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Sabine Albers<br />
Sabine Albers kultiviert ihre grenzenlose Neugierde Bedeutungspuzzles, dessen Sinn und Hintersinn<br />
und verwandelt diese gesellschaftlich nicht immer von den Betrachtern nicht allein durch das Wieder-<br />
positiv beurteilte Eigenschaft in eine künstlerisch erkennen, sondern ebenso durch die Aktivierung<br />
äußerst produktive Strategie. Sie entdeckt als auf- ihres Spieltriebes und ihrer Phantasie definiert<br />
merksame, sich ständig schulende Beobachterin werden können – wobei auch Lösungen denkbar<br />
Fundstücke in der Landschaft, auf der Straße oder und gewünscht sind, die von der Autorin nicht vor-<br />
in Industriebrachen und sammelt sie in ihrem her einkalkuliert wurden.<br />
Atelier. So entsteht ein intensiver Dialog mit den Kein Künstler des 20. Jahrhunderts hat die un-<br />
Materialien, aus denen sich die skulpturalen Ideen endlichen Möglichkeiten der Materialcollage so<br />
entwickeln können. Verfallende Holzstücke, ge- beispielhaft vorgeführt wie Pablo Picasso. Sabine<br />
knickte Rohre oder alte Eisenräder werden mit Albers lässt sich durch diesen »Übervater« jedoch<br />
zugekauften Teilen gleicher Art kombiniert, so dass nicht erdrücken, sondern spielt das Spiel mit ande-<br />
sich Materialdialoge oder komplexe Materialfolgen ren Voraussetzungen. Bekanntlich ordnete Picasso<br />
entwickeln, die gewissermaßen ein Spiegelbild der seine »Fundstücke« so, dass man immer aus der<br />
vielen unterschiedlichen »Gespräche« sind, die die Kombination eines Fahrradsattels, eines Korbes<br />
Künstlerin mit ihren Funden geführt hat. Manch- oder verschieden langen und breiten Hölzern einen<br />
mal reizen die Artefakte zu sofortigen Lösungen, Menschen, ein Tier bzw. die »comedie humaine«,<br />
häufiger gestaltet sich die Auseinandersetzung wie Picasso sie verstand, erkennen kann. Für ihn<br />
mit ihnen zu einem längeren Abenteuer, das auch waren jede Naturform und jeder Gebrauchsgegen-<br />
einmal ohne Happy-End ausgehen kann.<br />
stand potentiell Teil einer künstlerischen Figura-<br />
Die Künstlerin folgt der im 20. Jahrhundert faszition. »Der Mensch ist doch nur darauf gekommen,<br />
nierenden Geschichte des »objet trouvé«, des ge- Bilder festzuhalten, weil er sie, um sich herum fest<br />
fundenen Gegenstandes und der Entdeckung sei- geformt, in erreichbarer Nähe fand. Er erkannte sie<br />
ner immanenten ästhetischen Qualitäten. Diese in einem Knochen, in den Unebenheiten einer<br />
werden durch Collage oder Montage mit anderen Höhlenwand, in einem Stück Holz ... Die eine Form<br />
Objekten aus der Alltagskultur sichtbar gemacht ähnelte einer Frau, die andere erinnerte ihn an<br />
und von ihrem ursprünglichen Gebrauchscharakter einen Bison, wieder eine andere an den Kopf eines<br />
gelöst. Der Zauber dieser Konzeption, den Sabine Ungeheuers« (Brassai, Gespräche mit Picasso,<br />
Albers meisterhaft beherrscht, liegt darin, dass der 1943). Sabine Albers, die »Enkelin« Picassos, asso-<br />
formal verfremdete Gegenstand erkennbar bleibt ziiert nicht jedes Fundstück sofort mit einem<br />
und gleichzeitig Bestandteil einer rein bildneri- Gesicht oder einer Szene. Diese Sichtweise Picassos<br />
schen, autonom verstandenen Komposition ist – und seiner Zeitgenossen ist heute Allgemeingut;<br />
die »Dinge« verlieren ihre frühere eindimensionale deshalb demonstriert die Künstlerin mit ihren<br />
Zuordnung und sind Träger eines komplexen Werken auf eindrucksvolle Weise, dass die Wahr-