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"...mein Acker ist die Zeit", Aufsätze zur Umweltgeschichte - Oapen

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politisch nutzbar. Zugleich enthält <strong>die</strong>se Wahrnehmung <strong>die</strong> Formulierung eines<br />

Machtanspruchs und <strong>die</strong> faktische Machtausrufung. Allerdings werden der absolute<br />

Verfügungswille und das dazu gehörige Instrumentar unlauter hinter einem moralischen<br />

Appell verborgen und für seine Zwecke in Gesellschaft wie Wissenschaft<br />

instrumentalisiert. Nicht der Gedanke der Aufzählung, Kenntnis und Bewahrung<br />

aller Arten, <strong>die</strong> zusammen denn <strong>die</strong> Biodiversität ausmachten, um ihrer selbst Willen<br />

<strong>ist</strong> das Ziel, sonder vielmehr deren Bewahrung um der Nutzung willen. Nicht von<br />

ungefähr <strong>ist</strong> mit der Idee der Kette der Wesen untrennbar <strong>die</strong> Entwicklung des<br />

Gedankens von der Nutzbarkeit der Lebewesen wie auch der oeconomia naturae verbunden,<br />

der Gedanke, der sowohl <strong>die</strong> Wirtschaftstheorie der Moderne nachhaltig<br />

beeinflusste (hierzu vor allem MEYER 1999) als auch <strong>die</strong> Biologie, deren darwinsches<br />

Paradigma eine ökonomische Theorie der Natur <strong>ist</strong>.<br />

Die bis hier vorgetragenen Überlegungen diskutieren nicht <strong>die</strong> thematisch subsumierbare,<br />

unverdächtige Wissensproduktion auf der Ebene des positiven Wissens<br />

und sie diskutieren auch nicht <strong>die</strong> zweifelsohne ex<strong>ist</strong>ierenden pragmatischen Aspekte<br />

der Idee der Biodiversität. Sie diskutieren vielmehr ihre Verwertungszusammenhänge.<br />

Für <strong>die</strong> Humanökologie sind <strong>die</strong> kulturell bzw. gesellschaftlich moderierten<br />

Prozesse auch jenseits der unmittelbaren Verwertungszusammenhänge als<br />

Teil der Mentalitätsgeschichte, als Rezeptionsgeschichte, bedeutsam. Erst <strong>die</strong> Aneignung<br />

der Biodiversität im Verlauf der Geschichte wird den Menschen zu dem<br />

machen, was er <strong>ist</strong>, weil der Mensch das einzige Lebewesen <strong>ist</strong>, das als Appropriateur<br />

auftritt und <strong>die</strong> Biodiversität exzessiv ausbeuten kann. Das Grundproblem der<br />

biologischen Wissenschaften, welchem Kalkül denn das balancierte Miteinander so<br />

vieler Spezies folge, <strong>ist</strong> zumindest auf unsere Spezies hin ausschließlich utilitar<strong>ist</strong>isch<br />

beantwortet. Dabei <strong>ist</strong> es gleichgültig, ob hier vom Nutzen in wirtschaftlicher<br />

Hinsicht oder vom Nutzen aus interesselosem Wohlgefallen, worunter nach Kant<br />

auch der Genuss des Naturschönen zu verstehen <strong>ist</strong>, ausgegangen wird. Insofern<br />

<strong>ist</strong> <strong>die</strong> Entdeckung der Biodiversität und ihre immer raffiniertere Nutzung <strong>die</strong> eigentliche<br />

Geschichte des Menschen und der menschlichen Herrschaft über <strong>die</strong><br />

Natur. Die Herrschaft über <strong>die</strong> Natur drückt sich überraschenderweise aber nicht in<br />

der Aufdeckung des Evolutionsgeschehens durch <strong>die</strong> biologische Wissenschaft<br />

aus, sondern schon viel früher in den scheinbar harmlosen Formeln von Schöpfungsreichtum<br />

und Artenfülle aus. Wer den Dingen einen Namen gibt, hat <strong>die</strong><br />

Verfügungsmacht. Das <strong>ist</strong> so seit jenen Tagen im Garten Eden.<br />

Die Agrargesellschaften verdrängten mit ihrer Flächennutzung kontinuierlich<br />

für den Menschen uninteressante Arten. Entstehende Verluste werden vielleicht<br />

reg<strong>ist</strong>riert, aber eben nur in Zusammenhang mit ihrem Nutzwert, etwa, wenn <strong>die</strong><br />

Brandenburgischen Churfürsten schon Ende des 16 Jh. Braunbären aussetzen<br />

lassen, um sie zu jagen, oder Ende des 17. Jh. ein Patent erlassen, wonach man<br />

Nachtigallen nicht mehr fangen dürfe, weil ihr Gesang kaum noch zu hören sei, ein<br />

seltenes Beispiel für Berücksichtigung von Symbol- bzw. Optionswert, dem man<br />

auch Rechnung trug, als man den seit 1720 in Preußen als Ernteschädling verfolg-

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