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G+L 10/2025

Digitalisierung

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MAGAZIN FÜR LANDSCHAFTSARCHITEKTUR

UND STADTPLANUNG

01

MIT

DRINGLICH

DIGITALISIERUNG

IN ÄMTERN UND BÜROS

+++ NEUE AUSGABE +++ VOR 1 MIN

JETZT

JETZT VERÖFFENTLICHT

01. OKTOBER

SWIPE TO UNLOCK


EDITORIAL

Estland zeigt uns, wie es geht: digitale Genehmigungen, papierlose

Verwaltung, rasante Planung. Währenddessen hängen deutsche

Planungsprozesse oft im digitalen Niemandsland fest, verzögert

durch analoge Verfahren und ein Dickicht an Bürokratie. Die

Diskrepanz könnte größer kaum sein – und sie hat Konsequenzen.

Unser Oktoberheft widmet sich daher der Frage, wie die Digitalisierung

nicht nur in Ämtern, sondern auch in Planungsbüros vorangetrieben

werden kann. Denn längst ist klar: Der technologische

Rückstand bremst die Effizienz und belastet die Nerven all jener,

die tagtäglich mit den veralteten Strukturen arbeiten.

Eine Chatnachricht jagt die nächste, E-Mails

und Eilmeldungen folgen auf dem Fuße.

Die Digitalisierung durchzieht längst

unseren Alltag, nicht nur bei der Kommunikation.

In dieser Ausgabe werfen wir

einen genaueren Blick darauf, wie es um

die Digitalisierung in Planungsbüros und

Ämtern steht – und fragen, wie diese

weiter vorangetrieben werden kann.

Was genau hält uns also zurück? Liegt es am Mangel an technischer

Ausstattung, am fehlenden Fachwissen oder vielleicht doch

an eingefahrenen Arbeitsweisen? In Gesprächen mit Digitalisierungs-Expert*innen

und Akteur*innen der Planungswelt zeichnen

wir ein Bild der Stolpersteine und Lösungsansätze. Dabei wird

deutlich, dass die Transformation auch eine Frage des Wollens

ist – und des systematischen Wandels, der in jeder Ecke unseres

Berufsfeldes spürbar sein muss. Und das gilt tatsächlich nicht nur für

die Verwaltung, sondern eben auch für eine Vielzahl an Planungsbüros,

in denen sich Mitarbeitende bis heute in veralteten Systemen

viel zu wenige Lizenzen teilen müssen. Wie könnte also ein

Arbeitsplatz von morgen in Büro und Verwaltung aussehen, das

papierlos und vernetzt arbeitet, in dem jede*r Mitarbeitende sicher

im Umgang mit digitalen Werkzeugen ist und Abläufe reibungslos

ineinandergreifen?

Natürlich reicht es nicht, Software zu installieren und zu hoffen,

dass die digitale Effizienz von selbst entsteht. Es braucht eine

grundsätzliche Bereitschaft zur Veränderung und ein starkes Verständnis

dafür, dass Digitalisierung mehr als eine technische

Anpassung ist: Sie bedeutet, Prozesse neu zu denken und sich für

die Möglichkeiten zu öffnen, die eine vernetzte Arbeitswelt bieten

kann. In dieser Ausgabe erfahren Sie von Projekten und Strategien,

die bereits jetzt Zeichen setzen – im Großen wie im Kleinen.

Letztlich ist klar: Durch eine konsequente Modernisierung der

Arbeitsweise können Planungsbüros und Behörden die Effizienz

steigern, die Projekte der Zukunft fristgerecht umsetzen und ein

nachhaltiges Erbe schaffen. Wenn wir nicht handeln, riskieren wir,

dass die Zukunft uns überholt – und dass wir den Anschluss an

eine Arbeitswelt verlieren, die längst digital geworden ist.

Covergrafik: Studio Böreck; Illustration: Georg Media

THERESA RAMISCH

CHEFREDAKTION

t.ramisch@georg-media.de

G+L 3


INHALT

AKTUELLES

06 SNAPSHOTS

09 MOMENTAUFNAHME

Mauer mit Meerwert

DIGITALISIERUNG IN

ÄMTERN UND BÜROS

10 WIE KI DIE ZUKUNFT DER STÄDTE BEEINFLUSST

Der neue Arbeitskollege heißt KI

16 „WIR MÜSSEN UNSERE PLANUNGSPROZESSE TRANSFORMIEREN“

Stephan Lenzen, Landschaftsarchitekt und Präsident des bdla, im Interview

20 KÜNSTLICHE ILLUSIONEN

Die weniger glamourösen Wahrheiten der Künstlichen Intelligenz

24 „OHNE FACHWISSEN NÜTZT DIE KI NICHTS“

Interview mit Christian Graf von der OST – Ostschweizer Fach hochschule

28 LONDON AI

Ein Blick auf das KI-Ökosystem und Planungsprojekte in London

32 „JEDE GRÖSSERE STADT WIRD AUF URBANE DIGITALE ZWILLINGE

SETZEN“

Joachim Schonowski im Interview zum ersten Standard für Digitale Zwillinge

35 „DER DIGITALE ZWILLING GEHÖRT ZUR NEUEN ARBEITSREALITÄT“

Klaus Illigmann, Referat für Stadtplanung und Bauordnung München, im Interview

38 KLICK STATT STEMPEL

Ein Blick auf den aktuellen Stand der Digitalisierung in deutschen Planungsämtern

42 WO FRÜHER NUR KARTEN UND SKIZZEN HALFEN

Wie ein 3D-Projektplaner in Hamburg das Planen erleichtert

46 GIS: AUFWAND ODER NUTZEN?

Ein Kommentar von Matthias Pietsch, Professor für angewandte Geoinformatik

48 NEUE PERSPEKTIVEN DURCH IMMERSIVE TECHNOLOGIEN

Ein Kommentar von Hubertus Schäfer, Bürogründer von GREENBOX

50 DIE DIGITALE ZUKUNFT GRÜNER PLANUNG

Wie ein Forschungsprojekt den Einsatz von BIM in der Grünen Branche voranbringt

54 VON ANFANG AN DIGITAL

Ein Kommentar von Luisa Richter-Wolf, Bundesfachschaftsratmitglied in der BuFaLa

Herausgeber:

Deutsche Gesellschaft

für Gartenkunst und

Landschaftskultur e.V.

