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DEKUBITUS - PROPHYLAXE UND THERAPIE Leitlinien ... - AWA

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<strong>DEKUBITUS</strong> - <strong>PROPHYLAXE</strong> <strong>UND</strong> <strong>THERAPIE</strong><br />

<strong>Leitlinien</strong> erstellt vom Vorstand der Österreichischen Gesellschaft für<br />

Wundbehandlung<br />

Einleitung<br />

Druckschäden kommen zwar bei allen Altersgruppen, jedoch ist vor dem Hintergrund einer<br />

alternden Bevölkerung und auf Grund des Wandels des Krankheitsspektrums mit der<br />

Zunahme dieses Problems zu rechnen. Das durch Dekubitalulzera verursachte<br />

menschliche Leid und die entstehenden Kosten sowie die Bindung von Ressourcen sind<br />

beträchtlich. Daher sollte der Prävention und der Therapie besondere Bedeutung<br />

beigemessen werden.<br />

Entstehung durch Druck, Scherkräfte und Feuchtigkeit<br />

Ein Dekubitus (Druckgeschwür, lat. decubare = sich niederlegen, nach Hildanus 1590)<br />

entsteht durch eine ischämische Nekrose der Haut und der darunter liegenden Gewebe.<br />

Akute oder wiederholte Druckbelastungen und/oder Scherkräfte führen zum ischämischen<br />

Gewebsschaden, zum Zelltod (Nekrose) und zur Zerstörung des Gewebes.<br />

Das Produkt aus Dauer und Höhe des Druckes ist dabei maßgeblich. Je höher der<br />

Auflagedruck ist, umso geringer muss die Wirkzeit sein (Kosiak). Wenn das Druck-<br />

Zeitprodukt höher als 20 mmHg/Stunde ist besteht ein hohes Dekubitusrisiko (Seiler).<br />

Wenn auch die Zeit der wichtigere Faktor zu sein scheint, so ist die Höhe des wirkenden<br />

Druckes vor allem über Knochen von entscheidender Bedeutung. Bereits 1942 widerlegte<br />

Groth in experimentellen Studien die bis dahin herrschende Meinung eines speziellen<br />

„Neurogen trophischen Faktor“ als alleinige Ursache zur Dekubitusentstehung. Bereits bei<br />

niedrigen Druckwerten von 24 – 48 mm Hg kommt es zu nachweisbaren Schäden im<br />

Muskel und Fettgewebe. Bei noch intakter Haut, die besser durchblutet ist und höhere<br />

Belastungen aushält, kommt es in der Tiefe bereits zum Gewebsuntergang. Viele<br />

Druckschäden entstehen oft lange Zeit vor dem eigentlichen sichtbar werden, zum<br />

Beispiel im Operationssaal. Neben dem Druck sind die Scherkräfte (Reibung) ein weiterer<br />

bedeutender Faktor. Dinsdale beschrieb 1973 bzw.1974, dass bei zusätzlicher Wirkung<br />

von Scherkräften der kritische Druck 45mmHg beträgt. Durch Verringerung des<br />

Gefäßquerschnittes um die Hälfte ist nach der Gleichung nach Hagen-Poiseuille die<br />

Gewebsperfusion nur mehr ein Sechzehntel! Schließlich ist die Feuchtigkeit der dritte<br />

Grund einer Dekubitusentstehung. Durch die Nässe wird die Haut empfindlicher für<br />

Scherkräfte und Druck. Nach Flam (1989) beträgt die Transpirationsrate im Schlaf 64,8<br />

g/m 2 /h, beim wachen Liegen 167,9 g/m 2 /h und erreicht beim fiebernden Patienten Werte<br />

von weit über 300 g/m 2 /h. Reger (2002) berichtete von einem höheren Dekubitusrisiko mit<br />

zunehmender Hitze an der Hautoberfläche.<br />

Moderne Prophylaxe muss daher eine Druckentlastung, Lagerungsstabilität und die<br />

Möglichkeit zum Abdampfen der Schweißsekretion gewährleisten.<br />

Viele der Decubitalulcera können durch entsprechende Prävention und Aufklärung, die auf<br />

der entsprechenden Evidenz basiert, verhindert werden. Dazu zählt besonders das<br />

erkennen von "Risiko" Personen.


