem Kaiser Gelegenheit gegeben, Bismarck im
März 1890 zu entlassen, der sich daraufhin grollend auf seinen Landsitz Friedrichsruh
bei Hamburg zurückgezogen hatte.
Vilma Parlaghy wartete, bis ihr der Kölner Industrielle Julius van der Zypen
den Auftrag für ein Bismarck-Porträt erteilte. Van Zypen leitete eine der größten
euro päischen Eisenbahn- und Maschinenfabriken und galt als ein großer Verehrer
des früheren Reichskanzlers. Einzelheiten erfahren wir von dem deutschungarischen
Journalisten Adolph Kohut, der 1894 eine Schrift mit dem Titel „Fürst
Bismarck und die Frauen“ veröffentlichte, in der er Vilma Parlaghy ein eigenes Kapitel
widmete. Bevor Kohut auf die Entstehung des Bismarck-Porträts einging, lobte
er die Malerin in den höchsten Tönen:
Die in Berlin lebende berühmte ungarische Porträtmalerin Vilma Parlaghy
ist noch eine junge und dabei sehr schöne, geistreiche und energische kleine
Frau. Sie ist eine Erscheinung, wie sie die Geschichte der Kunst nicht weiter
kennt,[…] so daß man sie die Portraitistin der großen Männer der Gegenwart
nennen könnte. Man kann sagen, daß sie die gesuchteste Bildnis malerin
Deutschlands ist, und von Rechts wegen, denn sie vereinigt zahl reiche
glänzende Vorzüge in ihrem Wesen. Sie verfügt über einen geläuterten Geschmack,
einen unfehlbaren Blick und ein unbestechliches Urteil. Ihr gesunder
und durchgeistigter Realismus ist bestrebt, die Erscheinungen in ihrer
schlichten Natürlichkeit und Einfachheit festzuhalten; mit Genialität erfasst
Der Alte vom Sachsenwald – Das Porträt Otto von Bismarck 1892
57
18 Reichskanzler Otto von Bismarck, um 1892; Öl auf Pappe; 104 × 85 cm. Bez.: V. Parlaghy Friedrichsruh.
Nordfriesland Museum. Nissenhaus Husum
80 Der Makel der Goldmedaille
25 Kaiser Wilhelm II. 1895; Öl auf Leinwand, 130 × 89 cm. Bez.: Parlaghy 1895. Nationalgalerie Berlin
Der Makel der Goldmedaille
81
Mit dieser Auszeichnung fiel ein weiterer Makel auf die Malerin, der in der
Presse folgendermaßen auf den Punkt gebracht wurde: „So fand in manchen Kreisen
die Auffassung Raum, dass die Künstlerin die davon getragene Medaille weniger
ihrem künstlerischen Verdienste zu verdanken habe, als der Abneigung des Kaisers
gegen Wallots Bauwerk“. 191 Versuche, die Entscheidung rückgängig zu machen, waren
vergebens. 192 Wallot verließ daraufhin grollend die Reichshauptstadt und ging
als Architekt nach Dresden. Zahlreiche Künstlervereine im gesamten Reich solidarisierten
sich und ernannten Wallot zu ihrem Ehrenmitglied, während die Unbeliebtheit
des Kaisers in Deutschland neue Ausmaße erreichte. Abfällig schrieb der
Berliner Mitarbeiter der Neuen Züricher Zeitung: „Aber in dem Augenblick nun, wo
Seine Majestät höchstselbständig Herrn Wallot von der Preisliste streicht und an
dessen Statt die kleine dicke ungarische Malerin prämiert, ist in allen Ecken und
Kanten der Teufel los“. 193
Die offizielle Bekanntgabe der Verleihung der Goldmedaille ließ indes auf
sich warten. Da Vilma Parlaghy bereits ein Glückwunschreiben des Kultusministers
erhalten hatte, zögerte sie keinen Moment, ihrerseits die frohe Kunde öffentlich zu
machen, was in der Presse als Eigenreklame und „eines Künstlers nicht würdig“
bezeichnet wurde. 194 Ende Oktober 1894 quittierte Vilma Parlaghy den Empfang der
großen Goldmedaille. 195 Der Fall beschäftigte die Öffentlichkeit über Wochen. Die
jüdische Schriftstellerin und Journalistin Ulla Wolff-Frank, die sich für die Gleichberechtigung
der Frauen einsetzte, für ihre Beiträge aber das Pseudonym Ulrich
Frank benutzte, ging in ihrer Philippika mit den Widersachern von Vilma Parlaghy
hart ins Gericht:
Die große goldene Medaille scheint ein sehr unangenehmes Ding zu sein,
be sonders für den, der sie nicht hat. Nur so ist es einigermaßen erklärlich,
wenn eine gewisse Sorte Kunstbeflissener und ihre Gefolgschaft in der Presse
hinter einer Persönlichkeit her hetzen, die diese Auszeichnung errungen hat.