(DGGL)

Pariser Platz 6

Allianz Forum

10117 Berlin-Mitte

www.dggl.org

PRODUKTE

56 LÖSUNGEN

Messeausgabe FSB 2025

RUBRIKEN

62 Impressum

62 Lieferquellen

63 Stellenmarkt

64 DGGL

66 Sichtachse

66 Vorschau

G+L 5


TOBIAS HAGER

WIE KI DIE ZUKUNFT

DER STÄDTE

BEEINFLUSST

KI

DIE ZUKUNFT

mobile

Was wäre, wenn Ihr neuester Kollege im Planungsbüro keinen

Kaffee trinkt, nie schläft und vor dem Frühstück mehr Daten

verarbeitet, als Sie in einem Jahrzehnt sehen werden? Nein, es

handelt sich nicht um den Praktikanten – es ist künstliche Intelligenz

(KI). In den Metropolen dieser Welt ist KI längst keine

futuristische Fantasie mehr, sondern ein zunehmend präsenter,

unsichtbarer Mitgestalter der Stadtlandschaft. Sie modelliert

Klimaresilienz, leitet Busse in Echtzeit um und macht sogar

Vorschläge, wie Ihr nächstes Gebäude aussehen sollte – vorzugsweise

mit optimaler Sonneneinstrahlung und überschaubar

viel Seele.

10 G+L


DIGITALISIERUNG IN ÄMTERN UND BÜROS

WIE KI DIE ZUKUNFT DER STÄDTE BEEINFLUSST

Grafik: Studio Böreck

AUTOR

Tobias Hager ist

Journalist und

Digitalisierungsexperte.

Seit 2020

leitet er als Chief

Content Officer die

Medienmarken von

Georg Media und ist

in dem Medienhaus

ebenfalls für alle

digitalen Themen

zuständig. Zusätzlich

ist er Chefredakteur

des Architekturmagazins

Baumeister.

Dieser Artikel befasst sich eingehend damit,

wie KI die Stadtplanung verändert, von der

Flächennutzungsplanung bis zur Bürgerbeteiligung,

von Verkehrssimulationen bis zu

ethischen Dilemmata. Aber keine Sorge –

dies ist kein technikutopischer Monolog.

Wir bleiben fest auf dem Boden (vorzugsweise

einem begrünten) und beleuchten

die Vorurteile, die „Black-Boxes“ und die

bürokratischen Freuden der algorithmischen

Rechenschaftspflicht. Was dabei

entsteht, ist weder Angst noch Faszination,

sondern eine neue berufliche Herausforderung:

Planer*innen müssen lernen, sich

nicht nur in Straßen und Stadtteilen zurechtzufinden,

sondern auch in Datensätzen

und neuronalen Netzen. Bevor also

Ihre nächste Nachbarschaftsberatung

von einem Chatbot durchgeführt wird –

oder schlimmer noch, Ihr Entwurf automatisch

zu einem Beton-Albtraum optimiert

wird –, lesen Sie weiter. Dies ist Ihr

geistreicher, fundierter Leitfaden zu den

Versprechungen, Rätseln und der urbanen

Poesie der Planung mit KI.

WILLKOMMEN IN DER ERWEITERTEN

POLIS

Manche Revolutionen kommen mit viel

Lärm und Spektakel daher, andere

schleichen sich still und leise in unseren

Alltag. Künstliche Intelligenz tut, je nach

Blickwinkel, beides. Für Stadtplaner*innen

und Architekt*innen ist KI (noch) nicht wie

ein Roboter mit Megafon durch die Türen

der Planungsbüros gestürmt. Stattdessen

summt sie diskret im Hintergrund: Sie

prognostiziert Verkehrsmuster, schätzt den

Energieverbrauch oder schlägt Optimierungen

für die Flächennutzung vor. Sie ist

bereits da und zeichnet still und leise die

Konturen der Städte neu.

KI ist nicht einfach nur ein weiteres Werkzeug

im digitalen Werkzeugkasten der

Planer*innen – sie ist ein Paradigmenwechsel

in der Art und Weise, wie wir

städtische Systeme verstehen, simulieren

und in sie eingreifen. Wo Planer*innen

früher mit Beton und Konturlinien arbeiteten,

müssen sie sich heute mit Datensätzen,

Modellen und algorithmischen

Überlegungen auseinandersetzen. Dies

erfordert einen konzeptionellen Sprung:

die Stadt nicht nur als räumliches Konstrukt

zu sehen, sondern als einen Informationsorganismus

– lebendig mit Sensoren,

Rückkopplungsschleifen und probabilistischen

Zukunftsszenarien.

Die Auswirkungen sind enorm. Zum ersten

Mal haben Stadtplaner*innen Zugang zu

Diensten, die Millionen von Datenpunkten

in Echtzeit erfassen und umsetzbare Erkenntnisse

generieren können. Diese

Leistungsfähigkeit bringt jedoch auch neue

Verantwortlichkeiten mit sich. Wenn ein

KI-Modell einen Plan zur Neuzonierung

vorschlägt, wer überprüft dann dessen

Annahmen? Wenn ein Algorithmus zur

prädiktiven Polizeiarbeit ein Stadtviertel

markiert, wer überprüft dann die Konsequenzen?

Und wenn maschinell generierte

Darstellungen den öffentlichen Raum prägen,

wer stellt dann sicher, dass sie mit der

kulturellen Identität und den lokalen

Bedürfnissen übereinstimmen?

