05.01.2013 Aufrufe

Aufsichtspflicht in Tageseinrichtungen für Kinder ... - Sichere Kita

Aufsichtspflicht in Tageseinrichtungen für Kinder ... - Sichere Kita

Aufsichtspflicht in Tageseinrichtungen für Kinder ... - Sichere Kita

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

<strong>Aufsichtspflicht</strong><br />

<strong>in</strong> Tagese<strong>in</strong>richtungen<br />

<strong>für</strong> K<strong>in</strong>der<br />

Grundlagen, Inhalte, Versicherungsschutz<br />

Landschaftsverband<br />

Rhe<strong>in</strong>land


Impressum:<br />

Herausgeber<br />

Landschaftsverband Rhe<strong>in</strong>land,<br />

Dezernat Landesjugendamt,<br />

Schulen,<br />

50663 Köln<br />

Landschaftsverband Westfalen-Lippe,<br />

Landesjugendamt und Westf. Schulen,<br />

48133 Münster<br />

Autoren<br />

Landesjugendamt Rhe<strong>in</strong>land:<br />

Ria Clever<br />

Sylvia Dobratz<br />

Jörg Schröder<br />

Mart<strong>in</strong> Stoppel<br />

Landesjugendamt Westfalen-Lippe:<br />

Marianne Bartsch-Tegtbauer<br />

Christa Döcker-Stuckstätte<br />

Gerhard Matenaar<br />

Alfred Oehlmann-Austermann<br />

Redaktion<br />

Gerhard Matenaar<br />

Gestaltung und Layout<br />

Büro <strong>für</strong> Satztechnik<br />

Druck<br />

Burlage, Münster<br />

Ort und Herstellungsdatum<br />

Köln/Münster im Juni 2000


<strong>Aufsichtspflicht</strong><br />

<strong>in</strong> Tagese<strong>in</strong>richtungen<br />

<strong>für</strong> K<strong>in</strong>der<br />

Grundlagen, Inhalte, Versicherungsschutz<br />

Köln/Münster im Juni 2000


Inhaltsverzeichnis<br />

A Rechtliche Grundlagen 5<br />

1. Wie wird die Erzieher<strong>in</strong> aufsichtspflichtig? 5<br />

2. Wen hat die Erzieher<strong>in</strong> zu beaufsichtigen? 6<br />

2.1 K<strong>in</strong>der <strong>in</strong> der Obhut der E<strong>in</strong>richtung 6<br />

2.2 Besuchs- und "Probek<strong>in</strong>der" 7<br />

3. Wann beg<strong>in</strong>nt die <strong>Aufsichtspflicht</strong>, wann<br />

endet sie? 9<br />

4. Delegation der <strong>Aufsichtspflicht</strong> 14<br />

5. Organisationsverantwortung und<br />

Verkehrssicherungspflicht des Trägers 16<br />

5.1 Organisationspflicht 16<br />

5.2 Verkehrssicherungspflicht 16<br />

B Inhalt der Aufsicht 20<br />

1. Pädagogischer Auftrag und Aufsicht 20<br />

2. Bestimmungsfaktoren der Aufsicht 21<br />

2.1 Person des K<strong>in</strong>des 22<br />

2.2 Gruppenverhalten 23<br />

2.3 Gefährlichkeit der Beschäftigung 23<br />

2.4 Örtliche Bed<strong>in</strong>gungen<br />

2.5 Spielgeräte und Beschäftigungs-<br />

24<br />

materialien 25<br />

2.6 Person der Erzieher<strong>in</strong> 26<br />

2.7 Gruppengröße 26<br />

2.8 Zumutbarkeit <strong>für</strong> die Erzieher<strong>in</strong> 27<br />

C Und wenn etwas passiert? 29<br />

1. Konsequenzen e<strong>in</strong>er<br />

<strong>Aufsichtspflicht</strong>verletzung 29<br />

1.1 Zivilrechtliche Folgen 29<br />

2<br />

1.2 Strafrechtliche Folgen 31<br />

1.3 Arbeits- und dienstrechtliche Folgen 32<br />

D Versicherungsschutz 32<br />

1 Gesetzliche Unfallversicherung der<br />

K<strong>in</strong>der während des Besuchs von<br />

Tagese<strong>in</strong>richtungen 32<br />

1.1 Kreis der versicherten Personen 33<br />

1.2 Versicherte Tätigkeiten der K<strong>in</strong>der 36<br />

1.3 Versicherte Wege der K<strong>in</strong>der 36<br />

1.4 Unfallanzeige 37<br />

1.5 Träger der Unfallversicherung 37<br />

2. Haftpflichtversicherung 38<br />

3. Gesetzliche Unfallversicherung der<br />

Erzieher<strong>in</strong>nen, Praktikanten,<br />

Honorarkräfte, ehrenamtlichen Helfern<br />

und mitwirkenden Eltern 38<br />

Anhang 39<br />

1. Abkürzungen 39<br />

2. Anmerkungen zum Text 39<br />

3. Literaturh<strong>in</strong>weise 39<br />

4. Fortbildung/Beratung 40<br />

5. Adressen der Versicherungsträger 40


Vorwort<br />

Erfahrungen im Rahmen von Beratung<br />

und Fortbildung <strong>für</strong> Erzieher<strong>in</strong>nen<br />

<strong>in</strong> Tagese<strong>in</strong>richtungen<br />

<strong>für</strong> K<strong>in</strong>der zeigen, dass die <strong>Aufsichtspflicht</strong><br />

e<strong>in</strong> Thema ist, das<br />

immer wieder Fragen aufwirft.<br />

Das M<strong>in</strong>isterium <strong>für</strong> Arbeit, Gesundheit<br />

und Soziales hatte im<br />

Dezember 1989 e<strong>in</strong>e Broschüre<br />

zu diesem Thema unter dem Titel<br />

”<strong>Aufsichtspflicht</strong> <strong>in</strong> K<strong>in</strong>dergärten<br />

und Horten” <strong>in</strong> 2. Auflage herausgegeben.<br />

Nicht zuletzt auf Grund<br />

veränderter gesetzlicher Bestimmungen<br />

war es notwendig, diesen<br />

Text zu aktualisieren. Er wurde<br />

von Fachkräften <strong>in</strong> der Fachberatung<br />

und Fortbildung der<br />

... und soviel Aufsicht wie nötig<br />

Markus Schnapka<br />

Leiter des Landesjugendamtes<br />

Rhe<strong>in</strong>land<br />

Landesjugendämter Rhe<strong>in</strong>land<br />

und Westfalen-Lippe geme<strong>in</strong>sam<br />

mit Juristen erarbeitet.<br />

Die Broschüre ist mit dem Ziel erstellt<br />

worden, k<strong>in</strong>d- und lebensweltorientierte<br />

Erziehungs- und<br />

Bildungsprozesse <strong>in</strong> Tagese<strong>in</strong>richtungen<br />

mit guten Argumenten<br />

zu stützen. Die erforderliche Aufsicht<br />

steht dabei <strong>in</strong> unmittelbarem<br />

Zusammenhang zum Erziehungsauftrag.<br />

Der Text soll die pädagogisch tätigen<br />

Kräfte <strong>in</strong> Tagese<strong>in</strong>richtungen<br />

ermutigen, K<strong>in</strong>dern im Erziehungensalltag<br />

so viel Raum <strong>für</strong><br />

3<br />

selbstbestimmtes Lernen und<br />

Handeln zu eröffnen wie möglich<br />

und sie nur <strong>in</strong> dem Maße zu begleiten<br />

und zu schützen, wie dieses<br />

ihrem Entwicklungsstand entsprechend<br />

nötig ersche<strong>in</strong>t.<br />

Um das zu erreichen, ist die ständige<br />

kritische Ause<strong>in</strong>andersetzung<br />

mit Fragen der <strong>Aufsichtspflicht</strong><br />

notwendig. Werden unter<br />

den Aspekten Wohl des K<strong>in</strong>des<br />

und Aufsicht pädagogische Handlungsspielräume<br />

erschlossen, so<br />

kann erfolgreiche und verantwortungsvolle<br />

Erziehungsarbeit stattf<strong>in</strong>den.<br />

Prof. Dr. Dr. Wolfgang Gernert<br />

Leiter des Landesjugendamtes<br />

Westfalen Lippe


E<strong>in</strong>leitung<br />

K<strong>in</strong>der lernen im selbstbestimmten<br />

Spiel ihre Fähigkeiten e<strong>in</strong>zuschätzen,<br />

um sich so auf Anforderungen<br />

und Risiken <strong>in</strong> vergleichbaren<br />

Situationen e<strong>in</strong>zustellen.Sie<br />

lernen eigenverantwortlich<br />

zu handeln und sich vor möglichen<br />

Schäden selbst zu schützen.<br />

Soweit sie hierzu noch nicht<br />

fähig s<strong>in</strong>d ist es Aufgabe des<br />

Erziehenden, ihren Schutz stellvertretend<br />

sicherzustellen. Diese<br />

Aufgabe wird juristisch als <strong>Aufsichtspflicht</strong><br />

bezeichnet.<br />

Man wird im Jugendhilfegesetz,<br />

das die Aufgaben der öffentlichen<br />

Erziehung beschreibt,vergebens<br />

nach dem Begriff der <strong>Aufsichtspflicht</strong><br />

suchen. Vielmehr ist hier<br />

die Rede vom Auftrag der Förderung<br />

der Persönlichkeitsentwicklung<br />

des K<strong>in</strong>des - e<strong>in</strong> Auftrag, der<br />

selbstredend unter dem Gesichtspunkt<br />

des K<strong>in</strong>deswohls<br />

auch se<strong>in</strong>en Schutz vor möglichen<br />

Gefährdungen e<strong>in</strong>schließt.<br />

Wie aber die Aufsicht wahrzunehmen<br />

ist, auch dazu gibt es ke<strong>in</strong>e<br />

allgeme<strong>in</strong> gültigen gesetzlichen<br />

Bestimmungen. Die <strong>Aufsichtspflicht</strong><br />

ist e<strong>in</strong> sogenannter unbestimmter<br />

Rechtsbegriff, der <strong>für</strong><br />

jede Situation neu mit Inhalt zu<br />

füllen ist.<br />

4<br />

Deshalb s<strong>in</strong>d juristisch gesehen<br />

<strong>in</strong>sbesondere im Falle e<strong>in</strong>er e<strong>in</strong>getretenen<br />

Schädigung e<strong>in</strong>es<br />

K<strong>in</strong>des oder Dritter Argumente<br />

und Begründungen <strong>für</strong> das erzieherische<br />

Verhalten von besonderer<br />

Bedeutung.<br />

So schwierig es <strong>für</strong> die Erzieher<strong>in</strong> 1<br />

auch manchmal se<strong>in</strong> mag, <strong>für</strong><br />

den Schutz der K<strong>in</strong>der persönlich<br />

die Verantwortung zu tragen - sie<br />

wird mit dem Gefühl leben müssen,<br />

dass e<strong>in</strong> völliger Ausschluss<br />

von Risiken nicht möglich ist.<br />

Denn <strong>in</strong> H<strong>in</strong>blick auf se<strong>in</strong>e<br />

Entwicklung zu e<strong>in</strong>er selbstständigen<br />

und eigenverantwortlichen<br />

Persönlichkeit hat das K<strong>in</strong>d e<strong>in</strong><br />

"Recht auf Risiken".<br />

die Autoren


A<br />

Def<strong>in</strong>ition<br />

Betreuungsvertrag<br />

Arbeitsvertrag<br />

Rechtliche Grundlagen<br />

Der Begriff "<strong>Aufsichtspflicht</strong>" beschreibt gewöhnlich die Pflicht, K<strong>in</strong>der<br />

mit dem Ziel zu beaufsichtigen, sie e<strong>in</strong>erseits vor e<strong>in</strong>er Selbstschädigung<br />

oder e<strong>in</strong>er Schädigung durch Dritte zu bewahren sowie andererseits<br />

zu verh<strong>in</strong>dern, dass sie ihrerseits Dritte schädigen. Die <strong>Aufsichtspflicht</strong><br />

ist Bestandteil der Personensorge und obliegt daher ursprünglich<br />

den Personensorgeberechtigten, d.h. regelmäßig den Eltern.<br />

Dies ergibt sich aus § 1631 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB). Danach<br />

umfasst die Personensorge neben der Pflicht und dem Recht, das<br />

K<strong>in</strong>d zu pflegen, zu erziehen und se<strong>in</strong>en Aufenthalt zu bestimmen, auch<br />

die Pflicht und das Recht, es zu beaufsichtigen. Andere Personen werden<br />

neben den Personensorgeberechtigten nur dann aufsichtspflichtig,<br />

wenn sie die <strong>Aufsichtspflicht</strong> von ihnen übernehmen.<br />

1. Wie wird die Erzieher<strong>in</strong> aufsichtspflichtig?<br />

Begründung der <strong>Aufsichtspflicht</strong><br />

Geben die Eltern bzw. andere Personensorgeberechtigte - beispielsweise<br />

der Vormund - K<strong>in</strong>der <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e Tagese<strong>in</strong>richtung, kommt - rechtlich<br />

gesehen - regelmäßig e<strong>in</strong> Vertrag zustande, durch den die <strong>Aufsichtspflicht</strong><br />

von den Personensorgeberechtigten auf den Träger der E<strong>in</strong>richtung<br />

übergeht (sog. Betreuungs- oder Aufnahmevertrag). Indem die<br />

Personensorgeberechtigten ihr K<strong>in</strong>d anmelden, erklären sie, ihre <strong>Aufsichtspflicht</strong><br />

<strong>für</strong> die Dauer und den Umfang der jeweiligen Betreuung<br />

übertragen zu wollen: Das K<strong>in</strong>d soll während se<strong>in</strong>er Anwesenheit erzogen<br />

und beaufsichtigt werden. Nimmt der Träger die Anmeldung an, ist<br />

der Vorgang der vertraglichen Begründung der <strong>Aufsichtspflicht</strong> abgeschlossen.<br />

Träger von Tagese<strong>in</strong>richtungen s<strong>in</strong>d <strong>in</strong> aller Regel Institutionen, z.B. Geme<strong>in</strong>den,<br />

Kirchengeme<strong>in</strong>den oder Vere<strong>in</strong>e. Institutionen können die<br />

<strong>Aufsichtspflicht</strong> nicht selbst wahrnehmen. Sie bedienen sich dazu ihrer<br />

Mitarbeiter<strong>in</strong>nen, also sozialpädagogischer Fachkräfte (Erzieher<strong>in</strong>nen,<br />

Sozialpädagog<strong>in</strong>nen), K<strong>in</strong>derpfleger<strong>in</strong>nen, Ergänzungskräfte, Praktikant<strong>in</strong>nen<br />

usw., aber auch ehrenamtlicher Helfer<strong>in</strong>nen.<br />

5


Gruppenübergreifende<br />

Zuständigkeit<br />

Praxisbeispiel:<br />

Das folgende Schema soll diese Herleitung der Erziehungs- und <strong>Aufsichtspflicht</strong><br />

von den Personensorgeberechtigten verdeutlichen:<br />

Zwischen Erzieher<strong>in</strong> und Personensorgeberechtigten bestehen typischerweise<br />

ke<strong>in</strong>e Vertragsbeziehungen. Die Erzieher<strong>in</strong> ist vielmehr sog.<br />

Erfüllungsgehilf<strong>in</strong> (§ 278 BGB) des Trägers; sie ist alle<strong>in</strong> auf Grund ihres<br />

Arbeitsvertrages o.ä. mit dem Träger verpflichtet, die Vere<strong>in</strong>barungen<br />

des Vertrages zwischen Träger und Personensorgeberechtigten zu erfüllen.<br />

2. Wen hat die Erzieher<strong>in</strong> zu beaufsichtigen?<br />

Persönlicher Geltungsbereich der <strong>Aufsichtspflicht</strong><br />

2.1 K<strong>in</strong>der <strong>in</strong> der Obhut der E<strong>in</strong>richtung<br />

In erster L<strong>in</strong>ie erstreckt sich die <strong>Aufsichtspflicht</strong> der Erzieher<strong>in</strong> auf die<br />

K<strong>in</strong>der ihrer Gruppe, <strong>für</strong> die sie also unmittelbar zuständig ist (zur übergreifenden<br />

Verantwortlichkeit der Leiter<strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Tagese<strong>in</strong>richtung s.u.<br />

5.1).<br />

Auf Grund ihres Anstellungsvertrages s<strong>in</strong>d Erzieher<strong>in</strong>nen aber darüber<br />

h<strong>in</strong>aus verpflichtet, soweit dies erforderlich ist, gegenüber sämtlichen,<br />

d.h. auch gruppenfremden K<strong>in</strong>dern, welche die E<strong>in</strong>richtung besuchen,<br />

<strong>Aufsichtspflicht</strong>en wahrzunehmen. Relevant wird dieses dann, wenn die<br />

unmittelbar zuständige Kolleg<strong>in</strong> im betreffenden Moment nicht rechtzeitig<br />

e<strong>in</strong>schreiten kann, etwa weil sie aus irgendwelchen Gründen verh<strong>in</strong>dert<br />

oder überfordert ist.<br />

In e<strong>in</strong>er größeren Tagese<strong>in</strong>richtung <strong>für</strong> K<strong>in</strong>der benutzen die K<strong>in</strong>der beim<br />

Kommen und Gehen den Hauptflur des Gebäudes. Die Erzieher<strong>in</strong> der<br />

Gruppe A geht über diesen Flur und sieht vier K<strong>in</strong>der der Gruppe B e<strong>in</strong><br />

fünftes K<strong>in</strong>d der Gruppe C am Boden festhalten und es verprügeln.<br />

6<br />

Personensorgeberechtigte<br />

↓<br />

Träger<br />

↓<br />

Erzieher<strong>in</strong><br />

Vertrag<br />

Vertrag


Gruppenübergreifende<br />

Zusammenarbeit<br />

Praxisbeispiel:<br />

Nicht regulär angemeldete<br />

K<strong>in</strong>der<br />

Die Erzieher<strong>in</strong> der Gruppe A ist <strong>in</strong> dieser Situation auch zur Aufsicht<br />

über die gruppenfremden K<strong>in</strong>der verpflichtet. Sie muss sich <strong>in</strong> irgende<strong>in</strong>er<br />

