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20 Jahre Galerie Rigassi: Georg Baselitz - Ensuite

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artensuite Schweizer Kunstmagazin November <strong>20</strong>11 | 4<br />

Bild rechts oben:<br />

Santu Mofokeng,<br />

Winter in Tembisa,<br />

um 1991, Courtesy<br />

Lunetta Bartz, MA-<br />

KER, Johannesburg.<br />

© Santu Mofokeng,<br />

Essay: Township<br />

Billboards: Beauty,<br />

Sex and Cellphones<br />

Bild rechts unten:<br />

Santu Mofokeng,<br />

Christmas Church<br />

Service, Mautse<br />

Cave – Free State,<br />

<strong>20</strong>00, Courtesy<br />

Lunetta Bartz, MA-<br />

KER, Johannesburg.<br />

© Santu Mofokeng,<br />

Essay: Chasing<br />

Shadows<br />

Aura des Abwesenden<br />

Von Nicola Schröder<br />

■ Die aktuelle Ausstellung der Berner<br />

Kunsthalle zum fotografischen<br />

Werk des südafrikanischen Künstlers<br />

Santu Mofokeng bietet einen<br />

Einblick in die Auseinandersetzung<br />

des Künstlers mit seinem bis anhin<br />

dreissigjährigen Werk. Anhand von<br />

Saaltexten und dokumentarischen<br />

Elementen wird im Zusammenhang<br />

mit einer grossen Anzahl von Fotografien<br />

ein sehr persönliches Bild<br />

des Künstlers mit Blick auf seine<br />

Heimat gezeichnet. Die Arbeiten<br />

Mofokengs sind dabei nicht sofort<br />

mit gewohnten Seherfahrungen zu<br />

ergründen, obwohl sie formal leicht<br />

in den Kanon westlichen Kunstverständnisses<br />

einzuordnen wären.<br />

Vielmehr sind sie als Essays zu lesen,<br />

die um eine bestimmte Absicht<br />

kreisen. Wie Mofokeng selbst angibt,<br />

seien seine Aussagen nie mit nur einem<br />

einzelnen Bild zu treffen. Denn<br />

das eigene Interesse des zunächst<br />

als Strassenfotografen tätigen Mofokeng<br />

gilt bereits seit seinen frühen<br />

Auseinandersetzungen mit der Fotografie<br />

den Darstellungen der afrikanischen<br />

Lebensweise.<br />

Im dokumentarischen Teil der<br />

Ausstellung, die eine wissenschaftliche<br />

Auseinandersetzung Mofokengs<br />

mit dem Thema zeigt, wird deutlich,<br />

inwiefern gerade in der Mitte des <strong>20</strong>.<br />

Jahrhunderts das Selbstbild der Afrikaner<br />

von westlichen Wert-, und aber<br />

auch kontrastierenden Klischeevorstellungen<br />

geprägt war. Mofokeng<br />

ist demgegenüber sehr sensibilisiert,<br />

Santu Mofokeng. Chasing Shadows. Thirty Years of Photographic<br />

Essays<br />

Sven Augustijnen. Spectres<br />

Kunsthalle Bern. Helvetiaplatz 1, 3005 Bern<br />

www.kunsthallebern.ch<br />

Geöffnet Dienstag bis Freitag 11:00–18:00 h, Samstag und Sonntag<br />

10:00–18:00 h<br />

Bis 27. November<br />

das Afrikanische seiner Mitmenschen zu ergründen und befasst sich dafür<br />

unter anderem eingehender mit dem Begriff der Heimat. In ihr sieht er allerdings<br />

wiederum auch eine Vermischung verschiedenster Weltanschauungen.<br />

Er spricht von einem prägenden Cocktail aus Dogmen, der heidnische Rituale<br />

mit christlichen Überzeugungen vermengt. Diese Zwiespältigkeit des<br />

afrikanischen Kontinents sticht auch aus seinen Bildern hervor. Fotografien,<br />