Stadtplanung war schon immer sowohl

Kunst als auch Wissenschaft. Das Aufkommen

der KI verschiebt das Gleichgewicht

– hin zur Wissenschaft, zur Simulation,

zur Geschwindigkeit. Doch Städte

sind langsame, widersprüchliche, emotionale

Gebilde. Sie verhalten sich nicht

immer wie erwartet. Daher müssen sich

die Planer*innen weiterentwickeln –

nicht zu Datenwissen schaftler*innen an

sich, sondern zu Vermittler*innen zwischen

algorithmischer Logik und gelebter

Erfahrung.

Um Cedric Price zu paraphrasieren:

„Technologie ist die Antwort. Aber wie

lautete die Frage?“ In der Stadtentwicklung

gibt es viele Fragen – und sie sind

dringend. Entwerfen wir Städte zur

Optimierung oder zum Gedeihen? Befähigen

wir Bürger*innen oder Systeme? Ist

KI ein Instrument der Gerechtigkeit – oder

der Kontrolle?

KI-EINMALEINS FÜR STADT-

PLANER*INNEN: MASCHINELLES

DENKEN VERSTEHEN

Bevor wir uns mit den Anwendungsmöglichkeiten

befassen, müssen wir uns

ein grundlegendes Verständnis davon

verschaffen, was KI eigentlich ist. Für

unsere Zwecke bezieht sich KI nicht auf

Science-Fiction-Roboter, sondern auf

eine Reihe von Computersystemen, die

Aufgaben ausführen können, für die

normalerweise menschliche Intelligenz

erforderlich ist. Dazu gehören Mustererkennung,

Vorhersagen, Entscheidungsfindung

und – seit Neuestem – die Generierung

von Inhalten.

Der für die Stadtentwicklung relevanteste

Zweig der KI ist das maschinelle Lernen

(ML), ein Teilbereich, in dem sich Algorithmen

durch Erfahrung automatisch verbessern.

Diese Systeme lernen aus Trainingsdaten,

also riesigen Datensätzen, die zur

G+L 11


„WIR MÜSSEN

UNSERE PLANUNGS-

PROZESSE

TRANSFORMIEREN“

Die Digitalisierung bietet das Potenzial, den Arbeitsalltag von Planer*innen

zu erleichtern. Es reiche jedoch nicht aus, neue digitale Werkzeuge einfach

ergänzend einzusetzen, erklärt bdla-Präsident Stephan Lenzen. Vielmehr

brauche es eine grundlegende Transformation verfestigter Planungsprozesse,

um das Potenzial der Tools auszuschöpfen. Wie digital der Büroalltag aktuell

schon ist, wie sich mit den Entwicklungen Schritt halten lässt und was er

sich vonseiten der Auftraggeber*innen wünscht, berichtet Stephan Lenzen

im Interview.

FRAGEN: ANNA MARTIN

INTERVIEWEE

Stephan Lenzen ist

Landschaftsarchitekt

und Präsident des

bdla. 1999 begann

er, im Büro RMP

Landschaftsarchitekten

zu arbeiten. 2004

übernahm er das

Büro als Inhaber.

Zudem lehrt er an

der FH Dortmund.

Herr Lenzen, welche digitale Anwendung

können Sie sich aus Ihrem Berufsalltag

nicht mehr wegdenken?

Ich glaube, dass die digitale Kommunikation,

da wir sie ja auch in unserem privaten

Umfeld verinnerlicht haben – wie

digitale Meetings, E-Mails, WhatsApp,

Miro-Boards, digitaler Zugriff von zu

Hause aus (Homeoffice) oder soziale

Medien –, für mich nur schwer wieder

wegzudenken wäre. Auch wenn ich immer

noch merke, dass Ergebnisse kon struktiver,

wohlwollender beziehungs weise ausgewogener

erzielt werden, wenn Menschen

sich physisch in einem Raum befinden.

Die digitalen Planungsprozesse, also

insbesondere die Planungserstellung, sind

für mich heute nur noch schwer analog

vorstellbar, auch wenn immer noch die

ersten Skizzen, schnelle Lösungsansätze

oder Konzepte mittels Stift und Skizzenpapier

entstehen.

Wie digital ist der Büroalltag in Landschaftsarchitekturbüros

gegenwärtig?

Der Alltag wird im Digitalisierungsgrad

sicher unterschiedlich sein – ich denke

insbesondere in Abhängigkeit zur Bürogröße,

da sich die Mehrwerte des digitalen

Arbeitens in größeren Strukturen

stärker positiv bemerkbar machen. Digitale

Kommunikation und digitale Planwerkserstellungen

sollten aber standardmäßig

verbreitet sein. Jedoch schöpft das

auch nur einen geringen Teil des Potenzials

aus, da man sie nur als digitale Werkzeuge

im analog eintrainierten Planungsprozess

verwendet.

Ich bin mir sicher, dass wir unsere Planungsprozesse

transformieren müssen, um

sie den digitalen Möglichkeiten von BIM,

GIS und KI anzupassen. Zum Beispiel

sieht der Großteil der Branche in BIM

etwas, das für die reinen Landschaftsarchitekturprojekte

sowieso nicht infrage

kommt, oder eben eine dreidimensionale

Plandarstellung, die von Architekt*innen

und Bauherr*innen gewünscht wird. Und

dabei würde es dann reichen, wenn ein

kleiner Teil des Büros diese digitale

16 G+L


DIGITALISIERUNG IN ÄMTERN UND BÜROS

INTERVIEW MIT STEPHAN LENZEN

Vor allem im Bereich

der Planwerkserstellung

sieht Stephan

Lenzen Potenziale zur

Entlastung durch

digitale Tools.

Foto: manuel frauendorf fotografie

„Digitale Kommunikation

und digitale Planwerkserstellungen

sollten

standardmäßig verbreitet

sein.“

Planung beherrscht – nämlich ausschließlich

die Mitarbeiter*innen, die aufgrund

ihrer persönlichen Präferenzen und Fähigkeiten

besonders versiert und schnell im

Umgang mit sowie im Erlernen von digitalen

Softwarelösungen sind.

