G+L 9/2025
Gärten
Gärten
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20|09
25
MAGAZIN FÜR LANDSCHAFTSARCHITEKTUR
UND STADTPLANUNG
GÄRTEN
SILENCIO – Ruhe in Bewegung.
Drehbare Liegen, die sich jeder Blickachse anpassen –
für entspannte Momente und pertekt inszenierte Landschaftsräume.
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EDITORIAL
Während sich die globale Landschaft im Jahr 2025 weiterhin
durch soziale Spannungen und wirtschaftliche Unsicherheiten
verändert, bleibt der Garten – sei er privat, öffentlich oder
gemeinschaftlich gepflegt – ein Raum der Flucht und Ruhe. Für
viele von uns, besonders in urbanen Umgebungen, ist ein Garten
mehr als nur ein Ort für Pflanzen: Er wird zu einem Wunschtraum,
der uns an gesunde, friedliche und verbindende Momente
erinnert. Doch angesichts zunehmender Urbanisierung und
Raumknappheit bleibt die Frage: Wie können wir den Garten
demokratisieren? Wie können solche Oasen für möglichst viele
Menschen zugänglich werden, anstatt nur einigen Privilegierten
vorbehalten zu bleiben?
Dass Gärten nicht nur an privaten Wohnhäusern
zu finden sind, zeigen die elf
Projekte, die wir in dieser Ausgabe vorstellen.
Am Schloss Heidegg im Schweizer
Kanton Luzern etwa gestaltete das Büro
koepflipartner landschaftsarchitektur
einen historischen Rosengarten um. Über
den Prozess und das Ergebnis sowie
mehr zu zehn weiteren Projekten lesen Sie
ab Seite 12.
In dieser Ausgabe widmen wir uns deswegen dem Garten als
Paradedisziplin der Landschaftsarchitektur und stellen elf außergewöhnliche
Gartengestaltungsprojekte vor. Mit dabei ist etwa
ein historischer Rosengarten, der zeitgenössisch transformiert und
um Staudenpflanzungen ergänzt wurde. Oder ein neu angelegter
Privatgarten an einem Bungalow aus den 50er-Jahren. Ebenso
wie die Anlagen um – und auf – zwei städtischen Wohngebäuden
in Zürich. Die Bandbreite der Projekte ist groß und
zeigt, was in Gärten möglich ist – und was sie zu Klimaresilienz,
Biodiversität und gesellschaftlicher Teilhabe beitragen können.
Darüber hinaus diskutieren wir in dieser Ausgabe innovative
Ansätze, Gärten im städtischen Raum zu gestalten und zu teilen.
Denn: Eine spannende Bewegung bildet sich hier bereits heraus,
angetrieben von städtischen Initiativen, sozialen Projekten und
kreativen Raumkonzepten, die gezielt gegen soziale Ungleichheit
arbeiten. Gärten werden hierbei nicht nur als grüne Inseln
konzipiert, sondern als Begegnungsstätten, die Austausch,
Gemeinschaft und Resilienz fördern. Soziologin Christa Müller
von der anstiftung berichtet uns hierfür im Interview über die
Urban-Gardening-Bewegung in Deutschland – während uns
Pflanzplanerin Sonja Schwingesbauer Einblicke in ihren eigenen
Garten gibt und über die Rolle und Bedeutung von Pflanzplanung
spricht.
Freuen Sie sich auf eine besonders bunte Ausgabe der G+L.
Coverfoto: Dieter Ruckstuhl; Illustrationen: Georg Media
THERESA RAMISCH
CHEFREDAKTION
t.ramisch@georg-media.de
ANNA MARTIN
REDAKTION
a.martin@georg-media.de
G+L 3
Thea
Flexibel kombinieren.
Vielfältig gestalten.
F0x
Törna
Thea
INHALT
AKTUELLES
06 SNAPSHOTS
09 MOMENTAUFNAHME
The floor is (not) lava
10 SPEZIAL
Zwischen Termindruck und Kreativität
GÄRTEN
12 PROJEKTVORSTELLUNGEN – TEIL 1
Vom Rosengarten am Schloss Heidegg über den Münchner Elisabethmarkt bis
zum Bungalowgarten in Bonn
20 „PFLANZEN SIND NICHT MEHR NUR BEIWERK“
Pflanzplanerin Sonja Schwingesbauer im Interview
24 C. TH. SØRENSEN: 39 GARTENPLÄNE
Warum das Buch auch nach fast 60 Jahren noch aktuell ist – eine Rezension
28 PROJEKTVORSTELLUNGEN – TEIL 2
Von der Zürcher Siedlung Hardturm über die Hauptverwaltung von Sachsen
Energie in Dresden und den Campus Garden in Heilbronn bis in die Flensburger
Landschaftsgärten
36 DIE FÜNFTE FASSADE ALS MÖGLICHKEITSRAUM
Ein Kommentar von Architekt Benedict Esche
38 DER GÄRTNER DER NATION
Eine Buchrezension der ersten kritischen Biografie zu Karl Foerster
42 PROJEKTVORSTELLUNGEN – TEIL 3
Von der Installation „Grow Together Grow Green“ über die Siedlung Zwischenbächen
in Zürich und den Wildflower Garden in Hamburg bis zur Seeuferpromenade
in Paradiso
50 „IN GEMEINSCHAFTSGÄRTEN GESTALTEN MENSCHEN AKTIV MIT“
Soziologin Christa Müller im Interview
54 VOM LUXUS, DER KEINER IST
Ein Kommentar von Norbert Kühn von der Technischen Universität Berlin
PRODUKTE
Herausgeber:
Deutsche Gesellschaft
für Gartenkunst und
Landschaftskultur e.V.
(DGGL)
Pariser Platz 6
Allianz Forum
10117 Berlin-Mitte
www.dggl.org
56 LÖSUNGEN
Bodenbeläge und Licht
im Außenbereich
RUBRIKEN
62 Impressum
62 Lieferquellen
63 Stellenmarkt
64 DGGL
66 Sichtachse
66 Vorschau
G+L 5
SNAPSHOTS
der G+L
Redaktion
ARCHITEKTEN-
KAMMERN
BAYERN & BERLIN
STARTEN VER-
GABEKOMPASS
Die Bayerische Architektenkammer und
die Architektenkammer Berlin starteten
jeweils Ende Juni bzw. Anfang Juli
den kostenlosen Online-Service „Vergabekompass“.
Die Plattformen unter
www.beste-vergabe.bayern und
www.beste-vergabe.berlin entstanden in
einem gemeinsamen Pilotprojekt auf Basis
einer österreichischen Lösung. Sie sollen
sowohl Planungsbüros als auch Vergabestellen
bei der Orientierung im Vergabewesen
unterstützen. Im jeweiligen
Vergabekompass werden Vergabeverfahren
systematisch erfasst, gesichtet
und dargestellt sowie bewertet. Das
Angebot umfasst sowohl Architekturwettbewerbe
nach den Richtlinien für
Planungswettbewerbe (RPW) sowie
Verfahren gemäß der Vergabeverordnung
(VgV) öffentlicher Auftraggeber –
Letztere bislang nur im Vergabekompass
der AK Bayern, für Berlin soll dies jedoch
in Kürze folgen. Besonders kleine und
mittlere Büros sollen von der verbesserten
Transparenz bei Vergabeverfahren
profitieren können.
WETTBEWERB
ZUR LGS
SCHROBEN-
HAUSEN 2031
ENTSCHIEDEN
Das Berliner Büro Geskes.Hack Landschaftsarchitekten
GmbH hat den
Wettbewerb für die Daueranlage der
Landesgartenschau Schrobenhausen
2031 gewonnen. Die Jury kürte den
Entwurf Anfang August einstimmig zum
Sieger. 14 Landschaftsarchitekturbüros
hatten sich am anonymen Verfahren
beteiligt. Das Konzept des Siegerentwurfs
sieht die Integration von Gewässern
ins Stadtbild, neue Grünflächen
und die gestalterische Einbindung von
Hochwasserschutzmaßnahmen vor.
Neben der Aufwertung des historischen
Stadtwalls plant das Büro einen
neuen Bürgerpark an den Eisweihern
sowie einen Sportpark an der Paar mit
direktem Flusszugang. Stadtrat und
Aufsichtsrat entscheiden im Oktober
über die weitere Beauftragung.
LENNÉ-PREIS
2025 GEHT AN
STEPHAN LENZEN
Stephan Lenzen, Landschaftsarchitekt und
Präsident des bdla, erhält den Lenné-Preis
2025 der Lenné-Gesellschaft Bonn.
Gewürdigt werden seine Leistungen im
Sinne Lennés in Stadt- und Landschaftsgestaltung.
Lenzen ist Inhaber des Büros
RMP SL und gestaltete unter anderem –
unter Berücksichtigung ursprünglicher
Pläne von Lenné – das BUGA-Gelände
Koblenz sowie Projekte in Bonn, Köln und
Berlin. Die Preisverleihung findet am
23. Januar 2026 in Bad Godesberg statt
– zum zehnjährigen Bestehen der Gesellschaft
und am 160. Todestag Lennés.
Visualisierung: Geskes.Hack Landschaftsarchitekten
6 G+L
AKTUELLES
SNAPSHOTS
BEGEHBARE
INSTALLATION
ALS NEUER
DRITTER ORT
Mit „FLUX“ verfügt die Pinakothek der
Moderne in München seit Juni über
einen öffentlich zugänglichen, konsumfreien
Aufenthaltsort im Außenbereich
sowie dem Bereich des Wintergartens.
Die temporäre Installation der britischen
Künstlerin Morag Myerscough – mit
leuchtenden Farben und geometrischen
Formen markant gestaltet – verbindet
Kunst, Aufenthaltsqualität und Partizipation.
Pavillons, Sitzbereiche und ein
„Kitchen Garden“ schaffen vielfältige
Nutzungsmöglichkeiten. Als „Dritter
Ort“ soll FLUX Dialog, Begegnung und
kulturelle Teilhabe fördern. Das Projekt
wurde von der Stiftung Pinakothek der
Moderne, der Thomas Kirch Stiftung
sowie der Kirch Stiftung gefördert und
wird für fünf Jahre bestehen. Es richtet
sich ausdrücklich an ein breites Publikum
und ergänzt das Museumsangebot
durch Veranstaltungen, Bildungsformate
und informelle Nutzung im
öffentlichen Raum.
oben: Foto: Axel König; unten links: Foto: Jens Willebrand, 2023; unten rechts: Foto: Dr. Andreas Müller
Der Deutsche Städtebaupreis 2025 geht
an den BOB Campus in Wuppertal
(linkes Bild). Das Projekt überzeugte
durch die Transformation einer Industriebrache
zu einem lebendigen Ort für
Wohnen, Arbeiten und Bildung – partizipativ
geplant und architektonisch
sensibel umgesetzt, so DASL-Präsidentin
Monika Thomas zum Preisträger-Projekt.
Den Sonderpreis „Umbaukultur in der
zirkulären Stadt“ erhält der Kellogg Pier
in Bremen (rechtes Bild). Hier zeigt sich,
wie industrielle Bauten durch kreative
Umnutzung und nachhaltige Konzepte
in identitätsstiftende Stadtbausteine
verwandelt werden können. Fünf weitere
Projekte erhielten eine Auszeichnung
sowie sieben Projekte eine Belobigung.
Ausgelobt wird der mit 25 000 Euro
dotierte Preis alle zwei Jahre von der
Deutschen Akademie für Städtebau und
Landesplanung (DASL), gefördert von
der Wüstenrot Stiftung. Mit der Auszeichnung
werden Projekte gewürdigt,
die Impulse für nachhaltige, zukunftsfähige
Stadtentwicklung setzen.
DEUTSCHER
STÄDTEBAUPREIS
2025 VERGEBEN
G+L 7
SIEGERENTWURF FÜR LINDAUER
ZECHWALD-AREAL GEKÜRT
Der Architektenwettbewerb zum Lindauer
Zechwald-Areal ist entschieden: Das
Büro schneider+schumacher (Frankfurt)
mit Carla Lo Landschaftsarchitektur
(Wien) erhält den ersten Preis. Der
Entwurf sieht ein autofreies Quartier mit
rund 300 Wohnungen, 12 000 Quadratmetern
Gewerbeflächen und
Holz-Hybrid-Bauten vor. Geplant sind
hofartige Blöcke mit Gastronomie,
Gemeinschaftsräumen, einer Kita sowie
soziale Einrichtungen. Der Freiraum wird
durchgrünt, mit Biodiversitäts- und
Retentionsflächen, schattenspendenden
Bäumen und einer Verlängerung des
Kopernikusplatzes. Die Leiblachstraße
soll als Spielstraße integriert werden.
Juryvorsitzende Lydia Haack lobte unter
anderem die hohe städtebauliche
Qualität des Siegerentwurfs. Der Baustart
wird frühestens 2028 erwartet.
WETTBEWERB
ZUM KLIMA-
QUARTIER
RAMERSDORF
ENTSCHIEDEN
15-MINUTEN-
STADT:
WEITER ALS
GEDACHT
Noch mehr Beiträge zu Nachrichten aus Stadtplanung
und Landschaftsarchitektur, aktuellen
Diskussionen und Brancheninfos gibt es auf
unserer Webseite garten-landschaft.de.
Einfach den QR-Code scannen und loslesen.
Die 15-Minuten-Stadt ist in Deutschland
vielerorts Realität – auch in kleinen und
mittleren Städten. Laut einer neuen
BBSR-Studie erreichen Menschen
durchschnittlich drei Viertel der typischerweise
für den Alltag wichtigen Einrichtungen
wie Supermärkte, Kitas oder Arztpraxen
innerhalb von 15 Minuten zu Fuß
oder mit dem Fahrrad. Analysiert wurden
über 24 Einrichtungen anhand einheitlicher
Kriterien; Geh- und Radzeiten flossen
differenziert nach Altersgruppen in einen
Der Realisierungswettbewerb für das
Klimaquartier Ramersdorf in München
ist entschieden. Den 1. Preis erhielt die
ARGE dressler mayerhofer rössler
architekten und stadtplaner mit a+p
Architekten und michellerundschalk
landschaftsarchitektur. Ziel des Wettbewerbs
war die Entwicklung eines
klimaneutralen und klimaresilienten
Quartiers im Bestand der ehemaligen
„Ami-Siedlung“ südwestlich des Karl-
Preis-Platzes. Gefordert waren zusätzlicher
Wohnraum, eine neue Quartiersmitte
sowie ein Freiraumkonzept zur
Stärkung der Biodiversität und Aufenthaltsqualität.
Ausgelobt wurde
der Wettbewerb von der Münchner
Wohnen.
Index ein. Laut BBSR profitieren unterschiedlichste
Quartiere von guter Nahversorgung
– ohne soziale Verdrängung.
Darüber hinaus gibt die Studie praxisnahe
Empfehlungen, darunter gezielte Maßnahmen
wie Nachverdichtung, bessere
Rad- und Gehwege sowie eine aktive
Einbindung der Bevölkerung. Die Studie
ist auf der Webseite des
BBSR – über den nebenstehenden
QR-Code –
kostenfrei abrufbar.
oben: Visualisierung: Rhomberg Bau; Mitte: Visualisierung: dressler mayerhofer rössler / a + p / michellerundschalk
8 G+L
MOMENTAUFNAHME
AKTUELLES
MOMENTAUFNAHME
THE FLOOR IS
(NOT) LAVA
ANNA MARTIN
Projekt: CO₂ntext, © Foto: Heidi Horten Collection
Vom Sofa zum Couchtisch zum Sessel: Im Kinderspiel „Der Boden ist Lava“ gilt es, die vermeintlich
gefährliche, glühende Fläche des Wohnzimmerbodens nicht zu berühren. Möbel werden zu rettenden
Inseln in der Glut. Im Wiener Hanuschhof wird dem heißen Boden nun entgegengewirkt: Für das
Projekt „CO 2
ntext“ gestaltete das Grazer Künstlerkollektiv Holla Hoop den Innenhof im 1. Bezirk Wiens
mit farbigen Flächen und Punkten. Das verfolgt nicht nur ästhetische Zwecke: Zum Einsatz kam eine
UV-reflektierende Spezialfarbe, die Sonneneinstrahlung stärker zurückwirft als asphaltierte Flächen.
Mit der Maßnahme soll zum einen die Oberflächentemperatur im Hanuschhof gesenkt werden. Zum
anderen wird der weltweite CO 2
-Ausstoß visuell greifbar gemacht: Jede der Flächen steht für ein Jahr,
die Punkte in den Flächen wiederum entsprechen den Mengen des ausgestoßenen CO 2
– je Punkt
eine Milliarde Tonnen. Der unregelmäßig geformte Innenhof liegt klassisch zwischen den Gebäuden
der Blockrandbebauung; die dort Ansässigen – die Heidi Horten Collection, die Bundestheater-Holding
und ART for ART – setzten das Projekt um. Der kühlende Effekt des Projekts soll nicht nur deren Mitarbeitenden,
sondern auch Besucher*innen zugutekommen.
G+L 9
SPEZIAL
ZWISCHEN
TERMINDRUCK
UND
KREATIVITÄT
Mehr Leichtigkeit im Arbeitsalltag muss kein Luxus sein, erklärt
Landschaftsarchitektin und Referentin Eva-Maria Gleitze.
Dabei kann der Wandel im Kleinen beginnen. Welche Rolle
Stress spielt, was Leichtigkeit ausmacht und wie sie sich im
Arbeitsalltag kultivieren lässt, hat sie für uns zusammengefasst.
EVA-MARIA GLEITZE
AUTORIN
Eva-Maria Gleitze ist
Landschaftsarchitektin
sowie Referentin
und ausgebildete
Yogalehrerin. Sie
begleitet
Planer*innen dabei,
im oft fordernden
Büroalltag mehr
Leichtigkeit und
Klarheit im
beruflichen Tun
wiederzufinden. In
Workshops,
Seminaren und
Coachings vermittelt
sie praxisnahe
Methoden zur
Stressbewältigung.
In einem Arbeitsfeld, das von komplexen Anforderungen, hoher Verantwortung
und ständigen Veränderungen geprägt ist, wird Leichtigkeit oft als Luxus empfunden
– oder gar als Illusion. Doch genau sie ist es, die uns Zugang zu mehr Freude,
Kreativität und Wirksamkeit im Berufsalltag verschafft. Wie also gelingt der
Weg dorthin?
Leichtigkeit ist mehr als ein Zustand ohne Stress. Sie ist das Gefühl innerer Freiheit,
verbunden mit Klarheit, Energie und einem guten Gespür für sich selbst. Viele
Planer*innen beschreiben Leichtigkeit als: „Wenn die To-do-Liste abgearbeitet ist“,
„wenn ich konzentriert arbeiten kann, ohne ständig unterbrochen zu werden“ oder
„wenn ich Freiraum für Entscheidungen und kreative Prozesse habe“. Leichtigkeit
entsteht nicht, wenn wir mehr leisten, sondern wenn wir bewusster arbeiten – mit
klaren Prioritäten und einem wohlwollenden Blick auf unsere Grenzen.
KI – ERLEICHTERUNG ODER ÜBERFORDERUNG?
Um Leichtigkeit zu kultivieren, ist es hilfreich, sich dem Gegenteil zuzuwenden: dem
Stress. Stress ist kein individuelles Versagen, sondern eine natürliche Reaktion auf
Überforderung. Doch dauerhaft aktivierter Stress führt zu körperlicher und seelischer
Erschöpfung. Studien zeigen: Die häufigsten Stressfaktoren sind Zeitdruck, hohe
Arbeitsdichte, unklare Erwartungen und gestörte Kommunikation im Team. Dabei wird
10 G+L
SPEZIAL
STRESSBEWÄLTIGUNG IM ARBEITSALLTAG
oft übersehen, dass Stress immer auch subjektiv ist – er entsteht aus der Wechselwirkung
zwischen äußeren Reizen und unserer inneren Bewertung.
Ein aktueller Aspekt, der den Büroalltag zunehmend verändert, ist der Einsatz von
künstlicher Intelligenz (KI). In der Planung kann sie wertvolle Unterstützung bieten: bei
Routineaufgaben, bei der Datenanalyse, im Entwurf oder sogar in der Kommunikation.
Richtig eingesetzt, schafft KI echte Entlastung – und damit auch Potenzial für mehr
Leichtigkeit. Doch KI kann auch zur Quelle neuen Stresses werden: wenn Erwartungen
steigen, wenn die Technik überfordert, wenn sich die Arbeitsweise zu schnell wandelt.
Oder wenn das Gefühl entsteht, nicht mehr mithalten zu können. Es braucht also nicht
nur technische Kompetenz, sondern auch mentale Klarheit: Wofür will ich KI einsetzen?
Wo unterstützt sie mich – und wo überfordert sie mich vielleicht? Leichtigkeit im digitalen
Wandel entsteht nicht durch blinde Nutzung, sondern durch bewusste Integration.
KI darf Werkzeug sein – nicht Taktgeber.
STRESSBEWÄLTIGUNG BRAUCHT STRATEGIE
Der Körper ist unser Frühwarnsystem. Enge Schultern, flache Atmung oder ein dauerangespannter
Bauch sind Hinweise darauf, dass wir im Überlebensmodus sind. Und je
länger dieser Zustand anhält, desto schwerer fällt es uns, klar zu denken, kreativ zu
handeln oder gelassen zu kommunizieren. Der Schlüssel liegt deshalb im bewussten
Zurückschalten – durch einfache, alltagstaugliche Übungen, die den Körper entspannen,
die Gedanken sortieren und die Emotionen regulieren. Bewegungsimpulse helfen,
Spannungen abzubauen, Atemtechniken fördern Ruhe und Klarheit, und individuell entwickelte
Routinen zwischen den Aufgaben schaffen mehr Bewusstheit im Tun.
Viele denken bei Stressbewältigung an radikale Veränderungen. Doch nachhaltiger
Wandel beginnt im Kleinen. Eine hilfreiche Strategie zur Stressbewältigung beginnt
damit, die eigenen Belastungssituationen bewusst zu erkennen. Wer versteht, was
genau Stress auslöst, kann auch die körperlichen Reaktionen besser einordnen – sei es
durch Anspannung, Unruhe oder Erschöpfung. Daraus entsteht die Grundlage für
Reflexion: Was braucht es, damit Entlastung möglich wird – innerlich wie im äußeren
Umfeld? Im nächsten Schritt geht es darum,
wirksame Methoden zu finden, die
helfen, akute Anspannung zu regulieren.
Und schließlich: Was sich bewährt, darf
in Form von kleinen, alltagstauglichen
Routinen Teil des Arbeitsalltags werden –
als langfristige Stärkung für mehr Gelassenheit
und Selbstwirksamkeit. Dabei
zeigt sich oft: Es geht nicht darum, mehr
zu tun, sondern anders zu handeln – mit
mehr Bewusstheit.
LEICHTIGKEIT IST MACHBAR
Der Körper ist unser
Frühwarnsystem. Enge
Schultern, flache
Atmung oder ein dauerangespannter
Bauch
sind Hinweise darauf,
dass wir im Überlebensmodus
sind.
Ein leichter Büroalltag beginnt nicht nur
bei der Einzelperson, sondern braucht
auch eine Kultur, die Leichtigkeit erlaubt.
Bewegte Meetings, bewusst gesetzte Pausen,
realistische Zielsetzungen und eine offene Kommunikationskultur fördern nicht nur
das Wohlbefinden, sondern auch die Produktivität. Denn wo Leichtigkeit herrscht, entsteht
Raum für echte Zusammenarbeit, für Innovation – und für Menschlichkeit.
Leichtigkeit bedeutet nicht, es allen recht zu machen, sondern sich selbst ernst zu nehmen
– mit allem, was da ist. Wer lernt, gut mit sich umzugehen, stärkt nicht nur die
eigene Gesundheit, sondern auch die Qualität der Arbeit. Beginnen Sie mit einer
kleinen Übung: Setzen Sie sich aufrecht hin, atmen Sie tief ein und aus – und erinnern
Sie sich daran, dass Leichtigkeit nichts ist, das man sich verdienen muss. Sie ist ein
natürlicher Zustand, zu dem wir alle zurückfinden können.