Die Mißgunst trägt immer boshafte Züge und was sie widerspiegeln, kann
die Erscheinungen nur in Verzerrungen zeigen. Tatsachen werden gefälscht,
die Schmähsucht treibt ihr trauriges Gewerbe, und gern wird geglaubt und
191 Berliner Tageblatt, 27. Januar 1895. Eine Schlüsselszene im Zerwürfnis von Wallot
und Wilhelm II. war ein Atelierbesuch, bei dem der Kaiser zu einem Stift gegriffen hatte,
einen Grundriss mit Strichen bearbeitete und dann dem achtzehn Jahre älteren Wallot
beschied: „Mein Sohn, das machen wir so.“ Wallot hatte daraufhin erwidert: „Majestät,
das geht nicht!“ John C. G. Röhl: Wilhelm II. – Der Aufbau der persönlichen Monarchie,
München 2002, S. 1005 f.
192 Hagener Zeitung, 8. November 1894.
193 Zitat nach Aachener Anzeiger, Politisches Tageblatt, 20. November 1894.
194 Demandt (2015), S. 55.
195 Staatsbibliothek Berlin Handschriftenabteilung Slg. Darmstaedter 2n 1884: Parlaghy,
Vilma Blatt 8.
138 Erfolgreiche Porträtmalerin in Deutschland und Europa 1900–1903
eine schöne Skizze für mich malen. 2 Sitzungen genügen dazu“. 337 Offenbar hatte
Sudermann das Spiel durchschaut und er war nicht bereit, den geforderten Preis
für ein Ölgemälde zu akzeptieren. Vilma Parlaghy versuchte sich mit folgendem
Schreiben aus der Affäre zu ziehen:
Ich bin sehr, sehr, sehr betrübt, daß das Bild, welches ich aus reiner künstlerischer
Begeisterung für ihren schönen Kopf und nicht minder für den
Menschen begonnen habe, ein so trauriges Ende gefunden hat. Meine Verehrung
für Sie, hochgeehrter Herr Sudermann wird so lange ich lebe – dieselbe
große bleiben! Mit vielen Grüßen und Dank für das, was ich trotz alledem
empfangen, verbleibe ich Ihre treue Fürstin Lwoff-Parlaghy. 338
Es gab wohl kaum einen Auftrag, den die Malerin ablehnte. Im Herbst 1903 vollendete
sie in Wien „eine Reihe Bildnisse von Persönlichkeiten der Wiener ersten Gesellschaft“.
339 Anschließend reiste sie weiter nach Belgrad, wo ihr König Peter I. von
Serbien, der einige Jahre zuvor ihre Porträts auf einer Ausstellung in Baden-Baden
bewundert hatte, in seiner Residenz für drei Wochen ein Atelier einrichtete. Ein
Foto zeigt die Malerin an der Staffelei (Abb. 48). 340 Der König posiert in der scharlachroten
Uniform des Feldmarschalls mit goldenem Kragen und goldenen Epauletten
sowie einem dunkelblauen Überrock. Auf dem Kopf trägt er einen weißen Tschako
mit blauer und roter Feder. Als Dank erhielt die Malerin den St. Sava- Orden, den
höchsten Zivilorden des Landes. 341 König Peter war an europäischen Höfen nicht
salonfähig, denn ihm stand die Ermordung seines Vorgängers, die kaum ein halbes
Jahr zurücklag, noch allzu deutlich auf die Stirn geschrieben. Wohl aus diesem
Grunde lag ihm viel daran, das lebensgroße Bildnis in Berlin, im Pariser Salon und
in Wien auszustellen, was ihm offenbar nicht gelang. 342
Zurück in Berlin entstand wohl im Rahmen einer Festlichkeit am Hof ein
Porträt von Herzog Ernst Günther von Schleswig-Holstein-Sonderburg-Augustenburg.