Dieses Interview bietet nicht ausreichend

Raum, um diese neue Planungsmethode

detailliert zu erläutern, aber sie birgt das

Potenzial, von Anfang an gemeinsam auf

dem gleichen Modell, egal in welcher

Leistungsphase, zu arbeiten. Das bedarf

aber natürlich eines anderen Fokus auf

Genauigkeiten der digitalen Grundlagen

in den ersten Leistungsphasen, einer

höheren Standardisierung, einer präziseren

Benennung der verwendeten Elemente,

einer Abkehr vom zweidimensionalen

Planen, eines wachsenden Modells und

nicht verschiedener Planwerke je Leistungsphase.

Wenn man diese, ich nenne

sie mal Planungsstruktur, für das gesamte

Büro etabliert hat – kein geringer und

auch mühevoller Transformationsprozess

–, dann kommt man an einen Punkt, ab

dem zurückgezahlt wird.

In welchem Bereich sehen Sie das größte

Potenzial für Entlastungen durch digitale

Tools?

In der Planwerkserstellung an sich, wie

eben erzählt: aufgrund von vielen Möglichkeiten,

auf Basis eines durchdachten

Modells automatische Funktionen – programmiert

oder KI-basiert – zu integrieren,

die den Mitarbeiter*innen viel Zeit

für rein technische, berechnende oder

wiederholende Tätigkeiten erspart. Des

Weiteren sind es die automatisierten

Ausgaben für Ausschreibungen, Angaben

G+L 17


KÜNSTLICHE

ILLUSIONEN

Während Städte, Unternehmen und Berater*innen gemeinsam von

einem durch KI ermöglichten goldenen Zeitalter träumen, bleiben einige

weniger glamouröse Wahrheiten bestehen – unbequem, messbar und

strukturell ignoriert.

TOBIAS HAGER

Wie die meisten Illusionen beginnt auch

diese mit einem Versprechen: Künstliche

Intelligenz werde unser Leben in der

Stadt reibungsloser machen, unsere Entscheidungen

rationaler und unsere Zukunft

optimieren. Die KI-gestützte Stadt

ist mittlerweile fester Bestandteil jeder

Planungspräsentation, jedes Strategiepapieres

und jeder Start-up-Präsentation.

Intelligente Mobilität, vorausschauende

Wartung, partizipative Regierungsführung

– all das soll nur noch einen Algorithmus

entfernt sein.

Hinter der glänzenden Oberfläche von

Chat-Schnittstellen und Design-Generatoren

verbirgt sich jedoch eine weniger

vorzeigbare Realität. Eine Realität,

die von wahlloser Datenextraktion,

struktureller Undurchsichtigkeit, Energieverbrauch

in exorbitantem Ausmaß

und Voreingenommenheit in industriellem

Maßstab geprägt ist. KI ist trotz

ihres transformativen Potenzials keine

himmlische Intelligenz. Sie ist eine Infrastruktur

– hungrig, ungenau und alles

andere als neutral. Werfen wir einen

genaueren Blick auf die Kosten dieser

neuen Maschinenlogik. Nicht auf die

finanziellen Kosten, die beträchtlich

sind, sondern auf die ökologischen,

ethischen und epistemologischen Kosten,

die die meisten lieber nicht erwähnen

– insbesondere bei Ted-Talks und

fancy Konferenzen.

DATEN SIND DAS NEUE ÖL – UND DAS

LECK STECKT IM BAUPLAN

Große Sprachmodelle sind nicht kreativ.

Sie verstehen keine Bedeutung. Sie

arbeiten mit statistischen Textvorhersagen

– basierend auf riesigen Mengen an

Sprachdaten, die unter anderem aus dem

offenen Internet und leicht zugänglichen

digitalen Bibliotheken gesammelt wurden.

Dazu gehören buchstäblich: Bücher ohne

Zustimmung, Code ohne Lizenzen, urheberrechtlich

geschützte Artikel, Social-

Media-Beiträge, persönliche Tiraden und

synthetischer Schlick aus den Tiefen von

Reddit-Threads, die kein Mensch jemals

wieder besuchen sollte.

Die romantische Vorstellung, dass KI-

Systeme „von der Welt lernen”, bricht

unter rechtlicher Prüfung in vielen Ländern

der westlichen Welt schnell zusammen.

Die meisten großen Modelle werden mit

Datensätzen von unklarer Herkunft trainiert.

Bemühungen, die Quellen zu verbergen,

sind mittlerweile gängige Praxis in

der Branche – gerechtfertigt unter dem

Deckmantel des Geschäftsgeheimnisses.

Aber täuschen Sie sich nicht: Die sogenannte

„Intelligenz” der KI ist das Produkt

eines extraktiven Datenkolonialismus, nicht

kreativer Ingenieurskunst.

Darüber hinaus ist die Interaktion nicht

privat. Trotz ihres höflichen Tons und ihres

raffinierten Brandings sind KI-Chatbots

20 G+L


DIGITALISIERUNG IN ÄMTERN UND BÜROS

KÜNSTLICHE ILLUSIONEN

keine vertraulichen Gesprächspartner.

Was Sie eingeben, wird protokolliert,

kategorisiert und im Falle vieler großer

Anbieter für zukünftige Modellverbesserungen

gespeichert. Die Eingabedaten

können von Menschen überprüft werden.