Identifizierung von "Risiko" - Personen, die Prophylaxe benötigen sowie deren<br />

individuelle Risikofaktoren ist daher das erste Ziel der <strong>Leitlinien</strong> zur Dekubitus<br />

Prävention der EPUAP (European Pressure Ulcer Advisory Panel)<br />

Diese <strong>Leitlinien</strong> basieren auf einem der folgenden Ergebnisse:<br />

• Ergebnisse einer kontrollierten Studie<br />

• Ergebnisse von mindestens zwei Fallserien/deskriptiven Studien zu<br />

Druckgeschwüren beim Menschen, oder<br />

• Expertenmeinung<br />

Eine Risikoeinstufung sollte zusätzlich zum klinischen Urteil erfolgen und nicht als<br />

Instrument isoliert von anderen klinischen Merkmalen eingesetzt werden.<br />

Eine vollständige Risikobeurteilung soll folgendes beinhalten: Allgemeiner medizinischer<br />

Zustand, Beurteilung der Haut, Mobilität, Feuchtigkeit und Inkontinenz, Ernährungszustand<br />

und Schmerzen.<br />

Die Beurteilung des Risikos sollte mehr umfassen als nur den Einsatz eines geeigneten<br />

Instruments zur Risikoeinstufung und sollte nicht zu einem reglementierten und unflexiblen<br />

Vorgehen bei der Patientenversorgung führen.<br />

Obwohl eine Risikobeurteilung gleich zu Beginn einer Betreuungssituation durchgeführt<br />

werden sollte, kann diese Beurteilung unter Umständen erst zu einem späteren Zeitpunkt<br />

vervollständigt werden, falls die Informationen nicht gleich erhältlich sind. Beurteilungen<br />

sollten außerdem kontinuierlich vorgenommen werden, die Häufigkeit der<br />

Neubeurteilungen sollte vom Patientenzustand und seinen eventuellen Veränderungen<br />

abhängig gemacht werden (EPUAP 2004)<br />

Intrinsische Risikofaktoren:<br />

Mobilitätseinschränkung Hirn-, Rückenmarks- oder periphere Nervenverletzungen<br />

Schlaganfall, Nerven- oder Muskelerkrankungen,<br />

Demenz-Erkrankungen, Parkinsonsche Krankheit, Schizophrenie,<br />

Depressionen<br />

Medikamentöse Sedation (Narkose, Brandverletzte etc.)<br />

Inkontinenz Harn- und/oder Stuhlinkontinenz<br />

Mangelernährung Stoffwechselstörungen (z.B. Diabetes mellitus,<br />

Schilddrüsenfunktionsstörungen), Tumorerkrankungen, Anämie,<br />

Eiweiß-und Vitaminmangel, Fieber, Flüssigkeitsmangel, Kachexie<br />

Fehlende Sensibilität Periphere oder zentrale Ursachen, Neuropaathien beim Diabetes<br />

mellitus oder Gefäßerkrankungen<br />

Verminderte Durchblutung Arterielle Verschlusskrankheit, Diabetes mellitus<br />

Herzinsuffizienz<br />

Infekte Chronische Infekte der Haut<br />

Skelettdeformität Knochenfehlstellungen<br />

Extrinsische Risikofaktoren:<br />

Druckbelastung Harte Matratze, Operationstisch, mangelndes Umlagern<br />

Scherkräfte Instabiles Sitzen, falscher Knick im Bett<br />

Mikrotraumata der Haut Raue Oberfläche, Falten<br />

Schädigung der Haut Schlechte Körperhygiene, Entfettung mit Alkohol, Nässe<br />

Medikamente Kortison, Zytostaka, Strahlentherapie


Risikoskalen<br />

Sie ermöglichen das Einschätzen des Dekubitusrisikos, sind aber nur als zusätzliches<br />

Hilfsmittel neben der Klinischen Beurteilung zu sehen und ersetzen letztere keinesfalls.<br />

Derzeit sind etwa 20 verschiedene Skalen veröffentlicht.<br />

Norton-Skala (1962): Durch Verwenden von subjektiven Parametern wie „teilweise“ oder<br />

