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"...mein Acker ist die Zeit", Aufsätze zur Umweltgeschichte - Oapen

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Natur und Mensch in Mitteleuropa (2007)<br />

3) <strong>die</strong> Steigerung des Commerzes (auf dem Fluss)<br />

4) <strong>die</strong> Peuplierung (Volksvermehrung)<br />

5) und im 19. Jh. zusätzlich, teilweise ausschließlich, <strong>die</strong> Malariabekämpfung.<br />

Diese Ziele stehen in Zusammenhang mit der Bestrebung nach Verstetigung der<br />

Agrarproduktion, der Produktionssteigerung, letztlich auch der Produktivitätssteigerung,<br />

aber auch einer produktionsorientierten Ästhetisierung der Landschaft.<br />

6 Schädlingsdiskurs, Malaria und Hygienemaßnahmen<br />

Meliorationen beruhen auf Landschaftsleitbildern und Wertvorstellungen. Es <strong>ist</strong><br />

kein Zufall, dass zeitgleich mit ihnen <strong>die</strong> Differenzierung des Schädlingsdiskurses<br />

einsetzt, also <strong>die</strong> Diskussion der Frage, welche Pflanzen und Tiere situativ oder um<br />

ihrer Selbst willen „ausgerottet“ werden können, durchaus bis an <strong>die</strong> Frage heran,<br />

ob ein Tier aus der Evolution entfernt werden dürfe (Herrmann 2007a). Die Wirkung<br />

des Schädlingsdiskurses auf <strong>die</strong> allmähliche Herausbildung von „Naturbildern“,<br />

allge<strong>mein</strong>er: auf <strong>die</strong> „Wertung“ von Natur, <strong>ist</strong> bis heute wenig beachtet,<br />

obwohl er von erheblicher, wenn auch mehr indirekter, Wirkung war. Sehr früh<br />

sind <strong>die</strong> großen Gipfelräuber dem Menschen ausgewichen bzw. von ihm systematisch<br />

bejagt worden, d.h., sie fehlen jetzt einfach in der Landschaft. Spätestens um<br />

1800 hat daher <strong>die</strong> „gefühlte Gefährdung“ beim Aufenthalt in der Natur kaum<br />

noch eine praktische Bedeutung. Hier liegt eine Wurzel des heutigen „Bruno Syndroms“,<br />

192 nachdem von „Natur“ keinerlei Bedrohungspotential ausgehen dürfe.<br />

Die Verfolgung der Forst-, Ernte- und Nahrungsschädlinge auf rationaler<br />

Grundlage setzt im 18.Jh. ein, wird aber erst mit der vollständigen Aufklärung der<br />

Generationswege und Metamorphosen der Insektenschädlinge und den Errungenschaften<br />

der organischen Chemie am Ende des 19. Jh.s zu breiter Wirksamkeit<br />

gelangen. Dabei <strong>ist</strong> <strong>die</strong> Quellenlage über <strong>die</strong> objektiven Schäden nicht gerade übersichtlich<br />

aufgearbeitet (z.B. Beck 1909). Ebenfalls erst in der zweiten Hälfte des<br />

19. Jh. s gewinnen Hygienevorstellungen hinreichenden Einfluss, so dass auch eine<br />

systematische Bekämpfung der Hygiene-Schädlinge einsetzt. Dies setzte kausale<br />

ätiologische Konzepte voraus, <strong>die</strong> vor der Mikrobentheorie Pasteurs weitgehend<br />

im Unwirksamen verharren mussten. Interessanter Weise treten im 19. Jh. ätiologische<br />

Konzepte von Prävention und Therapie als Gestaltungsargumente für Malaria-Zonen<br />

in Mitteleuropa auf (in Frankreich bereits z.Zt. der Franz. Revolution),<br />

und zwar zu einem vortheoretischen Zeitpunkt, an dem bereits der empirische<br />

Zusammenhang zwischen Feucht-/Sumpfgebiet und Malaria unübersehbar wird,<br />

noch bevor der kausale Zusammenhag zwischen Anopheles-Mücken und Plasmo-<br />

192 In Anlehnung an den Abschuss des Braunbären „Bruno“, der im Frühsommer 2006 einem vom<br />

bayerischen Umweltmin<strong>ist</strong>er gefühlten Gefährdungsrisiko beim Aufenthalt in der Natur zum Opfer<br />

fiel.<br />

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