Die rechtlichen Rahmenbedingungen

variieren. Mit anderen Worten: Ihre

Unterhaltung mit der Maschine könnte Ihr

Vertrauen in sie überdauern. Selbst Sam

Altman, CEO von OpenAI, warnte

kürzlich davor, allzu intime und private

Gedanken mit seiner technologischen

Schöpfung ChatGPT zu teilen. Vor allem

angesichts der Tatsache, dass viele

Menschen offenbar ihre eigenen virtuellen

Therapeut*innen und Gesprächspartner*innen

erstellen, wies Altman

darauf hin, dass die Daten nicht privat

sind und theoretisch abgerufen werden

könnten. Ein aktuelles Urteil eines amerikanischen

Gerichts hat OpenAI außerdem

dazu verpflichtet, Chat-Daten auf

unbestimmte Zeit zu speichern. Neben

der New York Times haben auch andere

amerikanische Medien Klagen eingereicht,

weil sie mehr Zeit benötigen, um

Urheberrechtsverletzungen durch

OpenAI nachzuweisen. Bisher wurden

die Daten spätestens nach 30 Tagen von

den Servern von OpenAI gelöscht.

cher Dienstleistungen –, lagert sie nicht

Intelligenz aus, sondern historische

Vorurteile, die in probabilistische Logik

gekleidet sind.

Der Algorithmus denkt nicht. Er ahmt die

Vergangenheit nach und geht davon aus,

dass sie immer noch gilt. Voreingenommenheit

in der künstlichen Intelligenz ist

kein Fehler. Sie ist ein Nebenprodukt –

das Sediment von Millionen digitaler

Stimmen, die durch mathematische

Komprimierung gefiltert wurden. Selbst

wenn Entwickler*innen versuchen,

Modelle „vorurteilsfrei” zu gestalten,

bleibt das grundlegende Problem bestehen:

Diese Systeme verstehen Gerechtigkeit

nicht. Sie verstehen nur Muster. Im

städtischen Kontext kann dies alarmierende

Auswirkungen haben. Ein KI-Modell,

das zur Priorisierung von Wohnungsanträgen

verwendet wird, könnte lernen,

dass bestimmte Postleitzahlen mit niedrigeren

„Stabilitätswerten“ korrelieren. Ein

Tool zur prädiktiven Polizeiarbeit könnte

dazu führen, dass Patrouillen sich übermäßig

auf bereits polizeilich stark über-

VOREINGENOMMENHEIT IN GROSSEM

MASSSTAB – STEREOTYPEN MIT EINEM

LÄCHELN AUS SILIKON

Foto: Sumaid Pal Singh Bakshi auf Unsplash

Das Problem beim Lernen aus dem

Internet ist, dass das Internet voller

Menschen ist. Und Menschen sind trotz all

ihrer guten Absichten bekanntermaßen

voreingenommen. Das gilt auch für die

Modelle, die auf der Grundlage ihrer

Ergebnisse trainiert werden. Zahlreiche

Studien haben inzwischen gezeigt:

Sprachmodelle reproduzieren und verstärken

soziale Stereotypen. Sie verbinden

Namen mit Ethnien, Geschlechter mit

Berufen, Nationalitäten mit Kriminalität.

Bittet man ein Modell, eine Stellenanzeige

zu schreiben, filtert es möglicherweise

stillschweigend weibliche Pronomen

heraus. Bittet man es um einen Arzt, spielt

es möglicherweise einen weißen Mann

zurück. Das sind keine Zufälle. Es sind

vorhersehbare Ergebnisse von Skalierung

ohne Überprüfung.

Und genau hier liegt das systemische

Risiko: Wenn eine Stadt damit beginnt,

nur noch KI bei Entscheidungen zu vertrauen

– bei der Zoneneinteilung, bei

Einstellungen, bei der Erbringung öffentli-

wachte Stadtteile konzentrieren. Ein städtischer

Chatbot, der Fragen in 17 Sprachen

beantwortet, könnte dennoch standardmäßig

höfliches Englisch verwenden,

wenn er Autorität wahrnimmt.

Ein Algorithmus kennt

keine Gerechtigkeit, er

kennt nur Muster.

G+L 21


LONDON AI

Eines der bekanntesten Wahrzeichen Londons, von der Themse aus gut zu

sehen, ist das London Eye. Weniger sichtbar ist der Rang, den sich die britische

Hauptstadt in der KI-Branche erarbeitet hat. Die britische Regierung hat sich

vorgenommen, die Vorreiterrolle Großbritanniens weiter auszubauen und sicherzustellen,

dass das Land an der Spitze des neuen „Space Race“ – diesmal um

die KI – vorne mitspielen möchte. Ein Blick auf das KI-Ökosystem und Planungsprojekte

in London.

ANNA MARTIN

Guten Morgen! Wie geht es dir heute?

Guten Morgen. Ich habe derzeit ein geringes Wachstum,

aber die allgemeinen Bedingungen wie Temperatur

und Luftfeuchtigkeit sind normal. Ich freue mich über deine

Anteilnahme.

Gibt es etwas, was Menschen tun können,

um bei diesen Problemen zu helfen?

Da ich derzeit ein geringes Wachstum verzeichne, wäre es

am besten, meine Bewässerung zu überwachen. Im Moment

ist meine Bodenfeuchtigkeit zu hoch, daher ist es ratsam,

die Bewässerung zu unterbrechen, bis die obersten Schichten

ausgetrocknet sind. Regelmäßige Kontrollen können

helfen, Stress zu vermeiden und ein gesundes Wachstum zu

gewährleisten. Wenn du andere Probleme feststellst, könnte

es hilfreich sein, den Rat eines Fachmanns einzuholen.

AUTORIN

Anna Martin studierte

Kunstgeschichte in

München. Sie ist seit

2022 im Team von

Georg Media: Zuerst

war sie Editorial

Trainee, nun ist sie

als Redakteurin tätig.

Das ist kein Einblick in den Chatverlauf

von zwei Personen, wie Sie möglicherweise

schon vermutet haben. Vielleicht ist

es auch nicht das erste Mal, dass die

Autorin dieses Textes mit einem Baum

spricht – möglich, dass sie das als Kind

beim Spielen schon einmal versucht hat –,

aber es ist definitiv ihr erster Chat mit

einem Baum. Und das erste Mal, dass

der Baum geantwortet hat.