Der Bruder der Kaiserin, der ein ausschweifendes Leben führte, war bestrebt,
innerhalb und außerhalb der Hofgesellschaft zu glänzen, wohl aus diesem Grund
zeigt ihn das Porträt mit einer blauen Samtmütze in der Art der niederländischen
Barockmaler (Abb. 49). Im Dezember 1903 saß Kronprinz Wilhelm der Malerin im
Hotel Westminster Modell. Er trägt die Uniform des 1. Garde-Regiments, darüber
337 Deutsches Literaturarchiv Marbach, 24.10.1905, HS 117986.
338 Literaturarchiv Marbach, ohne Datum, HS 117989.
339 Leipziger Tageblatt, 15. Oktober 1903.
340 L’ Illustrazione Italiana, Vol. XXX, No. 51, 20. Dezember 1903. Bildagentur bpk 70583768.
341 In der Aachener Zeitung vom 9. Dezember 1903 erschien ein ausführlicher Bericht
über die Entstehungsgeschichte dieses Porträts, das in dem Raum einen ständigen Platz
finden sollte, in dem es entstanden war.
342 Das Porträt wurde auf der Weltausstellung in Lüttich 1905 im Serbischen Pavillon
gezeigt. Rhein- und Ruhrzeitung, 17. Mai 1905.
Erfolgreiche Porträtmalerin in Deutschland und Europa 1900–1903
139
48 Vilma Parlaghy porträtiert König Peter von Serbien.
Bez.: Konak 7. 11. 03
ein hellgrauer Mantel mit dunklem Pelzkragen, die Rechte auf den Säbel gestützt. 343
Das Porträt war 1905 auf der Großen Berliner Kunstausstellung ausgestellt. Der
Journalist Paul Lindenberg bezeichnete es als „das Beste, das wir bisher vom Kronprinzen
be sitzen, ordentlich lebenswahr, in schlicht-vornehmer Auffassung und in
reifer, sorgsam bedachter Ausführung“. 344 Der Kronprinz schenkte das Bild seiner
Verlobten Kronprinzessin Cecilie, die ihre Zeit überwiegend in Cannes verbrachte.
In ihren Erinnerungen schreibt sie: „Eine Freude machte mir mein Verlobter damit,
daß er sich von Vilma Parlaghy lebensgroß für mich malen ließ, so daß ich ihn wenigstens
im Bild vor mir hatte“. 345
343 Abb. des Porträts des Kronprinzen im International Studio, Bd. 51, 1914.
344 Solinger Kreis Intelligenzblatt, 9. September 1905.
345 Süddeutsche Zeitung, 29. November 1930.
140 Erfolgreiche Porträtmalerin in Deutschland und Europa 1900–1903
49 Herzog Ernst Günther von Schleswig-Holstein; Öl auf Holz; 31,5 × 23 cm. Bez.: Princess
Lwoff/V. Parlaghy. Nordfriesland Museum. Nissenhaus Husum
Die zweite Ehescheidung 1903
Während man in Berlin der Hochzeit des Kronprinzen entgegenfieberte, war auch
die zweite Ehe von Vilma Parlaghy gescheitert. Fürst Georgy Lwoff hatte sich in
seine Heimat zurückgezogen, nachdem er 1902 die Präsidentschaft der Landesvertretung
der Stadt Tula übernommen hatte, in deren Nähe seine Familie ansässig
war. Im Mai 1903 kursierten bereits erste Gerüchte über eine Trennung, die noch in
der Presse dementiert wurden, weil sie angeblich „jeder Begründung entbehrten,“
doch noch im selben Monat wurde das Paar geschieden. 346 Der Fürst hatte die Künstlerin
verlassen, doch er gestattete ihr, weiterhin den Titel Fürstin Lwoff-Parlaghy zu
führen. In der Presse wurde kolportiert, dass er den aufwändigen Lebensstil seiner
geschiedenen Frau jährlich mit einer siebenstelligen Summe unterstützte. 347 Doch
dies kann nicht den Tatsachen entsprechen, die Familie Lwoff war alles andere als
wohlhabend. Emma Vely bestätigt ihrerseits, dass der Fürst unbemittelt war. 348
Um dem öffentlichen Klatsch zu entfliehen, zog sich die Fürstin, wie schon
nach der ersten Ehescheidung, für einige Zeit in mondäne Bäder zurück. In Marienbad
veranstaltete sie 1904 eine Ausstellung, die der englische König Edvard VII., der