„wenig“ wurde in klinischen Tests gezeigt, dass die Reliabilität nur gering ist. Sie wird<br />

daher von Expertengruppen zur Verwendung bei geriatrischen Patienten nicht empfohlen.<br />

Die Verwendung der Braden-Skala wird als verlässlicher gewertet, da die einzelnen<br />

Parameter exakt definiert sind (Schröder 2003). Sie ist auch die einzige Skala, die auf ihre<br />

Validität geprüft wurde (McGough 1999, RCN).<br />

Gefährdete Körperregionen Häufigkeit (%)<br />

• Hinterhaupt 6<br />

• Schulterblätter 6<br />

• Dornfortsätze der Brustwirbel 5<br />

• Beckenbereich 48<br />

Trochanter major<br />

Os sacrum<br />

Tuber ossis ischii<br />

Os coccygis<br />

• Fibulaköpfchen 6<br />

• Ellenbogen 6<br />

• Knöchel 5<br />

• Ferse 18<br />

Schweregrade (nach Seiler, 1979)<br />

Grad 1: Umschriebene nicht wegdrückbare Rötung der intakten<br />

Haut, die nach zweistündiger Entlastung nicht<br />

verschwindet.<br />

Grad 2: Oberflächlicher Defekt im Dermisbereich mit freiliegendem<br />

Subkutangewebe<br />

Grad 3: Schädigung aller Hautschichten mit sichtbaren Anteilen von<br />

Muskel, Sehnen, Faszien und/oder Knochen<br />

Grad 4: Beteiligung von Knochen


Häufigkeit<br />

Die Angaben über eine Dekubitushäufigkeit liegen im internationalen Schrifttum zwischen<br />

0,4 und 85%! Die Ursache für diese enorme Schwankungsbreite liegt nicht etwa in einer<br />

schlechteren Prophylaxe bzw. Pflege, sondern in der unterschiedlichen Risikostruktur.<br />

Auch werden in vielen Studien nur Schweregrade 2 bis 4 als „eigentlicher“ Dekubitus<br />

berücksichtigt. Der Grad 1 stellt jedoch normalerweise ca. 50% aller Dekubitusfälle dar.<br />

Für Deutschland wird eine Prävalenz von 10% in Krankenhäusern, 30% für Geriatrische<br />

Kliniken und Altenheime und 20% für pflegebedürftige in häuslicher Umgebung<br />

angenommen. In Hamburg werden im Rahmen des Projektes „Qualitätsvergleich in der<br />

Dekubitusprophylaxe“ seit 1998 in Akutspitälern bzw. seit 1999 in Pflegeeinrichtungen<br />

kontinuierliche Erhebungen zum Dekubitus durchgeführt. In den Akutkrankenhäusern<br />

wurden folgende Daten erhoben: Bei der Aufnahme lag die Dekubitushäufigkeit zwischen<br />

4,1 und 5,7%, das Risiko einen Dekubitus zu entwickeln lag zwischen 28,3 und 31,6%<br />

und die Neuentstehungsrate durchschnittlich bei 1,3%. Das Risiko in den<br />

Pflegeeinrichtungen (10.000 Bewohner) lag bei 47%. Das Vorkommen unter<br />

Berücksichtigung aller Grade lag in Abhängigkeit der jeweiligen Pflegestufe zwischen 3<br />

und 20%. Die Neuentstehungsrate pro Quartal lag bei ca. 2%, ohne Grad 1 lag sie bei<br />

1,1%. (Gesundheitsberichterstattung des Bundes, Heft 12, 2002). Vergleichbare Daten<br />

aus den USA lieferten Untersuchungen an 30.000 Bewohnern von Einrichtungen der<br />

Veterans Administration. Es fand sich ein Dekubitusvorkommen von 7,7% und eine<br />

Neuentstehungsrate (ohne Grad 1) von 1,9%. Die PRINZ - (Prävalenz und Inzidenz) -<br />

Dekubitusstudie wurde von KCI-Austria seit 1996 Österreich weit bisher an ca. 56.000<br />

Patienten und Klienten erhoben. Dabei zeigte sich unter Berücksichtigung aller Stadien für<br />

