Sichtbare Sprache: Semiotik in der Eurythmie - Semiotics in Bremen ...
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2.2 Die dionysische Form<br />
In den höheren Klassen, <strong>in</strong> <strong>der</strong> Mittel- und Oberstufe, ist beson<strong>der</strong>s das<br />
E<strong>in</strong>studieren von Choreografien zu verschiedenen Texten und zu<br />
Musikuntermahlung Unterrichtsgegenstand des Fachs <strong>Eurythmie</strong>. Die Lehrkräfte<br />
geben den Schülern Bewegungsabläufe vor o<strong>der</strong> bieten ihnen die Möglichkeit<br />
Teile <strong>der</strong> Choreografie durch eigene Ideen o<strong>der</strong> spontane Improvisation selbst zu<br />
gestalten. Dabei orientieren sich sowohl Schüler als auch Lehrer an <strong>der</strong> so<br />
genannten dionysischen Form, die besagt, dass alle Bewegungsgesetze <strong>in</strong> den<br />
seelischen Bereichen des Denkens, des Fühlens und des Wollens liegen. Der<br />
Name stammt aus <strong>der</strong> Zeit <strong>der</strong> alten Griechen, die me<strong>in</strong>ten <strong>in</strong> Dionysos selbst das<br />
göttliche Urbild des Menschlich-Seelischen zu erkennen (vgl. Dubach-Donath<br />
1981: 78). Bevor also e<strong>in</strong>e Vorlage, e<strong>in</strong> Gedicht, e<strong>in</strong> Musikstück o<strong>der</strong> e<strong>in</strong>e<br />
Geschichte, von den Schülern <strong>in</strong>terpretiert wird, muss diese <strong>in</strong> S<strong>in</strong>nabschnitte<br />
unterteilt und analysiert werden. Dem Bewegungsgesetz folgend ergeben sich so<br />
Teile aus dem Bereich <strong>der</strong> denkenden Seele, <strong>der</strong> fühlenden Seele und aus dem<br />
Bereich <strong>der</strong> willensmäßigen E<strong>in</strong>stellung, denen entsprechende Bewegungsabläufe<br />
zugeordnet werden, bevor aus e<strong>in</strong>er Komb<strong>in</strong>ation dieser e<strong>in</strong>e Choreografie<br />
entsteht. Die Darstellung des Denkens geschieht dabei mit geraden L<strong>in</strong>ien, das<br />
Wollen wird mit krummen L<strong>in</strong>ien dargestellt und das Fühlen mit e<strong>in</strong>er Komb<strong>in</strong>ation<br />
aus geraden und krummen L<strong>in</strong>ien:<br />
Denken: Fühlen: Wollen:<br />
Auf diese Weise lassen sich Texte o<strong>der</strong> Musikstücke <strong>in</strong>terpretieren und mit<br />
eurythmischen Bewegungen präsentieren. Das Beispiel zeigt e<strong>in</strong> Gedicht von<br />
Eduard Mörike, das zunächst analysiert wurde, um dann mit <strong>der</strong> ikonischen<br />
Inszenierung des Körpers die Grundstimmung wie folgt darzustellen:<br />
„Herr! Schicke was du willst,<br />
e<strong>in</strong> Liebes o<strong>der</strong> Leides,<br />
ich b<strong>in</strong> Vergnügt, dass beides<br />
aus de<strong>in</strong>en Händen quillt.<br />
Wollest mit Freuden<br />
und wollest mit Leiden<br />
mich nicht Überschütten!<br />
Doch <strong>in</strong> <strong>der</strong> Mitte<br />
liegt holden Bescheiden.“<br />
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