Form <strong>in</strong> dieses Geschehen e<strong>in</strong>schalten und darf sich nicht etwa mit<br />

der Begründung, es seien nur K<strong>in</strong>der anderer Gruppen beteiligt, an der<br />

Prügelei vorbeischleichen. Ihre <strong>Aufsichtspflicht</strong> verpflichtet sie h<strong>in</strong>gegen<br />

nicht, sich auch dann e<strong>in</strong>zuschalten, wenn e<strong>in</strong>e solche Prügelei ausserhalb<br />

der E<strong>in</strong>richtung stattf<strong>in</strong>det, z. B. auf e<strong>in</strong>em öffentlichen Spielplatz,<br />

an dem sie auf dem Heimweg vom Dienst vorbeikommt (wobei<br />

sie aus pädagogischen Gründen selbstverständlich auch <strong>in</strong> diesem Falle<br />

e<strong>in</strong>mischen sollte).<br />

<strong>Aufsichtspflicht</strong>en <strong>für</strong> gruppenfremde K<strong>in</strong>der können sich auch <strong>in</strong> Fällen<br />

gruppenübergreifender Zusammenarbeit ergeben, da hierbei die Zuständigkeiten<br />

der e<strong>in</strong>zelnen Erzieher<strong>in</strong>nen kaum vone<strong>in</strong>ander abzugrenzen<br />

s<strong>in</strong>d.<br />

Die Gruppe A und die Gruppe B (jeweils etwa 20 K<strong>in</strong>der) spielen unter<br />

Aufsicht ihrer beiden Erzieher<strong>in</strong>nen auf dem Spielplatz des K<strong>in</strong>dergartens.<br />

E<strong>in</strong>ige K<strong>in</strong>der der Gruppe A machen lieber bei dem Kreisspiel der<br />

Gruppe B mit, e<strong>in</strong>ige K<strong>in</strong>der der Gruppe B lieber beim Rutschen und<br />

Wippen, den Spielen der Gruppe A.<br />

In diesem Fall s<strong>in</strong>d die Erzieher<strong>in</strong>nen selbstverständlich auch <strong>für</strong> die<br />

gruppenfremden K<strong>in</strong>der aufsichtspflichtig, die sich der von ihnen geleiteten<br />

Aktivität angeschlossen haben. Daneben tragen sie allerd<strong>in</strong>gs<br />

geme<strong>in</strong>sam die Verantwortung <strong>für</strong> sämtliche K<strong>in</strong>der auf dem Spielplatz.<br />

Zur Erleichterung der Aufgabenwahrnehmung etwa durch Arbeitsteilung<br />

(differenzierte Aufsichtsführung) und zur Vermeidung von Gefährdungssituationen<br />

sollten klare Absprachen getroffen werden.<br />

2.2 Besuchs- und "Probek<strong>in</strong>der"<br />

Da die <strong>Aufsichtspflicht</strong> im Regelfall auf dem Zustandekommen des Anmeldungs-<br />

oder Betreuungsvertrags beruht (s.o. 1), stellt sich die Frage,<br />

<strong>in</strong>wieweit Erzieher<strong>in</strong>nen verpflichtet s<strong>in</strong>d, auch K<strong>in</strong>der zu beaufsichtigen,<br />

die nicht regulär angemeldet s<strong>in</strong>d. Hierbei ist zwischen den sog.<br />

Probek<strong>in</strong>dern und den sog. Besuchsk<strong>in</strong>dern zu unterscheiden.<br />

Besucht e<strong>in</strong> K<strong>in</strong>d, etwa weil die Eltern sich nicht sicher s<strong>in</strong>d, ob die Tagese<strong>in</strong>richtung<br />

<strong>für</strong> das K<strong>in</strong>d geeignet ist, die E<strong>in</strong>richtung nur "zur Probe",<br />

liegt der Fall ähnlich wie bei regulär angemeldeten K<strong>in</strong>dern.<br />

7


Praxisbeispiel:<br />

Praxisbeispiel:<br />

Verkehrssicherungspflicht<br />

E<strong>in</strong>e Mutter ist noch unentschlossen, ob sie ihr K<strong>in</strong>d zum K<strong>in</strong>dergarten<br />

schicken soll oder nicht; sie möchte sich erst nach e<strong>in</strong>er Probeteilnahme<br />

entscheiden. Die Leiter<strong>in</strong> des K<strong>in</strong>dergartens ist mit dem Probebesuch<br />

e<strong>in</strong>verstanden.<br />

Die e<strong>in</strong>zige Besonderheit dieses Falles besteht dar<strong>in</strong>, dass die vertragliche<br />

Grundlage der <strong>Aufsichtspflicht</strong> nicht die Anmeldung, sondern<br />

eben die Vere<strong>in</strong>barung des Probebesuchs ist. Für den Inhalt der <strong>Aufsichtspflicht</strong><br />

macht dies ke<strong>in</strong>en Unterschied. "Probek<strong>in</strong>der" s<strong>in</strong>d genauso<br />

zu beaufsichtigen wie die regulär <strong>in</strong> die Tagese<strong>in</strong>richtung aufgenommenen<br />

K<strong>in</strong>der.<br />

Etwas anders liegt der Fall bei K<strong>in</strong>dern, welche, ohne angemeldet zu<br />

se<strong>in</strong>, die E<strong>in</strong>richtung nur besuchen, z.B. weil sie e<strong>in</strong>en Freund oder e<strong>in</strong>e<br />

Freund<strong>in</strong> begleiten wollen.<br />

Den K<strong>in</strong>dern <strong>in</strong> der Hortgruppe e<strong>in</strong>er Tagese<strong>in</strong>richtung ist es erlaubt,<br />

Freunde mit <strong>in</strong> die E<strong>in</strong>richtung zu br<strong>in</strong>gen. Sie sollen das der Gruppenerzieher<strong>in</strong><br />

nach Möglichkeit ankündigen und müssen auf jeden Fall bei<br />

ihrem E<strong>in</strong>treffen sofort Bescheid sagen, wenn sie jemanden mitgebracht<br />

haben.<br />

Bei solchen Besuchsk<strong>in</strong>dern kommt i.d.R. ke<strong>in</strong> Vertrag zustande. Haftungsrechtlich<br />

besteht aber im Ergebnis praktisch ke<strong>in</strong> Unterschied zwischen<br />

regulär angemeldeten K<strong>in</strong>dern und Besuchsk<strong>in</strong>dern, so dass die<br />

Erzieher<strong>in</strong> sowohl die e<strong>in</strong>en als auch die anderen zu beaufsichtigen hat.<br />

Dies liegt zum e<strong>in</strong>en daran, dass die <strong>Aufsichtspflicht</strong> über die angemeldeten<br />

K<strong>in</strong>der auch dazu verpflichtet, diese e<strong>in</strong>erseits von Schädigungen<br />

des Besuchsk<strong>in</strong>des abzuhalten und andererseits vor Schädigungen<br />

durch das Besuchsk<strong>in</strong>d zu schützen.<br />

Zum anderen besteht unabhängig von der <strong>Aufsichtspflicht</strong> immer die<br />

sog. allgeme<strong>in</strong>e Verkehrssicherungspflicht. Dabei handelt es sich um<br />

die Pflicht, das Gebäude der Tagese<strong>in</strong>richtung sowie die dar<strong>in</strong> bef<strong>in</strong>dlichen<br />

E<strong>in</strong>richtungsgegenstände <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em verkehrssicheren Zustand zu<br />

halten. Sie besteht nicht nur gegenüber den K<strong>in</strong>dern, welche die E<strong>in</strong>richtung<br />

nutzen, sondern gegenüber jeder Person, welche sie befugtermaßen<br />

betritt. Die Verkehrssicherungspflicht beruht auf dem Gedanken,<br />

dass derjenige, der e<strong>in</strong>e Gefahrenquelle schafft oder <strong>in</strong> dessen<br />

E<strong>in</strong>wirkungsbereich sich e<strong>in</strong>e solche bef<strong>in</strong>det, die notwendigen Vorkeh-<br />

8


<strong>Aufsichtspflicht</strong> während der<br />

Zeit des Betreuungsangebots<br />

rungen treffen muss, um Dritte vor etwaigen Schäden zu bewahren.<br />

Die Verantwortlichkeit hier<strong>für</strong> trifft ursprünglich den E<strong>in</strong>richtungsträger.<br />

Während der Betreuungszeiten ist sie jeoch teilweise den Erzieher<strong>in</strong>nen<br />

übertragen. Sie müssen, soweit ihnen das möglich ist, Gefahrenquellen<br />

beseitigen oder vorläufig absichern und erforderlichenfalls den E<strong>in</strong>richtungsträger<br />

<strong>in</strong>formieren (vgl. dazu auch unten 5.2).<br />

Die Verkehrssicherungspflicht besteht gleichermaßen gegenüber regulär<br />

angemeldeten und ”Probek<strong>in</strong>dern” e<strong>in</strong>erseits sowie Besuchsk<strong>in</strong>dern<br />

andererseits. Stellt e<strong>in</strong>e Erzieher<strong>in</strong> beispielsweise <strong>für</strong> das Spiel<br />

"E<strong>in</strong>e Reise nach Jerusalem" beschädigte oder wackelige Stühle zur<br />

Verfügung, macht es daher ke<strong>in</strong>en Unterschied, ob dadurch e<strong>in</strong> angemeldetes<br />

oder e<strong>in</strong> Besuchsk<strong>in</strong>d zu Schaden kommt. In beiden Fällen<br />

hat die Erzieher<strong>in</strong> e<strong>in</strong>e Rechtspflicht verletzt. 2<br />

Wie die <strong>Aufsichtspflicht</strong> zielt auch die allgeme<strong>in</strong>e Verkehrssicherungspflicht<br />

darauf ab, Schutzmaßnahmen zu ergreifen. Wenn es um den<br />

Schutz von K<strong>in</strong>dern geht, greifen beide Pflichten daher zumeist derart<br />

<strong>in</strong>e<strong>in</strong>ander, dass e<strong>in</strong>e deutliche Trennung kaum möglich ist. Die haftungsrechtlichen<br />

Unterschiede zwischen angemeldeten K<strong>in</strong>dern und<br />

Besuchsk<strong>in</strong>dern s<strong>in</strong>d im Ergebnis dementsprechend ger<strong>in</strong>g. 3<br />

3. Wann beg<strong>in</strong>nt die <strong>Aufsichtspflicht</strong>, wann endet sie?<br />

Wie bereits erläutert (s.o. 1.), ist die <strong>Aufsichtspflicht</strong> des E<strong>in</strong>richtungsträgers<br />

und der Erzieher<strong>in</strong>nen e<strong>in</strong>e abgeleitete. Sie beruht auf e<strong>in</strong>em<br />

Vertrag mit den Personensorgeberechtigten. Gegenstand dieses Vertrages<br />

wird <strong>in</strong> aller Regel auch e<strong>in</strong>e Vere<strong>in</strong>barung darüber se<strong>in</strong>, wann<br />

die Aufsicht über die K<strong>in</strong>der beg<strong>in</strong>nt und wann sie endet. Zweckmäßigerweise<br />

geschieht dies, <strong>in</strong>dem ausdrücklich auf die entsprechende<br />

Regelung <strong>in</strong> der K<strong>in</strong>dergartenordnung verwiesen wird. Ist e<strong>in</strong>e solche<br />

nicht vorhanden, sollte bei Abschluss des Betreuungsvertrages <strong>in</strong> anderer<br />

Weise ausdrücklich festgestellt werden, dass <strong>für</strong> den Weg zu und<br />

von der E<strong>in</strong>richtung die Eltern verantwortlich s<strong>in</strong>d. Aber auch wenn e<strong>in</strong>e<br />

solche Regelung nicht ausdrücklich getroffen worden ist, folgt dasselbe<br />

aus dem Umstand, dass die Personensorgeberechtigten die <strong>in</strong> erster<br />

L<strong>in</strong>ie Aufsichtsverpflichteten s<strong>in</strong>d und die Aufsicht nur <strong>für</strong> e<strong>in</strong>e bestimmte<br />

Zeit auf die E<strong>in</strong>richtung übertragen. Dies kann, soweit nicht ausdrücklich<br />

etwas anderes vere<strong>in</strong>bart ist, nur die Zeit se<strong>in</strong>, während der<br />

die E<strong>in</strong>richtung ihr Betreuungsangebot macht.<br />

9


Übergangsstellen der<br />

Aufsichtsbereiche<br />

Praxisbeispiel:<br />

Nach alledem kann festgehalten werden, dass <strong>für</strong> den Weg zu und von<br />

der Enrichtung grundsätzlich die Personensorgeberechtigten verantwortlich<br />

s<strong>in</strong>d. Dieser Grundsatz alle<strong>in</strong> beschreibt allerd<strong>in</strong>gs die zeitlichen<br />

Grenzen der <strong>Aufsichtspflicht</strong> der Erzieher<strong>in</strong> noch zu vage. Will man diese<br />

Grenzen genau erfassen, muss man sich vergegenwärtigen, dass<br />

die Abgrenzung der Verantwortlichkeiten <strong>für</strong> die Ausübung der <strong>Aufsichtspflicht</strong><br />

nicht lediglich dazu dient, denjenigen zu bestimmen, der im<br />

Schadensfall haftet. Durch die Festlegung klarer Zuständigkeiten soll<br />

vielmehr vor allem verh<strong>in</strong>dert werden, dass an den Übergangsstellen<br />

der Aufsichtsbereiche Gefährdungssituationen <strong>für</strong> das K<strong>in</strong>d deswegen<br />

entstehen, weil sich weder die Personensorgeberechtigten noch die Erzieher<strong>in</strong><br />

verantwortlich fühlen. Vor diesem H<strong>in</strong>tergrund ist e<strong>in</strong>erseits zu<br />

berücksichtigen, dass die e<strong>in</strong>zelne Erzieher<strong>in</strong> ke<strong>in</strong>e Aufsicht führen<br />

kann, bevor sich das betreffende K<strong>in</strong>d <strong>in</strong> ihrem Blickfeld bef<strong>in</strong>det. Ihre<br />

<strong>Aufsichtspflicht</strong> kann erst dann beg<strong>in</strong>nen, wenn das betreffende K<strong>in</strong>d<br />

ihr übergeben wurde oder sich von selbst bei ihr e<strong>in</strong>f<strong>in</strong>det 4 . Andererseits<br />

ist festzuhalten, dass der E<strong>in</strong>richtungsträger verpflichtet ist, die<br />

se<strong>in</strong>e E<strong>in</strong>richtung besuchenden K<strong>in</strong>der bereits bei ihrem E<strong>in</strong>treffen vor<br />

etwaigen Schädigungen zu bewahren. Um dieser Verpflichtung nachzukommen,<br />

kann es - je nach den Umständen des E<strong>in</strong>zelfalls - erforderlich<br />

se<strong>in</strong>, dass die K<strong>in</strong>der zu den üblichen Zeiten durch e<strong>in</strong>e oder<br />

mehrere Erzieher<strong>in</strong>nen <strong>in</strong> Empfang genommen und bei dem Weg <strong>in</strong> ihre<br />

jeweilige Gruppe beaufsichtigt werden. Da es gerade an den Übergangsstellen<br />

der Aufsichtsbereiche leicht zu Gefährdungssituationen<br />

kommen kann, ist es wichtig hier klare Absprachen - <strong>in</strong>sbesondere<br />

auch mit den Eltern - zu treffen.<br />

In e<strong>in</strong>em ländlichen Gebiet hatte sich e<strong>in</strong>e Eltern<strong>in</strong>itiative gebildet, die<br />

ihre K<strong>in</strong>der zu dem kommunalen K<strong>in</strong>dergarten durch e<strong>in</strong> Busunternehmen<br />

br<strong>in</strong>gen ließ. Die Busfahrer<strong>in</strong> ließ die K<strong>in</strong>der regelmäßig auf e<strong>in</strong>em<br />

frei benutzbaren Parkplatz <strong>in</strong> vier Meter Entfernung von der E<strong>in</strong>gangstür<br />

des K<strong>in</strong>dergartens aussteigen. Sie öffnete zum Aussteigen nur die vordere<br />

Tür, um Drängeleien vorzubeugen. Die K<strong>in</strong>der begaben sich auch<br />

immer auf dem kürzesten Weg <strong>in</strong> den K<strong>in</strong>dergarten. E<strong>in</strong>es Tages geriet<br />

e<strong>in</strong> vier Jahre und zwei Monate alter Junge beim Abfahren des Busses<br />

unter die H<strong>in</strong>terreifen, ohne dass die Busfahrer<strong>in</strong> dies bemerken konnte.<br />

E<strong>in</strong>e der Erzieher<strong>in</strong>nen des K<strong>in</strong>dergartens hielt sich regelmäßig <strong>in</strong> der<br />

Nähe der E<strong>in</strong>gangstür im Haus<strong>in</strong>neren auf, um die K<strong>in</strong>der <strong>in</strong> Empfang zu<br />

10


Übergabe <strong>in</strong> e<strong>in</strong>en anderen<br />

Aufsichtsbereich<br />

Autorisierte Abholperson<br />

Verkehrstüchtigkeit<br />

nehmen. § 9 der K<strong>in</strong>dergartenordnung bestimmte: "Für den Weg zum<br />

und vom K<strong>in</strong>dergarten s<strong>in</strong>d die Eltern verantwortlich. Für die Zeit vor<br />

Öffnung und nach Schließung des K<strong>in</strong>dergartens übernimmt die Leiter<strong>in</strong><br />

ke<strong>in</strong>e Verantwortung". 5<br />

Das Landgericht Bielefeld hat die K<strong>in</strong>dergartenleiter<strong>in</strong> von der Anklage<br />

der fahrlässigen Tötung freigesprochen, weil sie weder gesetzlich noch<br />

vertraglich verpflichtet gewesen sei, die K<strong>in</strong>der bereits an der Bustür <strong>in</strong><br />

Empfang zu nehmen. Die <strong>für</strong> e<strong>in</strong>e Verurteilung <strong>in</strong> diesem Fall erforderliche<br />

Garantenstellung aus tatsächlicher Gewährübernahme verne<strong>in</strong>te<br />

das Landgericht mit der Begründung, dass weder e<strong>in</strong>e gesetzliche<br />

noch e<strong>in</strong>e vertragliche Pflicht aus e<strong>in</strong>em irgendwie gearteten besonderen<br />