Akutkrankenhäuser eine Rate von 8,2% und für Pflegeeinrichtungen ohne<br />

Berücksichtigung der Pflegestufe eine Dekubitushäufigkeit von durchschnittlich 12%. Ohne<br />

Stadium 1 fanden sich folgende Werte: 4,9 % für den Akutbereich und 6,3 % für den<br />

Pflegebereich. Vergleichbare Daten aus der Literatur fanden sich in Deutschland (Tauche)<br />

mit 6,3% bzw. Aus den USA (Meehan) mit 6,9%.<br />

Kosten<br />

Grundsätzlich kann man davon ausgehen, dass die Prophylaxe etwa 90% an Kosten<br />

erspart (Seiler). Die Berechnung der tatsächlichen Kosten erweist sich als sehr schwierig ,<br />

da folgende Faktoren zu berücksichtigen wären: Materialeinsatz, Personaleinsatz, Kosten<br />

für verlängerten Aufenthalt, Kosten für Folgeschäden, volkswirtschaftliche Kosten.<br />

Folgende Daten mit zum Teil sehr unterschiedlichen Berechnungsansätzen liegen vor:<br />

Seiler (Schweiz) spricht bei einer durchschnittlichen Behandlungsdauer von 6 Monaten<br />

von 50 000 SFR ( = 27 000 €) an Mehrkosten. Melcher et al. geben für einen Patienten<br />

mit einem Hautdefekt bei einem durchschnittlichen Spitalsaufenthalt von 46 Tagen Kosten<br />

von 27.000 $ ca. 25.000 € an. Hefel et al. berichten 1980 von 15 000 € an Kosten für die<br />

Defektdeckung eines Dekubitus bei durchschnittlicher Liegedauer von 27 Tagen. Neander<br />

beziffert 1995 die Kosten für die Behandlung von 40 Patienten mit Dekubitalgeschwüren in<br />

unterschiedlichen Stadien mit Gesamtkosten von 1.132.88. DM, das entspricht 14.160 €<br />

pro Patient. In Deutschland gab es 1998 ca. 16 Millionen stationäre Behandlungsfälle<br />

und bei einer Inzidenzrate von 1,3% hätten demnach 207 000 Patienten einen Dekubitus<br />

entwickelt. Bei angenommen 1,1 Millionen zusätzlichen Pflegetagen ergeben sich daraus<br />

Mehrkosten von 200 Mio. EUR, das sind ca. 10 000 EUR pro Patient. Da das<br />

Dekubitusrisiko im Akutkrankenhaus im Regelfall nicht während des gesamten<br />

Aufenthaltes besteht und die durchschnittliche Einsatzdauer kaum mehr als 20 Tage<br />

beträgt bedeutet dies pro Fall, je nach eingesetztem Weichlagerungssystem, Kosten von<br />

450 € bis 1300 €.


Prophylaxe<br />

Therapie<br />

• Erkennen und Überwachen von gefährdeten Patienten bzw. Klienten<br />

an Hand von Risikoskalen<br />

• Schriftliche Dokumentation der Risikofaktoren, schriftliche Pläne zur<br />

Prophylaxe und der getroffenen Maßnahmen<br />

• Hautpflege<br />

• Ausschalten von Risikofaktoren, soweit dies möglich ist<br />

• Mobilisierung<br />

• Regelmäßiges Umlagern, das Intervall hängt vom Ergebnis der Risikoskala<br />

ab. Wissenschaftlich ist das zweistündliche Umlagern nicht haltbar (Schröder<br />

