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Der Bürger der Antike arbeitete<br />

nicht. Das war Sache der Frauen<br />

und der Sklaven. Der freie Mann der<br />

Antike ging philosophieren, machte<br />

Politik, führte weise Gespräche.<br />

Benedikt von Nursia, der Begründer<br />

des christlichen Mönchtums im<br />

lateinischsprachigen Westen Europas,<br />

machte die Arbeit „salonfähig“.<br />

Er wollte damit dem Müßiggang<br />

wehren. In ihm sah er einen Feind der<br />

Seele. Denn Müßiggang verursache<br />

Trägheit, Unlust und Widerwillen.<br />

Und so strukturierte Benedikt den<br />

Tagesablauf seiner Brüder im Kloster<br />

durch und führte dabei das Arbeiten<br />

neben dem Beten und der Schriftlesung<br />

ein.<br />

Die mündliche Überlieferung machte<br />

dann später aus den Ausführungen<br />

in der Benediktsregel das Schlagwort<br />

„Ora et labora“: bete und arbeite.<br />

Kulturgeschichtlich hat sich die<br />

Benediktsregel über das Mönchtum<br />

hinaus nachhaltig ausgewirkt. Mit<br />

der Abschaffung des Mönchtums in<br />

der Reformation rückte die Arbeit<br />

noch stärker in den Mittelpunkt des<br />

menschlichen Lebens. Martin Luther<br />

selbst hat die Arbeit geadelt, indem<br />

er den Christenmenschen darin seine<br />

Berufung finden ließ. Aus der Arbeit<br />

für den Lebensunterhalt wurde der<br />

Beruf. Dass Arbeit eine Form von<br />

Gottesdienst mitten im Alltag sein<br />

kann, spielt allerdings heute nur noch<br />

bei den Wenigsten eine Rolle. Dafür<br />

nimmt die Arbeit für viele Menschen<br />

heute eine Rolle ein, die als schlichtweg<br />

ungesund bezeichnet werden<br />

muss. Das Konzept von Arbeit bestimmt<br />

uns so sehr, dass uns selbst<br />

noch die Freizeit unter der Hand<br />

zur Arbeit mutiert. Wir planen die<br />

wertvolle freie Zeit durch, gestalten<br />

sie nach Nützlichkeitserwägungen<br />

und setzen uns selbst beim Freizeiten<br />

noch unter Erfolgsdruck.<br />

Wie anders, wie viel weiser hatte<br />

Benedikt das vor 1.500 Jahren gemeint!<br />

Es war nicht die Arbeit, die dem<br />

Tag Struktur und dem Leben seine<br />

Grundbefindlichkeit gab, sondern<br />

Titel<br />

Spiritualität des Müßiggangs<br />

Von Jochen Michalek<br />

das Gebet. Anders als wir vielleicht<br />

vorschnell verstehen, war damit<br />

das Lobgebet gemeint. Gott loben!<br />

Ich kenne keine Beschäftigung, die<br />

weniger verzweckt werden kann<br />

als diese! Ja, Gott loben – das ist ein<br />

Urbild des zweckfreien Tuns. Bedarf<br />

Gott unseres Lobes? Bestimmt nicht!<br />

Erreichen wir damit bei Gott irgendetwas?<br />

Recht verstanden eigentlich<br />

nicht. Es ist einfach Ausdruck tiefer<br />

Dankbarkeit und Freude. Geschehen<br />

kann es nur, wenn ich alles andere<br />

beiseite lasse, wenn ich ganz im Hier<br />

und Jetzt des Lobens stehe. Gott<br />

loben – das ist im besten Sinne des<br />

Wortes Müßiggang, höchst aktiver<br />

Müßiggang.<br />

Zugleich wird am Loben Gottes<br />

deutlich, welch tiefer Sinn im Müßiggang<br />

liegen kann.<br />

Geglückter Müßiggang bringt mich<br />

(wieder) in Verbindung mit mir selbst<br />

und lässt mich meine Bestimmung<br />

erahnen. Im Loben Gottes drückt<br />

sich aus, dass ich ein geliebtes Geschöpf<br />

meines Gottes bin und dazu<br />

bestimmt, mit meinem Leben darauf<br />

eine Antwort zu geben. Indem ich<br />

einstimme in das Lob Gottes mache<br />

ich mir die Bedeutung meines Lebens<br />

selbst neu gegenwärtig.<br />

Insofern dient das Lob Gottes<br />

nicht Gott, sondern – ganz ungewollt<br />

– mir selbst. Es gründet mich<br />

in meinem Ursprung und lässt mich<br />

das rechte Verhältnis zu allen Anforderungen<br />

finden, vor die mich mein<br />

Alltag stellt. Ich kann gewichten,<br />

was Priorität genießen sollte; ich<br />

kann ermessen, wo etwas nicht läuft,<br />

wie es sollte; ich kann mir mitten im<br />

alltäglichen Kleinklein und bei allen<br />

Ernüchterungen und Zumutungen<br />

vor Augen führen, wo ich bin – und<br />

die Welt mit mir. Das macht mich<br />

vielleicht nicht für jeden Zweck optimal<br />

„verwertbar“, aber auf lange<br />

Sicht werde ich damit Allen um mich<br />

her ein größtmöglicher Segen.<br />

Geben wir uns wieder mehr Zeit<br />

zum Lob Gottes. Es wird seine guten<br />

Folgen haben!<br />

Jochen Michalek ist Pfarrer der <strong>Ev</strong>.<br />

Kirchengemeinde <strong>Grunewald</strong><br />

Juli/August 2011 7

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