Marienbad insgesamt neunmal besuchte, eröffnete. Der Monarch versprach, für ein
Porträt Modell zu sitzen, vom dem die erste Studie erhalten ist (Abb. 50). 349
Mag die erneute Ehescheidung für ihre Karriereplanung nicht unbedingt
ein Nachteil gewesen sein, so warf ein anderes unvorhersehbares Ereignis einen
dunklen Schatten auf die erfolgsverwöhnte Künstlerin. Vilma Parlaghy verfügte
inzwischen über ein Automobil, mit dem sie sich von einem Chauffeur von Ort zu
Ort bringen ließ. Am 29. Mai 1905 kam es zu einem folgenschweren Unfall. Der mit
346 Auch diese Ehe blieb vermutlich kinderlos.
347 In der Presse war von 100 Millionen die Rede. Fürst Lwoff soll später eine wohlhabende
französische Aristokratin geheiratet haben. General-Anzeiger für Duisburg, 8. April 1909.
Anzumerken ist, dass Fürst Lwoff nach der Februarevolution 1917 erster Ministerpräsident
Russlands wurde, zahlreiche Reformen einleitete, aber nach der Oktoberrevolution in Ungnade
fiel.
348 Vely (1929), S. 343.
349 Government Art Collection UK. Die Ausstellung in Marienbad enthielt u. a. die Porträts
von Bismarck und des Königs von Serbien.
158 Der Plan einer „Hall of Fame“ der 25 bedeutendsten Amerikaner
52 Der amerikanische Pädagoge und Politiker
Seth Low; Öl auf Leinwand, 79 × 59,3 cm.
Columbia University of Art Properties. Inv. 1974.
12.3 CU
53 Der amerikanische Anwalt, Finanzier und
Philanthrop Robert W. DeForest; Öl auf Leinwand,
104 × 76 cm. Nordfriesland Museum. Nissenhaus
Husum
Wilson. Wilson war Präsident der Society of American Authors und Markham war
über Nacht mit seinem Gedicht „The man with the hoe“ berühmt geworden. 388
Von großer Bedeutung waren für Vilma Paraghy Kontakte zum Metropolitan
Museen, das mit seiner 1902 errichteten Fassade an der Fifth Avenue den großen Museen
der alten Welt auch äußerlich mehr als ebenbürtig war. Mit dem Journalisten
William Conant Church porträtierte sie einen der Mitbegründer des Museums und
mit dem Finanzier und Philanthropen Robert W. DeForest einen der Treuhänder
(Abb. 53). 389 Dem Museum selbst machte sie ein Fichu genanntes Dreieckstuch des
18. Jahrhunderts aus Österreich zum Geschenk. 390 Später stiftete sie dem Brooklyn
Institute Museum einen in ihren Augen kostbaren Teppich. 391
388 Das Gedicht war von dem sozialkritischen Gemälde des Franzosen Jean-Francoise
Millet „Der Mann mit der Hacke“ angeregt und wurde zu einer Hymne der amerikanischen
Arbeiterbewegung. Das Porträt von Markham ist reproduziert und gewürdigt von
James Barnes in seinem Artikel „A Painter of Men of Mark“ in: Art and Progress, Vol. 3,
Nr. 8, June 1912, S. 611. Der Verbleib des Porträts ist nicht bekannt.
389 Das Porträt von William Conant Church in Kat. Paintings & Object of Art (1924), Nr. 287,
das von De Forest in Kat. Paintings & Object of Art (1924), Nr. 346.
