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SCHACH IN DER SCHULE - LEBE Lehrerinnen und Lehrer Bern

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In der «Schachnovelle»<br />

spielt der Protagonist<br />

Blindpartien gegen sich<br />

selber. Zum Glück hat<br />

dieses Mädchen einen<br />

Gegner. Man sieht ihn<br />

zwar auf dem Bild nicht.<br />

Aber man ahnt, dass er<br />

mit einem kühnen Angriff<br />

rechnen muss.<br />

18<br />

schulpraxis spezial<br />

Novelle: «Schachnovelle»<br />

von Stefan Zweig<br />

(1881 – 1942):<br />

Der österreichische Schriftsteller Zweig, der<br />

1938 wegen des aufkommenden Nationalsozialismus<br />

nach Grossbritannien emigrierte<br />

<strong>und</strong> 1940 über New York ins brasilianische<br />

Exil floh, wo er 1942 Selbstmord beging,<br />

wurde durch Werke wie «Brennendes Geheimnis»<br />

(1911), «Amok» (1922), «Sternst<strong>und</strong>en<br />

der Menschheit» <strong>und</strong> «Verwirrung<br />

der Gefühle» (1927), «Baumeister der Welt»<br />

<strong>und</strong> «Ungeduld des Herzens» (1938) <strong>und</strong> «Die<br />

Welt von gestern» (1942, postum veröffentlicht)<br />

weltberühmt.<br />

Die «Schachnovelle» wurde unmittelbar<br />

nach dem Selbstmord von Zweig auf seinem<br />

Schreibtisch gef<strong>und</strong>en, bald veröffentlicht <strong>und</strong><br />