Vertrauensverhältnis bestand, die K<strong>in</strong>der sicher <strong>in</strong> den K<strong>in</strong>dergarten<br />

zu br<strong>in</strong>gen. Der Träger des K<strong>in</strong>dergartens hatte die Verpflichtung zur<br />

Aufsicht von den Eltern hier<strong>für</strong> nicht übernommen. Es wäre Sache der<br />

Eltern gewesen, der Busfahrer<strong>in</strong> e<strong>in</strong>e Aufsichtsperson zur Seite zu Stellen.<br />

Für den Nachhauseweg kann im Grundsatz nichts anderes gelten. Den<br />

Träger trifft kraft Gesetzes ke<strong>in</strong>e Verantwortung <strong>für</strong> den Heimweg. Er<br />

wird sie <strong>in</strong> der Regel auch nicht vertraglich übernehmen. Den E<strong>in</strong>richtungsträger<br />

und damit auch die Erzieher<strong>in</strong> trifft allerd<strong>in</strong>gs die Verpflichtung,<br />

die K<strong>in</strong>der ordnungsgemäß aus ihrem Aufsichtsbereich wieder <strong>in</strong><br />

den der Personensorgeberechtigten zu übergeben. Wie dies zu geschehen<br />

hat, richtet sich <strong>in</strong>sbesondere nach dem Alter der K<strong>in</strong>der.<br />

Bei K<strong>in</strong>dergartenk<strong>in</strong>dern ist, soweit nicht ausdrücklich e<strong>in</strong>e andere Absprache<br />

getroffen wurde, angesichts des Alters der K<strong>in</strong>der und dessen,<br />

was üblich ist, von e<strong>in</strong>er stillschweigenden Vere<strong>in</strong>barung auszugehen,<br />

dass nur die Übergabe an e<strong>in</strong>e autorisierte Abholperson ordnungsgemäß<br />

ist. Wird e<strong>in</strong> K<strong>in</strong>d nicht rechtzeitig abgeholt, ist die Erzieher<strong>in</strong><br />

verpflichtet, auch auf spät kommende Eltern zu warten, anzurufen oder<br />

zu veranlassen, dass e<strong>in</strong>e andere geeignete Person das K<strong>in</strong>d nach<br />

Hause br<strong>in</strong>gt.<br />

Grund <strong>für</strong> diese besondere Vorsicht s<strong>in</strong>d <strong>in</strong>sbesondere die Gefahren,<br />

denen gerade Kle<strong>in</strong>k<strong>in</strong>der im Straßenverkehr ausgesetzt s<strong>in</strong>d. Bei Kle<strong>in</strong>k<strong>in</strong>dern<br />

neigen die Gerichte zu e<strong>in</strong>er skeptischen Beurteilung der Verkehrstüchtigkeit.<br />

K<strong>in</strong>der bis zu e<strong>in</strong>em Alter von fünf Jahren seien unver-<br />

11


Praxisbeispiel:<br />

Verkehrserziehung<br />

E<strong>in</strong>verständniserklärung<br />

ständig und verfügten im Spiel noch nicht über die Fähigkeit zu ruhiger<br />

Überlegung und Gefahrene<strong>in</strong>schätzung.<br />

E<strong>in</strong> viere<strong>in</strong>viertel Jahre altes Mädchen war von dem Neubau e<strong>in</strong>es E<strong>in</strong>familienhauses,<br />

<strong>in</strong> dem der Vater alle<strong>in</strong> arbeitete, alle<strong>in</strong> zu der 450 m<br />

entfernten Wohnung der Familie gelaufen. Der Weg verlief außerhalb<br />

der Ortschaft <strong>in</strong> etwa 35 m Entfernung neben e<strong>in</strong>er Landstraße erster<br />

Ordnung durch e<strong>in</strong>e Wiese. Unterwegs lief das Mädchen über die Wiese<br />

auf die Landstraße und verursachte e<strong>in</strong>en Unfall. 6<br />

Das Oberlandesgericht München hielt es zwar <strong>für</strong> grundsätzlich möglich,<br />

dass e<strong>in</strong> K<strong>in</strong>d dieses Alters e<strong>in</strong>en solchen Weg alle<strong>in</strong> zurückgehen<br />

kann, doch müsse das K<strong>in</strong>d angesichts der Gefährlichkeit der Landstraße<br />

bei den ersten Versuchen vor jedem derartigen Weg e<strong>in</strong>dr<strong>in</strong>glichst<br />

angewiesen werden, nicht von dem Wiesenweg abzugehen. Ausserdem<br />

müsse ihm das Gefühl vermittelt werden, dass die E<strong>in</strong>haltung<br />

dieser Anweisung überwacht werde.<br />

Das Gericht betont ebenso wie der Bundesgerichtshof <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er e<strong>in</strong> fünfjähriges<br />

K<strong>in</strong>d betreffenden Entscheidung ausdrücklich, dass es wegen<br />

des bevorstehenden Schulbesuchs und der mit dem Schulweg verbundenen<br />

Gefahren oft zweckmäßig se<strong>in</strong> wird, die K<strong>in</strong>der langsam daran zu<br />

gewöhnen, sich auch ohne ständige Überwachung <strong>in</strong> ihrem Verhalten<br />

auf den Straßenverkehr e<strong>in</strong>zustellen. Dennoch ist zu empfehlen, die<br />

K<strong>in</strong>der während der K<strong>in</strong>dergartenzeit nicht alle<strong>in</strong> <strong>in</strong> den Verkehr zu lassen.<br />

Verkehrserziehung kann auch bei geme<strong>in</strong>samen Spaziergängen<br />

und Ausflügen erfolgen. Gelegenheiten zur Bewegung auf der Straße<br />

ohne Überwachung bieten sich <strong>in</strong> ausreichendem Maße <strong>in</strong> solchen Zeiträumen,<br />

während derer die K<strong>in</strong>der von den Eltern zu beaufsichtigen s<strong>in</strong>d.<br />

Erklären die Personensorgeberechtigten (möglichst schriftlich) ausdrücklich,<br />

dass ihr K<strong>in</strong>d den Heimweg nunmehr alle<strong>in</strong>e zurücklegen<br />

könne und sie es demzufolge nicht mehr abholen, so trifft e<strong>in</strong>e eventuelle<br />

zivilrechtliche und strafrechtliche Verantwortlichkeit <strong>für</strong> hierdurch<br />

entstehende Unfälle alle<strong>in</strong> die Eltern und nicht die Tagese<strong>in</strong>richtung<br />

oder ihr Personal. Die Erzieher<strong>in</strong>nen s<strong>in</strong>d daher nicht verpflichtet, sich<br />

beispielsweise zu überzeugen, ob die Eltern mit dem K<strong>in</strong>d den selbständigen<br />

Heimweg h<strong>in</strong>reichend geübt haben. Da aber auch die Elternarbeit<br />

zum Auftrag des K<strong>in</strong>dergartens gehört, s<strong>in</strong>d sie wohl verpflichtet,<br />

12


Unvorhergesehene Ereignisse<br />

Problemfälle<br />

Weitergehendes Angebot<br />

der E<strong>in</strong>richtungen<br />

Hortk<strong>in</strong>der<br />

die Personensorgeberechtigten über diese Fragen e<strong>in</strong>gehend zu beraten.<br />

Außerdem kann es vorkommen, dass unvorhergesehene gefahrerhöhende<br />

Umstände e<strong>in</strong>treten (z.B. e<strong>in</strong>e Erkrankung des K<strong>in</strong>des, e<strong>in</strong><br />

starker Schneesturm oder erhöhtes Verkehrsaufkommen auf Grund<br />

e<strong>in</strong>er Umleitung). Im Zweifel s<strong>in</strong>d solche Umstände von der Erklärung<br />

der Eltern nicht abgedeckt. Die Erzieher<strong>in</strong>nen haben <strong>in</strong> diesen Fällen<br />

Sorge da<strong>für</strong> zu tragen, dass das K<strong>in</strong>d ungefährdet nach Hause kommt<br />

oder so lange <strong>in</strong> der Tagese<strong>in</strong>richtung bleibt, bis die Gefahr vorüber ist.<br />

Ist erkennbar, dass das K<strong>in</strong>d, bei dem von den Eltern gewünschten<br />

selbständigen Heimweg <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e hilflose Lage oder gar <strong>in</strong> Lebensgefahr<br />

geraten kann, gebieten es allgeme<strong>in</strong>e Rechtspflichten, das K<strong>in</strong>d trotz<br />

der Erklärung der Eltern nicht alle<strong>in</strong>e nach Hause zu schicken. Diese<br />

Fälle s<strong>in</strong>d selten und fast ausnahmslos durch Beratung auszuräumen.<br />

Ist dies e<strong>in</strong>mal nicht möglich, sollten die Erzieher<strong>in</strong>nen entweder über<br />

ihre oben skizzierten Verpflichtungen h<strong>in</strong>ausgehen oder den Träger darüber<br />

<strong>in</strong>formieren, dass die weitere Betreuung des K<strong>in</strong>des unter solchen<br />

Umständen nicht zumutbar ist.<br />

Sämtliche vorstehenden Ausführungen zu den zeitlichen Grenzen der<br />

<strong>Aufsichtspflicht</strong> gelten nur <strong>für</strong> den Regelfall. Selbstverständlich ist es<br />

möglich, dass der E<strong>in</strong>richtungsträger die <strong>Aufsichtspflicht</strong> vertraglich auf<br />

den Weg zu und von der E<strong>in</strong>richtung ausdehnt. Dies kann z. B. geschehen,<br />

<strong>in</strong>dem er e<strong>in</strong>en Zubr<strong>in</strong>gerdienst von und zu der E<strong>in</strong>richtung bereitstellt.<br />

In diesem Fall nimmt er die K<strong>in</strong>der bereits dann <strong>in</strong> Obhut, wenn<br />

sie den Bus besteigen, und ist damit bereits <strong>in</strong> diesem Zeitpunkt verpflichtet,<br />

alles Zumutbare zu tun, damit ke<strong>in</strong>e Schäden e<strong>in</strong>treten.<br />

Bei Hortk<strong>in</strong>dern ist die Frage des Heimweges <strong>in</strong>sgesamt sehr viel weniger<br />

problematisch. Sie werden <strong>in</strong> aller Regel den Schulweg - nach entsprechender<br />

"Übung" mit den Eltern - alle<strong>in</strong>e zurücklegen. Die Erzieher<strong>in</strong><br />

darf daher darauf vertrauen, dass sie auch den Weg von der Schule<br />

zum Hort und vom Hort nach Hause - ebenfalls nach entsprechender<br />

"Übung" - bewältigen können.<br />

Bei der Arbeit des Horts kann sich allerd<strong>in</strong>gs ergeben, dass die K<strong>in</strong>der<br />

während der Betreuungszeit etwas außerhalb des Horts unternehmen<br />

(etwa zu e<strong>in</strong>er Musikstunde gehen) oder dass nach e<strong>in</strong>er geme<strong>in</strong>samen<br />

Unternehmung der Heimweg von e<strong>in</strong>em anderen Ort aus angetreten<br />

13


Delegation der<br />

<strong>Aufsichtspflicht</strong><br />

Eignung der aufsichtführenden<br />

Person<br />

wird. Grundsätzlich ist hiergegen unter dem Gesichtspunkt der <strong>Aufsichtspflicht</strong><br />

nichts e<strong>in</strong>zuwenden. Zu beachten ist aber, dass das K<strong>in</strong>d<br />

z.B. auf dem Weg zur Musikstunde im Aufsichtsbereich des Hortes verbleibt.<br />

Die Erzieher<strong>in</strong> muss sich also Gedanken darüber machen, ob<br />

das K<strong>in</strong>d den betreffenden Weg alle<strong>in</strong>e zurücklegen kann. Dieselbe<br />

Überlegung ist anzustellen, wenn die K<strong>in</strong>der von e<strong>in</strong>em anderen Ort als<br />

der E<strong>in</strong>richtung aus nach Hause geschickt werden. Starre Altersgrenzen<br />

<strong>für</strong> die Verkehrstüchtigkeit lassen sich nach der Rechtsprechung<br />

nicht festlegen. Infolgedessen kann auch nicht ohne weiteres davon<br />

ausgegangen werden, dass jedes Hortk<strong>in</strong>d bedenkenlos jeder Verkehrssituation<br />

gewachsen ist. Es kommt <strong>in</strong>sbesondere auf den Grad<br />

der Gefährdung (Verkehrsverhältnisse) sowie das Alter und die E<strong>in</strong>sichtsfähigkeit<br />

des jeweiligen K<strong>in</strong>des an. Absprachen mit den Eltern<br />

s<strong>in</strong>d hier daher besonders zu empfehlen.<br />

4. Delegation der <strong>Aufsichtspflicht</strong><br />

Die <strong>Aufsichtspflicht</strong> kann pr<strong>in</strong>zipiell übertragen werden. E<strong>in</strong> generelles<br />

Verbot, das es der Erzieher<strong>in</strong> untersagen würde, ihre <strong>Aufsichtspflicht</strong><br />

weiter zu delegieren, gibt es nicht. Um etwa e<strong>in</strong>en Ausflug leichter und<br />

sicherer durchzuführen, können daher Kolleg<strong>in</strong>nen wie Praktikant<strong>in</strong>nen<br />

und andere Erwachsene, etwa Eltern von Gruppenk<strong>in</strong>dern, oder ergänzend<br />

sogar ältere K<strong>in</strong>der mitgenommen und zur Ausübung der <strong>Aufsichtspflicht</strong><br />

mitherangezogen werden. Voraussetzung ist jedoch <strong>in</strong><br />

jedem Fall, dass der Betreffende geeignet ist, h<strong>in</strong>reichend angeleitet<br />

wird und dass sich die Erzieher<strong>in</strong> der Erfüllung der übertragenen Aufsichtsaufgaben<br />

vergewissert. Ke<strong>in</strong>esfalls darf der Betreffende mit der<br />

ihm zugedachten Aufgabe überfordert se<strong>in</strong>. Will die Erzieher<strong>in</strong> die <strong>Aufsichtspflicht</strong><br />

delegieren, hat sie daher zum e<strong>in</strong>en die Pflicht, den Betreffenden<br />

sorgfältig auszuwählen. Zum anderen muss sie ihn bei der<br />

Wahrnehmung der jeweiligen Aufgabe im erforderlichen Maße anleiten<br />

und sich ihrer Erfüllung vergewissern.<br />

Für die sorgfältige Auswahl lassen sich ke<strong>in</strong>e allgeme<strong>in</strong> gültigen Regeln<br />

aufstellen. Inwieweit sich Erzieher<strong>in</strong>nen beispielsweise bei Ausflügen,<br />

Festen, aber auch bei der normalen Gruppenarbeit auf die Hilfe dritter<br />

Personen verlassen dürfen, hängt vielmehr von den Umständen des<br />

E<strong>in</strong>zelfalls ab. E<strong>in</strong>erseits ist die konkrete Eignung, <strong>in</strong>sbesondere die Zuverlässigkeit,<br />

Lebenserfahrung und Ausbildung der betreffenden Per-<br />

14


Umfang der<br />

Aufgabendelegation<br />

sorgfältige Anleitung<br />

E<strong>in</strong>schränkung der<br />

Delegation<br />

son, andererseits die Schwierigkeit der jeweiligen Aufgabe zu berücksichtigen.<br />

Bestehen bereits an der generellen Eignung begründete Zweifel, etwa<br />

weil der Betreffende schlecht sieht, darf ihm die <strong>Aufsichtspflicht</strong> nicht<br />

übertragen werden. Die Erzieher<strong>in</strong> hat bei ihrer Entscheidung ähnlich<br />

sorgfältig abzuwägen, wie der Träger der Tagese<strong>in</strong>richtung bei der E<strong>in</strong>stellung<br />

des Personals. Auch unter exam<strong>in</strong>ierten Erzieher<strong>in</strong>nen können<br />

ausnahmsweise ungeeignete Bewerber<strong>in</strong>nen se<strong>in</strong>.<br />

Ist der Betreffende generell geeignet, so bedarf es der weiteren Entscheidung<br />

darüber, welche Aufgaben ihm im Rahmen der Aufsichtsführung<br />

übertragen werden können und <strong>in</strong> welchem Umfang dies geschehen<br />

soll. Die Entscheidung wird <strong>in</strong>sbesondere davon abhängen,<br />

– wieweit der Betreffende die K<strong>in</strong>der der Gruppe kennt und deren<br />

Verhalten e<strong>in</strong>zuschätzen weiß,<br />

– ob er zur Kooperation mit der Erzieher<strong>in</strong> bereit und <strong>in</strong> der Lage ist,<br />

– ob und ggf. <strong>in</strong> welchem Umfang er bereits <strong>in</strong> der Tagese<strong>in</strong>richtung<br />

mitgearbeitet hat,<br />

– auf welche sonstigen Vorerfahrungen er zurückgreifen kann.<br />

Hat die Erzieher<strong>in</strong> Aufgaben im Rahmen der <strong>Aufsichtspflicht</strong> Dritten<br />

übertragen, so muss sie diese bei der Aufgabenwahrnehmung beraten,<br />

anleiten und sich der Erfüllung dieser Aufgaben vergewissern. Insbesondere<br />

hat sie konkrete pädagogische Aufgabenstellungen zu vermitteln.<br />

Diese Aufgabe kann sie zwar im Stil kooperativer Zusammenarbeit<br />

bewältigen, wird sie ihr aber nicht gerecht, bleibt sie <strong>für</strong> Schäden,<br />

die <strong>in</strong>folge e<strong>in</strong>er unzulänglichen Aufsichtsführung entstehen, verantwortlich<br />

(vgl. hierzu auch das Urteil des Bundesgerichtshofes (BGH) <strong>in</strong><br />

der Neuen Juristischen Wochenschrift 1986, S. 1674).<br />

Die Möglichkeit, die <strong>Aufsichtspflicht</strong> zu übertragen, kann durch schriftliche<br />

Vere<strong>in</strong>barung oder entsprechende Absprache e<strong>in</strong>geschränkt werden.<br />

Ausgeschlossen ist die Delegation der <strong>Aufsichtspflicht</strong> an andere<br />