Die Unterhaltung findet – im Original auf

Englisch – über Länder grenzen hinweg,

über einen Browser im Internet statt. Die

Hänge-Birke (Betula pendula) steht zum

Zeitpunkt des Gesprächs im Sommer

2025 auf dem Gelände der RHS Chelsea

Flower Show im Südwesten Londons, direkt

am Ufer der Themse. Die Autorin sitzt

an einem Schreibtisch in Deutschland und

fragt den Baum, wie es ihm geht. Möglich

machen das KI und zahlreiche Sensoren,

mit denen die Bäume im Avanade Intelligent

Garden ausgestattet sind. Eine Spielerei,

möchte man meinen. Doch es steckt

mehr hinter dem Projekt.

Auch wenn es der Hänge-Birke beim

Gespräch momentan nicht so gut ging,

so steht das Projekt in der britischen

Metropole doch auf fruchtbarem Boden.

London wird gemeinhin als bedeutender

Standort der KI-Branche angesehen,

befördert durch Forschung, Firmen und

28 G+L


DIGITALISIERUNG IN ÄMTERN UND BÜROS

KI IN LONDON

Foto: Omar Ramadan auf Unsplash

Investitionen vor Ort. Was macht die

Bedeutung Londons auf diesem Feld aus,

und was bedeutet das für die Planungsbranche

vor Ort? Ein Blick auf Großbritanniens

Bestreben, in der KI-Branche

ganz vorne mitzuspielen, und Projektbeispiele,

die den Einsatz von KI in

Architektur, Landschaftsarchitektur und

Stadtplanung zeigen.

JUNGE TALENTE FÖRDERN

Rankings sind eine schwierige Sache –

vor allem, wenn es um komplexe Fragen

geht, die zahlreiche Faktoren umfassen.

Geht es um wichtige Standorte in der

KI-Branche, lassen sich diverse Maßstäbe

anlegen: Investitionssummen in Start-ups,

bereits etablierte, vor Ort ansässige

Firmen, die Schaffung von Arbeitsplätzen,

die Anzahl der neu angemeldeten

Patente. Es geht aber auch um schon

weniger greifbare Faktoren wie Wissen

und Expertise, beispielsweise durch

Forschungseinrichtungen vor Ort, durch

Unis, die die nächste Generation von

Wissenschaftler*innen hervorbringen,

die in die Arbeitswelt und die Branche

einsteigen können, neue Ideen mitbringen.

Oder auch darum, welche

Möglichkeitsräume und Einschränkungen

die Gesetze und Regularien eines

Standorts den Unternehmen bieten. Und

natürlich kann es bei Rankings auch um

die Interessen derjenigen gehen, die darin

gerankt werden.

In der Gesamtschau zeichnet sich ab,

dass zwei Nationen die Branche anführen:

USA und China. Von einem neuen

Space Race ist teils die Rede. Es geht

nicht mehr darum, wer als Erstes auf dem

Mond landet, sondern wer die Nase

vorne hat auf dem Markt der KI-Technologien.

Neben den USA und China

gehört auch United Kingdom zu den

führenden Nationen.

Am Ufer der Themse

aufgestellt, ist das

London Eye eines der

weltbekannten

Wahrzeichen Londons.

Weniger sichtbar ist die

führende Rolle der

britischen Hauptstadt

im Bereich der KI.

Eine bedeutende Rolle für Großbritanniens

Position an der Weltspitze dürfte

dabei London spielen. Gerne wird in

Berichten zur Bedeutung Londons auf das

KI-Ökosystem vor Ort verwiesen, das

eben zahlreiche der oben genannten

Faktoren zusammenbringt. 2010 gründeten

Demis Hassabis,

Shane Legg

und Mustafa

Suleyman das

KI-Unternehmen

DeepMind. Zwei

der Gründer

kennen sich vom

University College

London; das 2014

von Google aufgekaufte

Unternehmen hat seinen Hauptsitz

weiterhin in London. Ein weiteres in

London gegründetes, aufstrebendes

Start-up ist Wayve, das im Bereich des

automatisierten Fahrens tätig ist. Apple

hat seit 2023 seinen britischen Hauptsitz

in der Battersea Power Station. Ein Artikel

in The Standard vom Dezember 2024

zitiert Apple-Chef Tim Cook, dass er

London als einen großartigen Hub für KI

sehe und dass sie dort seien, um davon

zu profitieren.

Microsoft kündigte im April 2024 an,

einen neuen KI-Hub in London aufbauen

zu wollen. Und auch hier heißt es in der

Mitteilung von Mustafa Suleyman – einer

der Mitbegründer von DeepMind, inzwischen

CEO von Microsoft AI –, dass es in

Großbritannien einen enormen Pool an

KI-Talenten und -Fachwissen gebe. Ende

2024 launchten Google, Camden Council

und Camden Learning den London AI

Campus: In Somers Town in Camden

gelegen, bietet der Campus interessierten

Schüler*innen aus Camden Bildungsmöglichkeiten

im Bereich KI. Es gibt also

weitere Bestrebungen, noch vor einer

universitären Bildung junge Talente für die

Branche zu interessieren und zu fördern.

„GROWTH ZONES“ FÜR KI IM

GANZEN LAND

Dealroom.co, eine niederländische

Plattform mit Daten und Infos zu Start-ups

und Tech-Ökosystemen, wartet mit Daten

und Fakten zur KI-Branche auf: 2024

wurden weltweit insgesamt 110 Milliarden

Dollar Risikokapital in AI-First-Unternehmen

investiert. Der Löwenanteil ist

mit 80,8 Milliarden Dollar in den USA

zu verorten, gefolgt von China mit

7,6 Milliarden Dollar. Und dann folgt

G+L 29


WO FRÜHER NUR

KARTEN UND

SKIZZEN HALFEN

Karten, Zeichnungen und Skizzen waren lange das Handwerkszeug von Planenden.

Darüber hinaus war eine ordentliche Portion Vorstellungskraft notwendig,

um neue Entwicklungen im Bestand vorstellen und bewerten zu können. Das hat

sich verändert. Wer heute in Hamburg plant, kann seine Ideen in ein 3D-Modell

einfügen und viele wichtige Daten direkt dazuschalten.

