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"...mein Acker ist die Zeit", Aufsätze zur Umweltgeschichte - Oapen

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den biologisch bewegten Diskursen in andere Zusammenhänge adaptiert worden.<br />

Seit einiger Zeit trifft man in Erörterungen irgendwie h<strong>ist</strong>orisch daherkommender<br />

Sachverhalte auf einen begrifflichen Abkömmling, <strong>die</strong> „h<strong>ist</strong>orische Biodiversität“. Wie<br />

bei den me<strong>ist</strong>en Mutationen, <strong>ist</strong> auch hier <strong>die</strong> Befürchtung naheliegend, dass sich<br />

hinter <strong>die</strong>ser Sprachwelt-Komposite nicht nur positive genetische Eigenschaften<br />

verbergen.<br />

Der folgende Beitrag behandelt vordergründig Fragwürdigkeiten des Begriffs<br />

und seiner Ableitung. Mehr noch sind es allerdings <strong>die</strong> impliziten Ep<strong>ist</strong>eme des<br />

Begriffs und <strong>die</strong> Begrenztheiten seiner analytischen Kraft, <strong>die</strong> mich beschäftigen,<br />

ebenso, wie <strong>die</strong> mit ihnen verbundenen Krisen des Denkens. Sie sind Gegenstand<br />

der folgenden Ausführung.<br />

1 Biodiversität<br />

1.1 BioDiversität?<br />

Die Frage, wofür der Biodiversitätsbegriff denn eigentlich erfunden wurde bzw.<br />

welche Forschungsprogrammatik er abdecken soll, findet sich selten gestellt und<br />

seltener noch erörtert. Man scheint darauf zu vertrauen, dass sich das Verständnis<br />

irgendwie von selbst einstelle. Das mag für eine pragmatische Vorgehensweise<br />

oder praktische Belange, etwa <strong>die</strong> Frage nach der Diversität tierlicher Schädlinge in<br />

einer Vorratskammer, ausreichen, weil in <strong>die</strong>sem Beispiel <strong>die</strong> Frage voraussetzungslos<br />

gestellt wird und auf der Ebene der ingenieurtechnischen Lösungen beantwortet<br />

werden kann. Im Beispiel geht es, mit Max Weber gesprochen, 107 um<br />

eine „Wie-Frage“. Doch wies Weber bekanntlich auch auf <strong>die</strong> „Ob-Frage“ hin. Für<br />

ihn zielte <strong>die</strong>se Frage auf <strong>die</strong> gesellschaftliche Akzeptanz eines wissenschaftlichen<br />

Tuns. Für den agierenden Wissenschaftler zielt <strong>die</strong> Frage gleichzeitig auf <strong>die</strong> mindestens<br />

ebenso gewichtige Bedeutung des möglichen ep<strong>ist</strong>emologischen Gewinns,<br />

wenn ein konkret erkanntes Problem noch seiner ersten oder seiner weiteren Analyse<br />

harrt.<br />

Die Gegenstände unserer Neugierde sind nicht immer schon und einfach so<br />

da, sondern treten ins Bewußtsein erst dadurch, dass sie zum Erkenntnisobjekt<br />

gemacht werden. 108 Besser müsste es wohl heißen: Das Problem <strong>ist</strong> noch nicht<br />

107 Max Weber, Wissenschaft als Beruf, in: Gesammelte <strong>Aufsätze</strong> <strong>zur</strong> Wissenschaftslehre, hg. von<br />

Max Weber und Johannes Friedrich Winckelmann, Tübingen⁷ 1988, UTB 1492, Seiten 582–613.<br />

108 bzw. (im Sinne Webers) unter den gegebenen gesellschaftlichen Entscheidungen gemacht werden<br />

können, weil <strong>die</strong> gesellschaftlichen Rahmenbedingungen das zulassen, sei es durch ein ge<strong>ist</strong>igmaterielles<br />

Klima der Förderung, sei es durch eine laissez-faire – Grundhaltung. Wie berechtigt Webers<br />

Unterscheidung der Dichotomie von ‚wissenschaftlich’ versus ‚gesellschaftlich akzeptiert’ <strong>ist</strong>, lehrt nicht erst<br />

der Blick speziell in deutsche Geschichtsbücher, sondern allein schon der Blick ins Feuilleton während<br />

der zweiten Jahreshälfte 2004, nachdem in Großbritannien im August das therapeutische Klonen<br />

unter bestimmten Randbedingungen zugelassen wurde. In der Bundesrepublik fehlt hierfür zu<br />

<strong>die</strong>sem Zeitpunkt eine gesellschaftliche (d.i. eine kodifizierte) Akzeptanz. Obwohl <strong>die</strong> deutschen

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