2003)<br />

• Freilagern der Fersen<br />

• Einsatz von Hilfsmitteln und druckentlastenden Systemen<br />

• Regelmäßige Krankengymnastik um das Entstehen von Kontrakturen zu<br />

vermeiden.<br />

Laufende Dokumentation und Analyse des Lokalstaus hinsichtlich:<br />

• Lokalisation<br />

• Größe (Durchmesser)<br />

• Tiefe bzw. Höhlen und Wundtaschen<br />

• Wundbeschaffenheit (Infektionsstadium)<br />

• Wundränder<br />

• Wundumgebung<br />

• Schmerzen<br />

Allgemeine Gesichtspunkte<br />

• Regelmäßige Druckentlastung gefährdeter Areale (über 24 Stunden)<br />

• Behandlung der Grunderkrankung<br />

• Mobilisierung<br />

• Stadiengerechte Wundbehandlung<br />

• Ausschalten bzw. Vermindern von Mangelzuständen wie:<br />

Anämie,<br />

Eiweißmangel,<br />

Mangel an Spurenelementen und Vitaminen<br />

durch Zusatz- bzw. Sondennahrung und/oder parenteraler Ernährung<br />

• Ausreichende Flüssigkeitszufuhr, falls erforderlich parenteral<br />

• Hautpflege und optimale hygienische Versorgung des Patienten<br />

• Therapie der Inkontinenz<br />

• Chirurgische und Plastisch-chirurgische Versorgung


Spezielle Gesichtspunkte<br />

• Interdisziplinäre Zusammenarbeit von Pflege. Arzt und Therapeuten<br />

• Regelmäßiges und stabiles Umlagern des Patienten, das Intervall hängt vom<br />

Ergebnis der Risikoskala ab.<br />

• 30 Grad Schräglagerung (reine Seitenlage stellt eine Mehrbelastung der<br />

Trochanteren dar)<br />

• Optimale Anpassung der Lagerungsmittel an die Körperoberfläche<br />

Ausschneiden von "normalen" Schaumstoffmatratzen zum Hohllagern von<br />

betroffenen Körperstellen.<br />

• Freilagern der Fersen (Watteverband ist auf Grund des 3-5 fach höheren<br />

Druckgradienten über dem Fersenbein nicht ausreichend.<br />

• Lagerungshilfsmittel nach folgenden Kriterien auswählen:<br />

• Körpergewicht des Patienten<br />

• Pflegerischer und therapeutischer Schwerpunkt (weiche Matratze kann Mobilität<br />

hemmen)<br />

• Bekannte Nebenwirkungen des Lagerungsmittels (z.B. Zunahme der Desorientierung,<br />

Flüssigkeitsverlust)<br />

• Grad der Dekubitusgefährdung nach Skala<br />

• Wirkungsnachweis des Herstellers<br />

• Eine Vergrößerung der Auflagefläche vermindert den Auflagedruck.<br />

"Superweiche" Schaumstoffmatratzen:<br />

Schichtdicke mindestens 20 cm, ein Gewicht von 250 g dringt auf einer<br />

Fläche von 1 cm 2 40-45 mm tief ein<br />

Maschinell - druckentlastende Therapiesysteme = "Weichlagerungs-<br />

Systeme"<br />

• Statische und dynamische Wechseldrucksysteme<br />

• Luftkissenbetten oder Luftkissenauflagen<br />

• "Fluid Air"-Systeme<br />

Wundbehandlung<br />

Prinzipien<br />

• Entfernen von nekrotischem Gewebe (Debridement)<br />

Infektionsquelle ist entfernt<br />

Ermöglicht Beurteilung der Tiefenausdehnung<br />

Wundheilung ermöglicht<br />

• Wundreinigung<br />

• Infektionsbekämpfung<br />

• Anregung der Granulation ("Wundkonditionierung")<br />

• Förderung der Epithelialisierung


Wundversorgung<br />

• Dekubitus Grad 1:<br />

steriles Abdecken mit nicht haftendem Verband.<br />

• Dekubitus Grad 2 und 3 im Stadium der Kontamination und Kolonisation:<br />

Reinigung mit Kochsalzlösung, Erhalten eines feuchten Wundmilieus,<br />

steriles Abdecken mit nicht haftendem Verband.<br />

• Bei Nekrosen oder Fibrinbelägen:<br />

chirurgische Abtragung, insbesondere müssen trockene, schwarze Nekrosen<br />

entfernt werden, da sich darunter anaerobe Keime in die Tiefe ausbreiten.<br />

• Bei Infektion und kritischer Kolonisation:<br />

Einsatz von Antiseptika für begrenzte Zeit. Sobald das Stadium der<br />

Kolonisation oder Kontamination erreicht ist keine Antiseptika mehr<br />

verwenden. Diese Substanzen beeinträchtigen Granulationsgewebsbildung<br />

und Epithelialisation nachhaltig.<br />

• Wunde kontinuierlich feucht halten<br />

• Bei oberflächlichen, fibrinösen Belägen<br />

Versuch der Wundreinigung mit proteolytischen Enzymen. Zeitlich<br />

begrenzter Einsatz, sonst Störung der Wundheilung.<br />

• Die lokale antibiotische Behandlung ist kontraindiziert. Bei Anzeichen einer<br />