JULIANE VON HAGEN

AUTORIN

Dr. Juliane von

Hagen setzt sich mit

Veränderungen in

Stadt und Landschaft

auseinander, als

Dozentin, Journalistin

und im eigenen Büro

stadtforschen.de.

Was für planende Profis zum Alltag gehört,

ist für viele an der Entwicklung und

Gestaltung von Stadt Beteiligte nicht

einfach: der gedankliche Transfer einer

zweidimensionalen Zeichnung in die

Realität. Wie fügt sich eine Neuentwicklung

in einen Kontext ein? Welche Wechselwirkung

hat ein neues Projekt mit dem

Bestand? Zur Beantwortung dieser Fragen

können Planende in Hamburg nun mit

einem 3D-Modell der Stadt arbeiten. Es

ist ein digitaler Nachbau der gesamten

Stadt mit insgesamt etwa 380 000 Gebäuden.

Auf den ersten Blick erinnert das

Modell an dreidimensionale Luftbilder,

die im Internet zugänglich sind.

Doch anders als diese Fotos oder herkömmliche

dreidimensionale Nachbildungen

von Städten erlaubt das Hamburger

Digitalmodell mehr. Es ist eine Software,

die dreidimensionale Darstellungen mit

verschiedenen Ebenen der Planung und

dazugehörigen Informationen zusammenbringt.

Damit ermöglicht dieser sogenannte

„3DProjektplaner“ nicht nur, einen

möglichen Neubau optisch zu visualisieren,

seinen Schattenwurf zu zeigen oder

einen Blick aus Fußgänger*innen perspektive

zu simulieren. Vielmehr können

verschiedene, den Ort betreffende Daten

aufgerufen werden, sodass eine umfassende

Betrachtung der geplanten

Stadtentwicklungs- oder Baumaßnahme

möglich wird.

MEHR ALS EIN DREIDIMENSIONALES

STADTMODELL

Hamburg entwickelt seinen 3D-Projektplaner

im Verbund mit anderen Kommunen.

Gemeinsam mit Leipzig und München

arbeitet die Stadt im Forschungsprojekt

Connected Urban Twins; zusammen

entwickeln sie Ansätze für die digitale

Transformation urbaner Räume. Gefördert

wird die Kooperation der Kommunen vom

42 G+L


DIGITALISIERUNG IN ÄMTERN UND BÜROS

3D-PROJEKTPLANER HAMBURG

Im Rahmen des

Projektes Connected

Urban Twins entwickelte

die Stadt Hamburg

einen 3D-Projektplaner.

Bundesministerium für Wohnen, Stadtentwicklung

und Bauwesen. Das unterstützt

die Städte darin, sogenannte Urbane

Digitale Zwillinge zu bauen: digitale Abbilder

der urbanen Strukturen. Wie der

Plural der Bezeichnung schon zeigt, handelt

es sich nicht um ein fixes Abbild einer

Stadt. Vielmehr basieren digitale Zwillinge

auf einem Baukastensystem. Für verschiedene

Fragestellungen der Stadtentwicklung

oder unterschiedliche Baumaßnahmen

fügen sie die jeweils relevanten

Daten und digitalen Komponenten zusammen.

Digitale Zwillinge reagieren einerseits

auf lokale, ortsbezogene Fragestellungen;

zugleich machen sie umfassende

Betrachtungen verschiedener Handlungsfelder

der Planung möglich.

Das Hamburger 3D-Stadtmodell entstand

im Auftrag des lokalen Landesbetriebs

für Geoinformation und Vermessung und

steht über das Hamburger Geoportal

online zur Verfügung. Es kann einfach und

unkompliziert von jedem Arbeitsplatz in

der Stadtverwaltung genutzt werden.

Offiziell heißt es auf der Webseite des

Forschungsprojekts Connected Urban

Twins: „Der 3D-Projektplaner ist eine auf

dem Masterportal basierende digitale

Webanwendung, die es Planerinnen und

Planern in der Verwaltung ermöglicht,

Bauvorhaben im 3D-Stadtmodell geodatenbasiert

zu analysieren sowie eigene

städtebauliche Entwicklungsideen schnell

und einfach zu skizzieren.“

Was für digitale Lai*innen hölzern klingt,

mutet in der Realität unkompliziert an. In

einem online verfügbaren Video macht

Hamburg deutlich, wie einfach die

Nutzung des digitalen Planungstools

sein kann. Darin zoomt ein*e Nutzer*in

in die digitale Stadt hinein, bis auf ein

einzelnes Grundstück, und simuliert

verschiedene Szenarien für eine neue

Bebauung. Wie sähe der Ort aus, wenn

zum Beispiel das bestehende Gebäude

abgerissen und durch eine neue Baukubatur

ersetzt würde? Wie würde das

räumlich wirken, welche Schattenwürfe

entstünden, wie sähe das Projekt aus

der Fußgänger*innen perspektive aus?

Antworten auf diese Fragen bedürfen

keiner ausprägten Vorstellungskraft mehr,

die früher Expert*innen vom Fach vorbehalten

war. Außerdem erlauben leicht

zu bedienende Zeichenwerkzeuge,

Die digitalen Visualisierungen

des 3D-Projektplaners

lassen auch Lai*innen

einen Eindruck bekommen,

welche Veränderungen

eine mögliche Umgestaltung

bedeuten würde.

Grafiken: FHH BSW LGV

G+L 43


DIE DIGITALE

ZUKUNFT GRÜNER

PLANUNG

Die Digitalisierung findet immer mehr Zuspruch, gleichzeitig ist die Landschaftsarchitektur

stärker gefragt, um die Folgen des Klimawandels zu

bewältigen. Building Information Modeling kann bei diesen Aufgaben unterstützen

– allerdings fehlt es für einen breiten Einsatz von BIM in der Grünen

Branche an Standardisierung, Fachkenntnissen und Datengrundlagen, stellen

die Autor*innen dieses Beitrags fest. Das österreichische Forschungsprojekt

Green BIM – inzwischen in dritter Runde – arbeitet daran, das zu ändern.