die dokumentarisch von einer Ambivalenz sprechen, die einen ganzen Kontinent,<br />

aber auch die subjektive Wahrnehmung des Fotografen charakterisieren.<br />

Dieser empfindet seinerseits zwiespältige Gefühle gegenüber dieser<br />

Ambivalenz. Seine Fotografien zeigen Menschen in Momenten religiöser oder<br />

ritueller Andacht, zwischen Kontemplation, Performanz und Feier. Teils im<br />

Widerspruch zur Umgebung finden solche Zusammenkünfte oder Äusserungen<br />

statt. So verwandeln sich Pendlerzüge wiederkehrend in vibrierende und<br />

laut tönende Messen, Felsenhöhlen werden zu Kirchen und eigentlich durch<br />

Industrie und Rohstoffabbau verseuchte Flüsse zu Schauplätzen ritueller<br />

Waschungen.<br />

Wesentlicher Aspekt der Auseinandersetzung ist immer auch die Landschaft<br />

und in ihr impliziert die blutige Geschichte eines Landes zwischen<br />

Kolonialismus und Apartheid. Doch Mofokeng konkretisiert die Greuel von<br />

Apartheid und Völkermorden in seinen Bildern nicht, vielmehr ergründet<br />

er die Schauplätze nach den Auren ihrer Opfer. Das kollektive Gedächtnis<br />

verändere die Beziehung zu Raum und Landschaft tiefgreifend, womöglich<br />

deshalb erscheinen bestimmte Landschaften dem Unterrichteten geisterhaft<br />

anklagend. Möglicherweise sind es genau die Abwesenden, die Mofokeng<br />

hier mit seiner Kamera einfängt und ihnen damit in eindrücklicher Weise<br />

einen Weg an die Oberfläche bahnt. Er lässt Orte sprechen und das Gedächtnis<br />

arbeiten, das über das vermeintlich Abwesende in die Tiefe führt. So<br />

macht er sich mit seinem Arbeitsgerät, wie er selbst sagt, auf die Jagd nach<br />

Schatten, die von dem sprechen, was passierte. Jene Art von Schatten, die<br />

in Sotho als «seriti» bezeichnet werden und die nicht primär die Abwesenheit<br />

von Licht bedeuten, sondern erst im übertragenen Sinne und dabei von<br />

unsichtbaren Phänomenen sprechen, die gleichwohl auf die Bedingtheit von<br />

Licht und Dunkelheit in der Existenz abzielen. Diese Neigung zum Dunklen,<br />

Bizarren und Allegorischen sieht Mofokeng selbst allerdings beinahe<br />

als Defizit seines künstlerischen Schaffens. Denn wenn er andernorts seine<br />

Überzeugung erklärt, dass Schönheit für ihn ohne Wahrheit unbefriedigend<br />

sei, macht er implizit deutlich, dass seine Darstellungsweise auch aus einer<br />

ästhetischen Auffassung resultiert, die Leid nicht sichtbar machen muss, um<br />

es darzustellen. Um den emotionalen Appell seiner Bilder dabei jedoch auch<br />

nicht über zu vordergründig gesetzte Reize zu erwirken, verzichtet er oftmals<br />

auf Farbe und bedient sich der Schwarzweissfotografie.<br />

Im Untergeschoss der Ausstellungsräume wartet Kurator Philippe Pirotte<br />

als Ergänzung zum Werk Mofokengs in seiner nunmehr letzten Ausstellung<br />

für die Berner Kunsthalle mit einem eigens eingerichteten Kinosaal auf, der<br />

im Rahmen der Reihe «The Idea of Africa (re-invented)» den Film «Spectres»<br />

des belgischen Künstlers Sven Augustijnen zeigt. Ein Film, der in 90 Minuten<br />

mehrperspektivisch und performanceartig auf die historischen Gegebenheiten<br />

der Inbesitznahme des Kongo durch Frankreich und das nachfolgend<br />

pseudohafte Aufarbeitungsstreben verweist.

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