G+L 11
07
10
08
Luxemburg
05
03
06
02
04
09
01
Italien
08
11
12
G+L
GÄRTEN
ÜBERSICHTSKARTE
Vom Dachgarten fürs Büro über den zeitgemäß umgestalteten
Rosengarten bis hin zum Privatgarten am Bungalow aus den
50er-Jahren: Gärten sind längst keine reine Zierde mehr. Ob
privat, halböffentlich oder kommunal – sie bieten Erholungsraum,
bringen Menschen zusammen, fördern Biodiversität, puffern
Regen oder mindern Hitze. Während Betonflächen weiter
wachsen, werden grüne Rückzugsorte zu gefragten Alleskönnern
für klimaresiliente Städte. Doch der Garten ist nicht nur
Funktionsträger, sondern auch Bühne für Gestaltung und Teilhabe.
In dieser G+L-Ausgabe zeigen wir Projekte, die zwischen
privatem Refugium und Landschaftsgarten changieren – mal
leise, mal laut, nie beliebig. Wer wissen will, was Gärten heute
wirklich leisten, sollte genau hinschauen. Es lohnt sich.
Rosengarten Heidegg
Gelfingen, Schweiz
01 09
Elisabethmarkt
München, Deutschland
02 10
Bungalowgarten
Bonn, Deutschland
03 11
Siedlung Zwischenbächen
Zürich, Schweiz
Wildflower Garden
Hamburg, Deutschland
Seeuferpromenade
Paradiso, Schweiz
04
05
06
07
08
Siedlung Hardturm
Zürich, Schweiz
SachsenEnergie
Dresden, Deutschland
Gastrogarten
Heilbronn, Deutschland
Flensburger Landschaftsgärten
Flensburg, Deutschland
Installation Grow Together,
Grow Green
Mailand und Bergamo, Italien,
und Luxemburg
AUTOR DER PROJEKTVORSTELLUNGEN:
TOBIAS HAGER
G+L 13
MITTE: Zuvor waren
die Beete streng
geometrisch angelegt.
Die Buchseinfassungen
wurden im Zuge der
Umgestaltung entfernt.
UNTEN: Der neu
gestaltete Rosengarten
– öffentlich
für alle zugänglich –
wirkt nun lebendiger
und offener.
OBEN: Das Büro
koepflipartner
landschaftsarchitektur
entwickelte ein neues
Konzept für den
Rosengarten von
Schloss Heidegg: Die
Planer*innen
komponierten die
Bepflanzung der Beete
neu und ergänzten
historische Rosensorten
um Stauden.
oben: Plan: koepflipartner; Mitte: Foto: koepflipartner; unten: Foto: Dieter Ruckstuhl
14 G+L
GÄRTEN
ROSENGARTEN SCHLOSS HEIDEGG
01
ROSENGARTEN
SCHLOSS HEIDEGG
LANDSCHAFTSARCHITEKT*INNEN:
koepflipartner landschaftsarchitektur
Luzern
GELFINGEN, SCHWEIZ
AUSFÜHRUNG FREIANLAGEN:
Amstutz Gartenbau Emmen
BAUHERR*INNEN:
Kanton Luzern,
Dienststelle Immobilien Luzern
HERSTELLER*INNEN:
MOBILIAR / AUSSTATTUNG: Glatz Sonnenschirme,
Fermob Stühle und Tische
LIEFERUNG ROSEN: Baumschulen
Reichenbach, Hausen a. Albis; Schultheis
Rosen, Bad Nauheim
FLÄCHE: 800 Quadratmeter
PLANUNGSZEIT: 2022 bis 2023
BAUZEIT: Herbst/Winter 2023
bis Frühling 2024
KOSTEN: 165 000 Schweizer Franken /
155 000 Euro
Es gibt Gärten, die ihre Geschichte nicht
in Schildern, sondern in Duft, Farben und
Blickachsen erzählen. Der Rosengarten
von Schloss Heidegg im Schweizer
Kanton Luzern ist so ein Ort – und er hat
eine lange, bewegte Historie. 1700 ließ
die Stadt Luzern den Terrassengarten mit
Pavillon und Ringmauer anlegen, der bis
heute das Bild des Schlosses prägt. Ab
1950 avancierte er unter dem Einfluss
des damaligen Zeitgeists zu einem der
bekanntesten Rosengärten der Schweiz.
Inspiriert wurde dies – so will es die
Überlieferung – von Bundeskanzler
Konrad Adenauer, der bei einem Besuch
1951 den Satz äußerte: „Hier sollten
Rosen blühen.“
Doch die Ära der klassischen Edelrosen
neigte sich ihrem Ende zu. Sie sind nicht
nur pflegeintensiv, bewässerungs- und
pflanzenschutzhungrig, sondern gelten
heute auch in ökologischer Hinsicht
als problematisch. Zudem hatte sich das
Publikum verändert – Rosenlieb haber*innen
sind inzwischen eine kleine,
meist ältere Zielgruppe. Vor diesem
Hintergrund entwickelte das Büro
koepflipartner landschaftsarchitektur
gemeinsam mit der kantonalen Denkmalpflege
Luzern ein Konzept, das die
Geschichte des Gartens respektiert und
gleichzeitig eine zeitgemäße, ökologische
Antwort gibt.
Die strenge Geometrie der Beete blieb
als räumliches Gerüst erhalten, doch ihre
Füllung wurde neu komponiert. Robuste,
staudenverträgliche historische Rosensorten
wurden mit einer reichen Auswahl
an Stauden kombiniert – insgesamt
135 Rosen und 1 200 Stauden. Die
Pflanzung folgt einer didaktischen
Dramaturgie: Wer von West nach Ost
durch den Garten flaniert, kann die
Entwicklung der Rose als Gartenpflanze
von der frühen Neuzeit bis heute nachvollziehen.
Das Ergebnis ist ein jahreszeitlich
wechselndes Farb- und Duftspiel,
das von Frühjahr bis Herbst visuelle und
sensorische Reize bietet.
Die Buchseinfassungen verschwanden
– zu groß waren Pflegeaufwand und
Schädlingsdruck. Stattdessen entstanden
offene Übergänge, breitere Kieswege und
neue Schattenbereiche. Vor dem Schloss
wurde die Kiesfläche vergrößert, um
Gruppenaufenthalte zu erleichtern. Die
neue Mischpflanzung hat die ökologische
Vielfalt spürbar erhöht: Insekten, Kleintiere
und sogar Eidechsen finden hier neue
Lebensräume. Der Pflegebedarf ist gering,
Pflanzenschutzmittel werden praktisch
nicht mehr benötigt.
Heute wirkt der Garten lebendiger und
zugänglicher als je zuvor. Besucher*innen
beschreiben ihn als „Märchen“ oder
„Gemälde“ mit Schloss, See und Alpen
im Hintergrund, loben die romantische
Verspieltheit und die ständige Entdeckungsfreude
beim Flanieren. Die Anlage
ist öffentlich zugänglich und wird nicht
nur von Schlossgästen, sondern auch
gerne von den Menschen der umliegenden
Dörfer genutzt, als Ort der Kontemplation
oder um den Sonnenuntergang
zu genießen.
Der Rosengarten Schloss Heidegg ist
damit ein Beispiel dafür, wie Gartendenkmalpflege
im 21. Jahrhundert aussehen
kann: traditionsbewusst, ökologisch,
ästhetisch und offen für alle – ein Ort, der
Geschichte nicht konserviert, sondern
weiterwachsen lässt. Darüber hinaus zeigt
das Projekt, wie historische Gartenanlagen
durch behutsame, zukunftsorientierte
Eingriffe ihre kulturelle Strahlkraft nicht nur
bewahren, sondern sogar erweitern.
G+L 15
OBEN LINKS:
Gemeinsam mit
bogevischs buero
entwickelte bauchplan
).( ein Konzept zur
Sanierung des
Elisabethmarkts – unter
anderem über ein
partizipatives Planspiel.
OBEN RECHTS: Auf
zwei begrünten
Dachterrassen kann
man sich aus dem
Markttreiben
zurückziehen.
UNTEN: Durch die
gewählte Struktur des
Markts entstehen
Gassen und Plätze mit
vertraut wirkender
Atmosphäre.
Plan: bauchplan ).(; Fotos: bauchplan ).( david riek
16 G+L
GÄRTEN
ELISABETHMARKT MÜNCHEN
02
ELISABETHMARKT
LANDSCHAFTSARCHITEKT*INNEN:
bauchplan ).(
MÜNCHEN, DEUTSCHLAND
ARCHITEKT*INNEN:
bogevischs buero
AUSFÜHRUNG FREIANLAGEN:
Hallertauer Landschaft GmbH & Co. KG
– Landschafts- und Sportplatzbau
BAUHERR*INNEN:
Landeshauptstadt München,
Kommunalreferat Markthallen
HERSTELLER*INNEN:
MOBILIAR/ AUSSTATTUNG: Greenleaf
GmbH & Co. KG
BELAG: GIMA; Godelmann
ENTWÄSSERUNG: H&S GmbH & Co.
KG; ACO
BEPFLANZUNG: Baum & Bonheur, Nettetal
(Gehölze); Stauden-Panitz, Rottenburg
a.d. Laaber (Stauden)
BEWÄSSERUNG: ZAAQ-Zanker Aquacomfort,
Neuried
FLÄCHE: 1 Hektar
PLANUNGSZEIT: 2019 bis 2024
BAUZEIT: 2023 bis 2024
KOSTEN: 2 Millionen Euro
WEITERES:
Anerkennung polis-award 2025
München liebt seine Märkte – aber der
Elisabethmarkt in Schwabing war lange
ein Problemfall. Über Jahre hinweg galt
er als „unsanierbar“. Unterschiedliche
Interessen von Händlerschaft, Anwohner*innen,
Stadtverwaltung und Sparkasse
– die auf dem angrenzenden
Grundstück ein Projekt realisierte – blockierten
sich gegenseitig, Initiativen
scheiterten im Wechselspiel aus Misstrauen
und Planungsstillstand. Erst ein
ungewöhnlicher Weg brachte Bewegung
in die Sache: „Über ein partizipatives
Planspiel in mehrreihigen öffentlichen
Workshops entstand letztlich in Kooperation
mit bogevischs buero ein Konzept, in
dem sich alle Beteiligten wiedergefunden
haben“, sagt Tobias Baldauf von bauchplan
).( über das Projekt. Die zwei Büros
entwickelten so ein tragfähiges Konzept
für den Elisabethmarkt.
Das Ergebnis ist eine behutsame, aber
deutliche Neuinterpretation des Marktes:
ein kleinteiliger, zeitgemäßer Marktraum
mit nostalgischem Flair und neuen Aufenthaltsqualitäten
– sowohl kommerziell
als auch kommerzfrei. Zwei begehbare
Dachterrassen setzen markante Akzente
und bieten einen Ort, um sich aus dem
Markttreiben zurückzuziehen, umgeben
von den Baumkronen der benachbarten
Grünflächen.
Die Marktstruktur wurde so angelegt,
dass eine Abfolge von Gassen und
Plätzen entsteht, geprägt von der historischen
Münchner Gehwegplatte aus
Klinker. Das erzeugt eine vertraute, fast
dörfliche Atmosphäre, die dennoch offen
für Neues bleibt. Flexible Möblierung –
kleine Tische und Stühle, die aus den
Fassaden geklappt werden können –
unterstützt die wechselnde Nutzung,
ob für den schnellen Espresso oder das
längere Gespräch. Extensive Dachbegrünungen
auf den Zeltdächern verbessern
nicht nur das Klein klima, sondern
auch die problematische Entwässerungssituation.
Besonderen Wert legte das Planungsteam
auf eine Gestaltung, die sowohl dem
Alltag als auch besonderen Anlässen
gerecht wird. Die Atmosphäre soll heimelig
wirken – mit Lichtakzenten wie Lichterketten
– und zugleich funktional bleiben.
Auch Rad- und Fußwege sind klar integriert,
gut ausgeleuchtet und verbinden den
Markt mit dem umliegenden Stadtraum.
Die Dachterrassen auf den Flachbauten
wurden intensiv begrünt, unter anderem
mit rankenden Pflanzen, die das Stadtgrün
in die Höhe ziehen.
Der Elisabethmarkt ist so zu einem Ort
geworden, der historische Markttradition
mit zeitgemäßer Aufenthaltskultur verbindet.
Er bietet Raum für Handel und
Begegnung, für spontane Gespräche und
geplante Veranstaltungen – und beweist,
dass selbst lange blockierte Orte zu neuem
Leben erweckt werden können, wenn
Planung, Beteiligung und Gestaltung auf
Augenhöhe stattfinden.
Darüber hinaus zeigt das Projekt beispielhaft,
wie eine partizipative Planungsmethodik
nicht nur architektonische und
funktionale Qualitäten verbessern, sondern
auch soziale Gräben überbrücken
kann. Der neue Elisabethmarkt ist damit
mehr als ein Ort des Einkaufens: Er ist
ein Symbol dafür, dass Stadtentwicklung
im Dialog entstehen muss – und dass
dabei Orte entstehen, die von allen
getragen werden.
G+L 17
OBEN: Landschaftsarchitekt
Noël Besgen
gestaltete in Bonn den
Garten eines
Bungalows aus den
50er-Jahren neu. Der
Garten fungiert nun als
eine Art erweitertes,
grünes Wohnzimmer.
MITTE: Innen- und
Außenräume gehen
nach der Umgestaltung
fließend ineinander
über.
UNTEN: Ebenfalls in die
Umgestaltung integriert
wurde ein Mikrohaus
mit Dachbegrünung.
Plan und Fotos: Noël Besgen / besgen Landschaftsarchitektur
18 G+L
GÄRTEN
PRIVATGARTEN BONN
03
BUNGALOWGARTEN
LANDSCHAFTSARCHITEKT*INNEN:
Noël Besgen, Landschaftsarchitekt AKNW
BONN, DEUTSCHLAND
ARCHITEKT*INNEN:
Wolfgang Leuschner
BAUHERR*INNEN:
privat
HERSTELLER*INNEN:
MOBILIAR / AUSSTATTUNG: ADEZZ;
gartana
BELAG: Schellevis; Cotto D’Este
ENTWÄSSERUNG: Hunter
BELEUCHTUNG: IP44
FLÄCHE AUSSENANLAGEN:
circa 600 Quadratmeter
PLANUNGSZEIT: 2022 bis 2024
BAUZEIT: circa zehn Monate
KOSTEN:
Außenanlagen inklusive Bewässerungsanlage
und Licht: circa 100 000 Euro;
gartana Mikrohaus: circa 65 000 Euro
Es gibt Häuser, die tragen den Geist ihrer
Entstehungszeit in jeder Linie – und
Gärten, die diesen Geist neu zum Leuchten
bringen können. Der Bungalowgarten in
Bonn-Röttgen ist ein solcher Fall. Das
Gebäude, ein freistehender Bungalow aus
den 50er-Jahren, entworfen vom Architekten
Wolfgang Leuschner, war über Jahrzehnte
von seinem ursprünglichen Außenraum
eingerahmt. Die Umgestaltung durch
das Büro besgen Landschaftsarchitektur
von Noël Besgen nahm die Geschichte
des Hauses ernst, gab dem Garten aber
eine zeitgemäße Gestalt: klimaresilient,
pflegeleicht, klar strukturiert – und zugleich
zurückhaltend genug, um die Architektur
nicht zu übertönen.
„Für uns hat durch die Umgestaltung des
Gartens das Leben neu angefangen. Wir
erleben den Garten und auch das Haus
überraschenderweise komplett neu. Wir
verbringen viel, viel mehr Zeit im Garten
als früher. Wir hätten nicht gedacht, dass
es so einen Unterschied darstellt, dass die
Art des Wohnens und das Leben im Haus
sich durch die Gartenarchitektur absolut
toll verändert!“, sagt das Bauherren-
Ehepaar über den umgestalteten Garten
des Bungalows.
Ziel der Umgestaltung war es, Innen- und
Außenräume fließend zu verbinden,
Blickachsen zu öffnen und den Garten
als „grünes erweitertes Wohnzimmer“
zu inszenieren. Die Planung arbeitet
bewusst mit dem Thema der freistehenden
Bunga lowarchitektur: klare Kanten, großzügige
Freiflächen, offene Übergänge.
Dabei entstand ein fein abgestuftes
Gefüge aus unterschiedlichen Gartenzonen
– vom Atrium-Terrassenpatio über
den grünen Innenhof und die Rasenlichtung
bis hin zu Waldgarten-Kulissen,
skulpturalen Strukturgehölzen und kleinen,
geschützten Sitznischen.
Ein besonderes Element ist das „Mikrohaus“
– ein 6 x 3 Meter großes gartana-
Modul mit Flachdachbegrünung. Es fügt
sich als funktionaler Rückzugs- und Arbeitsraum
harmonisch ins Ensemble ein, nimmt
Materialien und Farben des Gartens auf
und schafft ein neues Spannungsverhältnis
zwischen Architektur und Freiraum.
Die Materialauswahl folgt einer hellen,
freundlichen Linie: Keramikplatten in
großem Format, Sitzelemente und Blockstufen
aus Schellevis-Beton, kombiniert mit
Cortenstahl-Details bei Rasenkanten,
Pflanzkübeln und Beeteinfassungen. Die
Bepflanzung setzt auf robuste Stauden,
Gräser und Gehölze, darunter auch
„Zukunftsbäume“. Im Garten sind nun eine
mehrstämmige Hainbuche („Carpinus
betulus“), eine Kornelkirsche („Cornus
mas“) sowie ein Pagoden-Hartriegel
(„Cornus controversa“) je als Solitärgehölz,
ein Zierapfel ‘Royal Raindrops’ und
eine Zaubernuss ‘Feuerzauber’ sowie eine
Kupfer-Felsenbirne („Amelanchier lamarckii“)
und ein Gewöhnlicher Judasbaum
(„Cercis siliquastrum“) als Schirmgehölze
zu finden. Das Pflanzkonzept nutzt
Farbkontraste gezielt: dunkles Architektur-
Schwarz trifft auf sattes Grün, zarte
Blütenfarben und strukturreiche Blatttexturen.
Saisonale Wechsel inszenieren den
Garten immer wieder neu – vom lichten
Frühlingsaspekt über die sommerliche Fülle
bis zu den filigranen Winterstrukturen.
Bestehende Altbäume blieben erhalten und
wurden als identitätsstiftende Anker in das
neue Gefüge eingebunden.
Das Ergebnis ist ein Garten, der Ruhe und
Offenheit verbindet, die Geschichte des
Ortes respektiert und gleichzeitig ein neues
Wohngefühl ermöglicht. Er ist kein aufdringlicher
Bühnenbildner, sondern ein
Partner der Architektur – und ein Beispiel
dafür, wie sensible Gestaltung das Verhältnis
zwischen Haus, Garten und Bewohner*innen
grundlegend verändern kann.
G+L 19
„PFLANZEN SIND
NICHT MEHR
NUR BEIWERK“
Blühende Stauden, mächtige Baumkronen, sattgrüne Wiesen: Pflanzen
prägen Orte in ihrer Ästhetik, wirken raumbildend – sie können aber noch
mehr. Stand lange Zeit der ästhetische Aspekt im Vordergrund, müssen
Pflanzen in Zeiten des Klimawandels viel mehr leisten, als nur schön zu sein,
sagt Pflanzplanerin Sonja Schwingesbauer. Wie sie in ihrem eigenen Garten
vorgeht, wie aufgeschlossen Auftraggeber gegenüber naturnahen Bepflanzungen
sind und bei welchem Thema noch Optimierungsbedarf besteht,
berichtet sie im Interview.
FRAGEN: ANNA MARTIN
INTERVIEWEE
Sonja Schwingesbauer
ist Pflanzplanerin,
veröffentlichte als
Autorin bereits zwei
Bücher zu naturnahem
Gärtnern und
hält Vorträge. Sie
studierte an der
Universität für
Bodenkultur Wien, an
der sie im Anschluss
auch promovierte.
Von 2013 bis August
2025 war sie für das
Büro DnD Landschaftsplanung
als
Pflanzplanerin tätig.
Nun hat sie ihr
eigenes Ingenieurbüro
für Landschaftsarchitektur
mit
Schwerpunkt
Pflanzplanung und
tiergestützter
Biodiversitätsplanung
in Wien gegründet.
Frau Schwingesbauer, Sie beschreiben
sich selbst als „Laissez-faire-Gärtnerin“.
Wen oder was lassen Sie da mal machen?
Ich versuche, der Natur so weit wie möglich
ihren Lauf zu lassen. Ich finde es sehr
schön, wenn die Natur sich frei entfalten
kann. Aber natürlich ist der Garten keine
Wildnis und soll es auch nicht sein. Er ist
dadurch geprägt, dass wir ihn kultivieren,
bestimmte Pflanzen haben wollen und
andere wiederum nicht. Also greift man
immer wieder lenkend ein. Mein eigener
Garten ist tatsächlich sehr wild, da ich
wenig Zeit finde, in ihm zu arbeiten. Jeder
hat da einen anderen Zugang, wie viel
Kultivierung und Eingriffe es braucht –
oder eben nicht.
Sie haben ihn bereits angesprochen:
Seit fast 20 Jahren gärtnern Sie im eigenen
Garten, Ihrem „Hortus Pannonicus“.
Was steckt denn hinter dem Namen, und
was zeichnet Ihren Garten aus?
Der Name ergab sich aus der Region.
Wir befinden uns hier im Weinviertel
im Nordosten Österreichs. Die Region
ist stark vom pannonischen Klima geprägt.
Daraus ergab sich dann „Hortus
Pannonicus“.
Ich stamme nicht aus dieser Region, ich
komme ursprünglich aus dem Voralpenraum
in der Steiermark. Mein Elternhaus
liegt in der submontanen Zone. Dort
herrscht ein ganz anderes Klima, es ist
viel waldreicher, es ist hügelig. Vor
20 Jahren kam ich hier ins Weinviertel
– mit ganz anderem Klima, anderer
Landschaft. Man hat diese Weite, es ist
flach, sehr windig, heiß, trocken, viel
extremer. Auch der Boden ist anders.
Das löst viel in einem aus, weil man sich
noch mal ganz neu auf einen Garten,
auf einen Ort einlässt.
Mir haben schon während des Studiums
die Pflanzen, die im pannonischen
Klimaraum wachsen, gut gefallen. Der
Steppensalbei kommt wild vor, und auch
Pflanzen wie die Kugeldistel und die
Kartäusernelke wachsen hier. Viele Arten
also, die auch in gärtnerischer Kultur
verwendet werden. Federgräser zum Beispiel
kommen für extensive Dachbegrünungen
zum Einsatz, weil sie mit dem
Extremen zurechtkommen. Das wollte ich
20 G+L
GÄRTEN
INTERVIEW MIT SONJA SCHWINGESBAUER
in den Garten holen. Mein Garten ist relativ
wild. Rund um meinen Garten herum
besteht eine sehr intensive Kulturlandschaft,
man sieht leider nicht mehr viel von
diesen natürlich vorkommenden Pflanzen.
Diesen wollte ich hier wieder Raum geben.
Sie umfassen circa zwei Drittel des
Gartens. In einem weiteren Teil – weil es
ursprünglich ein Bauernhof war – wachsen
typische Bauerngartenpflanzen, also
Gemüse, Obstbäume, Beerensträucher,
aber auch klassisch eine Hecke, die den
Staub abhält. Alle Vege tationselemente,
die man typischerweise in einem Garten
vorfindet, wollte ich hier unterbringen. Für
mich ist mein Garten ein Experimentalgarten,
in dem ich alles ausprobieren kann.
Foto oben: Sandra Tauscher; Foto unten: Sonja Schwingesbauer
Wenn auch nicht
immer im Vordergrund
stehend, lässt sich in
die meisten Planungen
der Aspekt des
ökolo gischen Werts
einbinden, sagt Sonja
Schwingesbauer. So
sind Blüten beispielsweise
eine wichtige
Nahrungsquelle für
viele Insekten.
Was kann eine gute Pflanzplanung
leisten, zum Beispiel in einem landschaftsarchitektonischen
oder freiraumgestalterischen
Projekt?
Pflanzen erfüllen verschiedenste Funktionen.
