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"...mein Acker ist die Zeit", Aufsätze zur Umweltgeschichte - Oapen

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196<br />

Wie immer <strong>die</strong> staatlichen Bekämpfungsmaßnahmen auch lauten, sie betreffen<br />

fast ausschließlich Wirbeltiere. Insekten, <strong>die</strong> nach heutiger Einsicht neben den<br />

Mikroorganismen <strong>die</strong> überwiegende Mehrzahl der Schädlinge stellen, werden, mit<br />

Ausnahme der Heuschrecken, im Agrarsektor nicht zum Gegenstand einer über<br />

Verordnungen fassbaren Maßnahme. 334 Obwohl z. B. Halberstädter Bauern dem<br />

König 1728 vorrechnen, dass <strong>die</strong> Hamsterbekämpfung teurer sei als ihr Nutzen<br />

und neben dem Hamster mit mindestens ebensolchem Recht „<strong>die</strong> Schnecken und<br />

Erdt-Flöhe, alls welches Ungeziefer gleichfalls oft ganze Feldt-Fluren verzehret,<br />

wir denn wegfangen müssten.“ 335 Wie hätte deren effektive Bekämpfung vor Erfindung<br />

chemischer Schädlingsbekämpfungsmittel auch aussehen sollen? 336 Die<br />

angestrebte ‚Ausrottung‛ heißt im 18. Jahrhundert Verdrängen von oder Töten auf<br />

einem bestimmten Areal, <strong>mein</strong>t also letztlich eine parzellenspezifische Handlung.<br />

Solange <strong>die</strong> adäquate Bekämpfungsstrategie aber im Verfolgen und in der Tötung<br />

jedes einzelnen Tieres gesehen wird, und das sind <strong>die</strong> „Mittel der Küche und des<br />

Handwerks“ bis auf den heutigen Tag, solange übersteigt <strong>die</strong> Macht des Schädlings<br />

<strong>die</strong> Kraft des Betroffenen. Natürlich helfen <strong>die</strong> Puten, Hühner oder Enten hier<br />

und da, <strong>die</strong> Insekten oder Schnecken einzudämmen. Hätte man Schmetterlingseier<br />

und –raupen z. B. vom Kohl absammeln lassen und das Gesammelte nach Volumen<br />

prämieren können? Als betriebswirtschaftlich relevantes Ereignis läge ein<br />

solcher Befall grundsätzlich außerhalb staatlicher Eingriffsüberlegungen. Bei<br />

Schädlingen hingegen, <strong>die</strong> sich in großen Maßen über größere D<strong>ist</strong>anzen bewegen<br />

können (Heuschrecken, Sperlinge) sind große, organisierte Bekämpfungsmaßnahmen<br />

nicht nur Erfolg versprechender. Wegen der empfundenen allge<strong>mein</strong>en Bedrohung<br />

sind sie auch aus psychologischen Gründen für eine Bekämpfung durch<br />

<strong>die</strong> Allge<strong>mein</strong>heit prädestiniert.<br />

Freilich sollten solche Überlegungen, wenn sie denn als Hintergrund herangezogen<br />

werden, <strong>die</strong> biologischen Grundlagen von Populationsdichten nicht vernachlässigen.<br />

Kleine Säuger erreichen beispielsweise in der Regel höhere Populationsdichten<br />

als größere Säuger. Hierfür lassen sich gute biologische Argumente<br />

beibringen, 337 welche eine größere Häufigkeit von Mäusen gegenüber Bären begründen.<br />

Allein aus seiner populationsbiologisch relativen Seltenheit wird deshalb<br />

aus dem Schadbären ein psychologisch anders reg<strong>ist</strong>riertes Ereignis als aus der<br />

täglichen Maus. Die numerische Seltenheit, <strong>die</strong> physische Kraft des Schadbären<br />

oder das unheimliche Heulen der Wölfe prädestinieren <strong>die</strong> Furcht vor ihnen eher<br />

334 Forstschädlinge sind, wie bereits erläutert, nicht Gegenstand <strong>die</strong>ses Aufsatzes. Natürlich regelt<br />

der Staat massiv <strong>die</strong> Bekämpfung der Forstschädlinge, <strong>die</strong> sämtlich Insekten sind. Die normative<br />

und praktische Seite ihrer Bekämpfung wird ausführlich im Promotionsvorhaben von Katharina<br />

Engelken behandelt.<br />

335 Ausgeführt bei Herrmann (2003) S.41.<br />

336 Vor den Fortschritten der Organischen Chemie gegen Ende des 19. Jahrhunderts gab es schon<br />

lange das arsenikhaltige ‚Mäusekorn’ und natürlich das Milchschälchen mit Fliegenpilzen gegen<br />

<strong>die</strong> häuslichen Schädlinge und Lästlinge.<br />

337 Purves et al. (2006) S.1301 ff.

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