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Rassismus hat viele Gesichter. Rassismus hat viele ... - Pro Asyl

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keiten bei Verwandtenbesuchen oder<br />

beim Zugang zu am Ort nicht vorhandenen<br />

Beratungsangeboten, zu Orten des<br />

Gedankenaustauschs oder Möglichkeiten<br />

der Informationsbeschaffung. Stattdessen:<br />

Die Bettelei um eine Ausnahmegenehmigung.<br />

Für diese Erniedrigung<br />

verlangen einige Bundesländer noch<br />

eine Verwaltungsgebühr.<br />

Eine Landkarte, die die Bewegungsfreiheit<br />

von Flüchtlingen abzubilden versuchte,<br />

sähe aus wie eine Karte der deutschen<br />

Kleinstaaten im 18. Jahrhundert:<br />

Deren Grenzen jedoch waren relativ<br />

durchlässig, die Kontrolldichte gering.<br />

Dahin, nämlich ins 18. Jahrhundert,<br />

gehört auch das Wort Residenz. Flüchtlinge<br />

aber residieren nicht, sie hausen<br />

Riskante Reisen<br />

Interview mit<br />

Cornelius Yufanyi<br />

über die Residenzpflicht<br />

und seinen <strong>Pro</strong>zess<br />

� Das vollständige Interview ist<br />

erstmals am 28.9.2000 erschienen<br />

in »ak – analyse & kritik«, Zeitung<br />

für linke Debatte und Praxis.<br />

Im Internet zu finden unter:<br />

www.akweb.de<br />

unter provisorischen Lebensumständen,<br />

wie ihnen die Rechtsprechung beim Thema<br />

Mindestanforderungen an Gemeinschaftsunterkünfte<br />

ins Stammbuch geschrieben<br />

<strong>hat</strong>. Damit soll ihnen selbst<br />

und anderen vor Augen geführt werden,<br />

dass ihr Aufenthalt nur ein provisorischer<br />

ist (auch wenn er jahrelang<br />

dauert). Mit den politisch gewollten,<br />

rechtlich abgesicherten restriktiven Lebensumständen<br />

für Flüchtlinge werden<br />

tägliche Exempel statuiert: Entrechtung<br />

als Methode: Halt, hier Kreisgrenze!<br />

Übrigens: Die Bewegungsfreiheit der<br />

<strong>Asyl</strong>suchenden wurde eingeschränkt zu<br />

einer Zeit, wo man nicht zögerte, die verhinderte<br />

Reisefreiheit der Menschen hinter<br />

dem »Eisernen Vorhang« als eine der<br />

wichtigsten Menschenrechtsverletzun-<br />

Cornelius Yufanyi ist <strong>Asyl</strong>bewerber<br />

aus Kamerun und aktiv in<br />

der Flüchtlingsorganisation »The<br />

Voice Africa Forum« und der »Karawane<br />

für die Rechte von Flüchtlingen und<br />

MigrantInnen«. Als Hauptorganisator<br />

des Flüchtlingkongresses »Gemeinsam<br />

gegen Abschiebung und soziale Ausgrenzung«<br />

fuhr er nach Jena, ohne dafür<br />

eine »Reise«-Erlaubnis des Landkreises<br />

Eichsfeld erhalten zu haben. Am 12.<br />

Oktober 2000 stand er in Worbis bei<br />

Göttingen vor Gericht, angeklagt wegen<br />

Verstoßes gegen die Residenzpflicht. Vor<br />

seinem <strong>Pro</strong>zess gab er der Zeitschrift<br />

ak – analyse & kritik das folgende Interview.<br />

Warum stehst Du am 12. Oktober vor<br />

Gericht?<br />

Ich habe mehrmals gegen die Residenzpflicht<br />

verstoßen. Nachdem ich einige<br />

Male keine Genehmigung für eine<br />

Reise erhalten habe, frage ich jetzt nicht<br />

mehr um Erlaubnis. Ich weigere mich<br />

auch, die Bußgelder zu bezahlen. Während<br />

des Kongresses in Jena habe ich der<br />

Tageszeitung »Thüringer Allgemeine«<br />

ein Interview über den Kongress und<br />

meine Kritik an der deutschen <strong>Asyl</strong>politik<br />

gegeben. Diesen Artikel kopierte<br />

ein Mitarbeiter der Ausländerbehörde<br />

Eichsfeld und schickte ihn zur Polizei,<br />

die mich daraufhin zu einer Befragung<br />

einlud. Da ich nicht bereit bin, wegen<br />

Verlassens des Landkreises eine Strafe<br />

zu zahlen, muss ich jetzt vor das Gericht.<br />

Was erwartest Du Dir von dem <strong>Pro</strong>zess<br />

und Deiner Weigerung, das Bußgeld zu<br />

bezahlen?<br />

Ich habe mich entschieden, keinen<br />

Pfennig für meine Bewegungsfreiheit zu<br />

zahlen. Mittlerweile habe ich auch einen<br />

Anwalt gefunden, der den Fall politisch<br />

22<br />

gen zu brandmarken. Die Verwalter des<br />

papierenen Vorhangs in deutschen Ausländerbehörden<br />

würden entsprechende<br />

historische Reminiszenzen allerdings<br />

weit von sich weisen und <strong>viele</strong> derer, die<br />

durch glückliche Umstände der Geschichte<br />

ihre Freiheit samt touristischer<br />

Nebenaspekte gewonnen haben, machen<br />

sich wenig daraus, dass der im benachbarten<br />

Lager lebende Flüchtling nicht<br />

eben mal in die nächste Kreisstadt kann,<br />

ohne in die Kriminalstatistik einzugehen.<br />

Ein wenig schwieriger scheint es<br />

also um den Einsatz für die Menschenrechte<br />

anderer zu stehen als Voltaire dies<br />

mit dem Schwung der Aufklärung formulierte:<br />

»Frei sein heißt, die Rechte des<br />

Menschen kennen, denn kennt man sie<br />

einmal, so verteidigt man sie von selbst.«<br />

Cornelius Yufanyi, Foto: Umbruch-Bildarchiv<br />

führen will. Wir wollen dem Gericht sagen,<br />

dass ich tatsächlich in Jena war,<br />

dass ich auch an anderen Orten war und<br />

dass ich auch weiterhin in anderen Orten<br />

mich aufhalten möchte, ohne nach einer<br />

Erlaubnis fragen zu müssen. Wir werden<br />

sagen, dass es mein Recht ist, mich politisch<br />

zu engagieren und dass es mein<br />

Recht ist, mich frei bewegen zu können.<br />

Ich suche in Deutschland Schutz, weil<br />

ich in Kamerun politisch verfolgt werde.<br />

Wir werden argumentieren, dass mich<br />

die <strong>Asyl</strong>gesetze hier nicht davon abhalten<br />

dürfen, mich in Deutschland politisch<br />

zu engagieren. Zu erwarten habe<br />

ich laut meines Anwaltes entweder einen<br />

Ausweisungsbescheid oder eine Gefängnisstrafe<br />

bis zu einem Jahr oder eine<br />

Geldstrafe von etwa 5000 DM. Vielleicht<br />

brauchen wir eine Art Opfer, einen exponierten<br />

Flüchtling, um das <strong>Pro</strong>blem<br />

deutlich zu machen und um die Residenzpflicht<br />

zu bekämpfen.

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