Lange Zeit stand der ästhetische
Aspekt im Vordergrund. Pflanzen verleihen
Freiräumen nun mal einen eigenen
Charakter, eine Atmosphäre. Baumarten
wirken zum Beispiel raumbildend. Die
Ästhetik tritt aber mittlerweile in den
Hintergrund – als Pflanzplaner hat man
mit anderen Herausforderungen zu
kämpfen, besonders im städtischen Raum:
mit Extremen wie Hitze und Starkregenereignissen.
Man betrachtet die ökologischen
Funktionen der Pflanzen wieder
stärker und überlegt beispielsweise, ob
man das Mikroklima an einem Ort durch
Baumpflanzungen verbessern kann. Als
Sickermuldenbegrünungen nehmen
Pflanzen Wasser auf und filtern es. Diese
Aspekte stehen nun stärker im Fokus als
noch vor 15 Jahren. Inzwischen ist bei
jedem Projekt eine große Anforderung,
dass die Pflanzen viel mehr leisten müssen,
als nur schön zu sein. Sie sind nicht
mehr nur Beiwerk.
Sie arbeiten als Pflanzplanerin, jetzt mit
Ihrem eigenen Büro und davor zwölf
Jahre lang für DnD Landschaftsplanung.
Legen Sie Auftraggeber*innen eine naturnahe
Bepflanzung nahe, und falls ja,
stoßen Sie damit auf Widerstände?
Ich zwinge niemandem etwas auf. Auch
der Auftraggeber hat seine Bedürfnisse.
Unsere Aufgabe als Planer*innen ist es,
das umzusetzen, was er sich vorstellt.
Zudem kommt es immer auf das Projekt
an, nicht immer steht der ökologische
Wert im Vordergrund. Das Gute ist aber,
dass man diesen Aspekt fast immer in die
Planung einfließen lassen kann. Gerade
Blüten erfreuen fast jeden Menschen –
und damit schafft man schon einen ökologischen
Wert, denn Blüten sind eine
wichtige Nahrungsquelle für viele Insekten.
Inzwischen wünschen sich aber auch
sehr viele Auftraggeber, dass der ökologische
Wert beachtet wird, und oft ist
er durch Gebäudezertifizierungen gefordert.
Da ist dann Thema: Wie wertvoll ist
die Begrünung aus ökologischer Sicht?
Werden heimische Pflanzen verwendet?
Dann kommt noch die Pflege dazu, mit
der man viel Positives leisten, aber auch
viel an ökologischen Aspekten verändern
oder verhindern kann.
Pflanzplanerin Sonja
Schwingesbauer stellt
fest, dass die Bedeutung
von Pflanzen für
Stadt, Gestaltung und
Freiräume inzwischen
erkannt wird. Ein
Thema, bei dem es
jedoch weiterhin viel
zu tun gibt, ist die
Pflege.
G+L 21
In ihrem eigenen
Garten, dem Hortus
Pannonicus, gibt Sonja
Schwingesbauer den
natürlich im Weinviertel
vorkommenden
Pflanzen wieder Raum.
Viele Auftraggeber sind inzwischen eher
positiv gestimmt, nur sind die Vorstellungen
davon, was eine naturnahe Planung
dann bedeutet, oft andere. Viele Menschen
haben nicht mehr so einen starken
Bezug zur Natur. Sie sind in einem städtischen
Umfeld aufgewachsen und haben
eine romantische Vorstellung von Natur.
Wenn dann zu viel Getier herumfliegt, ist
oft zuerst eine gewisse Angst oder Reserviertheit
da. Leider kennt man auch eher
jene Tiere, die Schäden anrichten, und
hat Sorge, es könnte mit dem Anlocken
von Wildtieren zu Problemen kommen.
Bei Totholz tauchen solche Fragen zum
Beispiel immer wieder auf: Wenn wir
Tieren Totholz anbieten und das Gebäude
selbst auch mit Holz gebaut wird, gehen
die Tiere dann auch aufs Gebäude?
Was sie nicht tun. Wir sehen darin keinen
Konflikt. Man muss versuchen, das dann
im Gespräch zu klären.
Unterscheidet sich, was Sie in Gärten auf
dem Land anpflanzen würden von dem,
was man im Garten in der Stadt anpflanzen
kann?
Ich würde es schon unterscheiden, aktuell
erkennt man – in Österreich – jedoch
keinen großen Unterschied mehr. Es gibt
ja auch einen Wechsel: Viele Leute leben
einige Jahre in der Stadt, ziehen dann
aufs Land und nehmen die städtische
Lebensweise mit. Zum Beispiel, dass man
sich mehr abgrenzt. In Österreich und in
Deutschland möchte man eine Hecke und
quasi sein Refugium schaffen, in dem man
seine Ruhe hat. Also der eigene Garten
als Erholungsparadies, in dem man wenig
Einflüsse von außen haben möchte. In
Holland, in nordischen Ländern oder
auch schon je weiter man in Deutschland
in den Norden kommt, ist es oft offener,
so mein Eindruck.
Sonst sehe ich keine starken Unterschiede
mehr, auch bei den Auftraggebern – das
hat sich angeglichen. Bei unseren Projekten
achte ich aber natürlich darauf, wo
wir uns befinden. Zum Beispiel auf dem
Land: Bin ich nah an einer naturnahen
Fläche oder einer wertvollen Kulturlandschaft?
Wie breiten sich Arten, die ich
dort einbringe, möglicherweise aus?
Gibt es Pflanzen, die Sie heute – mit
Blick auf den Klimawandel – nicht mehr
pflanzen können, die vor zehn Jahren
aber noch weit verbreitet waren, mit den
heutigen Bedingungen aber nicht mehr
klarkommen? Wie gehen Sie mit solchen
Entwicklungen um?
Der Osten Österreichs, der Wiener
Raum generell, war schon immer sehr
stark durch dieses heiße, kontinentale
Klima geprägt. Deshalb sind wir hier
schon relativ weit, was klimaangepasste
Pflanzungen betrifft. Ich war vor Kurzem
auf einer Tagung zum Klimawandel,
„Grüne Antworten auf heiße Fragen“,
organisiert von Häussermann Stauden +
Gehölze. Dort ging es vor allem um
diese Fragen, und in den Vorträgen habe
ich gesehen, dass in Deutschland und
Westösterreich, wo das Klima bisher
ausgeglichener war, die Herausforderungen
größer sind als im Osten Österreichs.
Hier sind wir schon länger
gewöhnt, dass wir Bäume brauchen, die
etwa mit Hitze und Starkwindereignissen
zurechtkommen.
Bei mir selbst kann ich nicht feststellen,
dass ich sage, bestimmte Pflanzen kann
ich gar nicht mehr verwenden. Allerdings
pflanzen wir zum Beispiel keinen Eisenhut
mehr. Der ist stark giftig, da muss man
sich generell gut überlegen, wo man ihn
verwendet. Eisenhut ist aber eine eindrucksvolle
Pflanze mit ihrem schönen
Blau und dem kerzenförmigen Blütenstand.
Solche Pflanzen, die eine gewisse
Luftfeuchte, klimatisch ausgeglichene,
kühle Bedingungen benötigen, kann
man kaum noch verwenden. Auch den
Wald-Geißbart, eine heimische Pflanze,
kann man deshalb nicht mehr überall
setzen. Solche Pflanzen tun sich inzwischen
mit den Klimaveränderungen
zunehmend schwer.
Was wünschen Sie sich vonseiten der
Auftraggeber*innen, Ihren Kolleg*innen
aus der Planer*innenschaft oder auch
der Öffentlichkeit in Bezug auf die
Pflanzplanung für die Zukunft?
Es ist durchwegs angekommen, dass
Pflanzen wichtig sind – für die Stadt, für
die Gestaltung und für Freiräume generell
im Siedlungsraum. Das hat sich gut
etabliert. Das Thema, bei dem noch viel
zu tun ist, ist die Pflege. Gerade im
Bereich naturnahes Pflegen: Die ökologische
Pflege ist zwar auch angekommen,
aber trotzdem bewegen wir uns noch sehr
nah am klassischen Ansatz. Man schneidet
vieles einfach zurück, achtet nicht auf
die Schnittzeitpunkte, schneidet alle
Flächen gleichzeitig, etwa auch Wiesen,
die ein tolles Grünelement sein können.
Damit kann man Gelege zerstören oder
Schmetterlingen und anderen Wildtieren
die Nahrungsquelle nehmen. Pflege ist
ein ganz großes Thema – dass überhaupt
und dass richtig gepflegt wird. Da gibt
es in den nächsten Jahren noch viel zu
tun, zu lernen und zu optimieren. Und
natürlich lernen wir auch immer wieder
von der Natur selbst.
Foto: Sonja Schwingesbauer
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G+L 23
REZENSION
C. TH. SØRENSEN:
39 GARTENPLÄNE
Ein Grundriss, 39 Gartenentwürfe: 1966 veröffentlichte der
dänische Landschaftsarchitekt Carl Theodor Sørensen erstmals
seine „39 Gartenpläne“. Im vergangenen Jahr erschien
nun bei Lars Müller Publishers die Neuauflage auf Deutsch,
ergänzt um Annotationen von Günther Vogt. Warum das Buch
auch fast 60 Jahre später noch aktuell und lesenswert ist,
zeigt Julia Treichel in ihrer Rezension auf.
JULIA TREICHEL
C. Th. Sørensen
39 Gartenpläne:
Ungewöhnliche
Gärten für ein
gewöhnliches Haus
Neuauflage
Mit Annotationen
von Günther Vogt
Herausgegeben von
AUTORIN
Julia Treichel
absolvierte an der
TU München den
Bachelor und Master
in Landschaftsarchitektur
und arbeitete
danach in diversen
Büros im Raum
München und in
Mailand. Derzeit ist
sie bei michellerundschalk
in München
tätig. Daneben
engagiert sie sich
auch freiberuflich in
Theorie und Praxis
zu sozialen und
gestalterischen
Fragen der Umwelt.
In den letzten Jahrzehnten sei durch die
digitale Planung und die verstärkte
Ausrichtung auf architektonische und
städtebauliche Fragestellungen zunehmend
grundlegendes Wissen über
Gestaltungsprinzipien und den Umgang
mit Pflanzen verloren gegangen, erklärt
Landschaftsarchitekt Jonathan Stimpfle
im Vorwort zur Neuauflage von Carl
Theodor Sørensens „39 Gartenpläne:
Ungewöhnliche Gärten für ein gewöhnliches
Haus“. Er fügt hinzu: „Dabei sind
genau diese Schwerpunktthemen der
Profession gerade im aktuellen Stadtlandschaftsdiskurs
gefragter als jemals zuvor.“
Ein überzeugender Grund, das 1966
erstmals erschienene, 1979 auf Deutsch
veröffentlichte und mittlerweile vergriffene
Werk neu aufzulegen und in einen zeitgemäßen
Kontext zu stellen.
WORUM ES GEHT:
Die Originalausgabe von Carl Theodor
Sørensens „39 Gartenpläne“ versammelt
39 unterschiedliche Entwürfe für Gärten
mit identischem Grundriss. Jeder Plan
bietet eine eigenständige Gestaltungsidee,
die den Garten in seiner räumlichen,
funktionalen und atmosphärischen
Jonathan Stimpfle
Lars Müller
Publishers, 2024
144 Seiten,
122 Abbildungen
ISBN 978-3-03778-
745-8
40 Schweizer Franken
/ 40 Euro
Cover: Lars Müller Publishers
24 G+L
GÄRTEN
BUCHREZENSION „39 GARTENPLÄNE“
Der dänische
Landschaftsarchitekt
C. Th. Sørensen
versammelte in
seiner Publikation
39 unterschiedliche
Entwürfe für Gärten
mit identischem
Grundriss – darunter
etwa auch den
„Spielgarten“. Im
vergangenen Jahr
erschien eine
Neuauflage auf
Deutsch mit
Annotationen.
Produktaufnahme von „39 Gartenpläne: Ungewöhnliche Gärten für ein gewöhnliches Haus, Jonathan Stimpfle (ed.)”, Lars Müller Publishers, 2024
Wirkung jeweils neu interpretiert. Das
Buch versteht sich als Untersuchung der
vielfältigen Gestaltungsmöglichkeiten im
kleinen Maßstab und vermittelt grundlegende
Prinzipien der Gartenarchitektur
– klar, reduziert und zeitlos modern. Die
Neuauflage erweitert dieses Konzept
durch Kommentare von Günther Vogt,
einen Einblick in Sørensens Leben und
Werk sowie einen Exkurs zur Frage
„Was lernen wir von Sørensen?“. Damit
wird das Buch zu einer inspirierenden
Ver bindung zwischen klassischer Landschaftsarchitektur
und zeitgenössischer
Gartengestaltung.
WAS DIE AUTOREN AUSZEICHNET:
An diesem Werk haben mehrere Autoren
mitgewirkt. Günther Vogt, einer der
einflussreichsten Landschaftsarchitekten
der Gegenwart, bringt mit seinen
Kommentaren einen reichen Erfahrungsschatz
und tiefes Wissen ein. Jonathan
Stimpfle ergänzt das Buch durch ein
stimmungsvolles Vorwort sowie eine
wertvolle biografische Einführung zu Carl
Theodor Sørensen und seinem Schaffen.
Dennoch bleibt der wichtigste Autor
natürlich Sørensen selbst. Als einer der
bedeutendsten dänischen Landschaftsarchitekten
des 20. Jahrhunderts prägte
er über Jahrzehnte die moderne Gartenund
Freiraumgestaltung Skandinaviens.
Sein Werk besticht durch klare, funktionale
Formen und ein tiefes Verständnis
für den sozialen und kulturellen Wert von
Grünräumen. Wie Sven-Ingvar Andersson
hervorhebt, betrachtete Sørensen die
Gartenkunst als die demokratischste aller
Künste. Dieses Verständnis wird in seiner
Publikation „39 Gartenpläne“ ebenso
deutlich wie in seinen Entwürfen von
Bau- und Gerümpelspielplätzen sowie
Parkanlagen.
DAS IST EINE WICHTIGE AUSSAGE:
„Wenn man nur ein kleines bisschen
persönliche Freiheit aufgibt, kann etwas
entstehen, das ein größeres Erlebnis
bietet, als ein Einzelner allein erreichen
kann.“ (Seite 119)
DAS IST EINE PROVOKANTE AUSSAGE:
„Dänische Einfamilienhäuser haben
alles. Es fehlt ihnen nur an Charakter.“
(Seite 110)
DER KLAPPENTEXT WIRD ERFÜLLT, WEIL
… er genau das verspricht, was das
Büchlein im Inneren bietet: eine Einordnung
aktueller Tendenzen und das Potenzial
alternativer Entwurfskonzepte – sowohl
durch die Gartenpläne von C. Th.
Sørensen als auch durch die Anmerkungen
von Günther Vogt.
MIT DIESEM WISSEN AUS DEM BUCH
KANN MAN ANGEBEN:
Etwa mit der Tatsache, dass die seit den
1950er-Jahren als adventure playgrounds
in England, als Robinsonspielplätze in
der Schweiz und als Abenteuerspielplätze
in Deutschland bekannt gewordenen
Spielplätze auf C. Th. Sørensen
zurückgehen, der bereits in den 1930er-
Jahren die sogenannten Bau- und
Gerümpelspielplätze „erfand“. Das darin
erkennbare Einfühlungsvermögen in die
Bedürfnisse von Nutzenden ist weniger
reines Fachwissen als vielmehr eine
Haltung, die sich durch die gesamte
Publikation zieht. Sørensen selbst betonte
den pädagogischen Wert seiner
Gartenpläne: Sie sollen vor allem dazu
anregen, die eigene Vorstellungskraft zu
schulen. So vermittelt die Lektüre weit
mehr als gestalterische Prinzipien – sie
zeigt, wie mit den Elementen Wand,
Boden und Inhalt kraftvolle Strukturen
entstehen können, die als wandelbare
G+L 25
REZENSION
und nutzungsoffene Freiräume für den
Menschen gedacht sind.
MEHR KLASSIKER ALS TREND, WEIL …
… Sørensens Ansatz der Variantenstudie
sich auch heute noch grundlegend auf
gestalterische Projekte übertragen lässt
und nichts von seiner Relevanz eingebüßt
hat. Einzelne Gestaltungsvorschläge –
wie etwa großflächige Kiesflächen –
mögen aus heutiger Perspektive kritisch
hinterfragt werden, doch seine Herangehensweise
war nie als starre Anleitung
gedacht. Vielmehr bieten seine
Konzepte eine inspirierende Grundlage
für ein eigenständiges, reflektiertes
Arbeiten im Freiraum. Für Gartenbesitzende,
Gärtner*innen und Planer*innen
gleichermaßen stellen sie einen wertvollen
Impuls zur Auseinandersetzung mit dem
Außenraum dar.
KURZER SATZ ZU…
HAPTIK Mit seinen rund 140 Seiten liegt
das Büchlein angenehm in der Hand. Die
matten, griffigen Seiten unterstreichen den
hochwertigen Eindruck und laden zum
Blättern und Verweilen ein.
DESIGN Das Layout überzeugt durch
eine ansprechende, minimalistische
Gestaltung. Die klare typografische Trennung
zwischen Sørensens Originaltexten
und den ergänzenden Inhalten der Neuauflage
– etwa durch unterschiedliche
Farben und Schriften – fördert die Orientierung
und unterstützt ein angenehmes,
übersichtliches Leseerlebnis.
LESEFLUSS Die Texte im Buch variieren
in Stil und Ton je nach Autor*in, was auch
durch die jeweilige Übersetzung beeinflusst
ist. Die Originaltexte von Carl Theodor
Sørensen wurden 1979 von Gunnar
Martinson und Helle Borup ins Deutsche
übertragen – beide waren mit Sørensens
Werk eng vertraut, jedoch keine deutschen
Muttersprachler*innen. Einige
Formulierungen mögen daher ungewohnt
erscheinen, zugleich aber verleihen sie
den Texten eine atmosphärische Dichte,
durch die die Entwürfe gedanklich klar
und lebendig werden. Das erstmals ins
Deutsche übersetzte Vorwort von Sven
Ingvar-Andersson bietet eine wertvolle
und angenehm lesbare Einführung. Abgerundet
wird das Buch durch die Beiträge
von Günther Vogt und Jonathan Stimpfle,
die sowohl klar und nachvollziehbar als
auch stellenweise poetisch und inspirierend
formuliert sind.
BILDSPRACHE Die Zeichnungen zu
Sørensens „39 Gartenplänen“ bilden
einen besonders eindrucksvollen Teil der
Publikation. In einer Zeit, in der die
Handzeichnung im planerischen Alltag
zunehmend in den Hintergrund tritt,
entfalten seine klaren Linien eine bemerkenswerte
gestalterische Kraft. Ergänzt
werden sie im hinteren Teil des Buches
durch ausgewählte Fotografien realisierter
Projekte, die Sørensens gestalterische
Handschrift im gebauten Raum anschaulich
nachvollziehbar machen.
INFORMATION Die Verbindung von
Sørensens Originalplänen und -texten
mit den ergänzenden Beiträgen von
Günther Vogt und Jonathan Stimpfle
macht das Buch zu einem stimmigen
Gesamtwerk. Es vermittelt einen klaren
Einblick in Sørensens Gestaltungsdenken
und zeigt auf, wie seine Konzepte vom
kleinen Garten bis in größere Maßstäbe
übertragbar sind.
WAS SONST NOCH WICHTIG WÄRE:
Die Neuauflage hinterfragt kritisch das
siedlungsstrukturelle Ideal des Einfamilienhauses,
das Sørensens Gartenverständnis
zugrunde liegt, und zeigt zugleich, wie
sich seine grundlegenden Gestaltungsansätze
und Elemente auf unterschiedlichste
Kontexte übertragen lassen – von dichten
innerstädtischen Räumen bis hin zu locker
bebauten oder ländlichen Siedlungsformen.
So regt das Buch eine zeitgemäße
Auseinandersetzung mit dem Typus des
(Stadt-)Gartens in neuen Maßstäben und
räumlichen Zusammenhängen an.
Hier geht es zu
„39 Gartenplänen“
auf der Webseite
des Verlags.
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OBEN: Einen
funktionalistischen
Erschließungshof
transformierten die
Planer*innen in einen
grünen Wohnhof.
MITTE LINKS: Das
Büro ORT AG für
Landschaftsarchitektur
erneuerte die
Freiräume der Siedlung
Hardturm.
MITTE RECHTS: Auf
der Dachterrasse
wurden Betonplatten
aufgestapelt und
für Trockenmauern
umgenutzt.
UNTEN: Mit der Umgestaltung
wurden die
Freiräume neu definiert
und ökologische
Pro zesse gestärkt.
Plan: ORT AG für Landschaftsarchitektur; Fotos: Thomas Haug, Zürich
28 G+L
GÄRTEN
SIEDLUNG HARDTURM ZÜRICH
04
SIEDLUNG HARDTURM
LANDSCHAFTSARCHITEKT*INNEN:
ORT AG für Landschaftsarchitektur, Zürich
MITARBEITER*INNEN:
Gesa Behm, Deborah Akosah,
Jael Germann, Matthias Hartmann,
Florian Seibold
ZÜRICH, SCHWEIZ
ARCHITEKT*INNEN (UMBAU):
häni joho birchler architekten gmbh,
Zürich; Neubau circa 2000
von Stücheli Architekten
AUSFÜHRUNG FREIANLAGEN:
DACHGARTEN: Lüscher Gartenbau,
Zürich
FREIRAUM STADTEBENE: Berger Gartenbau,
Kilchberg
BAUHERR*INNEN:
Baugenossenschaft Kraftwerk 1
FLÄCHE DACHEBENE:
Umgebungsfläche: 626 Quadratmeter
Gebäudefläche: 624 Quadratmeter
Total: 1 250 Quadratmeter
FLÄCHE STADTEBENE:
Umgebungsfläche (bearbeitet):
3 200 Quadratmeter
Fußabdruck Gebäude: 1 330 Quadratmeter
Total bearbeitete Fläche: 4 530 Quadratmeter
PLANUNGSZEIT: 2020 bis 2023
BAUZEIT: 2023 (Etappe 1)
bis 2025 (Etappe 2)
KOSTEN: BKP 42, circa 1 Million
Schweizer Franken
Manchmal sind es nicht die großen
Budgets, sondern die klugen Ideen, die
Projekte zu Vorbildern machen. Die
Siedlung Hardturm der Baugenossenschaft
Kraftwerk 1 in Zürich, seit ihrer
Errichtung ein Meilenstein des genossenschaftlichen
Wohnungsbaus, stand nach
25 Jahren vor einer Frischzellenkur. Die
Architekten häni joho birchler hatten sich
der baulichen Erneuerung angenommen
– und aufseiten des Freiraums kam mit der
ORT AG für Landschaftsarchitektur ein
Team ins Spiel, das aus dem Bestand das
Maximum an Qualität herausholte. Ziel
war es, nicht nur zu verschönern, sondern
klima-, gesellschafts- und umweltwirksam
aufzuwerten – und das mit einem
schlanken Budget.
Im Zentrum standen zwei Flächen: eine
karge Dachterrasse und ein funktionalistischer
Erschließungshof. Beide galten
bislang als Nutzräume ohne eigentliche
Aufenthaltsqualität. Die Wünsche der
Bewohner*innen, gesammelt in einem
intensiven partizipativen Prozess, waren
klar: weniger Versiegelung, mehr Grün,
mehr Raum für Begegnung, mehr Schatten.
Daraus entstanden zwei eigenständige,
aber inhaltlich verknüpfte Teilprojekte
– die Verwandlung des Dachs in
eine Dachoase und die Neuinterpretation
des Hofs als grüner Wohnhof, beschreibt
die Ort AG das Projekt. „Beide bauen
auf den vor Ort bestehenden Potenzialen
und Materialien auf“, so das Büro zu den
zwei Teilprojekten.
Auf dem Dach wurden die ehemals
versiegelnden Betonplatten nicht entsorgt,
sondern als niedrige Trockenmauern
wiederverwendet. Sie umfassen Pflanzflächen
mit ausreichend Wurzelraum für
Zier- und Obstgehölze, die künftig
Schatten spenden. Lücken in den Mauern
bieten Lebensraum für spezialisierte
Pflanzen und Mauerritzenbewohner. So
entstand ein ökologisch wertvoller Raum
mit hoher Aufenthaltsqualität, ergänzt um
einen Pavillon und eine Pergola, die den
Blick über die Stadt rahmen.