Eltern oder K<strong>in</strong>der z.B., wenn durch den Betreuungsvertrag festgelegt<br />

wurde, dass e<strong>in</strong> K<strong>in</strong>d lediglich von ausgebildeten und besonders geschulten<br />

pädagogischen Fachkräften betreut werden soll. 8<br />

15


Leitungsverantwortung<br />

Personenauswahl<br />

Inhalt der allgeme<strong>in</strong>en<br />

Verkehrssicherungspflicht<br />

5. Organisationsverantwortung und<br />

Verkehrssicherungspflicht des Trägers<br />

5.1 Organisationspflichten<br />

Die <strong>Aufsichtspflicht</strong> wird von den Personensorgeberechtigten an den<br />

Träger der E<strong>in</strong>richtung übertragen. Dieser delegiert sie zwar weiter an<br />

das Personal der E<strong>in</strong>richtung, doch wird er damit nicht von jeder Verantwortung<br />

<strong>für</strong> die Aufsichtsführung frei. Vielmehr trifft ihn die Verpflichtung,<br />

den E<strong>in</strong>richtungsalltag so zu organisieren, dass <strong>Aufsichtspflicht</strong>verletzungen<br />

weitestgehend ausgeschlossen werden. Insbesondere hat<br />

er darauf zu achten, dass die jeweiligen Gruppenstärken und die Zahl<br />

der Erzieher<strong>in</strong>nen den gesetzlichen Anforderungen entsprechen.<br />

Weiterh<strong>in</strong> ist der Träger auf Grund se<strong>in</strong>er Organisationsverantwortung<br />

verpflichtet, das Personal der E<strong>in</strong>richtung bei der Ausübung der <strong>Aufsichtspflicht</strong><br />

anzuleiten und zu überwachen. Die Aufgabenbereiche und<br />

Kompetenzen der e<strong>in</strong>zelnen Mitarbeiter sollten h<strong>in</strong>reichend genau festgelegt<br />

und auch Stellvertretungsregelungen getroffen werden. Dabei<br />

wird der Leiter<strong>in</strong> der E<strong>in</strong>richtung im Regelfall e<strong>in</strong>e übergreifende Verantwortung<br />

übertragen. Sie hat <strong>in</strong>folge-dessen die Erzieher<strong>in</strong>nen bei der<br />

Wahrnehmung der Aufsicht zu beraten und <strong>in</strong>sbesondere durch Weitergabe<br />

der notwendigen Informationen zu unterstützen, aber auch Mängel<br />

<strong>in</strong> der Aufsichtsführung zu beanstanden und im Notfall selbst die<br />

Aufsicht führen.<br />

Daneben folgt aus der Organisationsverantwortung des Trägers die Verpflichtung,<br />

das Personal der E<strong>in</strong>richtung sorgfältig auszuwählen. Die<br />

Mitarbeiter<strong>in</strong>nen und Mitarbeiter müssen den ihnen übertragenen Aufgaben<br />

<strong>in</strong> fachlicher wie persönlicher H<strong>in</strong>sicht gewachsen se<strong>in</strong>. Wird die<br />

<strong>Aufsichtspflicht</strong> Personen übertragen, die nicht h<strong>in</strong>reichend qualifiziert,<br />

erfahren oder zuverlässig s<strong>in</strong>d, stellt dies e<strong>in</strong>e <strong>Aufsichtspflicht</strong>verletzung<br />

durch Organisationsverschulden dar.<br />

5.2 Verkehrssicherungspflicht<br />

Neben der Organisationsverantwortung trifft den E<strong>in</strong>richtungsträger die<br />

sog. allgeme<strong>in</strong>e Verkehrssicherungspflicht. Hierunter wird die Verpflichtung<br />

verstanden, alle zumutbaren Vorkehrungen zur gefahrlosen Benutzung<br />

der E<strong>in</strong>richtung zu treffen 9 (siehe dazu bereits oben 2.2). Er ist da-<br />

16


Praxisbeispiel:<br />

<strong>für</strong> verantwortlich, dass die Räume und das Gelände, welche er als<br />

Eigentümer, Pächter oder Mieter der E<strong>in</strong>richtung zur Verfügung stellt,<br />

ordnungsgemäß angelegt, ausgestattet und laufend unterhalten (gepflegt<br />

und repariert) werden. Was als ordnungsgemäße Anlage und<br />

Ausstattung anzusehen ist, ergibt sich vor allen D<strong>in</strong>gen aus speziellen<br />

Vorschriften <strong>für</strong> Tagese<strong>in</strong>richtungen (z.B. Empfehlungen <strong>für</strong> Tagese<strong>in</strong>richtungen<br />

<strong>für</strong> K<strong>in</strong>der, Richtl<strong>in</strong>ien <strong>für</strong> K<strong>in</strong>dergärten - herausgegeben von<br />

den Trägern der gesetzlichen Unfallversicherung), aber auch aus baurechtlichen<br />

und feuerpolizeilichen Vorschriften. Sie verpflichten den<br />

E<strong>in</strong>richtungsträger, z.B. Treppen durch besondere Geländer zu sichern,<br />

Fluchtwege <strong>für</strong> den Fall e<strong>in</strong>es Brandes offenzuhalten, gefährliche<br />

Schwellen zu beseitigen, Türen, wenn überhaupt mit Glas, dann mit<br />

Sicherheitsglas auszustatten oder anderweitig zu sichern oder von<br />

K<strong>in</strong>dern nicht handhabbare Fensterriegel vorzusehen.<br />

Die Wahrnehmung der Verkehrssicherungspflicht wird den Erzieher<strong>in</strong>nen<br />

wie die <strong>Aufsichtspflicht</strong> durch ihren Anstellungsvertrag teilweise<br />

übertragen. Dies ist naturgemäß allerd<strong>in</strong>gs nur <strong>in</strong> ger<strong>in</strong>gerem Umfang<br />

möglich als im Falle der <strong>Aufsichtspflicht</strong>.<br />

E<strong>in</strong> städtisches Jugendamt veranstaltete während der Sommerferien<br />

<strong>für</strong> K<strong>in</strong>der von sechs bis zwölf Jahren e<strong>in</strong> Spielprogramm im Freien und<br />

<strong>in</strong> Räumen. Die Veranstaltungen standen unter der Aufsicht von Studenten<br />

und Oberschülern, die vom Jugendamt e<strong>in</strong>gesetzt waren. Dies<br />

hatte das Jugendamt <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Faltblatt angekündigt. In e<strong>in</strong>er Schulaula<br />

rutschte e<strong>in</strong>e Gruppe von zehn bis zwölf K<strong>in</strong>dern von Bänken herunter,<br />

die an e<strong>in</strong>er Seite <strong>in</strong> die Sprossenwand <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Höhe von 70 bis 120<br />

cm e<strong>in</strong>gehängt waren. Der Fußboden der Aula bestand aus e<strong>in</strong>em mit<br />

PVC-Platten belegten Ste<strong>in</strong>fußboden. Turnmatten standen nicht zur<br />

Verfügung. Der Gruppenleiter ermahnte die K<strong>in</strong>der laufend, nicht so<br />

wild zu se<strong>in</strong> und wies auf die Gefahr e<strong>in</strong>es Absturzes h<strong>in</strong>. Als er gerade<br />

nicht bei der Gruppe war, stürzte e<strong>in</strong> sechsjähriger Junge von der Bank<br />

und verletzte sich am Kopf. 10<br />

In diesem Fall hat das Oberlandesgericht Bremen e<strong>in</strong>e <strong>Aufsichtspflicht</strong>verletzung<br />

des Betreuers verne<strong>in</strong>t, aber e<strong>in</strong>e Haftung der Geme<strong>in</strong>de<br />

wegen Verletzung der Verkehrssicherungspflicht angenommen. Der Betreuer,<br />

der sich ja um mehrere K<strong>in</strong>dergruppen kümmern musste, hatte<br />

alles ihm Mögliche und Zumutbare getan, <strong>in</strong>dem er auf die Gefahr e<strong>in</strong>es<br />

17


Verkehrssicherungs- und<br />

<strong>Aufsichtspflicht</strong><br />

H<strong>in</strong>weis auf Gefahren<br />

Absturzes h<strong>in</strong>gewiesen und die K<strong>in</strong>der laufend ermahnt hatte, nicht so<br />

wild zu se<strong>in</strong>. Die Gefahrensituation, die zu dem Unfall führte, beruhte<br />

darauf, dass der Träger ke<strong>in</strong>e Turnmatten zur Verfügung gestellt hatte.<br />

Dazu wäre er aber auf Grund se<strong>in</strong>er Verkehrssicherungspflicht verpflichtet<br />

gewesen. Die Verkehrssicherungspflicht obliegt ohneh<strong>in</strong> jedem,<br />

der die Sachherrschaft etwa über e<strong>in</strong> Grundstück oder e<strong>in</strong>en<br />

Raum hat, die anderen Menschen zugänglich s<strong>in</strong>d. Im vorliegenden Fall<br />

wurden die Anforderungen an die Erfüllung der Verkehrssicherungspflicht<br />

durch die öffentliche Ankündigung des beaufsichtigten Programms<br />

noch gesteigert.<br />

Soweit die allgeme<strong>in</strong>e Verkehrssicherungspflicht ausschließlich den E<strong>in</strong>richtungsträger<br />

trifft, haften Erzieher<strong>in</strong>nen nicht <strong>für</strong> dessen Versäumnisse.<br />

Kommt aber der Träger se<strong>in</strong>er Verpflichtung nicht nach, <strong>in</strong>dem er<br />

beispielsweise e<strong>in</strong>en schadhaften Fußboden nicht reparieren lässt, auf<br />

dem K<strong>in</strong>der leicht stolpern können, so gebietet die Aufsichtpflicht der<br />

Erzieher<strong>in</strong>, tätig zu werden. Andernfalls wäre sie <strong>für</strong> e<strong>in</strong>e etwaige Schädigung<br />

der K<strong>in</strong>der mitverantwortlich. Sie hat den Träger daher nachdrücklich<br />

(nötigenfalls auch schriftlich) an die Reparatur zu er<strong>in</strong>nern und<br />

die K<strong>in</strong>der zu besonderer Aufmerksamkeit h<strong>in</strong>sichtlich der Gefahrenquelle<br />

zu veranlassen. Wenn der Träger nicht reagiert oder sich sogar<br />

weigert, die Reparatur durchzuführen, sollte die Erzieher<strong>in</strong> ihm schriftlich<br />

mitteilen, mit ihrer Aufsichtsführung nicht länger da<strong>für</strong> e<strong>in</strong>stehen zu<br />

können, dass die K<strong>in</strong>der sich wegen des schadhaften Fußbodens nicht<br />

verletzen. Im Schadensfalle dürfte die Erzieher<strong>in</strong> hierdurch entlastet<br />

se<strong>in</strong>, da sie belegen kann, alles <strong>in</strong> ihrer Macht Stehende und Zumutbare<br />

unternommen zu haben, um Schädigungen der K<strong>in</strong>der zu vermeiden.<br />

Ist die Erzieher<strong>in</strong> davon überzeugt, dass die bauliche Anlage oder die<br />

Ausstattung nicht den e<strong>in</strong>schlägigen Sicherheitsvorschriften entsprechen,<br />

sollte sie dies dem Träger zu ihrer eigenen haftungsrechtlichen<br />

Absicherung vortragen. Die Erzieher<strong>in</strong> kennt <strong>in</strong> der Regel die räumlichen<br />

und ausstattungsbezogenen Gegebenheiten und deren Gefährdungspotential<br />

im Alltagsbetrieb besser als der Träger. Durch H<strong>in</strong>weise auf<br />

etwaige Gefahrenquellen und Vorschläge, diese durch bauliche oder<br />

technische Maßnahmen zu beseitigen, kann sie sich im Schadensfall<br />

auch dann entlasten, wenn der Träger untätig bleibt.<br />

18


Praxisbeispiel:<br />

Verkehrssicherungspflicht und <strong>Aufsichtspflicht</strong> lassen sich oft nicht vone<strong>in</strong>ander<br />

trennen, was aber auch nicht erforderlich ist, da beide Verpflichtungen<br />

im Ergebnis darauf h<strong>in</strong>auslaufen, die K<strong>in</strong>der durch geeignete<br />

Maßnahmen vor Gefährdungen zu schützen.<br />

In e<strong>in</strong>em K<strong>in</strong>dergarten wird an e<strong>in</strong>em Sommermorgen auf dem Spielplatz<br />

e<strong>in</strong> Frühstück e<strong>in</strong>genommen. Zu tr<strong>in</strong>ken gibt es Fruchtsaft. Als die<br />

K<strong>in</strong>der und Erzieher wieder <strong>in</strong> die Räume zurückgehen, bleibt e<strong>in</strong> volles<br />

Glas stehen. Zu der Zeit, als die Eltern die K<strong>in</strong>der abzuholen beg<strong>in</strong>nen,<br />

laufen e<strong>in</strong>ige K<strong>in</strong>der wieder auf den Spielplatz h<strong>in</strong>aus. In e<strong>in</strong>em unbeobachteten<br />

Moment tr<strong>in</strong>kt e<strong>in</strong> dreijähriges K<strong>in</strong>d aus dem Glas, <strong>in</strong> das<br />

sich <strong>in</strong>zwischen e<strong>in</strong>e Wespe gesetzt hat.<br />

Auch wenn man davon ausgeht, dass im vorliegenden Fall nach dem<br />

allgeme<strong>in</strong>en Zustand des Spielplatzes und den Verhaltensweisen der<br />

K<strong>in</strong>der ke<strong>in</strong>e Bedenken dagegen bestehen, dass e<strong>in</strong>zelne K<strong>in</strong>der h<strong>in</strong>auslaufen,<br />

ohne dass gleich e<strong>in</strong>e Erzieher<strong>in</strong> h<strong>in</strong>terherläuft, ist hier die<br />

erforderliche Sorgfalt nicht beachtet worden. Das Fruchtsaftglas hätte<br />

nicht auf dem Spielplatz stehen bleiben dürfen. Im Sommer ist die<br />

Möglichkeit, dass sich e<strong>in</strong>e Wespe <strong>in</strong> e<strong>in</strong> Fruchtsaftglas setzt und anschließend<br />

e<strong>in</strong> K<strong>in</strong>d aus dem Glas tr<strong>in</strong>kt, so naheliegend, dass man mit<br />

ihr rechnen muss. Erzieher<strong>in</strong>nen ist <strong>in</strong> Tagesstätten auch die Verpflichtung<br />

übertragen, <strong>in</strong> dem ihnen möglichen Umfang <strong>für</strong> die Sicherheit des<br />

Gebäudes und auch des Spielplatzes zu sorgen. Dies be<strong>in</strong>haltet auch<br />

die Pflicht, ke<strong>in</strong>e Gefahrenquellen (wie im Beispielsfall durch Zurücklassen<br />

des vollen Fruchtsaftglases) zu schaffen sowie bestehende Gefahren,<br />

wie sie etwa von Blechdosen oder zerbrochenen Flaschen ausgehen<br />

können, zu beseitigen. So ist es auch zumutbar, wenn man mit den<br />

K<strong>in</strong>dern h<strong>in</strong>ausgeht, e<strong>in</strong>mal aufmerksam über den Spielplatz zu gehen.<br />

19


B<br />

Bildung und Erziehung<br />

Umgang mit Risiken<br />

Praxisbeispiel:<br />

Inhalt der Aufsicht<br />

1. Pädagogischer Auftrag und Aufsicht<br />

Der Träger schließt mit den Eltern e<strong>in</strong>en Betreuungsvertrag, der die<br />

<strong>Aufsichtspflicht</strong> als Bestandteil des Erziehungs- und Bildungsauftrages<br />

e<strong>in</strong>schließt.<br />

Nach § 22 Abs. 1 Sozialgesetzbuch VIII, K<strong>in</strong>der- und Jugendhilfe (SGB<br />

VIII) soll <strong>in</strong> K<strong>in</strong>dertagese<strong>in</strong>richtungen die Entwicklung des K<strong>in</strong>des zu<br />

e<strong>in</strong>er eigenverantwortlichen und geme<strong>in</strong>schaftsfähigen Persönlichkeit<br />

gefördert werden. Dieser Fördergrundsatz ist Bestandteil der §§ 2,3<br />

und 4 des Gesetzes über Tagese<strong>in</strong>richtungen <strong>für</strong> K<strong>in</strong>der (GTK), <strong>in</strong> denen<br />

festgelegt ist, dass der K<strong>in</strong>dergarten im Rahmen se<strong>in</strong>es Erziehungsund<br />

Bildungsauftrages u. a. dem K<strong>in</strong>d zur größtmöglichen Selbständigkeit<br />

und Eigenaktivität zu verhelfen hat. Zur Erfüllung dieses Auftrages<br />

erstellen die K<strong>in</strong>dertagese<strong>in</strong>richtungen e<strong>in</strong>e pädagogische Konzeption<br />

<strong>für</strong> die jeweilige E<strong>in</strong>richtung. Bestandteil e<strong>in</strong>er solchen Konzeption<br />

ist häufig auch die <strong>in</strong>nere Öffnung der E<strong>in</strong>richtung, die den K<strong>in</strong>dern auch<br />

außerhalb der Gruppen Erfahrungsräume anbietet, <strong>in</strong> denen sie ihren<br />

Bedürfnissen nach Bewegung, Erkundung und Kreativität nachkommen<br />

können. Bewusst wird dabei auf e<strong>in</strong>e Dauerbeobachtung oder<br />

ständige Verhaltenskontrolle der K<strong>in</strong>der verzichtet.<br />

Aus den zitierten gesetzlichen Vorgaben sowie aus der pädagogischen<br />

Erwägung heraus, dass K<strong>in</strong>der nur dann Risiken und Gefahren bewältigen,<br />

wenn sie gelernt haben, mit diesen umzugehen, ergibt sich e<strong>in</strong><br />

Spielraum, der die Abwägung pädagogischer Gesichtspunkte und Sicherheitsaspekte<br />

gegene<strong>in</strong>ander fordert. Erziehung und <strong>Aufsichtspflicht</strong><br />

bilden e<strong>in</strong>e E<strong>in</strong>heit; d. h., was von den Erziehungszielen her gerechtfertigt<br />

ist und zugleich die Sicherheits<strong>in</strong>teressen des K<strong>in</strong>des und anderer<br />

mitberücksichtigt, wird auch den Anforderungen der <strong>Aufsichtspflicht</strong><br />

standhalten.<br />

K<strong>in</strong>der mit mehrjähriger K<strong>in</strong>dergartenerfahrung spielen alle<strong>in</strong> nach Absprache<br />

mit der Erzieher<strong>in</strong> draußen. Die K<strong>in</strong>der sollen selbständig, ihrem<br />

