Zvi Goldstein – Haunted by Objects - Druckservice HP Nacke KG
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unter Umständen erst wieder lernen, seine<br />
Dame zu führen. César meint, als Lehrer<br />
entdecke man schnell die Persönlichkeit<br />
des Tänzers und könne ihm helfen, sich<br />
zu befreien und Selbstvertrauen zurückzugewinnen,<br />
selbst wenn das zuweilen viel<br />
Zeit und Geduld erfordert.<br />
Ein Tangotänzer, der das CaféADA von<br />
Anbeginn begleitet hat, erzählt, dass<br />
natürlich der Mann die Frau auffordert,<br />
doch „besonders in argentinischen Tangosalons<br />
steht das auch der Frau zu, allerdings<br />
gilt es für den Mann, blitzschnell<br />
auf einen Wimpernschlag zu reagieren.<br />
Wer in ein Tangolokal kommt, signalisiert<br />
Tanzbereitschaft. Früher, als hier noch<br />
alle an einem langen Tisch saßen, war das<br />
einfacher, man tanzte mit verschiedenen<br />
Partnern. Allerdings muss man erst die<br />
Tänze mit dem Kavalier der Dame abwarten<br />
und dann herausfühlen, ob man mit<br />
ihr tanzen darf. Sie schon nach ein oder<br />
zwei Tänzen an den Tisch zurückzuführen<br />
wäre sehr unhöfl ich. Wie eine Frau sich<br />
anfühlt weiß man vorher nie, sie kann<br />
gut trainiert aber ganz hart sein oder sehr<br />
wohlbeleibt und trotzdem tanzen wie eine<br />
Feder.“<br />
Tango Argentino ist eine Kommunikation<br />
besonderer Art, es gibt weder Smalltalk<br />
noch Keep Smiling. Die Tänzer geben sich<br />
der Musik und dem Fluss der Bewegung<br />
schweigend hin. „Wenn man Glück hat,<br />
so erlebt man für ganz kurze Augenblicke<br />
das Gefühl der vollkommenen Übereinstimmung,<br />
dann kann man eigentlich<br />
nach Hause gehen,“ sagt der Tangotänzer.<br />
Aber diesen Moment der Seligkeit möchte<br />
man immer wiederfi nden, auch dann,<br />
wenn es viel Mühe und Enttäuschungen<br />
kostet. Doch dafür gibt es ja die Kurse<br />
und die professionellen Lehrer!<br />
Der Tango verbindet zwar die Menschen,<br />
aber gerade deshalb kann er manchmal<br />
auch zum Prüfstein für Beziehungen werden.<br />
Carmen und César beobachten, dass<br />
die Paare schnell merken, ob es stimmig<br />
ist oder nicht. Der Tangotänzer sagt dazu:<br />
„Ich kann mit einer Frau frühstücken und<br />
Kinder großziehen, aber es kann sein, dass<br />
ich mit ihr keinen Tango tanzen kann.“ So<br />
kann es passieren, dass Beziehungen zerbrechen<br />
oder entstehen. Auf dem Parkett<br />
zählen weder Alter, Geschlecht, Herkunft<br />
oder Einkommen, sondern allein die<br />
Qualität des Tanzens.<br />
Im Laufe der letzten 15 Jahre haben<br />
immer wieder namhafte Lehrer unterrichtet,<br />
und jeder von ihnen hat den Tango<br />
weitergebracht, so dass sich das CaféADA<br />
den Ruf als Kulturstätte für die Entwicklung<br />
des Tango erworben hat. Dazu<br />
trägt auch das inzwischen zur Tradition<br />
gewordene Tangofestival in der Historischen<br />
Stadthalle bei, dessen Veranstalter<br />
Carsten Heveling ist. Mit dem CaféADA<br />
und neuerdings dem Barmer Bahnhof<br />
als weitere Austragungsorte ist es eins der<br />
größten Festivals der Welt. Immerhin<br />
kommen fast 90% der Besucher von<br />
weit her, und darauf darf Wuppertal stolz<br />
sein. Heveling ist übrigens einer der ganz<br />
wenigen Fachleute für die Restaurierung<br />
des klassischen Tango-Bandoneons und<br />
war im ADA einer der Organisatoren der<br />
ersten Stunde.<br />
1998 wurde der Verein „Mare“ e.V.<br />
gegründet. Vorsitzender ist Yener Sözen;<br />
der verstorbene Musiker Peter Kowald war<br />
einer der Gründungsmitglieder. „ADA“<br />