Die Stadtebene wandelte sich vom reinen
Durchgangsraum zu einem vielschichtigen
Mosaik aus Sitzbereichen, Pflanzzonen
und durchlässigen Belägen. Niedrige
Stampfbetonmauern strukturieren die
Flächen, brechen Höhenunterschiede auf
und schaffen klare Aufenthaltsorte. Wo
früher Asphalt dominierte, wachsen heute
Kräuterrasen, Stauden, Kleinsträucher
und Ruderalpflanzen. Zahlreiche Bäume
wurden neu gepflanzt, um Mikroklima
und Aufenthaltsqualität zu verbessern.
Parkplätze wurden reduziert und konzentriert,
Velos finden nun Platz in gestapelten
Pavillons.
Die Haltung hinter diesem Projekt ist
programmatisch: Re-Use ist hier nicht
dekorative Geste, sondern zentrales
Entwurfsprinzip. Die Materialität erzählt
die Geschichte des Ortes weiter, anstatt
sie zu löschen. Gleichzeitig werden ökologische
Prozesse gestärkt, soziale Begegnungen
gefördert und der Freiraum als
flexible Ressource neu definiert.
Mit der Pflege der Anlage ist ein erfahrener
Brachen- und Permakulturgärtner
betraut – eine Entscheidung, die sicherstellt,
dass aus der initialen Aufwertung
ein langfristig lebendiger Ort wird. Die
Siedlung Hardturm zeigt damit exemplarisch,
wie man mit wenigen, gezielten
Eingriffen und einer klaren gestalterischen
Vision aus vermeintlich alltäglichen Freiräumen
atmosphärische, funktionale und
ökologische Oasen schafft.
G+L 29
OBEN: Für den Neubau
der Hauptverwaltung
der SachsenEnergie AG
gestaltete das Büro
Blaurock Landschaftsarchitektur
die Freiräume
– auf Erdgeschoss-
Niveau sowie zwei
Dachgärten.
MITTE: Aluminiumgefasste
Beete und
großformatige
Plattenbeläge prägen
die Freiräume rund ums
Gebäude.
UNTEN: Auf den
Dachgärten sind sowohl
Zier- als auch
Nutzpflanzen sowie
Gehölze zu finden.
oben: Plan: Blaurock Landschaftsarchitektur; Mitte und unten: Bildquelle: Blaurock Landschaftsarchitektur, Fotograf: Christoph Reichelt
30 G+L
GÄRTEN
HAUPTVERWALTUNG SACHSENENERGIE DRESDEN
05
HAUPTVERWALTUNG
SACHSENENERGIE
LANDSCHAFTSARCHITEKT*INNEN:
Blaurock Landschaftsarchitektur
DRESDEN, DEUTSCHLAND
ARCHITEKT*INNEN:
gmp International GmbH
WEITERE PLANUNGSBÜROS:
Brunn und Möllers GmbH & Co. KG
(EG LPH 1 bis 4)
AUSFÜHRUNG FREIANLAGEN:
HEIDEL Garten- und Landschaftsbau
(Dach); Eiffage Infra-Ost GmbH (EG)
BAUHERR*INNEN:
Projektgesellschaft Anbau CITY CENTER
Dresden GmbH & Co. KG (PACC)
HERSTELLER*INNEN:
MOBILIAR / AUSSTATTUNG: Hess GmbH
Licht + Form (Abfallbehälter); FMK
Feinblech- und Metall-Sonderkonstruktion
GmbH (Beeteinfassung EG); Tecto Dachbaustoffe
GmbG (Beeteinfassung Dach)
BELAG: Godelmann GmbH & Co. KG
ENTWÄSSERUNG: ACO Inotec GmbH
BEPFLANZUNG: Vulkatec GmbH (Substrat);
Stauden-Ihm GmbH (Stauden); Bruns
Pflanzen-Export GmbH & Co. KG (Bäume)
BELEUCHTUNG: Hess GmbH Licht + Form
DACHBEGRÜNUNG: Nophadrain GmbH
(Dach und EG); Zinco GmbH (EG)
ABSTURZSICHERUNG: Optigrün international
AG
BEWÄSSERUNG: SPOWATEC GmbH
FLÄCHE: 1 140 Quadratmeter Dachflächen,
davon 730 Quadratmeter intensiv
begrünt; 4 770 Quadratmeter Außenanlagen
EG, davon 2 480 Quadratmeter
als Dachbegrünung der Tiefgarage
PLANUNGSZEIT: 2020 bis 2022
BAUZEIT: 2022
KOSTEN: 1,5 Millionen Euro (netto) /
1,76 Millionen Euro (brutto)
AUSZEICHNUNG: 1. Platz, Preis des
sächsischen Garten- und Landschaftsbaus
2022
Wenn ein neues Bürogebäude mehr sein
will als nur eine Hülle für Arbeitsplätze,
dann muss auch der Freiraum ein Statement
setzen. Mit der Hauptverwaltung der
SachsenEnergie AG am Friedrich-List-Platz
in Dresden ist ein Ensemble entstanden,
das Arbeitswelt und Grünraum eng miteinander
verknüpft – vom begrünten Erdgeschoss
bis zu den intensiv bepflanzten
Dachgärten im 5. und 6. Obergeschoss.
Die Freianlagen konzipierte das Büro Blaurock
Landschaftsarchitektur.
„Inmitten urbaner Dichte und abseits des
Schreibtisches schafft unser Dachgarten
einen offenen Raum des Rückzugs, der
Begegnung und des Miteinanders für die
Mitarbeitenden“, sagt Anne Sieber von
Blaurock Landschaftsarchitektur. „Üppige
und essbare Bepflanzung, gemeinschaftlich
nutzbare Flächen und einladende Sitzmöglichkeiten
machen ihn zu einem Ort, der
Arbeit, Erholung und Gemeinschaft vereint
– eine grüne Oase im Arbeitsalltag mit
weitem Blick über die Stadt“, führt sie aus.
Der Außenraum wurde als grüner Rahmen
gedacht, der Gebäude und Stadtraum
vermittelt. Im Erdgeschoss fassen großzügige,
intensiv bepflanzte Flächen das
Gebäude ein, schaffen Abstand zu Straßen
und Nachbargrundstücken und leisten
durch Verdunstungskühlung und Artenvielfalt
einen Beitrag zur Klimaanpassung.
Aluminiumgefasste Beete, teils mit Sitzfunktionen,
und großformatige Plattenbeläge
definieren klare Wege und einladende
Aufenthaltsbereiche.
Im Innenhof bildet die Kunstinstallation
„Reifentreiben“ der Künstlerin Bignia Wehrli
einen visuellen Anker. Inspiriert vom
gleichnamigen Kinderspiel steht sie
sinnbildlich für Bewegung, Anstoß und
Austausch – und macht den Hof zu einem
identitätsstiftenden Treffpunkt.
Die beiden Dachgärten sind Herzstück und
Alleinstellungsmerkmal zugleich. Hochbeete
mit Kräutern, Beerensträuchern und
Zierpflanzen, mehrstämmige Gehölze und
klare Gestaltungselemente gliedern die
Flächen in Rückzugszonen und Gemeinschaftsbereiche.
Sitznischen, lange Bankelemente
und eine verbindende Plattenfläche
machen sie flexibel nutzbar – ob für
Team-Meetings, Mittagspausen oder Afterwork-Grillabende.
Das Pflanzkonzept kombiniert
Zierwert und Nutzaspekt: Thymian,
Rosmarin, Oregano oder Salbei bereichern
nicht nur das Erscheinungsbild, sondern
auch die Pausenverpflegung.
Technisch erforderte das Projekt Präzision
im Verborgenen. Unterschiedliche Dachaufbauhöhen,
geringe Lastreserven und
gestufte Gebäudedecken machten maßgeschneiderte
Lösungen nötig. Tragfähige
Leichtbauschichten aus Schaumglasschotter,
auflastgehaltene Absturzsicherungen
ohne Dachhaut-Durchdringung sowie eine
optimierte Baustellenlogistik waren zentrale
Bausteine. Viele Materialien mussten
etappenweise per Kran oder – im Fall von
Substraten und Kies – per Einblasverfahren
angeliefert werden.
Das Pflanzkonzept folgt einer klaren Logik:
Wechselnde Blühaspekte vom Frühling bis in
den Winter schaffen Ganzjahresattraktivität.
Aromatische Stauden, essbare Pflanzen und
strukturgebende Gehölze fördern Biodiversität
und binden die Dachgärten atmosphärisch
in das Gebäude ein. Die Ausstattung
mit Wasserspeichermatten, Tropfbewässerung
und Kalksplitt-Mulch reduziert Pflegeaufwand
und Wasserverbrauch.
Das Projekt zeigt, wie sich zeitgemäße
Büroarchitektur und anspruchsvolle Landschaftsgestaltung
zu einem funktionalen
und zugleich atmosphärischen Ganzen
verbinden lassen – ein Modell für grüne
Arbeitswelten, das weit über Dresden
hinaus wirkt. Darüber hinaus verdeutlicht
das Projekt, dass qualitätsvolle Freiraumgestaltung
nicht als „Add-on“, sondern als
integraler Bestandteil von Unternehmensarchitektur
verstanden werden muss.
G+L 31
MITTE: Die Fläche wird
von Pflanzinseln mit
artenreicher Vegetation
gegliedert.
UNTEN: Der Campus
Garden ist so
konzipiert, dass er
verschiedene
Nutzungen zulässt.
OBEN: Mit dem
Campus Garden schuf
das Büro von K
Landschaftsarchitektur
einen gastronomischen
Freiraum auf dem
Bildungscampus in
Heilbronn.
Plan und Fotos: von K GmbH
32 G+L
GÄRTEN
CAMPUS GARDEN HEILBRONN
06
CAMPUS GARDEN
LANDSCHAFTSARCHITEKT*INNEN:
von K GmbH
MITARBEITER*INNEN:
Tobias von Kortzfleisch, Nico Gaulocher,
Thea Ludwig, Joke Theiß
HEILBRONN, DEUTSCHLAND
AUSFÜHRUNG FREIANLAGEN:
Jörg Seidenspinner Garten- und
Landschaftsbau GmbH, Stuttgart
BAUHERR*INNEN:
Schwarz Immobilienmanagement
GmbH & Co. KG
HERSTELLER*INNEN:
BESTUHLUNG UND TISCHE: Weishäupl
SCHIRME: May Gerätebau
BAUMGITTER: Urbidermis
GARTENLAUTSPRECHER: Pronomic
BELAG: vorhandene Betonplatten wiederverwendet
BEPFLANZUNG: zehn Bestandsgehölze
(Zelkoven), um naturnahe, extensive
Sträucher- und Staudenpflanzung ergänzt
BELEUCHTUNG: zwei bestehende Mastleuchten
integriert
FLÄCHE: 450 Quadratmeter
PLANUNGSZEIT: Dezember 2023
bis Juni 2024
BAUZEIT: März 2024 bis April 2025
in zwei Bauabschnitten
Zwischen Bibliothek, Seminarräumen und
Mensa einen Ort zu finden, der Ruhe und
Begegnung gleichermaßen ermöglicht, ist
eine planerische Herausforderung. Mit
dem Campus Garden hat das Büro von K
Landschaftsarchitektur auf dem Bildungscampus
in Heilbronn einen Freiraum
geschaffen, der diesen Spagat meistert –
und zugleich zeigt, wie ein gastronomischer
Außenbereich zur städtischen Visitenkarte
werden kann.
„Der Campus Garden ist kein Garten im
klassischen Sinne, vielmehr die zeitgemäße
Interpretation eines Stadtgartens:
multifunktional, integrativ und mit gestalterischer
Qualität. Wir wollten einen gastronomischen
Freiraum schaffen, der emotional
anspricht, im Alltag Ruhe bietet und
gleichzeitig Gemeinschaft ermöglicht“,
beschreibt Tobias von Kortzfleisch, Inhaber
und Geschäftsführer der von K GmbH,
das Projekt in Heilbronn.
Die Ausgangslage war anspruchsvoll:
eine stark geneigte Bestandsfläche von
rund 450 Quadratmetern im Herzen
des Campus Ost. Durch gezielte Erdmodellierungen
wurde sie terrassiert, teilweise
entsiegelt und so gestaltet, dass ein
subtiler Höhenversatz das natürliche
Gefälle abfängt. Eine Stufe zum Gebäude
hin zoniert den Raum und schafft einen
geschützten Bereich für die Außengastronomie,
während der barrierefreie Zugang
über den nördlichen Hauptweg erhalten
bleibt. Die Flächen vermitteln nun fließend
zwischen Architektur und Natur – offen
zum Campus, aber mit klar erkennbaren
Aufenthaltsqualitäten.
Das räumliche Konzept lebt von einer
differenzierten Zonierung. Pflanzinseln mit
artenreicher Vegetation gliedern die
Fläche, bieten Sichtschutz und schaffen
intime Rückzugsräume. Baum-, Strauchund
Gräserstrukturen fördern Biodiversität
im urbanen Raum und geben dem Garten
über das Jahr eine wechselnde Kulisse.
Das Pflanzkonzept kombiniert strukturgebende
Gehölze wie Duftblüte oder
Wildrose mit texturreichen Gräsern und
Stauden, die gezielte saisonale Akzente
setzen – vom Frühling mit duftender
Katzenminze bis zum Spätsommer mit
hohen Astern und vertikalem Patagonischem
Eisenkraut.
Besondere Aufmerksamkeit gilt der Aufenthaltsqualität.
Eine großzügige Holzbank
im nördlichen Bereich dient nicht nur
als Ruhepunkt, sondern birgt auch versteckten
Stauraum für die Gastronomie.
Hochwertige, pflegeleichte Möbel im
zeitgenössischen Stil, großflächige Sonnenschirme
und eine dezente Materialwahl
schaffen Komfort und visuelle
Klarheit. Der bestehende Plattenbelag aus
Beton wurde wiederverwendet, um
Ressourcen zu schonen und den CO₂-
Fußabdruck zu minimieren.
Das Gesamtkonzept versteht den Campus
Garden als integrativen Ort – offen für
Studierende, Lehrende, Gäste und Stadtgesellschaft.
Er ist Rückzugsort inmitten der
städtischen Dichte, aber auch Treffpunkt
für Gespräche, spontane Workshops oder
gemeinsames Essen. Die Freiraumgestaltung
ist so angelegt, dass sie unterschiedliche
Nutzungen zulässt, ohne an Gestaltungsqualität
zu verlieren.
Der Campus Garden ist damit mehr als
ein gelungenes Gastronomieprojekt. Er
zeigt, wie Freiraum im urbanen Kontext
gleichzeitig funktional, ökologisch und
atmosphärisch sein kann – und wie
sorgfältige Planung Orte schafft, die nicht
nur konsumiert, sondern gelebt werden.
Darüber hinaus verdeutlicht er, dass Freiraumgestaltung
in Bildungs- und Wissensquartieren
eine zentrale Rolle spielt –
nicht nur als Aufenthaltsort, sondern als
strategischer Baustein für Standortattraktivität,
Imagebildung und das soziale
Miteinander einer heterogenen Campusgemeinschaft.
G+L 33
Alter Friedhof
Christiansenhaus
OBEN: In Flensburg
gestaltete WES
LandschaftsArchitektur
drei historische
Grünanlagen um – nun
bilden sie gemeinsam
die Flensburger
Landschaftsgärten.
Eiszeit-Haus
Museumsberg
Sauermannhaus
Fritz-Wempner-Platz
MITTE: Durch die
Parkanlage führen nun
einheitliche Wegeleitund
Möblierungssysteme.
Idstedt-Löwe
UNTEN: Der Museumsberg
ist nun Bestandteil
Christiansenpark
der Flensburger
Landschaftsgärten.
Unter anderem
entstand hier ein
zentrales Plateau mit
Veranstaltungsfläche.
Plan: WES LandschaftsArchitektur; Fotos: Guido Erbring
34 G+L
GÄRTEN
FLENSBURGER LANDSCHAFTSGÄRTEN
07
FLENSBURGER
LANDSCHAFTSGÄRTEN
LANDSCHAFTSARCHITEKT*INNEN:
WES LandschaftsArchitekur
mit Hans-Hermann Krafft
MITARBEITER*INNEN: Claus Rödding,
Sven Schatz, Timm Clasen, Bernd Groth,
Frank Helmke, Lukas Bucher,
Karoline Biermanski, Walter Maas, Klaus
Haase, Henriette Henning,
Frauke Kanowski
FACHPLANER*INNEN:
BELEUCHTUNG: OC|L Lichtplanung,
Oliver Christen, Diephol Beschilderung/
WEGELEITSYSTEM: sis | sign information
systems GmbH, Hamburg
BAUGRUND/GEOTECHNIK: Boden & Lipka
KG, Ingenieur-Geologisches Büro, Kiel
STATIK ENTWURF: Struktur+Festigkeit
Ingenieurgesellschaft mbH, Conrad
Hansen, Kiel
STATIK AUSFÜHRUNG: Rohwer Ingenieur
gesellschaft für Statik und Baukonstruktion,
Handewitt
AUSFÜHRUNG FREIANLAGEN:
WES LandschaftsArchitektur
(Leitungsphasen 1 bis 9)
BAUHERR*INNEN:
Stadt Flensburg, Die Oberbürgermeisterin,
Fachbereich Stadtentwicklung
und Klimaschutz
FLÄCHE: 100 645 Quadratmeter
PLANUNGSZEIT: 2019 bis 2022
BAUZEIT: 2021 bis 2023
KOSTEN: 8 700 000 Euro
AUSZEICHNUNGEN: Nationale Projekte
des Städtebaus, Premiumprojekt 2019;
Deutscher Naturstein-Preis 2024, Besondere
Anerkennung in der Kategorie Landschaftsarchitektur
und Freiraumgestaltung;
Bundespreis Stadtgrün 2024, Anerkennung;
Deutscher Landschaftsarchitektur-
Preis 2025, Nominierung in der Kategorie
„Bauen im Bestand/Historische Bauten“
FLENSBURG, DEUTSCHLAND
Manchmal genügt ein klarer Leitgedanke,
um ein vielschichtiges Projekt über Jahre
hinweg zu tragen. In Flensburg hieß er:
„Ein Stück Stadt auf den Museumsberg
hinaufholen und ein Stück Museumsberg
in die Stadt hinunterbringen“, so formulierte
es Claudia Takla-Zehrfeld, ehemalige
Fachbereichsleiterin Stadtentwicklung und
Klimaschutz der Stadt Flensburg. Dieses
Ziel stand am Anfang einer umfassenden
Neugestaltung, die drei der bedeutendsten
historischen Grünanlagen Schleswig-
Holsteins wieder zu einem zusammenhängenden
Erlebnisraum machte: den
Museumsberg, den Alten Friedhof und
den Christiansenpark. Gemeinsam bilden
sie heute die „Flensburger Landschaftsgärten“
– ein Gartendenkmal mit gesamtstädtischer
Strahlkraft.
Die zehn Hektar große Anlage, einst
bürgerlicher Landschaftsgarten und
Begräbnisstätte, war in den letzten Jahrzehnten
funktional und räumlich fragmentiert.
Die Stadt Flensburg entschloss sich
2018 im Rahmen ihres integrierten Stadtentwicklungskonzepts
zu einer grundlegenden
Aufwertung – mit dem Ziel, das
kulturhistorische Ensemble zu sichern und
gleichzeitig für eine wachsende, diverse
Stadtgesellschaft neu zu interpretieren.
WES LandschaftsArchitektur mit Hans-
Hermann Krafft entwickelten dafür ein
Konzept, das Gartendenkmalpflege,
Naturschutz, Naherholung und Barrierefreiheit
miteinander verknüpft.
Kern des Projekts war die Wiederherstellung
historischer Raumbezüge und Sichtachsen,
die Verbesserung der Erschließung
und die behutsame Integration
neuer Nutzungen. Am Museumsberg
entstand ein zentrales Plateau mit Veranstaltungsfläche,
das die Topografie betont
und Verbindungen zur Altstadt durch
Sichtfenster im Vegetationsbestand stärkt.
Der Alte Friedhof erhielt denkmalgerechte
Wege, sanierte Grabdenkmäler und neue
barrierefreie Zugänge. Im Christiansenpark
wurden der Wasserkreislauf der drei
Spiegelteiche reaktiviert, die Mumiengrotte
und das Eiszeit-Haus landschaftlich
eingebettet und Bereiche als Obstbaumund
Kräuterwiese gestaltet.
Das „Prinzip der Überraschung“ – inspiriert
von den Gestaltungslinien bürgerlicher
Landschaftsparks – zieht sich als
gestalterisches Motiv durch die gesamte
Anlage. Verborgene Orte, wechselnde
Raumfolgen und gezielt inszenierte
Blickbeziehungen machen den Park zu
einem Entdeckungsraum. Neue Spielbereiche,
Ruhezonen und ein einheitliches
Wegeleit- und Möblierungssystem
erhöhen die Aufenthaltsqualität für alle
Generationen.
Das Projekt ist zugleich Ausdruck eines
kooperativen Planungsprozesses:
Bürger*innen, Vereine, Museen und
Denkmalpflegebehörden wurden eng
eingebunden. Historische Aspekte, etwa
die Rolle der Kaufmannsfamilie Christiansen
in der Kolonialzeit, fanden Eingang
in die neue Beschilderung – und führten
auch zur bewussten Umbenennung in
„Flensburger Landschaftsgärten“.
Mit der Fertigstellung 2023 ist ein Freiraum
entstanden, der Historie und Gegenwart
verbindet, die Altstadt mit ihrer grünen
Hangkante verknüpft und weit über Flensburg
hinaus als Modell für zeitgemäße
Gartendenkmalpflege gilt. Darüber hinaus
demonstriert das Projekt, wie denkmalgerechte
Freiraumentwicklung strategisch
in übergeordnete Stadtentwicklungsziele
eingebettet werden kann. Die Verbindung
von kulturellem Erbe, ökologischer Aufwertung
und sozialer Nutzung schafft Mehrwerte,
die weit über den eigentlichen Park
hinausreichen – und setzt ein starkes
Zeichen dafür, dass historische Anlagen in
Zeiten des Klimawandels und der Verdichtung
eine Schlüsselrolle für lebenswerte
Städte spielen.
G+L 35
KOMMENTAR
DIE FÜNFTE
FASSADE ALS
MÖGLICHKEITS-
RAUM
BENEDICT ESCHE
AUTOR
Benedict Esche
studierte Architektur
und Baukunst in
München und
Mendrisio. Er ist
Gründungspartner
des Büros Kollektiv
A . Architektur,
München und Berlin.
Es sind oft die unscheinbaren Orte, die
das Potenzial haben, eine Stadt zu verändern.
Das Dach, das jahrzehntelang die
unsichtbare „fünfte Fassade“ war, entwickelt
sich heute vielerorts zur Bühne für
neue Formen des Miteinanders und zur
Adresse eines anderen städtischen Lebens,
denn gerade öffentliche Dachgärten
zeigen, was möglich wird, wenn Architektur
und Stadtplanung sich nicht auf das
Erdgeschoss beschränken, sondern das
Oben als Möglichkeitsraum für Teilhabe,
Klimaresilienz und neue Formen von
Gemeinsinn verstehen.
Inzwischen hat in vielen Städten ein
Umdenken eingesetzt. Die stadtplanerische
Praxis reagiert zunehmend auf die
Herausforderungen verdichteter Quartiere,
fehlender Grünflächen und steigender
Temperaturen. Durch die notwendige
Nachverdichtung wachsen urbane Räume
enger zusammen, und die klassischen
Freiflächen verschwinden.
Damit rücken bislang ungenutzte Potenziale
in den Fokus: Dächer werden als
wertvolle Reserve entdeckt, um dringend
benötigtes Grün und kollektive Räume
nachzurüsten. Städte beginnen also nicht
mehr nur in Grundflächen, sondern in
Volumen und Ebenen zu denken. Damit
werden Dachgärten zu öffentlichen Experimentierfeldern
für eine urbane Zukunft
und ein Stück weit auch zur Antwort auf
die wachsende Nachfrage nach Erholung,
Begegnung und Klimaschutz – und das
mitten in der Stadt.