Alters- und Entwicklungsstand gemäß zusammen spielen und<br />

eigenständige Entscheidungen treffen.<br />

20


E<strong>in</strong>richtungen, die den Bestimmungen des SGB VIII unterliegen und<br />

somit dem Auftrag der Betreuung, Erziehung und Bildung verpflichtet<br />

s<strong>in</strong>d, würden diesen Auftrag nicht erfüllen, wenn das dort tätige Personal<br />

die K<strong>in</strong>der vorrangig beaufsichtigte, sie also nur vor etwaigen körperlichen<br />

Schäden bewahrte.<br />

In Tagese<strong>in</strong>richtungen geht es um e<strong>in</strong>e ganzheitliche Persönlichkeitsförderung<br />

des K<strong>in</strong>des. Steht die <strong>Aufsichtspflicht</strong> e<strong>in</strong>seitig im Vordergrund,<br />

werden geistige, seelische, soziale Persönlichkeitsbereiche nicht<br />

ausreichend angesprochen und gefördert.<br />

Zwischen den K<strong>in</strong>dern und der Erzieher<strong>in</strong> besteht e<strong>in</strong>e Vertrauensbasis,<br />

sie kennt die K<strong>in</strong>der, sie kennt die Umgebung, das Gelände, sie hat<br />

Absprachen mit den K<strong>in</strong>dern getroffen, die diese erfahrungsgemäß<br />

auch e<strong>in</strong>halten.<br />

Die Aufsicht würde dann ungenügend wahrgenommen, wenn<br />

– ke<strong>in</strong>e klaren Regeln oder Absprachen zwischen den K<strong>in</strong>dern und<br />

der Erzieher<strong>in</strong> bestehen,<br />

– das Gelände offensichtliche Gefahren aufwiese, die die K<strong>in</strong>der nicht<br />

e<strong>in</strong>schätzen können,<br />

– die K<strong>in</strong>der sich ohne weiteres vom Gelände entfernen könnten, weil<br />

z. B. die E<strong>in</strong>zäunung defekt ist oder Lücken hat.<br />

An diesem Beispiel wird deutlich, dass die Entscheidung darüber, <strong>in</strong><br />

welcher Weise und <strong>in</strong> welchem Umfang die Aufsicht wahrzunehmen ist,<br />

von verschiedenen Faktoren abhängt.<br />

Im folgenden Kapitel sollen die Faktoren, von denen Inhalt und Umfang<br />

der Aufsicht abhängen, näher beleuchtet werden.<br />

2. Bestimmungsfaktoren der Aufsicht<br />

In e<strong>in</strong>er konkreten Aufsichtssituation können all diese anschließend aufgeführten<br />

Faktoren oder nur e<strong>in</strong> Teil <strong>in</strong> unterschiedlicher Komb<strong>in</strong>ation<br />

zusammentreffen und damit den konkreten Umfang der Aufsichtsführung<br />

bestimmen.<br />

Jede Aufsichts- und Betreuungssituation ist anders und kaum bezüglich<br />

der Bed<strong>in</strong>gungen und Anforderungen vergleichbar. Es ist deshalb<br />

21


auch nicht möglich, <strong>für</strong> e<strong>in</strong>e konkrete Situation generelle Handlungsvorschläge<br />

zu machen.<br />

Wichtig und hilfreich s<strong>in</strong>d Kenntnisse über die wesentlichen Faktoren<br />

der <strong>Aufsichtspflicht</strong>: So kann die Erzieher<strong>in</strong> <strong>in</strong> der jeweiligen Situation<br />

pädagogisch entscheiden und handeln und das Recht des K<strong>in</strong>des auf<br />

körperliche Unversehrtheit sicherstellen.<br />

Im Folgenden wollen wir die Faktoren näher erläutern, die Inhalt und<br />

Umfang der <strong>Aufsichtspflicht</strong> bestimmen. Dieses s<strong>in</strong>d<br />

– die Person des K<strong>in</strong>des,<br />

– das Gruppenverhalten des K<strong>in</strong>des,<br />

– die Gefährlichkeit der Beschäftigung,<br />

– die örtliche Umgebung,<br />

– die Art der Spiel- und Beschäftigungsgeräte,<br />

– die Person der Erzieher<strong>in</strong>,<br />

– die Gruppengröße,<br />

– die Zumutbarkeit.<br />

2.1 Person des K<strong>in</strong>des<br />

Inhalt und Umfang der <strong>Aufsichtspflicht</strong> s<strong>in</strong>d vor allem von der körperlichen,<br />

seelischen, sozialen und geistigen Reife des K<strong>in</strong>des abhängig.<br />

E<strong>in</strong> dreijähriges K<strong>in</strong>d ist anders zu beaufsichtigen als e<strong>in</strong> sechs- oder<br />

gar zehnjähriges K<strong>in</strong>d. E<strong>in</strong> dreijähriges K<strong>in</strong>d benötigt e<strong>in</strong>e erhöhtere<br />

Aufmerksamkeit der Erzieher<strong>in</strong>. E<strong>in</strong>em Hortk<strong>in</strong>d s<strong>in</strong>d dagegen weitergehende<br />

Freiräume und Ablösungsmöglichkeiten vom Erwachsenen zu<br />

gewähren: Es soll sich bereits weitgehend selbst erproben können, z.<br />

B. alle<strong>in</strong>e E<strong>in</strong>käufe erledigen, Freunde besuchen oder zum Fußballvere<strong>in</strong><br />

oder zur Musikschule gehen.<br />

Es kommt also nicht auf das Alter, sondern auf den Entwicklungsstand<br />

des K<strong>in</strong>des und se<strong>in</strong> Bef<strong>in</strong>den an. Kann es bestimmte Regeln verstehen<br />

und e<strong>in</strong>halten? Hat es bestimmte körperliche Fertigkeiten? Wie ist die<br />

Tagesform des K<strong>in</strong>des?<br />

Somit ist die Frage wichtig, wie lange und genau die Erzieher<strong>in</strong> das K<strong>in</strong>d<br />

kennt, um dessen Entwicklungsstand beurteilen zu können.<br />

22


Art der Beschäftigung<br />

Praxisbeispiel:<br />

2.2 Gruppenverhalten<br />

Die Erzieher<strong>in</strong> <strong>in</strong> Tagese<strong>in</strong>richtungen <strong>für</strong> K<strong>in</strong>der hat fast ausnahmslos<br />

mit K<strong>in</strong>dern <strong>in</strong> Gruppen zu tun. Dies unterscheidet sie von Eltern, die <strong>in</strong><br />

aller Regel nur e<strong>in</strong>zelne K<strong>in</strong>der zu beaufsichtigen haben.<br />

Gruppen von K<strong>in</strong>dern s<strong>in</strong>d anders zu beaufsichtigen als e<strong>in</strong>zelne K<strong>in</strong>der,<br />

weil zu den <strong>in</strong>dividuellen Faktoren der Art und Weise wie K<strong>in</strong>der Lebenswelt<br />

wahrnehmen und aktiv bewältigen, gruppenspezifische Faktoren<br />

h<strong>in</strong>zukommen. In der Gruppe trifft das K<strong>in</strong>d auf Bed<strong>in</strong>gungen, die<br />

neue, veränderte Strategien und Aktivitäten herausfordern. Das K<strong>in</strong>d <strong>in</strong><br />

der Gruppe unterliegt e<strong>in</strong>em Phänomen, das auch jeder Erwachsene<br />

kennt: Als E<strong>in</strong>zelner hätte man sich möglicherweise anders verhalten als<br />

<strong>in</strong> der Gruppe.<br />

2.3 Gefährlichkeit der Beschäftigung<br />

Es ist klar, dass die Art der Beschäftigung des K<strong>in</strong>des, <strong>in</strong>sbesondere<br />

ihre Gefährlichkeit, den Inhalt und den Umfang der <strong>Aufsichtspflicht</strong> bee<strong>in</strong>flussen.<br />

K<strong>in</strong>der, die im Sandkasten spielen, s<strong>in</strong>d sicher anders zu<br />

beaufsichtigen als K<strong>in</strong>der, die <strong>in</strong> der Nähe e<strong>in</strong>es Feuchtbiotops spielen<br />

oder wiederum anders als K<strong>in</strong>der beim Planschen im Wasser oder bei<br />

e<strong>in</strong>em Ausflug.<br />

K<strong>in</strong>der entkernen Pflaumen mit e<strong>in</strong>em Küchenmesser, um sie zu Pflaumenmus<br />

zu verarbeiten.<br />

Diese Tätigkeit erfordert sicherlich zunächst e<strong>in</strong>e <strong>in</strong>tensivere Anleitung<br />

und Beaufsichtigung, da sich die K<strong>in</strong>der mit dem Messer verletzen können.<br />

S<strong>in</strong>d die K<strong>in</strong>der geübt, kann sich die Erzieher<strong>in</strong> <strong>in</strong> der Beaufsichtigung<br />

mehr zurücknehmen.<br />

Aus der Rechtsprechung wird deutlich, dass auch bei gefährlichen Beschäftigungen<br />

die <strong>Aufsichtspflicht</strong> mit den Erziehungszielen wie Selbständigkeit<br />

und Eigenverantwortung <strong>in</strong> E<strong>in</strong>klang stehen soll.<br />

In diesen Fällen muss die Erzieher<strong>in</strong> die Gefährlichkeit der Tätigkeit e<strong>in</strong>schätzen<br />

und ihr Handeln daran ausrichten. Sie muss den K<strong>in</strong>dern H<strong>in</strong>weise<br />

geben, mit ihnen Absprachen treffen, sie anleiten, sie beim E<strong>in</strong>üben<br />

von Fertigkeiten unterstützen und gegebenenfalls das Verhalten<br />

23


Räumlichkeiten und<br />

Umgebung<br />

Praxisbeispiel:<br />

Räume und Außengelände<br />

der K<strong>in</strong>der kontrollieren. Dieses alles dient jedoch dem Ziel, den K<strong>in</strong>dern<br />

<strong>in</strong> vertretbarem Rahmen die Chance zu geben zu lernen, mit Gefahren<br />

umzugehen.<br />

2.4 Örtliche Bed<strong>in</strong>gungen<br />

Räumlichkeiten und Umgebung s<strong>in</strong>d ebenfalls wichtige Merkmale e<strong>in</strong>er<br />

Aufsichtssituation.<br />

In Kapitel A 5.2. wurde bereits darauf h<strong>in</strong>gewiesen, dass dem Träger die<br />

Verkehrssicherungspflicht obliegt.<br />

Grundsätzlich ist der Träger da<strong>für</strong> verantwortlich, dass die Räume und<br />

das Gelände des K<strong>in</strong>dergartens ordnungsgemäß angelegt, ausgestattet<br />

und laufend unterhalten (gepflegt und repariert) werden. Es wurde<br />

auch darauf h<strong>in</strong>gewiesen, dass die <strong>Aufsichtspflicht</strong> der Erzieher<strong>in</strong> es <strong>in</strong><br />

manchen Fällen gebietet, selbst tätig zu werden, um Schädigungen von<br />

K<strong>in</strong>dern zu vermeiden.<br />

In e<strong>in</strong>em K<strong>in</strong>dergarten ist es üblich, dass die K<strong>in</strong>der entscheiden können,<br />

ob sie <strong>in</strong> der E<strong>in</strong>richtung oder auf dem Freigelände spielen. E<strong>in</strong>ige<br />

K<strong>in</strong>der gehen nach draußen. Doch nach kurzer Zeit kommt e<strong>in</strong> K<strong>in</strong>d<br />

schreiend mit e<strong>in</strong>er Schnittwunde am Knie <strong>in</strong> die E<strong>in</strong>richtung zurückgelaufen.<br />

Es stellt sich heraus, dass das K<strong>in</strong>d sich an e<strong>in</strong>er Scherbe verletzt<br />

hat, die von e<strong>in</strong>er Bierflasche stammt, die Jugendliche auf dem<br />

Spielgelände h<strong>in</strong>terlassen hatten.<br />

Nach dem allgeme<strong>in</strong>en Zustand des Spielplatzes und den Verhaltensweisen<br />

der K<strong>in</strong>der hatte die Erzieher<strong>in</strong> ke<strong>in</strong>e Bedenken, die K<strong>in</strong>der<br />

draußen spielen zu lassen. E<strong>in</strong>e Verletzung der Sorgfaltspflicht läge vor,<br />

wenn zu erwarten gewesen wäre, dass Scherben auf dem Spielplatz<br />

liegen und K<strong>in</strong>der sich hätten hieran verletzen können. Den Erzieher<strong>in</strong>nen<br />

ist die Verpflichtung übertragen, mögliche Gefährdungen <strong>für</strong> die<br />

K<strong>in</strong>der zu beseitigen. Wenn die Erzieher<strong>in</strong> weiß, dass häufig nach der<br />

Öffnungszeit Jugendliche das Spielgelände nutzen, sollte sie regelmäßig<br />

- möglichst geme<strong>in</strong>sam mit den K<strong>in</strong>dern - das Gelände auf<br />

Gefahrenquellen untersuchen. So lernen die K<strong>in</strong>der auch eigenständig<br />

Gefahrenquellen zu entdecken und sie zu melden, damit diese beseitigt<br />

werden können. Auf diese Weise wird die Verantwortung <strong>für</strong> das eigene<br />

Wohl und das Wohl der Geme<strong>in</strong>schaft Schritt <strong>für</strong> Schritt von den<br />

K<strong>in</strong>dern mit übernommen.<br />

24


Ausflüge und Wanderungen<br />

Umgang mit neuen<br />

Materialien<br />

Praxisbeispiel:<br />

Umgang mit Gefahren<br />

Insbesondere bei Ausflügen, Wanderungen und Besichtigungen s<strong>in</strong>d<br />

die örtlichen Bed<strong>in</strong>gungen von besonderer Bedeutung. Die Erzieher<strong>in</strong><br />

ist verpflichtet, so die Aufsicht zu führen, wie es die Besonderheiten der<br />

Umgebung erfordern. Sie muss die örtlichen Gegebenheiten kennen,<br />

<strong>in</strong>sbesondere auch die möglichen Gefahrenquellen. Ohne derartige<br />

Kenntnisse ist sie nicht <strong>in</strong> der Lage, die ihr anvertrauten K<strong>in</strong>der vor den<br />

Gefahren des Geländes zu bewahren. Empfehlenswert ist es, vor e<strong>in</strong>er<br />

Wanderung <strong>in</strong> schwierigem Gelände e<strong>in</strong>en Erkundungsgang zu machen,<br />

vor der Besichtigung e<strong>in</strong>es Betriebes diesen zu besuchen, um<br />

mögliche Gefahren besser e<strong>in</strong>schätzen und gegebenenfalls Absprachen<br />

treffen zu können. Ist e<strong>in</strong>e vorherige Besichtigung nicht möglich,<br />

ist sicherlich erhöhte Aufmerksamkeit nötig bzw. die Besichtigung mit<br />

zusätzlichen Erwachsenen durchzuführen.<br />

2.5 Art der Spielgeräte und des<br />

Beschäftigungsmaterials<br />

Allgeme<strong>in</strong> gültige Vorgaben, wie die Erzieher<strong>in</strong> die K<strong>in</strong>der beim Spiel anzuleiten<br />

oder zu beaufsichtigen hat, gibt es nicht. Es sollte selbstverständlich<br />

se<strong>in</strong>, dass die Erzieher<strong>in</strong> die Bedienungsanleitung, die Hersteller<br />

von Spielgeräten mitliefern, kennt, sie beachtet und den K<strong>in</strong>dern<br />

vermittelt. Jedes K<strong>in</strong>d, das erstmals auf e<strong>in</strong>em neuen Gerät oder mit<br />

e<strong>in</strong>em neuen Material spielt, sollte beobachtet und angeleitet werden,<br />

um sicherzustellen, dass es dessen Funktion verstanden hat bzw. die<br />

Benutzung des Gerätes beherrscht.<br />

Unter den Begriff Spielgeräte fallen nicht nur technisch speziell <strong>für</strong> K<strong>in</strong>derspiele<br />

konstruierte Geräte, sondern auch Haushaltsgeräte, Werkzeuge,<br />

Mauern, Skulpturen – kurzum alle D<strong>in</strong>ge, die K<strong>in</strong>der als Spielund<br />

Beschäftigungsmaterialien benutzen können.<br />

Die Erzieher<strong>in</strong> beabsichtigt, zerkle<strong>in</strong>erte Pflaumen mit e<strong>in</strong>igen K<strong>in</strong>dern zu<br />

Pflaumenmus zu verarbeiten. Sie benutzt hierzu den im Gruppenraum<br />

bef<strong>in</strong>dlichen K<strong>in</strong>derkochherd. Zwar besteht bei Unachtsamkeit die Gefahr,<br />

dass sich die K<strong>in</strong>der an den heißen Herdplatten verbrennen, aber<br />

nur so lernen sie, durch richtiges, vorsichtiges Verhalten den Herd<br />

eigenständig zu nutzen.<br />

Der sicherste Schutz <strong>für</strong> die K<strong>in</strong>der ist, schrittweise zu lernen, mit Gefahren<br />

oder gefährlichen Gegenständen umzugehen. Das Beispiel mit<br />

25


Pädagogische Kenntnisse<br />

und Erfahrungen<br />

körperliche Konstitution<br />

Erzieher-K<strong>in</strong>d-Relation<br />

dem Kochherd zeigt: Die Erzieher<strong>in</strong> erfüllt ihre <strong>Aufsichtspflicht</strong>, <strong>in</strong>dem<br />

sie die K<strong>in</strong>der im Umgang mit dem Elektroherd anleitet und unterstützt.<br />

Es zeigt auch, dass sie bei möglichen Gefahren helfend anwesend se<strong>in</strong><br />

sollte, um nötigenfalls direkt unterstützend e<strong>in</strong>greifen zu können.<br />

2.6 Person der Erzieher<strong>in</strong><br />

In den voranstehenden Ausführungen zu den Punkten, die die <strong>Aufsichtspflicht</strong><br />

bestimmen, ist schon mehrfach angeklungen, dass es bei<br />

der Aufsichtsführung sehr darauf ankommt, das Verhalten des K<strong>in</strong>des<br />

bzw. der K<strong>in</strong>dergruppe e<strong>in</strong>zuschätzen und soweit möglich auch voraussehen<br />

zu können.<br />

Grundlagen <strong>für</strong> die Erzieher<strong>in</strong> s<strong>in</strong>d ihre pädagogischen Kenntnisse und<br />