390 Metropolitan Museum of Art Inv. 168312.
391 Steckner (1993), S. 40.
Der Plan einer „Hall of Fame“ der 25 bedeutendsten Amerikaner
159
54 Der amerikanische Jurist und Diplomat Joseph Hodges Choate, 1914; Öl auf Leinwand, 132 × 102 cm.
Bez.: Princess Lwoff/1914. Nordfriesland Museum. Nissenhaus Husum
168 Im Kreis der „High Society“ – Tycoone, Philanthropen, Professoren, Erfinder und Kriegshelden
in der Schlacht von Gettysburg sein rechtes Bein verloren hatte. Die Künstlerin gab
bekannt, dass sie die Absicht habe, das Porträt aus Anlass des 86. Geburtstags des
Veteranen der Stadt New York für die City Hall zu schenken. 415
Im Auftrag von Sickles entstand ein weiteres Porträt, das „Devil Dan“ in Uniform
vor einem roten Vorhang zeigt, der mit einem Stern geschmückt ist. Der Held
des Bürgerkriegs wendet sich dem Betrachter als Mann der Tat zu. Den Daumen der
rechten Hand hat er unter den Gürtel geschoben, der Hut liegt auf dem linken Knie
(Abb. 60). 416
Sickles begleitete Vilma Parlaghy im November 1911 zu einer Horse Show
im Madison Square Garden, wo das Paar Aufsehen erregte, auch weil es von zwei
Lakaien in Uniform eskortiert wurde. Beide waren sich der Aufmerksamkeit, die
ihnen zuteil wurde, durchaus bewusst, schrieb die New York Times. 417 Sickles war
trotz seines Alters ein gefürchteter Schürzenjäger, und es dauerte nicht lange, bis er
der Fürstin seine Liebe gestand. 418 Weit davon entfernt, diese zu erwidern, verstand
sie es gleichwohl, den alten Narren für ihre Interessen zu instrumentalisieren. Bei
einer Vorstellung des Circus Barnum & Bailey im Madison Square Garden hatte sich
Vilma Parlaghy in einen jungen Löwen verliebt. Als man ihr Kaufangebot ablehnte,
schaltete sie „Devil Dan“ ein, der alles daran setzte, den Löwen für seine Angebetete
zu bekommen. Der Coup gelang. Vilma Parlaghy taufte den Welpen mit Champagner
auf den Namen „Goldfleck“, ließ ihn in ihrer Badewanne schlafen und führte ihn an
der Leine durch den Central Park. Als Dank für seinen Einsatz schuf sie ein weiteres
Porträt von Sickles mit dem Tier auf seinem Schoß. Das Bild erhielt den Titel „Die
zwei Löwen“. 419
Als Vilma Parlaghy im Sommer des Jahres 1911 für einige Monate nach Europa
reiste, nahm sie Goldfleck mit. In Paris, wo sie im Elysée Palace Hotel abstieg, war es
mittlerweile Mode, dass sich extravagante Frauen mit exotischen Tieren umgaben.
Kleine Affen, junge Löwen und Panther hatten Pekinesen und Papageien verdrängt.
Die Schauspielerin Cécile Sorel und die Sängerin Marguerite Carré hatten aus Südamerika
junge Pumas mitgebracht und die Suffragette Marguerite Durand führte
einen zahmen Löwen namens „Tiger“ auf den Straßen von Paris spazieren. Das Leben
von „Goldfleck“ war kurz. Als der geliebte Welpe im Mai 1912 in New York starb,
veranstaltete die Fürstin in ihrer Suite eine Trauerfeier, anschließend wurde der
Kadaver, begleitet von sechs Autos mit Trauernden, auf dem Hartsdale Tierfriedhof
415 New York Times, 22. Oktober 1911.
416 Steckner (1993), Nr. 89.
417 New York Times, 25. November 1911.
418 Diese Briefe spielten später eine Rolle, als der Sohn Stanton Sickles’ in einem Rachefeldzug
gegen seinen Vater vor Gericht zog. Washington Herald, 6. Oktober 1912 („Sickles’
son drags name of Princess into tangle“).
419 https://hatchingcatnyc.com/2014/01/18/lion-princess-lwoff-palaghy-plaza-hotel/
Im Kreis der „High Society“ – Tycoone, Philanthropen, Professoren, Erfinder und Kriegshelden