Infektion systemische Antibiotikagabe entsprechend dem Resistenzmuster<br />

• Hydroaktive Verbände. Der Einsatz dieser Substanzen ermöglicht:<br />

• feuchtes Wundmilieu<br />

• Entfernung von Exsudat<br />

• Atraumatische Verbandwechsel<br />

• Verzicht auf pharmakologische Wirkstoffe<br />

• Schutz vor Sekundärinfektion<br />

Hydrokolloide bestehen aus quellfähigen Proteinen, es entsteht ein freies<br />

Gel. Sie unterstützen die Wundreinigung und die Bildung von<br />

Granulatonsgewebe. Einsatz: bei mäßiger bis starker Sekretion.<br />

Hydropolymerverbände binden Sekret in der Matrix. Einsatz: Bei Granulation<br />

mit geringer Sekretion.<br />

Hydrofaserverbände bestehen aus zu Fasern gesponnener Natrium-<br />

Carboxymethylcellulose die zu Kompressen und Tamponaden<br />

verarbeitet wird. Diese nehmen durch Quellen Sekret auf. Einsatz: bei<br />

mittlerer bis starker Sekretion.<br />

Alginate bilden mit dem Wundsekret ein Gel. Einsatz: Bei tiefen, zerklüfteten<br />

und stark sezernierenden Wunden, vor allem im Stadium der kritischen<br />

Kolonisation und Infektion.<br />

Hydrogele besitzen einen hohen Wasseranteil. Einsatz: bei trockenen<br />

Wunden und zum Quellen von Nekrosen.<br />

• Vacuum-unterstützte Wundbehandlung (VAC - Therapie)


• Wundreinigung durch kontinuierliche Drainage<br />

• Feuchte Wundbehandlung ohne Sekretstau<br />

• Reduktion des Wundödems<br />

• Verbesserung der Durchblutung<br />

• Mechanische Wundkontraktion<br />

• Beschleunigung der Granulationsgewebsbildung<br />

• Reduktion der Bakterienkolonisation<br />

• Vermeidung von Kreuzinfektionen<br />

• Schützt Wunde vor Auskühlen<br />

Plastisch-chirurgische Versorgung<br />

Bei Dekubitalulzera in den Graden 3 und 4 kann durch Plastisch - chirurgische<br />

Maßnahmen der Behandlungsverlauf abgekürzt werden und ist daher ökonomisch<br />

günstiger.<br />

Voraussetzung für eine stabile Defektdeckung ohne Fistelbildung und<br />

Wundheilungstörungen sind eine komplette Exzision aller Nekrosen sowie eine<br />

ausreichende Glättung oder Resektion von Knochenkanten. Höhlen und Taschen sollten<br />

mitentfernt werden. Besser aber, da Gewebe sparend, ist eine präoperative<br />

Wundkonditionierung mit vacuumunterstützter Wundtherapie zum Ausheilen bzw. zum<br />