Erfahrungen. Beide korrespondieren mite<strong>in</strong>ander und unterliegen Entwicklungen.<br />

So hat man davon auszugehen, dass e<strong>in</strong>e Berufsanfänger<strong>in</strong><br />

e<strong>in</strong> K<strong>in</strong>d oder e<strong>in</strong>e K<strong>in</strong>dergruppe <strong>in</strong>tensiver zu beaufsichtigen hat<br />

als e<strong>in</strong>e erfahrene Erzieher<strong>in</strong>.<br />

Auch körperliche Fähigkeiten wie Beweglichkeit, Hör- und Sehs<strong>in</strong>n s<strong>in</strong>d<br />

<strong>für</strong> die Aufsichtsführung von Bedeutung. So wird sich die Erzieher<strong>in</strong> je<br />

nach körperlicher Konstitution und Kondition <strong>in</strong> jeweils unterschiedlicher<br />

Entfernung von den K<strong>in</strong>dern aufhalten, um rechtzeitig helfend e<strong>in</strong>greifen<br />

zu können. Auch die "Tagesform" der Erzieher<strong>in</strong> ist <strong>für</strong> die Aufsichtsführung<br />

von Bedeutung.<br />

2.7 Gruppengröße<br />

E<strong>in</strong> wichtiger Faktor bezüglich der Aufsichtsführung ist die Relation zwischen<br />

der Anzahl der Erwachsenen und der Anzahl der K<strong>in</strong>der: Wie viele<br />

K<strong>in</strong>der kann e<strong>in</strong>e Erzieher<strong>in</strong> <strong>in</strong> unterschiedlichen Situationen beaufsichtigen?<br />

In Anlehnung an die vorangegangenen Faktoren der <strong>Aufsichtspflicht</strong><br />

kann gefolgert werden: Es kommt vor allem auf Alter und<br />

Eigenart der K<strong>in</strong>der, die Gefährlichkeit der Beschäftigung und die Fähigkeiten<br />

und Erfahrungen der Erzieher<strong>in</strong> an.<br />

Zur Aufsicht bei Ausflügen, Wanderungen, Besichtigungen und anderen<br />

externen Unternehmungen werden teilweise <strong>in</strong> den Vorschriften von<br />

Trägern oder Verbänden Richtwerte genannt. Solche Richtwerte sollten<br />

26


Zuständigkeitsbereich der<br />

Erzieher<strong>in</strong><br />

Verpflichtung der Leiter<strong>in</strong><br />

nur e<strong>in</strong>e Orientierung se<strong>in</strong> und die Erzieher<strong>in</strong>nen nicht davon abhalten,<br />

sie <strong>in</strong> Abwägung der jeweils situationsbed<strong>in</strong>gten Anforderungen flexibel<br />

anzuwenden - nötigenfalls <strong>in</strong> Abstimmung mit dem Träger. S<strong>in</strong>d bestimmte<br />

Vorgaben jedoch verb<strong>in</strong>dlich, d. h. als Dienstanweisung formuliert,<br />

muss sich die Erzieher<strong>in</strong> daran halten.<br />

E<strong>in</strong>e Erzieher<strong>in</strong> hat zunächst die K<strong>in</strong>der zu beaufsichtigen, die zu ihrer<br />

Gruppe gehört. Sie trägt aber auch <strong>für</strong> die K<strong>in</strong>der die Verantwortung,<br />

die sich <strong>in</strong> Absprache <strong>in</strong> ihrem Zuständigkeitsbereich, d. h. auch außerhalb<br />

des Gruppenraumes wie z. B. im Mehrzweckraum aufhalten. Ihre<br />

<strong>Aufsichtspflicht</strong> umfasst auch die K<strong>in</strong>der, die sie <strong>in</strong> Vertretung <strong>für</strong> e<strong>in</strong>e<br />

Kolleg<strong>in</strong> über e<strong>in</strong>en bestimmten Zeitraum mitbetreut. Auch der Umstand,<br />

dass e<strong>in</strong>e Gruppe unter pädagogischen Gesichtspunkten zu<br />

groß ist und ke<strong>in</strong>e s<strong>in</strong>nvolle pädagogische Arbeit erlaubt, befreit die Erzieher<strong>in</strong><br />

nicht von der Aufgabe, jedes K<strong>in</strong>d <strong>in</strong> ihrem Zuständigkeitsbereich<br />

zu beaufsichtigen. Auch wenn es unpädagogisch ersche<strong>in</strong>t, so<br />

hat sie <strong>in</strong> dieser Situation die Aufsichtsführung zu Ungunsten der Förderung<br />

der K<strong>in</strong>der zu <strong>in</strong>tensivieren. Diese Situation ist jedoch nur übergangsweise<br />

vertretbar und sollte e<strong>in</strong>e Notlösung darstellen.<br />

In solchen Fällen ist die Leiter<strong>in</strong> verpflichtet, den Träger auf die unzureichende<br />

Personalsituation h<strong>in</strong>zuweisen, damit dieser die erforderlichen<br />

Maßnahmen ergreift, um e<strong>in</strong>e ordnungsgemäße Betreuungssituation<br />

sicherzustellen. So können unter anderem Vertretungskräfte e<strong>in</strong>gestellt<br />

werden, es kann übergangsweise die Mithilfe von Eltern angeregt oder<br />

- dieses gilt vor allem <strong>für</strong> e<strong>in</strong>gruppige E<strong>in</strong>richtungen - notfalls vorübergehend<br />

die Schließung der E<strong>in</strong>richtung veranlasst werden.<br />

2.8 Zumutbarkeit<br />

Bislang g<strong>in</strong>g es überwiegend um äußere Gegebenheiten, die die Aufsichtsführung<br />

bee<strong>in</strong>flussen und die die Erzieher<strong>in</strong> <strong>in</strong> ihrem Handeln zu<br />

berücksichtigen hat.<br />

Jede Aufsichtssituation ist anders und es gibt immer wieder verschiedene<br />

Möglichkeiten, <strong>in</strong> diesen Situationen zu handeln. In der Praxis ist<br />

es nicht e<strong>in</strong>fach, Sicherheitsaspekte und Aspekte der Selbständigkeitserziehung<br />

gleichermaßen zu berücksichtigen und somit e<strong>in</strong>e ausgewogene<br />

Entscheidung zu treffen. Welche Erzieher<strong>in</strong> hat nicht schon vor<br />

27


Beispiel:<br />

Fazit<br />

der Frage gestanden, ob sie ihren Erziehungsvorstellungen oder allgeme<strong>in</strong>en<br />

Sicherheitserwartungen folgen soll? Die Antwort auf diese Frage<br />

wird <strong>in</strong> allgeme<strong>in</strong>er Form mit dem Begriff der Zumutbarkeit beschrieben,<br />

die man <strong>in</strong> folgende Form kleidet:<br />

Nicht alles, was an Aufsichtsmaßnahmen denkbar ist, ist zumutbar.<br />

K<strong>in</strong>der e<strong>in</strong>er Gruppe spielen gleichzeitig im Gruppenraum mit erhöhter<br />

Spielebene und im nebenliegenden Ausweichraum.<br />

Nun kann man von der Erzieher<strong>in</strong> sicherlich nicht erwarten, dass sie<br />

sich <strong>in</strong> allen Spielebenen aufhält, um sie auf Schritt und Tritt beobachten<br />

zu können. Es ist ihr jedoch zuzumuten, dass sie<br />

– die Spielsituationen zeitweilig beobachtet und gegebenenfalls E<strong>in</strong>fluss<br />

darauf nimmt, welche und wieviele K<strong>in</strong>der sich gleichzeitig <strong>in</strong><br />

den Bereichen aufhalten und<br />

– <strong>in</strong> regelmäßigen Abständen nachsieht, ob die K<strong>in</strong>der die mit ihnen<br />

abgesprochenen Regeln e<strong>in</strong>halten.<br />

Die Aufsichtsmaßnahmen sollten im E<strong>in</strong>klang mit den derzeitigen allgeme<strong>in</strong><br />

anerkannten pädagogischen Grundauffassungen stehen, sie sollten<br />

die Entwicklungsbedürfnisse des K<strong>in</strong>des berücksichtigen und se<strong>in</strong><br />

Interesse an selbstbestimmten Lernprozessen unterstützen.<br />

Das pädagogische Ziel der Erziehung zur Selbständigkeit bestimmt also<br />

Umfang und Intensität der zumutbaren Aufsichtsmaßnahmen.<br />

Je größer das Gefahrpotential e<strong>in</strong>er Situation oder e<strong>in</strong>er Beschäftigung,<br />

desto sorgfältiger ist die Aufsicht zu führen, seien dieses Absprachen<br />

und H<strong>in</strong>weise <strong>für</strong> die K<strong>in</strong>der oder auch die wiederholte Überprüfung der<br />

Situation. Zusammenfassend ist festzustellen, dass das konkrete<br />

pädagogische Handeln den Erziehungszielen dient, wenn es die Sicherheit<br />

der K<strong>in</strong>der berücksichtigt. Erreicht wird dieses, <strong>in</strong>dem die<br />

K<strong>in</strong>der<br />

– Erfahrungen <strong>in</strong> realen Lebenszusammenhängen machen und eigenständig<br />

agieren,<br />

– sich an Entscheidungen beteiligen und Verantwortung übernehmen,<br />

– sich aktiv Freiräume erobern, die ihre kognitiven, sozialen und psychischen<br />

Kompetenzen erweitern,<br />

28


Rolle der Erzieher<strong>in</strong><br />

C<br />

Schadensersatz<br />

Praxisbeispiel:<br />

– mit zunehmendem Alter Aufgaben, Anforderungen und Probleme<br />

selbständig lösen.<br />

Der Erzieher<strong>in</strong> kommt hierbei die Rolle der Begleiter<strong>in</strong> zu. Sie ermutigt<br />

die K<strong>in</strong>der, unterstützt sie, gibt ihnen Anregungen und schafft Bed<strong>in</strong>gungen,<br />

damit die K<strong>in</strong>der ihre Erfahrungen machen können.<br />

Und wenn etwas passiert?<br />

1. Konsequenzen e<strong>in</strong>er <strong>Aufsichtspflicht</strong>verletzung<br />

Wenn etwas passiert, richten sich die Konsequenzen zunächst danach,<br />

ob die <strong>Aufsichtspflicht</strong> tatsächlich verletzt ist. Alle<strong>in</strong> aus der Tatsache,<br />

dass es zu e<strong>in</strong>em schädigenden Ereignis gekommen ist, kann nicht auf<br />

e<strong>in</strong>e <strong>Aufsichtspflicht</strong>verletzung geschlossen werden. Schadensereignisse<br />

s<strong>in</strong>d auch bei bestmöglicher Umsicht nicht auszuschließen.<br />

Ist e<strong>in</strong>e <strong>Aufsichtspflicht</strong>verletzung gegeben, kann dies zivilrechtliche,<br />

strafrechtliche und arbeits- oder dienstrechtliche Folgen haben.<br />

1.1 Zivilrechtliche Folgen<br />

Zivilrechlich kann die <strong>Aufsichtspflicht</strong>verletzung zu e<strong>in</strong>er Schadensersatzpflicht<br />

führen. Die Erzieher<strong>in</strong> ist <strong>in</strong> diesem Fall verpflichtet, den entstandenen<br />

Schaden zu ersetzen. Dies setzt allerd<strong>in</strong>gs voraus, dass die<br />

<strong>Aufsichtspflicht</strong>verletzung überhaupt, sei es bei dem K<strong>in</strong>d oder bei<br />

e<strong>in</strong>em Dritten, zu e<strong>in</strong>em Schaden geführt hat. Ist ke<strong>in</strong> Schaden e<strong>in</strong>getreten,<br />

bleibt jede <strong>Aufsichtspflicht</strong>verletzung zivilrechtlich folgenlos.<br />

Die Leiter<strong>in</strong> e<strong>in</strong>es zweigruppigen K<strong>in</strong>dergartens besucht um 10.00 Uhr<br />

e<strong>in</strong>e von der Erziehungsberatungsstelle anberaumte Fortbildungsveranstaltung,<br />

obwohl die Gruppenleiter<strong>in</strong> der zweiten Gruppe erkrankt ist<br />

und demzufolge nur die Hilfskraft und die gerade frisch e<strong>in</strong>gestellte Berufspraktikant<strong>in</strong><br />

anwesend s<strong>in</strong>d. Während ihrer Abwesenheit passiert<br />

aber nichts.<br />

29


Schadensfall<br />

Schadensersatzpflicht<br />

Schäden der K<strong>in</strong>der<br />

Haftungsfreistellung<br />

Die Frage e<strong>in</strong>er Haftung <strong>für</strong> Personen- oder Sachschäden stellt sich hier<br />

nicht, da weder e<strong>in</strong>em K<strong>in</strong>d noch e<strong>in</strong>em Dritten etwas zugestoßen ist.<br />

Wohl aber ist die Frage naheliegend, ob die Leiter<strong>in</strong> ihre <strong>Aufsichtspflicht</strong><br />

verletzt hat.<br />

Wäre allerd<strong>in</strong>gs <strong>in</strong> ihrer Abwesenheit e<strong>in</strong> Schadensfall e<strong>in</strong>getreten,<br />

käme e<strong>in</strong>e zivilrechtliche Haftung auf Schadensersatz <strong>in</strong> Betracht. H<strong>in</strong>sichtlich<br />

der Folgen wäre <strong>in</strong> diesem Fall danach zu differenzieren, ob der<br />

Schaden bei e<strong>in</strong>em der zu beaufsichtigenden K<strong>in</strong>der oder e<strong>in</strong>em Dritten<br />

e<strong>in</strong>getreten ist.<br />

Die Haftpflicht <strong>für</strong> Schäden Dritter richtet sich nach § 832 BGB. Danach<br />

reicht <strong>für</strong> die Entstehung der Schadensersatzpflicht grundsätzlich bereits<br />

der E<strong>in</strong>tritt e<strong>in</strong>es Personen- oder Sachschadens aus. Das Vorliegen<br />

e<strong>in</strong>er <strong>Aufsichtspflicht</strong>verletzung wird <strong>in</strong> diesen Fällen durch das<br />

Gesetz als Regelfall angenommen. Die Erzieher<strong>in</strong> kann der Schadensersatzpflicht<br />

jedoch entgehen, <strong>in</strong>dem sie beweist, dass e<strong>in</strong>e <strong>Aufsichtspflicht</strong>verletzung<br />

ausnahmsweise nicht gegeben ist oder der Schaden<br />

auch bei ordnungsgemäßer Aufsichtsführung entstanden wäre. Gegen<br />

das Risiko, dass dieser Beweis missl<strong>in</strong>gt und die Erzieher<strong>in</strong> <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em<br />

von dem geschädigten Dritten angestrengten Zivilprozess zur Zahlung<br />

von Schadensersatz verurteilt wird, schützt <strong>in</strong> vielen Fällen der Abschluss<br />

e<strong>in</strong>er Haftpflichtversicherung (s.u. D 2).<br />

Tritt <strong>in</strong>folge e<strong>in</strong>er <strong>Aufsichtspflicht</strong>verletzung an Rechtsgütern des K<strong>in</strong>des<br />

selbst e<strong>in</strong> Schaden e<strong>in</strong>, richtet sich die Ersatzpflicht nach § 823 Abs. 1<br />

BGB. Danach gilt allgeme<strong>in</strong>, dass jeder, der vorsätzlich oder fahrlässig<br />

das Leben, den Körper, die Gesundheit, die Freiheit oder e<strong>in</strong> sonstiges<br />

Rechtsgut e<strong>in</strong>es anderen widerrechtlich verletzt, zum Ersatz des daraus<br />

entstandenen Schadens verpflichtet ist.<br />

Auch gegen e<strong>in</strong>e Ersatzpflicht nach § 823 Abs. 1 BGB schützt der Abschluss<br />

e<strong>in</strong>er Haftpflichtversicherung. E<strong>in</strong>e solche ist jedoch im Wesentlichen<br />

nur im H<strong>in</strong>blick auf Sachschäden erforderlich. Denn <strong>für</strong> den Ersatz<br />

von Personenschäden sieht die nunmehr im siebten Buch des Sozialgesetzbuchs<br />

(SGB VII) geregelte gesetzliche Unfallversicherung e<strong>in</strong>e<br />

Reihe von Haftungsfreistellungen vor. So haften nach den §§ 104, 106<br />

Abs. 1 SGB VII weder die K<strong>in</strong>der untere<strong>in</strong>ander noch die Erzieher<strong>in</strong>nen<br />

oder E<strong>in</strong>richtungsträger den K<strong>in</strong>dern <strong>für</strong> solche Personenschäden, die<br />

30


Straftatbestände<br />

auf e<strong>in</strong>em von der gesetzlichen Unfallversicherung erfassten Unfall beruhen.<br />

Erleidet e<strong>in</strong> K<strong>in</strong>d während des Besuchs e<strong>in</strong>er Tagese<strong>in</strong>richtung<br />

<strong>in</strong>folge e<strong>in</strong>es Unfalls, der von e<strong>in</strong>em anderen K<strong>in</strong>d oder e<strong>in</strong>er Erzieher<strong>in</strong><br />

verursacht wurde, e<strong>in</strong>en Personenschaden, trifft daher weder das andere<br />

K<strong>in</strong>d noch die Erzieher<strong>in</strong> oder den E<strong>in</strong>richtungsträger e<strong>in</strong>e Schadensersatzpflicht<br />

(vgl. zur gesetzlichen Unfallversicherung D 1). Der<br />

Schaden wird über die gesetzliche Unfallversicherung getragen. E<strong>in</strong>e<br />

Ausnahme gilt dann, wenn der Unfall vorsätzlich herbeigeführt worden<br />

ist. Bei grober Fahrlässigkeit hat der Unfallversicherungsträger nach<br />

§ 110 SGB VII die Möglichkeit, bei dem Unfallverursacher Rückgriff zu<br />

nehmen. E<strong>in</strong>e etwaige strafrechtliche, arbeits- oder dienstrechtliche<br />

