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"...mein Acker ist die Zeit", Aufsätze zur Umweltgeschichte - Oapen

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chen. Dieser Blick in <strong>die</strong> Zukunft war den h<strong>ist</strong>orischen Akteuren unmöglich, als sie<br />

sich ihrer Leitbilder wegen stritten. Und auch heute <strong>ist</strong> <strong>die</strong>se Gewinn-Verlust-<br />

Rechnung nicht wirklich aufzumachen. Sie würde entweder an der gegenwärtig<br />

präferierten Zweckbestimmung des Oderbruchs gemessen, oder sie würde von der<br />

Annahme ausgehen, ein beliebiger hemerober Zustand sei der archimedische Bezugspunkt.<br />

Diese Überlegung führte dann u.a. direkt zu den Klagen vom Typus<br />

„Para<strong>die</strong>sverlust“. Beide Sichtweisen wären unangemessen, weil sie jeweils von<br />

Leitbildern ausgingen, <strong>die</strong> nicht als absolut setzbar sind.<br />

Das Beispiel der Oderbruchmelioration lässt sich leicht ins Allge<strong>mein</strong>e verlängern.<br />

Das autokratische Handeln Friedrich II und seiner Admin<strong>ist</strong>ration <strong>ist</strong> <strong>die</strong><br />

Konsequenz aus der staatstheoretischen Position, <strong>die</strong> das Glückseligkeitsversprechen<br />

<strong>zur</strong> Maxime erhebt und <strong>die</strong> Glückseligkeit der Untertanen zum Staatsziel<br />

erklärt (mit Blick in <strong>die</strong> <strong>Umweltgeschichte</strong> vor allem: Meyer 1999). Vorarbeit hatte<br />

nicht zuletzt Friedrichs Vater mit seiner Anordnung zu einer oft übersehenen<br />

Wahrnehmungsänderung gele<strong>ist</strong>et. Er hatte <strong>die</strong> „Große Wildnis“, wie <strong>die</strong> riesigen<br />

Wälder Ostpreußens seit den Tagen der Ordensritter genannt wurden, abgeschafft.<br />

Nicht etwa durch Fällen der Bäume, sondern per dekretiertem Wahrnehmungswandel.<br />

Er ließ 1728 kurzerhand <strong>die</strong> Verwendung des Begriffs verbieten, „weil<br />

seine Majestät keine Wildnis in ihren Landen erkenneten“. Ganz sicher stand dabei<br />

auch das protestantische Verhaltensleitbild „Produktivität“ Pate (Herrmann 2004).<br />

Die auf <strong>die</strong> Landesverbesserung zielenden Aktivitäten der preußischen Hohenzollern<br />

sind keine Einzelfälle. Überall lebte, auf dem Kontinent wie den britischen<br />

Inseln, <strong>die</strong> Idee auf, <strong>die</strong> Natur zum Vorteil der Untertanen zu optimieren. Die<br />

Aufklärung setzt letztlich ökonomische Zweckmäßigkeit zum ästhetischen Leitbild.<br />

Aber erst das 19. Jh. wird über <strong>die</strong> Mittel und den allge<strong>mein</strong>en politischen Willen<br />

verfügen, <strong>die</strong> Natur im großen Stil durch <strong>die</strong> menschliche Kunst zu verbessern, wie<br />

es bereits Bacon vorschwebte (zu Bacon das Einleitungskapitel bei Dipper 1991).<br />

Die Landesverschönerung des 19. Jh.s erwe<strong>ist</strong> sich so am Ende als eine direkte<br />

Folge der Aufklärung. Einer makelbehafteten Natur, in der sich <strong>die</strong> Flüsse unschön<br />

schlängeln oder krümmen, wird <strong>die</strong> Rektifikation nicht nur als ästhetisches Paradigma<br />

entgegensetzt (Tulla 1825). Die physisch vorgefundene Natur soll ökonomisch<br />

sinnvoll und zu ihrer wahren Bestimmung und Schönheit hin vollendet werden<br />

(Beiträge in Konold 1996, darin beispielhaft Beck), so dass das 19. Jh. in<br />

Deutschland geradezu zu einem Jahrhundert der Feuchtgebiet- und Ödland-<br />

Bekämpfung und der Landesverschönerung wird. Doch das Pendel beginnt schon<br />

gegen Ende des 19. Jh.s <strong>zur</strong>ück zu schwingen, in Richtung einer neo-romantischen<br />

Naturauffassung und auf <strong>die</strong> z. T. naive Forderung hin nach einem restaurativen<br />

Landschaftsbild (beispielhaft Gradmann 1910).<br />

Es <strong>ist</strong> selbstverständlich, dass mit allen Veränderungen der Landschaft, ob nun<br />

konzeptionell vorgesteuert oder beiläufig verursacht, erhebliche Verschiebungen

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