169
60 Der amerikanische Generalmajor Daniel Edgar Sickles, um 1911; Öl auf Leinwand, 137,5 × 109 cm.
Bez.: Princess Lwoff-Parlaghy. Nordfriesland Museum. Nissenhaus Husum
170 Im Kreis der „High Society“ – Tycoone, Philanthropen, Professoren, Erfinder und Kriegshelden
61 Sonnenaufgang in den Catskill Mountains, um 1913; Öl auf Leinwand,
85 × 100 cm. Bez.: Princess Lwoff. Nordfriesland Museum. Nissenhaus Husum
beigesetzt. Erholung von diesem traumatischen Erlebnis suchte die Fürstin von
August bis Oktober 1912 in Karlsbad 420
Der Besitz an der Riviera genügte Vilma Parlaghy auf Dauer nicht. Im November
1913 erwarb sie in den malerischen Catskill-Mountains bei Haines Falls unweit
des Hudson für 35.000 Dollar ein 40 Hektar umfassendes Wald- und Parkgelände,
dem sie den Namen „Santa Maria“ gab. Das dazugehörige Herrenhaus verfügte über
17 Räume. In den Außenanlagen befanden sich Ställe für die Zucht von Hirschen
und Bären. 421 Die Caskill-Mountains mit ihrer paradiesisch anmutenden Landschaft
waren seit dem frühen 19. Jahrhundert ein Anziehungspunkt für Künstler, die der
„Hudson River School“ angehörten. Auch die Fürstin griff hier zu Pinsel und Palette,
um zwei ihrer wenigen Landschaftsbilder zu malen (Abb. 61). In ihrer Nachbarschaft
lebte der Naturforscher John Burroughs zurückgezogen in einem Blockhaus
420 Karlsbader Kurliste, 1. Oktober 1912.
421 Steckner (1993), S. 40.
Im Kreis der „High Society“ – Tycoone, Philanthropen, Professoren, Erfinder und Kriegshelden
171
62 Der amerikanische Naturforscher John Burroughs; Öl auf Leinwand, 104 × 78 cm. Nordfriesland Museum.
Nissenhaus Husum
180 Der Gönner Ludwig Nissen und ein letzter Erfolg: Das „Blue Portrait“ des Erfinders Nikola Tesla
66 Katherine Quick-Nissen; Öl auf Leinwand, 107 × 87 cm.
Bez.: Princess Lwoff-Parlaghy. Nordfriesland Museum.
Nissenhaus Husum
Am 1. März 1916 präsentierte die Künstlerin das Bild einem kleinen Kreis unter der
Beleuchtung, bei der es entstanden war. 443 Es blieb das einzige Porträt des legendären
und bahnbrechenden Entdeckers auf dem Gebiet der Elektrotechnik, der in
seiner äußeren Erscheinung wie in seinem Wesen Merkmale aufwies, die die Künstlerin
treffend festgehalten hat: Tesla war ein sehr großer, sehr dünner und überaus
ernster Mann mit einer eleganten und stilvollen Körperhaltung. Sein Blick bestätigt
eine gewisse Scheu vor Frauen und am sprechendsten sind seine bemerkenswert
großen Hände.
Vilma Parlaghy hoffte bis zum Schluss auf eine Verbesserung ihrer Lebensumstände.
Doch auch der ehemalige Präsident Theodore Roosevelt, der ihr 1918, sechs
Wochen vor seinem Tod, Modell saß und bereits von schwerer Krankheit gezeichnet
war, vermochte ihr nicht zu helfen (Abb. 68). 444 Ludwig Nissen veröffentlichte das
Porträt, dem die Künstlerin die Notiz hinzugefügt hatte: „every stroke from life“, in
443 New York Times, 2. März 1916.
444 Kohle und Pastell, 107 × 84 cm, signiert datiert 1918 Kat. Paintings & Object of Art
(1924), Nr. 327. Versteigert April 30, 1936 American Art Association, Lamont Sale.
Der Gönner Ludwig Nissen und ein letzter Erfolg: Das „Blue Portrait“ des Erfinders Nikola Tesla
181
67 Der Ingenieur und Erfinder Nikola Tesla, 1916; Öl auf Leinwand, 107 × 93 cm. Nordfriesland
Museum. Nissenhaus Husum
einer privaten Gedenkschrift. 445 Zum Weihnachtsfest des Jahres 1919 lud das Ehepaar
Nissen die Malerin zu einem Ausflug in den Prospect Park in Brooklyn und
nach Long Island ein, die sich im Gästebuch mit den Worten bedankte: „Christmas
day 1919 – with the dearest friends, the kindest to me, I ever met in my live.“ Wurden
die gesellschaftlichen Kreise von Vilma Parlaghy auch rasant kleiner, so zollte ihr
445 „Reminiscenses of Theodore Rossevelt“, Privatdruck, ein Exemplar im Nordfriesland
Museum. Nissenhaus Husum.