Verantwortlichkeit bleibt von den Haftungsfreistellungen unberührt.<br />

1.2 Strafrechtliche Folgen<br />

Auch strafrechtlich führt e<strong>in</strong>e <strong>Aufsichtspflicht</strong>verletzung nur zu Folgen,<br />

wenn e<strong>in</strong> Schaden e<strong>in</strong>getreten ist, also entweder das zu beaufsichtigende<br />

K<strong>in</strong>d selbst oder e<strong>in</strong> Dritter durch das K<strong>in</strong>d geschädigt wurde.<br />

Erzieher<strong>in</strong>nen können <strong>in</strong> aller Regel nur bestraft werden, falls die zu betreuenden<br />

K<strong>in</strong>der <strong>in</strong>folge e<strong>in</strong>er <strong>Aufsichtspflicht</strong>verletzung verletzt oder<br />

gar getötet werden, oder die K<strong>in</strong>der Dritte verletzen oder töten. Das<br />

Strafgesetzbuch (StGB) bezeichnet die entsprechenden Straftatbestände<br />

als "Fahrlässige Körperverletzung" (§ 229 StGB) und "Fahrlässige<br />

Tötung" (§ 222 StGB). E<strong>in</strong>e vorsätzliche Begehung dieser Straftaten<br />

kommt <strong>in</strong> Tagese<strong>in</strong>richtungen praktisch nicht vor, denn welche Erzieher<strong>in</strong><br />

würde ihre <strong>Aufsichtspflicht</strong> bewusst vernachlässigen und dabei <strong>in</strong><br />

Kauf nehmen, dass e<strong>in</strong> K<strong>in</strong>d verletzt wird oder zu Tode kommt.<br />

Zu betonen ist, dass die strafrechtlichen Folgen e<strong>in</strong>er <strong>Aufsichtspflicht</strong>verletzung<br />

im Allgeme<strong>in</strong>en weit überschätzt werden. Dies gilt <strong>in</strong>sbesondere<br />

<strong>für</strong> die Vorstellung, Erzieher<strong>in</strong>nen stünden immer mit e<strong>in</strong>em Be<strong>in</strong> im<br />

Gefängnis. Erzieher<strong>in</strong>nen im Gefängnis gibt es nicht, es sei denn wegen<br />

anderer Straftaten. Zumeist wird nicht e<strong>in</strong>mal e<strong>in</strong> Ermittlungsverfahren<br />

e<strong>in</strong>geleitet. Selbst wenn dies aber geschieht, kommt es <strong>in</strong> aller<br />

Regel zu e<strong>in</strong>er nachträglichen E<strong>in</strong>stellung des Verfahrens oder allenfalls<br />

e<strong>in</strong>er Geldstrafe.<br />

31


Dienst- oder arbeitsrechtliche<br />

Konsequenzen<br />

D<br />

Gesetzliche Unfallversicherung/privateHaftpflichtversicherung<br />

1.3 Arbeits- und dienstrechtliche Folgen<br />

Anders als <strong>in</strong> den Fällen der zivil- und strafrechtlichen Haftung kommt<br />

es <strong>für</strong> arbeits- und dienstrechtliche Konsequenzen e<strong>in</strong>er <strong>Aufsichtspflicht</strong>verletzung<br />

auf den E<strong>in</strong>tritt e<strong>in</strong>es Schadens nicht an. Jede <strong>Aufsichtspflicht</strong>verletzung<br />

stellt <strong>in</strong> der Regel zugleich e<strong>in</strong>e Verletzung der<br />

dienst- oder arbeitsvertraglichen Pflichten der Erzieher<strong>in</strong> dar. Abhängig<br />

von der Schwere der Pflichtverletzung kann sie unterschiedliche dienstbzw.<br />

arbeitsvertragliche Folgen haben. Die Möglichkeiten reichen von<br />

der formlosen Belehrung oder Ermahnungen über die Umsetzung auf<br />

e<strong>in</strong>en anderen Arbeitsplatz und die formelle Abmahnung bis h<strong>in</strong> zur<br />

fristgerechten (ordentlichen) und <strong>in</strong> besonders schwerwiegenden Fällen<br />

sogar fristlosen (außerordentlichen) Kündigung des Beschäftigungsverhältnisses.<br />

Versicherungsschutz<br />

Die gesetzliche Unfallversicherung ist die Versicherung, die unter bestimmten,<br />

vor allem im Siebten Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII) geregelten<br />

Voraussetzungen besteht. Der Versicherungsschutz besteht ohne<br />

vertragliche Grundlage und unabhängig davon, ob im E<strong>in</strong>zelfall Beiträge<br />

geleistet wurden. Bei der Haftpflichtversicherung, die das zivilrechtliche<br />

Haftungsrisiko abdeckt, handelt es sich demgegenüber immer<br />

um e<strong>in</strong>e private Versicherung, die des Abschlusses e<strong>in</strong>es Versicherungsvertrages<br />

und der Zahlung von Beiträgen bedarf.<br />

1 Gesetzliche Unfallversicherung der K<strong>in</strong>der während des<br />

Besuchs von Tagese<strong>in</strong>richtungen (§ 2 Abs. 1 Nr. 8a, § 8<br />

SGB VII)<br />

Bis zum 31.12.1996 war die gesetzliche Unfallversicherung <strong>in</strong>sgesamt<br />

<strong>in</strong> der Reichsversicherungsordnung (RVO) geregelt. Ursprünglich waren<br />

lediglich Arbeitnehmer gesetzlich unfallversichert. Erst mit der Zeit wurde<br />

der Kreis der Versicherten über das Arbeitsleben h<strong>in</strong>aus nach und<br />

nach erweitert. Für K<strong>in</strong>der galt der Versicherungsschutz seit dem<br />

1.4.1971 gemäß § 539 Abs. 1 Nr. 14a RVO "während des Besuchs von<br />

32


Ausdehnung des Schutzes<br />

auf sämtliche<br />

Tagese<strong>in</strong>richtungen<br />

Versicherte Risiken<br />

§ 2 Abs. 1 Nr. 8 a SGB VII<br />

Versicherungsschutz von<br />

K<strong>in</strong>dern<br />

K<strong>in</strong>dergärten". Grund dieser Ausdehnung des Unfallversicherungsschutzes<br />

war, dass der Gesetzgeber den K<strong>in</strong>dergarten als Bildungse<strong>in</strong>richtung<br />

mit dem Auftrag frühk<strong>in</strong>dlicher Erziehung anerkannt hatte. In<br />

sonstigen E<strong>in</strong>richtungen, <strong>in</strong>sbesondere Horten, K<strong>in</strong>derkrippen oder<br />

Krabbelstuben, waren K<strong>in</strong>der nicht gesetzlich unfallversichert.<br />

Mit Wirkung vom 1.1.1997 wurde die gesetzliche Unfallversicherung als<br />

Siebtes Buch (SGB VII) dem Sozialgesetzbuch angegliedert. Die E<strong>in</strong>ordnung<br />

<strong>in</strong> das Sozialgesetzbuch erfolgte weitestgehend ohne <strong>in</strong>haltliche<br />

Änderung. Für den Versicherungsschutz von K<strong>in</strong>dern <strong>in</strong> Tagesstätten<br />

brachte sie jedoch e<strong>in</strong>e entscheidende Verbesserung: Der Geltungsbereich<br />

der gesetzlichen Unfallversicherung wurde durch den<br />

nunmehr geltenden § 2 Abs. 1 Nr. 8 a SGB VII über den Besuch von<br />

K<strong>in</strong>dergärten h<strong>in</strong>aus auf den Besuch sämtlicher Tagese<strong>in</strong>richtungen im<br />

S<strong>in</strong>ne des K<strong>in</strong>der- und Jugendhilfegesetzes (§ 22 SGB VIII) ausgedehnt<br />

(s. D 1.1).<br />

Gegenstand der gesetzlichen Unfallversicherung s<strong>in</strong>d Gesundheitsschäden<br />

und der Tod des Versicherten. Die Versicherung dient dem<br />

Ausgleich sämtlicher wirtschaftlicher Folgen, die durch unfallbed<strong>in</strong>gte<br />

Gesundheitsbee<strong>in</strong>trächtigungen oder e<strong>in</strong>en unfallbed<strong>in</strong>gten Todesfall<br />

e<strong>in</strong>treten. Nicht ersetzt werden immaterielle Schäden (Schmerzensgeld)<br />

oder Sachschäden.<br />

1.1 Kreis der versicherten Personen<br />

Seit dem 1.1.1997 besteht der gesetzliche Unfallversicherungsschutz<br />

nach § 2 Abs. 1 Nr. 8a SGB VII <strong>für</strong> K<strong>in</strong>der generell "während des Besuchs<br />

von Tagese<strong>in</strong>richtungen, deren Träger <strong>für</strong> den Betrieb der E<strong>in</strong>richtungen<br />

der Erlaubnis nach § 45 des Achten Buches 11 oder der Erlaubnis<br />

auf Grund e<strong>in</strong>er entsprechenden landesrechtlichen Regelung<br />

bedürfen." Diese Erweiterung des Versicherungsschutzes soll <strong>in</strong>sbesondere<br />

dem Umstand Rechnung tragen, dass mittlerweile nicht mehr<br />

nur die K<strong>in</strong>dergärten, sondern auch die bislang nicht erfassten Tagese<strong>in</strong>richtungen<br />

<strong>für</strong> K<strong>in</strong>der unter drei und <strong>für</strong> K<strong>in</strong>der über sechs Jahren<br />

Aufgaben der Erziehung und Bildung wahrnehmen.<br />

Nach § 2 Abs. 1 Nr. 8a SGB VII s<strong>in</strong>d K<strong>in</strong>der während des Besuchs von<br />

Tagese<strong>in</strong>richtungen versichert, ”deren Träger <strong>für</strong> den Betrieb der<br />

33


Tagese<strong>in</strong>richtung und<br />

Bildungsbegriff<br />

Bewahrstuben<br />

K<strong>in</strong>derheime<br />

Umfang der Erlaubnispflicht<br />

E<strong>in</strong>richtungen der Erlaubnis nach § 45 des achten Buches oder e<strong>in</strong>er<br />

Erlaubnis aufgrund e<strong>in</strong>er entsprechenden landesrechtlichen Regelung<br />

bedürfen ...”. K<strong>in</strong>d ist nach der Legaldef<strong>in</strong>ition des § 7 Abs. 1 Nr. 1<br />

KJHG, wer noch nicht 14 Jahre alt ist. Ausgehend hiervon endet der<br />

Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung mit der Vollendung des 14.<br />

Lebensjahres, wenn landesrechtliche Regelungen nicht andere altersmäßige<br />

Begrenzungen <strong>für</strong> den Besuch von Tagese<strong>in</strong>richtungen vorsehen.<br />

Versichert s<strong>in</strong>d die K<strong>in</strong>der während des Besuchs von Tagese<strong>in</strong>richtungen.<br />

Tagese<strong>in</strong>richtungen s<strong>in</strong>d gemäß § 22 Abs. 1 SGB VIII K<strong>in</strong>dergärten,<br />

Horte und andere E<strong>in</strong>richtungen, <strong>in</strong> denen sich K<strong>in</strong>der <strong>für</strong> e<strong>in</strong>en Teil<br />

des Tages oder ganztägig aufhalten, und die dem Zweck dienen, die<br />

Entwicklung des K<strong>in</strong>des zu e<strong>in</strong>er eigenverantwortlichen und geme<strong>in</strong>schaftsfähigen<br />

Persönlichkeit zu fördern.<br />

Andere E<strong>in</strong>richtungen im S<strong>in</strong>ne des § 22 Abs. 1 SGB VIII s<strong>in</strong>d etwa K<strong>in</strong>derkrippen,<br />

Krabbelstuben, oder k<strong>in</strong>dergartenähnliche E<strong>in</strong>richtungen.<br />

Nicht zu den Tagese<strong>in</strong>richtungen zählen die <strong>in</strong> Kaufhäusern und Supermärkten<br />

anzutreffenden "K<strong>in</strong>derstuben", <strong>in</strong> denen K<strong>in</strong>der betreut werden,<br />

während die Eltern e<strong>in</strong>kaufen. Diese E<strong>in</strong>richtungen dienen nicht<br />

der Bildung und Erziehung von K<strong>in</strong>dern, sondern lediglich ihrer Verwahrung.<br />

Auch K<strong>in</strong>derheime zählen grundsätzlich nicht zu den Tagese<strong>in</strong>richtungen,<br />

da es sich auch bei ihnen nicht um Bildungse<strong>in</strong>richtungen im oben<br />

beschriebenen S<strong>in</strong>ne handelt.<br />

Erlaubnispflicht<br />

Vom Versicherungsschutz erfasst ist nur der Besuch solcher Tagese<strong>in</strong>richtungen,<br />

deren Betrieb der Erlaubnis nach § 45 KJHG oder e<strong>in</strong>er Erlaubnis<br />

auf Grund e<strong>in</strong>er entsprechenden landesrechtlichen Regelung<br />

bedarf. Die Erlaubnispflicht gilt grundsätzlich <strong>für</strong> jede E<strong>in</strong>richtung, <strong>in</strong> der<br />

K<strong>in</strong>der betreut werden. Weder kommt es auf e<strong>in</strong>e M<strong>in</strong>destanzahl von<br />

K<strong>in</strong>dern an, noch muss die E<strong>in</strong>richtung une<strong>in</strong>geschränkt <strong>für</strong> Jedermann<br />

zugänglich se<strong>in</strong>. Auch K<strong>in</strong>dergärten, die überwiegend <strong>für</strong> K<strong>in</strong>der von<br />

Betriebs- oder Behördenangehörigen betrieben werden sowie Sonder-<br />

34


Ausnahmen von der<br />

Erlaubsnispflicht<br />

E<strong>in</strong>gewöhnung<br />

k<strong>in</strong>dergärten <strong>für</strong> beh<strong>in</strong>derte K<strong>in</strong>der s<strong>in</strong>d erlaubnispflichtige Tagese<strong>in</strong>richtungen,<br />

<strong>für</strong> die Versicherungsschutz besteht.<br />

Die Erlaubnis muss nicht tatsächlich erteilt worden se<strong>in</strong>. Erforderlich ist<br />

lediglich, dass der Betrieb der E<strong>in</strong>richtung erlaubnispflichtig war. Die<br />

wichtigsten Ausnahmen von der Erlaubnispflicht s<strong>in</strong>d ausdrücklich <strong>in</strong><br />

§ 45 KJHG erwähnt. Sie betreffen etwa Jugendfreizeite<strong>in</strong>richtungen, d.<br />

h. E<strong>in</strong>richtungen, die wie K<strong>in</strong>der- und Jugendclubs oder Jugendfreizeitheime<br />

der Freizeitgestaltung dienen, und Jugendbildungse<strong>in</strong>richtungen,<br />

d. h. E<strong>in</strong>richtungen der außerschulischen Bildung.<br />

Ke<strong>in</strong>er Erlaubnis bedürfen selbstorganisierte Eltern-K<strong>in</strong>d-Gruppen,<br />

wenn die Betreuung von den Eltern <strong>in</strong> geme<strong>in</strong>samer Verantwortung<br />

wahrgenommen wird. Sie s<strong>in</strong>d daher vom gesetzlichen Unfallversicherungsschutz<br />

ausgenommen. Etwas anderes gilt, wenn Dritte e<strong>in</strong>gestellt<br />

werden und die Betreuung im Wesentlichen verantwortlich übernehmen,<br />

da <strong>in</strong> diesem Fall e<strong>in</strong>e Fremdbetreuung, d. h. e<strong>in</strong>e Betreuung ausserhalb<br />

der Familie vorliegt. Zweifelsfälle s<strong>in</strong>d mit dem zuständigen Unfallversicherungsträger<br />

abzuklären.<br />

Besuch der E<strong>in</strong>richtung<br />

Der Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung besteht schließlich nur<br />

während des Besuchs der Tagesstätte. Wann e<strong>in</strong> solcher vorliegt, ist<br />

nicht etwa davon abhängig, ob das K<strong>in</strong>d wirksam <strong>in</strong> die Tagesstätte<br />

aufgenommen worden ist. Ist z.B. die Anmeldung des K<strong>in</strong>des bzw. der<br />

Betreuungsvertrag aus irgendwelchen Gründen unwirksam oder fehlt<br />

es überhaupt an e<strong>in</strong>er vertraglichen Grundlage des Besuchs, so besteht<br />

trotzdem Versicherungsschutz. Ebenso wie e<strong>in</strong> sog. "faktisches<br />

Arbeitsverhältnis" zur Begründung des Versicherungsschutzes <strong>für</strong> Arbeitnehmer<br />

ausreicht, genügt auch e<strong>in</strong> "faktischer Besuch", d.h. e<strong>in</strong><br />

faktisches Betreuungsverhältnis, um den Versicherungsschutz <strong>für</strong> K<strong>in</strong>der<br />

zu begründen.<br />

Als nicht versichert hat die Rechtsprechung allerd<strong>in</strong>gs <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Fall<br />

"Probek<strong>in</strong>der" angesehen, d.h. K<strong>in</strong>der, welche die E<strong>in</strong>richtung, ohne<br />

bereits angemeldet zu se<strong>in</strong>, lediglich zum Kennenlernen aufsuchen. 12<br />

Etwas anderes dürfte allerd<strong>in</strong>gs dann gelten, wenn das betreffende<br />

K<strong>in</strong>d bereits angemeldet ist und <strong>in</strong> Vorbereitung auf den späteren Be-<br />

35


Versicherungsschutz bei<br />

Unternehmungen<br />

Versicherungsschutz bei<br />

Wegeunfällen<br />

such schon e<strong>in</strong>mal an die E<strong>in</strong>richtung gewöhnt werden soll. Ke<strong>in</strong>esfalls<br />

besteht der Versicherungsschutz im H<strong>in</strong>blick auf die oben erwähnte<br />

Rechtsprechung allerd<strong>in</strong>gs <strong>für</strong> sog. Besuchsk<strong>in</strong>der, die, etwa um e<strong>in</strong>en<br />

Freund zu begleiten, die E<strong>in</strong>richtung nur vorübergehend aufsuchen.<br />

1.2 Versicherte Tätigkeiten der K<strong>in</strong>der<br />

Versichert s<strong>in</strong>d grundsätzlich alle Tätigkeiten, die sich aus dem Besuch<br />

der E<strong>in</strong>richtung ergeben. Damit s<strong>in</strong>d zum e<strong>in</strong>en sämtliche Tätigkeiten<br />

auf dem E<strong>in</strong>richtungsgelände erfasst wie Malen, Spielen, Toben, Basteln,<br />