weltbekannt.<br />

Zum Inhalt der Schachnovelle<br />

Die Hauptpersonen der «Schachnovelle» sind<br />

der Schachweltmeister Mirko Czentovic <strong>und</strong> Dr.<br />

B., die auf einem Ozeandampfer eine Beratungspartie<br />

gegeneinander austragen. Die Sympathien<br />

von Zweig liegen bei Dr. B., einem Juristen, der<br />

durch die Besetzung Österreichs durch die Nazis<br />

in deutsche Gefangenschaft geraten war. Um an<br />

wichtige Informationen zu gelangen, wollten die<br />

Deutschen ihn zermürben <strong>und</strong> isolierten ihn in<br />

einem Zimmer von der Aussenwelt. Der Tortur<br />

nicht gewachsen, will Dr. B. aufgeben. Im Moment<br />

totaler Verzweiflung gerät ihm beim Gang<br />

zu einem Verhör zufällig ein Schachbuch in die<br />

Hände. Wille <strong>und</strong> Intellekt helfen ihm, sich die<br />

Regeln dieses bis anhin für ihn unbekannten<br />

Spiels anzueignen.Aus den Fetzen seines karierten<br />

Betttuchs bastelt er ein «Schachbrett», die<br />

Figuren formt er aus Brot. Schliesslich gelingt es<br />

ihm, alle 150 Partien des Buches nachzuspielen,<br />

sie auswendig zu lernen <strong>und</strong> bald Blindpartien<br />

gegen sich selber zu spielen. Diese geistige Betätigung<br />

hilft ihm, Mut zu fassen <strong>und</strong> in den Verhören<br />

bis zuletzt Widerstand zu leisten, obwohl<br />

er bald geistig verwirrt <strong>und</strong> dem Irrsinn nahe ist.<br />

Die Partie gegen Czentovic auf dem Ozeandampfer<br />

verlief analog zu der Begegnung zwischen<br />

Aljechin <strong>und</strong> Bogoljubow in Pistyan 1922,<br />

die im erwähnten Schachbuch festgehalten war.<br />

Feiner Schachkenner<br />

In seinen lyrischen Abschweifungen erweist<br />

sich Zweig als Anhänger <strong>und</strong> feiner Kenner<br />

der Schachkunst, äussert er sich doch in der<br />

«Schachnovelle» so (Seiten 21 <strong>und</strong> 22):<br />

«Ich wusste wohl aus eigener Erfahrung<br />

um die geheimnisvolle Attraktion des ‹königlichen<br />

Spiels›, dieses einzigen unter allen<br />

Spielen, die der Mensch ersonnen, das sich<br />

souverän jeder Tyrannis des Zufalls entzieht<br />

<strong>und</strong> seine Siegespalmen einzig dem Geist<br />

oder vielmehr einer bestimmten Form geistiger<br />

Anmerkung: Auf<br />

der Homepage ist die<br />

Zugfolge erwähnt, die<br />

zum Remisschluss führt.<br />

Möglichkeiten zu einer<br />

Nachbearbeitung in<br />

Schulklassen werden<br />

ebenfalls gezeigt.<br />

19<br />

schulpraxis spezial<br />

Begabung zuteilt. Aber macht man sich nicht<br />

bereits einer beleidigenden Einschränkung<br />

schuldig, indem man Schach ein Spiel nennt?<br />

Ist es nicht auch eine Wissenschaft, eine Kunst,<br />

schwebend zwischen diesen Kategorien wie<br />

der Sarg Mohammeds zwischen Himmel <strong>und</strong><br />

Erde, eine einmalige Bindung aller Gegensatzpaare;<br />

uralt <strong>und</strong> doch ewig neu, mechanisch<br />

in der Anlage <strong>und</strong> doch nur wirksam durch<br />

Phantasie, begrenzt in geometrisch starrem<br />

Raum <strong>und</strong> dabei unbegrenzt in seinen Kombinationen,<br />

ständig sich entwickelnd <strong>und</strong> doch<br />

steril, ein Denken, das zu nichts führt, eine<br />

Mathematik, die nichts errechnet, eine Kunst<br />

ohne Werke, eine Architektur ohne Substanz<br />

<strong>und</strong> nichts desto minder erwiesenermassen<br />

dauerhafter in seinem Sein <strong>und</strong> Dasein als alle<br />

Bücher <strong>und</strong> Werke, das einzige Spiel, das allen<br />

Völkern <strong>und</strong> allen Zeiten zugehört <strong>und</strong> von<br />

dem niemand weiss, welcher Gott es auf die<br />

Erde gebracht, um die Langeweile zu töten,<br />

die Sinne zu schärfen, die Seele zu spannen.<br />

Wo ist bei ihm Anfang <strong>und</strong> wo das Ende?<br />

Jedes Kind kann seine ersten Regeln erlernen,<br />

jeder Stümper sich in ihm versuchen, <strong>und</strong> doch<br />

vermag es innerhalb dieses unveränderbar<br />

engen Quadrats eine besondere Spezies von<br />

Meistern zu erzeugen, unvergleichbar allen<br />

anderen, Menschen mit einer einzig dem<br />

Schach zu bestimmten Begabung, spezifische<br />

Genies, in denen Vision, Geduld <strong>und</strong> Technik<br />

in einer ebenso genau bestimmten Vertei-<br />

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lung wirksam sind wie im Mathematiker, im<br />

Musiker, <strong>und</strong> nur in anderer Schichtung <strong>und</strong><br />

Bindung.»<br />

Fre<strong>und</strong> <strong>und</strong> Fachmann<br />

Ernst Feder hatte Zweig am Tage vor dessen<br />

Freitod zu einer Schachpartie eingeladen <strong>und</strong><br />

hielt später in «Begegnungen» (1950) fest<br />

(Seite 45):<br />

«Ich machte diese Anregung, weil ich<br />

dachte, das Spiel, das er so liebte, würde ihn<br />

von seinen düsteren Gedanken ablenken. An<br />

sich war es kein Vergnügen, sein Gegner am<br />

schwarz-weissen Brett zu sein. Ich bin ein<br />

schwacher Spieler, aber seine Kenntnisse dieser<br />

Kunst waren so gering, dass es mich Mühe<br />

kostete, ihn gelegentlich eine Partie gewinnen<br />

zu lassen.»<br />

Kurz vorher hatte Zweig das Manuskript<br />

der Schachnovelle an Ernst Feder gesandt mit<br />

der Bitte, als «doppelter Fachmann der beiden<br />

Künste, der schachlichen <strong>und</strong> literarischen»,<br />

ihm alle Einwände gegen diese Novelle zu<br />

nennen, die «in unkorrigiertem <strong>und</strong> noch<br />

lange nicht zu Ende geführtem Zustand sei».<br />

Die Novelle wurde 1960 mit Curd Jürgens,<br />

Mario Adorf <strong>und</strong> Hansjörg Felmy verfilmt.<br />

Siehe hierzu die Angaben zur DVD im Literaturverzeichnis.

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