In unserer Arbeit als Architekten begreifen
wir das Dach nicht als Abschluss, sondern
als Einladung. Der Kulturdachgarten
auf dem Gasteig in München wurde so
zumindest für uns zum Symbol für einen
Perspektivwechsel: Statt eines exklusiven
Rückzugsraums entstand ein offener Ort
für alle, die Stadt aktiv mitgestalten wollen.
Zwischen Hochbeeten, konsumfreien
Sitzinseln und Wildkräutern entstand kein
fertiger Garten, sondern ein kollektives
Labor für das Urbane. Die Begrünung
war dabei nicht dekoratives Beiwerk,
sondern Ausgangspunkt einer neuen
Adressbildung. Der Dachgarten wurde
zum Treffpunkt, zum identitätsstiftenden
Impuls weit über das Gebäude hinaus.
Gleichzeitig ermöglichen fünf verschiedene
Stadtkioske auf dem Dach flexible
Nutzungsszenarien.
Und auch Projekte wie das „Kosmos unter
Null“, ein temporärer öffentlicher Garten
und Biergarten in einer Schwabinger
Baugrube, kann zeigen: Urbanes Grün ist
weit mehr als eine Frage der Flächenstatistik.
Es geht um Orte, die Menschen
zusammenbringen, Beziehungen stiften,
Aneignung ermöglichen und ein Quartier
mit neuem Sinn aufladen. Hier entstand
im Rahmen einer fast ewig feststeckenden
Baustelle ein sozialer Treffpunkt mit
130 Hochbeeten, einem Hühnerstall,
Musik und Hellem für 1,30 Euro. Was
am Ende bleibt, ist nicht der einzelne
große Wurf, sondern die Erinnerung an
ein gemeinsam geteiltes Stück Stadt.
36 G+L
GÄRTEN
KOMMENTAR VON BENEDICT ESCHE
Gerade Dachgärten
können zeigen, was
möglich wird, wenn
Architektur und
Stadtplanung sich
nicht aufs Erdgeschoss
beschränken,
findet Architekt
Benedict Esche.
Foto: Max Arens
Öffentliche Dachgärten sind jedoch keine
Selbstverständlichkeit. Die größten Hürden
liegen oft weniger in der Technik als im
Kopf: Brandschutzauflagen, Versicherungsfragen,
Fragen der Haftung und Sicherheit
blockieren allzu oft prozessoffene,
gemeinschaftlich getragene Nutzungen.
Hinzu kommt das Beharren auf dauerhaften
Lösungen, obwohl gerade temporäre
Projekte wertvolle Impulse setzen können.
Verwaltung, Eigentümer*innen und
Initiativen müssen lernen, Verantwortung
zu teilen, Spielräume zu eröffnen und Mut
zum Ungeplanten zu zeigen. In den
Städten und Kommunen wächst hier
langsam, aber kontinuierlich die Bereitschaft,
auch mal ein wenig Kontrolle und
Verantwortung abzugeben und damit
neue Allianzen zuzulassen.
Dachgärten sind daher weit mehr als
grüne Inseln auf dem Haus. Sie werden zu
Adressen, Orten der Identifikation und
zum Kern neuer Quartiersidentitäten. Wer
ein Gebäude betritt, das oben offen für
die Stadt ist, erlebt einen Perspektivwechsel.
Von der Privatheit ins Öffentliche, vom
Erdgeschoss auf das Dach, vom Einzelnen
zum Gemeinsamen. So entsteht aus der
fünften Fassade ein quartiersbildender
Raum, der das Leben zwischen den
Häusern buchstäblich in die Höhe wachsen
lässt und damit eine neue Ebene der
Stadtgestaltung erschließt.
Im Idealfall können solche Orte weit über
ihr Grundstück hinaus wirken: Sie stiften
neue Nachbarschaften, regen zu weiterer
Begrünung an und machen aus einer
Adresse ein lebendiges Stück Stadt. Dabei
erleben wir, dass es aber auch noch einiges
an Vereinfachung braucht, um solche
Projekte flächendeckend umsetzen zu
können. Es würde rechtliche und strukturelle
Unterstützung brauchen: etwa in Form
vereinfachter Genehmigungsverfahren,
gezielter Förderungen für gemeinschaftliche
Projekte und der Bereitschaft, auch
private Dächer für öffentliche Nutzungen
zu öffnen. Denn die Zukunft der Stadt
entscheidet sich nicht allein am Boden. Sie
entscheidet sich dort, wo wir bereit sind,
das Dach als Teil des Gemeinwesens zu
denken als geteilte Ressource, als Experimentierfeld
und als Bühne des Urbanen.
Öffentliche Dachgärten stehen dabei
beispielhaft für eine Haltung, die die Stadt
als Möglichkeitsraum begreift, von der am
Ende alle profitieren.
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G+L 37
REZENSION
DER GÄRTNER
DER NATION
Mit „Gärtner der Nation“ erschien 2024 die erste kritische
Biografie zu Karl Foerster, Deutschlands wohl bekanntestem
Gärtner. Autor Clemens Alexander Wimmer setzte sich
dafür mit Primärquellen, zahlreichen Figuren aus Foersters
Umfeld, seinen schriftstellerischen Werken und mehr auseinander.
Wie detailliert Wimmer dabei vorging, welche
Foerster- Narrative die Biografie korrigiert und was „Gärtner
der Nation“ die Leser*innen lehren kann, analysiert Lars
Hopstock in seiner Rezension.
LARS HOPSTOCK
Clemens Alexander
Wimmer
Gärtner der Nation:
Die vier Leben des
Karl Foerster
VDG, 2., korrigierte
und verbesserte
Auflage 2025
520 Seiten,
AUTOR
Lars Hopstock
studierte Landschaftsarchitektur
in
Berlin und Genua. Er
promovierte an der
University of
Sheffield über den
deutschen Landschaftsarchitekten
Hermann Mattern.
Seit 2019 ist er
Junior-Professor für
Landschaftsarchitektur
an der
Technischen Universität
Kaiserslautern.
Über den „Staudenpapst“ und „Gartenmystiker“
Karl Foerster liegen bereits
einige Bücher vor, die, auf Sekundärliteratur
basierend, mehrheitlich versuchen,
seine züchterische Arbeit und seine
gestalterischen Ideen zu beleuchten. An
eine Aufarbeitung der umfangreichen
Nachlässe der Familie und damit eine
ernsthafte Auseinandersetzung mit dem
Schriftsteller Foerster und seinen pathosgeladenen
Natur-Kontemplationen hatte
sich bisher niemand gewagt. Und so
war Deutschlands bekanntester Gärtner
einer der zahlreichen Vertreter seiner
Gene ration, über die jahrzehntelang vor
allem nette Anekdoten vorlagen, die man
bereitwillig wiederkäute.
Über ein halbes Jahrhundert nach Foersters
Tod 1970 legte Clemens Alexander
Wimmer im Sommer 2024 eine erste
kritische Biografie vor, die nun schon in
der zweiten Auflage erscheint. Der in
Potsdam lebende Gartenhistoriker,
-denkmalpfleger und Landschaftsarchitekt
ist als Autor seit Jahrzehnten einschlägig
bekannt. In „Gärtner der Nation“ ist
Wimmer spürbar bestrebt, möglichst viele
Fakten für eine bisher nicht mögliche
200 Abbildungen
ISBN 978-3-89739-
994-5
34 Euro
Cover: VDG Weimar
38 G+L
GÄRTEN
REZENSION „GÄRTNER DER NATION“
differenzierte Beurteilung Karl Foersters
auszubreiten und die Person hinter der
berüchtigt neo-romantischen Sprache
wirklich greifbar werden zu lassen. Das
Vorhaben scheint geglückt und lässt einen
angesichts der Dichte der Informationen
zuweilen schwindelnd zurück.
FOERSTER-NARRATIV AUCH KORRIGIERT
Das Buch kommt wie ein dicker Roman
daher: Auf gut 500 Seiten sind 200 meist
winzige Abbildungen verteilt, größtenteils
Porträts erwähnter Personen und
Dokumente wie Titelblätter, die durch
ihre historischen Schrifttypen die Lektüre
atmosphärisch bereichern. Die „vier
Leben“ – Kaiserreich, Weimarer Republik,
Hitler-Diktatur und DDR bzw. Besatzungszeit
– sind in zwei bis fünf größere Unterkapitel
eingeteilt. Innerhalb dieser Struktur
widmet Wimmer fast jedem Lebensjahr
Foersters einen eigenen Abschnitt. Die
konzise Sprache ist sehr gut lesbar und
dabei reich an Andeutungen zwischen
den Zeilen. Die Spannung lässt auch nicht
nach, wenn es um quantitative Dinge
geht. Auflagenstärken oder die komplexe
Editionsgeschichte von Foersters Publikationen
(zum Beispiel auf Seite 257),
Finanzierungen, Zukäufe von anderen
Züchtereien – viele dieser Informationen
sind nur in zeitraubender Archivarbeit zu
ermitteln. Zudem sind sie ungemein wertvoll
für die Forschung.
Kurze eingeschobene Exkurse vertiefen
die zeitgenössischen Fachdiskurse. Trotz
der spartanischen Bebilderung: Weit mehr
als eine Biografie, bietet „Gärtner der
Nation“ einen tiefen Einblick in die gartengestalterischen
Vorstellungen der Zeit.
Auch behandelt die Publikation unterschiedliche
Positionen zu Begriffen, die
für die Gartenkultur des frühen 20. Jahrhunderts
essenziell sind, wie „Bodenständigkeit“,
um hier nur einen beispielhaft
herauszugreifen. Und auch das uns
mittlerweile so ferne späte 19. Jahrhundert
wird überraschend lebendig.
Die gigantische Anzahl erwähnter Personen
verleitet öfters dazu, das Lesen zu
unterbrechen, um zu recherchieren, um
welche oft Wikipedia-würdige vergessene
Bekanntheit es sich da nun wieder
handelt. Ein einzelner Satz kann schon
einmal drei, vier neue Personen mit
Geburtsdatum und Verwandtschaftsbeziehung
vorstellen. Manche davon tauchen
nie wieder auf. Einige werden hier erstmals
gewürdigt, wie die zahlreichen, in
die Projektbearbeitung eingebundenen, in
Gartengestaltung ausgebildeten Fachkräfte
der Foersterschen Betriebe. Erst neben
all diesen Figuren seines sozialen Umfeldes,
vor allem aber seinen Eltern und
seinen Geschwistern, und vor dem Hintergrund
seiner Zeit tritt Karl Foerster immer
kontrastreicher hervor.
Auch all die züchterische Arbeit und die
Unternehmenskonzepte der Foersterschen
Betriebe zwischen Pflanzenproduktion,
Pflanzarbeiten sowie Garten- und Parkgestaltung
breitet Wimmer kenntnisreich
aus. Dies reicht bis zu den Wirrungen
der Finanzen, mit Verschuldungen, Anleihen,
Investitionen und Veränderungen
bei den Besitzverhältnissen. Dies ist nicht
zuletzt deswegen relevant, weil das
Foersters Weltfremdheit auf diesem Feld
deutlich werden lässt. Diese Weltfremdheit
macht immer wieder ein Einschreiten
von Freunden, Verwandten und nicht
zuletzt seiner Frau Eva notwendig. Nach
der Weltwirtschaftskrise und der wirtschaftlichen
Konsolidierung steigen die
Umsätze bis Kriegsende durch Pflanzenlieferung
kontinuierlich. Ein Zitat wie „Vati
ist heute in Karinhall“ als Kapitelüberschrift
zu wählen, mag auf den ersten
Blick wie eine Überzeichnung der Realitäten
wirken. Dem könnte man entgegnen,
dass jahrzehntelang ein Besuch Foersters
bei Göring nicht einmal denkbar gewesen
wäre, und so eine Hervorhebung das
Foerster- Narrativ zunächst einmal korrigiert.
Zudem sind derartige Beweise normalerweise
längst vernichtet worden; da
kann ein noch so kurzes Zitat zum wertvollen
Zeugnis werden. Aber auch über
bekannte Fachleute aus Foersters Umfeld
wie Hermann Mattern oder Herta Hammerbacher
lernt man einige neue Details.
PRIVILEGIERT UND IN VÄTERLICHER
OBHUT
Ein heikles Thema ist Karl Foersters Krankheitsgeschichte,
deren Ausmaß deutlich,
gleichzeitig aber mit kritischer Distanz
betrachtet wird. 1901 merkt der ältere
Bruder an, es sei „viel Hypochondrie im
Spiel wegen des vielen Selbstbeobachtens“
(Seite 59). Foerster leidet jahrelang
unter mysteriösen Magenproblemen
und weiteren Beschwerden, die ihm teils
schon beim Gehen Schmerzen verursachen,
ihn körperlich einschränkten und
Anlass für zahlreiche, ausgiebige Kuren
in luxuriösem Ambiente sind. Später
kommen psychische Probleme hinzu.
Von Tag eins der Anlage seiner ersten
Pflanzungen hinter dem elterlichen
Wohnhaus in Westend im Frühjahr 1904
erscheint er plötzlich beschwerdefrei.
Von nun an, im Alter von 29 Jahren,
beginnt die eigentliche Laufbahn als
Pflanzenzüchter.
Dass die Foersters im 19. Jahrhundert
High Society waren, konnte man wissen.
Der berühmte Vater Wilhelm erscheint
konsequent liberal und war mit Unterstützung
beispielsweise der Kaiserinwitwe
Friedrich, die zurückgezogen in
Friedrichshof im Taunus lebte, in diversen
Assoziationen gesellschaftlich engagiert.
Die nächste Generation lässt sich jedoch
weniger klar einordnen. So ist die
heimliche Lichtgestalt des Buches auch
Wilhelm Foerster, der sich beispiels weise
mit seinen öffentlichen Beiträgen über
die Kulturleistung des Judentums und
gegen den Krieg ähnlich exponierte wie
der ältere Sohn Friedrich Wilhelm. Jedoch
tut der Vater dies ganz ohne Friedrich
Wilhelms religiöse Moralinsäure und
Verherrlichung von Disziplin. Nicht zuletzt
durch die minutiöse, chronologische
Aneinanderreihung unzähliger Ereignisse
werden viele der anekdotischen Informationen,
die über die Foersters in Umlauf
sind, erklärt oder auch widerlegt. Ein
besonders eklatantes Beispiel ist die stets
behauptete tiefe Bruderliebe zwischen
Karl und dem Nazigegner Friedrich Wilhelm.
Dieser wollte nicht darüber hinwegsehen,
wie seine in Deutschland
verbliebenen Geschwister nationalistische
Narrative adoptierten. Die Adresse des
älteren Bruders war Ende der Nazizeit in
Bornim nicht einmal mehr bekannt. Über
Jahre hinweg fand keine Kommunikation
statt, und in seinem 1944 verfassten Testament
berücksichtigt Karl den ehemals so
vertrauten älteren Bruder als den einzigen
der Geschwister nicht.
Was Wimmer subtil herausarbeitet, nicht
zuletzt durch die Auswahl der Zitate und
eine gelegentlich aufblitzende Ironie, ist
die enorme gesellschaftliche Privilegiertheit:
Die Kontakte beider Elternteile, ihre
weitreichende Verwurzelung in der
Oberschicht – die Mutter ist verwandt
mit einflussreichen Militärs der Familie
Paschen – und die freundschaftlichen
Kontakte bis in die Kaiserfamilie hinein
sorgen für Vermittlung essenzieller
Kontakte, Aufträge, die bestmöglichen
Ausbildungsstellen und vorzügliche
ärztliche Behandlung. Reisen in Kurhotels
in wärmeren Gefilden sind keine Selten-
G+L 39
REZENSION
heit. Die Skurrilitäten dieser Familie, aber
auch die geistreiche, straffe Art und
Weise, mit der Wimmer das scheinbar
Anekdotische zu einem immer detaillierteren
Bild verwebt, sorgen also für
einigen Witz. Und Wimmer lässt sich
nicht beeindrucken – weder von den
chronischen Schmerzen Karls, die gelegentlich
Vorwand für weitere Privilegien
zu sein scheinen, noch von der politischen
Chuzpe des überambitionierten,
geltungsbewussten älteren Bruders
Friedrich Wilhelm.
Es entsteht das Bild einer von sozialem
Status und ungewöhnlich liberalen, sanftmütigen
Eltern verwöhnten Geschwistergeneration,
denen die Fürsprache und
finanziellen Mittel des berühmten Vaters
die besten Chancen in ihren jeweiligen
Interessengebieten eröffnen (der frühe Tod
der Mutter 1908 wird nur kurz erwähnt).
Friedrich Wilhelms vielzitierte, wegen
Majestäts beleidigung verhängte dreimonatige
Festungshaft erscheint nach
Wimmers Recherchen fast ehrenhaft und
wie ein Urlaub. Damit dem leidenden Karl
der Militärdienst erspart bleibt, sorgt der
Vater für eine Ausmusterung. Bei Ausbruch
des Ersten Weltkriegs reicht erneut
ein Schreiben des Seniors, um Karl vor
der Einziehung zu bewahren. Überhaupt
beeindruckt die Beziehung zwischen
Sohn und Vater, wenn Letzterer selbst in
Liebesdingen ins Vertrauen gezogen
wird und den Sohn mit seinen Ratschlägen
auch erreicht. Im Übrigen wird das
Liebesleben erstaunlich offen gehandhabt
– die moderne, fast drei Jahrzehnte
jüngere Eva Hildebrandt, die für ihren
Mann auf eine vielversprechende
Gesangskarriere verzichtet, hat im Laufe
der Ehe zahlreiche andere Verehrer, und
auch Karl Foerster entwickelt für andere
Frauen Gefühle. Diese werden zwar nicht
voll ausgelebt, aber auch nicht geheim
gehalten. Die Ehe bleibt trotz zahlreicher
Prüfungen stabil.
KRASSE GEGENÜBERSTELLUNGEN
WIRKEN AUGENÖFFNEND
Auch Karl Foersters Leistungen und
Charakterstärke kommen in „Gärtner der
Nation“ zur Geltung. Interessant sind
beispielsweise die Einblicke in seine Lyrik.
Beindruckend ist Foersters geschicktes
strategisches Agieren durch seine
Publikations- und Vortragstätigkeit: Viele
Journalisten und auffällig viele Journalistinnen
schwärmen in den Feuilletons von
Foersters Büchern. Viel reiche Kundschaft
bestellt größere Mengen an Pflanzen für
die damals noch verbreiteten Blumengärten
in weitläufigen privaten Anwesen. Auf
der anderen Seite steht Foersters problematische
Übertragung pflanzenzüchterischer
Ziele auf Gesellschaft – also
explizite, in öffentlichen Reden verbreitete,
eugenische Vorstellungen. Auch der bis
ans Lebensende geäußerte Glaube an
eine kulturelle Vormachtstellung Deutschlands
wirkt befremdlich. Hinzu kommen
Modernefeindlichkeit in der Kunst und
konservative Ansichten über Frauen. All
dies sind Einstellungen, mit denen er in
seiner Generation nicht allein ist, und
trotzdem wurden sie bisher zu wenig klar
benannt. Bei der Lektüre überraschen sie
dementsprechend negativ.
Einige krasse Gegenüberstellungen
wirken dabei augenöffnend. So wird wie
nebenbei fallengelassen, dass 1928
zwei der Kinder Ludwig Bartnings eine
Ferienwoche auf Schultze-Naumburgs
Anwesen in Saaleck verbringen, noch
nachdem dessen berüchtigtes Buch „Kunst
und Rasse“ erschienen war (Seite 170).
Der unmittelbar anschließende Satz
bezieht sich auf Eva Foersters neuen
Neufundländer und beginnt mit dem
Zitat: „Es wird immer lieblicher im Haus.“
Stellen dieser Art wirken wie eine
Schocktherapie und führen die harten
ideologischen Kontraste der Zeit auch vor
1933 vor Augen.
Doch es gibt auch Stellen, wo man sich
fragt, ob eine derartig kleinteilige Collage
in starrer chronologischer Form nicht zu
verfälschender Dekontextualisierung führt.
Manche Zusammenhänge gehen verloren,
wenn ein beiläufig erwähnter, längst
vergessener Name Jahre später unvermittelt
wieder auftaucht. Kritik ist aber
auch vorprogrammiert durch die sehr
freie Verwendungsweise von Zitaten aus
Publikationen (kursiv) und Tonbandaufnahmen
(in Anführungszeichen), wahlweise
als Einschübe, Satzfragmente oder
gar einzelne Worte. Organisch in die
Erzählung eingeflochten, sorgen sie zwar
für ein Gefühl großer Nähe zu den
handelnden Personen. Gleichzeitig wird
aber auch sehr viel Vertrauen dem Autor
gegenüber vorausgesetzt, hier nichts
verzerrt darzustellen. Gelegentlich ist die
Quelle nur sehr schwer nachzuvollziehen.
In solchen Fällen kann man nicht beurteilen,
ob es sich beispielsweise um eine
strategische Äußerung handelt oder
um einen vertraulichen Satz aus einem
privaten Brief.
WIMMERS ZWEIFACHES VERDIENST:
ENTZAUBERUNG UND WÜRDIGUNG
Was lehrt „Gärtner der Nation“ also,
außer einen umfassenden Einblick in die
Gartengeschichte des 20. Jahrhunderts
zu bieten? Es zeigt einmal mehr, dass
Menschen sich selten dazu eignen, auf
Grundlage von Selbstzeugnissen bewundert
zu werden, ohne dass an einem
gewissen Punkt eine Entzauberung
einsetzen muss. Und es zeigt, welche
Mischungen und Verflechtungen das
letzte Jahrhundert prägten und zum
Vorschein kommen, wenn intensiv
bereinigte Lebensläufe einmal hinterfragt
werden. Das gilt insbesondere für die
Generation, die als Erwachsene den
Machtaufstieg der Nazis erlebten und
eine Karriere im „Dritten Reich“ hatten,
die zwangsläufig später verharmlost
werden musste.
Welche Bedeutung gibt man den aus
heutiger Sicht psychotisch anmutenden
Erklärungen Foersters für Leid und Krieg?
Der abenteuerlichen ethischen Konstruktion,
mit der er wahrlich nicht alleine
dastand? Diese Konstruktion „löste“ die
Schuldfrage folgendermaßen: Die
zunächst unschuldigen Deutschen hätten
sich gewissermaßen „automatisch“ als
Reaktion schuldig machen müssen, in
Reaktion auf die Schuld des Judentums
nämlich. Nimmt man die zentrale Rolle
hinzu, die die züchterische Auswahl in
Karl Foersters Weltsicht und Gesellschaftsvorstellungen
spielt – damit ein Denken in
Kategorien von minder- und höherwertigen
Genen –, dann muss man sich schon
fragen, wie er noch immer vorrangig als
naiver Menschenfreund gelten kann. Dahingegen
wird noch in der jüngsten Publikation,
dem Katalog zur einigermaßen
kitschigen Ausstellung, die das Potsdamer
Stadtmuseum dem Lokalhelden ebenfalls
im Jahr 2024 widmete, deutlich zu wenig
kritische Distanz gewahrt.
Auch der Autor dieser Rezension ist den
lange Zeit verbreiteten Narrativen ein
Stück weit auf den Leim gegangen: Wäre
Wimmers beachtliche Aufklärungsarbeit
etwas früher erschienen, hätte das
Foerster-Kapitel in der quasi zeitgleich
erschienenen Mattern-Biografie „Idyll
and Ideology“ mehr beinhaltet als die
40 G+L
vergleichsweise leise geäußerten Zweifel.
So hält uns eine Biografie wie die Karl
Foersters auch den Spiegel vor. Unsere
Vorstellung von der Moderne ist eben
noch immer zu keimfrei und homogen, die
vom „Dritten Reich“ zu schwarz-weiß
gezeichnet. Angeblich oder tatsächlich
verfemte Künstler fallen einem ein, wie
Emil Nolde, für den die Forschung tiefen
Antisemitismus und gerade in der Nazizeit
Rekordumsätze dokumentiert hat.