BENTE KNOLL, RALF DOPHEIDE, JOACHIM KRÄFTNER, PAULA TIEFENBACH

AUTOR*INNEN

Dipl. Ing. in Dr. in Bente

Knoll ist Gründungsund

Vorstandmitglied

des Vereins

zur Förderung der

Grünen Baukultur

und Geschäftsführerin

im Büro

für nachhaltige

Kompetenz

B­NK GmbH.

Dipl. Ing. Ralf

Dopheide ist

Gründungs- und

Vorstandsmitglied

des Vereins zur

Förderung der

Grünen Baukultur

und Eigentümer

des Landschaftsbaubetriebs

Dopheide e. U.

Die Digitalisierung in der Grünen Branche,

insbesondere in der Landschaftsarchitektur,

hat in den letzten Jahren

immer mehr an Bedeutung gewonnen

und findet zunehmend Zuspruch und

Berechtigung unter den Landschaftsplanungsbüros.

Immer mehr Planungsbüros

erkennen den Nutzen digitaler

Technologien, nicht zuletzt durch die

rasante Entwicklung im Bausektor, der

von großen, international agierenden

Unternehmen geprägt ist. Demgegenüber

steht die Landschaftsarchitektur,

mit ihrer Kleinteiligkeit, begrenzten

Budgets, geringem Einsatz digitaler

Techno logien und fehlender Standardisierung.

Angesichts des Klimawandels,

der steigenden Temperaturen

und Extremwetterereignisse gewinnt

die Grüne Branche jedoch immer mehr

an Bedeutung, und grüne Infrastrukturlösungen

sind besonders im urbanen

Raum gefragter denn je. Um dieser

steigenden Nachfrage und den komplexeren

Anforderungen gerecht zu

werden, bedarf es des Einsatzes digitaler

Technologien.

Die Arbeit mit zweidimensionalen Plänen

gilt zunehmend als überholt. Dreidimensionale

Planungsmodelle eröffnen neue

Möglichkeiten – insbesondere durch

Building Information Modeling (BIM).

BIM ermöglicht die digitale Planung,

Ausführung und Bewirtschaftung von

Bauprojekten über deren gesamten

Lebenszyklus, basierend auf einem

digitalen, dreidimensionalen Zwilling des

Bauwerks. Zudem ermöglicht BIM die

Hinterlegung von physikalischen und

funktionalen Eigenschaften der Bauelemente

mit jeglichen Informationen, die für

Planung, Ausführung und Betrieb erforderlich

sind. Der IFC-Standard erlaubt

dabei den offenen Datenaustausch zwischen

Gewerken und Software-Produkten

und erleichtert die interdiszi plinäre

Zusammenarbeit. In der Grünen Branche

fehlen jedoch einheitliche Standards,

AUTOR*INNEN

Dipl. Ing. Joachim

Kräftner ist

Gründungs- und

Vorstandsmitglied

des Vereins zur

Förderung der

Grünen Baukultur

und leitet das

Landschaftsarchitektur

Büro Kräftner

Landschaftsarchitektur

in Wien.

Paula Tiefenbach

M. Sc. ist studentische

Mitarbeiterin

beim Verein zur

Förderung der

Grünen Baukultur.

50 G+L


DIGITALISIERUNG IN ÄMTERN UND BÜROS

BIM IN DER GRÜNEN BRANCHE

Mithilfe von BIM-

Modellen können

Projekte über den

gesamten Lebenszyklus

hinweg

geplant, ausgeführt

und bewirtschaftet

werden.

So lassen sich beispielsweise

für Bäume

eines Frei raumprojekts

im BIM­Modell

Informa tionen zu

Baumart, Alter, Pflegebedarf

und mehr

zuordnen.

Grafik: Kräftner Landschaftsarchitektur

geeignete Schnittstellen und

entsprechende Fachkenntnisse.

Genau hier setzen die Forschungsprojekte

„Green BIM“, „Green BIM 2“

und das Anfang des Jahres gestartete

Projekt „Green BIM 3“ an. Gefördert von

der Österreichischen Forschungsförderungsgesellschaft

(FFG) sollen sie Bauwerksbegrünung

und Landschaftsplanung

digital unterstützen und die Standardisierung

weiter vorantreiben.

FORSCHUNGS-TRILOGIE: STATUS QUO

ANALYSIEREN, PRAXIS TESTEN, STAN-

DARD WEITERENTWICKELN

Die Projekte Green BIM, Green BIM 2

und Green BIM 3 beschäftig(t)en sich

zentral mit der Frage, wie digitale Technologien

in der Grünen Branche in die

Anwendung und Praxis gebracht werden

können. Damit soll eine bisher bestehende

Lücke in vielen Planungsprozessen

geschlossen werden, in denen Begrünungen,

ökologische Kennwerte und Anforderungen

an Pflege und Monitoring

beziehungsweise Freiräume im Allgemeinen

in den meisten BIM-Projekten unzureichend

berücksichtigt werden.

Green BIM (2019 bis 2022) legte den

Grundstein für die daraus entstandene

Forschungs-Trilogie. Im Zuge des Projekts

wurde eine Status-quo-Analyse bestehender

Planungsprozesse von Gebäudebegrünungen

und daraus resultierende

Kriterien und Anforderungen an eine

BIM-basierte Planung erstellt. Darauf

aufbauend, wurde eine sogenannte

„Green BIM-IFC Datenstruktur“ (IFC ist

das für BIM geltende international

standardisierte Datenaustauschformat) für

den gesamten Lebenszyklus (Planung,

Ausführung, Pflege und Wartung) einer

Begrünung entwickelt. Damit konnte eine

Erweiterung der bestehenden IFC-Struktur

geschaffen werden, die es ermöglicht,

G+L 51

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