Aufbau von Granulationsgewebe in den Wundtaschen.<br />

Bei der Wahl des Operationsverfahrens sind zu beachten:<br />

• Die Ausgangssituation bzw. der Allgemeinzustand des Patienten<br />

• Art und Lokalisation der Wunde<br />

• Zustand des umgebenden Gewebes (z.B. Narben)<br />

• Die Prognose des Patienten<br />

Daraus ergeben sich folgende Indikationen (nach Lüscher 1989)<br />

• Vitale Indikation Arterielle Blutung, Sepsis<br />

• Absolute Indikation Osteomyelitis mit Sequester<br />

Eröffnung des Hüftgelenkes<br />

Fistel zu Rektum oder Urethra<br />

• Relative Indikation Dekubitus Grad 3 und 4<br />

Voll rehabilitierter Paraplegiker<br />

„Gesunde“ geriatrische Patienten<br />

Rezidivulzera nach konservativer Therapie<br />

Chronische Schmerzen


Auswahl der Plastischen Operationsverfahren<br />

• Direktverschluss Die Narbe nach Exzision und Direkverschluss liegt<br />

erneut im Druckbereich und ist noch weniger belastbar,<br />

daher große Rezidivgefahr und ist daher nur in<br />

Ausnahmefällen geeignet.<br />

• Hauttransplantate sind nur gering belastbar und haben daher eine hohe<br />

Rezidivrate, dienen oft nur zur temporären<br />

Defektdeckung. Werden nur in Ausnahmefällen<br />

angewandt.<br />

• Nahlappenplastiken Gewebe aus der Nachbarschaft des Defektes wird zum<br />

Verschluss verwendet. Sollten groß genug gewählt<br />

werden damit sie beim Auftreten eines Rezidivs<br />

nochmals verwendet werden können.<br />

• Fernlappenplastiken werden eingesetzt wenn Lappenplastiken aus der<br />

Umgebung nicht möglich sind. In Einzelfällen wird nur<br />

durch einen Gewebstransfer in mikrovaskulärer Technik<br />

eine adäquate Defektdeckung erreicht.<br />

Forensische Gesichtspunkte<br />

Der Dekubitus kann als iatrogener Schaden rechtliche Folgen nach sich ziehen. Ein<br />

Dekubitalulkus kann, muss jedoch kein Pflegefehler sein. Die Zusammenhänge zwischen<br />

Risiko und unausweichlichem bzw. vermeidbaren Dekubitus können nicht immer im<br />

juristischen Sinne regelhaft geklärt werden. Es wird zwischen der Neuentstehung<br />

(eigenverantwortlich, pflegerische Maßnahmen sind angezeigt, z.B. Bewegungs- und<br />

Lagerungstechniken) und der Verschlimmerung eines bestehenden Dekubitus<br />

unterschieden, wobei in diesem Fall zusätzlich die ärztliche und pflegerische<br />

Sorgfaltspflicht in die Bewertung mit einzubeziehen ist. Eine Verschlechterung des<br />

Zustandes bei bereits bestehendem Dekubitus wiegt deshalb im Sinne einer Verfehlung<br />

schwerer, da zusätzlich eine ärztliche Mitverantwortung bei der Wundbehandlung zum<br />

Tragen kommt. Grundsätzlich wird zwischen individuellen Verfehlungen einerseits und<br />

Defiziten in der Gesamtorganisation mit Verantwortung auf Leitungs- oder Trägerebene<br />

andererseits unterschieden. Bei der Entstehung eines Dekubitus darf nur dann<br />

schuldhaftes Handeln unterstellt werden, wenn grobe Fahrlässigkeit durch Missachtung<br />

Evidenz basierter und allgemein akzeptierter Handlungsvorgaben nachgewiesen werden<br />

kann, dies gilt insbesondere für das Unterlassen entsprechender Prophylaxemaßnahmen.<br />

Die Bewertung von Einzelfällen wird dadurch erschwert, dass nur eine lückenlose<br />

Dokumentation die objektive Einschätzung einer tatsächlich geleisteten Pflege bzw.<br />

Behandlung ermöglicht.<br />

Ein Dekubitus kann straf- und zivilrechtliche Konsequenzen haben. Das strafrechtliche<br />

Ermittlungsverfahren begründet sich auf fahrlässiges Verhalten hinsichtlich<br />

Körperverletzung oder Tötung. Sowohl im Todesfalle als auch bei Körperverletzung kann<br />

aber der ursächliche Zusammenhang mit dem Dekubitus meist nicht mit ausreichender<br />

Sicherheit erhärtet werden. Im zivilrechtlichen Verfahren sieht es jedoch anders aus, wo<br />

die Beweislastumkehr gegen den Beklagten droht Die Dokumentation des professionellen<br />

Handelns wird dabei als Rechenschaftsverpflichtung gegenüber dem Patienten gesehen.<br />