Gleichzeitig ist die Angst, durch ein allzu
kritisches Hinsehen Vorbilder der Landschaftsarchitektur
zu verlieren, unbegründet.
Erstens ist es um manche Kultfigur der
Architektur nicht besser bestellt, zweitens
sind Foersters Leistungen nach wie vor
enorm und sein Einfluss weitreichend.
Auch das zeigt Wimmer in bisher unbekannter
Tiefe.
Feinstaubbindung
Retention
Energiegewinnung
„Gärtner der Nation.
Die vier Leben des
Karl Foerster“
erschien bereits
2025 in einer
Luftreinhaltung
zweiten, korrigierten
und verbesserten
Auflage. Hier geht es
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nachhaltig. www.bauder.de
UNTEN LINKS: Die
temporäre Installation
„Grow Together Grow
Green“ von Topotek 1
ist aktuell in Luxemburg
bei der LUGA zu sehen.
OBEN: Auf dem
Fuorisalone in Mailand
hatte die Installation
die Form eines Würfels.
UNTEN RECHTS: Auf
dem Landscape Festival
in Bergamo – für das
Topotek 1 „Grow
Green Grow Together“
erstmals konzipierte –
war die Installation
mitten in der Stadt zu
finden.
oben: Foto: © Paolo Consaga; unten links: Foto: © TOPOTEK 1; unten rechts: Foto: © Alesandro Villa
42 G+L
GÄRTEN
INSTALLATION „GROW TOGETHER GROW GREEN“
08
GROW TOGETHER
GROW GREEN
LANDSCHAFTSARCHITEKT*INNEN:
TOPOTEK 1
AUSFÜHRUNG FREIANLAGEN:
CETA (Mailand und Bergamo); Nüssli
(Luxembourg)
LUXEMBURG
MAILAND & BERGAMO, ITALIEN
BAUHERR*INNEN:
Landscape Festival I Maestri del Paesaggio
(Mailand und Bergamo, 2023);
LUGA – Luxembourg Urban Garden
(Luxembourg Stadt)
BEPFLANZUNG:
ERSAF – Ente Regionale per i Servizi
all'Agricoltura e alla Foreste (Mailand
und Bergamo); LUGA (Luxemburg)
FLÄCHE:
30 Quadratmeter (Mailand);
circa 220 Quadratmeter (Bergamo);
circa 500 Quadratmeter (Luxembourg)
PLANUNGSZEIT:
2023 (Mailand und Bergamo);
2024 bis 2025 (LUGA)
BAUZEIT:
2023 (Mailand und Bergamo);
2025 (LUGA)
KOSTEN:
Realisierung durch Sponsoren
Es gibt temporäre Installationen, die
bleiben – nicht physisch, sondern im
Stadtgedächtnis. „Grow Together Grow
Green“ von TOPOTEK 1 ist eine davon.
Ursprünglich 2023 für das Landscape
Festival in Bergamo entwickelt, zuvor als
Prototyp beim Fuorisalone in Mailand
erprobt und aktuell bei der LUGA in
Luxemburg zu sehen, verfolgt das Projekt
eine simple wie radikale Idee: Gemeinschaftliches
Handeln ist das wirksamste
Mittel gegen die Ohnmacht angesichts
des Klimawandels.
Die Grundlage ist eine leichte, modulare
Gerüstkonstruktion, deren Lebenszyklus
praktisch unbegrenzt ist. Sie lässt sich an
nahezu jedem Ort schnell auf- und wieder
abbauen und in unterschiedlichen Formen
inszenieren – als skulpturaler Würfel
in Mailand, als zikkuratartige Bühne in
Bergamo oder als offenes Forum in
Luxemburg. Bedeckt ist das Gerüst mit bis
zu 10 000 Setzlingen regionaltypischer
Baumarten, die den Ort zunächst temporär
begrünen, um anschließend die Stadt
dauerhaft zu verändern.
Das Prinzip ist einfach: Die Besucher*innen
registrieren sich vor Ort, nehmen
Setzlinge mit und pflanzen diese an selbstgewählten
Plätzen in der Stadt – im privaten
Garten, auf öffentlichem Grund oder
im Rahmen begleitender Stadtbegrünungsinitiativen.
In Mailand etwa kooperierte
das Projekt mit „Forestami“ im Parco Nord,
in Bergamo wurden die Pflanzorte von der
Stadt festgelegt, in Luxemburg gilt völlige
Freiheit. Jede Pflanzung wird dokumentiert,
wodurch ein kollektives Narrativ aus vielen
Einzelaktionen entsteht.
Die Installation kombiniere eine „ikonografische,
gemeinschaftliche und interaktive
Erfahrung“ mit nachhaltig wirkenden
Interventionen für Stadtbegrünung,
beschreibt Martin Rein-Cano, Gründer
des Büros Topotek 1, die Installation. Zu
den von den Besucher*innen mitgenommenen
und im Stadtraum gepflanzten
Pflanzen führt er weiter aus: „So generiert
die Dekonstruktion der grünen Skulptur
über die ganze Stadt verteilte klandestine
grüne Interventionen – die Pflanzung
zahlreicher neuer Stadtbäume – an
Orten, wo sie durch institutionelle Stadtbegrünungsmaßnahmen
nie entstanden
wären, und überführt das temporäre
künstlerische Ereignis in eine dauerhafte
urbane Bereicherung.“
Damit wird das temporäre Kunstwerk zu
einem sozialen Werkzeug: Die eigentliche
Gestaltung findet in der Verteilung,
Pflanzung und Pflege statt – getragen
von den Händen vieler. Die Replikationsfähigkeit
der Installation macht sie zu
einem Wanderer zwischen Städten, der
sein grünes Erbe immer wieder neu
aussät. Es ist ein Projekt, das weniger auf
monumentale Geste als auf die stille
Kraft vieler kleiner Eingriffe setzt – und
so den Beweis antritt, dass Stadtbegrünung
nicht nur top-down, sondern vor
allem gemeinsam funktioniert.
G+L 43
OBEN: In Zürich
gestaltete das Büro
manoa landschaft die
Freiräume der Siedlung
Zwischenbächen
– mit modellierten
Grün flächen, einem
„Begegnungsband“
und vielfältigen
Spiel angeboten.
MITTE: Kleintierhotels,
Totholz und
mehr fördern die
Biodi versität.
UNTEN: Wegebeziehungen
binden die
Siedlung Zwischenbächen
ins Quartier ein.
Plan: manoa landschaft ag; Fotos: © adamphotography 2025, Robert Adam, Basel
44 G+L
GÄRTEN
SIEDLUNG ZWISCHENBÄCHEN ZÜRICH
09
SIEDLUNG
ZWISCHENBÄCHEN
LANDSCHAFTSARCHITEKT*INNEN:
manoa landschaft ag
ZÜRICH, SCHWEIZ
ARCHITEKT*INNEN:
ARGE Michael Meier Marius Hug
Architekten AG / Caretta + Weidmann
Generalplaner AG
BAUINGENIEUR*INNEN:
Urech Bärtschi Maurer AG
AUSFÜHRUNG FREIANLAGEN:
GGZ Gartenbau, Zürich
BAUHERR*INNEN:
bgnzwo Baugenossenschaft für neuzeitliches
Wohnen, Zürich
HERSTELLER*INNEN:
SITZBÄNKE, ANLEHNBÜGEL:
Velopa AG
SONNENSCHIRME: Glatz AG
MOBILIAR, ABFALLEIMER: BURRI public
elements AG
UFC: Villiger Entsorgungssysteme AG
SPIELGERÄTE: motorsänger gmbh
AUTOCHTHONES SAATGUT:
Ö+L GmbH
BELEUCHTUNG: Louis Poulsen Switzerland
AG
FLÄCHE: 15 700 Quadratmeter
PLANUNGSZEIT: seit 2017
BAUZEIT: Baustart 2023; Abschluss Bauphase
1: 2024; Abschluss Bauphase 2:
voraussichtlich Anfang 2027
KOSTEN:
3 Millionen Schweizer Franken
Die Siedlung Zwischenbächen im Zürcher
Stadtraum ist ein Beispiel dafür, wie sich
dichter Wohnungsbau und hoher Freiraumwert
nicht ausschließen, sondern gegenseitig
stärken können. Der Ersatzneubau
der bgnzwo Baugenossenschaft für neuzeitliches
Wohnen verbindet zeitgemäße
Architektur mit einem großzügig durchgrünten
Außenraum, der sowohl ökologisch als
auch sozial Maßstäbe setzt. Die Freiräume
gestaltete manoa landschaft.
„Die Neugestaltung verbindet einen hohen
Durchgrünungsgrad mit dichter urbaner
Bebauung und schafft zugleich viele attraktive,
ökologisch hochwertige Aussenräume“,
beschreibt das Büro das Projekt.
„Insbesondere die Integration von vielfältigen
Lebensraumstrukturen wie Kleintierhotels,
Benjeshecken, Sandlinsen, Nisthilfen
sowie eine strukturreiche Dachbegrünung
machen sie zu einem Vorzeigeprojekt für
biodiversitätsfördernde Stadtentwicklung“,
so manoa landschaft.
Die städtebauliche Setzung der Neubauten
nimmt Bezug auf den sensiblen Kontext:
Die Siedlung liegt in einem vom Bundesinventar
ISOS als „von nationaler Bedeutung“
eingestuften Gebiet mit Erhaltungsziel
„A“. Die neuen Baukörper führen das
bewährte Verhältnis von Bebauung und
Freiraum fort und rahmen großzügige, sanft
modellierte Grünflächen. Ein hierarchisch
gegliedertes Wegenetz erschließt die
Gebäude barrierefrei und wird durch ein
durchgängiges „Begegnungsband“
ergänzt, das die Häuser und ihre Bewohner*innen
miteinander verbindet.
Spiel- und Aufenthaltsbereiche sind gezielt
entlang der Wege platziert. Der zentrale
Gemeinschaftsplatz ist offen gestaltet und
kann sowohl für Quartiersfeste als auch für
sportliche Aktivitäten genutzt werden.
Ergänzend bieten ein ruhiger Sitzplatz im
Kirschenhain mit Liegen und Hängematten
sowie vielfältige Spielangebote – vom
Naturspielplatz mit Sand-Matsch-Bereich
bis zum Geländespielplatz mit Kletterwand
und Trampolin – Möglichkeiten für alle
Altersgruppen. Der Außenraum des Kindergartens
fügt sich in die Gesamtstruktur ein
und ist außerhalb der Nutzungszeiten
öffentlich zugänglich.
Der grüne Rahmen wird durch Baumgruppen,
Solitärbäume und einen durchgehenden
Gehölzsaum gebildet. Die Bepflanzung
folgt einem klaren ökologischen
Konzept: einheimische, standortgerechte
Laub- und Nadelbäume, Blütensträucher
mit hohem ökologischen Wert, extensive
Wiesenflächen und gezielte Strukturelemente
wie Totholz oder Stein- und
Asthaufen. Die extensive Dachbegrünung
auf mehreren Gebäuden ist mit regionalem
Saatgut angesät und enthält zusätzliche
Lebensraumstrukturen wie Sandlinsen
oder Asthaufen.
Das Konzept fördert nicht nur die Biodiversität,
sondern auch das soziale Leben.
Die Gestaltung schafft Räume, die
gleichermaßen zum Rückzug wie zur
Begegnung einladen und die Identität der
Siedlung stärken. Wegebeziehungen
binden die Anlage ins Quartier ein, während
klare Zonierungen und gut platzierte
Aufenthaltsbereiche eine hohe Nutzungsvielfalt
ermöglichen.
Mit der Fertigstellung der ersten Bauphase
2024 ist ein Freiraum entstanden, der
zeigt, wie zeitgemäße Stadtentwicklung
aussehen kann: verdichtet, aber durchgrünt;
ökologisch ambitioniert und zugleich
alltagsnah gestaltet. Die Siedlung Zwischenbächen
ist damit ein Modellprojekt,
das beweist, dass urbane Dichte und
Lebensqualität keine Gegensätze sind –
und dass die Zukunft der Stadt im intelligenten
Zusammenspiel von Architektur und
Landschaft liegt.
G+L 45
OBEN: Im Rahmen der
zweiten Landschaftsbiennale
gestaltete der
Landschaftsarchitekt
Tom Stuart-Smith den
neuen Wildflower
Garden in Planten un
Blomen.
MITTE RECHTS: Der
Schaugarten besteht
aus organisch geformten
Beeten, bepflanzt
mit regionaltypischen
Arten sowie Pflanzen
aus trockeneren Klimazonen.
MITTE LINKS UND
UNTEN RECHTS:
Eine Sandschicht
ermöglicht den Pflanzen
weitreichende
Wurzelentwicklungen
und damit eine hohe
Trockenheitstoleranz.
Plan: Tom Stuart-Smith Studio; Mitte rechts: Foto: Mocanox; Mitte links und unten rechts: Fotos: Enver Hirsch
46 G+L
GÄRTEN
WILDFLOWER GARDEN HAMBURG
10
WILDFLOWER
GARDEN
LANDSCHAFTSARCHITEKT:
Tom Stuart-Smith
HAMBURG, DEUTSCHLAND
PROJEKTLEITUNG:
Mattis Köpe
BAUAUSFÜHRUNG:
Klaus Hildebrandt AG Garten- und Landschaftsbau,
Hamburg
BAUHERR*INNEN:
Freie und Hansestadt Hamburg, Behörde
für Umwelt, Klima, Energie und Agrarwirtschaft
(BUKEA), Naturschutzgroßprojekt
„Natürlich Hamburg!“
BEPFLANZUNG:
8 700 Wildstauden, 8 000 Geophyten
WETTBEWERB: 2023
BAUPHASE: 2024 bis 2025
ERÖFFNUNG: Juli 2025
WEITERES:
Naturnahe Umgestaltung im Rahmen
der 2. Biennale in Planten un Blomen
Wenn ein traditionsreicher Park zur Bühne
für zeitgenössische Gartenkunst wird, ist
das selten ein leiser Auftritt. Mit dem „Wildflower
Garden“ des britischen Landschaftsarchitekten
Tom Stuart-Smith erhält Hamburgs
Planten un Blomen 2025 eine neue,
poetisch-naturnahe Schaugartenfläche, die
Biodiversität, Klimaanpassung und Ästhetik
auf höchstem Niveau vereint. Als Teil der
Landschaftsbiennale des Naturschutzgroßprojekts
„Natürlich Hamburg!“ setzt sie ein
Zeichen dafür, dass artenreiche Stadtnatur
und anspruchsvolles Design keine Gegensätze
sind.
Wer den neuen Schaugarten im Rahmen
der Biennale gestalten sollte, wurde in
einem Auswahlverfahren entschieden –
drei internationale Büros hatten Entwürfe
geliefert. „Die besondere Herausforderung
für die aufgeforderten Teilnehmer*innen
bestand darin zu zeigen, dass hochwertige
ästhetische Gestaltung auch mit vorwiegend
in Hamburg heimischen Wildpflanzen
möglich ist“, äußert sich Maria Au böck,
Landschaftsarchitektin und Kuratorin der
Landschaftsbiennale, zum Auswahlprozess.
„Die Ideenskizze von Tom Stuart-Smith
zeigt, dass klassische städtische Gartenkultur
und neue Elemente einer wilderen Ästhetik
sich nicht widersprechen. Er plädiert
für die reichhaltige Verwendung von Wildpflanzen“,
so Auböck weiter.
Der Entwurf fügt sich sensibel in die bekannten
Schaugärten des Parks ein und
nutzt heimische und klimaresiliente Arten,
die nicht nur visuell, sondern auch ökologisch
überzeugen. Mehrere organisch
geschwungene Beete bilden die Grundlage
für ein Pflanzkonzept, das mit subtilen
Farbverläufen, texturreichen Gräsern und
blütenstarken Stauden spielt. Neben regional
typischen Arten finden sich Pflanzen
aus trockeneren Klimazonen Süddeutschlands
und Südeuropas – bewusst gewählt,
um den absehbaren Veränderungen durch
den Klimawandel standzuhalten.
Stuart-Smiths Ansatz ist dabei ebenso botanisch
fundiert wie gestalterisch präzise. Eine
tiefe Sandschicht ermöglicht den Pflanzen
weitreichende Wurzelentwicklung und
damit hohe Trockenheitstoleranz, während
nährstoffarme Bedingungen unerwünschten
Arten wenig Chancen lassen. Diese methodische
Strenge schafft einen langlebigen,
pflegearmen Pflanzenbestand, der zugleich
ein hohes Maß an Biodiversität bietet.
Neben der gärtnerischen Qualität setzt der
Wildflower Garden auf Aufenthaltswert.
Sitzgelegenheiten aus Eiche laden zum
Verweilen ein. Wegebeläge aus hellem
Naturstein führen durch die Beete, schaffen
klare Orientierung und inszenieren
wechselnde Blickachsen. Dabei entsteht
ein Dialog zwischen gebändigter Gestaltung
und natürlicher Entwicklung – ein
Spannungsfeld, das Stuart-Smith meisterhaft
beherrscht.
Das Projekt ist nicht nur gärtnerisch, sondern
auch kulturell verankert. Für Stuart-
Smith, der weltweit Projekte realisiert und
dabei stets die kulturellen Bezüge des
Ortes in den Mittelpunkt stellt, ist der
Wildflower Garden eine Hommage an
Hamburgs Gartenkultur. Die Verbindung
von Pflanzensammlung, Freiwilligenarbeit
und öffentlicher Vermittlung – wie er sie
auch in seinem „Serge Hill Project“ in
England praktiziert – findet hier eine lokale
Entsprechung. So wird der Garten zu
einem Ort des Austauschs, der Bildung und
der stillen Beobachtung.
Die Eröffnung fand am 4. Juli 2025 in
Planten un Blomen statt. Als Teil des
Biennale-Formats wird alle zwei Jahre
eine weitere Fläche naturnah umgestaltet
– der Wildflower Garden ist damit
zugleich Impulsgeber und Maßstab für
künftige Projekte. Hamburg erhält so nicht
nur eine neue Attraktion, sondern auch
ein lebendiges Beispiel dafür, wie sich
Gartenkunst, Klimaschutz und kulturelle
Identität miteinander verweben lassen.
G+L 47
OBEN: Für die
Kleinstadt Paradiso am
Ufer des Luganersees
entwick elte Studio
Vulkan eine neue
Seeuferprome nade.
Zwischen den Wegebändern
entfalten
sich die „Gärten von
Paradiso“.
MITTE: Mit der neuen
Promenade erhalten
die Bewohner*innen
Paradisos wieder
Zugang zum Wasser.
Vormals trennte ein
Schutzdamm die Stadt
vom See.
UNTEN: Rückgrat der
neuen Anlage sind zwei
Wegebänder, entlang
der oberen Straße
sowie direkt am Ufer
des Sees.
Plan: Studio Vulkan; Fotos: Daniela Valentini
48 G+L
GÄRTEN
SEEUFERPROMENADE PARADISO
11
SEEUFERPROMENADE
LANDSCHAFTSARCHITEKT*INNEN:
Studio Vulkan Landschaftsarchitektur AG
mit Robin Winogrond
PARADISO, SCHWEIZ
ARCHITEKT*INNEN:
Architetto Könz
INGENIEUR*INNEN:
Staubli Kurath & Partner
ELEKTROPLANER*INNEN:
Solcà SA
AUSFÜHRUNG FREIANLAGEN:
BAULEITUNG: Comal.ch SA
GÄRTNER*INNEN: Grano Giardini SA,
Hofer-Degiorgi SA
BAUMEISTER*INNEN: Galli Costruzioni
SA, Edilstrada SA, Spalu SA
METALLBAU: Degmo
ELEKTRIKER*INNEN: Elettrocrivelli SA,
Etavis
BAUHERR*INNEN:
Comune di Paradiso
HERSTELLER*INNEN:
MOBILIAR / AUSSTATTUNG: Neuco
SPIELGERÄTE: Urbafit Sarl
BELAG: Falkenstein
BEPFLANZUNG: Il Vivaio; Grano
Giardini SA
BELEUCHTUNG: Neuco
FLÄCHE:
5 000 Quadratmeter
PLANUNGSZEIT:
2019 bis 2024
BAUZEIT:
2020 bis 2025
KOSTEN:
3,4 Millionen Schweizer Franken
Die Kleinstadt Paradiso, südlich von Lugano
zwischen Monte San Salvatore und
dem Luganersee gelegen, hatte lange ein
paradoxes Verhältnis zum Wasser: In
unmittelbarer Ufernähe gebaut, trennte
ein erhöhter Schutzdamm die Stadt vom
See – sowohl räumlich als auch im Bewusstsein.
Eine öffentlich zugängliche
Ufer promenade existierte nicht, und große
Teile des Seeufers lagen im Schatten des
Berges oder in privater Hand.
Mit dem prämierten Wettbewerbsentwurf
von Studio Vulkan Landschaftsarchitektur
in Zusammenarbeit mit Architetto Könz ist
nun ein Projekt auf dem Weg, das diese
Distanz überwindet. Die neue Lungolago
– der italienische Begriff für die Seeuferpromenade
– gibt Paradiso nicht nur den
physischen Zugang zum Wasser zurück,
sondern entwickelt eine eigenständige,
zeitgenössische Interpretation der historischen
Seeuferkultur.
Zwei Wegebänder bilden das Rückgrat
der neuen Anlage: Die „Passeggiata a
monte“ folgt dem Verlauf der oberen
Straße und bietet weite Ausblicke auf See
und Berge, während die „Passeggiata a
lago“ direkt entlang des Ufers geführt
wird. Letztere reagiert mit einem spielerischen
Stegverlauf auf die komplexen
örtlichen Gegebenheiten – sie umgeht
private Grundstücke, ermöglicht die
Durchfahrt von Booten, öffnet sich an
Badestellen und schafft vielfältige Orte
zum Verweilen.
Zentraler Bestandteil sind die Belvedere
– Aussichtspunkte mit historischem
Vorbild. Einst prägend für die Baia di
Lugano, werden sie hier neu interpretiert:
Jedes erhält einen eigenen Namen, ein
kleines Bauwerk und eine individuelle
Gestaltung, die soziale Interaktionen
fördert. Das zentrale, historische Belvedere
bleibt als identitätsstiftendes Element
erhalten und wird durch die neuen
Strukturen ergänzt.
Zwischen den Wegebändern entfalten
sich die „Gärten von Paradiso“ – thematische
Gartenräume mit jeweils eigener
Identität. Hier wird die Pflanzenvielfalt des
Tessins szenografisch inszeniert: Palmen,
Zedern und andere südliche Gehölze
setzen markante Silhouetten vor der
sonnenbeschienenen Kulisse der gegenüberliegenden
Bucht. Ergänzt wird dies
durch exotische Blütenstauden und
strukturreiche Gehölze, die das milde
Mikroklima nutzen.
Ein neuer Hafen am östlichen Ende der
„Passeggiata a lago“ fügt sich dezent in
die Gesamtgestaltung ein. Ökologische
Aufwertungen – von gezielten Erdmodellierungen
bis zu neuen Uferbepflanzungen
– verbessern Lebensräume für
Flora und Fauna. Hochwertige Materialien
wie Natursteinbeläge, Holzdecks
und maßgefertigte Sitzmöbel aus Eiche
schaffen eine langlebige und elegante
Atmosphäre.
Die Planung legt großen Wert auf die Verzahnung
von städtischen und landschaftlichen
Qualitäten. Die Promenade ist nicht
nur ein Ort des Flanierens, sondern auch
ein sozialer Katalysator, der Bewohner*innen,
Besucher*innen und Natur in
einen lebendigen Dialog bringt.
Darüber hinaus setzt das Projekt ein starkes
Zeichen für den öffentlichen Raum als
identitätsstiftende Ressource. Der Lungolago
Paradiso zeigt, dass selbst unter
beengten räumlichen Bedingungen Orte
entstehen können, die nicht nur schön,
sondern auch ökologisch wertvoll, funktional
und kulturell bedeutsam sind – ein
Modell, das weit über den Luganersee
hinaus Strahlkraft hat.