Streiten, Essen oder Schlafen. Zum anderen erstreckt sich der Versicherungsschutz<br />

aber auch auf alle Unternehmungen außerhalb der<br />

E<strong>in</strong>richtung, wie den Besuch des Zoologischen Gartens, des Wochenmarkts,<br />

der Feuerwache oder sonstige Erkundungsprojekte, den Besuch<br />

öffentlicher Spielplätze oder Badeanstalten, Wanderungen und<br />

Ausflüge. Der Versicherungsschutz ist nicht auf die regulären Öffnungszeiten<br />

beschränkt. So ist beispielsweise die Mitwirkung an e<strong>in</strong>em K<strong>in</strong>dergartenfest<br />

auch außerhalb der Öffnungszeiten versichert.<br />

1.3 Versicherte Wege der K<strong>in</strong>der<br />

Die Wege der K<strong>in</strong>der zu der Tagese<strong>in</strong>richtung und von der Tagese<strong>in</strong>richtung<br />

nach Hause s<strong>in</strong>d unter folgenden Voraussetzungen versichert<br />

(§ 8 Abs. 2 Nr. 1 SGB VII):<br />

– Der Weg muss wegen des E<strong>in</strong>richtungsbesuchs angetreten worden<br />

se<strong>in</strong>,<br />

– er muss auf der üblichen Strecke zurückgelegt werden, d.h. zwar<br />

nicht unbed<strong>in</strong>gt auf kürzester Strecke, wohl aber als Fortbewegung<br />

<strong>in</strong> Richtung der Tagese<strong>in</strong>richtung,<br />

– er muss <strong>in</strong> zeitlichem Zusammenhang mit dem K<strong>in</strong>dergartenbesuch<br />

zurückgelegt werden.<br />

In Zweifelsfällen hat der Unfallversicherungsträger bei der Beurteilung,<br />

ob e<strong>in</strong> versicherter Wegeunfall vorliegt, dem natürlichen Spieltrieb und<br />

Gruppenverhalten der K<strong>in</strong>der Rechnung zu tragen.<br />

Beg<strong>in</strong>n und Ende des Weges s<strong>in</strong>d <strong>in</strong> der Regel die Außenhaustüren der<br />

jeweiligen Gebäude.<br />

36


Weg zwischen Tagese<strong>in</strong>richtung<br />

und externen<br />

Veranstaltungen<br />

Muss e<strong>in</strong> K<strong>in</strong>d, weil etwa beide Eltern berufstätig s<strong>in</strong>d, vor oder nach<br />

dem Besuch der E<strong>in</strong>richtung fremde Obhut aufsuchen, erfasst der Versicherungsschutz<br />

auch die Wege zwischen der Tagese<strong>in</strong>richtung und<br />

dem entsprechenden Ort sowie die Wege zwischen diesem Ort und der<br />

Familienwohnung (§ 8 Abs. 2 Nr. 3 SGB VII).<br />

Im Übrigen s<strong>in</strong>d die K<strong>in</strong>der auch auf den Wegen zwischen der E<strong>in</strong>richtung<br />

und e<strong>in</strong>er versicherten externen Veranstaltung versichert. Dies ist<br />

bereits deswegen der Fall, weil es sich bei diesen Wegen um e<strong>in</strong>en<br />

Bestandteil der versicherten Tätigkeit handelt. Der Versicherungsschutz<br />

wird <strong>für</strong> die Zeit, welche die Erzieher<strong>in</strong> mit den K<strong>in</strong>dern unterwegs ist,<br />

um z. B. die Vorstellung e<strong>in</strong>es K<strong>in</strong>dertheaters zu besuchen, nicht unterbrochen.<br />

Der Versicherungsschutz der K<strong>in</strong>der auf Wegen, die im Zusammenhang<br />

mit dem Besuch der Tagese<strong>in</strong>richtung stehen, besteht unabhängig<br />

davon, ob sie zu Fuß gehen oder e<strong>in</strong> Verkehrsmittel benutzen, von den<br />

Eltern oder e<strong>in</strong>er Erzieher<strong>in</strong> im Wagen mitgenommen werden.<br />

1.4 Unfallanzeige<br />

Während Leistungen <strong>in</strong> den anderen Zweigen der Sozialversicherung<br />

nur auf Antrag gewährt werden, geschieht dies <strong>in</strong> der gesetzlichen<br />

Unfallversicherung von Amts wegen, d.h. es bedarf ke<strong>in</strong>es Antrags.<br />

Damit der Unfallversicherungsträger möglichst umgehend und ausreichend<br />

von dem e<strong>in</strong>getretenen, se<strong>in</strong>em Versicherungsschutz unterliegenden<br />

Unfall Kenntnis erhält, sollte der E<strong>in</strong>richtungsträger oder die von<br />

ihm hiermit beauftragte E<strong>in</strong>richtungsleiter<strong>in</strong> schnellstmöglich Unfallanzeige<br />

erstatten. In Fällen, <strong>in</strong> denen das betreffende K<strong>in</strong>d so schwer verletzt<br />

ist, dass es die E<strong>in</strong>richtung mehr als drei Tage nicht besuchen<br />

kann, ist er hierzu nach § 193 SGB VII gesetzlich verpflichtet. Für die<br />

Anzeige ist e<strong>in</strong> e<strong>in</strong>heitlicher Vordruck zu verwenden, der <strong>in</strong> jedem K<strong>in</strong>dergarten<br />

bereitgehalten wird.<br />

1.5 Träger der Unfallversicherung<br />

Zuständiger Versicherungsträger <strong>für</strong> K<strong>in</strong>der <strong>in</strong> Tagese<strong>in</strong>richtungen s<strong>in</strong>d<br />

jeweils <strong>für</strong> ihren Bereich die Unfallkassen der Länder<br />

37


Haftpflichtversicherung<br />

gewährt zusätzlichen Schutz<br />

Unfallversicherungsschutz <strong>für</strong><br />

ErzieherInnen und andere<br />

(vgl. §§ 114 Abs. 1 Nr. 6, 116, 128 Abs. 1 Nr. 1 und 2 SGB VII)<br />

– <strong>für</strong> Landese<strong>in</strong>richtungen<br />

– <strong>für</strong> E<strong>in</strong>richtungen von Trägern der freien Jugendhilfe<br />

– <strong>für</strong> E<strong>in</strong>richtungen sonstiger privater geme<strong>in</strong>nütziger Träger;<br />

die Unfallkassen der Geme<strong>in</strong>den bzw. die Geme<strong>in</strong>deunfallversicherungsverbände<br />

(vgl. §§ 114 Abs. 1 Nr. 7, 117, 129 Abs. 1 Nr. 1 SGB<br />

VII)<br />

– <strong>für</strong> geme<strong>in</strong>dliche E<strong>in</strong>richtungen;<br />

die Berufsgenossenschaften (§§ 121 Abs. 1, 136 Abs. 3 Nr. 3, 131<br />

SGB VII)<br />

– <strong>für</strong> sonstige private, nicht als geme<strong>in</strong>nützig anerkannte E<strong>in</strong>richtungen<br />

(z.B. als Erwerbsunternehmen betriebene E<strong>in</strong>richtungen,<br />

Werksk<strong>in</strong>dergärten).<br />

2. Haftpflichtversicherung<br />

Für Schäden, die von der gesetzlichen Unfallversicherung nicht ersetzt<br />

werden, <strong>in</strong>sbesondere also <strong>für</strong> Sachschäden, lässt sich das zivilrechtliche<br />

Haftungsrisiko des E<strong>in</strong>richtungsträgers und der Erzieher<strong>in</strong>nen nur<br />

durch den Abschluss von Haftpflichtversicherungen begrenzen. Wenn<br />

e<strong>in</strong>e solche Versicherung nicht bereits durch den Träger <strong>für</strong> alle se<strong>in</strong>e<br />

Mitarbeiter<strong>in</strong>nen und Mitarbeiter abgeschlossen wird, sollte sich die Erzieher<strong>in</strong><br />

selbst um den Abschluss e<strong>in</strong>er Haftpflichtversicherung bemühen.<br />

Zu beachten ist, dass nach den Bed<strong>in</strong>gungen der Haftpflichtversicherer<br />

die Leistungspflicht der Versicherung immer <strong>für</strong> den Fall der vorsätzlichen<br />

Herbeiführung des Schadensfalls und <strong>in</strong> der Regel auch <strong>für</strong><br />

se<strong>in</strong>e grob fahrlässige Verursachung ausgeschlossen ist.<br />

3. Gesetzliche Unfallversicherung der Erzieher<strong>in</strong>nen, Praktikanten,<br />

Honorarkräfte, ehrenamtlichen Helfer und mitwirkenden<br />

Eltern<br />

Die auf Grund e<strong>in</strong>es Dienst- oder Praktikantenverhältnisses beschäftigten<br />

Erzieher<strong>in</strong>nen s<strong>in</strong>d - wie andere Arbeitnehmer auch - nach § 2 Abs.<br />

1 Nr. 1 und § 8 SGB VII gegen Arbeits- und Wegeunfälle versichert.<br />

Entsprechendes gilt nach § 2 Abs. 2 SGB VII auch <strong>für</strong> Helfer (z. B.<br />

Eltern) und nebenberuflich Tätige (z. B. Gymnastiklehrer, Musikpädagogen),<br />

die ohne Begründung e<strong>in</strong>es Beschäftigungs- oder Dienstverhältnisses,<br />

entgeltlich oder unentgeltlich, dauernd oder vorübergehend<br />

<strong>für</strong> die E<strong>in</strong>richtung wie Beschäftigte tätig werden.<br />

38


Anhang<br />

1. Abkürzungen<br />

Abkürzungen im Text:<br />

BAGUV: Bundesverband der Unfallversicherungsträger<br />

der öffentlichen Hand,<br />

München<br />

BGH: Bundesgerichtshof <strong>für</strong> Zivilsachen<br />

GTK: Gesetz über Tagese<strong>in</strong>richtungen <strong>für</strong><br />

K<strong>in</strong>der (Nordrhe<strong>in</strong>-Westfa-len)<br />

LSG: Landessozialgericht<br />

OLG: Oberlandesgericht<br />

SGB VII: Sozialgesetzbuch<br />

Unfallversicherung<br />

VII - Gesetzliche<br />

SGB VIII: Sozialgesetzbuch VIII - K<strong>in</strong>der- und<br />

Jugendhilfegesetz<br />

StGB: Strafgesetzbuch<br />

VersR.: Versicherungsrecht (Zeitschrift)<br />

2. Anmerkungen zum Text<br />

1 Aus Gründen der Vere<strong>in</strong>fachung haben wir im<br />

Text die weibliche Form der Berufsbezeichnung<br />

Erzieher<strong>in</strong> gewählt. Geme<strong>in</strong>t s<strong>in</strong>d mit dieser Bezeichnung<br />

alle am erzieherischen Prozess beteiligten<br />

MitarbeiterInnen e<strong>in</strong>er Tagese<strong>in</strong>richtung.<br />

2 Sahliger, Udo<br />

Die <strong>Aufsichtspflicht</strong> im K<strong>in</strong>dergarten<br />

Münster 1994, S. 21<br />

3 Sahliger, Udo<br />

Die <strong>Aufsichtspflicht</strong> im K<strong>in</strong>dergarten<br />

Münster 1994, S. 22<br />

4 Preiss<strong>in</strong>g, Christa/Prott, Roger<br />

Rechtshandbuch <strong>für</strong> Erzieher<strong>in</strong>nen<br />

5. Auflage<br />

Neuwied 1996, S. 64<br />

5 Urteil des Landgerichts Bielefeld vom<br />

21.03.1979<br />

- Az.: 2 Ns 10 Ls 21 Js 929/77 -<br />

nicht veröffentlicht<br />

39<br />

6 Urteil des OLG München vom 10.11.1961<br />

VersR 1962, 747<br />

7 Urteil des BGH vom 19.03.1957<br />

VersR 1957, 840<br />

8 Preiss<strong>in</strong>g, Christa/Prott, Roger<br />

Rechtshandbuch <strong>für</strong> Erzieher<strong>in</strong>nen<br />

5. Auflage<br />

Neuwied 1996, S. 66<br />

9 Fieseler, Gerhard/Herborth, Re<strong>in</strong>hard<br />

Recht der Familie und Jugendhilfe<br />

4. Auflage, S. 255<br />

1996<br />

10 Urteil des OLG Bremen vom 07.09.1977<br />

VersR 1978, 525<br />

11 Geme<strong>in</strong>t ist das Achte Buch des Sozialgesetzbuchs,<br />

d. h. das K<strong>in</strong>der- und Jugendhilfegesetz<br />

(KJHG)<br />

12 Urteil des Landessozialgerichts (LSG) Baden-<br />

Württemberg vom 31.03.1993<br />

HV-Info 1993, 1645<br />

3. Literaturh<strong>in</strong>weise<br />

Busch, M.<br />

<strong>Aufsichtspflicht</strong> und Haftung <strong>in</strong> der Jugendhilfe im<br />

Zentralblatt <strong>für</strong> Jugendrecht 1996, Seite 456 ff.<br />

Fieseler, G./Herborth, R.<br />

Recht der Familie und Jugendhilfe<br />

Arbeitsplatz Jugendamt/Sozialer Dienst<br />

4. überarbeitete Auflage<br />

Neuwied, Berl<strong>in</strong> 1996<br />

Oehlmann-Austermann, A. <strong>in</strong>:<br />

Janssen/Dreier/Selle<br />

K<strong>in</strong>dertagese<strong>in</strong>richtungen <strong>in</strong> NRW<br />

Praxiskommentar <strong>für</strong> E<strong>in</strong>richtungen,<br />

Fachberatung und Verwaltung, Kronach 1999<br />

Kapitel 2: Aufsicht/Haftung/Versicherungsschutz


Preiss<strong>in</strong>g, Ch./Prott, R.<br />

Rechtshandbuch <strong>für</strong> Erzieher<strong>in</strong>nen<br />

5. neubearbeitete Auflage<br />

<strong>in</strong> Zusammenarbeit mit Gerd Harms<br />

Neuwied, Kriftel, Berl<strong>in</strong> 1996<br />

Sahl<strong>in</strong>ger, U.<br />

Die <strong>Aufsichtspflicht</strong> im K<strong>in</strong>dergarten<br />

Münster 1999<br />

Unfallversicherungsträger<br />

Die Träger der gesetzlichen Unfallversicherung<br />

und der Verbände haben e<strong>in</strong>e Fülle von Veröffentlichungen<br />

zum Thema Sicherheit unter anderem<br />

<strong>in</strong> K<strong>in</strong>dergärten und Schulen herausgegeben,<br />

die <strong>in</strong> abgewandelter Form auch <strong>in</strong> sonstigen<br />

E<strong>in</strong>richtungen der Jugendhilfe anwendbar<br />

s<strong>in</strong>d bzw. angewandt werden müssen. Nähere<br />

Erkundigungen s<strong>in</strong>d dort e<strong>in</strong>zuholen (siehe<br />

Adressen).<br />

E<strong>in</strong>ige Beispiele:<br />

Bundesverband der Unfallversicherungsträger<br />

der öffentlichen Hand<br />

Spielgeräte <strong>in</strong> K<strong>in</strong>dergärten, Merkblatt<br />

Geme<strong>in</strong>deunfallversicherungsverband<br />

Westfalen-Lippe<br />

Gesundheitsschutz und Erste Hilfe <strong>in</strong> Schule und<br />

K<strong>in</strong>dergärten, Medienverzeichnis<br />

Bundesverband der Unfallversicherungsträger<br />

der öffentlichen Hand<br />

Mit der Schulklasse sicher unterwegs, Sicherheitsratschläge<br />

<strong>für</strong> Unterrichtsgänge, Exkursionen,<br />

Wanderungen, Klassenfahrten und Heimaufenthalte<br />

Scheffner, D.<br />

"Es kommt darauf an" <strong>in</strong> <strong>Kita</strong> aktuell NW Nr.<br />

1/98, S. 8 ff.<br />

Vent/Klaussen/Knappertsbusch<br />

Arbeitsgeme<strong>in</strong>schaft <strong>für</strong> Erziehungshilfe<br />

<strong>Aufsichtspflicht</strong> und <strong>Aufsichtspflicht</strong>verletzung<br />

40<br />

unter besonderer Berücksichtigung von E<strong>in</strong>richtungen<br />

der Jugendhilfe, 3. Auflage, Hannover<br />

1995<br />

4. Fortbildung/Beratung<br />

Die Landesjugendämter Westfalen-Lippe und<br />

Rhe<strong>in</strong>land führen im Rahmen ihrer gesetzlichen<br />

Aufgaben und ihrer Kapazitäten Sem<strong>in</strong>are zur<br />

<strong>Aufsichtspflicht</strong> durch und bieten Beratung zum<br />

Thema an.<br />

Gleiches gilt <strong>für</strong> die Unfallversicherungsträger der<br />

Geme<strong>in</strong>deunfallversicherungsverbände (siehe<br />

Adressen). Beratungen werden auch von den örtlichen<br />

Jugendämtern und den Fachberatungen der<br />

Verbände durchgeführt.<br />

5. Adressen der Versicherungsträger<br />

Berufsgenossenschaft <strong>für</strong> Gesundheitsdienst und<br />

Wohlfahrtspflege, Pappelallee 35 - 37,<br />

22089 Hamburg<br />

Bundesverband der Unfallversicherungsträger der<br />

öffentlichen Hand e. V. - BAGUV, Fockenste<strong>in</strong>straße<br />

1, 87539 München<br />

Rhe<strong>in</strong>ischer Geme<strong>in</strong>deunfallversicherungsverband,<br />

Heyestr. 99, 40625 Düsseldorf, Postfach 12 05 30,<br />

40605 Düsseldorf, Tel.: 02 11/28 08-0<br />

Geme<strong>in</strong>deunfallversicherungsverband Westfalen-<br />

Lippe, Salzmannstr. 156, 48159 Münster, Postfach<br />

59 67, 48135 Münster, Tel.: 02 51/21 02-0<br />

Landesunfallkasse Nordrhe<strong>in</strong>-Westfalen,<br />

Ulenbergstraße 1, 40223 Düsseldorf,<br />

Tel.: 02 11/90 24-0

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!