(Gesundheitsberichterstattung des Bundes, Robert Koch-Institut in Zusammenarbeit mit<br />

dem Statistischen Bundesamt, Heft 12, 2002, Dekubitus)


Entscheidungen des dtschen. Bundesgerichtshofes:<br />

• Prophylaxe und Therapie des Dekubitus sind pflegerische und ärztliche Aufgaben.<br />

• Das Vorliegen eines Risikos muss schriftlich dokumentiert sein.<br />

• Getroffene prophylaktische und therapeutische Maßnahmen müssen schriftlich<br />

und nachvollziehbar dokumentiert sein.<br />

• Bei pflegerischen Bedenken gegen eine ärztliche Anordnung (mitverantwortlicher<br />

Tätigkeitsbereich) hat die Pflegeperson eine schlüssige Begründung beim<br />

Ablehnen der ärztlich angeordneten Maßnahmen vorzubringen und zu<br />

dokumentieren. Wird die Maßnahme trotzdem durchgeführt trägt der Arzt dann<br />

die alleinige Verantwortung für die Anordnung und Durchführung.


Literaturverzeichnis:<br />

Lüscher NJ, Dekubitalulzera der Beckenregion (1989), Hans Huber Verlag, Bern<br />

Van Steelandt T, Häufigkeit und Kosten von Dekubitalgeschwüren - PRINZ (Prävalenz und<br />

Inzidenz) Dekubitusstudie in: Dekubitus, das Buch zum Seminar, (1998) Zöch G (Hrsg.)<br />

KCI Mediskus<br />

Gesundheitsberichterstattung des Bundes, Robert Koch-Institut in Zusammenarbeit mit<br />

dem Statistischen Bundesamt, Heft 12, 2002, Dekubitus<br />

Dekubitusprophylaxe, Erster nationaler Expertenstandard, Schröder G., (2003)<br />

Österreichische Pflegezeitschrift<br />

<strong>Leitlinien</strong> der Deutschen Gesellschaft für Physikalische Medizin und Rehabilitation (1999)<br />

AWMF-<strong>Leitlinien</strong>register Nr. 036/005<br />

Leitlinie Dekubitus Initiative Chronische Wunden, 2. Auflage, Köln 1998<br />

Werner GT, Eisenmenger W, et al.: Der Dekubitus: Ursachen Therapie und Prophylaxe -<br />

forensische Aspekte Dtsch. Ärztebl. 88(1991) 3-6<br />

Gesundheits und Krankenpflegegesetz (GuKG)<br />

Pressure Ulcer Prevention Guidlines,<br />

European Pressure Ulcer Advisory Panel, www.epuap.org; 2004<br />

Pressure ulcer risk assessment and prevention, Royal College of Nursing, 2001<br />

Autoren:<br />

Univ. Doz. Dr. Gerald Zöch, FA. Für Plastische Chirurgie, SMZ-Ost, Donauspital,<br />

Langobardenstraße 122, 1220 Wien<br />

Oberin DGKS Erika Degendorfer, Abteilung Organisation und Qualitätsmanagement,<br />

Direktion KA und Pflegeheime, Wr. Krankenanstaltenverbund, Schottenring 24, 1010 Wien<br />

Univ. Prof. Dr. Norbert Sepp, Univ.-Klinik für Dermatologie und Venerologie, Anichstr. 35,<br />

6020 Innsbruck<br />

Prim. Dr. Sebastian Reischle, Aestomed Ambulatorium für ästhetische & kosmetische<br />

Lasermedizin, Rennweg 9, 1030 Wien<br />

OA Dr. Susanne Scholz, Klinische Abteilung für Allgemeine Dermatologie, Univ.-Klinik für<br />

Dermatologie und Venerologie, Auenbruggerplatz 8, 8036 Graz<br />

Dr. Thomas Wild, Univ.-Klinik für Chirurgie, AKH Wien, Währinger Gürtel 18-20, 1090<br />

Wien<br />

Korrespondenzadresse:<br />

Österreichische Gesellschaft für Wundbehandlung, Postfach 65, A 1095 Wien<br />

Tel.: +43/1/879 03 79, Fax: +43/1/879 04 90; E-Mail: office@a-w-a.at

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