G+L 49
„IN GEMEIN-
SCHAFTSGÄRTEN
GESTALTEN
MENSCHEN AKTIV
MIT“
Standen Kommunen Urban-Gardening-Projekten anfänglich noch skeptisch
gegenüber, haben sie das Potenzial inzwischen erkannt – und Gemeinschaftsgärten
werden in der Stadtplanung mitgedacht. Denn: Hier werden
Menschen nicht nur beteiligt, sondern sie können aktiv mitgestalten,
stellt Soziologin Christa Müller heraus. Im Interview berichtet sie, wie die
Gartenbewegung in Deutschland ihre Anfänge in einem Göttinger Garten
nahm, welches transformative Potenzial Gemeinschaftsgärten für nachhaltige
Städte haben und weshalb Gartenprojekte auch als Care-Projekte
zu verstehen sind.
FRAGEN: ANNA MARTIN
INTERVIEWEE
Dr. Christa Müller ist
Soziologin und
Vorstandsvorsitzende
der anstiftung in
München. Sie forscht
seit über 20 Jahren
zu DIY-Bewegungen,
mit Schwerpunkt auf
Urban Gardening.
2011 veröffentlichte
sie das Buch „Urban
Gardening. Über die
Rückkehr der Gärten
in der Stadt“ und sie
ist Mitherausgeberin
von „Unterwegs in
die Stadt der
Frau Müller, was ist die aktuelle Urban-
Gardening-Hauptstadt in Deutschland –
wo gibt es die meisten Gemeinschaftsgärten?
Die Urban-Gardening-Hauptstadt
war und ist Berlin. Wenn Sie die von
der anstiftung administrierte Gartenkarte
auf urbane-gaerten.de/karte
ansteuern, finden Sie allein in Berlin
137 Gemeinschaftsgärten (Stand:
1. August 2025). München folgt mit
58 Projekten. In beiden Städten –
ebenso wie in Leipzig, Hamburg, Köln
oder Dresden – ist eine engagierte
Stadtökologiebewegung aktiv, die mittels
des urbanen Gärtnerns die Stadt
der Zukunft – und die der Gegenwart –
mitgestalten will.
Wie sah Urban Gardening Anfang der
2000er-Jahre aus, und in welchem Ausmaß
fand es überhaupt statt?
Anfang der 2000er-Jahre war die urbane
Gartenbewegung in Deutschland geprägt
von sogenannten Interkulturellen Gärten.
Der äthiopisch-deutsche Agraringenieur
Tassew Shimeles hatte mit aus Bosnien
geflüchteten Frauen einen Gemeinschaftsgarten
für Menschen unterschiedlicher
Herkunft gegründet, der auf das Gärtnern
als Kommunikationsmedium setzte.
So bauten erstmals 1996 in Göttingen
geflüchtete Menschen aus vielen Krisenregionen
gemeinsam mit Deutschen
Gemüse an – und kamen so in den Austausch
über ihre eigenen Biografien, über
die Besonderheiten des Gemüseanbaus
Zukunft. Urbane
Gärten als Orte der
Transformation“,
das im vergangenen
Jahr ebenfalls
als Open Access
erschien.
50 G+L
GÄRTEN
INTERVIEW MIT CHRISTA MÜLLER
Gemeinschaftsgärten
sind zentrale Lern- und
Experimentierorte für
Städte, die sich
nachhaltig transformieren
wollen, erklärt
Christa Müller aus
dem Vorstand der
anstiftung.
Foto: Quirin Leppert
in unterschiedlichen klimatischen Regionen,
über Zubereitungsformen, über
Gastlichkeit, über ökologisches Wissen
und Nichtwissen. Der Göttinger Garten
inspirierte viele Initiativen, ebenso einen
Interkulturellen Garten aufzubauen. Und
so wurden innerhalb weniger Jahre aus
einem Projekt mehrere hundert, die von
der anstiftung zum „Netzwerk Interkulturelle
Gärten“ gebündelt, unterstützt und
erforscht wurden.
Auf der Basis dieser Bewegung betrat
schließlich 2009 mit dem Prinzessinnengarten
in Berlin ein Akteur die städtische
Bühne, der der bislang herrschenden
Ansicht widersprach, eine Großstadt sei
durch die Abwesenheit von jeglichem
Ländlichen oder gar Bäuerlichen definiert.
Das war ein performativer Bruch. Seitdem
gilt Gärtnern in der Stadt als „cool“,
nachhaltig und innovativ.
Urban Gardening ist mehr, als auch in
der Stadt die eigenen Tomaten anpflanzen
zu können. Spätestens die Kapitel
des neu erschienenen und von Ihnen mitherausgegebenen
Buchs „Unterwegs in
die Stadt der Zukunft. Urbane Gärten als
Orte der Transformation“ zeugen davon:
„Recht auf Stadt – Gärten als politische
Orte“, „Gärten als Ökosysteme“, „Antworten
auf Probleme der Stadt“, um nur
ein paar wenige zu nennen. Welches
transformative Potenzial haben Gemeinschaftsgärten?
Wenn wir uns die von den Vereinten Nationen
postulierten Nachhaltigkeitsziele
(SDGs) genauer ansehen, stellen wir fest,
dass transformatives Potenzial insbesondere
an der Schnittstelle von sozialer und
ökologischer Nachhaltigkeit existiert.
Gemeinschaftsgärten bieten die einzigartige
Möglichkeit, Wissen von Menschen
einzubinden und fruchtbar zu machen,
das in der formellen (Bildungs-)Ökonomie
nicht erfasst wird. Informelle Wissensquellen
können wichtig sein für die Verstetigung
lokaler Nachhaltigkeitspraxen und
vor allem für das „Mitnehmen“ und Einbinden
auch von sozial benachteiligten
Menschen, die von der Leistungsgesellschaft
aussortiert wurden und deren
Kenntnisse keinerlei Wertschätzung erfahren.
Hier setzen viele Projekte an. Die
begleitende Forschung der anstiftung
zeigt klar: Gemeinschaftsgärten sind zentrale
Lern- und Experimentierorte für die
sich auf Nachhaltigkeit umstellende Stadt.
Ein Blick auf die Pflanzauswahl: Geht es
bei Urban-Gardening-Projekten primär
um essbare Pflanzen, oder gibt es auch
Projekte, die sich zum Beispiel einem gestalterischen
oder ökologischen Aspekt
verschrieben haben?
Die auf eine Zahl von mehr als 1 000
angewachsenen Projekte sind sehr
vielfältig. Essbare Pflanzen werden in
allen Gemeinschaftsgärten angebaut.
Wir beobachten aber auch immer mehr
Initiativen innerhalb der Gemeinschaftsgärten,
die sich schwerpunktmäßig dem
Themenfeld Biodiversität widmen – und
dabei Bezüge herstellen zur urbanen
Flora und Fauna. Gartenprojekte kann
man in vielerlei Hinsicht als Care-Projekte
bezeichnen: Man sensibilisiert sich für
die Bedürfnisse auch nicht-menschlicher
Lebewesen, kümmert sich darum, wilde
Ecken zu schaffen, in denen Kleinstlebewesen
wie Bestäuberinsekten oder
Schmetterlinge Unterschlupf und Rückzugsorte
finden. Forschende an Universitäten
verstehen Gemeinschaftsgärten
längst als Citizen-Science-Labore: Sie
werden von der Biodiversitätsforschung
als exzellente Forschungsorte wahrgenommen,
da in Gemeinschaftsgärten zum
G+L 51
„Und heute, nicht zuletzt im Kontext
der klimapolitischen Debatten,
denkt eine moderne Stadtplanung
Gemeinschaftsgärten mit. Auch
der wirkmächtige Partizipationsund
Mitgestaltungsdiskurs greift
hier Raum.“
einen eine große Bandbreite an Gemüseund
Kräutersorten extensiv angebaut wird
und zum anderen ein achtsamer Umgang
der Akteure unterschiedlicher Herkunftskulturen
zur programmatischen DNA der
Gartenprojekte gehört. Ein Beispiel: Die
Professur für Urbane Produktive Ökosysteme
an der TU München kooperiert
mit diversen Gartenprojekten, um im
Rahmen der Biodiversitätsstrategie der
Stadt München mit Bottom-up-Ansätzen
biologische Vielfalt zu identifizieren, zu
erhalten und auszuweiten.
Wunder, dass Städte wie Berlin oder
Stuttgart heute ihre eigenen Gartenbeauftragten
beschäftigen.
Werden die Projekte professionell begleitet
– zum Beispiel von Landschafts architekt*innen
oder Pflanz pla ner*innen?
Obwohl sich die Landschaftsarchitektur
als Disziplin schon früh für Gemeinschaftsgärten
interessierte, werden die Projekte
in der Regel nicht professionell begleitet.
Es ist ein genuines Merkmal von Gemeinschaftsgärten,
dass sie selbstorganisiert
Methode „Versuch und Irrtum“, das war
von Anfang an so. Wie die internationalen
Gärtner*innen in Göttingen verstehen
wollten, warum das Saatgut aus ihrer
Heimat, zum Beispiel aus ariden Regionen
im Irak, in hiesigen, teils schweren
Lehmböden, anders keimt und aufgeht
und warum die Pflanzen weniger Wasser
benötigen: All diese Erfahrungen machen
den Garten zum experimentellen
Ankommensort in der neuen Stadt, die
auf diese Weise leichter zur neuen Heimat
werden kann.
Wer beteiligt sich an Urban-Gardening-
Projekten, und wie lässt sich der Personenkreis,
den die Projekte ansprechen,
zukünftig noch ausweiten?
Je mehr Flächen in unterschiedlichen
Stadtquartieren – aber durchaus auch in
Kleinstädten oder gar Dörfern – von
Gemeinschaftsgarten-Initiativen beackert
werden, umso mehr wächst die Vielfalt
der Beteiligten. Gegründet werden
Gemeinschaftsgärten nach wie vor primär
von ökologisch und stadtpolitisch engagierten,
häufig akademisch gebildeten
Wie sind Kommunen gegenüber Urban-
Gardening-Projekten eingestellt?
Die Einstellung hat sich im Laufe der
Jahre stark gewandelt. Am Anfang gab
es überwiegend Skepsis und Zweifel an
der Beständigkeit der Initiativen. Vor
allem aber war die Frage der Ästhetik
umstritten. Die Gärtner*innen brachten
eine neue Ästhetik in die Stadt, die
visuelle Anleihen aus kleinbäuerlichen
Kontexten aus aller Welt nahm. Es gab
keine Gartenzäune, es wurde mit den
vorhandenen Materialien experimentiert,
es kamen ausrangierte Behältnisse
und Europaletten zum Einsatz. All das
irritierte den Blick. Das war einerseits
pragmatisch, anderseits intendiert. Es
generierte Aufmerksamkeit. Und Aufmerksamkeit
ist die zentrale Währung im
Medienzeitalter. Dennoch hoffte man
wohl in manchen Stadtver waltungen,
dass dieses Phänomen ein kurzzeitiges
sein und bald wieder von der Bildfläche
verschwinden würde. Das Gegenteil
war jedoch der Fall. Und heute, nicht
zuletzt im Kontext der klimapolitischen
Debatten, denkt eine moderne Stadtplanung
Gemeinschaftsgärten mit. Auch
der wirkmächtige Partizipations- und
Mitgestaltungsdiskurs greift hier Raum.
In Gemeinschaftsgärten werden Menschen
nicht nur beteiligt; vielmehr
gestalten sie aktiv mit. Und so ist es kein
„Je mehr Flächen in unterschiedlichen
Stadtquartieren – aber
durchaus auch in Kleinstädten oder
gar Dörfern – von Gemeinschaftsgarten-Initiativen
beackert werden,
umso mehr wächst die Vielfalt der
Be teiligten.“
sind und sich von dem Wissen leiten
lassen, das die Menschen mitbringen.
Informelle Wissensquellen sind der
Ausgangspunkt für das Engagement
unterschiedlichster Menschen. Auf Basis
des ökologischen Anbaus können
mannigfaltige Formen von Transformationswissen
geborgen und neu verknüpft
werden. Einige Menschen bringen
Heilkräuterwissen mit, beherrschen aber
vielleicht die deutsche Sprache nicht gut.
Hier finden sie Anknüpfungspunkte, um
wahrgenommen und wertgeschätzt zu
werden. Das ist für viele eine Selbstwirksamkeitserfahrung
im öffentlichen Raum,
die auf Nachbarschaft und Stadtquartier
ausstrahlen kann. Viele Gemeinschaftsgärten
arbeiten bewusst nach der
Akteuren aus alternativen und kreativkünstlerischen
Milieus, aber mittlerweile
auch von Kirchengemeinden, Wohlfahrtsverbänden
wie der Caritas oder öffentlichen
Bibliotheken. Viele wollen die
Projekte von Beginn an „für alle“ öffnen.
Um die soziale Reichweite zu erhöhen,
braucht es je nach Standort und Umgebung
unterschiedliche Strategien. Um das
sozial inklusive Potenzial vom gemeinsamen
Gärtnern auszuschöpfen, sind
gezielte Strategien zur Ansprache weiterer
Bevölkerungsgruppen nötig, insbesondere
solcher mit geringerem Zugang zu
öffentlichen Grünflächen.
Gemeinschaftsgärten entstehen mittlerweile
vermehrt auch auf Initiative von –
und räumlich an – Theatern, Museen,
52 G+L
Hochschulen, Bibliotheken, Geflüchtetenunterkünften
und Volkshochschulen. Sie
werden bewusst als Orte zum Ankommen
konzipiert, als Orte für Begegnung, als
Lernorte für Nachhaltigkeit und zuweilen
auch als Grenzüberschreiter zwischen
Hochkultur und kleinbäuerlichen Lebensstilen.
Zur Zielgruppe gehören ebenso
junge Eltern, die wollen, dass ihre Kinder
erfahren, woher das Gemüse kommt und
wie es wächst; aber auch Menschen aus
migrantischen bzw. postmigrantischen
Milieus (mit unterschiedlichen Bildungsgraden)
sind relativ schnell für die
Möglichkeiten, die ein solches Projekt
bietet, zu begeistern – insbesondere,
wenn sie in Quartieren leben, die wenig
Umweltgerechtigkeit aufweisen. Und
auch ältere Menschen, die unter Einsamkeit
leiden, sind für ein gemeinschaftlich
organisiertes urbanes Gartenprojekt
adressierbar. Ein aktives Ansprechen –
auch über Institutionen wie Altenzentren
oder Migrationszentren – kann bisweilen
hilfreich sein.
Zur Publikation
„Urban. Gardening.
Über die Rückkehr der
Gärten in die Stadt“
beim oekom-Verlag
Wassergebundene
Wegedecke
Infos
anfordern
Zur Publikation
„Unterwegs in die
Stadt der Zukunft.
Urbane Gärten als Orte
der Transformation“
beim transcript-Verlag
PLAZADUR | TEGSTAB
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Deckschichten für Parkanlagen und
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Zur Webseite der
anstiftung
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G+L 53
KOMMENTAR
VOM LUXUS ,
DER KEINER IST
NORBERT KÜHN
AUTOR
Prof. Dr. Norbert
Kühn ist Leiter
des Fachgebiets
Vegetationstechnik
und Pflanzenverwendung
an der
Technischen
Universität Berlin. Er
studierte Landespflege
an der
TU München-Weihenstephan
und promovierte
im Bereich
Vegetationsökologie.
Parks und Gärten, überhaupt alles, was
um uns herum grün ist, wird gerne als
Luxus gesehen. Nice to have. Zuerst
kommt das, was den Investor*innen Geld
bringt, also Bauen, Bauen, Bauen. Dann
die Verteidigung und die Notwendigkeit,
Brücken und Straßen zu sanieren, damit
wir mobil bleiben. Wir investieren in
KI, damit wir in der technologischen
Entwicklung nicht abgehängt werden.
Allen ist klar, dass wir nur als Teil unserer
Umwelt überleben können. Und trotzdem
lösen wir alle Probleme bislang
immer auf Kosten der Natur. In seinem
Buch „Survival of the Richest“ beschreibt
Douglas Rushkoff, wie amerikanische
Tech-Milliardäre nicht etwa nach Lösungen
für die großen Herausforderungen
suchen, sondern ihn um Rat fragen, wohin
sie im Falle der offensichtlich unabwendbaren
Katastrophe denn am besten
fliehen können.
Nun, so weit sind wir noch nicht. Aber
trotzdem zeigt sich, wie sehr Verantwortung
für die Bevölkerung, für das Glück
und das Wohlbefinden des Einzelnen
heute zugunsten von Geldgier und Machterhalt
zurücktreten muss. Soziale Medien
befeuern die Unzufriedenheit, sollen
Bedürfnisse nach Technologien wecken,
die es noch gar nicht gibt, und schüren
Hass und Feindseligkeit auf alles und
jeden, der nicht im selben Blasendenken
verhaftet ist. Wo hat da noch die Sorge
um unsere Umwelt Raum – wenn man
über vernünftige, differenzierte Argumente
die Menschen gewinnen will und nicht
selbst zu populistischem Alarmismus
greifen möchte?
Grün symbolisiert die Umwelt, Pflanzen
stehen für das Gute in der Natur. Selbst
Menschen, die keinen Bezug zum Gärtnern
haben, lieben Bäume, eine positive
Identifikation, die eine gute Ausgangsposition
darstellt. Und um das, was ich
liebe, darum sollte ich mich schon auch
kümmern – oder zumindest dafür einstehen,
dass es andere tun. Kümmern
bedeutet bei Bäumen, den Ort bestmöglich
nach ihren Bedürfnissen aussuchen,
ihre Etablierung fördern, sich in den
Folgejahren um sie sorgen. Dieser Aufbau
einer Beziehung ist ganz fundamental
für den Erfolg, ob sie nun behördlich in
einem Grünflächenamt verankert ist, durch
eine Firma mit entsprechenden Mitarbeiter*innen
durchgeführt wird oder im ganz
Privaten stattfindet. Ein neu gepflanzter
Baum verzeiht es nicht, wenn er bei Hitze
ohne das nötige Wasser allein gelassen
wird, weil die Besitzer*innen jetzt gerade
drei Wochen nach Südwestnorwegen
fahren müssen – der schönen Natur
wegen. Doch Sparzwänge, Rationalisierungen
und ökonomisches Denken brandmarken
diese fundamentale Gärtner-
Pflanze-Beziehung als unzeitgemäß und
propagieren smarte Lösungen. Und
trotzdem muss am Ende noch einer sein,
der wässert.
In historischen Gärten lernt man, das
Vertrauen auf das Bewährte wiederzugewinnen.
Nicht dass es darum ginge,
alles so zu machen, wie Fürst Pückler im
19. Jahrhundert. Technik hat sich weiterentwickelt,
Wissen hat sich vermehrt und
die gesellschaftlichen Rahmenbedingungen
haben sich verändert. Aber die
54 G+L
GÄRTEN
KOMMENTAR VON NORBERT KÜHN
Gärten und Parks sind
kein Luxus, so Norbert
Kühn, Professor an
der TU Berlin. Vielmehr
seien sie Garant für
eine gesunde Beziehung
von Natur und
Mensch, fungieren als
Foto: Julia von Vietinghoff / FG Vegetationstechnik und Pflanzenverwendung, TUB
Beziehung zur Natur, zum Park und
seinen Elementen, den Pflanzen, hat sich
überall da aufrechterhalten, wo es noch
genügend Personal für diesen Zweck gibt.
Eine Führung durch eine*n Revierleiter*in
hilft zu verstehen, dass ein alter Baum
nicht nur einen Teil der ästhetischen Konzeption
darstellt, sondern auch wie er
sich dort über die Jahrhunderte entwickeln
konnte, was ihm heute zusetzt, wie
man ihm hilft, was ihm zukünftig vielleicht
bevorsteht. Verantwortung für lebende
Organismen wird dort über Generationen
weitergegeben. Mit dieser Verantwortung
wurde auch Wissen tradiert – Wissen,
das uns heute nützt, um Extremereignisse
abzufangen, um so einzuwirken, dass der
Baum vielleicht noch weitere 100 Jahre
stehen bleiben kann.
Ob das so sein wird, entscheidet nicht nur
der Klimawandel. Es entscheidet auch
unsere Gesellschaft, ob wir Tempelhof der
Bebauung opfern oder ob die Bäume,
die Wiesen und die Feldlerchen dort in
Koexistenz mit den Menschen bleiben
dürfen. Ein berühmtes Zitat von Dieter
Kienast lautet: „Der Garten ist der letzte
Luxus unserer Tage, denn er fordert das,
was in unserer Gesellschaft am kostbarsten
geworden ist: Zeit, Zuwendung und
Raum.“ Aber eigentlich liegt er damit
falsch: Gärten und Parks sind eben kein
Luxus, sondern Garant für eine gesunde
Beziehungen von Natur und Mensch, sie
sind Orte der Begegnung, der gelebten
Demokratie. Hier kann jeder so sein wie
er will, muss kein Geld zahlen, um hineinzukommen,
muss nichts konsumieren,
kann Regen oder Sonnenschein genießen,
alleine oder mit Freunden, kann die Kühle
genießen, wenn die eigene Wohnung
zu eng, zu laut, zu heiß oder zu stickig
wird, weil man sich keine andere leisten
kann. Es braucht gar nicht erst die Argumenta
tion um den Klimawandel oder
poten zielle zukünftige Pandemien, um den
Wert herauszustellen. Parks und Gärten
und ihre Pflanzen zu erhalten, zu pflegen,
verantwortlich weiterzuentwickeln –
egal ob sie zum historischen Kulturerbe
gehören oder nicht – wäre eine zentrale
Aufgabe einer zukunftsfähigen demokratischen
Gesellschaft.
Orte der Begegnung
sowie der gelebten
Demokratie.
G+L 55
LÖSUNGEN
Alle Produktinformationen
laut Herstellerangaben.
BODENBELÄGE UND LICHT
IM AUSSENBEREICH
RINGLEUCHTER IM STADTRAUM
Am Potsdamer Platz in Berlin wurde ein
umfassendes Lichtkonzept realisiert. Ziel war
es, die Aufenthaltsqualität zu steigern und die
städtebauliche Struktur zu schärfen. Zentral
sind funktionales Licht, gestalterische Akzente
und ökologische Aspekte. Highlight ist der
acht Meter breite Chandelier von TRILUX,
ergänzt durch maßgefertigte Mastleuchten
desselben Herstellers. Die Planung stammt
von Bartenbach, umgesetzt wurde das Projekt
in Abstimmung mit den Berliner Behörden.
Für die städtebauliche Planung zeichnen
die Büros Schulze + Grassov und Behnisch
Architekten verantwortlich.
trilux.com
BELEUCHTUNG IN NATURNAHEN
RÄUMEN
Hersteller Deltalight ergänzt seine Polesano-
Serie um die neue Pollerleuchte Polesano
Bollard NCL. Die Leuchte – gemeinsam
mit dem Designer Dean Skira entwickelt –
minimiert mit einem reduzierten Blauanteil
im Lichtspektrum die Störung von Flora und
Fauna. Entwickelt für Wege in Parks und
naturnahen Räumen, ermöglicht sie durch ein
optimiertes optisches System Montageabstände
von bis zu zehn Metern. Die Technologie
der Nature Centric LEDs (NCL) zielt auf eine
artenschonende, energieeffiziente Beleuchtung.
Die Jury des Red Dot Awards zeichnete
sie in der Kategorie Product Design mit dem
Titel „Best of the Best 2025“ aus.
deltalight.com
oben: Foto: TRILUX; unten: Abbildung: Deltalight
56 G+L
PRODUKTE
LÖSUNGEN
BAD DOBERANER STADTPARK IN
NEUEM LICHT
Der historische Park „Kamp“ im Zentrum
von Bad Doberan wurde mit einer neuen,
individuell entwickelten Beleuchtung ausgestattet.