ist also die „Insel“, gleichsam umgeben<br />
vom „MARE“ der kulturellen Vielfalt. Es<br />
war die Idee von Mehmet Dok und Jean<br />
Laurent Sasportes, über die Tanzkurse<br />
hinaus ein breites kulturelles Programm<br />
anzubieten. Sasportes hat die künstlerische<br />
Leitung für Theater- und Tanzveranstaltungen<br />
inne. Sein Vorrat an Ideen ist<br />
unerschöpfl ich! Neben den etablierten<br />
Häusern wünschte er sich eine kleinere<br />
Bühne, auf der man experimentieren<br />
kann, etwa wie im Tanzhaus in Düsseldorf.<br />
So bietet das CaféADA jungen<br />
Tänzern und Choreographen ein Forum<br />
für interdisziplinäres Arbeiten. Die Reihe<br />
„Ikonoclaste“ (Bildersturm) meint das<br />
Ausbrechen aus künstlerischen Normen.<br />
Der Höhepunkt des vierten „Ikonoclaste“<br />
2011 war die Aufführung „carte blanche“<br />
mit Choreographien von und mit Tänzern<br />
des Tanztheaters Pina Bausch.<br />
Neben Aufführungen gibt es Jazzkonzerte,<br />
Ausstellungen, und vieles mehr. Unlängst<br />
hat die WDR-Bigband unmittelbar<br />
nach ihrem ersten Konzert den Wunsch<br />
geäußert, einen neuen Termin zu erhalten;<br />
Peter Brötzmann tritt hier auf, und man<br />
arbeitet mit der Musikschule zusammen.<br />
Leider fehlt es immer an Geld, und immer<br />
gibt es zu viel Bürokratie. So ist der Verein<br />
dankbar, dass ehrenamtlichen Mitarbeiter<br />
helfen, das Programm zu bewältigen und<br />
die technische Abteilung des Wuppertaler<br />
Tanztheaters Unterstützung leistet, - und<br />
zuweilen fi nden sich Sponsoren.<br />
Mehmet Doks Haus ist multikulturell,<br />
man spricht Deutsch, Englisch, Spanisch<br />
und natürlich Türkisch, denn die<br />
Mitarbeiter kommen aus verschiedenen<br />
Ländern. Auf meine Frage, wie sich Tango<br />
und muslimischer Glaube vereinbaren<br />
lassen, schaut er mich überrascht an:<br />
“Eigentlich sind alle Religionen mehr oder<br />
weniger körperfeindlich, Religionen spielen<br />
im CaféADA überhaupt keine Rolle.“<br />
Immerhin ist der Tango 2009 zum Weltkulturerbe<br />
ernannt worden. Kulturarbeit<br />
ist im ADA die Begegnung mit sich selbst<br />
und mit anderen, die durch den Tango<br />
vermittelt wird. „Die Symbiose war von<br />
Anfang an da, der Geist des Hauses und<br />
der Tango gehören zusammen“, sagt Yener<br />
Sözen. So erzählt Mehmet Dok stolz, das<br />
CaféADA sei gleichsam Pinas Bauschs<br />
Wohnzimmer gewesen, und man habe<br />
sich wie eine kleine Familie gefühlt.<br />
Tatsächlich ist die Tangogemeinde wie<br />
eine Familie, jeder ist willkommen, jeder<br />
hilft jedem, jeder kann hier tun was er<br />
möchte, schweigen, reden, lesen, spielen,<br />
arbeiten, essen oder eben tanzen. Für<br />
einen Stammgast der ersten Stunde, der<br />
nicht zum Tanzen sondern als passionierter<br />
Zuschauer kommt, ist dieses Haus „ein<br />
Ort hoher künstlerischer Qualität und<br />
Authentizität, der jenseits ausgetretener<br />
Kulturpfade künstlerische Besonderheiten<br />
bietet, die sonst nirgends zu haben<br />
sind. Man wird sofort von der einmaligen<br />
Atmosphäre des Hauses umfangen und<br />
verlässt es nie ohne bereichert worden zu<br />
sein. Hier treffen die verschiedenartigsten<br />
Menschen zusammen, man muss sich nur<br />
einlassen, dann passiert immer etwas.“<br />
Das alles macht der Tango möglich. Von<br />
diesem Tanz hat Tete Rusconi gesagt: „Wir<br />
verlieren den Tango, wenn wir ihn nicht<br />
respektieren.“ Darum braucht man im<br />
CaféADA keine Sorgen zu haben, man<br />
braucht nur hinzugehen.<br />
Informationen unter www.cafeada.de<br />
Marlene Baum<br />
Fotos CaféADA