Die Planung übernahm Lichtdesigner
Thomas Römhild, umgesetzt wurde das Projekt
in Kooperation mit Hersteller WE-EF. Das
Lichtkonzept verbindet denkmalgerechte
Zurückhaltung mit technischer Raffinesse:
Mast-, Poller- und Pendelleuchten sorgen
für Sicherheit und Atmosphäre, ohne das
historische Ensemble zu stören. Die mehrfarbigen
„Lampions“ orientieren sich farblich
am Abendhimmel.
we-ef.com
LICHT PRÄZISE LENKEN
oben: Foto: WE-EF; unten: Grafik: © ERCO GmbH
Mit der Produktlinie Tesis New stellt Hersteller
ERCO eine überarbeitete Generation
von Bodeneinbauleuchten vor. Die Leuchten
bieten schwenkbare Lichtköpfe, austauschbare
Linsen und Zoom-Optiken für
präzise Lichtführung im Außenraum. Ein neu
entwickelter Halbeinbau-Wandfluter bietet
größeren Positionierungsspielraum. Ziel ist
es, Lichtverschmutzung zu reduzieren und
gleichzeitig gestalterische sowie funktionale
Anforderungen zu erfüllen. Bestehende
Einbaumaße wurden beibehalten. Die Serie
ist auf Langlebigkeit ausgelegt.
erco.com
G+L 57
STABILE STRASSENRÄNDER
Für stark beanspruchte Straßenränder bietet Hersteller FCN mit der
Stradafino-Serie robuste Bankettplatten an. Die Elemente aus zweischichtigem
Beton entsprechen der Belastungsklasse B4 und sind widerstandsfähig
gegen Frost und Tausalz. Erhältlich in glatter oder gerillter Ausführung,
unterstützen sie Regenwasserabfluss und erhöhen durch akustische Rückmeldung
die Verkehrssicherheit. Die Randelemente sind in fünf Varianten
lieferbar, unter anderem mit Leitpfostenanbindung oder für Kurvenbereiche
– abgestimmt auf unterschiedliche Straßenführungen.
nuedling.de
RASEN TRIFFT PFLASTERKLINKER
Greenflow, ein Rasenlochklinker von Vandersanden,
wurde entwickelt, um eine klimafreundliche
Stadtplanung zu unterstützen.
Durch die Integration von Grünflächen in
seine Öffnungen ermöglicht der Pflasterklinker
die Versickerung von Regenwasser und behält
gleichzeitig seine Tragfähigkeit bei – wodurch
Greenflow für Parkplätze und Wohnstraßen
geeignet ist. Die Hohlräume des Steins reduzieren
den Rohstoffverbrauch und die CO₂-
Emissionen. Greenflow bietet Langlebigkeit,
Farbechtheit und Wiederverwendbarkeit.
Er kann maschinell verlegt werden, und die
Pflege des Rasens hängt von der Nutzungsintensität
ab.
vandersanden.com
GRÜNE FUGENWELLE
Das Pflastersystem WaveLiner Rasenwelle von Hersteller KANN verbindet
ökologische Versickerung und moderne Gestaltung. Die zwölf Zentimeter
dicken Steine eignen sich für Verkehrsflächen mit geringem Schwerverkehrsanteil,
wie Stellflächen oder Feuerwehrzufahrten. Breite Fugen
ermöglichen bis zu 50 Prozent Begrünung oder eine Splittfüllung für hohe
Versickerungsraten. Die wellenförmigen Steine sind in Grau und Anthrazit
erhältlich, im Format 60 x 40 x 12 Zentimeter.
kann.de
oben: Foto: FCN, Fulda; Mitte: Foto: KANN, Bendorf; unten: Abbildung: © Vandersanden
58 G+L
PRODUKTE
LÖSUNGEN
KLINKER IM DIALOG
Für das Heizkraftwerk Leipzig Süd entwarf
das Architekturbüro Atelier ST eine architektonische
Gesamtkomposition aus Klinker und
Keramik. Während die oberen Bereiche der
Fassaden mit Keramikplatten von MOE-
DING verkleidet sind, findet der am Sockel
eingesetzte Klinker in drei Sonderfarben
von Hersteller GIMA seine Entsprechung im
Außenraum: Dort verlegt, spiegelt der Pflasterklinker
„Toskana“ von GIMA das Farbspiel
der Fassade im Maßstab des Bodens. So
entsteht ein gestalterischer Zusammenhang
zwischen Gebäude und Umfeld, der stadträumlich
vermittelt.
gima-ziegel.de
RANKEN IM PFLASTER
oben: Foto: Viet Duc Nguyen / Atelier ST; unten: Foto: GODELMANN
In der Anlage für Mehrgenerationenwohnen
in Kümmersbruck finden sich zwischen den
Häusern nicht nur Grünanlagen, sondern
auch durchgrünte Beläge. Zum Einsatz kam
dabei unter anderem das Pflastersystem
GDM.SCADA ornament von Hersteller
GODELMANN. Die Pflastersteine kombinieren
ein Rankenmuster mit begrünten
Fugen; die Vegetation hat einen Flächenanteil
von rund 30 Prozent. Die Oberfläche
der grauen Betonpflastersteine im Format
30 x 30 x 12 Zentimeter ist naturbelassen.
godelmann.de
G+L 59
WATTENMEER IM ORTSZENTRUM
In Büsum wurde der zentral gelegene
Brunnenplatz nach zweijähriger Bauzeit im
Sommer 2024 neu eröffnet. Die Planung
übernahm das Büro Wagner Landschaftsarchitektur.
Gestaltung und Materialwahl
– darunter gelblicher belgrano® Granit und
dunkelgrauer belgrano® Diorit der Firma
BESCO – nehmen direkten Bezug auf die
Strukturen des Wattenmeers. Das zentrale
Wasserspiel bildet dessen Geometrien nach.
Die Maßanfertigung der Natursteine erlaubte
eine präzise Umsetzung. Der Platz verbindet
Küstenlandschaft und Aufenthaltsqualität im
urbanen Raum und stärkt so den Treffpunkt
in der Gemeinde für Besucher*innen und
Einheimische.
besco-gmbh.de
LICHTDESIGN FÜR PARKHAUS
Im polnischen Kołobrzeg wurde ein neues
Parkhaus mit LEDVANCE-Beleuchtung ausgestattet.
Die LED-Streifen mit RGB- und
Weißlicht-LEDs ermöglichen flexible Lichtszenen,
abgestimmt auf verschiedene Anlässe.
Die DALI-gesteuerte Technik erlaubt die Einzelsteuerung
der Lichtsegmente. Das System
wurde werkzeuglos installiert und auf glatten
Flächen mit selbstklebendem Band befestigt.
Ziel des Projekts war es, mit einem hochwertigen
Lichtkonzept die optischen Anforderungen
der Anwohner*innen an die städtische
Infrastruktur zu erfüllen.
ledvance.de
oben: Foto: BESCO: Berliner Steincontor; unten: Foto: LEDVANCE
60 G+L
PRODUKTE
LÖSUNGEN
KOMPAKT BELEUCHTET
Kompakte Bodenaufbauleuchten von
Hersteller BEGA bieten eine bandförmigbreite
Lichtverteilung. Die flachen, robusten
Gehäuse aus Aluminiumguss ermöglichen
eine leuchtennahe Ausleuchtung bei geringer
Lichtpunkthöhe – geeignet für Wege, Plätze
und Eingänge. Durch die breite Lichtabgabe
lassen sich größere Abstände realisieren,
ohne an Gleichmäßigkeit zu verlieren. Die
Leuchten emittieren weniger als ein Prozent
ihres Lichtstroms nach oben und erfüllen
damit „Dark Sky“-Anforderungen zum Schutz
nachtaktiver Tierarten.
bega.com
ORIENTIERUNG IM DUNKELN
oben: Foto: BEGA; unten: Foto: Thorn Lighting
Die Mastaufsatzleuchte Cesar Strut von
Hersteller Thorn Lighting ist für öffentliche
Freiräume konzipiert. Sie eignet sich für
Fußgängerzonen, Parks und Plätze und soll
die Orientierung sowie das Sicherheitsgefühl
bei Dunkelheit verbessern. Die Leuchte verfügt
über eine omnidirektionale Lichtverteilung,
DALI2-Konnektivität und erreicht Schutzklassen
IK10 sowie IP65. Die Mastaufsatzleuchte
ist 3,5 Meter hoch, das Gehäuse
besteht aus Aluminiumdruckguss und ist in
vier Farbtönen erhältlich.
thornlighting.com
G+L 61
IMPRESSUM
LIEFERQUELLEN A-Z
GARTEN+LANDSCHAFT
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Erfüllungsort und Gerichtsstand: München
G+L erscheint 2025 im 135. Jahrgang
ISSN 0016-4720 B 3134 E
BEILAGENHINWEIS
Dieser Ausgabe liegen Prospekte der Euroform K.Winkler
GmbH/srl, I-Sand in Taufers und der RINN Beton- und
Naturstein GmbH + Co. KG, Heuchelheim bei.
Wir bitten unsere Leser um Beachtung.
62 G+L
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G+L 63
GARTEN DER VILLA
BORSCHT IN MÜNCHEN
Der Garten der Villa Borscht in München-Solln stammt aus der
Zeit der Jahrhundertwende. Verfallserscheinungen an Terrassen,
Mauern, Wegen und einer historischen Steinbrücke erforderten
dringenden Sanierungsbedarf zur Erhaltung Münchner Gartengeschichte.
Genau dies waren auch Absicht und Wunsch des
privaten Bauherrn und Besitzers der Gartenanlage.
WOLFGANG H. NIEMEYER
AUTOR
Wolfgang H.
Niemeyer ist
Dipl.-Ing. Landschaftsarchitekt
DWB in München
und 1. Vorsitzender
des DGGL-Landesverbandes
Bayern-Süd.
Als ein „Meisterwerk moderner Gartenkunst“
und als das „Tusculum des Münchner
Oberbürgermeisters“ wurde der
Garten 1911 in der Münchner Illustrierten
Zeitung bezeichnet. Am Isarhochufer in der
Villenkolonie Prinz-Ludwigs-Höhe ließ sich
der ehemalige 1. Bürgermeister Dr. Wilhelm
von Borscht seine Villa von Architekt
Max Littmann und später noch Max Ostenrieder
planen und beauftragte August jun.
Buchner aus der bekannten Münchner
Kunstgärtnerfamilie Buchner mit der Gestaltung
der Gartenanlage. Die Ausführung
des Gartens begann bereits 1897 noch vor
dem Bau der Villa.
Der circa ein Hektar große Garten im Stil
des Historismus mit Elementen der italienischen
Frührenaissance, aber auch der Antike
und des damaligen Zeitgeschmacks,
erstreckt sich über drei Gartenplateaus in
Form von Terrassen – früher teils von Pergolen
überstellt –, von denen aus man weit in
das Isartal, aber auch in den unteren Gartenteil
mit dem Wenzbach, zwei Teichen,
einer Grotte, einer Steinbrücke und Rundbank
mit „Münchner Kindl“ sowie zahlreichen
Balustraden und Skulpturen blicken
konnte. Heute ist der Steilhang von nahezu
30 Metern Höhenunterschied von großen
Bäumen bewachsen, die die Sichtbeziehungen
vor allem im Sommer stark einschränken
oder auch ganz verhindern. „Die Bepflanzung
dieses Parks ist weitgehend unter
dem Gesichtspunkt der ‚künstlerischen
Steigerung der Natur‘ erfolgt, wie sie der
Gartenbaudirektor Willy Lange zu Beginn
dieses Jahrhunderts [20. Jh.] für entsprechende
Anlagen empfiehlt … auffallend
viele schlanke Nadelbäume, vor allem Thujen
… Bepflanzung mit Haselwurz, Hirschzungenfarn
und Wurmfarn, Elfenblume,
Roter Schneerose und vielem mehr. In der
Nähe des Teiches Roter Fingerhut, Geißbart
und am Ufer Sumpfdotterblumen und
ähnliches“ (Ursula Gräfin zu Dohna, 1986).
GUTACHTEN ZUR GARTENSANIERUNG
Nach Beauftragung im Jahr 2022 wurde
in Arbeitsgemeinschaft der Landschaftsarchitekturbüros
Susanne Hlawaczek
und Wolfgang Niemeyer zunächst ein
Gutachten zur Instandsetzung der im Laufe
der Jahrzehnte gealterten historischen
Gartenanlage erstellt. Grundlagen hierfür
waren ein genauer, für die Denkmalpflege
geeigneter Vermessungsplan, ein Parkpflegewerk,
alte Fotos und Beschreibungen
des Gartens und ein Dutzend Veröffentlichungen
über den Garten. Historische
Pläne gab es dagegen keine.
Nach einer umfangreichen Bestandsaufnahme
wurden Entwicklungsziele und Maßnahmen
in Text und Bild formuliert sowie
Kosten ermittelt und Termine zur Umsetzung
der Sanierungsmaßnahmen festgesetzt. Aufgrund
der vorliegenden Verfallserscheinungen
sollte als erste Maßnahme die Brücke
über den Wenzbach saniert werden.
INSTANDSETZUNG DER BRÜCKE
Die Brücke aus Kunststein und Beton wies
nicht nur Risse im Mauerwerk und Abblätte-
64 G+L
links: Villa mit
Gartenterrassen im
Isarhang und Brücke
über den Wenzbach
vor der Sanierung im
Vordergrund
rechts: Blick auf den
unteren Garten mit
sanierter Brücke und
Schwimmbecken
im Hintergrund
Fotos: W. Niemeyer, München
rungen von Feinputzschichten auf, sondern
insbesondere Setzungen von Mauerteilen
aufgrund mangelnder Fundamentierung
und Unterspülungen durch den Wenzbach.
So wurden zunächst Untersuchungen zu
Untergrund- und Grundwasserverhältnissen
angestellt: Hierauf aufbauend, erfolgten
statische Berechnungen und Festlegungen
für acht Meter in die Tiefe gehende Mikropfähle
und darauf aufliegende Fundamentplatten
zur Gründung der instabilen
Brückenteile. Zur Kunststeinsanierung selbst
wurde ein Gutachten an ein Fachbüro für
denkmalpflegerische Bauwerkserhaltung,
Dipl.-Restaurator Gerhard A. Roth,
beauftragt, das wiederum die Grundlage
für die Ausschreibung der erforderlichen
Restaurierungsarbeiten war.
Dipl. Restaurator Milan Meinl, der schließlich
für die Ausführung der Brückensanierung
verantwortlich war, stellt in seiner
Abschlussdokumentation fest: „Das
Restaurierungsprojekt umfasste ein breites
Spektrum an Maßnahmen, darunter die
Demontage und Wiederherstellung der
originalen Brückenelemente, die Reparatur
der Untergrundschichten sowie die
Anwendung neuer Abdichtungen. Die
Arbeiten wurden unter strenger Aufsicht
des Denkmalschutzamts durchgeführt, mit
einem Schwerpunkt auf der Bewahrung
der authentischen Materialien und Techniken,
um die historische Treue der Konstruktion
und ihren langfristigen Schutz vor
weiteren Schäden zu gewährleisten. Die
Stabili sierung und Sanierung der stark
beschädigten Fundamente waren entscheidende
Schritte, um den dauerhaften Schutz
dieses bedeutenden Denkmals zu sichern.“
Fachlich begleitet und finanziell unterstützt
wurde das Projekt von der Deutschen
Stiftung-Denkmalschutz, dem Bayerischen
Landesamt für Denkmalpflege der
Bayerischen Landesstiftung und dem Bezirk
Oberbayern.
AUSBLICK
Der erste Schritt zur Erhaltung der historischen
Gartenanlage war getan. Die
weiteren erforderlichen Maßnahmen zur
Sicherung des Bestandes sind zahlreich:
die Stabilisierung von Mauern und Pfeilern,
die durch den Hangdruck in Schieflage
geraten sind; die Ausrichtung und Reparatur
von Stufen und Treppenanlagen sowie
LITERATUR ZUM GARTEN DER VILLA BORSCHT
Diese Rubrik unterliegt presserechtlich und inhaltlich der Verantwortung der Deutschen Gesellschaft für Gartenkunst und Landschaftskultur:
DGGL Bundesgeschäftsstelle, Pariser Platz 6, Allianz Forum, 10117 Berlin-Mitte, www.dggl.org
Wegen am Steilhang, Terrassenbeläge,
Errichtung einer historischen Pergola, die
Wiederherstellung von verloren gegangenen
Blickbezügen durch Gehölz-Freischnitt
sowie pflanzliche Aufwertungen im Park.
Zu Letzterem wurde im Bereich der Brücke
und des Wenzbaches schon ein Pflanzkonzept,
beruhend auf historischen Fotos und
Beschreibungen, erstellt.
Der fertiggestellte 1. Bauabschnitt wurde
im Sommer 2025 gefeiert. Die Umsetzung
der weiteren Maßnahmen wird noch Jahre
dauern. Im Rahmen der alljährlichen
Pflegearbeiten kann die Gartenanlage
vielleicht in kleinen Schritten fortentwickelt
und vervollkommnet werden, sodass dieses
Juwel der Gartenkunst – wie auch vom
heutigen Besitzer so gesehen – dauerhaft
erhalten bleibt.
• Cavalieri, Ingrid: Die Kunstgärtnerfamilie Buchner. „Münchens ältestes Gärtnergeschlecht“, in:
Die Gartenkunst, Heft 1 (2021), S. 31–48, insbes. S.43–45.
• Dohna, Ursula zu / Schönborn, Philipp / Sayn-Wittgenstein-Sayn, Marianne zu: Private
Gartenkunst in Deutschland, Herford 1986, insbes. S. 180–186.
• Gribl, Dorle: Villenkolonien in München und Umgebung, München 1999, insbes. S. 97–100.
• Lauterbach, Iris: Stadt, Land, Fluss: Private Gartenkultur und Villengärten in München,
1800–1930, in: Borgmeyer, Anke / Knipping, Detlef / Lauterbach, Iris (Hgg.): Villengärten
1830–1930: Geschichte, Bestand, Gefährdung, Regensburg 2020, S. 27–60, insbes. S. 46–48.
G+L 65
SICHTACHSE
ZEIT FÜR EINE
EIGENSTÄNDIGE
UNIVERSITÄT
Jürgen Weidinger
ist Professor an der
TU Berlin und leitet
das Fachgebiet
„Landschaftsarchitektur
Entwerfen“.
Als geschäftsführender
Gesellschafter
von Weidinger
Landschaftsarchitekten
ist er als
praktizierender
Landschaftsarchitekt
tätig.
JÜRGEN WEIDINGER
Landschaftsarchitektur ist eine Handlungsdisziplin. Diese zentrale
Kompetenz kann man als Know-how-Wissen bezeichnen. Landschaftsarchitektur
wird durch zahlreiche Disziplinen, wie unter anderem
Verkehrswesen, Pflanzenkunde oder Baukon struktion, unterstützt,
die sich als Know-what-Wissenschaften verstehen. Die
Handlungskompetenz aller Entwurfsdisziplinen ist der Schlüssel,
damit das Know-what-Wissen anderer Wissenschaften überhaupt
erst aktiviert werden kann. Ohne Entwerfen bleibt Know-what-
Wissen stumpf und folgenlos für die Verbesserung der Welt.
Wenn es um das Verhältnis dieser Wissensarten geht, führt das
in eine Debatte über Wissenschaftsverständnisse und auch in die
Wissenschafts- und Universitätspolitik. Die Know-what-Wissenschaften
gehen in der Regel davon aus, dass durch Forschung
als Top-down-Theoriebildung neues Wissen gewonnen wird.
Man geht dort auch davon aus, dass dieses Know-what-Wissen
durch die Gesellschaft oder die Entwurfspraxis, wie nach einem
Rezept, nur noch angewendet werden muss oder durch Fachhochschulen
erprobt wird.
In der Landschaftsarchitektur funktioniert das so nicht! Bei Landschaftsarchitektur-Autor*innen
erfolgen Lernprozesse und die
Auffindung neuen Wissens auf andere Weise. Es ist in der Regel
nicht die Lektüre der Papers und Berichte der Know-what-Wissenschaften
zu den vorherrschenden Themen der Zeit, wie Biodiversität,
Teilhabe, Gesundheit et cetera, die das Neue triggern.
Häufig sind es andere Anregungen, wie die Resultate und Idiosynkrasien
geschätzter Entwerfer*innenpersönlichkeiten.
Neue Landschaftsarchitektur entsteht durch das Aufspüren und
das Entwickeln ungewöhnlicher Lösungsansätze. Die Voraussetzung
dafür ist, dass man sehr gut entwerfen kann. Das umfasst
das schnelle Skizzieren, die Erarbeitung überzeugender Wettbewerbsbeiträge
und die konsequente Umsetzung – auch gegen
Widerstände. Es ist ausschließlich die stetige und intensive Entwurfsarbeit,
die darauf vorbereitet. Die Untersuchung von Einzelproblemen
als Forschung reicht dafür nicht.
Ungewöhnliche Lösungsansätze fordern zuerst die kritische
Diskussion in der Praxis heraus, dann folgt der Diskurs in Academia.
Durch dieses argumentierende „Streiten“ wird das Neue
nicht deduktiv, sondern induktiv und abduktiv aus den Entwurfsprojekten
„herausgehoben“ und versprachlicht. Es geht dabei um
Findung und nicht um Anwendung.
Was bedeutet das für die Landschaftsarchitektur als Wissenschaft
und deren institutionelle Verortung? In Deutschland ist die wissenschaftliche
Landschaftsarchitektur an den Universitäten angesiedelt.
Dort, insbesondere an den Technischen Universitäten,
bestimmen die Know-what-Wissenschaften als Mehrheit über die
Rahmenbedingungen und die Zukunft der universitären Landschaftsarchitektur.
Akzeptiert man dieses Wissenschaftsmodell der
Know-what-Wissenschaften, wird das auch zur Folge haben,
dass Landschaftsarchitektur zukünftig fast nur noch durch Vertreter*innen
der Know-what-Wissenschaften gelehrt wird, die selbst
nicht entwerfen oder nicht entwerfen können und keine Entwurfsresultate
vorweisen können. Das kann nicht sinnvoll sein.
Wissenschaftliche Fakten sind ein hohes Gut, besonders in
Zeiten verrückter Social-Media-Fakes, trotzdem benötigen wir
für die zukünftige Landschaftsarchitektur ein Gegenmodell zur
Know-what-Wissenschaft. Es ist Zeit für eine Universität für
die ent werfenden Disziplinen Landschaftsarchitektur, Architektur
und Städtebau, die auf einem emanzipierten Wissensbegriff,
auf eigenständigen Methoden und Qualifizierungsverfahren,
wie zum Beispiel der entwurfsbasierten Promotion (siehe
www.pep.tu-berlin.de), aufbaut.
Wir sollten die Handlungskompetenz der Landschaftsarchitektur
weiter stärken und die daraus resultierende wissenschaftliche
Kompetenz, das heißt, die Wissenserzeugung als Brücke von der
Praxis zur Theorie und wieder zur Praxis, aktiv bewerben und im
politischen Diskurs durchsetzen.
G+L IM OKTOBER 2025: DIGITALISIERUNG IN ÄMTERN & BÜROS
Während Estland nahezu papierlos und blitzschnell plant, verzögert
sich in Deutschland jeder Planungsprozess durch analoge Verfahren
und Bürokratiechaos. In der Oktoberausgabe der G+L diskutieren wir,
wie die Digitalisierung in Ämtern, aber auch in privatwirtschaftlichen
Planungsbüros vorangetrieben werden kann. Was hindert deutsche
Bürochef*innen und Planungsreferent*innen daran, auf digitale Arbeitsweisen
umzustellen? Wir sprechen mit Expert*innen, die zeigen,
wie Ämter und Büros auch in ihren Arbeitsweisen up to date bleiben.
Illustration: Georg Media, ursprüngliches Foto: JULIE NAGEL Photography
66 G+L
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Foto © Alex Filz; AKI Familyresort, Brixen
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Das uralte Prinzip der Seilfähre stand Pate für unsere schwimmende Überbrückung von
kleinen Gewässern in Parks, Freizeitanlagen und auf Spielplätzen. Ein beidseitig verankertes
Seil verbindet die gegenüberliegenden Ufer. An diesem Seil wird die Fähre sicher in
ihrer Bahn von einer Seite zur anderen gezogen. Ein mit Schaumstoff gefüllter Hohlkörper
sorgt für die Seetüchtigkeit und ein eingebautes Gegengewicht aus Beton verhindert eine
unerwünschte Verlagerung des Bootskörpers. Die Seilfähre wird oft in Rollenspiele integriert,
ist aber vor allem auch ein faszinierendes Beförderungsmittel.
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